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Institutioneller Kinderschutz in der Jugendhilfe der AWO Saarland Birgit Luhmann, AWO Saarland
Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes im Saarland – Beteiligungs- und Beschwerdemanagement Fachtagung des Landesjugendamtes im Saarland am 22.08.2013
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Geschäftsbereich 1
HILFEN zur ERZIEHUNG Birgit Luhmann
Geschäftsbereich 2
JUGEND- SOZIALARBEIT Dieter Ehre
ambulante, teilstationäre und stationäre
Einrichtungen der Hilfen
zur Erziehung und Frauenhäuser
Jugendsozialarbeit, Schulkooperations-
projekte, Kindertages- betreuungen
Gesamtorganisation u. Verwaltung Peter Barrois
Gesamtorganisation
Verwaltung Qualitätsmanagement
Betriebstechnik
Aufbau SPN
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Wie haben wir uns dem Thema genähert?
Gliederung:
Bundeskinderschutzgesetz (2012)
Grundsätzliche Überlegungen
Täterstrategien
Prävention
Qualitäts-Ziel SPN 2012
Ausgewählte Ergebnisse des Prozesses im SPN
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Bundeskinderschutzgesetz inhaltliche Eckpfeiler
Hintergrund ist die Debatte um die Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauches in den Institutionen der 50. und 60. Jahre
und die Schlussfolgerungen des Runden Tisches zur Aufklärung
des sexuellen Kindesmissbrauches
Betriebserlaubnis gekoppelt an ein geeignetes Beteiligungs- und
Beschwerdeverfahren für Kinder und Jugendliche
Anspruch de Einrichtungen auf fachliche Begleitung in
Kinderschutzfragen durch die übergeordnete Landesbehörde
Kontinuierliche Qualitätsentwicklung als gemeinsame
verbindliche Aufgabe
Einhaltung fachlicher Standards in den Einrichtungen
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Mindeststandards
Strategie der Prävention:
Implementierung von Mindeststandards:
1. Vorlage eines verbindlichen Schutzkonzeptes
2. Durchführung einer einrichtungsinternen Analyse zu
arbeitsfeldspezifischen Gefährdungspotentialen und
Gelegenheitsstrukturen
3. Bereitstellung eines internen und externen Beschwerdeverfahrens
4. Notfallplan für Verdachtsfälle
5. Hinzuziehung eines/einer externen Beraters/Beraterin
Verdachtsfälle (z.B. Fachkraft für Kinderschutz)
6. Entwicklung eines Dokumentationswesens für Verdachtsfälle
7. Themenspezifische Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter/innen
durch externe Fachkräfte
8. Prüfung polizeilicher Führungszeugnisse
9. Aufarbeitung und konstruktive Fehlerbearbeitung im Sinne der
Prävention und Rehabilitierungsmaßnahmen
(Unterarbeitsgruppe I des Runden Tisches Kindesmissbrauch, aus dem
Zwischenbericht des Runden Tisches, 2010)
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Klientenschutz beim SPN der AWO Saarland
Grundsätzliche Überlegungen:
Kinderschutz hat inhaltliche und institutionelle Aspekte.
Institutioneller Kinderschutz ist Leitungsaufgabe.
Leitungskräfte benötigen spezifisches Wissen und
eine entsprechende Haltung, um Kinderschutz wirkungsvoll
umzusetzen.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
3 Faktoren, die außer dem gesetzlichen Auftrag
(BuKiSchG) uns auf den Plan gerufen haben, dass wir uns
intensiv mit dem Thema „institutioneller Kinderschutz“
befassen:
• Mitarbeiter sind 1. Ansprechpartner für Kinder, die
Übergriffe erlebt haben (Fachkompetenz ist gefragt)
• Tatsache, dass Organisationstrukturen entscheidend
sind (Organisationsentwicklung)
• Wissen über Täter und ihre Strategien ist grundlegend, um den Schutz für Kinder zu erhöhen
(spezifisches Wissen)
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Mitarbeiter/innen als 1. Ansprechpartner
Fakt:
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Einrichtungen werden von den Mädchen und
Jungen ins Vertrauen gezogen werden.
Auftrag:
Kinder schützen.
Notwendigkeit:
Qualifikationen ermöglichen
und Ressourcen bereitstellen!
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Institutionelle Rahmenbedingungen
Organisationsstrukturen haben einen entscheidenden Einfluss,
ob Täter ihre Übergriffe unbemerkt und somit
„geschützt“ ausführen können,
oder ob sie Gefahr laufen, aufzufallen und sich für
ihre Taten verantworten müssen.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Täterstrategien
Sexueller Missbrauch ist immer ein geplanter Vorgang!
• sorgfältige Planung und Vorbereitung der Tat
• Testung möglicher Opfer
Das bedeutet:
Es handelt sich um eine
• gezielte Entscheidung des Täters
• für eine Tätigkeit im pädagogischen Bereich.
• Es findet eine gezielte Auswahl der Institution statt.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Entscheidung und Auswahl eines Opfers
Die Auswahl des Opfers findet nach bestimmten Kriterien
statt.
Es findet eine gezielte Suche nach besonders
verletzlichen Kindern statt.
Das bedeutet:
Je mehr Defizite ein Kind in Bezug auf
Sicherheit, Zuwendung, Anerkennung,
Liebe und Wärme aufweist,
desto größer ist die Gefahr für dieses Kind,
Opfer sexueller Übergriffe zu werden. (vgl. Conte 1989, Enders 1995, Bullens 1995, Fegert und Wolff 2003
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Erkenntnis: Kinder mit einem Defizit an Liebe, Anerkennung, Sicherheit und
Selbstbewusstsein habe ein erhöhtes Risiko, Opfer von Übergriffen zu werden
Entscheidung: wir tun alles in unserer Macht stehende, um Kinder stark zu
machen. Und zwar auf allen Ebenen:
Organisationsebene Mitarbeiterebene Kinder-& Jugendlichen-Ebene
Regeln: werden unter Beteiligung erstellt (Selbstverpflichtungserklärung, Gruppenregeln, Umgangsregeln)
Verfahren bei Verstoß gegen Regelwerk
Möglichkeiten des Aufzeigens von Verstößen gegen vereinbarte Regeln Beschwerde:
Prävention:
Intervention:
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Prävention
Organisation Mitarbeiterteams Kinder & Jugendliche
Leitbild und Qualitäts-
politik
Fortbildungen, Supervision,
Reflexionsräume schaffen
Partizipation
ermöglichen & fördern
Beschwerdemanagement
im QM spezifizieren
Kultur des Hinsehens
etablieren
Kinderrechte
bekanntmachen
Erweiterte
Führungszeugnisse
Kollegialen Diskurs anstoßen Gruppenregeln
gemeinsam entwickeln
Bewerberverfahren
abstimmen
Eindeutige Abläufe,
transparente Entscheidungen
Vertrauensperson
benennen
Vertrauensperson
benennen
Kultur der Kommunikation Altersspez. sexualpäd.
Konzepte
Dokumentationsregeln Alles ist ansprechbar, keine
Tabus
Lifeskills vermitteln
Kinder stark machen
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Q-Ziel 2012 im Geschäftsbereich Hilfen zur Erziehung
„Kinder und Jugendliche in den SPN-
Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung sind sicher
vor sexueller und psychischer
Gewalt.“
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Mitarbeiterbrief
Information über Hintergrund
Werben für Mitarbeit am
Organisationsentwicklungsprozess
Enttabuisierung des Themas - Möglichkeiten schaffen
zu sprechen
Handlungssicherheit geben - Fortbildungen anbieten
Notwendigkeit zur Entwicklung von Präventions- und
Interventionsansätzen verdeutlichen
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Projektgruppe im SPN
• alle Leitungskräfte der stationären und teilstationären
Einrichtungen(28) und teilweise auch der ambulanten
Zentren (3)
• zwischen Herbst 2011 und Mai 2013
• 6 Tagesveranstaltungen mit externer Referentin
• 1 Klausurtagung intern
Thema: institutioneller Kinderschutz
• zusätzlich 2 x 25 Basismitarbeiterinnen und Mitarbeiter an
5 Terminen zu pädagogischen Themen im
Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch, psychischer
und physischer Gewalt auch unter Peers
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
SPN-Dossier Kinderschutz Inhaltsverzeichnis
Präambel: Grundsätzliche Überlegungen zum Kinderschutz und
unserem pädagogischen Handeln
Selbstverpflichtungserklärung aller Mitarbeitenden
Wissen über Täterstrategien
Prävention
Kinderrechte
Partizipation
sexualpädagogische Konzepte
Intervention
Beschwerdemöglichkeiten für Kinder
Ablauf bei vagem Verdacht auf Missbrauch
Ablauf bei konkretem Verdacht auf Missbrauch
Thematisierung der Grundsätze von institutionellem
Kinderschutz im Bewerberauswahlverfahren
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Es folgen Beispiele von Arbeitspapieren aus
dem SPN.
Erarbeitet mit Beteiligung aller
Leitungskräfte aus dem Bereich der HzE.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Selbstverpflichtungserklärung SPN MitarbeiterInnen
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lebt durch vertrauensvolle Beziehungen von Menschen
untereinander. Durch diese Beziehungen wollen wir jungen Menschen Selbstbewusstsein
vermitteln, ihre Identität stärken und sie befähigen, eine gesunde Beziehung zu sich selbst und zu
anderen zu entwickeln und zu leben. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die
Beziehung zu anderen Menschen soll gestärkt werden.
Aus diesem Grund halte ich mich an folgende Grundsätze:
1. Ich verpflichte mich, alles in meiner Macht Stehende zu tun, dass Kinder und Jugendliche in
unseren Einrichtungen vor Gefahren und Übergriffen bewahrt werden. Deshalb schütze ich Kinder und Jugendliche vor körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt und beachte die gesetzlichen
Vorschriften.
2. Ich respektiere die Gefühle der Kinder und Jugendlichen. Ich nehme die individuellen
Grenzsetzungen und die Intimsphäre der mir anvertrauten Kinder und Jugendlichen wahr und
ernst. Ich erkenne an, dass jeder Mensch ein Individuum mit eigener Persönlichkeit ist. Ich
respektiere die Kinder und Jugendlichen und bringe ihnen Wertschätzung und Vertrauen
entgegen.
3. Ich gestalte die Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen transparent und gehe verantwortungsbewusst mit Nähe und Distanz um. Mit den Eltern der
betreuten Kinder arbeite ich vertrauensvoll zusammen, respektiere sie in ihrer
Verantwortung und informiere sie über unsere Grundsätze für das Kindeswohl.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Selbstverpflichtungeserklärung SPN MitarbeiterInnen
4. Mir ist bewusst, dass es ein Machtgefälle zwischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einerseits
und Kindern und Jugendlichen andererseits gibt. Mit der mir übertragenen Verantwortung in der
Mitarbeit gehe ich sorgsam und bewusst um. Insbesondere missbrauche ich meine Rolle als
Mitarbeiter oder Mitarbeiterin nicht für sexuelle Kontakte zu mir anvertrauten jungen Menschen.
•
5. Ich verzichte auf verbales und nonverbales abwertendes Verhalten. Ich beziehe aktiv Stellung gegen gewalttätiges, diskriminierendes, rassistisches und sexistisches Verhalten.
•
6. Konflikte löse ich gewaltfrei. Ich bemühe mich stets um beschreibende und nicht wertende
Äußerungen aus der Ich-Perspektive. Wenn Konflikte eskaliert sind, sorge ich für eine Atmosphäre,
die eine Rückkehr ohne Niederlage ermöglicht.
•
7. Ich werde Situationen ansprechen, die mit unserem Verhaltenskodex nicht in Einklang stehen,
um ein offenes Klima in der Gruppe zu schaffen und zu erhalten.
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Selbstverpflichtungeserklärung SPN MitarbeiterInnen
8. Im dienstlichen Kontakt kommt es zu einem intensiven Austausch über Gefühle und
Bedürfnisse, wodurch eine große Nähe entstehen kann. Ich verzichte bewusst auf private Kontakte zu den betreuten Kindern und Jugendlichen und deren Familien.
9. Ich achte auf Anzeichen der Vernachlässigung oder Gewalt bei Kindern und Jugendlichen. Ich
informiere bei begründetem Verdacht meinen direkten Vorgesetzten und leite ein
Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII ein.
10. Ich habe die relevanten Gesetzestexte und den Text zum Schutz von Kindern, Jugendlichen
und Mitarbeitenden gelesen und verpflichte mich, nach diesen Grundsätzen zu arbeiten.
Unterschrift der Mitarbeiterin Datum
………………………………….. ………………………..
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
in Anlehnung an: Ev. Jugendhilfe Schweicheln
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche
Alle Menschen haben sowohl Rechte als auch Pflichten, auch alle Kinder und Jugendliche.
Wenn jemand gegen deine Rechte verstößt, kannst du dich beschweren.
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
deine Bezugsbetreuerin oder dein Bezugsbetreuer ist immer für dich da.
du kannst auch darüber mit der Einrichtungsleitung sprechen, wenn dir das lieber ist.
wenn du lieber schreiben willst, gibt es einen Briefkasten in jeder Gruppe mit dem Ausdruck
„Kummerkasten“, der einmal in der Woche von der Einrichtungsleitung geleert wird.
Es gibt auch eine Vertrauensstelle, an die du dich schriftlich oder telefonisch wenden kannst,
wenn du dich an niemandem aus der Einrichtung wenden möchtest.
So erreichst du die Vertrauensstelle:
Adresse: AWO-Vertrauensperson –persönlich-
Postfach
66424 Homburg
Email: [email protected]
Telefon: 0800 100 200 3
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Nur Klarheit und Eindeutigkeit in Abläufen
gibt in krisenhaften Situationen
Handlungssicherheit für alle Beteiligten.
Ablaufschema bei Verdacht
Rehabilitieren bei falschem Verdacht
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
• von allen getragener Prozess
• Arbeitsgruppe unter Beteiligung verschiedener
Delegationsebenen
• intensive fachliche Beschäftigung mit dem
Thema
• Zeitspanne, nicht singuläre Veranstaltung
• externe Begleitung (SOS, G.Obereicher)
• angestoßen und unterstützt durch Leitung des
Geschäftsbereiches
• Sprecherlaubnis – raus aus Tabuzone
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
• Zeitmanagement: Kollision mit Alltagsaufgaben
• alte Geister in den Köpfen der Mitarbeiter
• Tabuzonen als sie noch unausgesprochen waren
• Angst der Mitarbeiter
vor falschen Verdächtigungen?
vor Denunziationen durch Kollegen
vor einem Klima des Misstrauens
als ungenügend bewertet zu werden
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
• Verankerung in der Struktur der Organisation
• inhaltlich-fachliches Durcharbeiten
erforderlich
• Erarbeiten eines fundierten Verständnisses der
Intention von institutionellem Kinderschutz
• Person als AnsprechpartnerIn benennen
(Vertrauensperson / Kinderschutzbeauftragte)
• Thema muss kontinuierlich aktualisiert werden
(Fortbildungen, Veranstaltungen, Leitbild …)
Birgit Luhmann Diplom-Psychologin
Institutioneller Kinderschutz
Danke für Ihr Interesse!