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1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 1
Inhalt der Vorlesung „Computational Chemistry“Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden
→ insbesondere Moleküleigenschaften: Methoden
• Struktur: die Molekülgeometrie Kraftfelder bzw.welche Gestalt haben Moleküle ? Molekülmechanik (MM)
Quantenmechanik (QM)
• zeitliche Bewegung von Molekülen Moleküldynamik (MD)wie finden Konformationsänderungen statt?
• Konformationsraum von Molekülen Energieminimierung
welche Anordnungen der Atome sind sinnvoll ? Samplingmethoden
• Berechnung von Interaktionsenergien Freie-Energie-Rechnungen
wie stark bindet ein Ligand an ein Protein?
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 2
(1) Docking
(2) Drug Design
Spezielle Lehrveranstaltungen, zum Teil für den Masterstudiengang
(3) Grundlagen aus der Chemie und physikalischen Chemie:
• Okettregel
• Stöchiometrie
• Thermodynamik (Massenwirkungsgesetz, Hauptsätze der Thermodynamik)
(4) Grundlagen aus der Mathematik (Analysis):
• Ableitungen
• Integrale
Was diese Vorlesung nicht behandelt
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 3
Was ist Computational Chemistry?
Computational Chemistry:
Arbeitsgebiet an der Schnittstelle von
theoretischer Chemie,
Molecular Modeling und
struktureller Bioinformatik.
Haupteinsatzbereich von Computational Chemistry:
finde mittels numerischer Rechnungen
Antworten auf chemische Probleme.→ Vorhersage von Moleküleigenschaften
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 4
Geschichte der Computational Chemistry
Geschichte der Computational Chemistry:
entweder recht lang - wenn man ab der Entwicklung der Quantenmechanik in den 1920er Jahren als Ursprung der theoretischen Chemie rechnet,
oder recht jung, da genaue Rechnungen an Molekülen mit vielen hundert Atomen erst seit der Entwicklung moderner, leistungsstarker Computer in den 1980er Jahren möglich sind.
Computerchemie gehörte stets zu denWissenschaftsgebieten mit den größtenAnforderungen an Rechenleistung.
Ca. 2/3 aller wissenschaftlich genutztenRechenzeit wird für quantenchemischeApplikationen und Moleküldynamik(MD)-Simulationen verwendet. Erwin Schrödinger Michael J.S. Dewar
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 5
Molekülgeometrie
Bindungslängen oder Bindungsabstände
HC C C
C
H
H
H
H
C C
H
H
H
H
C
O
N
H
1.54 Å = 154 pm1.09 Å
109.5°120°
1.34 Å
1.10 Å
180°
C
O
N
H
Bindungswinkel
Torsionswinkel oder Diederwinkel (dihedral angles)
H-C-H planarH-C-H tetraedrisch
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 6
Die Valenzelektronen der Atome werden paarweise zu Bindungen gruppiert
Diese Darstellung als Lewis-Strukturen gibt die kovalenten Bindungen zwischen den Atomen in einem Molekül wieder
H C
H
H
H
HC C
H
HH
... .
..
..
..
... . . .. .
..C
H
H
H
H
HH
C C
H H
Darstellung chemischer Strukturen (I)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 7
H N
H
H
..
... . .. H N
H
H
N
H
H
H
Hypervalente Atome kontra Oktettregel
Freie Elektronenpaare, die nicht an einer Bindung beteiligt sind,(engl.: lone pairs) werden der Übersichtlichkeit halber oft nicht gezeigt
H N
H
HH N
+H
H
H H N+
O
O
O S
O
O
O O P
O
O
O
H C
O
O
+ H+
Identische Bindungslängen trotz unterschiedlicher Darstellung !→ mesomere Grenzstrukturen
Darstellung chemischer Strukturen (II)
Welche Bedeutung haben freie Elektronenpaare für Wasserstoffbrückenbindungen?
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 8
Auch Kohlenstoffatome werden häufig weggelassen
→ die Ecken des Molekülgraphs
Ecken und die Enden der Kanten stellen Kohlenstoffatome dar, die jeweils mit der entsprechenden Anzahl an Wasserstoffatomen abgesättigt werden.
C C C C
H
H
H
H
H
H
H
H C
CC
C
CC
H
H
HH
H
H
C
CCC
C
C
H
H
H
H
HH
HH
H
H
H
H
Darstellung chemischer Strukturen (III)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 9
H
C
CH3
F
Cl
Stereochemie
Keile markieren Bindungen zu Atomen, die aus der Ebene hervortreten; gestrichelte Keile solche, die nach hinten zeigen
H
C
CH3
F
Cl
H
C
CH3Cl
F
Vier verschiedene Substituenten an einem Kohlenstoffatom bewirken Chiralität
Darstellung chemischer Strukturen (IV)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 10
Molekülbaukästen
Käuflich in verschiedenen Preisklassen erhältlich
Zum Anfassen
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 11
Visualisierung des Outputs verschiedenster MM, MD undQM-Programme
vmd http://www.ks.uiuc.edu/Research/vmd/
Nützliche Software
Visualisierung und Kraftfeld
Ball
http://www.bioinf.uni-sb.de/OK/BALL
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 12
Der Ritterschlag für das Gebiet der Computational Chemistry war gewissermaßen der Nobelpreis für Chemie in 1998 an
- John Pople "for his development of
computational methods in quantum chemistry"
- Walther Kohn "for his development
of the density-functional theory"
Diese Preise wurden in der Wissenschaftsgemeinde (“community”) mit ungeheurer Befriedigung aufgenommen, nicht allein als Auszeichnung der beiden Forscher,
sondern als Auszeichnung des gesamten Gebiets.
Erhebung der Computational Chemistry „in den Adelsstand“
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 13
Isomere von C6H6
Dies sind einige der 217 denkbaren Graphen von C6H6, die mit der Oktettregel vereinbar sind. Welche sind stabil ? Welches Molekül ist das stabilste ?
Prisman DewarBenzol
Benzol
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 14
Vollständig empirisch ab initio
Molekülmechanik Quantenmechanik
Neuronale Netze
Kraftfelder semiempirische MO-Methoden
Dichte-funktional-theorie
coupled cluster
zunehmender Rechenaufwand
machbare Größe des Molekülsystems
Anzahl Atome 1.000.000 200 50 10
Zunehmende Spezialisierung
auf bestimmte Eigenschaften
Häufig verwendete Methoden
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 15
- Molekül-Mechanik (empirische Kraftfelder AMBER, OPLS, CHARMM, GROMOS, ...)
- Moleküldynamik (klassische Newton-Mechanik)
- Semi-empirische Molekül-Orbital-Theorie (MNDO, AM1, PM3, OM2, MNDO/d, …)
- Dichtefunktionaltheorie (LDA, B3LYP, …)
- ab Initio Molekül-Orbital-Theorie (Hartree-Fock, Møller-Plesset, Coupled Cluster …)
zur Computational Chemistry gehören ebenfalls:
- Quantitative Structure-Activity Relationships (QSAR)
- Chemoinformatik
- Docking
- Graphische Darstellung von Strukturen und Eigenschaften
Welche Methoden verwendet Computational Chemistry?
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 16
Wozu brauchen Bioinformatiker Computational Chemistry?
→ Protein-Liganden Bindung
→ Protein-Protein Bindung
→ Proteinfaltung
→ Docking (Konformationsanalyse)
→ QSAR
→ ...
http://www.aventis.com/
http://www.dell.com Univ. Buffalo cluster
→ Entwicklung von Medikamenten
Überblick über den Inhalt der Vorlesung
Molekül-Mechanik
1 Einleitung
2 Strukturen, molekulare Kräfte
3 Kraftfelder und Minimierung
4 Statistische Mechanik
5 Moleküldynamik-Simulationen
6 Sampling des Konformationsraums
Quantenchemie
7 Quantenchemische Grundlagen
8 Molekül Orbital Theorie
9 Chemische Reaktionen
10 Moleküleigenschaften
11 Bindungsaffinitäten Enzym-Ligand
Klausur 15. Juli 2013 10-12 Uhr
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 18
Schein
Es wird jede Woche in der Vorlesung 1 Übungsblatt ausgegeben, also insgesamt etwa 10 – 11 Übungsblätter.
Jeder aktive Teilnehmer der Vorlesung muss ein eigenes Lösungsblatt abgeben.
An der Abschlussklausur kann teilnehmen, wer ≥ 50% der Punkte in den Übungsblättern erreicht hat.
Einen Übungsschein über die erfolgreiche Teilnahme an der Vorlesung (6 LP)
gibt es bei erfolgreicher Teilnahme an der Abschlussklausur und/oder der Nachklausur.
Die Note des Übungsscheins entspricht der besseren Note aus beiden Klausuren.
Sprechstunde: nach Vereinbarung (oder per e-mail)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 19
Übungsgruppen - Termine
Die Übungsgruppenleiterin ist
- Jennifer Degač
Montags, 11:45 – 13:45 Uhr Gebäude E2.1 Raum 007
Beginnend am 29.04.2013
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 20
Literatur - QuantenchemieKopien der Vorlesung kommen auf unsere Webseite
http://gepard.bioinformatik.uni-saarland.de
Introduction to Computational Chemistry
Frank Jensen, Wiley, €54 - 62
(im Semesterapparat)
Essentials of Computational Chemistry
Christopher J. Cramer, Wiley, €129-154
(im Semesterapparat)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 21
Literatur – Molekülmechanik/SimulationenMolecular Modeling and Simulation
Tamar Schlick, Springer, € 64 – 72
(in Info-Bibliothek, Semesterapparat)
Molecular Modellng. Principles and Applications 2nd ed 2001, Andrew R. Leach,
Prentice Hall, €71 – 75(in Semesterapparat
und Lehrbuchsammlung)
Computer Simulation of Liquids
M.P. Allen & D.J Tildesley, Oxford Science, €50 – 53
(im Semesterapparat)
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 22
o Thermodynamische Zustandsfunktionen
o Erster Hauptsatz der Thermodynamik
o Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
o innere Energie U, Entropie S, Enthalpie H,
freie Energie F, freie Enthalpie G
o Grundlagen der Quantentheorie
o Schrödinger-Gleichung
o Aufbau der Atome
o Aufbau der Moleküle – Arten von Bindungen (kovalent, ionisch, H-Bindung), Molekülorbitale
Zur Auffrischung aus der VL „physikalische Chemie“wird empfohlen:
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 23
Energiebegriff (I)
Was ist Energie, was ist Arbeit?
Mechanik: Kraft • Weg
Definition: Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten.
Energie und Arbeit sind äquivalent.
Formen von Energie:
Lageenergie (mechanisch)
Elektrische Energie
Volumenarbeit
Chemische Energie
Welche Energieformen kennen Sie noch?
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 24
Energiebegriff (II)
System: derjenige Teil der Welt, dem unser spezielles Interesse gilt.
Außerhalb des Systems befindet sich die Umgebung.
Offene Systeme erlauben den Austausch von Materie bzw. Wärme mit ihrer Umgebung.
Abgeschlossene Systeme haben mit der Umgebung weder mechanischenbzw. thermischen Kontakt.
Wenn wir an einem ansonsten isolierten SystemArbeit leisten, nimmt seine Fähigkeit, selbst Arbeitzu leisten, zu, d.h. seine Energie nimmt zu.Wenn das System Arbeit leistet, so nimmtseine Energie ab.
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 25
Der Erste Hauptsatz
„Dem System ist egal, in welcher Form Energie übertragen wird.“
Es funktioniert ähnlich wie ein Bankkonto in Bezug auf Geld.
Erster Hauptsatz: verändert sich ein System von einem Zustand in einen anderen auf einem beliebigen adiabatischen Weg, so ist die geleistete Arbeit wad immer dieselbe, unabhängig von der angewandten Methode.
→ Der Wert von wad ist für alle Wege gleich und hängt nur vom Anfangs- und Endzustand ab.
wad = UE – UA
U ist die innere Energie des Systems.
U ist eine Zustandsfunktion.
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 26
Newton‘sche Gesetze
2. Gesetz Die Beschleunigung a ist dem Verhältnis von Kraft F
und Masse m proportional:
3. Gesetz: Actio = Reactio
Fg = m ∙ g
2
2
dt
xdm
xm
amF
=
⋅=
⋅=
&&
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 27
U : potentielle Energie des Teilchens.
Meist hängt U nur von den Positionen ab, also U(x,y,z).
Die Newtonschen Bewegungsgleichungen lauten damit
Energie - Kraft( )
( )222
2
2
1
2
1,,
zyxm
mvzyxT
&&&
&&&
++=
=
zyxx
i
i ix
Uxm
,,=∂
∂−=&&
T : kinetische Energie eines Teilchens.
in kartesischen Koordinaten:
∂
∂∂
∂∂
∂
=∇
−∇=
∂
∂−=
z
y
x
UF
x
UFFür die Kraft F gilt:
in einer Dimension
in drei Dimensionen
mit dem Gradienten-
(Nabla-)Operator
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 28
Das mikrokanonische NVE-Ensemble
potentielle Energie U:
D: z.B. Federkonstante
Wenn Gesamtenergie E0 gegeben,
kinetische Energie = Gesamtenergie – pot. Energie
U(r)
rr0
( ) ( )2
02
1rrDrU −=
Gegeben: ein System mit Teilchenzahl N und Volumen V.
In einem idealisierten, von der Außenwelt abgeschlossenen, System ist die Gesamtenergie E konstant = mikrokanonisches Ensemble
Bsp.: harmonischer Oszillator, Schwingungsbewegung in einem harmonischen Potential
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 29
Was kann man mit Computational Chemistry berechnen?
(1) Was ist die energetisch beste Konformation eines Moleküls?
Bewertung der Energie von Konformationen erfordert die Betrachtung, in welchen Orbitalen des Moleküls seine Elektronen verteilt sind (Molekülorbitaltheorie).
(2) Einfluss des Lösungsmittels (Solvatationseffekte).
(3) Was sind bei Raumtemperatur erreichbare andere Konformationen (Boltzmann)? → Konformationssampling des Moleküls.
(4) Dynamik von Konformationsübergängen?
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 30
Wie genau ist Computational Chemistry?
Durch Verwendung hochexakter Theorien wie der coupled-cluster-Methode können für kleine Moleküle bis 10 Atome im Vakumm Eigenschaften genauer als im Experiment berechnet werden!
Bei Unstimmigkeiten müssen mittlerweile oft die experimentellen Daten korrigiert werden!
Für große Moleküle (Proteine) sind diese Verfahren jedoch nicht praktikabel.
Hier braucht man vereinfachte Verfahren wie Molekülmechanik (V2).
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 31
Anwendungsbeispiel
Anwendung z.B.: Berechnung von Reaktivitäten und Lösungseigenschaften von Aktiniden mittels relativistischer Quantenchemie am Pacific Northwest National Laboratory.
„There are 177 underground waste storage tanks at Hanford. The tanks contain
wastes collected over almost 50 years of plutonium production. The wastes include
radioactive isotopes, toxic chemicals, corrosive liquids, organic solvents, and other
dangerous and hazardous substances.“ http://www.pnl.gov/tws/
Problem hier: es fehlen experimentelle Daten,
beispielsweise für die Löslichkeiten von
Uran-Verbindungen wie UF6 → Computational Chemistry!
1. Vorlesung SS13 Computational Chemistry 32
Zusammenfassung
• Computerchemie besitzt eine lange Geschichte.
• Bedeutung der Computerchemie wuchs stets parallel zur Entwicklung der
Rechner.
• Zwei wesentliche “Welten”: Quantenchemie ↔ Molekülmechanik
• Quantenchemie für sehr kleine Moleküle ist heutzutage hoch exakt,
oft genauer als das Experiment
• bei großen Systemen (z.B. Proteinen) müssen jedoch starke Näherungen
gemacht werden
Das wesentliche Lernziel dieser Vorlesung ist zu verstehen,
was die verschiedenen Methode leisten können und wo die Probleme liegen.
Für die Praxis: Welche Methode ist für welchen Zweck geeignet.