intelligent materials. herausgegeben von mohsen shahinpoor und hans-jörg schneider

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Intelligent Materials Herausgegeben von Mohsen Sha- hinpoor und Hans- JɆrg Schneider . Royal Society of Chemistry, Cam- bridge 2008. 532 S. , geb., 119.00 £.— ISBN 978-0-85404- 335-4 Kann ein lebloser, synthetischer Werk- stoff intelligent sein? Das vorliegende Buch stellt multifunktionale Materialien und Werkstoffe vor, die auf einen ex- ternen Stimulus – etwa Licht, ein elek- trisches oder magnetisches Feld, Ɛnde- rung der Temperatur oder des pH-Werts – durch ein charakteristisches Verhal- ten, z.B. mit Verformung, antworten kɆnnen. Man sagt daher, diese Werk- stoffe zeigen intelligentes Verhalten. Dieses aktuelle und interdisziplinȨre Forschungsgebiet entwickelt sich schnell in ganz verschiedene Richtungen und verspricht vielfȨltigste Anwendungs- mɆglichkeiten. Daher entschieden sich die Herausgeber, 22 einzelne Kapitel zusammenzustellen, die jeweils ein spe- zifisches „intelligentes Material“ und dessen AnwendungsmɆglichkeiten be- leuchten und von fɒhrenden Fachleuten auf dem jeweiligen Spezialgebiet ge- schrieben wurden. Sowohl der traditio- nelle, von Physikern und Ingenieuren verfolgte „Top-down“-Ansatz, bei dem verfɒgbare makroskopische Materialien der Ausganspunkt sind, als auch der chemische „Bottom-up“-Ansatz, bei dem man von Molekɒlen und ihren VerbȨnden ausgeht, werden beschrie- ben. Technische GerȨte, die auf intelli- genten Materialien basieren, sind nicht Gegenstand des Buchs. Ebenso wurde die Behandlung von Flɒssigkristallen und piezoelektrischen Materialien aus- gelassen, da ɒber diese Themen bereits umfassende Monographien erschienen sind. Das vorliegende Buch konzentriert sich eher auf die Vielfalt an Ideen und Materialien, denn wegen der Breite des Themas ist eine erschɆpfende Behand- lung jeder einzelnen Werkstoffklasse kaum mɆglich. Die vielen beschriebe- nen Anwendungen zeigen deutlich, welche Bedeutung manche intelligenten Werkstoffe bereits auf kommerzieller Ebene erreicht haben. Der Schwerpunkt des Buchs liegt in der Beschreibung von Feststoffen, Po- lymeren und Gelen als kɒnstliche Mus- keln und Aktoren. Andere behandelte Themen betreffen niedermolekulare Schalter und Motoren, unimolekulare elektronische Apparate und magneto- rheologische Fluide. Ein besonders gut durchdachtes Kapitel, das sich mit ionischen Polymer- Metall-Nanoverbundstoffen als intelli- genten Werkstoffen und kɒnstlichen Muskeln befasst, wurde vom Herausge- ber M. Shahinpoor selbst geschrieben und umfasst den gesamten Prozess von der Herstellung bis zu kommerziell er- hȨltlichen Anwendungen. Das Kapitel von L. McDonald Schetky ɒber Form- gedȨchtnislegierungen beschreibt nahezu ausschließlich deren zahlreiche AnwendungsmɆglichkeiten und ist ein weiteres Highlight des Buchs. Sehr an- schaulich ist auch der Abschnitt von G. Kofod und R. Kornbluh ɒber Aktoren aus dielektrischen Elastomeren, wobei Theorie, aktuelle Konstruktionen und Anwendungen umfassend abgedeckt werden. Schließlich soll noch der Bei- trag von H. Asanuma besonders er- wȨhnt werden : Er beschreibt innovative Verbundmaterialien, von denen manche – neben anderen EinsatzmɆglichkeiten – sich selbst heilen kɆnnen, wenn sie beschȨdigt werden. Was leider fehlt, ist die Beschrei- bung von Materialien und Werkstoffen fɒr Sensoren und OLEDs, denen ja eine große kommerzielle Bedeutung zu- kommt; hier hȨtte man zumindest das Konzept erlȨutern sollen. Die starke inhaltliche Ausrichtung auf kɒnstliche Muskeln und Aktoren ist vermutlich im eigenen Forschungshintergrund der Herausgeber zu suchen. Diese Beto- nung hȨtte im Titel des Buchs erwȨhnt werden sollen. Die Anzahl der Literaturangaben variiert bei so vielen Kapiteln erwar- tungsgemȨß betrȨchtlich (zwischen 7 und 236), ebenso wie deren AktualitȨt (in manchen Kapiteln bis 2007). Der einzige bedeutende formale Mangel ist die wiederholte detaillierte Diskussion desselben durch Licht einstellbaren Rotaxans (identische Zitate und Abbil- dungen) in gleich drei unterschiedlichen Kapiteln. Durch bessere Koordination zwischen den Autoren hȨtte diese mehrfache Wiederholung vermieden werden kɆnnen. Ob man sie nun intelligent nennen mag oder nicht: Die im Buch zusam- mengestellten Materialien sind raffi- niert konstruiert. Den Autoren und Herausgebern gebɒhrt Anerkennung dafɒr, dass sie erfolgreich die schwierige Aufgabe gelɆst haben, dieses interdiszi- plinȨre Forschungsgebiet in einem Band darzustellen, der fɒr Chemiker, Physi- ker und Ingenieure gleichermaßen nɒtzlich ist. Potenzielle Leser sollten sich die Frage stellen, ob sie an den in- telligenten Werkstoffen selbst interes- siert sind oder eher an deren Anwen- dungsmɆglichkeiten. Wer sich fɒr eine Anwendung interessiert, die nichts mit kɒnstlichen Muskeln oder Aktoren zu tun hat, und nicht fɒr die Werkstoffe und ihre Charakterisierung, wird bei der Lektɒre vermutlich etwas enttȨuscht werden. Gilt das Interesse dagegen dem Themenschwerpunkt des Buchs oder den Materialien selbst, dann ist es eine sehr intelligente Wahl. Petra Hilgers, Alexander Riechers, Burkhard KɆnig Institut fɒr Organische Chemie UniversitȨt Regensburg DOI: 10.1002/ange.200885578 Angewandte Chemie 3133 Angew. Chem. 2008, 120, 3132 – 3133 # 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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Intelligent Materials

Herausgegebenvon Mohsen Sha-hinpoor und Hans-J�rg Schneider.Royal Society ofChemistry, Cam-bridge 2008. 532 S.,geb., 119.00 £.—ISBN 978-0-85404-335-4

Kann ein lebloser, synthetischer Werk-stoff intelligent sein? Das vorliegendeBuch stellt multifunktionaleMaterialienund Werkstoffe vor, die auf einen ex-ternen Stimulus – etwa Licht, ein elek-trisches oder magnetisches Feld, #nde-rung der Temperatur oder des pH-Werts– durch ein charakteristisches Verhal-ten, z.B. mit Verformung, antwortenk*nnen. Man sagt daher, diese Werk-stoffe zeigen intelligentes Verhalten.Dieses aktuelle und interdisziplin+reForschungsgebiet entwickelt sich schnellin ganz verschiedene Richtungen undverspricht vielf+ltigste Anwendungs-m*glichkeiten. Daher entschieden sichdie Herausgeber, 22 einzelne Kapitelzusammenzustellen, die jeweils ein spe-zifisches „intelligentes Material“ unddessen Anwendungsm*glichkeiten be-leuchten und von f2hrenden Fachleutenauf dem jeweiligen Spezialgebiet ge-schrieben wurden. Sowohl der traditio-nelle, von Physikern und Ingenieurenverfolgte „Top-down“-Ansatz, bei demverf2gbare makroskopische Materialiender Ausganspunkt sind, als auch derchemische „Bottom-up“-Ansatz, beidem man von Molek2len und ihrenVerb+nden ausgeht, werden beschrie-ben.

Technische Ger+te, die auf intelli-genten Materialien basieren, sind nichtGegenstand des Buchs. Ebenso wurdedie Behandlung von Fl2ssigkristallenund piezoelektrischen Materialien aus-gelassen, da 2ber diese Themen bereits

umfassende Monographien erschienensind. Das vorliegende Buch konzentriertsich eher auf die Vielfalt an Ideen undMaterialien, denn wegen der Breite desThemas ist eine ersch*pfende Behand-lung jeder einzelnen Werkstoffklassekaum m*glich. Die vielen beschriebe-nen Anwendungen zeigen deutlich,welche Bedeutung manche intelligentenWerkstoffe bereits auf kommerziellerEbene erreicht haben.

Der Schwerpunkt des Buchs liegt inder Beschreibung von Feststoffen, Po-lymeren und Gelen als k2nstliche Mus-keln und Aktoren. Andere behandelteThemen betreffen niedermolekulareSchalter und Motoren, unimolekulareelektronische Apparate und magneto-rheologische Fluide.

Ein besonders gut durchdachtesKapitel, das sich mit ionischen Polymer-Metall-Nanoverbundstoffen als intelli-genten Werkstoffen und k2nstlichenMuskeln befasst, wurde vom Herausge-ber M. Shahinpoor selbst geschriebenund umfasst den gesamten Prozess vonder Herstellung bis zu kommerziell er-h+ltlichen Anwendungen. Das Kapitelvon L. McDonald Schetky 2ber Form-ged+chtnislegierungen beschreibtnahezu ausschließlich deren zahlreicheAnwendungsm*glichkeiten und ist einweiteres Highlight des Buchs. Sehr an-schaulich ist auch der Abschnitt von G.Kofod und R. Kornbluh 2ber Aktorenaus dielektrischen Elastomeren, wobeiTheorie, aktuelle Konstruktionen undAnwendungen umfassend abgedecktwerden. Schließlich soll noch der Bei-trag von H. Asanuma besonders er-w+hnt werden: Er beschreibt innovativeVerbundmaterialien, von denen manche– neben anderen Einsatzm*glichkeiten– sich selbst heilen k*nnen, wenn siebesch+digt werden.

Was leider fehlt, ist die Beschrei-bung von Materialien und Werkstoffenf2r Sensoren und OLEDs, denen ja einegroße kommerzielle Bedeutung zu-kommt; hier h+tte man zumindest dasKonzept erl+utern sollen. Die starkeinhaltliche Ausrichtung auf k2nstliche

Muskeln und Aktoren ist vermutlich imeigenen Forschungshintergrund derHerausgeber zu suchen. Diese Beto-nung h+tte im Titel des Buchs erw+hntwerden sollen.

Die Anzahl der Literaturangabenvariiert bei so vielen Kapiteln erwar-tungsgem+ß betr+chtlich (zwischen 7und 236), ebenso wie deren Aktualit+t(in manchen Kapiteln bis 2007). Dereinzige bedeutende formale Mangel istdie wiederholte detaillierte Diskussiondesselben durch Licht einstellbarenRotaxans (identische Zitate und Abbil-dungen) in gleich drei unterschiedlichenKapiteln. Durch bessere Koordinationzwischen den Autoren h+tte diesemehrfache Wiederholung vermiedenwerden k*nnen.

Ob man sie nun intelligent nennenmag oder nicht: Die im Buch zusam-mengestellten Materialien sind raffi-niert konstruiert. Den Autoren undHerausgebern geb2hrt Anerkennungdaf2r, dass sie erfolgreich die schwierigeAufgabe gel*st haben, dieses interdiszi-plin+re Forschungsgebiet in einem Banddarzustellen, der f2r Chemiker, Physi-ker und Ingenieure gleichermaßenn2tzlich ist. Potenzielle Leser solltensich die Frage stellen, ob sie an den in-telligenten Werkstoffen selbst interes-siert sind oder eher an deren Anwen-dungsm*glichkeiten. Wer sich f2r eineAnwendung interessiert, die nichts mitk2nstlichen Muskeln oder Aktoren zutun hat, und nicht f2r die Werkstoffeund ihre Charakterisierung, wird bei derLekt2re vermutlich etwas entt+uschtwerden. Gilt das Interesse dagegen demThemenschwerpunkt des Buchs oderden Materialien selbst, dann ist es einesehr intelligente Wahl.

Petra Hilgers, Alexander Riechers,Burkhard K�nigInstitut f)r Organische ChemieUniversit,t Regensburg

DOI: 10.1002/ange.200885578

AngewandteChemie

3133Angew. Chem. 2008, 120, 3132 – 3133 . 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de