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Interdiszipinäre Schockraum-Leitlinie des Universitätsklinikum Essen, Version 03-2013 Seite 1 von 30 Interdisziplinäre Richtlinie Schwerstverletztenversorgung im Schockraum Universitätsklinikum Essen Version 3/2013 Korrespondierende Autoren: PD Dr. Sven Lendemans und Prof. Dr. Christian Waydhas Unter Mitarbeit von: Dr. R. Assert, Dr. P. Brendt, PD Dr. C. Dohna-Schwake, Prof. Dr. H. Kühl, Dr. P. Moldzio, Dr. K. Piepenbrink, Dr. G. Rieger, B. Schwarz, Dr. K. Tsagakis Die Behandlung des Schwerverletzten im Schockraum beinhaltet mehrere Behandlungsabschnitte, die in der folgenden Handlungsanweisung dargestellt werden. Ziel ist es, diese Behandlungsabschnitte unter Berücksichtigung der interdisziplinären Interaktion darzustellen. Die Behandlungsschritte lassen sich in mehrere Phasen strukturieren: A Basisdiagnostik und Basistherapie im Schockraum B Notfallinterventionen im Schockraum (bzw. im OP) C Weiterführende Diagnostik und Therapie D Computertomographische Diagnostik E Abschluss des Schockraummanagements F Operative / interventionelle Versorgung G Tertiary Survey Die Richtlinie basiert auf den Empfehlungen der S-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2011- 07.pdf) und dem Weißbuch der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie 2012 (http://www.dgu- traumanetzwerk.de/images/stories/20072012%20weibuch%20dgu_schwerverletztenversorgung_2.erweiterte%20 auflage.pdf) und den Anpassungen an die lokalen Erfahrungen und Gegebenheiten am Universitätsklinikum Essen

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Interdiszipinäre Schockraum-Leitlinie des Universitätsklinikum Essen, Version 03-2013

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Interdisziplinäre Richtlinie

Schwerstverletztenversorgung im Schockraum Universitätsklinikum Essen

Version 3/2013

Korrespondierende Autoren: PD Dr. Sven Lendemans und Prof. Dr. Christian Waydhas Unter Mitarbeit von: Dr. R. Assert, Dr. P. Brendt, PD Dr. C. Dohna-Schwake, Prof. Dr. H. Kühl, Dr. P. Moldzio, Dr. K. Piepenbrink, Dr. G. Rieger, B. Schwarz, Dr. K. Tsagakis Die Behandlung des Schwerverletzten im Schockraum beinhaltet mehrere Behandlungsabschnitte, die in der folgenden Handlungsanweisung dargestellt werden. Ziel ist es, diese Behandlungsabschnitte unter Berücksichtigung der interdisziplinären Interaktion darzustellen. Die Behandlungsschritte lassen sich in mehrere Phasen strukturieren: A Basisdiagnostik und Basistherapie im Schockraum B Notfallinterventionen im Schockraum (bzw. im OP) C Weiterführende Diagnostik und Therapie D Computertomographische Diagnostik E Abschluss des Schockraummanagements F Operative / interventionelle Versorgung G Tertiary Survey Die Richtlinie basiert auf den Empfehlungen der S-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2011-07.pdf) und dem Weißbuch der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie 2012 (http://www.dgu-traumanetzwerk.de/images/stories/20072012%20weibuch%20dgu_schwerverletztenversorgung_2.erweiterte%20auflage.pdf) und den Anpassungen an die lokalen Erfahrungen und Gegebenheiten am Universitätsklinikum Essen

Interdiszipinäre Schockraum-Leitlinie des Universitätsklinikum Essen, Version 03-2013

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Inhaltsverzeichnis A.1.1 Indikation zur Schockraumversorgung ............................................................... 4!A.1.2.Verlegungskriterien für Kinder unter 15 Jahren .................................................. 5!A.2. Schockraumteam ................................................................................................. 5!

A.2.1. Basisteam im Schockraum ......................................................................... 5!A.2.2. Erweitertes Schockraumteam (Anwesenheit innerhalb 20-30 Minuten) .... 6!A.2.3. Basisteam bei Kindern unter 15 Jahren ..................................................... 6!

A.3. Alarmierung .......................................................................................................... 6!A.3.1. Aufgaben der Mitarbeiter/in in der Patientenannahme ............................... 6!A.3.2. Aufgaben des Schockraumteams .............................................................. 7!

A.4. Vorhaltung im Schockraum .................................................................................. 8!A.5. Basisdiagnostik (erste 20 Min. nach SR-Aufnahme) ............................................ 8!

A.5.1. Übergabe durch den Notarzt/ärztin ............................................................ 8!A.5.2. Umlagerung des Patienten ......................................................................... 9!A.5.3. Erster Untersuchungsgang (primary survey) ............................................. 9!A.5.4. Team-Rapport 1 ....................................................................................... 10!A.5.5. Zweiter Untersuchungsgang (secondary survey) ..................................... 10!A.5.6. Team-Rapport 2 ....................................................................................... 11!A.5.7. Sonderfälle ............................................................................................... 11!

A.6. Basistherapie (erste 20 Min. nach SR-Aufnahme) ............................................. 12!A.7. Transfusionsmanagement .................................................................................. 14!

A.7.2. Blutgruppenbestimmung .......................................................................... 14!A.7.3. Bestellung von Blutkonserven .................................................................. 14!A.7.1. Substitution von Erythrozytenkonzentraten .............................................. 16!

A.8. Gerinnungsmanagement .................................................................................... 16!A.9. Vorgehen bei offenen Frakturen und Luxationen ............................................... 17!

A.9.1. Wundverschluss: ...................................................................................... 18!A.9.2. Antibiotika-Prophylaxe: ............................................................................ 18!A.9.3. Dokumentation (einschl. Klassifikation): direkt nach der OP ................... 18!A.9.4. Grobdislozierte Frakturen und Luxationen ............................................... 18!

A.10. Exitus letalis im Schockraum ............................................................................ 19!A.11. Umgang mit Angehörigen ................................................................................. 19!A.12. Umgang mit dem Rettungsdienst/Hubschrauberbesatzung ............................. 19!B. Notfalloperationen im Schockraum oder Not-OP .................................................. 20!C. Weiterführende Diagnostik im Schockraum .......................................................... 21!

C.1. Kriterien für die dringliche CT-Diagnostik ................................................... 21!C.2. Weiterführende Diagnostik im Schockraum ................................................ 21!C.3. Transport vom Schockraum in die Röntgenabteilung ................................. 22!

D. Computertomographiediagnostik .......................................................................... 22!D.1. Ganzkörper-CT ........................................................................................... 22!

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D.2. CCT und HWS-CT: ..................................................................................... 23!D.3. Lagerung im CT-Raum: .............................................................................. 23!

E. Abschluss Schockraummanagement - Verlegung auf die ITS / in den OP .......... 24!F! Operative / interventionelle Versorgung ............................................................... 24!

F.1. Verletzungen der thorakalen Aorta .............................................................. 24!F.2. Reanimation bei Trauma ............................................................................. 25!

G. Tertiary Survey ...................................................................................................... 25!Anhänge .................................................................................................................... 27!

Anhang 1 ............................................................................................................ 27!Anhang 2 ............................................................................................................ 29!Anhang 3 ............................................................................................................ 30!

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A.1.1 Indikation zur Schockraumversorgung Bei folgenden Verletzungen soll das Trauma/Schockraum-Team aktiviert werden:

! systolischer Blutdruck unter 90 mmHg nach Trauma

! Vorliegen von penetrierenden Verletzungen der Rumpf-/Hals-Region

! Vorliegen von Schussverletzungen der Rumpf-/Hals-Region

! GCS unter 9 nach Trauma

! Atemstörungen / Intubationspflicht nach Trauma

! Frakturen von mehr als 2 proximalen Knochen

! instabiler Thorax

! Beckenfrakturen

! Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße

! Querschnittsverletzung

! offene Schädelverletzungen

! Verbrennungen >20% und Grad ≥2b

! Sturz aus über 3 Meter Höhe

! Verkehrsunfall (VU) mit

- Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50 – 75 cm

- einer Geschwindigkeitsveränderung von delta >30 km/h

- Fußgänger / Zweirad-Kollision

- Tod eines Insassen

! Ejektion eines Insassen

! Übernahme aus dem Schockraum einer anderen Klinik

! Übernahme von der Intensivstation einer anderen Klinik innerhalb von 96h nach Trauma

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A.1.2.Verlegungskriterien für Kinder unter 15 Jahren ! GCS < 13 (mittleres und schweres SHT), Impressionsfraktur, neurologische

Symptomatik (z.B. Krampfanfall, fokale neurologische Symptome oder Progredienz)

! Thoraxtrauma mit Lungenkontusion (AIS > 2)

! Abdominaltrauma mit Organverletzung (AIS > 2)

! Beckenfraktur oder Frakturen von 2 langen Röhrenknochen der unteren

Extremitäten

! Intensivtherapie > 24 h (wegen Trauma)

! (M)ISS > 15

A.2. Schockraumteam A.2.1. Basisteam im Schockraum Unfallchirurgie: - 1. Dienst (Facharzt) - 2. Dienst (Weitebildungsassistent Orthopädie und Unfallchirurgie) - Dienstarzt der Intensivstation - 1 Oberarzt wird ggf. hinzugerufen - bis 20:00 Uhr 2 Ambulanzpflegekräfte der Chirurgischen Notaufnahme - ab 20:00 Uhr 1 Ambulanzpflegekraft und 1 Bluttransporter (Fa. Medita)

Anästhesiologie: - 1 Facharzt (FOA) - 1 Oberarzt wird ggf. hinzugerufen - 1 Anästhesiepflegekraft

Neurochirurgie: - 1 Neurochirurg/in

Radiologie: - 1 erfahrener Assistenzarzt (sofern dieser keinen Facharztstandard hat, werden

die Bilder zeitnah vom Oberarzt befundet) - 1 Oberarzt wird ggf. hinzugerufen - 1 Röntgen-MTA

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Blut- und Labortransportdienst A.2.2. Erweitertes Schockraumteam (Anwesenheit innerhalb 20-30 Minuten) - Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzweiterbildungsqualifikation

Spezielle Unfallchirurgie oder Facharzt für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie (Oberarzt)

- Facharzt für Viszeralchirurgie oder Allgemeinchirurgie (Oberarzt) - Facharzt für Anästhesiologie (Oberarzt) - Facharzt für Neurochirurgie (Oberarzt) - Facharzt für Radiologie (Oberarzt) mit Kenntnissen in interventioneller Radiologie - Facharzt für Gefäßchirurgie - Facharzt für Herz- und/oder Thoraxchirurgie - Facharzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie - Facharzt für HNO - Facharzt für Augenheilkunde - Facharzt für Gynäkologie - Facharzt für Pädiatrie - Facharzt für Kinderchirurgie - Facharzt für Urologie - Facharzt für Innere Medizin (Kardiologie) - 2 OP-Pflegekräfte - weitere Rufdienste zur gleichzeitigen Versorgung mehrerer Schwerverletzter laut

Alarmplan A.2.3. Basisteam bei Kindern unter 15 Jahren - Die im Basisteam anwesenden Unfallchirurgen, Anästhesisten, Neurochirurgen und

Radiologen sind aufgrund des Patientenspektrums am UKE durchgehend Kindertrauma- oder pädiatrisch erfahren

- Zum allgemeinen Basisteam hinzu kommen: o Kinderchirurg im Hintergrund o Kinder-Intensivmediziner

A.3. Alarmierung A.3.1. Aufgaben der Mitarbeiter/in in der Patientenannahme A.3.1.1. Anmeldung/Annahme Die Anmeldung eines schwerverletzten Patienten soll über das Notfalltelefon (Tel: 1340, alternativ 1341/1342) in der Patientenannahme der Chirurgischen Notaufnahme (über eine Rettungsleitstelle, von einem NAW über Handy) erfolgen.

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Der Mitarbeiter/in der Notaufnahme protokolliert die Alarmierungsmeldung in einem Dokumentationsbogen. Handelt es sich um eine Anfrage vom Unfallort wird der Patient ohne weitere Rückfrage immer angenommen. Handelt es sich um eine dringliche Sekundärverlegung aus einem anderen Krankenhaus, so ist der Anruf zunächst an den Dienstarzt der Unfallchirurgie bzw. an die versorgenden Fachabteilung weiterzuleiten. Diese/r entscheidet dann über die Annahme des Patienten und informiert im positiven Falle unmittelbar die Patientenannahme der Chirurgischen Notaufnahmen (Tel: 1340/1341/1342). A.3.1.2. Alarmierung Die Schockraum-Alarmierung erfolgt immer dann, wenn die Leitstelle oder ein Notarzt den Patienten entsprechend anmeldet, der Patient die o.g. Kriterien erfüllt oder eine der beteiligten Disziplinen es für erforderlich hält. Der zentrale Schockraum-Sammelruf („rote Klingel“) wird ausgelöst, wenn die zuständige Leitstelle oder der Notarzt den Patienten als in der Anfahrt anmelden oder der NAW oder RTH in Einfahrt bzw. Landeanflug sind. Im Fall einer Voranmeldung (mit voraussichtlicher verzögerter Ankunft des Patienten) erfolgt zwingend die umgehende Information des 1. Dienstes der Unfallchirurgie, des FAO der Anästhesie, der Pflege der Notaufnahme und ggf. der Neurochirurgie über den zu erwartenden Schockraumpatienten. Der Schockraum-Sammelruf wird ausgelöst, wenn der Patient in der Anfahrt ist (s.o.). A.3.1.3. Vorbereitung des Schockraums Der/die Mitarbeiter/in der Patientenannahme veranlasst bei der Leitwarte (Tel: 4310) die Anhebung der Raumtemperatur auf 28°C. A.3.1.4. Administrative Aufgaben Administrativ erfolgt die Aufnahme ins Medico durch die Mitarbeiter/in der Patientenannahme. Wenn der Patientenname nicht bekannt ist, so erfolgt die Aufnahme wie folgt: Name: unbekannt Vorname: unbekannt, ca. xy Jahre Geschlecht: m/w Geb. Datum: Aufnahmedatum Es ist zu eruieren, ob es sich um einen Arbeits-, Wege- oder Schulunfall handelt, ebenso wie der Versicherungsstatus (Privatversicherung). Zusätzlich erfolgt der Eintrag im Schockraumbuch. A.3.2. Aufgaben des Schockraumteams Die Träger des Schockraumfunks sollen sich im OPZ II aufhalten und dürfen nur Tätigkeiten ausüben, die sofort beendet werden können (Ausnahme Mitarbeiter der Fa. Medita). Nach Alarmierung findet sich das Schockraumteam unverzüglich und

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ohne weitere Rückfrage im Schockraum ein und zieht Röntgenschürzen und Schutzkleidung an. A.4. Vorhaltung im Schockraum Im Schockraum sind Ausstattungen entsprechend der Maßgaben des Weißbuchs vorzuhalten (Anhang 1). A.5. Basisdiagnostik (erste 20 Min. nach SR-Aufnahme) Die diagnostische und therapeutische Versorgung des Patienten erfolgt nach dem aktuellen ATLS-Algorithmus. Die simultane und arbeitsteilige Versorgung durch die beteiligten Disziplinen wird in diesem Schockraum-Protokoll geregelt. Die Reihenfolge der durchzuführenden Maßnahmen der ersten 20 Minuten ist weitgehend festgelegt, kann aber individuellen Störungen der Vitalfunktionen und dem Verletzungsmuster des Patienten (z.B. Reanimation) angepasst werden. Auch bei Traumapatienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und dringlicher Indikation zur CCT wird die obligate Schockraumdiagnostik (Rö-Thorax, Rö-Becken, und die FAST) vor dem CCT durchgeführt. Röntgenuntersuchungen von Extremitätenverletzungen werden der Akuität der Ereignisse angepasst. Beim stabilen Patienten werden Extremitäten mit Frakturverdacht vor der CT geröntgt. Beim Instabilen Patienten, oder beim Patienten mit schwerem SHT werden Röntgenaufnahmen nur dann durchgeführt wenn hierdurch kein Zeitverlust vor einer Notfalloperation entsteht (z. B. vor einer ZVK-Anlage). A.5.1. Übergabe durch den Notarzt/ärztin Bei der Übergabe durch den Notarzt/ärztin herrscht Ruhe und alle Mitglieder des Schockraumteams folgen der Übergabe. Während der Übergabe werden im Regelfall keine Manipulationen am Patienten durchgeführt und keine Umlagerung vorgenommen (Ausnahmen z.B. laufende Reanimation)! Wichtige Informationen durch den Notarzt sind: ��Unfallmechanismus und Zustand anderer Unfallopfer ��Auffindesituation ��Initiale Bewusstseinslage (GCS) ��eingeleitete und durchgeführte Maßnahmen ��bisher verabreichte Medikamente ��bisher verabreichte Infusionen

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Anschließend kann der/die Notarzt/ärztin ihre/seine Dokumentationstätigkeit im Büro an der Patientenannahme durchführen. Der/die Dienstarzt/ärztin der Intensivstation führt die Dokumentation der präklinischen Maßnahmen anhand des schriftlichen Notarztprotokolls ggf. ergänzt durch die mündlichen Angaben. Er/sie führt das Schockraum-Dokumentationsprotokoll. Ist der Dienstarzt der UC-1 nicht anwesend wird das Protokoll vom 2. Dienst der Unfallchirurgie geführt, bei dessen Abwesenheit wird diese Aufgabe vom 1. Dienst der Unfallchirurgie übernommen. Der Dienstarzt der UC-1 ist für die Vollständigkeit der Dokumentation verantwortlich. Die medizinischen Inhalte werden vom 1. Dienst der Unfallchirurgie kontrolliert und am Ende der Schockraumversorgung gegengezeichnet. Das Rettungsdienstpersonal kann seine Materialen und Geräte im Triageraum reinigen und wieder einsatzbereit machen. A.5.2. Umlagerung des Patienten Nach der Übergabe durch den Notarzt wird der Patient gemeinsam von der Vakuummatratze auf das „CCB“ (Critical Care Board) umgelagert. Das CCB mit einem vorbereiteten Tuch für eine ggf. erforderliche Beckenkompression liegt bereits auf dem Schockraum-Röntgentisch. Falls noch kein Stifneck® angelegt worden ist, so wird dieser vor der Umlagerung angelegt. Die Umlagerung erfolgt mit 4 Personen unter Vermeidung von Torsion/Rotation und Achsabweichungen der Wirbelsäule und des Beckens. Alle weiteren Umlagerungen und Transporte, (z. B. im CT-Raum oder im OP) erfolgen immer mit dem CCB. Der Patient wird mit einer vorgewärmten Decke zugedeckt. Am Patienten wird, um Behinderungen durch umstehende Personen zu vermeiden, nur das verantwortliche Behandlungsteam tätig. A.5.3. Erster Untersuchungsgang (primary survey) Der Erste Untersuchungsgang wird simultan und arbeitsteilig durch die Ärzte der Anästhesie, Neurochirurgie, Radiologie, Unfallchirurgie durchgeführt. Die Ergebnisse der ABCDE-Untersuchung wird im Team-Rapport 1 laut mitgeteilt. A: Airway: Anästhesie B: Breathing: Anästhesie (Ventilation), Unfallchirurgie (Thoraxuntersuchung) C: Circulation: Anästhesie (Kreislauf), Unfallchirurgie (Abdomen, Becken, äußere

Blutung, lange Röhrenknochen), Radiologie (extended FAST1) 1 Extended FAST: extended focussed abdominal sonography for trauma; Abdomen, Pleuraerguß, Perikard, Pneumothorax

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D: Disability: Neurochirurgie (GCS, Pupillen, grobe periphere Neurologie) E: Environment: Pflege (Entkleiden (CAVE: achsenstabiles Vorgehen, mehrere

Helfer), Messung der Ohrtemperatur, Zudecken des Patienten mit einer vorgewärmten Decke)

Parallel wird von der Anästhesie das Basismonitoring (EKG, RR, Pulsoximetrie, bei beatmeten Patienten Kapnometrie) installiert. Die Patientenkleidung und weiteren persönlichen Gegenstände des Patienten werden vom Pflegepersonal der Notaufnahme gesammelt und in einem Effektenverzeichnis vermerkt. A.5.4. Team-Rapport 1 Ein kurzer gemeinsamer Rapport (Anästhesie, Neurochirurgie, Radiologie, Unfallchirurgie) wird nach Durchführung des Ersten Untersuchungsgangs für alle hörbar durchgeführt. Hier wird der Patientenstatus besprochen und geklärt, ob lebensrettende Sofortinterventionen erforderlich sind, Blutkonserven bestellt werden sollen, mit dem zweiten Untersuchungsgang und der Basistherapie fortgefahren werden kann oder spezielle Maßnahmen notwendig sind. Konsiliarärzte sind frühzeitig zu informieren. A.5.5. Zweiter Untersuchungsgang (secondary survey) Der Zweite Untersuchungsgang wird (ebenfalls arbeitsteilig) direkt nach dem Team-Rapport 1 durchgeführt, nachdem umgehend erforderliche Behandlungsmaßnahmen (siehe A.6.) durchgeführt oder eingeleitet worden sind: − Die Anästhesie überwacht den Atemweg, die (Be)Atmung und die

Kreislauffunktion und legt eine Magensonde, die i.d.R. transoral erfolgt. − Die Neurochirurgie führt ggf. eine wiederholte und erweiterte klinische

Untersuchung durch (ATLS und ggf. zusätzliche Untersuchungen) − Die Unfallchirurgie führt die komplette körperliche Untersuchung durch (ATLS)

einschl. des „log-roll“ und der rektalen-digitalen Untersuchung − Die Unfallchirurgie führt die Blutabnahme mittels vorbereiteten Set (vorzugsweise

über die Art. femoralis) durch. Die Blutabnahme kann auch über einen arteriellen Katheter durchgeführt werden. Bei Erfolglosigkeit sollte unmittelbar eine venöse Blutentnahme durchgeführt werden (ZVK, venöse Punktion). Die Laboranforderungsbögen sind vorbereitet, der Umfang der Untersuchungen und die benötigten Probenröhrchen sind im Anhang 2 niedergelegt. Die Blutgasanalyse erfolgt mittels BGA-Gerät im Schockraum, die übrigen Proben werden von Medita unverzüglich ins Zentrallabor und die Blutbank verbracht. Die ggf. erforderliche ROTEM®-Untersuchung wird durch die Anästhesie durchgeführt.

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Im Sonderfall einer Rauchgasintoxikation wird das BGA-Röhrchen zur Bestimmung des CO-Hb auf die ITII gebracht.

− Die Radiologie führt die Röntgenaufnahme des Thorax (a.p.), des Beckens und ggf. der verletzten Extremitäten durch und befundet diese zusammen mit der Unfallchirurgie und der betreffenden Fachdisziplin.

− Bei Kindern, die aufgrund ihrer Körpergröße auf einer Röntgenkassette abgebildet werden können, wird eine Ganz-Körper-Röntgenaufnahme angefertigt.

− Das Pflegepersonal legt einen transurethralen Blasenkatheter mit Temperatursonde, sofern sich am Meatus kein Blut findet. In diesem Fall oder wenn die Einführung des Blasenkatheters nicht möglich ist, wird im Verlauf (siehe Phase C. und D.) eine retrograde Urethro- und Zystographie und ein Becken-CT durchgeführt sowie konsiliarisch ein/e Urologe/in hinzugezogen. Sobald Urin fließt wird eine Urinprobe für das Drogenscreening und bei Frauen im gebärfähigen Alter den Schwangerschaftsschnelltest abgenommen.

A.5.6. Team-Rapport 2 Nach Abschluss des Zweiten Untersuchungsgangs, spätestens nach 15 Minuten wird ein zweiter kurzer gemeinsamer Rapport (Anästhesie, Neurochirurgie, Radiologie, Unfallchirurgie, Konsiliarärzte) durchgeführt. Hier wird der Patientenstatus besprochen und geklärt, ob lebensrettende Sofortinterventionen/Operationen ohne weitere Diagnostik erforderlich sind, Blutkonserven bestellt werden sollen, der Transport zum CT erfolgen soll, eine ergänzende Standardradiographie (Extremitäten, Wirbelsäule) vor bzw. anstelle der Computertomographie oder spezielle Maßnahmen notwendig sind und ob Konsiliarärzte hinzugezogen werden sollen. A.5.7. Sonderfälle Die vorgenannten Schritte werden obligat bei allen Schockraumpatienten durchgeführt. Abweichungen können beispielsweise erforderlich sein bei laufender Reanimation, gedeckt perforiertem Bauchaortenaneurysma, operativ zu entlastender Perikardtamponade oder im Falle einer sofort notwendigen Notfall-Operation zur Blutstillung ohne jeglichen Aufschub (siehe Abschnitt B) Bei Patienten, die aus anderen Kliniken mit bereits durchgeführter Diagnostik und im Schockraum vorliegenden Bildern zuverlegt wurden, kann auf die Röntgen-Beckenübersicht verzichtet werden. Bei beatmeten Patienten wird die Röntgen-Thoraxaufnahme immer wiederholt.

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A.6. Basistherapie (erste 20 Min. nach SR-Aufnahme) Therapiemaßnahmen zur Stabilisierung der Vitalfunktionen werden durchgeführt oder eingeleitet, sobald eine Störung identifiziert ist und eine Behandlungsindikation besteht (ATLS). Auch hier besteht das Prinzip der Arbeitsteilung. Die Diagnostik entsprechend des Protokolls wird von den „freien“ Teammitgliedern fortgeführt und geht somit mit den Therapiemaßnahmen Hand-in-Hand. A: Atemweg Bei gestörten Atemwegen erfolgt die endotracheale Intubation. Alternative Atemwege (Larynxmaske und Larynxtubus), FOI (fiberoptische Intubation), Koniotomie-Set werden bereit gehalten. B: (Be)Atmung

− Bei einseitig abgeschwächtem oder fehlendem Atemgeräusch und dem gleichzeitigen Vorliegen einer respiratorischen oder zirkulatorischen Insuffizienz (Spannungspneumothorax) wird primär eine Thoraxdrainage (CH 28 oder 32) per Minithorakotomie eingelegt, ggf. vor einer Intubation oder Durchführung einer Röntgen-Thoraxaufnahme.

− Sofern der Patient nicht intubiert ist, besteht die Indikation zur Intubation bei folgenden Umständen:

o Schnappatmung oder Atemfrequenz unter 8/min o Hypoxie (SpO2 < 90% trotz >6 L O2/min) o Schweres Schädelhirntrauma (GCS < 9) o Trauma-assoziierte hämodynamische Instabilität (systolischer Blutdruck

unter 90 mmHg) o Schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz (Atemfrequenz

> 29/min) o Offensichtliche dringliche Operationsindikation (Team-Rapport) o Wehriger Patient, der eine bildgebende Diagnostik unbedingt benötigt

und die anders (Sedierung, Analgesie) nicht durchgeführt werden kann (Team-Rapport)

Die Intubation wird nach Präoxygenierung unter in-line-Immobilsation der Wirbelsäule als Crush-Intubation durchgeführt. Alternative Atemwege werden vorgehalten (s.o.). Nach spätestens 3 erfolglosen Intubationsversuchen wird auf eine alternative Methode gewechselt. Spätestens dann ist der Oberarzt? der Anästhesie, sofern noch nicht anwesend, hinzuzuziehen. Initiale Beatmung mit FiO2=1.0, PEEP=5mbar, Tidalvolumen = ca. 6 ml/kg (Erwachsene und Kinder). Es wird eine Normoventilation angestrebt und durch Blutgasanalysen kontrolliert.

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− Beim Vorliegen eines Pneumothorax oder eines Hämatothorax wird eine Pleuradrainage per Minithorakotomie eingelegt.

− Indikation zur Thorakotomie

C: Circulation − Blutstillung: höchste Priorität hat die Blutstillung.

o Falls noch nicht erfolgt: Anlage von Druckverbänden, ggf. Anlage eines Tourniquets

o Wird beim Ersten Untersuchungsgang (primary survey) eine instabile Beckenfraktur bei hämodynamischer Instabilität diagnostiziert erfolgt unverzüglich die Anlage eines Beckentuchs zur Kompression

o Einlage von Masing-Tuben und Rachentamponade bei Blutung aus Nase oder Mittelgesicht sowie Hinzuziehen der HNO bzw. MGK-Chirurgie

o Blutstillende Notfalloperation (siehe Abschnitt B) − Infusionsmanagement: Verwendung angewärmter Infusionslösungen; Infusion

mittels Hotline bei Standardpatienten bzw. Level-1 bei Massivinfusionen/-transfusionen; balancierte Elektrolytlösungen. Eine Noradrenalin-Gabe sollte nur und zurückhaltend bei unzureichender oder zu langsamer Stabilisierung unter moderater Volumensubstitution eingeleitet werden.

− Ziele der Kreislauftherapie o Blutender Patient ohne schweres Schädel-Hintrauma: Permissive

Hypotension bis zur Blutstillung (MAP ca. 60 bis 70 mmHg), Hb ≥ 10 g/dl

o Nicht-blutender Patient mit schwerem Schädel-Hirntrauma Normotension (MAP ca. 90 mmHg), Hb ≥ 10 g/dl

o Bei hämodynamisch stabilen Patienten mit sicher! kontrollierter Blutung können Hb-Werte im Einzelfall von ≥ 7-8 g/dl toleriert werden

− Katheteranlage: o Grundsätzlich sind 2 großlumige periphere venöse Kanülen für viele

Patienten, bei Kindern ggf. ein intraossärer Zugang ausreichend. Eine notfallmäßig oder hoch-dringliche Diagnostik- oder Therapiemaßnahme sollte nicht durch den (prolongierten) Versuch einer ZVK-Anlage verzögert werden.

o Beim Verdacht auf eine schwere Verletzung erfolgt aber im Regelfall die Anlage eines 12-Fr-Dreilumen-ZVK, bei Kindern eines 8-Fr- Zweilumen-ZVK, bei Säuglingen einen 5 Fr. Zweilumen-ZVK. Bei geringem Volumenbedarf, sofern dann überhaupt ein ZVK erforderlich ist, wird bei Erwachsenen ein 7 Fr. Trilumen-ZVK und bei Kindern und Säuglingen ein 5,5 Fr. Trilumen-Katheter eingebracht.

o Die Anlage eines zentralvenösen Katheters erfolgt über bevorzugt über die Vena subclavia. Bei Thoraxtrauma oder V. a. Pneumothorax erfolgt

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die ZVK-Anlage auf der verletzten Seite. Die Vena femoralis ist zweite Wahl.

o Beim Verdacht auf eine schwere Verletzung oder ausgeprägten Herzrhythmusstörungen erfolgt die Anlage eines arteriellen Katheters, bevorzugt über die Arteria femoralis zur invasiven Blutdruckmessung und zur arteriellen Blutentnahme (BGA). Falls dies wegen Becken- und Beinverletzung nicht möglich ist, über die Arteria radialis, im Ausnahmefall über die Ateria brachialis oder axillaris.

− Transfusionsmanagement (siehe A.7.) − Gerinnungsmanagement (siehe A.8.)

D: Disability Bei Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks (einseitig- oder beidseitig weiten oder weit werdenden Pupillen, Strecksynergismen, Streckreaktion auf Schmerzreize, progrediente Verschlechterung des GCS) erfolgt die Gabe von 125 ml Mannitol 20% und es wird eine leichte Hyperventilation angestrebt (Ziel pCO2 30 bis 35 mmHg). Sofern keine blutstillende Notfall-Operation erforderlich ist wird direkt nach Abschluss der Basisdiagnostik (Team-Rapports) unter Fortführung der Basistherapie der Patient zur CCT transportiert (siehe C. und D.) E: Environment

− Zudecken des Patienten mit vorgewärmter Decke − Reposition von Frakturen und Luxationen (wenn indiziert) − Anlage von pneumatischen Schienen zur temporären Frakturstabilisierung − Steriles Verbinden von Wunden − Tetanus-Immunisierung

A.7. Transfusionsmanagement A.7.2. Blutgruppenbestimmung Bei jedem Schockraumpatienten mit Trauma A.7.3. Bestellung von Blutkonserven Der Bedarf für die Bestellung von Blutkonserven wird zu zwei definierten Zeitpunkten (Team-Rapporte 1 und 2) festgelegt. Unabhängig davon kann die Bestellung von Blutkonserven natürlich situativ abhängig jeder Zeit erfolgen.

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• Bei perakutem Transfusionsbedarf innerhalb vom 5 bis 10 Minuten (bevor Blutgruppen-gleiches ungekreuztes Blut zur Verfügung steht2: Gabe von Blut der Blutgruppe „Null“ aus dem Depot im Schockraum

• Team-Rapport 1: ETS-Score von 3 oder mehr Punkten (≥3); Bestellung von 8 Konserven Blutgruppen-gleichem ungekreuzten Blut

Alter Über 60 Jahre 1,5 Zuverlegung vom Unfallort 1 Unfallmechanismus Verkehrsunfall 1 Unfallmechanismus Sturz aus über 3 m Höhe 1 Systolischer Blutdruck bei

Aufnahme: 0 – 90 mmHg 2,5

Systolischer Blutdruck bei Aufnahme:

91 – 120 mm Hg 1,5

Untersuchung Becken: klinisch instabil 1,5 Sonographie Abdomen. freie Flüssigkeit 2,0 Summe

• Sollte sich im Rahmen der weiteren SR-Diagnostik eine manifeste und relevante

Blutungsquelle zeigen Bestellung von 8 Konserven Blutgruppen-gleich ungekreuzt

• Team-Rapport 2 oder später: Bestellung von 8 Konserven Blutgruppen-gleich ungekreuzt, wenn eines der folgenden Kriterien hinzugekommen ist: Hämoglobinwert < 9g/dl Hämatothorax im Röntgenthorax Blutdruckabfall < 90mmhg oder persistierender oder steigender Katecholaminbedarf Herzfrequenz > 120/min Basenexzess < -10

• Wenn der ETS-Score ≤ 3 Punkte ist, erfolgt eine ggf. notwendige Bestellung von

Blutkonserven nach üblicher präoperativer Blutbestellung (als Notfall) mit dem antizipierten tatsächlichen Bedarf

2 Blutgruppen-gleiches ungekreuztes Blut steht innerhalb von 5 bis 10 min zur Verfügung: Transport der Blutprobe zur Blutbank, BG-Bestimmung (3-min), Transport der Konserven in den Schockraum

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A.7.1. Substitution von Erythrozytenkonzentraten Bei aktiver Blutung oder schwerem Schädelhirntrauma: Ziel-Hkt ≥30% bzw. Ziel-Hb ~10 g/dl A.8. Gerinnungsmanagement Generelle Maßnahmen zur Optimierung der Blutgerinnung wie Bekämpfung einer Hypothermie, Ziel >34°C (siehe A.5.3. und A.6.), der metabolischen Azidose, Ziel pH>7,20, durch Schockbehandlung (siehe A.6.) und Behandlung einer Anämie (siehe A.6.) sowie die Kontrolle des ionisierten Ca++ (>0,9 mmol/l) werden ergriffen. Bei allen Patienten mit nachgewiesener oder vermuteter starker Blutung mit Schock (z.B. ETS ≥ 3, erhöhter TASH-Score), das entspricht den Patienten, bei denen (ungekreuzte) Blutkonserven bestellt werden, werden folgende Maßnahmen ergriffen: • Gabe von 2g Tranexamsäure. Falls bereits eine Vorbehandlung mit

Tranexamsäure erfolgt ist oder die Dauer ab dem Unfall 2 Stunden überschritten hat, wird eine antifibrinolytische Therapie nur bei nachgewiesener Hyperfibrinolyse durchgeführt.

• Ggf. Blutabnahme und Durchführung einer ROTEM®-Analyse (grünes Röhrchen, nur EXTEM und FIBTEM erforderlich) durch die Anästhesie

Je nach Vorliegen von Ergebnissen der Gerinnungsdiagnostik gestaltet sich das weitere Gerinnungsmanagement: • Es liegen keine aktuellen Gerinnungsdaten vor und es besteht eine Situation mit

Massenblutung/transfusion bzw. klinisch sichtbarer Koagulopathie: o Gabe von Fibrinogen 3-5g3 o Gabe von einem Thrombozytenkonzentrat je 6 EKs o Gabe von PPSB bei Patienten unter Marcumar oder mit (vermuteten)

Mangel der Faktoren II, VII, IX und X o Gabe von GFPs nur, wenn die o.g. Maßnahmen nicht zur Kontrolle der

Koagulopathie ausreichen, dann im Verhältnis GFP:EK von 1:1

• Es liegen aktuelle Daten nur aus der konventionellen Gerinnungsdiagnostik vor o Gabe von Fibrinogen mit dem Ziel den Plasma-Fibrinogenspiegel auf >

200mg/dl anzuheben4 3 50mg Fibrinogen/kgKG erhöhen den Fibrinogenspiegel um ca. 1g/l; 1g Fibrinogen erhöht den Fibrinogenspiegel um ca. 0,25 g/l

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o Gabe von Thrombozytenkonzentraten mit dem Ziel die Thrombozytenzahl auf >100/nl anzuheben, wenn eine intrakranielle Blutung oder eine aktive bedrohliche bzw. massive Blutung vorliegt, eine neurochirurgische Operation oder eine Operation mit größerem Blutungsrisiko erforderlich ist oder eine mikrovaskuläre Blutung besteht4.

o Bei (isoliert) pathologischem Quickwert aufgrund einer Marcumarisierung erfolgt die Gabe von PPSB mit dem Ziel eines Quickwertes von >70%, wenn eine intrakranielle Blutung oder eine aktive bedrohliche bzw. massive Blutung vorliegt, eine neurochirurgische Operation oder eine Operation mit größerem Blutungsrisiko erforderlich ist oder eine mikrovaskuläre Blutung besteht. Liegt diese Gefährdungssituation nicht vor ist i.d.R. ein Quickwert von > 50/% ausreichend5

o Bei unklar pathologisch veränderten Quickwert oder aPTT ist an eine Vormedikation mit neuen oralen Antikoagulantien zu bedenken

• Es liegen aktuelle ROTEM®-Daten vor o Gabe von Tranexamsäure, Fibrinogen, Thrombozyten, PPSB je nach

Messergebnis. o Gabe von GFPs nur, wenn diese Maßnahmen nicht zur Kontrolle der

Koagulopathie ausreichen, dann im Verhältnis GFP:EK von 1:1 Eine situative Anpassung des Managements an die sich dynamisch verändernde Situation ist erforderlich, die obigen Angaben geben Orientierungskriterien an die Hand. A.9. Vorgehen bei offenen Frakturen und Luxationen Jede offene Fraktur sollte erkannt und grobe Verschmutzungen sofort entfernt werden. Offene Frakturen sollten mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Alle offenen Wunden werden steril verbunden. Danach sollten sie wie geschlossene Verletzungen immobilisiert werden. Ist die offene Fraktur bereits präklinisch verbunden worden, kann bis zur endgültigen operativen Versorgung einmalig eine Wundexploration im Schockraum erfolgen. Die Durchblutung, Motorik und Sensibilität ist, wenn möglich, im Schockraum zu überprüfen und im Schockraumprotokoll zu dokumentieren. Ist distal der Verletzung kein Puls tastbar soll die entsprechende Extremität dopplersonografisch untersucht werden. Im Zweifel 4 Ein gepooltes Thrombozytenkonzentrat erhöht die Thrombozytenzahl um ca. 20-30/nl 5 Eine Einheit PPSB/kgKG erhöht den Quickwert um ca. 1%-Punkt

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wird eine Angiografie oder ein Angio-CT durchgeführt. Der Weichteilschaden wird nach Gustilo und Anderson klassifiziert. Eine prophylaktische Antibiotikagabe sollte so früh wie möglich nach dem u. g. Schema erfolgen: Grad 1 Grad 2 Grad 3 - Hautwunde ≤ 1cm - Durchspießung von

Innen - nicht verschmutzt - minimaler

Weichteilschaden - einfache Quer-/kurze

Schrägfraktur

- Hautwunde > 1cm - mittelgradiger

Weichteilschaden - mittelgradige

Muskelquetschung - Fraktur mit kleiner

Trümmerzone

- ausgedehnter Weichteil-Schaden, Zerstörung von

- Muskel, Haut oder neuro-vaskulär

- ausgeprägte Verschmutzung

Grad 3A - adäquate Knochen-

deckung Grad 3B - freiliegender Knochen

ohne ausreichende Weichteildeckung

Grad 3C - Gefäßverletzung mit

Notwendigkeit zur Rekonstruktion

A.9.1. Wundverschluss: − Grad 1,2, (3A): primärer Verschluss nach Debridement − Grad (3A), 3B, 3C: Wunde nach Debridement offen belassen, Second

Look nach 48 Stunden A.9.2. Antibiotika-Prophylaxe: − Cephazolin (Elzogram) 3x2g i. v. für 3 Tage − Bei massiven Verschmutzungen (z.B. mit Erde) und Weichteilschaden Grad 3:

Clindamycin 3x600mg + Penicillin 4x5 Mega i.v. für 3 Tage A.9.3. Dokumentation (einschl. Klassifikation): direkt nach der OP A.9.4. Grobdislozierte Frakturen und Luxationen Grobdislozierte Frakturen und Dislokationen sollten, wenn möglich und insbesondere bei begleitender Ischämie der betroffenen Extremität durch axialen Zug und manuelle Korrektur in die Neutral- oder möglichst der Neutralstellung annähernd reponiert

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werden. Wichtig ist die Kontrolle der peripheren Durchblutung sowie der Motorik und Sensibilität (wo möglich) vor und nach der Reposition. A.10. Exitus letalis im Schockraum Beim Tod eines Patienten im Schockraum sind folgende Punkte zu klären: 1. Führung des Angehörigengesprächs 2. Information der Polizei 3. Weiterversorgung der Leiche/ Wohin wird die Leiche verbracht? 4. Notwendigkeit einer Nachbesprechung Die Todesbescheinigung wird in der Regel durch die Kollegen der Unfallchirurgie ausgestellt. Ebenso ist ein Arztbrief/Epikritischer Bericht zu erstellen/diktieren und der Patentenfall im Medico abzuschliessen. A.11. Umgang mit Angehörigen Die Angehörigen von Patienten sollen entsprechend der Klinikrichtlinie „Angehörigengespräch“ betreut werden (Anhang 3). Einige Kernpunkte seine hervorgehoben: − Begleitung der Angehörigen in den dafür vorgesehenen Aufenthaltsraum − Information durch Pflegekraft über die laufende Behandlung (keine

medizinischen Details) und das ein Arzt bald möglichst mit ihnen sprechen wird, das kann aber wegen der vorrangigen Behandlung dauern)

− Baldmöglichst Gespräch durch den Arzt (Unfallchirurgie, ggf. Neurochirurgie), einfühlsame Gesprächsführung (der Arzt möge sich in die Rolle der Angehörigen versetzen!)

A.12. Umgang mit dem Rettungsdienst/Hubschrauberbesatzung − Das Gespräch mit dem Rettungsdienstpersonal hat kollegial und professionell

zu erfolgen! − Öffentliche Beanstandungen, Kritik oder gar Vorwürfe sind strikt zu

unterlassen! Sollte man der Meinung sein, dass gravierende Unzulänglichkeiten begangen worden seien, so wird für ein solches Gespräch in der Regel zu diesem Zeitpunkt keine Zeit sein, da der Unfallchirurgische 1. Dienst am Patienten sein muss – die Patientenbehandlung hat absoluten Vorrang. Dann sollte mit dem Notarzt/ Rettungsteam eine Nachbesprechung vereinbart werden, die ebenfalls in

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höchstem Masse kollegial zu halten ist! Vorwürfe sind nicht angebracht! Zuerst sollten die Gründe für das Handeln des Notarztes eruiert werden. Feedback ist konstruktiv zu geben.

− der/die Notarzt/ärztin kann ihre/seine Dokumentationstätigkeit im Büro an der Patientenannahme durchführen

− Das Rettungsdienstpersonal kann seine Materialen und Geräte im Triageraum reinigen und wieder einsatzbereit machen

B. Notfalloperationen im Schockraum oder Not-OP Hämodynamisch nicht stabilisierbare Patienten (Nonresponder) bedürfen einer unverzüglichen operativen Blutungskontrolle, was zum Abbruch der Schockraumdiagnostik führen kann. Darüber hinaus kann eine raumfordernde intrakranielle Blutung zum Abbruch der Diagnostik führen. Während der ersten Schockraumphase sollten die weiteren Behandlungsschritte festgelegt werden. Die Entscheidung zur Durchführung einer Notoperation oder zur weiteren Diagnostik wird von den Ärzten der Unfallchirurgie, Anästhesie, Neurochirurgie, Allgemeinchirurgie/Kinderchirurgie und anderer zugezogener Abteilungen abgestimmt (Team-Rapport 1 und 2). Die Schockbehandlung erfolgt immer vor der weiterführenden Diagnostik. Eine Indikation für die sofortige Notoperation zur Blutstillung besteht vor allem bei Nachweis einer relevanten Blutungsquelle und klinisch nicht stabilisierbaren Patienten. Notfalloperationen: Folgende Operationen können im Bedarfsfall durch Unfallchirurgen oder hinzugerufene Ärzte anderer Fachbereiche im Schockraum oder im Not-OP durchgeführt werden. Erlaubt es der Zustand des Patienten sollte ein Transport in den Not-OP erfolgen, um den SR wieder freizugeben: - Notfallthorakotomie und Notfalllaparotomie (mediane Laparotomie) - Entlastung einer Perikardtamponade durch Notthorakotomie (ggf. überbrückend

durch Punktion/Drainage von subxiphoidal) - Anlage eines Beckentuchs oder eines „Pelvic binder“ zur Kompression klinisch

instabiler Beckenringfrakturen. In der Folge ggf. Anlage eines Becken-Fixateur externe. Packing“ des Spatium retii bei anhaltender Kreislaufinstabilität über eine Längslaparotomie im Unterbauch.

- Einlage von Masing-Tuben und Rachentamponaden zur Stillung schwerer Blutungen aus dem Mittelgesicht.

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Bei Verdacht auf traumatische gedeckte Aortenruptur sollte entsprechend der unten genannten Leitlinie vorgegangen werden. Bei aktiv blutenden aber hämodynamisch stabilisierbaren Patienten sollte die Möglichkeit der Angioembolisation geprüft werden. C. Weiterführende Diagnostik im Schockraum C.1. Kriterien für die dringliche CT-Diagnostik In folgenden Situationen ist eine dringliche CT-Untersuchung angezeigt, noch vor Komplettierung der Standard-radiologischen Abklärung des knöchernen Skeletts. Dann sollte ein Ganzkörper-CT durchgeführt werden. − Zeichen der transtentoriellen Einklemmung (Pupille(n) weit) − Unter Anwendung von Katecholaminen, Bluttransfusionen, Gerinnungsprodukten

erreichbare hämodynamische Stabilisierung ohne Notwendigkeit zur Notfall-OP − Offensichtlich (Traumemechanismus, eindeutiger Untersuchungsbefund) fehlende

Extremitätenverletzungen − Erreichung von 30min in der Schockraumphase bei schwerem Schädel-Hirn-

Trauma (GCS<10) C.2. Weiterführende Diagnostik im Schockraum Im Team-Rapport (1 und) 2 muss festgelegt werden, ob eine notfallmäßige oder hoch-dringliche Indikation für eine therapeutische Intervention (siehe Abschnitt B.) oder eine dringliche CT-Untersuchung (siehe Abschnitt C.1.) vorliegt. Falls dies nicht der Fall ist, erfolgt nun die Standard-Röntgenuntersuchung des knöchernen Skeletts.

− Retrograde Urethro- und Zystographie bei Unmöglichkeit der transurethralen Blasenkatheter-Einlage

− BWS in 2E., LWS in 2E.: Wenn die Indikation zu einem Ganzkörper-CT oder einem Thorax- oder Abdomen-CT gestellt wurde (Team-Rapport 2) wird die entsprechende Standard-Radiographie der Wirbelsäule nicht durchgeführt

− Extremitäten in 2E.: entsprechend der klinischen Befunde − Bei Patienten, die aus anderen Krankenhäusern zuverlegt wurden, wird die

radiologische Diagnostik vervollständigt, so erforderlich.

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Sollte aus o.g. Gründen die radiologische Abklärung des knöchernen Skeletts nicht durchgeführt werden können, so ist diese entweder im Anschluss an die Stabilisierung/Operation noch vor Verlegung auf die Intensivstation durchzuführen. Falls dies wegen des Zustands des Patienten nicht vertretbar ist, so muss die radiologische Extremitätendiagnostik entweder auf der Intensivstation (oder, sofern oder sobald der Patient in die Röntgenabteilung gebracht werden kann) nachgeholt werden. Weitere diagnostische Verfahren wie Bronchoskopie, TTE oder TEE, 12-Kanal-EKG und andere werden nach Erfordernis im Schockraum oder (Not-) OP durchgeführt. C.3. Transport vom Schockraum in die Röntgenabteilung Infusionssysteme werden bereits im Schockraum an den zentralen (Sheldon)- Katheter angeschlossen. Das CCB wird mit dem Patienten auf die Schockraumtrage umgelagert. Der Patient wird mit dem Oxylog 3000+ beatmet, und mittels Überwachung mit EKG, Pulsoxymetrie und arterieller Blutdruckmessung (alternativ NIB) in das CT1 verbracht. Sollte dieses aus technischen Gründen nicht zur Verfügung stehen, erfolgt eine Information darüber bereits vor Eintreffen des Schockraumpatienten durch die Radiologie. Alternativ wird dann das CT2 angefahren. Seitens des leitenden Unfallchirurgen im Schockraum erfolgt eine telefonische Mitteilung an das CT (CT1 - 1530, CT2 - 1514), wenn der Transport unmittelbar bevorsteht, um einen direkten Zugang zum Großgerät zu haben. Bis zur Verlegung in den OP bzw. auf eine Intensivstation ist auch bei nicht traumat-logischen Schockraumpatienten kontinuierlich neben dem Anästhesisten und der Anästhesiepflege ein Arzt der über- bzw. aufnehmenden Klinik anwesend. Im Einzelfall kann eine UC-Pflegekraft hinzugerufen werden. In Ausnahmefällen kann nach Rücksprache die Begleitung durch einen Arzt der Unfallchirurgie übernommen werden D. Computertomographiediagnostik Sofern keine dringliche Indikation zur Computertomographie bestehen (siehe C.1.) sollte die Vervollständigung der Schockraumdiagnostik möglichst innerhalb von 30 Minuten vor Durchführung der weiterführenden CT-Diagnostik erfolgen. Voraussetzung für jede CT-Untersuchung ist die Wiederherstellung der Kreislauffunktion (zumindest RR syst. > 90 mmHg). . D.1. Ganzkörper-CT Ein Ganzkörper-CT kommt in Frage bei Patienten mit dringlicher Indikation zur Durchführung einer cerebralen Computertomographie. Dies sind Patienten: 1. die primär vom Unfallort zuverlegt worden sind

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2. die initial ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit einem Glasgow-Coma-Score unter 10 Punkten aufweisen

3. die kardio-pulmonal stabil sind Die CT-Untersuchung erfolgt im Regelfall bei allen Schockraumpatienten mit intravenösem Kontrastmittel (insbesondere zur Darstellung der hirnversorgenden Gefäßen und der thorakalen Aorta) D.2. CCT und HWS-CT: Bei allen Schockraumpatienten wird im Regelfall ein natives Schädel-CT sowie ein HWS-Angio-CT (mit Darstellung der hirnversorgenden Gefäße, dünnschichtig, einschl. Schädelbasis) vorgenommen. Aus dem HWS-Angio-CT wird die koronare Rekonstruktion vom Mittelgesicht und Unterkiefer vorgenommen. Im Fall einer knöchernen Pathologie in diesem Bereich erfolgt durch den radiologischen Arzt automatisch die Freigabe für die Mund-Gesichts-Kieferchirurgie im Huyssensstift. D.3. Lagerung im CT-Raum: Das Lagerungsschema gilt sowohl für CT´s einzelner Körperregionen als auch für Ganzkörper-CT Untersuchungen. Bei der CCT werden die Arme nach kaudal gelagert, beim Thorax- und Abdomen-CT werden die Arme nach kranial ausgelagert um Artefakte im Oberbauchbereich zu vermeiden. Während der CT-Untersuchung werden:

1. der Beatmungsschlauch 2. die EKG-Kabel 3. der Schlauch für die invasive Blutdruckmessung 4. die Infusionsschläuche (möglichst alle mit dem Shaldon-Katheter konnektiert)

von kaudal durch die Gantry geführt. Die Elektrodenkabel des EKG dürfen auch beim Thorax-CT lateral durch die Gantry laufen. Bei der üblichen 5-fach-Ableitung wird gleichzeitig darauf geachtet, dass diese beiden Ableitungen bereits im Schockraum etwas mehr kranial als üblich geklebt werden, um während der Thorax-Tomographie keine Artefakte im Bereich des Oberbauches (Milzregion) auszulösen Für Patienten ohne Abdomen-CT ist nach Abschluss der CT-Diagnostik eine Kontroll-Sonographie des Abdomens dann durchzuführen wenn Patienten für längere Eingriffe (mehr als ca. 45 Min.) in den Operationssaal verbracht werden (Ausnahme: isoliertes SHT bzw. geplante Laparotomie).

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E. Abschluss Schockraummanagement - Verlegung auf die ITS / in den OP Das Schockraummanagement endet mit der Verlegung auf die Intensivstation bzw. in den OP. Situationsabhängig muss zuvor die Komplettierung der Standard-Radiographie des knöchernen Skeletts oder ggf. erforderlich gewordene computertomographische (Kontroll-)Untersuchungen durchgeführt werden. − Der Transport in den OP erfolgt durch das Personal der Anästhesie − Der Transport auf die UC1 erfolgt gemeinsam durch das Personal der

Anästhesie und der Unfallchirurgie F Operative / interventionelle Versorgung F.1. Verletzungen der thorakalen Aorta Sollte bei einem Patienten kein Ganzkörper-CT durchgeführt werden, so ergibt sich die Indikation zur Thorax-CT bei einem verdächtigen Röntgenthorax-Befund6. Bei Vorliegen einer thorakalen Aortenruptur sollte der Blutdruck auf systolische Werte um 100mmHg (maximal 120 mmHg) eingestellt werden (Volumen, Katecholamine, Esmolol, Na-Nitroprussid), bis die Diagnose im CT gesichert oder verworfen werden kann. Prozedere bei im CT nachgewiesener Aortenruptur: - Alarmierung des thoraxchirurgischen Oberarztes (über Tel. 4991, Herz-Intensiv

1); Meldung „Aortenruptur“. Von dort werden die Kardiologen, Kardiotechniker, OP-Personal etc. alarmiert.

- Einstellung des Blutdrucks auf systolische Werte um 100 (maximal 120 mmHg; Volumen, Katecholamine, Esmolol, Na-Nitroprussid)

- Hämodynamisch stabiler Patient: o Transport in den Hyprid-OP des Herzzentrums

- Hämodynamisch instabiler Patient: o Versorgung im SR, Not-OP oder UC-OP (Saal 1, 2 oder 3) o Ggf. Beschaffung der mobilen Herz-Lungenmaschine notfallmäßig aus

der Thoraxchirurgie (über Herz-Intensiv 1: Tel. 4991/2, oder Kardiotechnikerbüro 4954).

6 Breites Mediastinum, unscharfer Aortenknopf, Apical Cap Sign, Pleuraerguss links, Fraktur der 1./2. Rippe, Trachealverlagerung nach rechts, Verlagerung der Magensonde nach rechts

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- Bei thorakaler Aortenruptur distal der A. subclavia links erfolgt die Therapie mittels Stenteinlage über eine Leistenfreilegung. Die Leistenfreilegung erfolgt durch die Thoraxchirurgie oder in Rücksprache durch die Unfallchirurgie

- Bei thorakaler Aortenruptur proximal der A. subclavia ist die offene thoraxchirurgische Versorgung mit Herz-Lungenmaschine indiziert.

F.2. Reanimation bei Trauma In Bearbeitung G. Tertiary Survey Der dritte Untersuchungsgang (tertiary survey) auf der UC1/IMC innerhalb der nächsten 12 bis 48 Stunden ist Teil des Schockraummanagements.

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Anhänge Anhang 1 " Blutabnahme (vorgefertigtes Profil im Lauris)

− Blutabnahme-Set (Punktion Femoralgefässe) − Vorbereitete Blutabnahmeröhrchen (einschl. Kreuzblut), die nur noch etikettiert

werden müssen − Vorbereitete Labor- und Blutbank-Anforderungen (Umfang siehe Anhang 2) − Urinröhrchen (und Anforderungsscheine)

" Not-OP-Sets (Schockraum) − Laparotomie − Anlage Fixateur externe (Becken) − Thorakotomie − Thoraxdrainage − Perikardpunktion und –drainage − Suprapubische Blasenfistel − Bronchoskopie (Geräte auf den Intensivstationen ITII und UC1 sowie im OP)

" Alternative Atemwege − Videolaryngoskop − Larynxtubus − Larynxmaske − FOI (fiberoptische Intubation) − Koniotomie-Sets (für Punktion und chirurgische Koniotomie)

" Not-OP-Sets (OP-Saal) − Kraniotomie − Anlage Fixateur externe (Becken)

" Notfallmedikamente, Kathetermaterial und weitere anästhesiologische Materialien laut Anästhesie-Notfallwagen-Standard

" EZ-IO Intraossärer Zugang (mit den 3 Nadelgrößen: 15, 25 und 45mm) " Gewärmte Infusionen (10L Ionosteril) " Cyano-Kit®, (Cyanocobalamin, im Notfall-Depot der Medizinischen Klinik) " Gewärmte Decken im Wärmeschrank " Beckengurt " Tourniquet " Lagerungsbrett " Gefäßdoppler " Ultraschallgerät " Röntgenplatten " Transporttrage " Schienen- und Extrensionssysteme, einschl. Bohrmaschine " Uhr (digital, Stoppuhr-Funktion, akustische Zeitmitteilung)

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" Feste Einrichtung: Beatmung, Pulsoxymetrie, Absauganlage, Kapnografie, BGA-Gerät, Schnellinfusionsgerät Level 1, EKG-Monitor, Defibrillator, invasive Druckmessung, Röntgenanlage

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Anhang 2 Bestimmungen im Rahmen der initialen Blutabnahme 1 x Blutbildröhrchen (rot)

− Kleines Blutbild 1 x Gerinnungsröhrchen (grün)

− Quick, PTT, Fibrinogen 2 x Serumröhrchen(braun)

− Natrium, Kalium, Calcium, Kreatinin, Harnstoff-N, GOT/GPT, GGT, Bilirubin, Amylase, Myoglobin, CK, CRP, Eiweiß,

− Troponin I, Blutalkohol 1 x Glukoseröhrchen (gelb)

– Glukose – Laktat

2 x Urinröhrchen

− Drogenscreening, Schwangerschaftstest (bei allen Frauen im gebärfähigen Alter )

− Urinstatus 2 x Blutbank-Röhrchen (rot, groß)

− Siehe Regelungen zur Bestellung von Blutkonserven 1 x BGA-Röhrchen (BGA im SR) 1 x ROTEM (kleines grünes Gerinnungsröhrchen): NUR bei Bedarf

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Anhang 3 Klinik-Richtline „Angehörigengespräch“ Siehe im Qmap-Handbuch im Intraweb unter dem Link: http://10.249.12.90/cgi-bin/qmap/qmsdok.pl?id=0&iddok=100050&idorg=100007&idabsatz=101081&idobjekt=102535&faktframe=1