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Von Tilmann P. Gangloff | Die Länderchefs und -chefinnen haben sich lange geziert, aber nun ist esamtlich: ARD und ZDF dürfen ein Programm ver an -stalten, das sich an junge Zuschauer zwischen 14 und29 Jahren richtet. Dabei war der Systemfehler schonbei der Konzeption des Kinderkanals offenkundig:Seither gibt es zwar ein Angebot für die Zielgruppe 3 bis 13, doch die Jugendlichen hat man den Privat-sendern überlassen. Jetzt soll der Jugendkanal dieLücke zwischen Kika und „Musikantenstadl” schlie-ßen, aber bloß im Internet, und das ist nur die zweit -beste Lösung. Die Politik hat zwei Schritte vor undgleich wieder einer zurück gemacht; „Chance vertan”ist der Tenor der Reaktionen. Das Netz ist für die digitalen Eingeborenen zwar in der Tat eine beliebteNutzungsquelle, auch für TV-Angebote; das heißt jedoch keineswegs, dass sie das klassische Fernseh-programm überhaupt nicht mehr auf der Rechnunghaben. Auch die publizistische Aufmerksamkeit istim digitalen Zeitalter nach wie vor auf das Massen-medium Fernsehen ausgerichtet; selbst reine Internet-Organe schreiben viel lieber über die gute alte „Glotze” als über Videos, die es nur im Netz gibt.

Es waren vor allem die Vertreter der unionsgeführtenBundesländer, die sich gegen eine trimediale Aus-richtung ausgesprochen haben. Begründet wurde diesmit Schwächen des Konzepts, doch bei den traditio-nell wirtschaftsfreundlichen CDU-Politikern dürftenoch ein weiterer Aspekt eine nicht unerheblicheRolle gespielt haben: Jedes jugendaffine TV-Angebotbedeutet automatisch Konkurrenz für die Privat -sender; gleiches gilt natürlich fürs Kommerzradio.Dabei heißt es im Konzept für den Jugendkanal aus-drücklich, das Programm werde dem „ökonomischenKalkül der Privatsender Qualität und eine Orientie-rung am gesellschaftlichen Informationsbedürfnis”entgegensetzen.

Schon diese Selbstvorgabe wird zwangsläufig zum Spagat führen; der Jugendkanal soll und darf ja kei-ne reine Spaßveranstaltung werden. Trotzdem mussder Sender Unterhaltung bieten, aber als reines In-ternet-Angebot wird er Probleme beim Rechte erwerbetwa von Musikveranstaltungen bekommen. KeinWunder, dass SWR-Chef Peter Boudgoust als Initia-tor des Projekts enttäuscht feststellt, der Jugendka-nal müsse mit einer „Fußfessel” leben; entsprechendschwer werde es, ihn „zum Fliegen zu bringen.”

2 M 7.2014

INHALT

TITEL DEUTSCHE WELLE

6 Fragwürdige Kehrtwende Von Günter Herkel9 Hohe Regionalkompetenz Stärken der Deutschen Welle nutzen –

klares Konzept notwendig Interview mit Wolfgang Uellenberg, ver.di

AKTUELL

4 Das Spiel des Journalistenlebens Nationale Initiative Printmedien:

Schüler im Kanzleramt ausgezeichnet4 Seminarankündigungen für Betriebsräte und

Journalisten5 Onlineportal: Trauma im Lokaljournalismus 5 Halbherzig und damit Chance vertan5 IQ-Ideenbörse für Ausbildung5 Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA

TARIFE + BERUF

10 Publizistischer Vorwärtsgang Onliner im Tarif – ein Kommentar von Frank Werneke10 Erfolgreiche Verhandlungen für UCI-Beschäftigte 10 Kinopolis: Tarifkommission setzt Tarifvertrag durch 10 Protest gegen miese Arbeitsverhältnisse11 Eine Brücke zwischen jung und alt Verbindliche Zusagen für Altersversorgung im

öffentlich-rechtlichen Rundfunk einlösen11 Tariferhöhung für Verlagsangestellte in Nieder-

sachsen und Bremen11 Köln: Etappensieg für Freie 12 Münchner Polizeireporter wurde überwacht12 Sanssouci: Fotografieverbot bleibt bestehen

Auf ein W

ort

Nur mitFußfessel Protestgesang auf die Deutsche Welle

Foto: Jürgen Seidel

32 Journalistentag am 29. November in Berlin:

Wie breit machen wir den Boulevard?

Lokal – regional –

international – trivial

12 Schon entdeckt? Sperre13 Pressefreiheit gilt auch hinter dem Werkstor13 Bei Facebook & Co. gilt für Redaktionen

der Pressekodex14 Leidenschaft zum Beruf machen Social Meedia Week: Trend zur Professionalisierung und

zur Kommerzialisierung

MEDIEN + WIRTSCHAFT

15 Ohne neue Stellen Sparen und digital wachsen:

DuMont fädelt Medienhaus neu auf16 Halbiertes Echo Darmstädter Regionalblatt reduziert Belegschaft –

auch FAZ verkündet Stellenabbau17 Entlassungen vollzogen: Frust bei der WZ17 Lensings Rückzug aus dem Münsterland17 G+J auf dem Einsparweg Kündigungen beim Stern –

kein Henri-Nannen-Preis 2015

MEDIEN + POLITIK

18 Chancen und Risiken Medienpolitische Tagung über Journalismus im

Spannungsfeld von Datenschutz und Selbstoffenbarung

MEDIEN + GESELLSCHAFT

20 Paukenschlag zum DOK-Auftakt Film über Edward Snowden eröffnet Festival in Leipzig 21 Traum-Schlagzeilen Leipziger Tauben heben einen Film aus der Masse hervor22 Bedürfnis nach Authentizität Symposium über Dokumentarfilme für Kinder und

Jugendliche

MEDIEN + RECHT

24 Vergiftete Luft Konflikt um eine Dokumentation entzweit WDR und

Autor25 Öffentlicher Straßenraub Der Medienrechtler Albrecht Götz von Olenhusen

zum Fall „Kabinenluft”

MEDIEN + INTERNATIONAL

26 Kein Wandel erkennbar In der Türkei laufen Prozesse gegen Journalisten weiter27 Schluss mit der Gewalt Gewerkschaften fordern mehr Schutz für Journalisten

in Mexiko27 Strafnachlass in Birma 28 Nicht zurückstecken Indien: Tongam Rina wurde angeschossen und musste

untertauchen29 Zuspruch für Internetmedien Spaniens entlassene Journalisten gründen „Zeitungen”

im Netz

SERVICE / LEUTE

30 Leute 30 Impressum31 Zum Tod von Carlos Alvaro Rojas Aguayo

M 7.2014 3

Edit

oria

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INHALT

Foto: Christian v. Polentz

SERVICE ZUM SURFEN

Der Service ist im Netz unter:http://mmm.verdi.de/service

Grafik: Hermann Haubrich

Es ist paradox! Da sehen großmächtige Verlage nurin einem für sie neu definierten Leistungsschutz-recht die Rettung vor der Konkurrenz der Portale wieGoogle & Co. im Netz, um dann doch einzuknicken,wenn die wortlautgetreue Umsetzung droht.Da heißt es bei der Echo Medien GmbH, man werdesich künftig auf das „Kerngeschäft” konzentrierenund verkündet im gleichen Atemzug die Halbierungder Belegschaft, die Redaktion eingeschlossen. (S. 16)Da tönt DuMont Schauberg von einem Zukunftspro-gramm „Perspektive Wachstum”, bei dem man aufdie Verzahnung der digitalen Welt baue und wofüreine Umstrukturierung notwendig sei. Konkret wirdjedoch das Unternehmen zerstückelt, Tarife werdenausgehebelt, Redaktionen und Verlage weiter ausge-dünnt. (S.15) Da werden bei Gruner + Jahr in dennächsten Jahren 400 Stellen mit dem Vermerk „kannweg” versehen. Um den Verlag fit für den digitalenWandel und die Zukunft auf den Zeitschriftenmarktzu machen, ist die Begründung. Erste Beschäftigteder Stern-Redaktion bekamen im Oktober ihre Kün-digung. (S.17)

Das ist nicht nachvollziehbar! Müsste nicht ange-sichts des „Kerngeschäfts” professioneller Journalis-mus – auf allen Verbreitungswegen – gerade in Re-dakteure und freie Journalisten ebenso wie in tech-nische Innovationen und neue Geschäftsmodelle investiert werden? Ein „längst überfälliger Schritt”ist für den stellvertretenden ver.di-VorsitzendenFrank Werneke deshalb auch die Einbindung derOnliner in den Redakteurstarifvertrag. Seit dem 1. Oktober ist das nun so. (S.10)

Umbau- und Sparpläne – leider wie im Zeitungswesenmeist ohne die Beschäftigten erdacht – kursieren derzeit auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.M 5/2014 berichtete über den Crashkurs des WDR,dem 500 Stellen zum Opfer fallen sollen. Im aktuel-len Titel wird die fragwürdige Kehrtwende der Deut-schen Welle zu einem globalen Informationsanbie-ter beschrieben. Ein ehrgeiziges Ziel der Intendanz,für das es kein ausreichendes Budget gibt und dasschon jetzt zu Lasten bisheriger Kompetenzen undzu einem beschäftigungspolitischen Kahlschlag beiden Freien führt. (S. 6–9)

Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

UnauflösbareWidersprüche

Am 12. September wurden die Preise beim Schülerwettbewerb derNationalen Initiative Printmedien 2014 im Kanzleramt von Kultur-staatsministerin Monika Grütters verliehen. Ausgezeichnet wurdendie besten Antworten auf die Frage des Wettbewerbs: Was ist einguter Journalist, eine gute Journalistin und wozu brauchen wir sie?

„Guter Journalismus beginnt mit Fragen”, meinte die Ministerin,„deshalb haben wir euch diese Frage gestellt.” Für sie sei Zeitung -lesen eine Erweiterung des Horizonts. Im Internet suche sie nachbestimmten Informationen, beim Zeitungs- und Zeitschriftenlesenlasse sie sich gern überraschen von Themen, die ihr vorher nichtunbedingt als interessant gegolten hätten. Beim Lesen von Printpro-dukten fühle sie sich wie eine Spaziergängerin auf der Suche nachbesonderen Fundstücken.

Gewonnen hat die Presse AG der Albert-Schweitzer-Schule inAlsfeld, Hessen. „Fakten, Lügen, Sensationen” heißt „Das Spiel desJournalistenlebens”, das sich die Schülerinnen und ein Schüler imAlter zwischen 10 und 16 Jahren selbst ausgedacht haben und dasauch die Ausbildungswege in den Journalismus einschließt.

Den zweiten Platz erreichte das Konrad-Adenauer-Gymnasium inWesterburg im rheinland-pfälzischen Teil des Westerwalds, die eineumfangreiche Befragung von Mediennutzern mit Interviews vonMedienprofis kombinierten.

Den dritten Preis teilten sich die Realschule aus Höchstätt ander Aisch in Franken und das Gymnasium Tegernsee im Alpenvor-land.

Schülerinnen des ersten und zweiten Preisträgers kamen im Au-gust zu einer „Lehrredaktion” bei Bild-am-Sonntag-Politikchef Ro-man Eichinger in Berlin im Springer-Haus zusammen, um eigenezwei Seiten zu gestalten. Dabei bearbeitete die eine Gruppe das Thema Patchworkfamilie, die andere erkundigte sich auf den Stra-ßen Neuköllns nach dem Zusammenleben von Menschen verschie-dener Religionen. Die Seiten sind in der Bild am Sonntag am 31. Au-gust 2014 erschienen.

Für Monika Grütters ist klar, dass die Nationale Initiative Print-medien, die sogar im Koalitionsvertrag eigens erwähnt wurde, wei-tergeht, „ein Pflänzchen, das wachsen, blühen und gedeihen soll”.

Susanne Stracke-Neumann, Jury-Mitglied für die dju n

AKTUELL

Das Spiel des JournalistenlebensNationale Initiative Printmedien: Schüler im Kanzleramt ausgezeichnet

Seminar für Journalisten an Tageszeitungen

15. November 2014, von 10 bis 17 Uhr in der Nürnberger Akademie, Gewerbemuseumsplatz 2, 90403 Nürnberg

„Wie arbeiten Tageszeitungsjournalisten morgen?”

Die von dju in ver.di, der Nürnberger Medienakademie und dem BayerischenSeminar für Politik getragene Veranstaltung befasst sich mit den Verände-rungen der Medienlandschaft durch das Internet. Auch der Tageszeitungs -leser von morgen hat andere Bedürfnisse als der klassische Abonnent vonheute. Die Arbeit der Tageszeitungsjournalisten ist deshalb im Umbruch. Ein Thema sind Audio- und Videopodcasts: Gehören sie in Zukunft zum festen Repertoire? Und was ist mit Blogs? Sind sie wichtig für die Leser-Blatt-Bindung oder nur nettes Beiwerk?

Zum Referententeam gehört u.a. der Videofilmer Malte Burdekat. Die Kosten betragen 20 Euro pro Person inkl. Mittagessen in der Trattoria im Cinecitta. Anmeldung an: Peter Lokk M.A., Journalist und Dozent, Nürnberger Medienakademie e.V., Humboldtstr. 117, 90459 Nürnberg, Tel. 0911 / 43 58 67, Fax 0911 / 45 27 77, Mail [email protected].

Seminar für Betriebsräte in der MedienbrancheProjekt „Innovative Weiterbildungskonzepte für Betriebsräte”

11. November 2014 von 9 – 16:30 Uhr in Station Lounge, Am Hauptbahnhof 10, Frankfurt am Main

Seminar „Gute Arbeit im Betriebsrat”

Weitere Informationen: tbs-hessen.info/projekte/innobr

Kosten: Die Teilnahme an der Veranstaltung incl. Mittagsimbiss ist kostenlos. Fahrtkosten können nicht erstattet werden.Anmeldung: Bitte per Post, Fax oder E-Mail an die TBS Technologie beratungsstelle beim DGB Hessen-Thüringen e.V. Wilhelm-Leuschner-Str. 69–77, 60329 Frankfurt /M.T: 069 / 85 00 32–0 | F: 069 / 85 00 32 10 www.tbs-hessen-thueringen.deFreistellung: Die Anerkennung der Veranstaltung nach § 37,7 BetrVG istbeim Hessischen Sozialministerium beantragt. Kontakt auch über: Volker Köhnen T: 069 25 69–13 30, [email protected] Anja Willmann T: 069 25 69–15 24, [email protected]

Foto: BundespresseamtKulturstaatsministerin

Monika Grütters spricht zuden Preisträgern des Schülerwettbewerbs

4 M 7.2014

Premium-Vorsorgefür Medienschaffende

Moderne GarantienHohe Erträge*

*4,8% Gesamtverzinsung in 2014

Presse-Perspektive

Onlineportal: Trauma im LokaljournalismusMit der umfassenden Webseite: „Trauma im Lokaljournalismus: Materialien für Journalisten und Medienschaffende” wurde ein in-novatives Weiterbildungsprojekt geschaffen, das nun zur Verfügungsteht und zur weiteren Fortbildung genutzt werden kann.

Das Onlineportal entstand aus einem Workshop in Rendsburg,Schleswig-Holstein. Auf der Webseite sind unter anderem Videos derwichtigsten Vorträge und Diskussionen zu finden, ein Kurzfilm überden Workshop, Handlungsanleitungen, Tipps und weitere hilfreicheErfahrungsberichte von Experten.

Die Webseite ist besonders für Medienschaffende wie Journalis-ten, Redaktionsverantwortliche, Volontäre oder Fotografen relevant,aber auch für Mitarbeiter von Opferschutzorganisationen und Not-falldiensten von Interesse. http://dartcenter.org/traumajournalismus/

IQ-Ideenbörse für AusbildungAuf dem jüngsten Herbstforum der Initiative Qualität (IQ) mit demSchwerpunkt „Ausbildung” hatten sich die IQ-Partner für einenRunden Tisch mit Ausbilder und Wissenschaftler ausgesprochen,um Ideen für mehr Kooperation und Koordination in der Journalis-tenausbildung auszutauschen. Bei einem Arbeitstreffen am 2. Okto-ber in Bonn haben Vertreter/innen von DJV, dju, BDZV, DGPuK undAusbilder erste Pläne geschmiedet: Am 3. März 2015 soll bei derDeutschen Welle in Bonn eine Konferenz stattfinden, bei der – aufder Basis der beim Herbstforum erarbeiteten Analyse der Journalis-tenausbildung – neue Ausbildungsideen vorgestellt werden. Ziel ist,die speziellen Kompetenzen der jeweiligen Ausbildungsformen(Schule, Hochschule, Volontariat/Praktika) zu nutzen und mitei-nander zu verbinden. Fachkonferenz und Ideenbörse zugleich – daswollen die IQ-Partner Interessenten aus Medienunternehmen, Bil-dungsinstituten und Wissenschaft bieten.Weitere Informationen: http://tinyurl.com/oka8ns9

Halbherzig und damitChance vertan Die Ministerpräsidenten der Länder konnten sich nicht zu einemmultimedialen Jugendkanal durchringen. Lediglich im Internetsoll es den neuen „Sender” geben.

Dazu Frank Werneke gegenüber dem Einblick (DGB): „Die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz, einen gemeinsamen Jugendkanal von ARD und ZDF ausschließlich imInternet zu realisieren, ist halbherzig. Die Länder vergeben damiteine große Chance, ein jüngeres Publikum langfristig an ihre Pro-gramme im Fernsehen und Radio zu binden, und damit an dieMedien, die dringend genau dieses Publikum benötigen und wodie öffentlich-rechtlichen Angebote vornehmlich zu empfangensind. Das ist wenig zukunftsorientiert gedachtes Handeln nachaktueller Kassenlage. Schade!” (Kommentar S.2)

Bürgerinitiative gegen TTIP und CETAver.di unterstützt die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP undCETA. Mehr als 240 Organisationen aus ganz Europa haben sich –initiiert von Campact – zusammengeschlossen, um mehr als eineMillion Unterschriften von Europas Bürger/innen gegen TTIP undCETA sammeln.

Die EU-Kommission lehnte im September die Bürgerinitiativegegen die Handels- und Investitionsabkommen mit den USA undKanada ab – „mit rechtlich unhaltbaren Begründungen”, sagt dasNetzwerk. „Dabei hatten wir extra mit einem Gutachten die Recht-mäßigkeit der Bürgerinitiative belegt. Dies verstärkt den fatalen Ein-druck: Für Lobbyisten sind die Türen bei der Kommission weit ge-öffnet. Uns Bürger/innen verweigert sie sich.” Aber „so einfach las-sen wir uns nicht den Mund verbieten” und organisieren deshalbdiese Europäische Bürgerinitiative, damit TTIP und CETA politischnicht mehr durchsetzbar sind. Hier unterschreiben: www.campact.de/ttip-ebi/ebi-appell/teilnehmen/

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AKTUELL

6 M 7.2014

„Die DW positioniert sich als globaler Informationsanbieter ausDeutschland mit hoher Regionalkompetenz und tritt als interaktiverPartner für Pluralismus und Meinungsvielfalt ein.” So lautet einer derKernsätze aus der „Aufgabenplanung Deutsche Welle 2014–2017”, dieIntendant Peter Limbourg Bundestag und Bundesrechnungshof MitteJuli zur Beratung vorlegte. In groben Umrissen war das neue strategi-sche Konzept bereits seit Anfang des Jahres bekannt. Unklar war al-lerdings, „in welcher Größenordnung möglicherweise ein Abbau vonPersonal zu erwarten ist”. Inzwischen zeichnen sich Programmkür-zungen ab, in deren Folge mehrere Hundert freie Mitarbeiter ihren Jobverlieren oder mit massiven Beschäftigungs- und Einkommensein -bußen zu rechnen haben.

Zu verdanken haben sie das einem umstrittenen strategischenSchwenk. Flaggschiff der „Neuen Deutschen Welle” soll ein englisch-sprachiger Nachrichtenkanal mit entsprechendem Online-Auftrittwerden. Englisch sei nun mal die Sprache der Entscheider, „in Asien,Afrika, zunehmend auch in Lateinamerika, in Europa und Nordame-rika sowieso”, argumentiert Limbourg. Und globale Entscheider undMultiplikatoren sind die begehrte Hauptzielgruppe des Intendanten,

neben den restlichen zwei Milliarden englischsprachiger Menschenauf dem Planeten. Mittels einer gesteigerten Relevanz des Angebotssoll die Reichweite der Welle deutlich erhöht werden: von derzeit 101Millionen auf 150 Millionen wöchentliche Nutzerkontakte. Ange-strebt wird nichts Geringeres als „eine Spitzenposition unter den Aus-landssendern”.

Über Sinn und Unsinn dieser strategischen Neuausrichtung wirdnoch zu reden sein. Kritiker hatten früh geargwöhnt, die aktuelle fi-nanzielle Ausstattung stehe im Widerspruch zu den ehrgeizigen Plä-nen der Intendanz. Im laufenden Jahr erhält die Welle einen „Bun-deszuschuss” von 285,7 Millionen Euro, das sind 8,5 Millionen mehrals 2013. Die Erhöhung ist teilweise zweckgebunden für den Ausbauder Studiokapazitäten sowie zur Verstärkung der Berichterstattungüber den Russland-Ukraine-Konflikt. Schon Limbourg-Vorgänger ErikBettermann klagte jahrelang über die strukturelle Unterfinanzierungder Welle. Auch die aktuelle Aufgabenplanung weist auf eine Finanz-lücke in Höhe von 23,9 Millionen Euro bis 2017 hin. Bislang ist nichtabsehbar, dass der Bund bereit ist, die wachsende Etatunterdeckungauszugleichen.

TITEL | DEUTSCHE WELLE

Fragwürdige Kehrtwende

Die Deutsche Welle forciert den angestrebten Umbau zu einem globalen Informationsanbieter. Doch die ehrgeizigen Ziele der Intendanz sprengen das vorhandene Budget. Die riskante Konzentration auf einen englischsprachigen Newskanal geht zu Lasten bisheriger Kompetenzen und sorgt schon jetzt für beschäftigungspolitischen Kahlschlag bei den Freien. Zudem schlägt der umstrittene Pakt mit Chinas Staatsfernsehen CCTV hohe Wellen.

Von Günter Herkel

230 to go – rote Zettel am Seil für die bereits geschassten Freien und gelbe für die in ihrer Beschäftigung eingeschränkten. Is this the end?

Fotos (2): Jürgen Seidel

Unter diesen Umständen eine aufwändige strategische Neuausrich-tung vorzunehmen, hält Wolfgang Uellenberg, gewerkschaftlicher Ver-treter im DW-Rundfunkrat, für reichlich „riskant”. Da gebe es „keinenBusinessplan, keine klare Linie”, bemängelt er (Interview S. 9). Auchwenn der überwiegende Teil des Gremiums die Entscheidungen derIntendanz abzunicken pflegt: Der Widerstand gegen die selbstherrlicheund auch medienpolitisch kaum nachvollziehbare „Reform” wächst.Vor allem auf Seiten der Beschäftigten. Denn sie sind es, die den Preisfür das Auseinanderklaffen von ehrgeizigen Umbauplänen und man-gelhafter Finanzausstattung zahlen müssen. Ein Personalabbau seinicht zu vermeiden, von einem „Kahlschlag” könne jedoch nicht dieRede sein, beteuert Limbourg. Die Realität sieht anders aus. Die ersten60 freien MitarbeiterInnen mussten bereits gehen. Bei weiteren 170Beschäftigten wurden wesentliche Einschränkungen ihres Arbeitsvo-lumens ausgesprochen. Zwölf der insgesamt 30 Sprachredaktionensind besonders vom Aderlass betroffen. Am stärksten leidet bislangder Standort Bonn. Dabei galten die beeindruckende Multilingualitätund entsprechende regionale Verankerung bislang als Kernkompetenzder Welle. Ursprünglich sollten ganze Sprachredaktionen dem Streich-konzert zum Opfer fallen, etwa die Angebote auf Bengalisch und Por-tugiesisch für Afrika. Jetzt werden sie wie die zehn weiterer Sprachenauf ein Kommentar- bzw. Blogformat reduziert. Dabei ist Bengalen Kri-sengebiet. Zudem ist die Welle in Portugiesisch-Afrika der einzige in-ternationale Sender. Andere Redaktionen wurden bis an die Grenzezur Arbeitsfähigkeit ausgedünnt. Zum Beispiel die Hindi-Redaktion.Dort erhielten vier von sechs Mitarbeitern den Blauen Brief. „Für eineDW der Vielfalt! Kein Sparprogramm der Einfalt für wenige!” lautetnur eine der vielen Protest-Mails, die die ver.di-Betriebsgruppe AnfangSeptember auf zwei Kundgebungen in Bonn und Berlin veröffentlich-te. „Wer hier durch den Rost fällt, wird es schwer haben, einen adä-

quaten Job zu finden, also weiterhin als Journalist arbeiten zu kön-nen” sagt Ayse Tekin, Vorsitzende des DW-Gesamtpersonalrats. VieleSprachangebote würden nur von den Spezialisten der Deutschen Wel-le angeboten. Aber auch viele Jobs deutscher Kollegen wackeln. „DerUmstand, dass auch benachbarte Rundfunksender – der WDR undDeutschlandradio – auf Sparkurs sind, macht die Lage für die betrof-fenen Kollegen nicht gerade einfacher.” Wenig Verständnis hat die Personalrätin für die zahlreichen Unge-reimtheiten bei den aktuellen Personalrochaden. 23 Beendigungengibt es allein in der deutsch-englischen Online-Redaktion. Dabei solldoch englisch als künftige lingua franca des Senders ausgebaut wer-den. Auch der als zweite Chance angepriesene interne Stellenmarkterscheint vielen als „politische Schönfärberei”. KollegInnen, die sichetwa um einen der ausgeschriebenen Jobs beim geplanten„Flaggschiff” bewarben, blitzten fast ausnahmslos bei der Programm-direktion ab. Begründung: Sie hätten die „für eine Mitarbeit am neuen

englischen TV-Kanal geforderten überdurchschnittlichen Englisch-Kenntnisse nicht nachweisen” können.

In Berlin erhielten zahlreiche Beschäftigte der Spanischen Redak-tion Einschränkungs- und Beendigungsmitteilungen. Gleichzeitigwurden aber auch neue Kollegen eingestellt. Grund dieser auf den ers-ten Blick chaotisch wirkenden Personalpolitik: Die Expansion etwades TV-Programmangebots in spanischer (und arabischer) Sprachekann nur mit zusätzlichen – in der Regel freien – Kräften gestemmtwerden. In der „Aufgabenplanung” der Welle heißt es dazu: „Das der-zeitige Verhältnis von festangestellten zu freien Mitarbeitern in diesenProgrammbereichen birgt Risiken für die kontinuierliche Sendefähig-keit.” Ein Teil dieser Freien soll daher befristete Verträge erhalten. ImGespräch ist die Ausschreibung von 80 bis 120 so genannter E-(=Er-gänzungs)Stellen. Aber: Ohne eine positive Entscheidung des Bundesüber „Personalergänzungsmittel” dürfte dies schwierig werden.

Gute Arbeit, gutes Geld! Für den Fall, dass der Bund der Welle diekalte Schulter zeigt, fürchtet Personalrätin Tekin Schlimmes: „Wennder Etat nicht aufgestockt wird, wissen wir nicht, wie unsere Leute be-zahlt werden sollen.” Zur Jahreswende stehen neue Tariferhöhungenan, dann droht die nächste Finanzierungslücke. Eine Lücke, die wei-tere personelle Schnitte zur Folge haben könnte. Die Intendanz bautschon mal vor, indem sie auf „alle möglichen und zumutbaren Spar-anstrengungen” hinweist, um Mehrbelastungen „aus Kosten- und Ta-rifsteigerung” zu mindern. Es sei daher „im Interesse der DW und ihrerMitarbeiter, dies bei künftigen Tarifverhandlungen unter Anerken-nung der Tarifautonomie zu berücksichtigen”. Ein Wink mit dem Mä-ßigungs-Zaunpfahl in Richtung Gewerkschaften, den Ayse Tekin zu-rückweist. „Unser Standpunkt lautet: Gute Arbeit, gutes Geld.” Nichtunwahrscheinlich allerdings, dass bei Standhaftigkeit beider Seiten

demnächst weitere „Personalmaßnahmen” blühen. In einigen Szena-rien ist bereits von der Streichung bzw. Kürzung weiterer 100-120 Jobsdie Rede. Wie heißt es so schön in der Präambel zur „Aufgabenpla-nung”: Es sei für die Leitung der DW „selbstverständlich, dass das vor-handene qualifizierte Personal die Neuausrichtung mitgestalten kannund dass der gesamte Prozess sozialverträglich umgesetzt wird”? Auseiner Mail an die ver.di-Betriebsgruppe: „Ich bin jeweils wenige Mo-nate nach der Geburt meiner zwei Kinder wieder eingestiegen, habemich in neue Strukturen und Aufgaben eingearbeitet, Früh-, Spät- undErsatzschichten übernommen. Und bin von jetzt auf gleich gekündigt.Das ist ein Skandal für einen öffentlich-rechtlichen Sender.” Mitge-staltungsmöglichkeiten? „Wer sich auf Personalversammlungen allzukritisch äußert, läuft in diesem Hause als erster Gefahr, zwangsversetztzu werden”, so die Beobachtung von Bernd Fiegler, Gewerkschafts -sekretär im ver.di-Bezirk Köln – ein wirksames Mittel zur Einschüchte-rung der Mitarbeiter.

DEUTSCHE WELLE

Zur Sitzung des Rundfunkrates am 5. September in Bonn bekundeten etwa 150 Mitarbeiter ihren Ärger über die fragwürdige Zukunftsstrategie der DW.

M 7.2014 7

8 M 7.2014

DEUTSCHE WELLE

Ob mit der Übernahme von Konserven aus den Mediatheken vonARD und ZDF die DW der Relevanz ihrer Angebote einen entschei-denden Kick gibt, erscheint eher fraglich. Als noch zweifelhafter be-werten Kenner des Auslandsrundfunks die erklärte Zielsetzung, eineSpitzenposition unter den Auslandssendern zu erreichen. Unter Reich-weiten-Gesichtspunkten wären BBC World und CNN die Hauptkon-kurrenten, mit denen sich die Welle zu messen hätte. Ein Wettbewerb,bei dem sie sich mit Blick auf ihr knappes Finanzkostüm nur überhe-ben kann. Der BBC stehen derzeit rund 440 Millionen Euro zur Ver-fügung. „Mit denen konkurrieren zu wollen ist völliger Quatsch”, sagtver.di-Sekretär Bernd Fiegler. „Die BBC modernisiert derzeit ihren TV-Newsroom für 35 Millionen Euro, die DW kann für den Ausbau ihreslinearen TV-Kanals gerade mal zwei Millionen Euro aus geben.” Ebensokrass fallen Wunsch und Realität in Sachen Reichweite auseinander.Da strebt Intendant Limbourg perspektivisch eine 50prozentige Stei-gerung der wöchentlichen Nutzer auf 150 Millionen an. CNN erreichtschon jetzt 200 Millionen. BBC-Generaldirektor Tony Hall gab das Zielvor, die internationale Reichweite des Senders bis 2022 auf 500 Mil-lionen Menschen zu verdoppeln. BBC und CNN treten zudem globalfaktisch mit „Heimvorteil” auf. Warum sollte ihr Stammpublikum ab-trünnig werden, bloß weil ein deutscher Auslandssender die „Amts-sprache” wechselt? Vor diesem Hintergrund erweckt es den Eindruck,als ob sich beim ehemaligen Privatfunkmann Limbourg – er war bis2010 Chefredakteur von N24 – der Drang nach Quotenmaximierungverselbständigt habe – auf Kosten einer klugen, realistischen Zukunfts-planung.

Auch unter politischen Gesichtspunkten erscheint die neue Expansi-onsstrategie mehr als fragwürdig. Wieso muss ein staatlich finanzierterSender aus Deutschland eigentlich im globalen Wettbewerb bestehen?„Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäischgewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischenRechtsstaat verständlich machen”, heißt es in § 4 des DW-Gesetzes.Und: „Die Deutsche Welle fördert dabei insbesondere die deutscheSprache.” Der 2012 verstorbene Medienwissenschaftler Hans J. Klein -steuber, selbst von 1999–2007 Mitglied des DW-Rundfunkrates, hatte2008 in einem Beitrag „Europäische Öffentlichkeit und europäischeAuslandssender” die Welle für ihre „Konzentration auf das ProjektEuropa” gelobt. Im Vordergrund des DW-Gesetzes von 2005 stehe„nicht mehr ein globaler Auftrag, den das Haus angesichts begrenzterRessourcen ohnehin nicht umzusetzen vermag, sondern die Konzen-tration auf Ziele, die an bestehende Stärken des Hauses anknüpfensollten”.

Die von Limbourg eingeschlagene Strategie dagegen bedeutet ei-ne gefährliche Kehrtwende: Bestehende Stärken werden abgebaut unddurch ein fragwürdiges global orientiertes Expansionsprojekt ersetzt.Ein Projekt, dessen wacklige Finanzierungsbasis die Intendanz zuneh-mend mit ideologischen Argumenten zu stabilisieren versucht. „Wol-len wir Russia Today, Al-Dschasira und CCTV News die Deutungs -hoheit über die internationale Politik überlassen?”, so die rhetorischeFrage Limbourgs im Interview mit der Zeit. Nationale Aufgabe sei es„unsere Werte in der Welt zu verbreiten”. Und „Wir müssen zum Bei-spiel Putins Propaganda endlich Paroli bieten.” Um dagegenzuhalten,brauche die Welle zusätzliche Mittel. Hier bahnt sich offenbar eineRückkehr in die medialen Schützengräben des Kalten Kriegs an.

Ob diese Strategie dem gesetzlich vorgegebenen „Ziel, das Ver-ständnis und den Austausch der Kulturen zu fördern” dient? Eine

recht eigenwillige Auffassung von „Kulturaustausch” verfolgt der Sen-der seit einiger Zeit auf einem anderen Schauplatz medialer Auseinan-dersetzungen: in China. Die Anfang September mit dem chinesischenStaatsfernsehen CCTV getroffene Kooperationsvereinbarung erregteinnerhalb wie außerhalb der Welle blankes Entsetzen. Zuvor schonhatten diverse unverständliche Entscheidungen im chinesischen Pro-gramm der DW die Öffentlichkeit alarmiert. Mit Frank Sieren stehtseit Februar ein Kolumnist im Dienst der Welle, der sich als extrem re-gimefreundlicher Autor und Geschäftsmann in eigener Sache einenzweifelhaften Ruf erworben hat. Unter anderem bezeichnete er dasMassaker vom Platz des Himmlischen Friedens 1989 als „Ausrutscherin der neuen chinesischen Geschichte”. Dagegen wurde die DW-Au-torin Su Yutong, eine Kritikerin Sierens, wegen angeblichen „Verratsvon Redaktionsinterna” entlassen. Das gleiche Schicksal erlitt der Si-nologe Jörg Rudolph. Ihm wurde zum Verhängnis, als Monitor bei derDeutschen Welle eine zu China-kritische Meinung vertreten zu haben.„Limbourg will Reichweite, Quote und Märkte”, sagte Rudolph derSüddeutschen Zeitung. Und die bekomme er nur, „wenn er mit derchinesischen Zensur zusammenarbeitet”.

Zynismus bei China-Kooperation. Naturgemäß sieht der so Kritisier-te das anders. Er habe sich bei den Gesprächen mit chinesischen Of-fiziellen „dafür eingesetzt, dass die DW wenigstens schrittweise wiederin China zugänglich gemacht wird und betont, dass Zensur keine Lö-sung ist”, beteuerte Intendant Limbourg in einem Brief an Reporterohne Grenzen. Er habe zugleich „klar gemacht, dass die Deutsche Wel-le eine Plattform für diejenigen bleibt, die in China keine Stimme ha-ben”. Eine Position, die angesichts der realen Verhältnisse an Zynis-mus kaum zu übertreffen ist. In der Rangliste der Pressefreiheit vonReporter ohne Grenzen steht China derzeit unter 180 Nationen aufPlatz 175. Gegenwärtig sind mindestens 30 Journalisten und 74 Blog-ger im Zusammenhang mit ihrer Arbeit inhaftiert. In den vergangenenMonaten hat der jetzt von DW umworbene Staatssender CCTV mehr-mals „öffentliche Geständnisse” von Dissidenten ausgestrahlt. Aufdiese Weise vorgeführt wurde am 8. Mai auch die Chinesin Gao Yu,eine freie Mitarbeiterin der DW. Die 70jährige Journalistin sitzt seitihrer Festnahme Ende April in Haft. Unter anderem wegen der Aus-strahlung dieser erzwungenen Geständnisse hat Reporter ohne Gren-zen ihr Kuratoriumsmitglied Limbourg zum Kurswechsel bei seinerChina-Strategie und zum Verzicht auf eine geplante Kooperation mitCCTV aufgefordert. „Die DW darf nicht versuchen, ihre Reichweitezu Lasten der Pressefreiheit zu steigern.” n

Gesamtpersonalratsvorsitzende Ayse Tekin (rechts), mit Intendant Peter Limbourg, hat wenig Verständnis für die Ungereimtheiten bei denPersonalentscheidungen.ver.di-Mann Wolfgang Uellenberg, Gewerkschaftsvertreter im Rundfunkrat (Foto Interview S. 9) vermisst ein auf Analysen gestütztes, finanziell machbares Konzept.

DW-Treff in Berlin Die ver.di-Mitglieder in der Deutschen Welle Berlin treffen sich an jedem ersten Mittwoch im Monat von 19.00 – 21.00 Uhr in einemder Konferenzräume der Deutschen Welle in der Voltastraße 6. Der nächste Treff findet also am 5. November statt im Konferenz-raum im 6. Stock. Infos bei [email protected].

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Laut Aufgabenplanung 2014–2017 will die Deutsche Welle (DW) ihre Stel-lung als globaler Informationsanbieter aus Deutschland mit hoher Regio-nalkompetenz ausbauen. Ist angesichts der vorhandenen materiellen Res-sourcen eine solche Zielsetzung realistisch?Wolfgang Uellenberg | Ein englischsprachiger Nachrichtenkanal, derdie Breite und Größe der BBC oder von CNN hat, ist unrealistisch.Realistisch ist, auf die Stärken der DW zu setzen. Die Stärke der DWist die regionale Verankerung, ihre regionale journalistische Kompe-tenz und Sprachkompetenz. Sie arbeitet mit Journalistinnen und Jour-nalisten, die über das Geschehen in den jeweiligen Ländern und Re-gionen gut informiert sind, die Landessprache sprechen, zum Teil vondort kommen. Die DW hat dann eine Doppelfunktion: Sie richtet sichan die Region, dient etwa in autoritär regierten Ländern als Stimmeder Freiheit, als Transporteur unterdrückter Informationen. Damitbaut sie die Brücke, auf die dann ein Fernsehsender gehen kann, nachdem Konzept der crossmedialen Verbindung, per TV und Internet undinteraktiv. Das funktioniert aber nur, wenn beides zusammen kommt.Wenn das eine zu Lasten des anderen hochgepuscht wird, werden dieregionalen Kompetenzen verloren gehen und der Nachrichtenkanalwird seine Zielgruppe nicht erreichen.

Hinter dem geplanten Strategiewechsel steht der Wunsch nach einer mas-siven Steigerung der Reichweite, speziell bei Entscheidern und Multipli-katoren. Kann das funktionieren?Das geht nur mit einem crossmedialen Sender, der in bestimmten Regionen schwerpunktmäßig agiert und dann auch mit den entspre-chenden regionalen Kapazitäten das Publikum in der Breite anspricht –und zwar die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen, nicht nur Regie-rungen, auch Menschenrechtsgruppen, Intellektuelle. Aber bei derstarken Konkurrenz global 150 Millionen Entscheider und Multipli-katoren bedienen zu wollen, das wird nicht ohne weiteres gehen.

Dennoch will die Intendanz die DW neben BBC und CNN unter die TOP 3der Auslandssender hieven. Sind derlei Ambitionen überhaupt sinnvoll?Die Wettbewerber rüsten auch auf, haben außerdem ganz andere Mit-tel zur Verfügung. Dabei fällt auf, dass andere Sender jetzt stärker re-gionalisieren. Die haben gemerkt, dass Regionalisierung und Globali-sierung zusammen gehören. Die Frage ist ganz einfach: Was mache

ich? Es soll mehr Hintergrund und Analyse geben. Aber gerade jetztwerden Magazine dicht gemacht oder sind bereits eingestellt, zum Bei-spiel „Berlin direkt”. An Stelle politischer Analysen oder wirtschafts-und gesellschaftspolitischer Hintergrundberichte überträgt man etwaKonferenzen des Auswärtigen Amts, oder legt mehr Wert auf Lifestyleoder Reisen. Bei den vorhandenen Ressourcen ist es, wie wenn dreiLeute unter einer zu kurzen Decke schlafen müssen. Egal wie die sichdrehen: Einer friert immer. Deswegen müssen Schwerpunkte gesetztwerden. Alles zu machen – Reisen, Religion, Lifestyle, Wissenschaft,Musik und dann auch noch Politik mit Nachrichten – wo soll das enden? Ich vermisse immer noch ein durchgerechnetes, durch Ana-lysen gestütztes somit ein nachvollziehbares, den Kompetenzen derWelle angemessenes und auch finanziell machbares Konzept.

Multilingualität war und ist eine der Stärken der Welle, warum also jetztder Schwerpunkt Englisch? Wenn ich Englisch als globale Sprache im Programm stärken will,dann böte sich an, die journalistischen Kompetenzen aus der deut-schen Nachrichtenredaktion, aus den regionalen Nachrichten da hi-nein zu geben. Der englischsprachige Kanal könnte dann als eine ArtFlaggschiff agieren, mit vielen Schiffen drum herum und klarenSchwerpunkten in der Programmstruktur. Aber hier wird nach der Devise verfahren: Ich bau jetzt einen englischen Nachrichtensenderauf, und dann hab ich noch ein paar große Regionalsprachen wie Chi-nesisch, Russisch, Arabisch und noch ein paar andere, der Rest wirdabgeschnitten. Die strategisch wichtige Frage ist doch, wie das Ganzeinhaltlich gefüllt und mit den Regionalkompetenzen verknüpft wird.

Die Aufgabenplanung geht von einer Finanzlücke von fast 24 MillionenEuro in 2017 aus. Gleichzeitig werden neue Aufgaben beschlossen. Gibtes Signale aus der Politik, dem Sender wesentlich mehr Geld zu geben? Solche Signale sind mir nicht bekannt. Angesichts dieser Finanzlückeverwundert schon, wieso da plötzlich solche umfassenden Neustruk-turierungspläne auf den Weg gebracht werden. Konzepte, für die keineausreichende Gegenfinanzierung vorliegt, kein Businessplan, keineklare Linie. Ich halte dieses Vorgehen für hochriskant.

Wie geht es jetzt weiter?Das Arbeitsprogramm liegt im Bundestag, und das Parlament mussjetzt sehr genau darauf schauen, ob und wo es da grünes Licht gibt.Der Intendant muss darlegen, wie er angesichts seiner ambitioniertenPläne und der knappen Finanzdecke ein Konzept hinbekommt, dasnicht mit einem Kahlschlag endet und nicht die Kompetenzen zer-stört, die man für das Programm braucht. Denn Programm und Per-sonen hängen schließlich ganz eng zusammen bei einem Medienun-ternehmen.

Sehr umstritten ist auch der anvisierte Kooperationsvertrag mit dem chi-nesischen Staatssender CCTV. Wie passt das zusammen mit dem erklärtenAnspruch der DW, „Stimme der Freiheit” zu sein?Man kann ja unterschiedlicher Auffassung darüber sein, wie man daschinesische Regime beurteilt. Aber ein Sender wie die DW kann sichnicht zum Transporteur staatsnaher und in meinem Verständnis zy-nischer Kommentare des Peking-Kolumnisten Herrn Sieren in die voneben diesem Staat verfolgte Internetgemeinde machen. Dann verlie-ren die Menschen den Mut und die DW ihre Glaubwürdigkeit. Hierist ein Eindruck entstanden, der für das Ansehen der DW schlicht ver-heerend ist. Ich hoffe, die Politik drängt den Intendanten, dieses Pro-jekt noch mal auf seine Seriosität abzuklopfen, und ob es kompatibelist mit dem Anspruch der Welle, Stimme der Freiheit zu sein. n

DEUTSCHE WELLE

Hohe RegionalkompetenzStärken der Deutschen Welle nutzen – klares Konzept notwendig

Mit Wolfgang Uellenberg, Leiter der ver.di-Abteilung Politische Pla-nung und Vertreter der Gewerkschaften im Rundfunkrat der DeutschenWelle, sprach Günter Herkel über den Strategiewechsel des Senders.

Fotos (2): Jürgen Seidel

10 M 7.2014

TARIFE + BERUF

Erfolgreiche Verhandlungenfür UCI-BeschäftigteAm 6. Oktober fand in Bochum die zweite Verhand-lungsrunde der Tarifverhandlungen zwischen ver.diund UCI statt. Nachdem beim Start, trotz einiger An-näherungen, die beiderseitigen Vorstellungen nochsehr weit auseinander lagen, konnte nun ein Tarif -ergebnis erreicht werden. Es wurden 3 Entgeltklassenmit unterschiedlichen Regelungen vereinbart. Den je-weiligen Klassen (A, B, C) werden die einzelnen UCI-Filmtheater zugeordnet. In der ersten Erhöhungsstufesteigen am 1. Februar 2015 die Stundenentgeltedurchschnittlich über alle Entgeltgruppen und -klas-sen um 4,3 Prozent. Darüber hinaus wurde für die Be-triebe in der Klasse A vereinbart, dass die Entgelte zum1. Juli 2016 um weitere 3,2 Prozent steigen. Red. n

Kinopolis: Tarifkommissionsetzt Tarifvertrag durchAm 8. September 2014 fand die zweite Runde derHaustarifverhandlungen zwischen ver.di und Kino -polis Koblenz statt. Im Ergebnis wurden ein Mantel-und Entgelttarifvertrag durchgesetzt. Im Wesentli-chen konnten die Regelungen, die für das KinopolisDarmstadt gelten auf das Kinopolis in Koblenz über-tragen werden. Mit dem Manteltarifvertrag wurdenauch für die Koblenzer feste und verbindliche Rege-lungen unter anderem zur Arbeitszeit und zum Urlaubvereinbart. Die Entgelte liegen auf dem Niveau ande-rer tarifierter Kinopolis Häuser und betragen imDurchschnitt innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrageseine Steigerung von über 12 Prozent.

Ab 2014 haben die Beschäftigten Anspruch aufeine Jahressonderzahlung, die mit dem Novemberent-gelt ausgezahlt wird: 700 Euro ab 2014 und 720 Euroab 2015. Als Ausgleich für bisher entgangene Entgelt-steigerungen gibt es im Oktober 2014 eine tariflicheEinmalzahlung in Höhe von 550 Euro. Der Tarifver-trag tritt zum 1. Oktober 2014 in Kraft und kann erst-mals zum 31. Oktober 2016 gekündigt werden.

Red. nMehr Infos zu den Abschlüssen im Kinobereich:www.kinonetzwerk.verdi.de

Protest gegen miese ArbeitsverhältnisseKeine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Kein bezahlter Urlaub.Kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Eigentlich ist das alles gesetzlichvorgeschrieben, doch die Kölner Kino-Chefin Catherine Laakmannmag sich nicht daran halten. Als ob das nicht genug wäre, erhaltendie Beschäftigten des „Metropolis” und „Rex am Ring” einen Stun-denlohn, der deutlich unter dem künftigen Mindestlohn liegt.Bitte unterstütze die Belegschaft bei ihrem Kampf um einen fairenTarifvertrag und unterzeichne die Petition an die Inhaberin der Kinos. www.soliseite.de/metropolis-koeln-rex-am-ring/

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PublizistischerVorwärtsgangOnliner sind seit 1. Oktober im Tageszeitungstarif

Die Online-Journalistinnen und -Journalisten, die für tarifge-bundene Tageszeitungen arbeiten, haben seit 1. Oktober einenverbindlichen Anspruch auf dieselben Tarifgehälter wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den Printredaktionen. Das ist einegute Nachricht! Journalistische Arbeit ist heute crossmedialeArbeit. Daher war dieser Schritt überfällig. Allzu lange habensich die Verleger dagegen gewehrt, doch nun können sich dieKolleginnen und Kollegen über eine Verbesserung freuen, diesie sich hart erkämpft und erstritten haben.

Ende April haben wir mit dem Bundesverband Deutscher Zei-tungsverleger (BDZV) die Aufnahme der Online-Journalistinnenund -Journalisten in die Tarifverträge für die rund 14.000 Re-dakteurinnen und Redakteure sowie Freie und Pauschalistenvereinbart. Die Erweiterung des so genannten Geltungsbereichswar Gegenstand harter Auseinandersetzungen, die Einigungerst möglich nach monatelangen Verhandlungen und einerStreikbewegung quer durch die Bundesrepublik. Für den Ge-haltstarifvertrag gilt ab jetzt: gleiches Geld für die Redakteu-rinnen und Redakteure, egal ob in der Print- oder Onlineredak-tion. Die übrigen Tarifbedingungen aus dem Manteltarifvertraggelten ab 1. Juli 2016 dann identisch auch für Onliner.

Die Einbeziehung der Online-Journalistinnen und -Journalistenin den Schutz der Tarifverträge entspricht unseren Vorstellungenvon einer zeitgemäßen Weiterentwicklung der Arbeit in den Redaktionen. Ohne Online-Angebote geht heutzutage nichtsmehr, neue Publikationsformen sind dringender gefragt dennje. Gerade die Online-Angebote müssen hohen journalistischenAnsprüchen genügen, um sich im Wettbewerb abzuheben. Dazu brauchen wir entsprechend qualifizierte Kolleginnen und Kollegen, die künftig noch enger publizistisch verzahnt ar -beiten.

Es gibt für diese neuen Arbeitsformen und gelungene digitaleTransformation etliche positive Beispiele, die nun folgerichtigauch die Onliner in den Tarifvertrag mit einbeziehen. Es gibtaber leider auch andere Verlage, die sich ihrer sozialen Verant-wortung entziehen wollten. Sie schlagen zulasten der Redak-teurinnen und Redakteure Sonderwege ein, indem sie Online-Bereiche ausgliedern, um auf diesem Weg den dortigen Redak-teurinnen und Redakteuren den Tarifschutz vorzuenthalten. Einprominentes Beispiel dafür ist die Mediengruppe DuMontSchauberg oder, ganz aktuell, der Verlag der Nürnberger Presse.

Wer in diesen Tagen noch aus kurzfristigem Gewinnstreben sol-chen Unsinn betreibt, droht, die Zukunft der eigenen Zeitungzu verspielen. Print und Online gehören in der Zeitung integralzusammen, die dafür geleistete Arbeit ist gleichwertig. Wer dieRedaktionen spaltet und Gehälter für Onliner drückt, entschei-det sich für den publizistischen Rückwärtsgang.

Frank Werneke,stellvertretender ver.di-Vorsitzender n

Foto: Stefanie Herbst

M 7.2014 11

Tariferhöhung für Verlagsangestelltein Niedersachen und Bremen In der Tarifverhandlung für die Angestellten in Zeitungsverlagen inNiedersachsen und Bremen am 12. September konnte ein vorläufigerTarifabschluss erzielt werden. Danach werden die Gehälter und Aus-bildungsvergütungen ab 1. Oktober 2014 um jeweils 2 Prozent erhöhtund ab 1. Oktober 2015 nochmals um jeweils 1 Prozent. Ab 1. Mai2016 gibt es eine weitere Steigerung um jeweils 0,8 Prozent. Der Ta-rifvertrag kann zum 31. Oktober 2016 gekündigt werden. Der Man-teltarifvertrag bleibt weiterhin nur in der Nachwirkung. Als Erfolgwertet die ver.di-Tarifkommission, dass es gelungen ist, auch für dieVerlagsangestellten in den Zeitungsbetrieben einen Gehaltszuwachszu erzielen. Dass der Abschluss ohne formelle Inkraftsetzung desManteltarifvertrages, in dieser Höhe und mit dieser Laufzeit akzeptiertwerden musste, ist keinem Mitglied der ver.di-Tarifkommission leichtgefallen. Ohne diese Zugeständnisse wäre aber auch in weiteren Ver-handlungen kein Tarifabschluss möglich gewesen! Red. n

Köln: Etappensieg für FreieDie Rheinische Redaktionsgemeinschaft darf ihre Honorarvereinbarungfür freie Journalisten in einem zentralen Punkt nicht weiter anwen-den. Das hat das Landgericht Köln in einer Einstweiligen Verfügungfestgestellt (Az. 33 O 186/14). Das Gericht folgte damit einem Antragdes DJV und der dju in ver.di. Die für den Kölner Stadt-Anzeiger unddie Kölnische Rundschau tätige Redaktionsgemeinschaft sah in denHonorarvereinbarungen unter anderem vor, dass sich die Freien alsnebenberuflich tätige Journalisten einstufen müssen. Dem hat das Ge-richt einen Riegel vorgeschoben. Die Gewerkschaften werteten dieEntscheidung als „Etappensieg” und als Stärkung der GemeinsamenVergütungs regeln für Freie an Tageszeitungen. Red. n www.boeckler.de

Die gemeinnützige Hans-Böckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs-,Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschafts-bundes. Durch ihre Arbeit will sie einen Beitrag zur Verbesserung dergesellschaftlichen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten.

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TARIFE + BERUF

In der Auseinandersetzung um die Altersversorgung der rund 25.000festangestellt Beschäftigten in den Anstalten des öffentlich-recht -lichen Rundfunks steht viel auf dem Spiel: „Es geht darum, dass ver-bindliche Renten-Zusagen eingelöst werden, auf die die Kolleginnenund Kollegen sich verlassen. Und es geht darum, eine Brücke zwischenden Jungen und Älteren zu bauen: Wir lassen uns nicht gegeneinanderausspielen”, erklärte ver.di-Verhandlungsführer Matthias von Fintelzu den derzeit laufenden Gesprächen.

Etwa die Hälfte der in den zwölf Sendern Beschäftigten sei über densogenannten Versorgungstarifvertrag (VTV) abgesichert. Durch dieschrittweise Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre seiaber damit zu rechnen, dass immer weniger Beschäftigte tatsächlichbis dahin arbeiten könnten. Dies sei beim VTV in der bisherigen Fas-sung ein Problem, denn die VTV-Rente falle mit jedem Jahr, um dassie vorgezogen werde, um 10 bis 15 Prozent niedriger aus. Die Senderwollen den Vertrag zudem Ende 2015 auslaufen lassen.

Ein zukünftiges Altersversorgungssystem könne über den Ab-schluss eines neuen Beitragsorientierten Tarifvertrags für die Alters-versorgung (BTVA) für zukünftig Beschäftigte erreicht werden: „Esgibt keinen Grund, der es rechtfertigen würde, in verbindlich Zuge-sagtes einzugreifen oder der kommenden Generation grade ange-

sichts der sinkenden Bedeutung der gesetzlichen Rente Sicherheitvorzuenthalten. Für zukünftige Beschäftigte ziehen wir daher dieKonsequenz: Kein schönes Versprechen mehr, einzulösen erst in fer-ner Zukunft, sondern handfeste Beiträge jetzt und heute in ihre Ren-tenversicherung, das schafft der neue BTVA”, forderte von Fintel.

Der Kommission zur Erhebung des Finanzbedarfs (KEF) und denRechnungshöfen sei die Altersversorgung schon lange ein Dorn imAuge. Dabei werde zu Unrecht die bereits mehrfach aus jeweils gutenGründen veränderte Altersversorgung in den Sendeanstalten mit derim öffentlichen Dienst verglichen. Die von der KEF und den Senderngeforderte „Deckelung” von Rentenerhöhungen bei einem Prozentwerde abgelehnt: „Die Renten müssen entsprechend den Gehälternsteigen, das werden wir in den Verhandlungen im kommenden Jahrüber Gehälter und Honorare im öffentlich-rechtlichen Rundfunkganz deutlich machen. Rentnerinnen und Rentner dürfen nicht ab-gekoppelt werden von der Gehaltsentwicklung, sonst wäre dies eineschleichende Entwertung der Rente, gegen die sich jemand im Ruhe-stand nicht mehr wehren kann. Das fordert die Solidarität der jetztaktiv Beschäftigten. Wer die Rentensteigerungen deckeln, berechtigteLohn- und Honorarsteigerungen blockieren und die Qualität derkünftigen betrieblichen Altersversorgung entwerten will, wird mas-sive Konflikte entfachen”, kündigte von Fintel an. Red. n

Eine Brücke zwischen jung und altVerbindliche Zusagen für Alters versorgung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einlösen

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12 M 7.2014

TARIFE + BERUF

Sperre„ABM” steht seit vielen Jahren für „Arbeitsbeschaffungsmaß-nahme” und eine zunehmend restriktive Arbeitsmarktpolitik.Begriffe lassen sich aber auch kapern. Und so nannte sich vorknapp 30 Jahren in Münster ein Verein von und für Arbeitslose„AbM” – „Arbeitslose brauchen Medien”. Seit 1986 gibt derVerein die Zeitschrift Sperre heraus. „Sperre”: auch das ist eingekaperter Begriff. Einerseits steht er für die Verhängung vonSperrzeiten beim Arbeitslosengeld und die damit verbundenenExistenzängste. Andererseits drückt der Name aber auch aus,dass sich Betroffene gegen die Verhältnisse sperren.

„Wir haben diesen Begriff als eine Art Kampfbegriff verstan-den”, so Norbert Attermeyer, Redakteur und Gründungsmit-glied der Sperre. Der Untertitel der Zeitschrift lautete dann auchviele Jahre „Arbeitslos aber nicht wehrlos”. Inzwischen stehtan dieser Stelle zwar „Münsters Magazin für Arbeit, Soziales &Kultur” – die kämpferische Einstellung hat die Redaktion damitaber keineswegs aufgegeben. Die Sperre erscheint als Druck-ausgabe vierteljährlich kostenlos in Münster, seit einigen Jahrenaber auch als ständig aktualisiertes Internetportal.

Thematisch steht daher zwar die lokale Situation in Münster,einer relativ reichen Stadt mit 300.000 Einwohnern, im Mittel-punkt. Vielfach aber hat die Redaktion auch die aktuellen bun-des-, europa- und weltweiten Entwicklungen im Blick. Berichtetwird etwa über die Mietpreisexplosion und die Wohnungsnotin der Boomstadt Münster, über Kinderarmut in Zeiten vonHartz IV oder die Situation Alleinerziehender in NRW, aber auchüber die Abschottungspolitik der EU gegen Zuwanderung. Ar-beitslosigkeit, Armut und Fragen der Menschenwürde werdenso stets mit kritischem Blick aufs neoliberale Paradigma be-trachtet. Zur Europawahl gab es beispielsweise den Nachdruckeines Interviews der Süddeutschen Zeitung mit dem Vorsitzen-den der griechischen Links-Partei Syriza. Feste Größen in derSperre sind zudem neben Kommentaren und Glossen Meldun-gen und Tipps vor allem zu juristischen Aspekten von Arbeits-losigkeit und Agenda 2010. So werden wichtige Gerichtsurteile,aktuelle Gesetzesvorhaben oder Antworten der Bundesregie-rung auf Abgeordnetenanfragen aufbereitet.

„Der wesentliche Grund zur Initiierung der Zeitung”, sagt Nor-bert Attermeyer, „war und ist die Tatsache, dass viel über Arbeitslose geschrieben wird, aber wenig aus der Sicht von Be-troffenen”. Das sollte sich ändern mittels einer „Zeitung vonArbeitslosen für Arbeitslose”.

Und damit das auch so bleibt, betreibt AbM – seit 2002 auchTräger des Arbeitslosenzentrums MALTA („MünstersArbeits -LosenTreffAchtermannstraße”) – eine wöchentlich stattfin -dende Schreibwerkstatt. Hier können in der Sperre-Redaktionjournalistische Grundkenntnisse erworben und Texte entwickeltwerden. Marcus Termeer n

www.sperre-online.de, [email protected]

Engagierte Medien abseits des Mainstreams sind hochinteressant, aber wenig bekannt. Deshalb stelltM mit dieser Rubrik in jedem Heft eines davon vor.

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kt?Münchner Polizeireporter

wurde überwachtAuf der Jagd nach dem mutmaßlichen Bestecher im FallHypo-Alpe-Adria wurde auch ein Journalist des Bayeri-schen Rundfunks (BR) im Laufe der Ermittlungsverfahrengegen mehrere Personen abgehört. Der betroffene Journa-list der Rundfunkanstalt wurde zwar nicht selbst über-wacht, da das Bundeskriminalamt (BKA) eine solche Vor-gehensweise bei der Verdachtslage für nicht gerechtfertigthielt, dennoch wurden seine Gespräche im Rahmen jour-nalistischer Arbeit mitgeschnitten. Anlass waren Vorwürfeim Zusammenhang mit der Landesbank-Affäre. Über Mo-nate hinweg wurden die Anschlüsse zweier Beamter desbayerischen Landeskriminalamtes (LKA) in der obenge-nannten Sache abgehört, wobei auch Gespräche des Jour-nalisten minutiös protokolliert wurden.

Die Verfahren sowohl gegen den Journalisten alsauch gegen die LKA-Beamten wurden inzwischen „wegenerwiesener Unschuld” eingestellt. Was bleibt, ist ein scha-ler Nachgeschmack, welcher auch durch die Rehabilitie-rung der Opfer der Überwachungsmaßnahmen nicht ab-gemildert wird.

ver.di hält den Aktionismus der Münchener in die-sem Fall für völlig überzogen und verurteilt das Protokol-lieren von Gesprächen mit Journalisten. Auch, dass dieMitschnitte nicht aus einer direkten Überwachung desJournalisten herrühren, ist als Begründung für die Spei-cherung unzureichend und stellt einen einschneidendenEingriff in die Pressefreiheit dar. „ver.di verurteilt das aufsschärfste. Journalisten dürfen nicht durch Überwachungund andere Repressionen behindert oder eingeschüchtertwerden”, erklärte dazu Karl-Heinz Kaschel-Arnold, beiver.di Bayern für den Medienbereich zuständig.

PM/Red. n

Sanssouci: Fotografieverbotbleibt bestehenSieben Jahre gingen ins Land, bis der Rechtsstreit um dasfreie Fotografieren in den Schlössern und Gärten vonSanssouci vor dem Bundesverfassungsgericht lan-dete. Das Ergebnis vom 28. August wurde erstjetzt bekannt: Die Verfassungsbeschwerdewurde abgelehnt, ohne Begründung.

Damit bleibt die Sanssouci-Entschei-dung des Bundesgerichtshofs vom März2013 bestehen. Ihr Kern: Freie Bildjourna-listen dürfen nur mit Genehmigung undgegen Zahlung von „Knipsgebühren”Filmaufnahmen in öffentlich zugänglichenSchlössern und Gärten herstellen und ver-werten. Auch wenn sich dieses Urteil auf eineKlage von Bildjournalisten der Fotoagentur Ost-kreuz gegen „Sanssouci” bezieht, bedeutet es, dassFotografen auch in anderen öffentlichen Parks oder aufentsprechendem Gelände nicht mehr von Panoramafrei-heit und freier Fotografie ausgehen können. Neben derdju in ver.di hatten der DJV, Freelens und der Bundesver-band der Pressebild-Agenturen und Bildarchive (BVPA)die Klage der Berliner Fotoagentur unterstützt. wen n

M berichtete seit 2008 in M 8–9/2008, M 10/2008, M 3/2010,M 1–2/2011, M 4/2013 (https://mmm.verdi.de/archiv)

Abb: Fotolia / Vladislav Kochelaevs

2014Medien-

Dr. Georg Schreiber

Wettbewerb für Printmedien,

Hörfunk, Fernsehen und Internet!

preis

AnzeigePressefreiheit gilt auch

hinter dem WerkstorDie SWR-Reportage „Hungerlohn am Fließband” darf wei-ter ausgestrahlt werden. Der Daimler-Konzern ist vorläu-fig mit seinem Versuch gescheitert, die öffentliche Ver-breitung von auf dem Gelände seines UntertürkheimerWerks entstandenen Filmaufnahmen zu verbieten (sieheM 6.2014). Das Landgericht Stuttgart erklärte bei der Ur-teilsbegründung am 9. Oktober zwar, dass Undercover-Journalist Jürgen Rose das Hausrecht des Unternehmensverletzt habe. Sein Bericht über Lohndumping durchLeiharbeit und Werkverträge diene aber „einem eindeutigüberwiegenden öffentlichen Informationsinteresse”, dasin diesem Fall überwiege.

Das Gericht habe mit seiner Entscheidung verdeut-licht, „dass die Aufdeckung gesellschaftlicher Missständeauch mit den Mitteln der investigativen Recherche mög-lich sein muss”, betonte SWR-Sprecher Wolfgang Utz.„Die Entscheidung besagt, dass die Pressefreiheit nicht anWerkstoren endet.” Die dju und der SWR-Betriebsverbandin ver.di erklärten: „Das Urteil stärkt die Arbeit der Me-dienschaffenden und gibt Sicherheit bei der Recherche.”

dab n

Bei Facebook & Co. gilt fürRedaktionen der Pressekodex Der Deutsche Presserat ist auch zuständig für publizisti-sche Produkte in Social-Media-Kanälen, stellte das Selbst-kontrollorgan am 10. September klar. Wenn Redaktionenihre Veröffentlichungen in sozialen Medien verbreiten,unterliegen diese auch dort den ethischen Grundsätzendes Pressekodex. Publizistische Produkte auf PlattformenDritter werden demnach von der bestehenden Beschwer-deordnung mit erfasst. Der Deutsche Presserat ist seit2009 zuständig für Beschwerden über Online-Veröffent-lichungen in Verlagsangeboten.

Der Beschwerdeausschuss 2 des Deutschen Presseratshat sich in seiner September-Sitzung mit 30 Beschwerdenzur Berichterstattung über den Absturz des Fluges MH 17in der Ukraine beschäftigt. Das Gremium stellte klar, dassidentifizierende Abbildungen von Opfern in der Regelnicht mit dem Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2vereinbar sind. „Die Argumentation einiger Medien, denOpfern ein Gesicht zu geben, ist nachvollziehbar, den-noch: Nur weil jemand zufällig Opfer eines schrecklichenEreignisses wird, darf er nicht automatisch mit Foto in derPresse gezeigt werden”, sagte Ursula Ernst, Vorsitzende desAusschusses. So erhielt Bild Online eine Missbilligung fürdie Berichterstattung „Ruhet in Frieden!”, erschienen am23.07.2014. Ebenfalls sanktioniert – mit einem Hinweis –wurden Veröffentlichungen im Stern („Angriff auf uns”)und auf Bunte Online („Diese Familie wurde ausgelöscht”).Eine Missbilligung bekam zudem Der Spiegel für die Ver-öffentlichung der Titelseite „Stoppt Putin jetzt!”, erschie-nen am 27.07.2014.

Eine öffentliche Rüge wegen Verletzung des Presse-kodex Ziffern 1, 10, 12 erhielt Bild am Sonntag/Online fürden Kommentar „Islam als Integrationshindernis”, er-schienen am 27.07.2014. Hierzu waren 215 Leserbe-schwerden beim Presserat eingegangen. Mehr dazu unter www.presserat.de n

M 7.2014 13

TARIFE + BERUF

Reger Austausch auf der Social Media Week in Berlin.Mit viel Interesse aufgenom-men wurde auch die „Jobs-fair”, bei der sich Firmen prä-sentierten und Jobanwärterinformieren bzw. vorstellenkonnten.

14 M 7.2014

Strategien für Online-Marketing und Kunden-gewinnung, wie dieKonkurrenz durch SocialMedia Monitoring beob-achtet werden kann,neue Marketing-Trendsund Social Commercebestimmten weite Teiledes Programms. Die so-zialen Netze werden zumwichtigen Instrumentvon Marketing-Abtei-lungen und PR-Agen -turen. Sie nutzen den lockeren Umgangston und die direkte persönliche An-sprache geschickt für ihre Kampagnen. Der finanzielleAufwand ist, verglichen mit anderen Werbemöglich-keiten, minimal. Sehr viele Facebook-Seiten und etli-che Twitter-Kanäle werden von Profis bespielt, ohnedass dies immer erkennbar wäre.

Aus Social Media werde Social Marketing, fassteein Mitarbeiter der Social Media Week den diesjähri-gen Trend pointiert zusammen. Daneben war jedochnoch ein anderer Effekt der Professionalisierung zu er-kennen, denn viele Enthusiasten versuchen, ihre Lei-denschaft zum Beruf zu machen. Wie lässt sich mitdem eigenen Blog Geld verdienen, fragten sich auchdie Macher von „Notes of Berlin”. Sie sammeln unddokumentieren mehr oder weniger skurrile Zettel undAushänge im öffentlichen Raum. Nun soll daraus einFilm werden.

Geld verdienen mit Social Media läuft jedoch fürdie meisten auf einen Job in Marketing und PR hinaus. Dennoch, mit dem kommerziellen Einsatz so-zialer Netzwerke entstehen neue Berufe und der Be-darf nach sachkundigen Mitarbeitern. „Viele Unter-nehmen haben noch nicht erkannt, was durch dendigitalen Wandel bevorsteht”, lautete die Einschät-zung von Ralf Junge in einer Diskussionsrunde mitdem Titel „Leben und Arbeiten im Jahr 2020”. Jetztfehle in vielen Betrieben Social-Media-Know-how, soJunge, der im Personalwesen tätig ist und unter ande-rem für ein Blog mit der seltsamen Bezeichnung„Mein Freund die Arbeitgebermarke” schreibt. Die

Generation der Digital Natives habe ganz andere Job-Vorstellungen, als es noch vor zehn Jahren üblich gewesen sei. Daher sei es notwendig, neue Arbeitsmo-delle zu entwickeln.

Ein Beispiel dafür bildet die Plattform Tandem-ploy. Die Gründer wollen Job-Sharing fördern undbringen Interessierte, die sich einen Job teilen wollen,zusammen und stellen den Kontakt zu potenziellenArbeitgebern her. „Arbeitgeber können sich auf derPlattform präsentieren; damit zeigen sie, dass sie offenfür Teilzeitarbeit und Jobsharing sind”, erklärte dieMitgründerin Miriam Wilhelm. „Dadurch werdenqualifizierte Stellen teilzeittauglich”, meinte Wilhelm.Arbeitgeber profitierten davon ungemein, denn vomArbeitsergebnis her betrachtet, ergäben zwei 50-Pro-zentstellen zusammengenommen nicht 100 Prozent,sondern deutlich mehr. Aber sie kritisierte auch: „DerArbeitgeber fordert von seinen Mitarbeitern viel Fle-xibilität, aber der Mitarbeiter bekommt vom Arbeit-geber selten Flexibilität zurück”. Arbeitgebern emp-fahl sie: „Wichtig ist es, dass man auf die verschiede-nen Lebensphasen der Arbeitnehmer eingeht”.

Christina Quast ging einen anderen Weg. Sie hatsich ihren eigenen Beruf geschaffen: Hashtag-Hüterinlautet die neue Bezeichnung der ehemaligen Journa-listin. Sie twittert im Auftrag von Unternehmen livevon Veranstaltungen. Damit verdiene sie inzwischenmehr, als sie zuvor als Journalistin verdient habe. „Dahat man einen Expertenstatus und ein Alleinstel-lungsmerkmal”, beschrieb sie die Vorteile dieser Vor-gehensweise. Die allerorts zu findende Jobbezeich-nung Social Media Manager fasse oftmals alles, wasmit neuen Plattformen zu tun habe, vom Webdesign,über die Gestaltung des Facebook-Auftritts, bis zumUmgang mit Social-Media-Nischen. Dazu würden un-zählige Ausbildungen und Lehrgänge angeboten,

jedoch seien die Inhalte oft-mals nicht nachvollziehbar,beschrieb sie das Problem.„Es ist immer schwieriger,die komplette Social-Media-Welt abzudecken”, weil sieinzwischen zu vielfältig sei,warnte sie Freiberufler. „AlsFreelancer lohnt es sichnicht, alle Kanäle zu bespie-len.” So ein Bauchladen seinicht zu bewältigen, weilbeispielsweise „bei Facebooksich fast jeden Tag etwas än-

dert”. Sie empfahl daher die Spezialisierung auf eineinzelnes soziales Netz, in ihrem Fall sei das ebenTwitter.

Neue und zeitgemäße Arbeitsformen waren auchdas Thema einer Diskussionsrunde mit dem an einenSatz von Karl Marx angelehnten Titel „Wissensarbeiteraller Länder, verändert euch”. Wer jetzt Solidaritäts-forderungen erwartet, liegt jedoch falsch. Unter -nehmerisches Denken, mehr Kreativität und sinnvolleTätigkeitsinhalte sollen die schöne neue Arbeitsweltkennzeichnen. Die oftmals einseitige Debatte zeigt,dass hier breite Sachkompetenz weiterführen könnte.ver.di hätte beispielsweise mit einem Beitrag über denUmgang mit prekären Beschäftigungsverhältnissengut ins Programm gepasst. Uwe Sievers n

Links: www.notesofberlin.com, www.tandemploy.comwww.socialmediaweek.org/berlin

TARIFE + BERUF

Leidenschaft zum Beruf machen

Social Media Week: Trend zur Professionalisierung und Kommerzialisierung

Zum fünften Mal fand in Berlin die Social Media Weekstatt. Doch dieses Mal war vieles anders. Professio -nalisierung und Kommerzialisierung prägten die einwö-chige Veranstaltung. Die Arbeitswelt rückte ins Blickfeld –Arbeitsverhältnisse, Job-Möglichkeiten und Beschäfti-gungsformen waren die Themen.

Fotos (2): Tilman Vogler

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Zu einer ersten Protestaktiongegen das Sparprogramm ver-sammelten sich am 15. Okto-ber 2014 rund 60 Kolleginnenund Kollegen vor dem Kölner Verlags gebäude vonM. DuMont Schauberg.

Bislang erfuhren Belegschaftenund Betriebsräte weder Detailsnoch belastbare Zahlen, aber soviel scheint sicher: Nachdem dieAuslagerung und Zentralisierungvon Querschnittsbereichen – Ma-nagement, Personal, Rech nungs -wesen, Service, Archive, Callcen-ter – im Imperium läuft, zerlegtman nun die verbleibenden Ein-heiten weiter, gründet regionaleMedienhäuser in Köln, Berlin,Hamburg und Halle /Saale.

Hamburg. In Hamburg (Ham burgerMorgenpost), soll das dazu führen,dass die größte verbleibende Ver-lagseinheit noch neun Mitarbeiterumfasst. Bei der Morgenpost sindmindestens zehn Kündigungen bereits angekündigt,zehn Prozent der Belegschaft wären betroffen. DerHamburger Betriebsrat will stattdessen Vorschläge zurWeiterbeschäftigung machen und kritisiert „Irrsinn”in der geplanten Content-Strategie: Verlag und Redak-tion der Morgenpost sollen dem Vernehmen nach 0,5Mio. Euro einsparen, im Gegenzug aber fast so viel fürDigitaldienstleistungen zusätzlich an die MDS-Toch-ter DuMont Net zahlen. Rechne man die Kosten fürden mittlerweile in Halle/Saale zentralisierten Anzei-genservice MZ Dialog hinzu, „überstiegen die Kostenden geforderten Einsparbetrag”.

Berlin. Der traditionsreiche Berliner Verlag (BerlinerZeitung, Berliner Kurier) hört mit dem aktuellen Spar-programm quasi auf zu bestehen. Die hauptstädti-schen Tageszeitungen werden künftig in zwei eigenen

Redaktions-GmbH gemacht; Vertrieb und Marketingmit 17 Beschäftigten sollen in eine weitere tarifloseGesellschaft ausgelagert werden. Die Einzelfirmen sol-len sich am Berliner Alexanderplatz wie eine „Perlen-kette” reihen. Betriebsratsvorsitzende Renate Genschkritisiert das als „reines Sparprogramm” und rechnetperspektivisch mit weiteren Stellenkürzungen. Außer-dem verweist sie auf Konsequenzen für Mitbestim-mungsstrukturen, wenn immer weiter zergliedertwird. „Ob dennoch ein Gemeinschaftsbetrieb vor-liegt, wurde uns bisher nicht beantwortet.”

Köln. Das Kölner Mutterhaus (Kölner Stadt-Anzeiger,Kölnische Rundschau, EXPRESS) würde durch die Aus-gliederung des Druckhauses mit etwa 300 Beschäftig-ten fast halbiert. Alle vier MDS-Druckereien sollenkünftig unter dem Dach einer DuMont Druck-Hol-ding zusammengefasst werden. Auch im Verlags -bereich rechnet der Kölner Betriebsrat mit weiteremPersonalabbau. Die Herausgabe detaillierter Informa-tionen hat er jetzt per Einstweiliger Verfügung durch-gesetzt.

Alle Umfirmierungen sollen noch bis Jahresende überdie Bühne, parallel läuft die „digitale Transformation”der MDS-Zeitungsmarken an. 20 Mio. Euro sollen da-für fließen, allerdings wohl überwiegend in IT-Syste-me für Anzeigen und Vertrieb. Statt weiter mit dem„Printkopf” zu denken, sollen die Journalisten den Le-sern und Usern künftig Nutzwert auf verschiedenenKanälen liefern, so die Forderung. Die Verzahnung inder digitalen Medienwelt – mobil, Web, App, Videound Print – bedeute Veränderungen in Arbeitsorgani-sation und Produktionsstruktur, „ohne neue Stellenzu schaffen”. Bis Ende 2016 werde ein Großteil derfesten und freien Schreiber „im Sinne einer konver-genten Redaktion unter den kanalspezifischen Maß-gaben” an der Herstellung digitaler Produkte arbeiten,so die Zielstellung. Crossmediale Schulungen sind bis-her eher für ausgewählte Beschäftigte angekündigt. Ineiner „Analyse- und Konzeptphase” sollen der KölnerExpress und die Mitteldeutsche Zeitung in Halle/Saalebis Mitte 2015 als Modelle dienen. In der Redaktiondes Kölner Stadt-Anzeigers hörte man von Szenarien,wonach die Printausgabe perspektivisch von nochsechs Redakteuren gestemmt werden soll, die zudemDienstzeiten von 6 bis 24 Uhr abdecken sollen.

ver.di-Vize Frank Werneke kritisiert den „Schlin-gerkurs zulasten der Beschäftigten”, das Fehlen einerüberzeugenden Strategie sowie die Gefahr weiterer Ta-rifflucht. Der Berliner Betriebsrat macht klar, dass dasMedienhaus momentan noch 85 Prozent seiner Erlösemit Print erziele, ganze zwei Prozent mit Online. Eineperspektivische Verschiebung der Gewichte dürfenicht „mit einem Verlust der Qualität bei den Print-Produkten erkauft” werden. „Damit es dem Unterneh-men irgendwann wieder besser geht, sollen die Be-schäftigten hier und heute Verschlechterungen inKauf nehmen”, bemängeln die Interessenvertreter derKonzernstandorte in einer gemeinsamen Erklärung(http://tinyurl.com/olnhncq). Sie fordern Verzicht aufbetriebsbedingter Kündigungen und den Abschlussvon Sozialplänen. Und übrigens: die hippe KölnerWerktagszeitung für junges Publikum soll von einemRedaktionsteam gemacht werden, das überwiegendaus Volontären und einem Netz freier Mitarbeiter be-steht. Passt also doch ins Bild. Helma Nehrlich n

MEDIEN + WIRTSCHAFT

Ohne neue StellenSparen und digital wachsen: DuMont fädelt Medienhaus neu auf

Die Herausgabe der jugendlichen Tageszeitung „Xtra”, mit der M. DuMontSchauberg(MDS) gerade überrascht, passt nicht recht zum Trend. Investiert die Kölner Medien-gruppe doch aktuell eher nicht in Print. Verkündet ist eine „digitale Transformation”.Sie geht einher mit einem Sparkurs: Das Unternehmen zerstückeln, anders bündeln,Kosten senken, Tarife weiter aushebeln und Beschäftigte maximal belasten, bedeutetdas bei MDS Ende September verkündeten Zukunftsprogramms „Perspektive Wachs-tum” im Klartext.

Fotos: Stephan Otten

Die Echo Medien GmbH werde sich künftig auf ihre„Kernaufgaben” konzentrieren, verkündete die Ver-lagsspitze am 22. September. Hierfür würden „Zentral-bereiche des Unternehmens ausgegliedert, die für die-se Kernaufgaben nicht unmittelbar relevant sind”.Unter anderem sollen offenbar Callcenter, IT undRechnungswesen an externe Dienstleister vergebenwerden. Doch auch die Redaktion bleibt vom Kahl-schlag nicht verschont. Teile des Mantels sollen künf-tig anderswo zugekauft werden. „Wie das konkret lau-fen soll, ist noch unklar”, sagt Betriebsrat Boyny. „Ichkann mir das nur schwer vorstellen.” In den anste-henden Gesprächen werde die Beschäftigtenvertre-tung darauf drängen, Alternativen zum Outsourcingzu prüfen.

Bei den derzeit 120 Vollzeitstellen in den Echo-Redaktionen werde es eine „geringe Abschmelze” ge-ben, so Unternehmenssprecher Hannes Fischer. Haupt-sächlich betroffen sind die Verlagsbereiche. Durch dieSchrumpfkur will das Unternehmen „mit einer neuenStrategie wieder auf die Erfolgsspur kommen”. Dochvon einem zukunftsweisenden Konzept ist wenig zusehen. „Es bleibt völlig offen, wie man der rückläufi-gen Anzeigen- und Aboentwicklung begegnen will”,kritisiert Boyny. Das Management fokussiere allein aufKostenersparnis. Der Belegschaftsvertreter ist deshalbskeptisch, ob die Sanierung auf Dauer trägt. „Ich be-fürchte, wir könnten in vier, fünf Jahren wieder genauda stehen, wo wir jetzt sind.”

Verleger Hans-Peter Bach rechtfertigt die Kürzun-gen vor allem damit, dass sich „die Marktbedingun-gen für Tageszeitungen radikal geändert” haben. Man-fred Moos, Leiter des ver.di-Fachbereichs Medien inHessen, lässt das nur teilweise gelten. „Die Branchehat unzweifelhaft strukturelle Probleme, die sich insinkenden Auflagen, Anzeigen und Umfängen aus-drücken – das lässt sich nicht wegdiskutieren”, sagtder Gewerkschafter. „Aber zu der katastrophalen Si-tuation beim Darmstädter Echo haben auch Manage-mentfehler entscheidend beigetragen. „So habe dieVerlagsleitung die Konkurrenz lokaler Anzeigeblätterlange Zeit ignoriert. Auch eine dringend benötigte Di-gitalisierungsstrategie sei nicht in Sicht. Zudem sei inden vergangenen 20 Jahren kaum investiert worden,was sich nun räche.

Betriebsrat und Gewerkschaften wollen in denanstehenden Verhandlungen über einen Sozialplanund Interessenausgleich alles daransetzen, die Zahlder Entlassungen zu reduzieren und eine soziale Ab-

federung für die dennoch Betroffenen zu erreichen.Für viele dürfte es allerdings schwer werden, einengleichwertigen Arbeitsplatz in der Region zu finden.„Mit jedem weiteren Personalabbau verringert sich dieAussicht, einen adäquaten Job in der Branche zu be-kommen”, betont Moos. Der Gewerkschafter verweistauf Massenentlassungen und Betriebsschließungen,die die Rhein-Main-Region bereits in den vergange-nen Jahren erlebt hat. „Die Schließung von Drucke-reien in Darmstadt und Mainz, die Insolvenz derFrankfurter Rundschau und der Nachrichtenagenturdapd – ein Stellenabbau in diesen Dimensionen istkaum zu kompensieren.”

Kündigungen bei der FAZ. Hinzu kommt nun auchnoch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Deren Verlags-leitung kündigte am 16. September an, in den kom-menden drei Jahren bis zu 200 Stellen zu streichen –40 davon in der Redaktion. In den Verlagsbereichen,wo 160 Jobs zur Disposition stehen, seien auch be-triebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen.Das Flaggschiff der konservativen Presse müsse seine„Strukturkosten der veränderten Erlössituation anpas-sen”, erklärte FAZ-Chef Thomas Lindner. Bis 2017wolle das Unternehmen jährlich mehr als 20 Millio-nen Euro einsparen.

Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der djuin ver.di, nennt die Abbaupläne von FAZ und Darm-städter Echo „ein fatales Signal für den Journalismus”.Zeitungen hätten als Träger der Pressefreiheit eine Ver-antwortung. „Wenn statt in gute Inhalte und zu-kunftsfähige Geschäftsmodelle zu investieren, die Axtbei Vielfalt und Qualität angelegt wird, schadet dasden Unternehmen, der Branche und der Gesellschaftals Ganzes.” Daniel Behruzi n

Frankfurter Allgemeine ZeitungNach eigenen Angaben verkauft die Frankfurter Allgemeine Zeitunggut 316.000 Exemplare. Der Verlag beschäftigt insgesamt 900 Menschen,davon knapp 400 in der Redaktion. 2011 schrieb das Unternehmen nochschwarze Zahlen, seither macht es offenbar Verluste. Der Mehrheits-eigner, die Fazit-Stiftung, soll aber über millionenschwere Rücklagen ver-fügen.

16 M 7.2014

MEDIEN + WIRTSCHAFT

Halbiertes EchoDarmstädter Regionalblatt reduziert Belegschaft –auch FAZ verkündet Stellenabbau

Entsetzt, schockiert, ratlos. Mit diesen Begriffen beschreibt Thomas Boyny, Betriebsratsvorsitzender der Echo-Mediengruppe, die Stimmungin der Belegschaft. Soeben hat die Geschäftsleitung des DarmstädterVerlags einen drastischen Abbauplan präsentiert: Jeder Zweite derrund 400 Beschäftigten soll gehen, ganze Abteilungen werden ge-schlossen und fremdvergeben. Ebenfalls radikal abgebaut wird beimgroßen Nachbarn in Frankfurt am Main: Bei der FAZ sollen bis zu 200von 900 Beschäftigten ihren Job verlieren.

Darmstädter EchoDie größte Zeitung der Echo Medien GmbH ist das Darmstädter Echo,

das laut IVW-Zahlen gut 43.000 Exemplare verkauft. Hinzu kommen

lokale Ableger in Rüsselsheim, Groß-Gerau, im Odenwald, an der Berg-

straße und in Ried. Insgesamt erreichen die Blätter nach Verlagsangaben

rund 290.000 Menschen in Südhessen. 400 Beschäftigte in Verlag und

Redaktion verteilen sich auf rechnerisch etwa 300 Vollzeitstellen.

Nach dem geplanten Kahlschlag sollen noch 140 übrig bleiben.

Aktion beim Darmstädter Echo im April (s. M 3/2014)

Foto: ver.di

M 7.2014 17

MEDIEN + WIRTSCHAFT

Entlassungen vollzogen:Frust bei der WZDer im April angekündigte drastische Stellenabbau beider Westdeutschen Zeitung (WZ) ist zu Anfang OktoberRealität geworden. Fast die Hälfte der 100-köpfigenRedaktion musste gehen.

Betroffen sind sowohl die Mantelredaktion alsauch die Lokalredaktionen im Bergischen Land undam Niederrhein. Sie generieren ihre Inhalte von derRheinischen Post über die RP Media. Den Mantel be-zieht die WZ vom Zeitungsverlag Aachen. Nur dreiStandorte bleiben weitgehend verschont, Düsseldorf,Krefeld und Wuppertal.

Nach Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden An-dreas Keil sind seit dem 1. Oktober 32 Kollegen in ei-ner Transfergesellschaft, vier noch in Klage- oder Ver-handlungsschwebe. Zwölf haben über individuelleVerhandlungen einen Weg ohne Transfergesellschaftgewählt. Der Betriebsrat bemühe sich, bei der Korrek-tur handwerklicher Fehler bei Abfindung, Zeugnissenetc. zu helfen und die zahlreichen Versetzungen in ge-ordnete Bahnen zu führen. Keil: „Es ist traurig zu se-hen, wie viel dieser über sechs Monate dauernde Pro-zess der Massenentlassung beschädigt hat, bei denen,die ihren Job verloren haben, aber auch bei denen, diegeblieben sind, und natürlich auch bei der Zeitung.”

fbi n

G+J auf dem EinsparwegKündigungen beim Stern – kein Nannen-Preis 2015

Lensings Rückzug aus demMünsterlandDer Dortmunder Zeitungsverleger Lambert Lensing-Wolff (Ruhrnachrichten) trennt sich von weiteren Zei-tungstiteln im Münsterland. Nachdem er schon An-fang September im Zuge einer Sanierungsfusion dieMünstersche Zeitung an den ehemaligen Mitbewerber,die Westfälischen Nachrichten veräußert hat, verkaufter jetzt noch eine Tageszeitung, die Emsdettener Volks-zeitung (Auflage laut IVW 7.305 Exemplare) und dreiAnzeigenblätter: Die auflagenstarke und traditionsrei-che kaufen+sparen (Auflage 112.00 Exemplaren) inMünster, den KreisKurier (Lüdinghausen) und dieDreingau-Zeitung (Dreinsteinfurt) an die Zeitungsver-legerin Britta Altmeppen-Rekers. Diese gibt „mit ih-rem tief im Münsterland verwurzelten Familienunter-nehmen” (Verlags O-Ton) in Rheine in vierter Gene-ration inzwischen konkurrenzlos die MünsterländischeVolkszeitung heraus (Auflage laut IVW 18.233 Exem-plare).

Aus Rheine hatte sich Lensing schon Ende 2012zurückgezogen. Die Münsterländische Volkszeitung be-zieht den Mantel für ihre Zeitung von den Westfäli-schen Nachrichten. Die Emsdettener Volkszeitung soll al-lerdings bis auf weiteres wie bisher mit dem Mantelder Dortmunder Ruhrnachrichten erscheinen. fbi n

http://www.dju-muensterland.de/

Der in Hamburg ansässige Zeitschriftenverlag Gruner+ Jahr gehört künftig komplett zu Bertelsmann. Europasgrößter Medienkonzern kauft der Familie Jahr zum 1. November ihre Minderheitsbeteiligung von 25,1Prozent ab. Über die Höhe des in bar zu zahlendenKaufpreises wurde Stillschweigen vereinbart. DieKomplettübernahme sei „ein weiteres klares Bekennt-nis zum Journalismus”, ließ Bertelsmann-Vorstands-chef Thomas Rabe mitteilen. Der Konzern unterstützeden Umbau von Gruner + Jahr uneingeschränkt undwolle auch in Zukunft die nötigen Mittel dafür bereit-stellen.

Der Verlag hatte im August angekündigt, in denkommenden drei Jahren rund 400 Arbeitsplätze inDeutschland zu streichen. Davon etwa 200 in Ham-burg am Baumwall, rechnet der Betriebsrat. Ange-sichts rückläufiger Marktentwicklungen im Printge-schäft sollen in diesem Zeitraum 75 Millionen Euroeingespart werden. Das Geschäft mit digitalen Inhal-ten soll ausgebaut werden. (M 6/2014)

Ohne Zeitverzug wird inzwischen der Einsparwegbeschritten. Beim Magazin Stern und bei Stern GesundLeben wurde Ende Oktober etwa 20 Mitarbeitern ge-kündigt. Ihre Arbeit soll zum Teil intern oder von ex-ternen Dienstleister übernommen werden. Der Be-triebsrat hatte eine Reihe von Vorschlägen gemacht,

wie die Bildung einer zentralen G+J-Einheit „Multi-media-Infografik”, um die Arbeitsplätze zu retten. DieGeschäftsleitung erkannte diesen Weg als gangbar an,lehnte dennoch ab. Diese Leistungen könne man aufdem freien Markt billiger einkaufen, hieß es.

Seit Anfang des Jahres hat es bereits einen „stil-len” Abbau von Mitarbeitern bei G+J gegeben. Sie seien auf Ausstiegs- und Abfindungsangebote des Ver-lages eingegangen. Freigewordene Stellen wurdennicht nachbesetzt. Auf diesem Weg sei bereits einedeutlich zweistellige Zahl von Jobs abgebaut worden,bestätigten Betriebsratskreise. Zu Gruner + Jahr gehö-ren neben dem Stern Zeitschriften wie Brigitte, Geound Gala. Auch am Spiegel-Verlag ist das Haus mitrund 25 Prozent beteiligt.

Eine weitere Reaktion auf die Sparmaßnahmenist nach Angabe von G+J der Verzicht auf die Vergabedes renommierten Henri-Nannen-Preises im kom-menden Jahr. Der traditionell feierliche Rahmen derPreisverleihung „erscheint uns in dieser Lage nichtangemessen”, sagte ein Unternehmenssprecher. Je-doch wolle man das Ausfalljahr nutzen, um „darübernachzudenken, wie der Henri-Nannen-Preis in Zeitentiefgreifender Veränderungen der Medienlandschaftmodernisiert und weiterentwickelt werden kann”,hieß es von Verlagsseite. wen n

18 M 7.2014

Die Enthüllungen von Edward Snowden im Juni 2013machten mit einem Schlag deutlich, wie sehr staatli-che und kommerzielle Datenkraken unser gesamtesLeben kontrollieren. Was heißt das für die journalisti-sche Arbeit und Berichterstattung? Darum ging es aufder gut besuchten vierten Medienpolitischen Tagungder dju in ver.di Mitte Oktober in Lage-Hörste.

Die hochkarätigen Referenten thematisierten Daten-nutzung und -missbrauch im Netz auf privater, kom-merzieller und staatlicher Ebene. Welche Chancenund Risiken birgt die private Selbstoffenbarung imNetz? Man wird zwar via Facebook zur nächsten Partyeingeladen, aber gleichzeitig erstellen kommerzielle

Konzerne mit den gesammelten und verknüpften Da-ten Konsumentenprofile für die Werbewirtschaft undGeheimdienste gefährden Bürgerrechte.

Schutzlos im Internet? „Das Internet ist eine segens-reiche Einrichtung”, sagte Thilo Weichert, Daten-schutzbeauftragter von Schleswig-Holstein in seinemEinführungsvortrag. Es sei geeignet zur Informations-beschaffung, zum Publizieren, zur Freiheitsentfaltung.Das wiederum berge auch Risiken: Die Privatsphärewird ausspioniert, Menschen werden angeprangertoder Informationen manipuliert. Vor kurzem seiendie Internet-Seiten zweier Firmen in Lübeck und Kielgehackt worden: Offenbar hatten Sympathisanten derExtremistengruppe Islamischer Staat Werbebotschaf-ten auf deren Webseiten gestellt.

„Es gibt keine absolute Datensicherheit – außerman setzt sich in einen abgeschirmten Käfig undkappt alle Verbindungen”, so Weichert. Er empfahl ei-ne überlegte Nutzung des Netzes, denn es gebe eingroßes Machtgefälle zwischen kommerziellen Konzer-nen wie Facebook oder Google und den Bürgern. Ihrgrundlegendes „Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung” könne nur bedingt durch Gesetze ge-schützt werden. So hat Google trotz Verbots die Nut-zerdaten von Youtube, Gmail, Maps und anderenDiensten miteinander verknüpft. Die verhängten Geld-

strafen im fünfstelligen Bereich waren für den 225-Millarden-Dollar-schweren Internetriesen nur „Pea-nuts”.

„In digitalen Zeiten ist die Analyse der Datenflutkein Problem mehr”, sagte Weichert. Der Bundes-nachrichtendienst benutze das gleiche Analysetoolwie der US-amerikanische Geheimdienst NSA. Wei-chert warnte vor dem Cloud-Computing, da die Ge-heimdienste nicht nur Telefonnetze abhören, sondernauch Internetdienste abgreifen und Verschlüsselun-gen knacken. Besonders Fotografen werden von Agen-turen oft genötigt, ihre Fotos an eine Cloud zu schi-cken. Deutsche Cloud-Anbieter wie strato seien ver-lässlicher als amerikanische, beruhigte Weichert. In

den USA hätten „Geldverdienen und Sicherheit abso-lute Priorität gegenüber Privatheit und Datenschutz”.Weichert setzt deshalb große Hoffnung auf die Euro-päische Datenschutz-Grundverordnung, die jetzt ver-abschiedet werden soll. Mit der Vereinheitlichung derGesetzgebung in Europa würden die höheren EU-Standards das Datenschutzniveau für alle weltweit tä-tigen Unternehmen anheben.

Das Private im Netz. Das Spannungsfeld zwischenDatenschutz und Selbstoffenbarung beleuchtete Phi-lipp Masur, Medienpsychologe an der Universität Ho-henheim. 1980 startete mit der E-Mail die digitaleKommunikation, die mittlerweile „zur Überwachungdes gesamten Alltags geführt hat”, so Masur. Auch dieVorstellung von „Privat” hat sich gewandelt. Wennder Vater dabei an „mein Haus” denkt, ist das Privatefür die Tochter „mein Handy”.

Nach aktuellen Studien ist die Privatsphäre für 97Prozent der Befragten ein „schützenswertes Gut”, abernur 62 Prozent sind besorgt, wenn sie das Internetnutzen. Das hat sich nach den Enthüllungen von Ed-ward Snowdon geändert: Während 2011 noch zweiDrittel der Befragten die Preisgabe von Daten als „Teilder modernen Gesellschaft” betrachteten, schrumpfteihre Zahl 2014 auf ein Drittel. Trotz dieser steigendenBedenken scheint sich das Verhalten wenig zu än-

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Chancen und Risiken Journalismus im Spannungsfeld von Datenschutz und Selbstoffenbarung

Im Bann spannender VorträgeThilo Weichert

Philipp Masur

4. Medienpolitische Tagungvon ver.di „Journalismus in vernetzten Zeiten: Alle hören mit und wen interessiert’s?“ Berichte und Materialien unter: www.imk.verdi.de

M 7.2014 19

dern, so wird z.B. die Telefonnummer immer häufigerangegeben. Masur hat eine Erklärung für diesesscheinbare Paradox: „Die Nutzer wollen die Vorteilenutzen und ignorieren die Risiken.” Das Internet er-möglicht den Austausch mit Freunden, gibt Bestäti-gung und soziale Unterstützung, bietet Entspannungdurch Unterhaltung und Realitätsflucht. Negative Er-fahrungen mit Cybermobbing oder Datenklau habendagegen die meisten bisher persönlich noch nicht ge-macht. Vielen Nutzern mangelt es zudem an Daten-schutzkompetenz. 65 Prozent von ihnen denken z.B.,dass Facebook keinen Zugriff auf ihre Daten hat,wenn sie mit einem Klick auf den Button „Privat” ihreDaten verbergen. Fazit: Die kritische Medienbericht-erstattung beeinflusst zwar ihre Einstellung zur Netz-sicherheit, aber nicht ihr Verhalten.

Fehlende Bilder. Der „digitale Wandel ist in allen Be-reiche unseres Lebens eingedrungen” und nach derSnowden-Enthüllung gab es eine „Lawine von Presse-artikeln”, konstatierte Johannes Boie, zuständig fürInternet und digitale Themen bei der SüddeutschenZeitung. „Jeder ist betroffen – anders als bei Ebola –und trotzdem passiert nichts.” Jedes Jahr wird in Ber-lin und anderswo zwar für „Freiheit statt Angst” de-monstriert, aber für Massenproteste wie zu Zeiten derFriedensbewegung oder Waldrettung taugt der Daten-schutz nicht. Warum? Vermitteln wir die reale Gefahrnicht, fragte Boie selbstkritisch. Datenschutz ist einkomplexes Thema und es gibt keine Bilder, die dasThema in seiner Brisanz veranschaulichen, die Emo-tionalität erzeugen. Was wir haben, sind Fotos vomNSA-Hauptquartier, von schwarzen Schränken undDatenkabeln.

Es gelte, kreativ zu sein, Illustrationen, Animatio-nen oder Multimedia-Elemente wie „Scrollytellings”einzusetzen, mit Metaphern und Zuspitzungen zu ar-beiten, eigene Erfahrungen zu sammeln. Nicht unum-stritten war Boies Forderung, stärker zu personalisie-ren, dem Problem ein Gesicht zu geben, um Leser emotional anzusprechen. „This story is not aboutme”, habe Snowden anfangs gesagt, sich dann „glück-licherweise doch bereit erklärt, sein Gesicht in die Ka-mera zu halten”. „Das Thema gehört nach vorn, nichtdie Person”, hieß es dagegen aus dem Publikum oder:Personalisierung führe „zur Verkleisterung von Struk-turen”. Auch als Boie sagte, man dürfe „sich nicht mitden Aktivisten gemein machen”, widersprachen Ta-gungsteilnehmerInnen: „Es gibt keinen Journalisten,der keine Interessen vertritt.” und „Man muss klarePosition beziehen. Glaubwürdigkeit wird durchscheinbare Objektivität mehr beschädigt.”

Investigative Recherche. Eine überzeugende Be-richterstattung basiert auch auf einer sorgfältigen Re-cherche. Der Journalist und IT-Spezialist Uwe Sieversdemonstrierte am „Koobface-Fall”, was JournalistIn-nen von Internetfahndern lernen können. Eine fünf-köpfige Gang aus Russland hatte über soziale Netzwer-ke wie Facebook „Malware” verteilt und damit zwi-schen 2008 und 2012 etwa zwei Millionen Dollar proJahr erzielt. Enttarnt wurde sie 2012.

Sievers erläuterte, wie „hilfreiche Fehler” der Cy-bergangster auf ihre Datenspur führten. Die Fahnderdurchsuchten soziale Netzwerke, Online-Marktplätze,Jobportale und fanden unter anderem über eine Autoverkaufsanzeige, ein Stellenangebot und zahlrei-che Urlaubsfotos, von Freundinnen gepostet, auchUsernamen und Handynummern. Mit dem Daten-Puzzle konnten alle fünf mutmaßlichen Internet- Betrüger identifiziert werden.

Wie JournalistInnen bei der Recherche ihre eige-nen Datenspuren verwischen können, zeigte der Me-dienpädagoge Helgo Ollmann in einem Workshop: Firefox statt Internet-Explorer als Browser verwenden,Cookies löschen, mit einem Datenschutz-Add-on wieAnonymox die IP-Adresse wechseln und sensibleMails verschlüsseln.

Gegen die Macht der Datenkontrolleure. In zweianderen Workshops wurde der Fokus auf den Journa-lismus in vernetzen Zeiten erweitert. Inge Hanne-mann von Jobcenter Hamburg zeigte, dass die Preis-gabe von Informationen gut vorbereitet werden muss,will man auf gesellschaftliche Missstände hinweisen,ohne selbst daran zu zerbrechen. Als Whistleblowerinkritisierte die noch immer freigestellte Arbeitsvermitt-lerin öffentlich den entwürdigenden Umgang mit Er-werbslosen. „Ich brauche die Medien und die Medienbrauchen mich”, ist ihre Überzeugung.

Brisante Themen bearbeitet auch das gemeinnüt-zige Büro für investigative Recherche „correctiv”, dasvon manchen Tagungsteilnehmenden als „Billigkon-kurrenz für freie Journalisten” kritisiert wurde. DochMitbegründer Daniel Drepper versicherte, die profes-sionell recherchierten und im Netz veröffentlichtenInformationen und Artikel können sowohl Medien alsauch Journalisten nutzten. Es sind umfangreiche Re-cherchen, die von einem einzelnen Freien kaum ge-leistet werden können, weil sie nicht bezahlt werden.Das vor wenigen Wochen gestartete Projekt wird vonder Brost-Stiftung finanziert, gegründet von den ehe-maligen WAZ-Eignern Annelise und Erich Brost. EinModell für Non-Profit-Journalismus in vernetzten Zei-ten? Bärbel Röben n

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Uwe Sievers

Inge Hannemann,Daniel Drepper,Helgo Ollmann

leiteten die Workshops

Johannes Boie

Fotos: IMK

20 M 7.2014

Die ver.di-Jury bei DOK 2014

Traditionell vergibt die ver.di-Juryihren mit 2.500 Euro dotiertenPreis an einen Film aus dem In-ternationalen Wettbewerb. Dem Gremium beim DOK 2014gehören an: Jury-Sprecher Jürgen Kautz, (Re-gisseur), Gundula Lasch und Ulri-ke Werner (beide freie Journalis-tinnen), Karin Wieckhorst (freieFotografin), Martin Lippert (Jour-nalistikstudent), Thomas Janitzky(bildender Künstler und Filmema-cher), Sophia Littkopf (Geschäfts-führerin von HALLE 14 – Zentrumfür zeitgenössische Kunst).

Das 57. Internationale Leipziger Festival für Doku-mentar- und Animationsfilm DOK wurde am 27. Okto-ber 2014 mit dem lange erwarteten Film „CITIZEN-FOUR” von Laura Poitras über Edward Snowden eröff-net. 41 Filme haben Weltpremiere.

Im letzten Teil ihrer 9/11-Trilogie zeigt die viel-fach preisgekrönte Regisseurin Laura Poitras,wie sich der so genannte „Krieg gegen denTerror” der USA gegen die eigenen Bür-ger richtet. Im Januar 2013 hatte Poit-ras verschlüsselte E-Mails von einemanonymen Absender erhalten, dersich „citizen four” nannte und be-hauptete, im Besitz von Beweisenfür illegale verdeckte Massen-überwachungsprogramme derNSA und anderer Nachrichten-dienste zu sein. Im Juni 2013flog sie gemeinsam mit den Jour-nalisten Glenn Greenwald undEwen MacAskill nach Hongkong.Dort hatte sie das erste von vielenTreffen mit dem Mann, der sich alsEdward Snowden erwies. Der Film istein „Dokumentar-Thriller, in dem sichdie Ereignisse Minute für Minute direktvor unseren Augen entfalten. Laura Poitrasgelingt es, die Totalität der modernen Überwa-chung geradezu physisch erfahrbar zu machen. Zu-gleich zeichnet sie das Psychogramm eines Menschen,der ohne Kompromisse Zivilcourage lebt. Ein hochbrisantes politisches und künstlerisch beeindrucken-des Werk”, so die DOK-Auswahlkommission. Der Filmfeiert (kurz nach der Weltpremiere in New York) inLeipzig Deutschlandpremiere und läuft im Internatio-nalen Wettbewerb Dokumentarfilm. Bereits am 6. No-vember ist Kinostart in Deutschland.

368 Filme in einer Woche. 29 Dokumentar- und 12Animationsfilme werden uraufgeführt; im OffiziellenProgramm, das aus den fünf Wettbewerben und demInternationalen Programm besteht, laufen darüber hi-naus zahlreiche Internationale Premieren. Alle 80Wettbewerbsfilme sind in Deutschland zum erstenMal zu sehen.

In den Wettbewerben konkurrieren insgesamt 46Dokumentar- und 34 Animationsfilme aus 31 Staatenum die begehrten Goldenen Tauben und weiterenPreise (u.a. den ver.di-Preis). Das Wettbewerbspro-gramm prägen die großen politischen Krisen der Ge-genwart: Die Umbrüche in der Ukraine, der Syrien-Krieg oder die Folgen der arabischen Revolution sindin vielschichtigen künstlerischen Werken umgesetztworden.

Während der Festivalwoche werden neben den198 Filmen des Offiziellen Programms auch 170 Wer-ke in den verschiedenen Sonderreihen gezeigt. Insge-samt präsentiert DOK Leipzig in diesem Jahr 368 Fil-me aus 62 Ländern.

Erstes lab p-Projekt. Drei Poesie-Filme, die im Rah-men des ersten lab p-Projektes entstanden sind, wer-den in Leipzig zu sehen sein: „Echo” wurde für denInternationalen Wettbewerb Animationsfilm ausge-wählt, „Kanten meiner Augen” wird in der NeuenDeutschen Animation und „Kaspar Hauserin” im Fo-

kus Sachsen zu sehen sein.lab p-poetry in motion ist ein neues Pro-

gramm zur Förderung von jungen Anima-tionsfilmemacher/ innen und Autor/in-nen aus Mitteldeutschland. Im März2014 hatte eine Jury im Rahmen ei-nes Wettbewerbs die Teilnehmer/ -innen ausgewählt. In dem an-schließenden gemeinsamen Pro-zess entstanden insgesamt neunPoesie-Filme. Sie geben einenspannenden Einblick in zeitge-nössische Lyrik und Animations-ästhetik und laden ein, neuekünstlerische Positionen zu ent-decken. lab p – poetry in motionist ein Projekt von OSTPOL e.V. inKooperation u.a. mit dem Deut-

schen Literaturinstitut Leipzig (DLL),der Bauhaus-Universität Weimar und

dem Bauhaus Film-Institut (weitere Infos:www.ostpol-leipzig.de).

Neue Festivaldirektorin. Leena Pasanen wird dieNachfolge von DOK-Festivaldirektor Claas Danielsenantreten. Der Leipziger Stadtrat folgte am 15. Oktoberdem Vorschlag von Oberbürgermeister Burkhard Jung(SPD). Eine mit Fachleuten besetzte Findungskommis-sion hatte die 49jährige Finnin aus 33 Bewerber/in-nen ausgewählt. Ausschlaggebend war ihre langjähri-ge Erfahrung und hervorragende internationale Ver-netzung in der Branche. Pasanen erhält einen Fünf-jahresvertrag und wird zu Beginn des nächsten Jahresals Intendantin von DOK Leipzig auch Geschäfts -führerin der städtischen Leipziger Dok-FilmwochenGmbH.

Derzeit leitet Pasanen das Kulturinstitut Finnago-ra an der finnischen Botschaft in Budapest. Davor warsie erst als Redakteurin, später in verschiedenen Lei-tungsfunktionen beim finnischen Fernsehsender YLEtätig. Pasanen verantwortete den Dokumentarfilmbe-reich und den Programmbereich des digitalen Spar-tenkanals YLE Teema und hat später als Programmko-ordinatorin gearbeitet. Außerdem war sie drei JahreDirektorin des European Documentary Network inKopenhagen.

Claas Danielsen hat das Internationale LeipzigerFestival für Dokumentar- und Animationsfilm seit2004 geleitet. In seiner Amtszeit modernisierte erDOK Leipzig und entwickelte es zu einem Festival mitinternationaler Strahlkraft und einem der wichtigstenTreffpunkte der Branche. Darüber hinaus wurde eszum dynamischen Publikumsmagneten mit jährlichneuen Besucherrekorden. Gundula Lasch n

MEDIEN + GESELLSCHAFT

Paukenschlag zum DOK-AuftaktFilm über Edward Snowden eröffnet Internationales Festival in Leipzig

Foto: Laura Poitras

Edward Snowden

M 7.2014 21

Festivaldirektor Claas Danielsen verabschiedet sich:Das 57. DOK Leipzig wird sein elftes und letztes Festi-val sein. Am Ende des Jahres wird er die Intendanz andie Finnin Leena Pasanen abgeben. Im Interviewspricht der 48jährige über die vergangenen zehn Jah-re, die Partnerschaft mit ver.di als Förderer und Preis-stifter sowie persönliche Zukunftspläne.

Sie haben das Festival stark geprägt, haben viel ver -ändert. Was sind für Sie rückblickend die wichtigsten Ver-änderungen? CLAAS DANIELSEN | DOK Leipzig ist nicht nur eingroßartiges Festival und das älteste seiner Art in derWelt, sondern es ist auch ein Branchentreffpunkt ge-worden. Inzwischen reisen 1.700 Fachleute aus derganzen Welt nach Leipzig, um sich hier zu begegnen,um neue Filmprojekte zu finanzieren und um die Filme zu vertreiben, die sie beim Festival entdecken.Sie können sich hier über neue Trends austauschenund voneinander lernen. DOK Leipzig ist einer derganz wichtigen Treffpunkte in diesem Feld in Europa.Die Attraktivität für die Branche hat das Festival inseiner Programmqualität nachhaltig gestärkt. Zudemsind wir auch in neuen Feldern wie dem transmedia-len Erzählen unterwegs. DOK Leipzig ist ein modernesFestival, das international zu den wichtigen seiner Artgehört.

DOK Leipzig gehört wieder zur Spitzengruppe derinternationalen Dokumentarfestivals. Was istdas Besondere am Leipziger Festival? In erster Linie das hochqualitative Pro-gramm, das vielfältig und handverle-sen ist. Aber es ist eben keines, beidem ein Festivaldirektor seinen Stildurchzieht: In der Auswahlkom-mission diskutieren wir sehr in-tensiv und entscheiden demo-kratisch. Außerdem höre ich im-mer wieder von vielen Gästenaus der ganzen Welt, dass siesich hier sehr willkommen ge-heißen fühlen. Sie schätzen, dasssie Kolleginnen und Kollegen ineiner entspannten Atmosphäretreffen können. Das Festival ist einerseits groß und international, andererseits aber auch freundlich undfamiliär.

Welche Bedeutung haben die Tauben und weiterenPreise von DOK Leipzig für die Qualität und Weiterent-wicklung des Festivals?Die Goldenen und Silbernen Tauben, aber auch dieanderen Preise sind immens wichtig für die Filmema-cher/innen, die oftmals unter schwierigsten Bedin-gungen arbeiten. Die Preisgelder bilden nicht seltendie finanzielle Basis für das nächste Projekt – aberauch die nicht dotierten Auszeichnungen helfen den

Dokumentarfilmer/innen: Sie heben einen Film ausder Masse hervor, wecken das Interesse anderer Festi-vals, helfen beim Vertrieb und sind Ermutigung undMotivation, weiterzumachen.

Welchen Stellenwert hat der seit vielen Jahren erst vonder IG Medien, dann von ver.di verliehene Preis für einenFilm aus dem Internationalen Wettbewerb?Dokumentarfilme und Gewerkschaften haben einegroße Gemeinsamkeit: Sie sind für das Funktioniereneiner Gesellschaft und der Demokratie existentiellwichtig. Es ist also kein Zufall, dass beide Seiten dieZusammenarbeit gesucht haben und immer wiederneu beleben. Besonders schön ist es für uns, die ge-werkschaftliche Vertretung der Film- und Medien-schaffenden als Förderer und Preisstifter an unsererSeite zu wissen. Damit leistet ver.di einen wichtigenBeitrag dafür, dass wir außergewöhnliche Filme zeigenkönnen, die neue Perspektiven öffnen und uns ein tie-feres, emotionales Verständnis der Zeit vermitteln, inder wir leben. Und wir hoffen natürlich auch, dass dieFilme von DOK Leipzig in die tägliche Arbeit der Ge-werkschaft hinein wirken genauso wie in die ganzeGesellschaft.

Die Finnin Leena Pasanen wird Ihre Nachfolge antreten.Kennen Sie sich schon? Ich kenne Leena Pasanen seit vielen Jahren und schät-ze ihre Arbeit sehr. Aber ich wusste nicht, dass sie sichbeworben hatte, und war sehr erfreut, als sie aus demKreis der Bewerber/innen ausgesucht wurde. Sie wirdsich mein letztes Festival sehr genau anschauen undim Dezember werden wir die Übergabe vorbereiten.DOK Leipzig steht super da und sie übernimmt eingut bestelltes Haus. Ich finde es wichtig, dass Men-schen nicht an Positionen kleben bleiben und dass es

regelmäßig zu Veränderungen kommt – nichtnur in der Kultur. Neue Leute kommen mit

frischer Energie und neuen Ideen. Ich binmir sicher, dass Leena Pasanen gute Ak-zente setzen wird.

Was wäre Ihre Traum-Schlagzeile fürdas 60. DOK?Oh … das könnten viele sein:„Phantastisches Programm” oder„Neuer Be sucherrekord” odernoch besser „Finanzierung lang-fristig gesichert”. Wirklich traum-haft fände ich, wenn bis dahindie Schaffung eines Förderfondsfür Dokumentarfilmprojekte ge-lungen wäre. Das ist ein Projekt,dem sich meine Nachfolgerin viel-

leicht widmen wird.

Was sind ihre persönlichen Pläne für die Zukunft?

Ich will mir nach meinem Abschied von DOKLeipzig Ende des Jahres erst einmal ein halbes JahrZeit nehmen und in Ruhe überlegen, welche Ideenund Projekte ich weiter verfolgen will. Das ist nachzehn Jahren sehr intensiver Arbeit nötig. Einige Job-angebote gab es bereits – aber ich möchte erst einmalAbstand bekommen und richtig durchatmen.

Das Gespräch führte Gundula Lasch n

MEDIEN + GESELLSCHAFT

Traum-SchlagzeilenLeipziger Tauben heben einen Film aus der Masse hervor

Claas Danielsen

Foto: Christian Hüller

22 M 7.2014

Wie können Kinder und Jugendliche mit Dokumentar-filmen am besten erreicht werden? Genügt ein breitesAngebot oder bedarf es mutiger, möglicherweise auchexperimenteller Formen, um das Interesse der Jugendzu wecken? Darüber diskutierten Fachleute aus ganzEuropa vom 11. bis 13. September auf einem Sympo-sium im Filmforum NRW Köln. Organisiert wurde diemit Best-Practice-Beispielen aus der europäischenDok-Szene angefüllte Tagung von der Dokumentar-filminitiative im Filmbüro NW.

Die implizierte Fragestellung konfrontiert bewusst mitden beiden gängigen Vorurteilen gegenüber dem Do-kumentarfilm für Kinder und Jugendliche. Sie werdenvor allem von Erwachsenen geäußert: Wollen Kinderund Jugendliche neben dem Fiktionalem und Ani-mierten tatsächlich auch dokumentarische Filme se-hen? Und existieren schon klare Produktions-, Sende-,Partizipations- und Vertriebsformen, um diese Bedürf-

nisse optimal erfüllen zu können?Erst danach stellt sich die Frage, wel-che Präsentationen, Strukturen undvor allem Kontexte geschaffen, ver-bessert oder weiterentwickelt werdenmüssen, um die kontinuierliche Nut-zung dokumentarischer Filme zu er-leichtern.

„Jeder Film ist besser als Unter-richt”. In einem Impulsreferat be-richtete der Dokumentar- und Spiel-filmregisseur Bernd Sahling (u.a.„Die Blindgänger” und „Kopfüber”)auch von seinen praktischen Erfah-

rungen mit Filmworkshops für Schulklassen. Er stelltefest, dass Kinder mit ihren Handykameras längst „po-tenzielle Dokumentaristen” geworden sind, dass dieRealität von jungen Menschen im Kino und im Fern-sehen aber kaum noch vorkommt. Für den Dokumen-tarfilm sieht Sahling daher noch einen weiten Spiel-raum, der zwar bereits entdeckt wurde, aber nochnicht hinreichend genutzt wird.

Sein Kurzdokumentarfilm „Ednas Tag” über einebosnische Schülerin, die abseits des normalen Grund-schulunterrichts mühsam Deutsch lernt und von ih-ren MitschülerInnen nicht zuletzt wegen ihrer Unbe-rechenbarkeit zum Teil argwöhnisch beäugt wird,wurde von den 14- bis 15-jährigen Jugendlichen derKölner Spinxx-Redaktion, dem Onlinemagazin fürjunge Medienkritik, mit Interesse, aber auch mit Skep-sis aufgenommen. Denn die unverhohlenen Blicke,die seine Protagonistin Edna vor laufender Kameradem Regisseur zuwirft und die von Sympathie, Ver-trauen und stiller Komplizenschaft mit ihm zeugen,

wurden von ihnen als „inszeniert”, nicht genau klas-sifizierbar und der Film daher als nicht ganz „authen-tisch” angesehen.

Selbst wenn diese jungen Spinxx-Redakteurenicht repräsentativ für ihre Altersgruppe sein mögen:„Besser als Unterricht machen” fanden sie alle aufdem Symposium gezeigten Dokumentarfilme – undihr Bedürfnis nach unverfälschter „Wahrheit” decktesich obendrein mit den Erfahrungen der letztjährigenSchulvorstellungen des Festivals „doxs! Dokumentar-filme für Kinder und Jugendliche” in Duisburg. Siekennen ähnliche Inszenierungen, insbesondere mit„schauspielernden” Protagonisten, offenbar aus Fern-sehformaten der „scripted reality” und reagieren darauf sehr sensibel. Woher sollten sie auch eine Ahnung von den Debatten früherer Jahrzehnte überdie „Ausgewogenheit” der Fernsehberichterstattunghaben, in der die klar erkennbare subjektive Positionund Parteinahme des Dokumentaristen noch als Qua-litätsmerkmal galt.

„Fuck reality shows – show us reality”. Unter demprovokanten Motto: „Fuck reality shows – show usreality” produziert die dänische Firma CopenhagenBombay das dokumentarische Videotagebuch doxwi-se, in dem Jugendliche ihre eigenen Geschichten er-zählen und dabei von erfahrenen Regisseuren unter-stützt werden. Die interaktive Plattform, die in denfünf nordischen Ländern Europas gestartet wurde undbald zu einer globalen Plattform ausgebaut werdensoll, richtet sich an die Zielgruppe der 15- bis 25-Jäh-rigen und verzeichnete 2012 fast eine Million Besu-cher. Der Erfolg zeigt, dass das große Bedürfnis jungerMenschen nach Authentizität, nach echten und„wahren” Antworten auf existenzielle Fragen, nachHandlungsoptionen und alternativen Handlungsvor-schlägen im Umgang mit den Herausforderungen desLebens und auf die schon zu allen Zeiten schwierigePhase im Übergang zum Erwachsenenalter keineswegsverschüttet ist, sondern lediglich neuer medialer An-gebote bedarf.

Seit vielen Jahren sind vor allem die Niederlandedafür bekannt, kontinuierlich hochwertige Dokumen-tarfilme für Kinder und Jugendliche zu produzieren.Dafür stehen jährlich erhebliche Finanzmittel zur Ver-fügung, die von den öffentlichen Sendern bereitge-stellt werden. Bei „Kids & Doc” sind das allein 40.000Euro pro Kurzdokumentarfilm. Auf der Internetplatt-form zappechtgebeurd.nl sind in den vergangenen 15Jahren etwa 300 Filme eingestellt worden. Mit einemBündel von Maßnahmen versucht man die Zielgrup-pe zu erreichen, mit Workshops beispielsweise unteraktiver Beteiligung der Kinder, fester Zusammenarbeitmit Festivals, Büchereien und Schulen.

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Bedürfnis nach AuthentizitätSymposium über Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche

Stills aus dem Film „EdnasTag” von Bernd Sahling. Der Dokumentarfilm zeigt dieSchwierigkeiten der Bosnie-rin Edna und ihrer Mitschüler,Kontakt zueinander zu finden.

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Dieses unter der Bezeichnung „The Dutch Touch” be-kannt gewordene niederländische Erfolgsmodell wur-de auch in Deutschland zum Vorbild genommen. Esentstanden Projekte wie die Produktionsinitiative dokyou und dokmal, der junge Dokumentarfilm desWDR. Über die Internetplattform „Planet Schule” ste-hen die bisher 18 dort produzierten Filme mitsamt einer Fülle von weiterführenden Begleitmaterialienauch für den Unterricht zur Verfügung, denn der Sen-der begreift diese Form von Filmbildung auch als öf-fentlich-rechtlichen Auftrag, bietet darüber hinausWorkshops für Schüler und Lehrer an.

Selbst Arte, bislang nicht gerade der bevorzugteSender bei Kindern und Jugendlichen, möchte bei die-ser Entwicklung nicht außen vor bleiben und bietetauf Arte junior Kurzfassungen von längeren Doku-mentarfilmen an, wie die Serie „Die gefährlichstenSchulwege der Welt” oder ein Projekt: Wie man denErsten Weltkrieg auch schon Kindern erzählen kann.

Darüber hinaus bot das Symposium zahlreicheweitere Best-Practice-Beispiele aus anderen Ländern.Das Goethe-Institut beteiligte sich im Rahmen seinerAuslandskulturarbeit an der DokumentarfilminitiativeKID DOK in Indonesien, aus der drei kurze Dokumen-tarfilme entstanden sind. Eine Online-Plattform desPolnischen Filminstituts arbeitet filmpädagogisch vor-zugsweise mit digitalisierten älteren Dokumentarfil-men der Polnischen Filmschule, die lizensiert wurden,und stellt somit nebenbei auch einen kleinen Teil desfilmkulturellen Erbes sicher. Und die Stadtverwaltungim portugiesischen Setubal stellte sogar 88.000 Eurozur Verfügung, damit dort drei Dokumentarfilme mit

Jugendlichen entstehen konnten, die später auch aufFestivals und in Schulen gezeigt wurden. Zusammen-fassend lässt sich festhalten, dass es inzwischen zahl-reiche Initiativen, Projekte und Plattformen gibt, dieanspruchsvolle Dokumentarfilme für Kinder und Ju-gendliche produzieren, ausstrahlen, ins Netz stellen,auf Festivals zeigen und in Schulen präsentieren.

„Kinder sehen (nur!) das, was ihnen angebotenwird.” Die insgesamt positive und vielversprechendeEntwicklung der letzten Jahre darf nicht darüber hin-wegtäuschen, dass viele weitere Anstrengungen un-ternommen werden müssen, damit Dokumentarfilmefür Kinder und Jugendliche ihr Zielpublikum nochbesser erreichen. Denn leider sind einige der inzwi-schen erfolgreich ins Leben gerufenen Projekte schonwieder durch Etatkürzungen bedroht. Das betrifft so-gar das Erfolgsmodell Niederlande.

In den Fernsehanstalten herrscht große Verunsi-cherung, in welche Richtung sich das zukünftige Pro-

grammangebot entwickeln soll, zumal der Sendeplatzimmer mehr zur Nebensache wird angesichts der zu-nehmenden Bedeutung des Internets. Aber die dortverfügbaren Filme und Angebote müssen auch gefun-den werden. Für Jugendliche und insbesondere fürKinder ist das manchmal noch ein Problem. Googleund Youtube allein bieten dafür keine Gewähr. DiePortale selbst müssen bekannt sein und bekannterwerden, was wiederum deutliche Investitionen in dieÖffentlichkeitsarbeit erfordert.

Ganz wesentlich ist, unterschiedliche Angeboteund Strategien für Kinder und Jugendliche zu entwi-ckeln. Was bei Kinobetreibern und Vertriebsfirmen imSpielfilmbereich längst schmerzhaft erkannt wurde,gilt auch für den Dokumentarfilmbereich, der wieder-um aus sehr unterschiedlichen dokumentarischenFormen besteht. Es handelt sich bei Kindern und Ju-gendlichen um zwei völlig verschiedene Zielgruppenmit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Interes-sen. Daher gilt es, das jeweilige Erfahrungswissen derbeiden Zielgruppen besser abzurufen und in die Pro-jekte einzubinden.

Partizipation scheint daher der neue Schlüsselbe-griff. Doch „Likes” und „Dislikes” allein, also das An-klicken etwa eines erhobenen oder gesenkten Dau-mens, sind die Bezeichnung nicht wert. Neue Pro-grammformen mit gleichzeitigem Erhalt der Vielfaltdokumentarischer Formen müssen gefunden werden,alternative Vertriebswege gleichermaßen. Dazu gehörteine bessere Vernetzung über die Landesgrenzen hin-weg. Allein schon die föderale Struktur in Deutsch-land erschwert manche Zusammenarbeit zwischen

den Bundesländern und in den Regionalsendern. Da-gegen streben die auf dem Symposium vertretenenInitiativen ausnahmslos eine stärkere europäischeund sogar globale Vernetzung an.

Film ist eine Kunstform, das gilt für den Spiel-und Dokumentarfilm gleichermaßen. Neben den ver-mittelten Inhalten sollte daher auch die ästhetischeQualität stimmen. Nichts ist langweiliger als einschlecht gemachter Film und Dokumentarfilme, dieKinder nur belehren oder gar manipulieren wollen,werden von diesen mit intuitivem Gespür abgelehnt.Filmkultur ist demnach wichtiger als Filmbildung al-lein, auch darauf müssen Lehrer und Programmver-antwortliche in den Sendeanstalten noch besser vor-bereitet werden.

Vor allem jedoch gilt: Den Königsweg gibt esnicht, stattdessen ist Mut zum Wagnis und zum Ex-periment in allen Bereichen von der Produktion biszum Vertrieb und Einsatz in den Schulen gefragt.

Holger Twele n

MEDIEN + GESELLSCHAFT

24 M 7.2014

Es sei der Redaktion um „Schadensbe-grenzung” gegangen, schreibt derWDR im Oktober. Van Beveren hatteauf seiner nichtöffentlichen face-book-Präsenz unter anderem ein Fotovon seinen Recherchen, eine Frau mitAtemmaske auf einem Lufthansa-Flug(siehe Bild), sowie eine spöttische Be-merkung über Luftfahrtpressestellengepostet. Die Lufthansa-Pressestelle

erfuhr davon und nahm es zum Anlass, van BeverenVoreingenommenheit zu unterstellen und eine inAussicht gestellte Kooperation bei den Dreharbeitenzurückzuziehen. Van Beveren sagt, es sei ihm auf facebook um „Vertrauensbildung” bei der „Betroffe-nenszene” gegangen. Er glaube, die Lufthansa hätteohnehin nie vorgehabt zu kooperieren.

Fortan, so wies die Redaktion ihn laut einer E-Mail an, solle nur noch Stumpf bei Dreharbeiten imBild zu sehen sein. Und später hieß es mal kurz in einer ARD-Programmankündigung des Films, angeb-lich versehentlich: „Ein Film von Roman Stumpf. Mit-arbeit Tim van Beveren”.

Am Ende lag da ein Scherbenhaufen. Van Beve-rens derzeitiges Leib- und Magenthema lief am 7. Juliin der ARD ohne Nennung seines Namens. Er hatteseinen Autorennamen zurückgezogen – allerdings miteinem Zusatz, den der WDR in seinen Pressemittei-lungen nicht erwähnt: „unter diesen Umständen”.Die Umstände waren: Trotz mehrfacher Aufforderungbekam er sein eigenes Werk vor der Ausstrahlungnicht zu sehen, das der WDR ohne seine Mitwirkunggeändert hatte. Ob sein Redakteur Jo Angerer mittler-weile eine Liste gewünschter Änderungen berücksich-tigt hatte, wusste er nicht. Seine Mängelliste hatte van

Beveren am 24. Juni mit der Empfehlung beendet, dieAusstrahlung „sofort und ohne Gesichtsverluste zuverschieben.” Darauf reagierte die Redaktion nicht.

Die schließlich gesendete „Story” war sechs Mi-nuten kürzer als möglich. Denn eine schwer erkrankteCondor-Flugbegleiterin hatte ihre Zustimmung zurNutzung ihrer Aufnahmen zurückgezogen. Begrün-dung ihres Rechtsvertreters Prof. Ronald Schmid:Wenn Tim van Beveren nichts mehr zu sagen habe,könne man sich auf Zusagen nicht mehr verlassen.Lange sträubte sich das WDR-Justiziariat dagegen –vergeblich. Schließlich war es offenbar zu spät, dieentstehenden Leerstellen im Film zu füllen.

Die Aufnahmen mit einer internationalen Grup-pe von Wissenschaftlern blieben gegen deren aus-drücklichen Protest im Film. Dies ist wohl der Grunddafür, dass der WDR die am 6. Oktober geplante Wie-derholung des „Story”-Beitrags absetzen musste. DieExperten hatten untersucht, ob der Tod des britischenPiloten Richard Westgate durch Gift in der Kabinen-luft verursacht wurde, und starke Indizien gefunden.Luftfahrtexperte van Beveren hatte sie schon früh da-von überzeugt, exklusiv für die Doku bei Untersu-chungen drehen und Interviews führen zu dürfen.Darüber schlossen er, die spätere WDR-Chefredakteu-rin Sonia Mikich und die Wissenschaftler im Juni2013 eine Vereinbarung. Nun, da van Beveren ausdem Spiel war, erklärte der Glasgower Anwalt FrankCannon als Vertreter der Experten sowie der Hinter-bliebenen des Piloten die Vereinbarung für nichtigund forderte den WDR auf, alle mit den Wissenschaft-lern gedrehten Passagen zu entfernen. Begründung:Nur mit einem Filmautor van Beveren könne mansich darauf ver lassen, dass ausschließlich autorisierteAufnahmen verwendet würden. Die Autorisierung ist,so Cannon, für die Experten besonders wichtig, weilsie ihre Unabhängigkeit als Gutachter im Prozess umdie Todesursache des Piloten nicht gefährden wollen.

Bis heute liegt Rechtsanwalt Cannon mit demWDR im Streit. In einer umfangreichen Programm -beschwerde monierte er nicht nur eine unerlaubteAusstrahlung der Aufnahmen. Ihn stören unter ande-rem auch unpräzise oder falsche Aussagen im Film(die auch schon van Beveren vor der Ausstrahlungmoniert hatte) und das Verhalten des Coautors Ro-man Stumpf, der in dem Film als Fragesteller einge-schnitten war bei einer Antwort auf eine Frage im In-terview mit Tim van Beveren. Bei Stumpf müsse manbefürchten, dass sensible Informationen an die juris-tische Gegenseite gelangten, weil er als WDR-Redak-teur parallel an der Berliner PR-Hochschule Quadriga

MEDIEN + RECHT

Vergiftete LuftKonflikt um eine Dokumentation entzweit WDR und Autor

Ab wann ging es bergab mit der Zusammenarbeit zwischen dem freien JournalistenTim van Beveren und der WDR-Redaktion „Die Story” bei der Doku über vergifteteLuft in Verkehrsflugzeugen? War es schon, als im September 2013 der WDR-RedakteurRoman Stumpf sein Coautor wurde („Unter Druck, und um die Produktion nicht zu ge-fährden”, sagt van Beveren. „Einvernehmlich”, sagt der WDR)? Oder war es im Februar2014, als die Redak tion sich in einer Mail an die Lufthansa-Pressestelle ohne sein Wissen von ihm distanzierte, ihn zum „fachkundigen Co-Autor” degradierte, „redaktio-nell” ohne Einfluss neben einem „Filmautor Dr. Roman Stumpf”?

Da haben sie noch zusammengearbeitet: Tim van Beveren (l.),Roman Stumpf mit demWissenschaftler Christiaan vanNetten (r.) bei den Dreharbeiten.

Fotos: Tim

van Beveren

M 7.2014 25

„Networking/Lobbyismus” studiere, mit einem Sti-pendium der Industrie. Alle Punkte der Beschwerdewies WDR-Intendant Tom Buhrow am 9. Oktober zu-rück. Zur Gültigkeit des Vertrages zwischen Sonia Mikich, Tim van Beveren und den Wissenschaftlernverweist Buhrow auf semantische Feinheiten. Der„author” in der englischsprachigen Vereinbarung mitvan Beveren sei mit „Urheber” zu übersetzen, nichtunbedingt mit „Autor”. Und Urheber sei van Beverenja noch, die Vertragsgrundlage also nicht entfallen.Der Glasgower Rechtsanwalt findet dieses Argumentdes früheren USA-Korrespondenten einfältig („silly”)und unaufrichtig („disingenuous”) und kündigte ge-genüber „M” an, den Rundfunkrat anzurufen.

Bis heute liegen das WDR-Justiziariat und van Be-verens Rechtsanwalt Frank Fischer im Clinch. EinStreitpunkt: Hat die Redaktion van Beveren aus demFilm gedrängt oder hat er sich selbst zurückgezogen?Zum Ende des Filmschnitts war es zum Bruch gekom-men. Redakteur Jo Angerer habe einen dreitägigenEndspurt und eine Chefabnahme mit Sonia Mikicham 5. Juni verordnet, gegen seinen Widerspruch, sagt

van Beveren. Was der Chefredakteurin gezeigt wurde,sah er anschließend nur als sehr verbesserungswürdi-ge „Diskussionsgrundlage”. Van Beveren: „Stumpfund ich haben abwechselnd geschnitten und das ge-samte Werk nie gemeinsam anschauen können.” Re-dakteur Angerer aber lehnt van Beverens Angebot ab,das Werk am eigenen Schnittplatz fertigzustellen undschickt ihn nach Hause.

Im Juni mailte van Beveren: „Hiermit sehe ichmeine Verpflichtungen gegenüber dem WDR als er-füllt an. Weitere Tätigkeiten gerne, aber auf derGrundlage neuer … Vereinbarungen.” Kontext derÄußerung waren ausstehende Geldforderungen, wasder WDR in sämtlichen Stellungnahmen verschweigt.Fest steht aber auch, dass Tim van Beveren sich da-nach noch vehement als Autor verhielt, Änderungenforderte, sich einmischen wollte. Warum hielt die Re-daktion dennoch weiter daran fest, van Beveren selbstsei ausgestiegen? Die WDR-Pressestelle, an die die Redakteure verweisen, bleibt eine Antwort daraufschuldig. Van Beveren arbeitet mittlerweile an einereigenen Fassung seines Werkes. Ulli Schauen n

Wie bewerten Sie die Konflikte um den WDR-Beitrag überKabinendämpfe in Flugzeugen?GÖTZ VON OLENHUSEN | Die Nutzung von O-Ton undOriginalbildern von freien Autoren gegen deren Wil-len und gegen den Willen von Interviewpartnern –das hat eine neue Qualität, es ist eine Art von öffent-lichem Straßenraub. Persönlichkeitsrechtsverletzung,Urheberpersönlichkeitsrechtsverletzung, und die Miss -achtung von Recht am eigenen Wort und Bild, unddazu noch ein Plagiat in Unreinkultur.

„Die Story” hätte so nicht gesendet werden dürfen?Wenn der Interviewpartner Auflagen macht oderwenn er Wert darauf legt, dass derjenige, mit dem erspricht, dann auch tatsächlich mit dem Bericht zu tunhat, dann muss ein Sender das achten. Das ist eineRechtspflicht des Senders gegenüber den Betroffenenund gegenüber dem Autor. Denn eine Rechtsübertra-gung ist nur dann wirksam, wenn tatsächlich die Auf-lagen, die der Interviewpartner gemacht hat, erfülltworden sind. Der Betroffene muss andernfalls zustim-men, dass der Sender dessen Aussagen nutzen darf.

Kann denn ein freier Mitarbeiter solche Vereinbarungenüber Auflagen treffen? Ja, die sind gültig. Der freie Mitarbeiter erwirbt als Ver-treter des WDR die Rechte, unter bestimmten Bedin-gungen. Wenn der Protagonist sagt, ich will vorher se-hen, was ihr damit macht, dann kann der Sendernicht machen, was er will. Weder der Interviewpart-ner, noch der Autor sind Freiwild für einen Redakteur.

In diesem Fall hat der Autor gesagt, ich will nicht genanntwerden, wenn der Film nicht von mir gebilligt werden kann.

Aber der WDR kann nicht davon ausgehen, dass dasMaterial, die Idee, das Thema, die Recherche, das Re-cherchematerial, der O-Ton, und die Sendefassungihm gehören und die Anstalt damit machen kann,was sie will. Das ist rechtlich nicht in Ordnung.

Die Sender haben nach dem Urhebertarifvertrag das Be-arbeitungsrecht für die Werke? Schon, aber die Bearbeitung darf nicht den Sinn undden Zweck verfälschen.

Da ging es aber nur um kleine Änderungen, meint manbeim WDR. Dann müssten sie erklären, warum sie die Wiederho-lung des Films abgesetzt haben, wenn nichts dran wä-re an den Einwendungen des Autors, der Protagonis-ten und ihrer Anwälte. Die Sendung ohne Zustim-mung der Beteiligten ist natürlich auch ein groberVerstoß gegen das Landesmediengesetz.

Der WDR-Redakteursausschuss hat sich zu dem Fall keineMeinung gebildet, weil Aussage gegen Aussage stehe.Das Redaktionsstatut soll genau solche inhaltlichenKonflikte zwischen Angestellten und auch mit Freienlösen. Da kann man also nicht einfach sagen, „na ja,unangenehm, ist ja eine peinliche Sache, da wollenwir uns gar nicht auf die eine oder andere Seite schla-gen.” Das Ganze ist wie in dem Kriminalfilm vonHitchcock: „Eine alte Dame verschwindet.” Hier heißtes „Ein Autor verschwindet.” Plötzlich wird der Autorzum angeblichen Täter gemacht, in Wirklichkeit ist erOpfer einer Medienkultur, die immer rabiater mit derWare Information umgeht. Das Gespräch führte

Ulli Schauen n

MEDIEN + RECHT

Öffentlicher StraßenraubDer Medienrechtler Albrecht Götz von Olenhusen zum Fall „Kabinenluft”

Dr. jur. Götz von Olenhusen

Foto: M

. Goessmann

Recep Tayyip Erdogan ist nach elf Jahren als Minister-präsident jetzt türkischer Staatschef. Ob sich die Lageder Pressefreiheit am Bosporus unter seiner Präsi-dentschaft verbessert, ist mehr als fraglich. Denn Er-dogan stand zuletzt für Repression, nicht für Reform.Andererseits kann er ein sehr flexibler Politiker sein.Das sollte man nicht unterschätzen – und es könnteeinigen inhaftierten Journa listinnen und Journalistennutzen.

Wie schnell Erdogan seine Meinung zu wechseln inder Lage ist, zeigte sich zuletzt an seiner Haltung ge-genüber der radikalen Miliz „Islamischer Staat”. Mo-natelang hat es die Türkei zugelassen, dass Kämpferüber die Grenze nach Syrien einreisten, um sich demKampf des IS gegen Machthaber Baschar el-Assad auf-zunehmen. Als es darum ging, sich der internationa-len Allianz gegen den IS anzuschließen, war Erdoganzunächst zurückhaltend. Als der Türkei allerdingsdrohte, international isoliert zu werden, vollzog derneue Präsident eine Kehrtwende, verkündete öffent-lich seine Ablehnung des Islamischen Staates und ließEnde September Panzer an der Grenze auffahren.

Auch innenpolitisch ist Erdogan für Überra-schungen gut. Unmittelbar nach seiner Wahl sagte er,er wolle den Streit der Vergangenheit beilegen und ei-ne neue Ära einleiten. Dabei hatte er im Wahlkampfnoch getönt, er werde seine Gegner bis in ihre Höhlenverfolgen. Vorher wurden Staatsanwälte und Ermitt-ler, die unter anderem wegen Korruption in ErdogansUmgebung ermittelten, versetzt – Rechtsstaat hinoder her. Journalisten fanden sich wegen kritischerBerichterstattung oder bissiger Karikaturen vor Ge-richt oder im Gefängnis wieder. Mehr als hundert Re-dakteure wurden laut Amnesty International aufDruck der Regierung entlassen. Demonstranten, dieim vergangenen Jahr gegen die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul protestierten, hat Erdogan öffentlichverdammt und kriminalisiert. Soziale Netzwerke, indenen Kritik an seiner Amtsführung laut wurde, hater blockieren lassen. Das Internet-Gesetz hat Erdoganverschärft, es wurde aber Anfang Oktober vom Verfas-sungsgericht gestoppt. Allerdings bleibt es dabei, dassviele Türken – vor allem die Armen im Land – über-haupt keinen Zugang zum Netz haben.

Als Politiker neigt Erdogan dazu, das zu tun, wasihm gerade am meisten nutzt. Negative Schlagzeilenführen bei ihm entweder zu heftigen verbalen Aus-brüchen oder aber zu einem politischen Kurswechsel.Somit verlaufen Fortschritt und Rückschritt in derTürkei der Gegenwart oftmals parallel.

Nur eine Kehrtwende könnte auch die Lage derMeinungs- und Pressefreiheit verbessern. Ein bisschenHoffnung gibt es: Zum Jahreswechsel 2013/14 warennach Angaben von Menschenrechtsorganisationenmehr als 100 Journalisten inhaftiert. Im August 2014dokumentiert die Europäische Journalisten-Födera -tion „nur noch” eine Zahl von 32. Auch ChristophDreyer von Reporter ohne Grenzen erklärt: „Viele Me-dienvertreter wurden aus der Haft entlassen. Gegen

die meisten laufen aber die Verfahren unverändertweiter.” Er nennt eine Zahl von 19 Journalisten, dienoch in türkischen Gefängnissen sitzen. Andere An-gaben sind höher, weil zum Beispiel bei Statistiken inder Türkei oft nicht zwischen Journalisten und Zei-tungsverkäufern unterschieden wird.

Dass für die Haftentlassungen das negativeImage – die Türkei wurde immer wieder als eines dergrößten Gefängnisse für Journalisten bezeichnet –ausschlaggebend war, ist zwar nicht nachzuweisen,liegt aber für einige Beobachter auf der Hand. Unterden aus der Haft entlassenen waren auch zahlreicheKurden. „Es war vielleicht auch eine Geste des gutenWillens gegenüber der kurdischen Bevölkerung”,meint Dreyer von ROG. Erdogan versucht schließlichseit einiger Zeit, den Kurden entgegenzukommen. ImRahmen des Friedensprozesses, in den auch der inhaf-tierte PKK-Chef Abdullah Öcalan eingebunden ist, hatErdogan unter anderem die kurdische Sprache anSchulen und in Behörden erlaubt.

Murat Cakir von der Rosa-Luxemburg-Stiftung inFrankfurt bleibt jedoch skeptisch: „Ein ernsthafterWandel ist nicht erkennbar. Es gab nur ein paar klei-nere Korrekturen. Echte Demokratisierung wird es inder Türkei nur bei entsprechendem gesellschaftlichemDruck geben.” Besonders aufmerksam beobachtet Ca-kir den sogenannten KCK-Prozess in der Türkei. ImDezember 2011 wurden 44 Journalisten festgenom-men und später als vermeintliche Mitglieder des so-genannten städtischen Flügels KCK der verbotenenArbeiterpartei Kurdistans (PKK) angeklagt. Nach An-sicht der türkischen Justiz sind sie keine Journalisten,sondern Terroristen, die sich als Medienschaffendetarnen. Die Beweismittel in dem Verfahren sind aber

MEDIEN + INTERNATIONAL

Kein Wandel erkennbarIn der Türkei laufen Prozesse gegen Journalisten weiter

26 M 7.2014

Protest vor der türkischenBotschaft in Berlin am 13. Oktober gegen die Fest-nahme der deutschen Foto-journalisten Björn Kietzmann,Ruben Neugebauer und Chris Grodotzki in Diyarbakir /Türkei. Die drei wurden einen Tagspäter freigelassen. Die An-klage gegen die Kollegen wegen angeblicher Spionagesoll jedoch aufrecht erhaltenwerden. „Das ist und bleibt inakzep -tabel“, erklärte Cornelia Haß.Die dju-Bundes geschäfts füh -re rin forderte die türkischeRegierung auf, die Anklagengegen die Journalisten fallenzu lassen und unabhängigeBerichterstattung zuzulassen.

Foto: Christian von Polentz

M 7.2014 27

Die Ermordung von Journalistinnen und Journalistenin aktuellen Krisengebieten wie Irak und Somaliasorgt weltweit für Aufsehen. Anderswo sind Kollegenund Kolleginnen jedoch ebenfalls massiven Angriffenausgesetzt. Mexiko ist ein Beispiel dafür.

Zweimal wurde Paco R. krankenhausreif geprügelt,nachdem er korrupte Machenschaften von Politikernin der Provinz Guerrera beschrieb. Sein Gesicht zeigtheute noch Spuren der Überfälle, aber immerhin hater überlebt. Und Paco lässt sich nicht unterkriegen.Der Journalist setzt sich aktiv für die Pressefreiheit inseiner Heimat Mexiko ein. Paco sagt: „Angst vor tät -lichen Angriffen ist dafür keine Voraussetzung. Sieführt zu Selbstzensur”.

Eigentlich hat das Land in der Theorie ganz ver-nünftige Menschenrechtsgesetze. In der Hauptstadtnimmt eine Kolonne von „Ombudsmobilen” Be-schwerden von Bürgern entgegen. Aber die nationa-len Gesetze funktionieren außerhalb von Mexiko Citynicht: Drogenbarone und korrupte Politiker gehenvor allem in der Provinz aggressiv gegen kritischeJournalisten vor. Die Polizei vor Ort schaut weg. Nacheiner offiziellen Statistik waren seit Anfang des Jahr-zehnts 114 Kollegen in Mexiko Opfer von Angriffen.Einige überlebten sie nicht. 98 Prozent der Fälle blei-ben unaufgeklärt. Und die Zahl von 114 ist nur dieSpitze eines Eisbergs.

Eine Delegation der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) unter Leitung des dju-Kollegen Wolf-gang Mayer hat als Auftakt zu einer nationalen Kam-pagne der mexikanischen JournalistengewerkschaftSNRP bei führenden Politikern des Landes größerenSchutz für Journalistinnen und Journalisten ange-mahnt. Insbesondere beim General-Staatsanwalt undbei der nationalen Kommission für Menschenrechtein der Hauptstadt stieß das Ansinnen auf Zustim-mung. Kommissionspräsidentin Perla Gómez: „Wirmüssen auf Prävention setzen”.

„Schluss mit der Gewalt gegen Journalisten” istdas Motto der gemeinsamen Kampagne von SNRPund IJF in Mexiko. Die Berichterstattung in den Me-dien des Landes darüber zeigt die breite Solidarität un-ter den Kollegen. Die SNRP wünscht sich auch dieEinrichtung eines „Journalistenhauses” als Zufluchts-ort für Verfolgte. Vorbildlich ist ein staatlicher Hilfs-fonds für attackierte Journalisten, den es inzwischenin der Provinz Guerrera gibt. Guerrera gilt zusammenmit vier anderen der 31 Provinzen als besonders ge-fährliches Pflaster für Berichterstatter. Mexiko belegtauf der Liste von „Reporter ohne Grenzen” über Pres-sefreiheit Platz 153 von 180 Ländern. wm n

Schluss mit der GewaltGewerkschaften fordern mehr Schutz für Journalisten in Mexiko

MEDIEN + INTERNATIONAL

offenbar dünn. Es geht nicht um Waffen oder Spreng-stoff, sondern um Worte, Computer oder Filmmateri-al. „Es ist ganz offensichtlich, dass mit dem Verfahrendie freie Presse und insbesondere die freie kurdischePresse kriminalisiert werden soll”, sagt Cakir.

Auch mehr als zwei Jahre nach Prozessbeginnsind noch immer etwa die Hälfte der Angeklagten inUntersuchungshaft. Die Anderen wurden vorläufigaus der U-Haft entlassen. Der letzte Prozesstag war imMai, am 5. November soll der Prozess nach Informa-

tionen von ROG fortgesetzt werden – in Silivri west-lich von Istanbul. Für Murat Cakir ist eine Einstellungdes Verfahrens nicht in Sicht. „Ein Ende der Prozessekann es nur geben, wenn die türkische Regierungernsthaft eine Verbesserung der Lage des kurdischenVolkes anstrebt.” Dass die Flexibilität von Recep Tayy-ip Erdogan so weit geht, glaubt Cakir gegenwärtignicht. Harald Gesterkamp n

M berichtete: 7/2012, 8/2012, 7/2013, 4/2014 https://mmm.verdi.de/archiv

Strafnachlass in BirmaEinen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es für fünf in Birma (My-anmar) inhaftierte Journalisten. Ein Bezirksgericht in Magwe redu-zierte am 2. Oktober das Strafmaß der Verurteilten von jeweils zehnauf sieben Jahre Gefängnis. Die Journalisten Lu Maw Naing, YarzarOo, Paing Thet Kyaw, Sithu Soe und Tint San kündigten an, vordem Obersten Gericht des südostasiatischen Landes Rechtsmittelgegen ihre Verurteilung einzulegen. Sie erklären, sie seien lediglichwegen der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit festgenom-men worden.

Die Mitarbeiter der Zeitung Unity hatten Ende Januar diesesJahres einen Artikel über eine geheime Chemiewaffenfabrik inMagwe veröffentlicht und waren daraufhin unter anderem wegender „Offenlegung von Staatsgeheimnissen” angeklagt und verur-teilt worden. In einer gemeinsamen Aktion mit Amnesty Interna-tional setzte sich ver.di für die bedingungslose Freilassung der Kol-legen ein (M 6/14). hg n

New

s

Journalisten protestieren imFebruar in Mexiko Stadt ge-gen die Ermordung ihres Kol-legen Gregorio Jimenez undgegen die Tötung andererJournalisten im Land. Fo

to: AP Photo / M

arco Ugarte

28 M 7.2014

MEDIEN + INTERNATIONAL

M sprach mit der indischen Journalistin Tongam Rina. Die 34jährige engagiert sich für Frauenrechte, Um-weltschutz und gegen Korruption. Bis Mai dieses Jah-res war sie Gast der Hamburger Stiftung für PolitischVerfolgte. Nun arbeitet sie wieder für The ArunachalTimes, die größte Zeitung des indischen Bundesstaa-tes Arunachal Pradesh.

Indien ist das bevölkerungsreichste Land der Welt mit ei-nem demokratischen System. Funktioniert diese Demo-kratie? Im Mai wurde gewählt. Haben Sie einen fairenWahlkampf erlebt?Tongam Rina | Die Demokratie funktioniert, aber wieandernorts auch hinkt sie manchmal, steckt hier undda mal fest und bewegt sich dann wieder im aufrech-ten Gang. Überall wird das demokratische System mitHerausforderungen und massiven partikularen Inte-ressen konfrontiert. Die Wahlen liefen im Großenund Ganzen fair und friedlich ab. Das eigentliche Er-gebnis war trotzdem eine Überraschung. Zwar wuss-ten wir alle, dass die rechtskonservative BJP (nationa-listische Hindu-Partei Bharatiya Janata Partei) an dieMacht kommen würde. Allerdings lag die Stimmen-zahl doch deutlich über den Prognosen.

Sie leben und arbeiten in dem an der Grenze zu China lie-genden Bundesstaat Arunachal Pradesh. Wo sehen Sie diegrößten Probleme dort?Das ist die Korruption, aber auch Umweltproblemevor allem aufgrund der riesigen Energieprojekte sowiedie hohe Arbeitslosigkeit sind die gravierendsten Pro-bleme. Wir treten in unserer Entwicklung auf der Stel-le. Die Interessen einiger weniger stehen über den In-teressen der Allgemeinheit. Wie sich die Machtelitengegenseitig die lukrativen Posten zuschieben, habe ichvor ein paar Jahren beschrieben, als ich über einenProzess gegen diese einflussreichen Familien berich-tete. Danach musste ich untertauchen. Ich habe spä-ter über die Unterschlagung von Reis-Subventionenzur Versorgung der Ärmsten und über ein Staudamm-projekt berichtet, wo Gelder abgezweigt und keineRücksicht auf Flora und Fauna genommen wurde.

Am 15. Juni 2012 wurden Sie von einem Unbekannten imEingang zur Redaktion der Arunachal Times niederge-schossen. Die Kugel verfehlte nur knapp die Wirbelsäule.Wissen Sie etwas über die Täter? Nein, es handelt sich immer noch um ein schweben-des Verfahren. Vier Personen wurden beschuldigt undkamen in Untersuchungshaft. Drei wurden aber wie-der auf Kaution freigelassen. Es ist unstrittig, dass einTäter schoss, dass er nicht maskiert war. Das zeigt, dasser wenig Angst vor Strafverfolgung hatte. Ich habe we-nig Hoffnung, dass geklärt wird, wer das Attentat inAuftrag gab. Von Gerechtigkeit sind wir weit entfernt.

Die Pressefreiheit ist in Indien in der Verfassung fixiert.Gilt sie auch in der Praxis? Theoretisch genießen wir Meinungs- und Pressefrei-heit, aber in der täglichen Berichterstattung ist davon

wenig zu spüren. Viele Pressevertreter werden überfal-len und Verlagshäuser werden unter Druck gesetzt –von einflussreichen Politikern, Familienclans. In derRealität ist es schwer an Informationen zu kommen,aber das macht auch den Reiz des Berufes aus. Es isteine spannende Aufgabe Ungerechtigkeit zu benen-nen, die Öffentlichkeit zu informieren. Aber wir ha-ben noch einen langen Weg vor uns, um darüber be-richten zu können, worüber berichtet werden muss.

Frauen sind in Indien häufig Opfer von Gewalt. Sie unter-stützen die Arunachal Pradesh Women Welfare Society.Wie agiert sie?Sie arbeitet mit Frauen, die Opfer von Gewalt wurden.Die Frauen werden juristisch beraten und wir unter-stützen mit Selbsthilfe-Programmen. Meist geht es da-rum die Frauen finanziell unabhängiger zu machen.Dabei dokumentiere ich die Arbeit, helfe bei der Su-che nach Wohnungen, denn wenn die Ehe scheitert,werden die Frauen meist aus dem Haus geworfen. Po-lygamie und Zwangsheiraten sind weitere große Pro-bleme, neben der Gewalt.

Mehrere Fälle von Massenvergewaltigungen haben inter-national Schlagzeilen gemacht. Haben Sie die Hoffnung,dass sich etwas ändert? Ich glaube nicht daran, es wird weitere dieser schreck-lichen Geschichten geben, denn es steckt in den Köp-fen, in der Erziehung. In vielen Gemeinden Indiensist es ein Fluch als Mädchen geboren zu werden. Wirleben in einem extrem patriarchalen System, wo Frau-en kaum etwas zu sagen haben. Erst wenn die Männerdie klare Ansage bekommen, dass sie mit Gefängniszu rechnen haben, wenn sie Frauen Gewalt antun,kann sich etwas ändern. Ich setze alle meine Hoffnun-gen auf die indische Jugend und ich denke, dass esunglaublich wichtig ist, unsere Frauen und Mädchenzu fördern und damit zu stärken.

Sie haben zwölf Monate in Hamburg gelebt. Wie habenSie diese Zeit wahrgenommen? Es war eine bereichernde Erfahrung. Ich bin viel inDeutschland gereist und es war sehr schön allein unterwegs zu sein, ohne sich Gedan-ken über meine Sicherheit zu ma-chen. In Indien ist es nicht möglichauf die Straße zu gehen, ohne beläs-tigt zu werden. Die Zeit hier hat mirviel Energie gegeben und den Mut,zurückzukehren. Ich weiß, dass mei-ne Rückkehr riskant ist, aber ich ha-be mich entschieden mein Leben zuleben und nicht zurückzustecken.Ich bin ein sehr positiver Mensch,liebe meine Arbeit und sie gibt mireine tiefe Befriedigung. Seit Juni ar-beite ich wieder in der Redaktion,schreibe über Umweltprobleme, Po-litik und Korruption. Gespräch: Knut Henkel n

Nicht zurücksteckenIndien: Tongam Rina wurde angeschossen und musste untertauchen

Journalistin Tongam Rinaarbeitet wieder in Indien

Foto: privat

Spaniens Medienlandschaft befindet sich im Um-bruch. Die großen Zeitungen des Landes büßen Jahrfür Jahr Leser ein. Eine Entlassungswelle nach der an-deren soll die Verluste wettmachen. Über 12.000 Me-dienschaffende verloren seit 2005 ihren Job. Gleich-zeitig entstanden über 300 neue Medien. Die mei-sten von ihnen im Internet. Einige stoßen auf gro-ßen Zuspruch beim Publikum.

Die Nachrichtenseite eldiario.es ist das bekann-teste Beispiel. Wie viele der neuen Titel speistsich die 26-köpfige Belegschaft der online-Ta-geszeitung aus den Entlassenen traditionel-ler Medien. In diesem Falle aus der Redak-tion der 2012 geschlossenen Tageszei-

tung El Público. „Wir habenmittlerweile zwei bisdrei Millionen Besucherpro Monat”, erklärtChefredakteur Ignacio

Escolar zufrieden. Damitliegt eldiario.es mit der spanischenHuffington Post, die zum Verlagshausder größten spanischen Tageszei-tung El País gehört, gleich auf.„Journalismus trotz alledem”

heißt das Motte von eldiario.es. „Wir erlebeneine Repolitisierung der Gesellschaft”, erklärt Es-

colar. In Zeiten der Sozialkürzungen und Proteste stei-ge das Interesse an einem anderen, mehr der sozialenNachricht verpflichteten Journalismus. eldiario.es be-richtet über Zwangsräumungen, Sparpolitik, Polizei-repression, Einschränkungen der Bürgerrechte, Kor-ruption, Flüchtlingsbewegungen an der Südgrenze,und hat dabei immer wieder exklusive Nachrichten.eldiario.es schreibt im zweiten Jahr bereits schwarzeZahlen. 70 Prozent der Einnahmen stammen aus Wer-bung, 30 Prozent von bezahlenden Premiumlesern,die für 5 Euro im Monat bereits abends lesen, was amnächsten Morgen kostenlos online steht.

Die traditionellen Publikationen haben in denletzten Jahren stark an Glaubwürdigkeit verloren. Al-len voran El País”, erklärt der Medienwissenschaftlerder Madrider Universität Complutense, Rafa Díaz. Diegrößte Zeitung des Landes, die in den 1970er Jahrenentstand, als sich Spanien auf den Weg von der Dik-tatur zur Demokratie machte, war Referenz für einbreites Spektrum von mitte-links bis links. In den letz-ten Jahren sei, so Díaz, ein Wechsel in der Blattliniezu verzeichnen. El País entwickle sich hin zu einemwirtschaftsliberalen Blatt, verteidigt immer wieder dieSparrezepte aus Brüssel. Über 300 Redakteure wurdenentlassen. Ein neuer Chefredakteur nähert das Blattjetzt an die regierenden Konservativen an. Teile derLeserschaft suchten enttäuscht nach neuen Medienund finden sie bei Titeln wie Escolars eldiario.es.

Gonzalo Boye, Anwalt aus Madrid und Herausge-ber des Satiremagazins Mongolia, beobachtet dieseEntwicklung und hat eine Erklärung parat: „Prisa, dasVerlagshaus von El País, schuldet 3,5 Milliarden Euro

unter anderem den Großbanken Santander und Caixaund hat Aktien an den deutsch-amerikanischen In-vestor Nicolas Berggruen verkauft. Seither sitzen Ban-kenvertreter in den Gremien, die mit über die Linieder Medienholding und damit der El País entschei-den”, sagt Boye. Seine vor zwei Jahren entstandeneMongolia ist eines der wenigen neuen Medien auf Pa-pier. Neben dem „Humor für gut informierte Leser”,enthält das Blatt „Reality News”. Mit monatlich40.000 Exemplaren schreibt es schwarze Zahlen. Dortwird immer wieder die Verflechtung von Finanzweltund Medien untersucht. „Alle großen Tageszeitungen,sind in den Händen der Banken und der Politik”, er-klärt sich Boye den Wechsel der Chefredaktionen beiden drei wichtigsten Blättern Spaniens. Nicht nur ElPaís ersetzte den Chef. Bei der in Barcelona erschei-nenden La Vanguardia wurde wohl auf Druck des Kö-nigshauses der einstige Pressesprecher des Innenmi-nisteriums zum Chefredakteur. Sein Vorgänger hattemit Sympathie über die Unabhängigkeitsbestrebun-gen Kataloniens berichten lassen. Und bei El Mundoin Madrid musste Gründer Pedro J. Ramírez gehen.Der Druck von Regierung und Geldgebern war uner-träglich geworden, nachdem das Blatt Korruptionsfäl-le aus dem Umfeld der regierenden Partido Popularund dem Königshaus veröffentlichte.

Die Repolitisierung, von der eldiario.es-Chef Es-colar spricht, hat auch so manche Redaktion erfasst,was den Herausgebern nicht immer gefällt. So zen -sierte die Satirezeitschrift El Jueves ein Titelblatt zurKrönung von Felipe VI vergangenen Juni. 18 Zeichnerverließen das Blatt und gründeten unter dem Titel„Orgullo y Satisfacción” – „Stolz und Zufriedenheit” –einer Floskel, die Alt-König Juan Carlos immer in sei-ne Reden einbaute – ihr eigenes Projekt im Netz. DiePublikation stößt auf Interesse. Die erste Ausgabe ver-kaufte 35.000, die zweite 9.000 PDF zum Mindestpreisvon 1,50 Euro. 2.000 Leser haben ein Abo gezeichnet.„Ob wir davon leben können? Nein. Aber zusammenmit anderen Aufträgen, die hier und da hereinkom-men, ja. Das schöne Leben eines Freelance: Emotio-nen! Überraschungen! Und Bibbern am Monatsende!”lautet das Resümee im ersten Bilanzbericht in Formeines Comics, gefolgt von einem Aufruf, mehr Aboszu zeichnen.

Auch ein Radioprogramm versucht es mittlerwei-le per Hörerfinanzierung. „Carne Cruda” – „RohesFleisch” – strahlte seinen sarkastischen Humor zur ta-gesaktuellen Politik erst im staatlichen Hörfunk RNEaus. Nachdem die Konservativen 2011 die Wahlen ge-wannen, war Schluss damit. „Carne Cruda 2.0”schlupfte beim Privatsender Cadena Ser aus dem Hau-se El País unter, wurde gar preisgekrönt. Aber schnellwar das Programm auch den neuen Herren unbe-quem. Seit Anfang Oktober ist es nun im Netz bei el-diario.es zu hören. Ein Crowfunding brachte rund60.000 Euro ein. Das reicht für ein Programm in derWoche bis zur kommenden Sommerpause. Das Teamsammelt weiter. Das Ziel: Wie früher jeden Werktagauf Sendung gehen. Reiner Wandler / Madrid n

Zuspruch für InternetmedienSpaniens entlassene Journalisten gründen „Zeitungen” im Netz

MEDIEN + INTERNATIONAL

M 7.2014 29

Der Leser vom Plaza de laPaja – eine Bronzeskulpturvon Félix Garcia Hernando in Madrid.

Foto: fotolia / David Demeyere

Nicola Albrecht, bisher Korrespon-dentin im ZDF-Studio Peking, folgteals Leiterin des Studios in Tel Aviv aufChristian Sievers.

Stefan Bergmann, bislang Chef -redakteur der Münsterschen Zeitung,löst als Chefredakteur der Emder Zei-tung Klaus Fackert ab, der weiterhinder Chefredaktion des Blatts angehört.

Angela Böckler, bisher Leiterin derNDR-Hauptabteilung Finanzen, folgtals Verwaltungsdirektorin des Sendersauf Dr. Albrecht Frenzel, der in dergleichen Position zum BR wechselt.Dr. Michael Kühn, zuletzt Bevoll-mächtigter des ARD-Vorsitzenden imARD-Generalsekretariat in Berlin, löstals Justiziar des NDR Dr. Werner Hahnab, der Ende des Jahres in den Ruhe-stand geht. Böckler und Kühn tretenihre Ämter zum 1. Januar 2015 an.

Alexander Bommes, Präsentator undModerator im NDR-Fernsehen (u. a.„Hamburg Journal”) und in der ARD(u. a. „Sportschau”), folgt ab Anfang2015 als Talkmaster gemeinsam mitBettina Tietjen in der monatlichenFreitags-Talksendung des NDR Dr. Eckart von Hirschhausen nach.

Lydia Brakebusch und Stefan Till-mann wurden Chefredakteure desStadtmagazins zitty Berlin. Seit dieMediengruppe Raufeld den Titel zum1. April 2014 von der Tagesspiegel-Gruppe übernommen hat, leiteten sieihn kommissarisch; zuvor war Brake-busch stellv. Chefredakteurin und Till-mann Textchef. Auch das Stadtmaga-zin tip war 2013 von Raufeld über-nommen worden. Hagen Liebing,Leiter der Musikredaktion, wurdejetzt zusätzlich stellv. Chefredakteur.

Moritz Döbler, derzeit geschäftsfüh-render Redakteur und Mitglied derChefredaktion des Tagesspiegels (Ber-lin), löst zum nächstmöglichen Zeit-

punkt als Chefredakteur des Weser-Kuriers (Weser-Kurier-Mediengruppe)die kommissarische Doppelspitze Silke Hellwig und Peter Bauer ab.

Nicolaus Fest, bisher stellv. Chefre-dakteur von Bild am Sonntag, verließden Axel Springer Verlag SE und willals freier Journalist arbeiten.

Christo Foerster, Ex-Sportchef derZeitschrift Fit for Fun, folgte als Chef-redakteur des Magazins Men’s Fit-ness (Verlag Ultimate Guide Media)auf Oliver Bloss.

Florian Gless, seit Juni 2014 Chef -redakteur von National GeographicDeutschland (G+J), wurde zusätzlichChefredakteur der P.M.-Gruppe. Er folgte auf den im Juli verstorbenenChefredakteur und HerausgeberHans-Hermann Sprado.

Claudia Groß-Alioui, Chefredakteu-rin der Zeitschrift Das Goldene Blatt(Funke Mediengruppe), übernahm auchdie Chefredaktion der Zeitschrift Frauvon Heute, deren Standort von Ham-burg nach München verlagert wurde.

Boris Henn, bisher in leitenden Posi-tionen bei diversen TV-Sendern tätigsowie u. a. Moderator von „RTL Explo-siv” und „Explosiv Weekend”, wurdestellv. Redaktionsleiter von doppioTV; er moderiert gemeinsam mit demKoch Jörg Klausmann die neue Sen-dereihe „Klausmann & Henn”.

Christoph Jumpelt, Journalist undKommunikationsberater mit interna-tionaler Erfahrung, folgte bei derDeutschen Welle als Pressesprecherund Leiter der Unternehmenskommu-nikation auf Dr. Johannes Hoffmann,der die Leitung der Intendanz desdeutschen Auslandssenders übernahm.

Christian Klose, bisher Regional -leiter bei der Schwäbischen Zeitung,

folgt zum Jahreswechsel als Chefre-dakteur der Nordsee-Zeitung (Bremer-haven), die auch als Mantelredaktionfür neun verschiedene Zeitungstitelfungiert, sowie der Kreiszeitung We-sermarsch und der Zevener Zeitungauf Jost Lübben, der Chefredakteurder Westfalenpost (Hagen) wird.

Johannes Kückens, bisher Leiter dereMagazine-Entwicklung der Geo-Gruppe (G+J), übernahm die neu ge-schaffene Position eines Redaktionel-len Leiters Geo Digital.

Alexander Marinos, früher stellv.Chefredakteur beim Bonner General-Anzeiger, zuletzt Chefredakteur derEßlinger Zeitung, verließ das Blattnach nur sechs Monaten. Er folgte alsstellv. Chefredakteur der WAZ (FunkeMediengruppe) auf Wilhelm Klüm-per, der das Unternehmen verließ.

Alina Merkau, zuletzt Moderatorinbei privaten Radiosendern in Berlin,ergänzt das Moderatoren-Team desSAT.1-”Frühstücksfernsehens”.

NDR-Verwaltungsrat: Bernd Reinert(CDU), von 2008 bis 2011 Staatsratder Behörde für Wissenschaft undForschung in Hamburg, löste als Vor-sitzender des Gremiums Ulf Birch(Niedersachsen) ab. Stellvertreterinwurde Sigrid Keler (SPD), langjähri-ge Finanzministerin von Mecklen-burg-Vorpommern, die auf DagmarGräfin Kerssenbrock (Schleswig-Holstein) folgte.

Sandra Olbrich, bisher schon Mode-ratorin und Redakteurin für verschie-dene Fernsehformate, löste als Mode-ratorin der wöchentlichen ZDF-Reihe„Menschen – das Magazin” BettinaEistel ab.

30 M 7.2014

«M – Menschen Machen Medien»Medienpolitische ver.di-Zeitschrift, erscheint acht Mal im Jahr

Herausgeber: Fachbereich 8 (Medien,Kunst, Industrie), Bundesvorstand: Frank Bsirske / Frank Werneke

Redaktion: Karin Wenk (verantwortlich),Telefon 030 / 69 56 23 26Anschrift: ver.di Bundesverwaltung / Karin Wenk, Re daktion M, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Fax: 030 / 69 56 36 76E-Mail: [email protected] Für unverlangt eingesandte Artikel undBilder übernimmt die Redaktion keineVerantwortung. Gezeichnete Beiträgestimmen nicht immer mit der Meinungder Redaktion überein.

Anzeigen: Network Media GmbHStresemannstraße 30, 10963 BerlinAnsprechpartner: Nicole Stelzner (Leiterin)Tel: 030 / 255 94 – 180 Fax: 030 / 255 94 – 190E-Mail: [email protected]ültige Anzeigenpreisliste:Nr. 19 gültig ab 1.1.2014

M im Internethttp://mmm.verdi.de

ImpressumLayout: Petra Dreßler, BerlinTel. 030 / 322 18 57Titelbild: Hermann J. Haubrich, Berlin, Tel. 0171 / 343 88 10

Druck und Vertrieb:alpha print medien AG (apm)Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt

Jahresabonnement:36,– € einschließlich Versandkosten.Abonnementsverwaltung:Verlagsgesellschaft W.E. WeinmannmbH, Postfach 1207, 70773 Filderstadt, Telefon 0711 / 700 15 30. Fax: –10E-Mail: [email protected]

Für Mitglieder der Medien-Fachgruppenist die Bezugsgebühr im Mitgliedsbeitragenthalten. ver.di-Mitglieder aus anderenFach gruppen zahlen 18 € – eine geson-derte Bestellung ist notwendig.

Weitere Publikationen:„Kunst & Kultur“ verantwortlich: Burkhard BaltzerTel. 030 / 69 56 – 10 60„Druck + Papier“ verantwortlich: Helma Nehrlich Tel: 030 / 613 09 664

Redaktionsschluss: M 7.2014: 06.10.2014M 8.2014: 21.11.2014ISSN-Nr.: 09 46 – 11 32

Grafik: Hermann Haubrich

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Carolin Ollivier, seit 2006 beim„ARTE Journal” in verschiedenenFunktionen tätig, folgt als Redakti-onsleiterin der Sendung und Stellver-treterin des Chefredakteurs auf SinjeMatzner, die Leiterin der AbteilungService Fernsehen beim SWR wurde.

Griet von Petersdorff (RBB), bisherKorrespondentin in Berlin und Bran-denburg für Nachrichtensendungender ARD, folgte als Fernsehkorrespon-dentin und Leiterin des ARD-StudiosWarschau auf Ulrich Adrian (WDR).

Danijela Pilic, als Journalistin für di-verse Titel (u. a. myself, Glamour.de,Cosmopolitan, SZ) und als Buchauto-rin tätig, übernahm die Leitung desBeauty-Ressorts beim Frauenmagazin

myself (Condé Nast) stellvertretendfür Ina Küper, die in Elternzeit ging.

Martin Reckweg, bisher trimedialerChefredakteur von Radio Bremen,wird im Landesfunkhaus Niedersach-sen des NDR in Hannover Leiter einerneuen Hörfunkredaktion, in der dieBereiche Aktuell, Magazine und Sportintegriert werden.

Ulrich Reitz, früher Leiter der Parla-mentsredaktion des Magazins Focus(Hubert Burda Media) in Bonn, zuletztbis Mai 2014 Chefredakteur der WAZ,folgte als Chefredakteur des Focusauf Jörg Quoos, der diese Positionseit Anfang 2013 innehatte. Auch Ge-rald Selch, bisher stellv. Chefredak-teur, verließ das Magazin.

Annette Reuther, zuletzt Dienstlei-terin in der Panorama-Redaktion imdpa-Newsroom in Berlin, wird Leiterindes neuen Regionalbüros Südwest -europa in Rom (Italien, Vatikanstaat,Malta, Spanien, Portugal). JürgenBätz, zuletzt beim internationalenAP-Dienst EU-Korrespondent in Brüs-sel, folgt als Leiter des Regionalbüros,in Johannesburg auf Laszlo Tranko-vits, der ausschied. Beide treten ihreStellen zum 1. Dezember 2014 an.

Roland Rust legt sein Amt als Direk-tor des Cottbuser Filmfestivals desosteuropäischen Films nieder.

Martina Schimmelpenning, bislangLeiterin des NDR-Studios Braun-schweig, zu dem organisatorischauch das Studio Göttingen gehört,und Waltraud Luschny, bisher Leite-rin des NDR-Studios Osnabrück,tauschten ihre Positionen.

Gerd Schneider, seit 2011 Chefre-dakteur des Donaukuriers (Ingolstadt),wurde ohne Angabe von Gründenentlassen. Die Redaktionsleitungübernahm sein bisheriger Stellvertre-ter Stefan König.

Stern (Gruner + Jahr): Thomas Am-mann, bisher u. a. geschäftsführen-der leitender Redakteur bei SpiegelTV und Chefredakteur des Pay-TV-Ka-nals Spiegel TV Digital, seit 2008 alsJournalist, Autor und TV-Produzenttätig, wurde stellv. Chefredakteur desMagazins. Philipp Jessen, bislangstellv. Chefredakteur des People-Ma-gazins Gala und Redaktionsleiter vonGala Digital, folgte als Chefredakteurvon Stern Online auf Anita Zielina,die das Unternehmen verließ.

Dr. Sarah Tacke, bisher Moderatorinund Reporterin beim NDR, wechselteals stellv. Leiterin der RedaktionRecht und Justiz zum ZDF; als Mode-

ratorin wird sie beim Wirtschafts- undVerbrauchermagazin „WISO” regel-mäßig in Erscheinung treten.

Catherine Vogel, Moderatorin undReporterin beim WDR („AktuelleStunde”), übernahm beim ZDF dieModeration von „heute nacht” imwöchentlichen Wechsel mit RalphSzepanski. Pinar Tanrikolu, bisherRedakteurin und Moderatorin beimRegionalsender Franken Fernsehen,wird die kurzen „heute”-Nachrichten,etwa im „Morgenmagazin”, präsen-tieren.

Die Welt-Gruppe und der Informati-onssender N24 sollen zu dem multi-medialen NachrichtenunternehmenWeltN24 zusammengeführt werden.Deshalb wird die Chefredaktion zum1. Januar 2015 neu aufgestellt: Jan-Eric Peters, bisher Chefredakteur derWelt-Gruppe, leitet als ChefredakteurWeltN24 die gemeinsame Redaktionvon Welt, Welt am Sonntag und N24.Stellvertreter werden Arne Teetz,Chefredakteur von N24 und verant-wortlich für TV-Nachrichten und Be-wegtbild-Produktion, sowie Dr. UlfPoschardt, seit 2010 Stellvertretervon Peters. Thomas Exner (Wirt-schaft und Finanzen), Andrea Seibel(Meinungen) und Cornelius Tittel(Kultur), bisher stellv. Chefredakteureder Welt, sind zukünftig übergreifendfür die jeweiligen Ressorts verant-wortlich. Oliver Michalsky bleibt alsstellv. Chefredakteur für die digitalenAngebote der Gruppe zuständig,Beat Balzli in der gleichen Positionfür die Welt am Sonntag. FrankSchmiechen, bislang ebenfalls stellv.Chefredakteur der Welt, wechselte alsChefredakteur zu gruenderszene.de(Axel Springer SE), einem Online-Ma-gazin für die Digital-Wirtschaft.

Weitere Leute Meldungen:http://mmm.verdi.de

LEUTE

M 7.2014 31

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Journalist ausLeidenschaftZum Tod vonCarlos Alvaro Rojas Aguayo

Im Alter von 72 Jahren ist in Ess -lingen /Neckar der Journalist und Gewerkschafter Carlos Alvaro RojasAguayo nach kurzer schwerer Erkrankung am 9. September 2014 gestorben.Schon als Abiturient hatte die Leidenschaft zum Schreiben den jungen Chilenengeprägt. Nach einem Journalismus-Studium wurde er 1965 Reporter bei derTageszeitung „El Mercurio de Valparaíso”, 1967 Redakteur bei der Tageszei-tung „El Sur” in Concepción. Nach dem Militärputsch am 11. September 1973 wurde Rojas als Anhängerder Allende-Regierung verhaftet und interniert, musste Isolationshaft, Folterund Scheinhinrichtungen über sich ergehen lassen, bis er im Juli 1975 mit Unterstützung des DGB mit seiner Familie nach Deutschland ausreisen durfteund nach Stuttgart kam. Hier gehörte er zu den Aktivisten der Chile-Solidariätund arbeitete von 1976 bis 1981 als Korrespondent der mexikanischen Zeit-schrift „Unomasuno”. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre organisierte derGewerkschafter auch einige Solidaritätsaktionen der IG Druck und Papier zu-gunsten der von der Militärdiktatur drangsalierten Oppositionspresse in seinemHeimatland, und er fungierte sozusagen als Verbindungsmann zur chilenischenDruckergewerkschaft. Bei alledem sehnte sich Alvaro Rojas stets nach Chile zurück und wollte sobaldwie möglich sein deutsches Exil verlassen, um als Journalist wieder vor Ort fürdie Befreiung Chiles von der Diktatur und eine Demokratisierung des Landesarbeiten zu können. 1987 übernahm er bei dem oppositionellen Magazin„Análisis” die Stelle des von Paramilitärs ermordeten Leiters des Auslandsres-sorts, José Carrasco. Erneut wurde Rojas auch selber 1988 festgenommen, kamaber nach einigen Wochen aufgrund internationalen Drucks wieder frei. Vier Jahre später waren es familiäre Gründe, die Rojas und seine zweite Ehe-frau veranlassten, mit ihren zwei kleinen Söhnen nach Stuttgart zurückzukeh-ren. Von hier aus gab der Journalist die Zeitschrift „Las Noticias de Chile”, spä-ter „El Chileno” heraus und in den letzten Jahren die vielbeachtete Internet-plattform www.elchileno.cl. Bei der Trauerfeier In Esslingen legten seine Ge-werkschaftskolleginnen und -kollegen rote Nelken an seinen Sarg: Hasta siempre, Companero! hem

Foto: Henrik Müller

Sex sells, Crime auch, das ist keine neue Erkenntnis. Aber wenn der alte Ver-kaufsschlager die Berichterstattung in den Medien dominiert, dann hat sichetwas verändert. Dem wollen wir nachspüren und uns zunächst vergewis-sern, ob unsere Beobachtung, dass die Blaulichtberichterstattung denStadtrat aus den Medien verdrängt, den Tatsachen entspricht – Und was siebedeutet: Werden neue Publikumsinteressen bedient? Oder ist eine solcheEntwicklung „nur“ ein Kollateralschaden des steigenden Arbeitsdrucks inden Redaktionen? Welche Rolle spielen die sozialen Medien als neue Quel-len einer- und neue Medien andererseits, wenn sich neue Tendenzen im Jour-nalismus herauskristallisieren und was bedeuten diese eigentlich für dieGesellschaft insgesamt?

Das sind die Fragen, denen wir auf unserem 28. Journalistentag nachgehenwollen. Und sind gespannt auf die Antworten, die wir gemeinsam mit un-serem Publikum finden werden!

VORABENDPARTY

Freitag, 28. November 2014 ab 19.30 Uhrin der Galerie der ver.di BundesverwaltungPaula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin

PROGRAMM 29. NOVEMBER 2014

10.00 Uhr Eröffnung durch den stv. ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke

10.15 Uhr Yellow-Press, Regenbogen, Boulevard, bunte Blätter, Journalismus, Presse, Medien, soziale Medien: Worüber reden wir eigentlich?Eine dialogische Begriffsklärung durch den Macher von Topfvoll-gold.de, Moritz Tschermak und Cornelia Haß, dju in ver.di undMitglied im Trägerverein des Deutschen Presserats

10.45 Uhr Ein anderer Journalismus oder etwas anderes als Journalismus?Aktuelle Transformationen öffentlicher Kommunika tion –Was zeichnet Journalismus aus und welche Zukunft hat er? Wer bedroht ihn? Erika und Max Mustermann, die im Internet ihreMeinung zu diesem und jenem publizieren? Manager, die Online-Portale und Boulevard-Publizistik be treiben mit dem „Ergebnis pro Aktie als entscheidender Kennziffer”? Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt präsentieren ihre Thesenzu „Alleinstellungsmerk malen des Journalismus” als Zwischener-gebnis einer Ausarbeitung für die Otto Brenner Stiftung.

11.45 Uhr Wie reagieren Sendeanstalten und Printmedien auf die neue Öffentlichkeit? Wo gibt es Wechselwirkungen neuerWeichenstellungen in den Medien? Eine Auseinandersetzung.

12.30 Uhr Mittagspause

13.30 Uhr DJS, Abschlussklasse präsentiert einen Film mit ihren Vorstellun-gen zum Thema „Mehr Personalisierung, mehr soziale Medien: Welchen Einfluss hat das auf die Ausbildung der Journalistinnen und Journalisten von morgen? Der Leiter der Deutschen Journalistenschule, Jörg Sadrozinski,über neue Weichenstellungen in der Journalismus-Ausbildung

14.15 Uhr Der alltägliche Druck in den Redaktionen: Sex and Crime verkauft sich gut, Klickzahlen steigen wenn das Blutspritzt: Was bedeutet das für die Arbeit von Journa listinnen undJourna listen? Wie gehen sie mit dem Druck und den Ansprüchen ansaubere Recherche und umfassender Information ihres Publikums um?Sascha Langenbach, ehem. Chefreporter des Berliner Kurier

14.45 Uhr Wie hat sich die Auslandsberichterstattung verändert? Gibt es einen Trend zur Personali sierung? Welche Auswir kungen haben die Veränderungen? Gibt es einen Trend zur Trivia lisierung?Welche Auswirkungen hat das auf die Informiertheit des Publikums? Luten Leinhos, Auslands korrespondent für das ZDF-heute-journal

15.15 Uhr Kaffeepause

15.45 Uhr Und was hat das mit uns zu tun? Wie verändert sich unsere Gesellschaft, wenn alles öffentlich ist,wenn Katzenfilme auf youtube sich größter Beliebtheit erfreuen undin den Zeitungen keine Informationen mehr über die Gemeinderats -sitzung erscheinen? Wie befördern facebook & Co. die gesellschaftliche Entwicklung?Ein kabarettistischer Ausblick des fränkischen Wortakrobaten (und Soziologen) Oliver Tissot

16.45 Schlusswort: dju-Vorsitzender Uli Janßen

Tagesmoderation: Inez Kühn

28. JOURNALISTENTAGSamstag, 29. November 201410 –17 Uhr

Wie breit machen wir den Boulevard?Lokal–regional–international–trivial x

ACHTUNG –ANDERER VERANSTALTUNGSORT!IG Metall BerlinAlte Jakobstraße 14910969 Berlin Infos und Anmeldung

https://dju.verdi.de/journalistentagFax: 030 / 69 56 36 57oder E-Mail: [email protected]

M 7.2014 33

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