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1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 1 Inhalt der Vorlesung „Computational Chemistry“ Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden → insbesondere Moleküleigenschaften : Methoden Struktur: die Molekülgeometrie Kraftfelder bzw. welche Gestalt haben Moleküle ? Molekülmechanik (MM) Quantenmechanik (QM) • zeitliche Bewegung von Molekülen Moleküldynamik (MD) wie finden Konformationsänderungen statt? Konformationsraum von Molekülen Energieminimierung welche Anordnungen der Atome sind sinnvoll ? Samplingmethoden • Berechnung von Interaktionsenergien Freie-Energie- Rechnungen wie stark bindet ein Ligand an ein Protein?

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Page 1: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 1

Inhalt der Vorlesung „Computational Chemistry“Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

→ insbesondere Moleküleigenschaften: Methoden

• Struktur: die Molekülgeometrie Kraftfelder bzw.

welche Gestalt haben Moleküle ? Molekülmechanik (MM)

Quantenmechanik

(QM)

• zeitliche Bewegung von Molekülen Moleküldynamik (MD)

wie finden Konformationsänderungen statt?

• Konformationsraum von Molekülen Energieminimierung

welche Anordnungen der Atome sind sinnvoll ? Samplingmethoden

• Berechnung von Interaktionsenergien Freie-Energie-Rechnungen

wie stark bindet ein Ligand an ein Protein?

Page 2: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 2

(1) Docking

(2) Drug Design

Spezielle Lehrveranstaltungen, zum Teil für

den Masterstudiengang

(3) Grundlagen aus der Chemie und physikalischen Chemie:

• Okettregel

• Stöchiometrie

• Thermodynamik (Massenwirkungsgesetz, Hauptsätze der Thermodynamik)

(4) Grundlagen aus der Mathematik (Analysis):

• Ableitungen

• Integrale

Was diese Vorlesung nicht behandelt

Page 3: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 3

Was ist Computational Chemistry?Computational Chemistry: Arbeitsgebiet an der Schnittstelle von theoretischer

Chemie, Molecular Modelling und struktureller Bioinformatik.

Haupteinsatzbereich von Computational Chemistry:

finde mittels numerischer Rechnungen Antworten auf chemische Probleme.

→ Vorhersage von Moleküleigenschaften

Geschichte der Computational Chemistry: entweder recht lang (wenn von der

Entwicklung der Quantenmechanik in den 1920er Jahren als Ursprung der

theoretischen Chemie gerechnet) oder recht jung, da genaue Rechnungen an

Molekülen mit vielen hundert Atomen erst seit der Entwicklung moderner,

leistungsstarker Computer in den 1980er Jahren möglich.

Computerchemie gehörte stets zu den Wissenschaftsgebieten mit den größten

Anforderungen an Rechenleistung.

Ca. 2/3 aller wissenschaftlich genutzten Rechenzeit wird für quantenchemische

Applikationen und Moleküldynamik (MD)-Simulationen verwendet.

Page 4: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 4

Molekülgeometrie

Bindungslängen oder

BindungsabständeHC C C

C

H

H

H

H

C C

H

H

H

H

C

O

N

H

1.54 Å = 154 pm1.09 Å

109.5°120°

1.34 Å

1.10 Å

180°

C

O

N

H

Bindungswinkel

Torsionswinkel oder

Diederwinkel

H-C-H planarH-C-H tetraedrisch

Page 5: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 5

Der Ritterschlag für das Gebiet der Computational Chemistry war

gewissermaßen der Nobelpreis für Chemie in 1998 an

- John Pople "for his development of

computational methods in quantum chemistry"

- Walther Kohn "for his development

of the density-functional theory"

Diese Preise wurden in der Wissenschaftsgemeinde (“community”) mit ungeheurer

Befriedigung aufgenommen, nicht allein als Auszeichnung der beiden Forscher,

sondern als Auszeichnung des gesamten Gebiets.

Erhebung der Computational Chemistry „in den Adelsstand“

Page 6: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 6

Isomere von C6H6

Dies sind einige der 217 denkbaren Graphen von C6H6, die mit der Oktettregel

vereinbar sind. Welche sind stabil ? Welches Molekül ist das stabilste ?

Prisman DewarBenzol

Benzol

Page 7: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 7

Vollständig empirisch ab initio

Molekülmechanik Quantenmechanik

Neuronale Netze

Kraftfeldersemiempirische MO-Methoden

Dichte-funktional-theorie

coupled cluster

zunehmender Rechenaufwand

machbare Größe des Molekülsystems

Anzahl Atome 1.000.000 200 50 10

Zunehmende Spezialisierung

auf bestimmte Eigenschaften

Häufig verwendete Methoden

Page 8: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 8

- Molekül-Mechanik (empirische Kraftfelder AMBER, OPLS, CHARMM, GROMOS, ...)

- Moleküldynamik (klassische Newton-Mechanik)

- Semi-empirische Molekül-Orbital-Theorie (MNDO, AM1, PM3, OM2, MNDO/d, …)

- Dichtefunktionaltheorie (LDA, B3LYP, …)

- ab Initio Molekül-Orbital-Theorie (Hartree-Fock, Møller-Plesset, Coupled Cluster …)

zur Computational Chemistry gehören ebenfalls:

- Quantitative Structure-Activity Relationships (QSAR)

- Docking

- Graphische Darstellung von Strukturen und Eigenschaften

Welche Methoden verwendet Computational Chemistry?

Page 9: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 9

Wozu brauchen Bioinformatiker Computational Chemistry?

Protein-Liganden Bindung

Protein-Protein Bindung

Proteinfaltung

Docking (Konformationsanalyse)

QSAR

...

http://www.aventis.com/

http://www.dell.com Univ. Buffalo cluster

Entwicklung von Medikamenten

Page 10: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 10

Überblick über den Inhalt der VorlesungMolekül-Mechanik (V. Helms)

1 Einleitung (heute)

2 Strukturen, molekulare Kräfte

3 Kraftfelder und Minimierung

4 Statistische Mechanik

5 Moleküldynamik-Simulationen

6 Sampling des Konformationsraums

12 Intermolekulare Bindungen,

Berechnung von Bindungsenergien,

13 Abschlussklausur

15. Juli 2009, 830 -1030 Uhr

Quantenchemie (M. Hutter)

7 Molekülorbital Theorie

8 Semiempirische Molekül Orbital

Theorie

9 Solvatationsmodelle

10 Chemische Reaktionen

11 Berechnung von

Moleküleigenschaften

{

Page 11: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 11

Schein

Es wird jede Woche in der Vorlesung 1 Übungsblatt ausgegeben, also insgesamt

etwa 10 – 11 Übungsblätter.

Jeder aktive Teilnehmer der Vorlesung muss ein eigenes Lösungsblatt abgeben.

An der Abschlussklausur kann teilnehmen, wer 50% der Punkte in den

Übungsblättern erreicht hat.

Einen Übungsschein über die erfolgreiche Teilnahme an der Vorlesung (6 LP)

gibt es bei erfolgreicher Teilnahme an der Abschlussklausur und/oder der

Nachklausur.

Die Note des Übungsscheins entspricht der besseren Note aus beiden Klausuren.

Sprechstunde: nach Vereinbarung (z.B. per e-mail)

Page 12: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 12

Übungsgruppen - Termine

Der/die ÜbungsgruppenleiterIn ist

- N.N.

wann haben Sie Zeit?

Wochentag / Uhrzeit

Page 13: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 13

Literatur - QuantenchemieKopien der Vorlesung kommen auf unsere Webseite

http://gepard.bioinformatik.uni-saarland.de

Introduction to Computational Chemistry

Frank Jensen, Wiley, €54 - 62

(in Info-Bibliothek, Semesterapparat)

Essentials of Computational Chemistry

Christopher J. Cramer, Wiley, €129-154

(in Info-Bibliothek, Semesterapparat)

Page 14: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 14

Literatur – Molekülmechanik/SimulationenMolecular Modeling and Simulation

Tamar Schlick, Springer, € 64 – 72

(in Info-Bibliothek, Semesterapparat)

Molecular Modelling. Principles and Applications

2nd ed 2001, Andrew R. Leach,

Prentice Hall, €71 – 75

(in Info-Bibliothek, Semesterapparat

und Lehrbuchsammlung)

Computer Simulation of Liquids

M.P. Allen & D.J Tildesley, Oxford Science, €50 – 53

(Semesterapparat)

Page 15: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 15

o Thermodynamische Zustandsfunktionen (3.1)

o Erster Hauptsatz der Thermodynamik (2/3)

o Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik (6)

o innere Energie U, Entropie S, Enthalpie H,

freie Energie F, freie Enthalpie G

o Grundlagen der Quantentheorie (13/14)

o Schrödinger-Gleichung

o Aufbau der Atome (15)

o Aufbau der Moleküle – Arten von Bindungen (kovalent, ionisch, H-Bindung) (16)

Aus VL „physikalische Chemie“ wird als bekannt vorausgesetzt:

Page 16: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 16

Energiebegriff

System: derjenige Teil der Welt, dem unser spezielles Interesse gilt.

Außerhalb des Systems befindet sich die Umgebung.

Offene Systeme erlauben den Austausch von Materie bzw. Wärme mit ihrer

Umgebung.

Abgeschlossene Systeme haben mit der Umgebung weder mechanischen bzw.

thermischen Kontakt.

Definition: Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten.

Wenn wir an einem ansonsten isolierten System Arbeit leisten, nimmt seine

Fähigkeit, selbst Arbeit zu leisten, zu, d.h. seine Energie nimmt zu.

Wenn das System Arbeit leistet, so nimmt seine Energie ab.

Welche Energieformen kennen Sie?

Page 17: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 17

Der Erste Hauptsatz

„Dem System ist egal, in welcher Form Energie übertragen wird.“

Es funktioniert ähnlich wie ein Bankkonto in Bezug auf Geld.

Erster Hauptsatz: verändert sich ein System von einem Zustand in einen anderen

auf einem beliebigen adiabatischen Weg, so ist die geleistete Arbeit wad immer

dieselbe, unabhängig von der angewandten Methode.

Der Wert von wad ist für alle Wege gleich und hängt nur vom Anfangs- und

Endzustand ab.

wad = UE – UA

U ist die innere Energie des Systems.

U ist eine Zustandsfunktion.

Page 18: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 18

Newton‘sche Gesetze

2. Gesetz Die Beschleunigung a ist dem Verhältnis von Kraft F

und Masse m proportional:

3. Gesetz: Actio = Reactio

Fg = m ∙ g

2

2

dt

xdm

xm

amF

Page 19: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 19

U : potentielle Energie des Teilschens.

Meist hängt U nur von den Positionen ab, also U(x,y,z).

Die Newtonschen Bewegungsgleichungen lauten damit

Energie - Kraft

222

2

2

12

1,,

zyxm

mvzyxT

zyxxi

i ix

Uxm ,,

T : kinetische Energie eines Teilchens.

in kartesischen Koordinaten:

z

y

x

UFx

UF

Für die Kraft F gilt:

in einer Dimension

in drei Dimensionen

mit dem Gradienten-

(Nabla-)Operator

Page 20: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 20

Das mikrokanonische NVE-Ensemble

potentielle Energie U:

D: z.B. Federkonstante

Wenn Gesamtenergie E0 gegeben,

kinetische Energie = Gesamtenergie – pot. Energie

U(r)

rr0

202

1rrDrU

Gegeben: ein System mit Teilchenzahl N und Volumen V.

In einem idealisierten, von der Außenwelt abgeschlossenen, System ist die

Gesamtenergie E konstant = mikrokanonisches Ensemble

Bsp.: harmonischer Oszillator, Schwingungsbewegung in einem harmonischen

Potential

Page 21: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 21

Die Annahme eines isolierten Systems ist oft unrealistisch.

Meist ist statt der Energie E die Temperatur T konstant.

Bilde ein kanonisches Ensemble solcher System auf folgende Weise:

Jedes System wird in einen Container des Volumens V eingeschlossen,

dessen Wände wärmeleitend sind, aber keine Moleküle durchlassen.

Das gesamte Ensemble von Systemen wird in Kontakt mit einem großen

Wärmebad der Temperatur T gebracht.

Gleichgewicht stellt sich ein – das Ensemble hat eine Temperatur T

angenommen und somit auch jedes Teilsystem.

Das kanonische NVT-Ensemble (I)

Page 22: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 22

Nun wird der thermische Kontakt des Ensembles mit dem Wärmebad

unterbrochen.

Das Ensemble ist nun ein isoliertes System mit Volumen AV, Anzahl an Molekülen

AN und einer Gesamtenergie E.

Die einzelnen Systeme des Ensembles stehen in thermischem Kontakt.

Damit ist die Energie Ei der einzelnen Systeme nicht konstant und wir müssen die

Verteilung aller A Zustände über die j verschiedenen Energieniveaus des Systems

E1 ,E2, ... betrachten. aj seien die Besetzungszahlen der einzelnen Zustände.

Das kanonische NVT-Ensemble (II)

j

VNE

VNE

j j

j

e

eP ,

,

Dies ist die bekannte Boltzmann-Verteilung für die

Verteilung der A Systeme über die j verschiedenen

Energielevels des Systems.

= 1/kT ist der Kehrwert des Produkts aus der

Boltzmann-Konstante und der Temperatur.

Page 23: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 23

Was kann man mit Computational Chemistry berechnen? exakte Berechnung von Energien für verschiedene Molekülkonformationen Konformationssampling des Moleküls

(elektronisch) angeregte Zustände

Einfluß des Lösungsmittels (Solvatationseffekte)

Was muss man dazu wissen:

- Was ist die energetisch beste Konformation des Moleküls?

- Was sind bei Raumtemperatur erreichbare andere Konformationen (Boltzmann)?

- Dynamik von Konformationsübergängen?

- Bewertung der Energie von Konformationen: in welchen Orbitalen des Moleküls

sind seine Elektronen verteilt (Molekülorbitaltheorie).

Für ein einzelnes Molekül bis 10 Atome im Vakuum sind obige Rechnungen mit

hoher Genauigkeit durchführbar, für große Moleküle (Proteine) jedoch sehr

problematisch. Man braucht vereinfachte Verfahren.

Page 24: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 24

Genauigkeit von quantenchemischen Rechnungen

Durch Verwendung hochexakter Theorien wie die coupled-cluster-Methode können

für kleine Moleküle Eigenschaften genauer als im Experiment berechnet werden!

Bei Unstimmigkeiten müssen mittlerweile oft die experimentellen Daten korrigiert

werden!

Anwendung z.B.: Berechnung von Reaktivitäten und Lösungseigenschaften von

Aktiniden mittels relativistischer Quantenchemie am Pacific Northwest National

Laboratory.

„There are 177 underground waste storage tanks at Hanford. The tanks contain

wastes collected over almost 50 years of plutonium production. The wastes include

radioactive isotopes, toxic chemicals, corrosive liquids, organic solvents, and other

dangerous and hazardous substances.“ http://www.pnl.gov/tws/

Problem hier: es fehlen experimentelle Daten,

beispielsweise für die Löslichkeiten von

Uran-Verbindungen wie UF6 Computational Chemistry!

Page 25: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 25

Molekül-Mechanik (I)

• Für (hinreichend) stabile Moleküle, v.a. große und sehr große Systeme

werden Kraftfeldbasierte Methoden eingesetzt.

Protein: etwa 1000 bis 100.000 Atome

Membranausschnitt: >100.000 Atome

→ entsprechend viele Freiheitsgrade und numerischer Aufwand

Deshalb nur “einfache” physikalische Beschreibung möglich

• Im Gegensatz zur Quantenmechanik werden nur die Positionen der Atomkerne

betrachtet

• Bindungen zwischen den Atomen werden vom Benutzer definiert

Page 26: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 26

Molekül-Mechanik (II)• Basiert auf einfachen, empirisch abgeleiteten Beziehungen zwischen der

Energie und Bindungswinkeln, Diederwinkeln und Abständen.

• Ignoriert die Elektronen und den Effekt von -Systemen!

• Sehr einfach, Resultate sind jedoch okay im Rahmen der berechenbaren

Grössen.

)(0)(6

)(

12

)(

)(

2)(0

)()(

)(

2)(0

)(

)(

2)(0

)(

4

1

cos(12

22

ijpairs ij

ji

ijpairs ij

ij

ij

ij

ijkltorsions

ijklijklijkl

ijkangles

ijkij

ijk

ijbonds

ijij

ij

ESvdWtorsbendstretch

r

qq

r

B

r

A

nk

krr

k

EEEEEE

Page 27: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 27

Die Valenzelektronen der Atome werden paarweise zu

Bindungen gruppiert

Diese Darstellung als Lewis-Strukturen gibt die kovalenten

Bindungen zwischen den Atomen in einem Molekül wieder

H C

H

H

H

HC C

H

HH

... .

..

..

..

... . . .. .

..C

H

H

H

H

HH

C C

H H

Darstellung chemischer Strukturen (I)

Page 28: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 28

H N

H

H

..

... . .. H N

H

H

N

H

H

H

Hypervalente Atome kontra Oktettregel

Freie Elektronenpaare, die nicht an einer Bindung beteiligt sind,

(engl.: lone pairs) werden der Übersichtlichkeit halber oft nicht gezeigt

H N

H

HH N

+H

H

H H N+

O

O

O S

O

O

O O P

O

O

O

H C

O

O

+ H+

Identische Bindungslängen trotz

unterschiedlicher Darstellung !

→ mesomere Grenzstrukturen

Darstellung chemischer Strukturen (II)

Page 29: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 29

Auch Kohlenstoffatome werden häufig weggelassen

→ die Ecken des Molekülgraphs

Ecken und die Enden der Kanten stellen Kohlenstoffatome dar,

die jeweils mit der entsprechenden Anzahl an Wasserstoffatomen

abgesättigt werden.

C C C C

H

H

H

H

H

H

H

H C

CC

C

CC

H

H

HH

H

H

C

CCC

C

C

H

H

H

H

HH

HH

H

H

H

H

Darstellung chemischer Strukturen (III)

Page 30: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 30

H

C

CH3

F

Cl

Stereochemie

Keile markieren Bindungen zu Atomen,

die aus der Ebene hervortreten;

gestrichelte Keile solche, die nach hinten

zeigen

H

C

CH3

F

Cl

H

C

CH3Cl

F

Vier verschiedene Substituenten an einem Kohlenstoffatom

bewirken Chiralität

Darstellung chemischer Strukturen (IV)

Page 31: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 31

Molekülbaukästen

Käuflich in verschiedenen Preisklassen erhältlich

Zum Anfassen

Page 32: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 32

N

CH3

N

H

OH

OH

H

Speziell für komplizierte Moleküle sind diese Strukturzeichnungen

einfacher zu interpretieren als Bilder der tatsächlichen

dreidimensionalen Struktur

Fakultative Übung: Bauen Sie dieses Molekül mit Hilfe eines

Molekülmodellbaukastens nach.

Finden Sie die chiralen Kohlenstoffatome ?

Darstellung chemischer Strukturen (IV)

Page 33: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 33

Chemische Strukturen und

andere Objekte:

Isis Draw

www.mdli.com

Proteinstrukturen:

WebLab ViewerLite

www.msi.com

Pymol, www.pymol.org

Nützliche Software (I)

Page 34: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 34

Visualisierung des Outputs verschiedenster

MM, MD und

QM-Programme

vmd

http://www.ks.uiuc.edu/Research/vmd/

Nützliche Software (II)

Visualisierung und Kraftfeld

Ball

http://www.bioinf.uni-sb.de/OK/BALL

Page 35: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 35

Zusammenfassung Computerchemie besitzt eine lange Geschichte.

Bedeutung der Computerchemie wuchs stets parallel zur Entwicklung der

Rechner.

Zwei wesentliche “Welten”: Quantenchemie Molekülmechanik

Quantenchemie für sehr kleine Moleküle ist heutzutage hoch exakt,

oft genauer als das Experiment

bei großen Systemen (z.B. Proteinen) müssen jedoch starke Näherungen

gemacht werden

Das wesentliche Lernziel dieser Vorlesung ist zu verstehen,

was die verschiedenen Methode leisten können und wo die Probleme liegen.

Page 36: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 36

Zusätzliche Folien

Page 37: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 37

Dies ist in kartesischen Koordinaten:

Wir definieren nun die Hamilton-Funktion (Hamiltonian) für ein System mit einem

Teilchen: (1-20)

Hierbei werden die qj durch die pj ersetzt.

Damit ist H = T + U

Ein wichtiger Unterschied ist, dass der Lagrangian von den generalisierten

Geschwindigkeiten qj und den verallgemeinerten Koordinaten qj abhängt, wogegen

der Hamiltonian von den verallgemeinerten Impulsen pj und qj abhängt.

Wir definieren zunächst einen verallgemeinerten Impuls:

Hamilton-Verfahren

Njq

Lp

jj 3,...,2,1

xmpx

321321

3

1321321 ,,,,,,,,,, qqqqqqLqpqqqpppH

jjj

.

(1-19)

Page 38: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 38

Aus (1-20) folgt

Mit (1-17) und (1-19) folgt

Die totale Ableitung von H ist (ohne explizite Zeitabhängigkeit):

Aus dem Vergleich von (1-23) und (1-24) folgen die Hamilton‘schen

Bewegungsgleichungen:

Hamilton-Verfahren

j j

jj

jj

jjjj dqq

Lqd

q

LqdpdpqdH

jjjj dqpdpqdH

jj

jj

dqq

Hdp

p

HdH

Njpq

Hq

p

Hj

jj

j

3,...,2,1

Page 39: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 39

Wir betrachten die 2-dimensionale Bewegung eines Teilchens in einem Coulomb-

Kraftfeld.

Die potentielle Energie ist K: Kraftkonstante

r: Abstand

Die kinetische Energie ist

Damit ist der Lagrangian

Die beiden Lagrange‘schen oder

Bewegungsgleichungen lauten:

Lagrange-Formalismus: Beispiel

r

KU

22222

22 rr

myx

mT

r

Krr

mrrL 222

2,,,

LL

dt

d

r

L

r

L

dt

d

02

22

mrdt

dr

Kmrrm

dt

d

Page 40: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 40

Es muss gelten:

Das kanonische Ensemble

jjj

jj

EEa

Aa

Benutze das Prinzip der a priori Wahrscheinlichkeiten:

jeder mögliche Zustand des kanonischen Ensembles, d.h. jede Verteilung der aj,

die die Gleichungen (1) und (2) erfüllt, soll die gleiche Wahrscheinlichkeit erhalten.

Betrachte die Anzahl W(a) = W(a1,a2,a3, ...), auf wie viele verschiedene Weisen

man A unterscheidbare Objekte so anordnen kann, dass a1 Objekte in der ersten

Gruppe sind, a2 in der zweiten Gruppe etc.

kka

A

aaa

AW

!

!

!...!!

!

321

a

(1)

(2)

Page 41: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 41

Das kanonische Ensemble

Im Allgemeinen gibt es sehr viele Verteilungen, die Gleichungen (1) und (2) zu

erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein System sich im Zustand j befindet,

erhält man durch Mittelung von aj /A über alle erlaubten Verteilungen:

a

a

a

aa

W

aW

AA

aP

jj

j

1

Wenn man die Anzahl an Systemen A gegen Unendlich gehen läßt, spielt nur noch

der Wert von a* eine Rolle, für den W(a) maximal wird. Alle anderen Verteilungen

spielen eine beliebig geringe Rolle.

Wir müssen also den Satz an a*j bestimmen, für die W(a) maximal wird und die die

Gleichungen (1) und (2) erfüllen.

Dazu verwenden wir die Methode der Lagrange‘schen Multiplikatoren.

Page 42: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 42

Das kanonische Ensemble

Summiere nun beide Seiten über j und verwende Gleichung (1)

,...2,1,0ln

jEaaWa k k

kkk

j

a

wobei und die unbekannten Multiplikatoren sind.

Mit Stirlings Näherung erhält man

,...2,1,

,...2,1,01ln'*

*

jeea

jEajE

j

jj

j

VNE

VNE

j

j

j

E

j

j

j

e

e

A

aP

eA

e

,

,*

' 1

Dies ist die bekannte Boltzmann-Verteilung für die

Verteilung der A Systeme über die j verschiedenen

Energielevels des Systems.

= 1/kT ist der Kehrwert des Produkts aus der

Boltzmann-Konstante und der Temperatur.

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1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 43

U : potentielle Energie des Teilschens.

Meist hängt U nur von den Positionen ab, also U(x,y,z).

Die Newtonschen Bewegungsgleichungen lauten damit

Ausflug: Lagrange-Ansatz

222

2

2

12

1,,

zyxm

mvzyxT

zyxxi

i ix

Uxm ,,

zyxUzyxTzyxzyxL ,,,,,,,,,

T : kinetische Energie eines Teilchens.

in kartesischen Koordinaten:

Wir führen nun eine neue Funktion ein:

L wird die Lagrange-Funktion (Lagrangian) des Systems genannt.

x

U

x

L

xmx

T

x

L

zyxx

iiix

L

x

L

dt

d,,

Damit lauten die Newtonschen Bew‘gleichungen:

Dies sind die Lagrange‘schen Bew‘gleichungen

in kartesischen Koordinaten.

(1-17)

Page 44: 1. Vorlesung SS09Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry Inhalt: Beschreibung von Molekülen mit computerbasierten Methoden

1. Vorlesung SS09 Computational Chemistry 44

Ausflug: Lagrange-Ansatz

Die bemerkenswerte Eigenschaft der Lagrange-Gleichungen ist, dass sie in jedem

Koordinatensystem die gleiche Form haben.

Wenn x,y,z nach q1, q2, q3 transformiert werden, lauten die Gleichungen

3,2,1

jjj q

L

q

L

dt

d

Die Lagrange-Gleichungen sind in vielen Fällen viel nützlicher als die

Newtonschen Gleichungen, da es oft viel leichter ist, einen Ausdruck

für die potentielle Energie in einem geeigneten Koordinatensystem

anzugeben als all die verschiedenen Kräfte zu berechnen.

Der Lagrange-Formalismus basiert auf der potentiellen Energie des Systems,

wogegen der Newton-Ansatz auf den Kräften beruht, die auf das System wirken.