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Falke Nadelbehälter, Nadelkissen als Liebesgabe -Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden - (Abb. 1, 9) Ingraban D. Simon, 14193 Berlin, Knausstr. 4 1 1 Ingraban D. Simon Falke (Stand: 08.03.2015) - Nadelkissen, Nadelbehälter als Liebesgabe - Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden Symbole der Fruchtbarkeit und Symbole der Liebe Needlework Tools und Symbolik Auszug aus der Vorbemerkung zu Ingraban D. Simon, SYMBOLE DER FRUCHTBARKEIT UND DER LIEBE - Die erotische Nadel von A bis Z -Needlework Tools und Symbolik 1. Auflage 2001 Fruchtbarkeits- und Liebessymbole findet man bei keinem anderen Gegenstand so häufig und in so mannigfaltiger Gestalt wie bei den allgemein wenig bekannten und beachteten Nadelbehältern einschließlich Nadelkissen und Strick- scheiden des 18. bis 20. Jahrhunderts. Mit meiner Abhandlung „Die erotische Nadel - Fruchtbarkeits- und Liebessym- bole -“ ist im Jahr 1990 im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum Iserlohn erstmalig die Symbolik bei diesen Gegenständen aufgezeigt und erörtert worden. Anlass hierfür waren so deutliche Beispiele wie Nadelbehälter in Form einer Spargelstange, eines Wickelkindes oder Nadelkissen in Form einer Mohrrübe, eines Frauenbeines mit Strumpfband oder Strickscheiden in Gestalt von Pfeil und Köcher oder Nadelmappen aus dem 20. Jahrhundert mit dem Bild des Liebesgottes Amor. Nur sehr arglose Betrachterinnen und Betrachter werden annehmen, derartige Formen und Zeichen seien zufällig und ohne jeglichen Nebensinn von den Herstellern gewählt worden. Originäre deutschsprachige Literatur zum Nadelarbeitenzubehör ist kaum vorhanden, als Übersetzung aus dem Engli- schen ist 1986 unter dem Titel „Nadel, Faden, Fingerhut“ das Buch von Gay Ann Rogers „An Illustrated History of Needlework Tools“ aus dem Jahr 1983 erschienen. Zwischenzeitlich sind im englischsprachigen Raum zahlreiche Bücher zum Bereich „Needlework Tools“ veröffentlicht worden, die sich an den mittlerweile relativ großen Sammler- kreis und an kulturhistorisch Interessierte wenden. Die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik wird aber auch in dieser Literatur nicht speziell angesprochen, wenn auch bisweilen auf Gelegenheiten wie Hochzeit und Geburt hingewiesen wird, zu denen beispielsweise Nadelkissen geschenkt wurden. Mit einem zweiten Beitrag zu diesem Thema hatte ich 1998 anlässlich einer Ausstellung im Dreieich-Museum meine Abhandlung aus dem Jahr 1990 ergänzt, stellte aber noch stärker die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik in den Vor- dergrund und nahm Nadelbehälter einschließlich Nadelkissen und Strickscheiden lediglich zum Anlass der Symboler- läuterung. Diese im Eigendruck erschienene Ergänzung ist vergriffen. Deshalb habe ich mich entschlossen, im Rahmen einer weiteren Ausstellung meine bisherigen Beiträge zu diesem Thema in einer vollständig neuen Bearbeitung zusam- menzufassen und erheblich zu erweitern. Ausgangspunkt meiner Symbolerläuterung sind jeweils Gegenstände aus dem Nadelarbeitenzubehör, für deren Be- zeichnung auf Grund der überwiegend englischsprachigen Literatur zu diesem Sachgebiet auch im deutschsprachigen Raum der Sammelbegriff „Needlework Tools“ zumindest unter Sammlerinnen und Sammlern üblich ist. Der Untertitel „Needlework Tools und Symbolik“ soll diesen Ausgangspunkt verdeutlichen, wobei das „und“ zwar beide Begriffe verbindet, jedoch nicht zwingend einen inneren Zusammenhang von Needlework Tools und Symbolik voraussetzt. Ob etwas Symbolwert hat und gegebenenfalls welchen, ist von mannigfaltigen Umständen, oft subjektiver Natur, abhängig. Bei der Auswahl der Gegenstände war für mich nicht ihr materieller und dekorativer Wert entscheidend, sondern ihre symbolische Verwertbarkeit. Bei der Deutung der Symbole hielt ich mich, soweit ich es nach gewissenhafter Prüfung sachlich vertreten konnte, an Goethes „Xenie“: „Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter.“, eine Haltung, die man Juristen und Literaturkritikern ankreiden mag, die jedoch die Symbole erst zum Leben bringt. Der Reiz der Symbolik liegt in dem „sowohl als auch“. Im Ersten Kapitel gehe ich allgemein auf die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik bei Nadeln, Nadelbehältern und weiteren Needlework Tools ein. Der Wandel der echten Liebesgabe zum „Reisemitbringsel“ und zum Werbegeschenk wird kurz angesprochen. Bei den im Zweiten Kapitel aufgeführten schmuckartigen Gegenständen aus dem 19. Jahrhundert bedarf es noch einer gründlichen vergleichenden Untersuchung anhand des in zahlreichen Museen vorhandenen unerschlossenen Materials, um die vielfältigen Zeichen einzeln und im Zusammenhang zu deuten. Im Dritten Kapitel, dem Hauptteil, werden einzelne Fruchtbarkeits- und Liebessymbole von A(mor) bis Z(uber) vorge- stellt. Oft sind mehrere Symbole im Zusammenhang behandelt. Der Hinweis auf Abbildungen in den Überschriften bezieht sich ausschließlich auf Needlework Tools. Neben den Bereichen wie Religion, Mythologie, Malerei, Literatur, Pflanzenkunde, Heilkunde und Aberglaube waren Etymologie und Vulgärsprache wertvolle Quellen der Deutung. Insbesondere die nicht durch Kultur gefilterte Vulgärsprache hat zum Teil die Bilder der heute bisweilen nicht selbst- verständlichen Symbolsprache in diesem Bereich überliefert, oft rohe Vergleiche, die mehr den gegenständlich- mechanischen Vorgang der Fortpflanzung als die Empfindsamkeit Liebender erfassen. Berlin, im Juni 2001 Ingraban D. Simon

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Ingraban D. Simon, Falke, Nadelkissen, Nadelbehälter als Liebesgabe - Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und FadenSymbole der Fruchtbarkeit und Symbole der Liebe. Needlework Tools und Symbolik

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Page 1: Ingraban D. Simon, Falke - Nadelkissen, Nadelbehälter als Liebesgabe - Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden

Falke Nadelbehälter, Nadelkissen als Liebesgabe -Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden - (Abb. 1, 9)

Ingraban D. Simon, 14193 Berlin, Knausstr. 4

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Ingraban D. Simon

Falke(Stand: 08.03.2015)

- Nadelkissen, Nadelbehälter als Liebesgabe -Symbolik

im Zusammenhang mit Nadel und FadenSymbole der Fruchtbarkeit und

Symbole der LiebeNeedlework Tools und Symbolik

Auszug aus der Vorbemerkung zu Ingraban D. Simon, SYMBOLE DER FRUCHTBARKEIT UNDDER LIEBE

- Die erotische Nadel von A bis Z -Needlework Tools und Symbolik 1. Auflage 2001

Fruchtbarkeits- und Liebessymbole findet man bei keinem anderen Gegenstand so häufig und in so mannigfaltigerGestalt wie bei den allgemein wenig bekannten und beachteten Nadelbehältern einschließlich Nadelkissen und Strick-scheiden des 18. bis 20. Jahrhunderts. Mit meiner Abhandlung „Die erotische Nadel - Fruchtbarkeits- und Liebessym-bole -“ ist im Jahr 1990 im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum Iserlohn erstmalig die Symbolikbei diesen Gegenständen aufgezeigt und erörtert worden. Anlass hierfür waren so deutliche Beispiele wie Nadelbehälterin Form einer Spargelstange, eines Wickelkindes oder Nadelkissen in Form einer Mohrrübe, eines Frauenbeines mitStrumpfband oder Strickscheiden in Gestalt von Pfeil und Köcher oder Nadelmappen aus dem 20. Jahrhundert mit demBild des Liebesgottes Amor. Nur sehr arglose Betrachterinnen und Betrachter werden annehmen, derartige Formen undZeichen seien zufällig und ohne jeglichen Nebensinn von den Herstellern gewählt worden.Originäre deutschsprachige Literatur zum Nadelarbeitenzubehör ist kaum vorhanden, als Übersetzung aus dem Engli-schen ist 1986 unter dem Titel „Nadel, Faden, Fingerhut“ das Buch von Gay Ann Rogers „An Illustrated History ofNeedlework Tools“ aus dem Jahr 1983 erschienen. Zwischenzeitlich sind im englischsprachigen Raum zahlreicheBücher zum Bereich „Needlework Tools“ veröffentlicht worden, die sich an den mittlerweile relativ großen Sammler-kreis und an kulturhistorisch Interessierte wenden. Die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik wird aber auch in dieserLiteratur nicht speziell angesprochen, wenn auch bisweilen auf Gelegenheiten wie Hochzeit und Geburt hingewiesenwird, zu denen beispielsweise Nadelkissen geschenkt wurden.Mit einem zweiten Beitrag zu diesem Thema hatte ich 1998 anlässlich einer Ausstellung im Dreieich-Museum meineAbhandlung aus dem Jahr 1990 ergänzt, stellte aber noch stärker die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik in den Vor-dergrund und nahm Nadelbehälter einschließlich Nadelkissen und Strickscheiden lediglich zum Anlass der Symboler-läuterung. Diese im Eigendruck erschienene Ergänzung ist vergriffen. Deshalb habe ich mich entschlossen, im Rahmeneiner weiteren Ausstellung meine bisherigen Beiträge zu diesem Thema in einer vollständig neuen Bearbeitung zusam-menzufassen und erheblich zu erweitern.Ausgangspunkt meiner Symbolerläuterung sind jeweils Gegenstände aus dem Nadelarbeitenzubehör, für deren Be-zeichnung auf Grund der überwiegend englischsprachigen Literatur zu diesem Sachgebiet auch im deutschsprachigenRaum der Sammelbegriff „Needlework Tools“ zumindest unter Sammlerinnen und Sammlern üblich ist. Der Untertitel„Needlework Tools und Symbolik“ soll diesen Ausgangspunkt verdeutlichen, wobei das „und“ zwar beide Begriffeverbindet, jedoch nicht zwingend einen inneren Zusammenhang von Needlework Tools und Symbolik voraussetzt. Obetwas Symbolwert hat und gegebenenfalls welchen, ist von mannigfaltigen Umständen, oft subjektiver Natur, abhängig.Bei der Auswahl der Gegenstände war für mich nicht ihr materieller und dekorativer Wert entscheidend, sondern ihresymbolische Verwertbarkeit. Bei der Deutung der Symbole hielt ich mich, soweit ich es nach gewissenhafter Prüfungsachlich vertreten konnte, an Goethes „Xenie“: „Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt wasunter.“, eine Haltung, die man Juristen und Literaturkritikern ankreiden mag, die jedoch die Symbole erst zum Lebenbringt. Der Reiz der Symbolik liegt in dem „sowohl als auch“.Im Ersten Kapitel gehe ich allgemein auf die Fruchtbarkeits- und Liebessymbolik bei Nadeln, Nadelbehältern undweiteren Needlework Tools ein. Der Wandel der echten Liebesgabe zum „Reisemitbringsel“ und zum Werbegeschenkwird kurz angesprochen.Bei den im Zweiten Kapitel aufgeführten schmuckartigen Gegenständen aus dem 19. Jahrhundert bedarf es noch einergründlichen vergleichenden Untersuchung anhand des in zahlreichen Museen vorhandenen unerschlossenen Materials,um die vielfältigen Zeichen einzeln und im Zusammenhang zu deuten.Im Dritten Kapitel, dem Hauptteil, werden einzelne Fruchtbarkeits- und Liebessymbole von A(mor) bis Z(uber) vorge-stellt. Oft sind mehrere Symbole im Zusammenhang behandelt. Der Hinweis auf Abbildungen in den Überschriftenbezieht sich ausschließlich auf Needlework Tools. Neben den Bereichen wie Religion, Mythologie, Malerei, Literatur,Pflanzenkunde, Heilkunde und Aberglaube waren Etymologie und Vulgärsprache wertvolle Quellen der Deutung.Insbesondere die nicht durch Kultur gefilterte Vulgärsprache hat zum Teil die Bilder der heute bisweilen nicht selbst-verständlichen Symbolsprache in diesem Bereich überliefert, oft rohe Vergleiche, die mehr den gegenständlich-mechanischen Vorgang der Fortpflanzung als die Empfindsamkeit Liebender erfassen.

Berlin, im Juni 2001 Ingraban D. Simon

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Falke Nadelbehälter, Nadelkissen als Liebesgabe -Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden - (Abb. 1, 9)

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Abb. 1: Falke, am Nadelkissen und Fingerhut sitzend. H.: 9,5 cm. 19. Jh.

Der Falke ist in der mittelhochdeutschen Lyrik und Epik häufig einSymbol für den Liebespartner. Das unter Beteiligung von Frauen statt-findende Jagen mit zur Beizjagd abgerichteten Falken hatte oft amourö-sen Charakter.

In früherer Zeit wurden Falken - so wird im Jahr 1894 in Meyers Kon-versationslexikon ausgeführt - zur Beizjagd abgerichtet, und Ritter undEdelfrauen trugen ihren Lieblingsfalken auf der Faust. Hierzu wurdenentweder die völlig flügge gewordenen Jungen aus den Horsten ge-nommen oder alte Vögel gefangen. Man befestigte an ihren Füßen(Händen) schmale Lederriemen, Kurz- oder Langfesseln, und setzteihnen eine die Augen bedeckende Kappe (Haube) auf. Durch Hunger

und Schlaflosigkeit brachte man sie zuerst dahin, dass sie, an der Fessel gehal-ten, ruhig auf der linken mit einem starken Lederhandschuh bekleideten Faustsaßen und, nachdem man die Kappe abgehoben hatte, Fleisch fraßen. Zur Jagdwurde der Falke dadurch abgerichtet, dass man ihn an einem an der Kurzfesselbefestigten Faden auf eine an den Flügeln beschnittene Taube, später ohne Fa-den frei auf eine ungestutzte Taube stoßen ließ. War der Falke soweit gebracht,dass er, durch vorgehaltenes Fleisch oder durch die an eine Schnur gebundenenFlügel einer weißen Taube (Federspiel) unter dem Ruf „Hilo“ angelockt, mitdem gefangenen Vogel auf die Faust gestrichen kam, so war er zur Jagd fertigabgerichtet. Die Falkenjagd hatte einen besonderen Reiz, weil die Damen sichdaran mit Vorliebe beteiligten (Meyers Konversationslexikon, 1894, Stichwort: Falken).

Abb. 2: Falkenjagd. Liebig’s Fleisch- Extract Sammellbilder, Serie 630 Bild4„Die Falkenjagd hatte einen besonderen Reiz, weil die Damen sich daran mit Vorliebe beteiligten“

(Meyers Konversationslexikon, 1894, Stichwort: Falken).

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Falke Nadelbehälter, Nadelkissen als Liebesgabe -Symbolik im Zusammenhang mit Nadel und Faden - (Abb. 1, 9)

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Abb. 3: Aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry, Monat August. Aufbruch zur Falkenjagd in Begleitung von Damen

Die gewünschte Zähmung des Falken, dann aber auch die Macht des freien Fal-ken, der in luftiger Höhe nahe der Sonne kreist und mit scharfem Blick seinOpfer erspäht und sich von oben auf die Beute stürzt, trugen zu seiner Symbolikim Bereich der Liebe bei. Im „Falkenlied“ des Kürenbergers (2. Hälfte des 12.Jahrhunderts) ist es die verlassene Geliebte, die wehmütig an ihren „Falken“denkt:

Ich zôg mir einen valken mêre danne ein jâr.dâ ich in gezamete als ich in wollte hân

und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,er huop sich ûf vil hôhe und floug in anderiu lant.

Sît sach ich den valken schône fliegen:er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen,und was im sîn gevidere alrôt guldîn.

got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!

Übersetzung (Ulrich Müller)Ich erzog mir einen Falken länger als ein Jahr. Nachdem ich ihn gezähmt hatte, so wie ich ihnhaben wollte, und ihm dann sein Gefieder mit Gold schön geschmückt hatte, da schwang er sichauf und flog weg.Anschließend sah ich den Falken prachtvoll fliegen. Er trug an seinem Fuß seidene Bänder, undsein Gefieder war ihm ganz rotgolden. Gott sende diejenigen zusammen, die sich gerne liebenwollen.

Abb. 4: Liebespaar mit Falken. Konrad von Altstetten (Ausschnitt), Manessische Handschrift, Anfang 14. Jh.

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Ein Bild in der Manessischen Handschrift zeigt uns den Minnesänger Leutholt vonSeven mit dem Falken auf der behandschuhten Linken (Abb. 5) Hans Naumann deu-tet dieses Bild:Der Ritter reicht seiner Herzensdame vom Ross in den Turm ihrer Burg hinauf den Brief, der seineLieder mit der Werbung um ihre Huld mit dem Angebot seines Dienstes enthält. Sie aber weist wohlleise zweifelnd auf den Falken hin, der - wie der Ritter - so stolz und kühn, so dienstergeben wie stän-dig bereit ist, in der unendlichen Weite zu verschwinden - trotz der roten Fesseln und vielleicht aufNimmerwiedersehen (Naumann, Die Minnesänger, Zweite Folge, S. 33).

SPONTE MEA, NON VI

Sponte mea redeo, mihi cum victoria parta est,Nec via me vocat, ast aucupis obsequium.

Freiwillig, nicht mit GewaltAus eigenem Willen kehre ich zurück, wenn ich den Sieg errungen habe; nicht Gewalt ruft mich, sondern Anhänglichkeit an den Falkner.(Henkel/Schöne, Sp. 783) Abb. 5: Der Minnesänger Leutholt von Seven mit Falken überreicht seiner Herzensdame einen

Liebesbrief. Manessische Handschrift. Anfang 14. Jh.

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Abb. 6: Der Minnesänger Werner von Teufen reitet mit seiner Dame zur Falkenbeize.Das Pferd des Verehrers beißt zärtlich in die Mähne des Grauschimmels der verehrten Dame

Auch bei Heinrich von Mügeln ist der Falke der Geliebte:„Ein frouwe sprach: mîn Falke ist mir enphlogen, sô wît in fremde lant.“

Die spätmittelalterliche Redensart „den Falken streichen“ bedeutet, dem Mannschmeicheln, schön tun. Ein Volkslied des 16. Jahrhunderts klagt über die Unbe-ständigkeit der Frauen:„Die Falken können sie streichen, dieweil wir bei ihn’n stahn“.Weitere Nachweise bei L. Röhrich, Redensarten, Stichwort: Falke.

Der Falke

Mündlich.

Wär ich ein wilder Falke, Ich wollt mich schwingen auf, Und wollt mich niederlassen Vor meines Grafen Haus.

Und wollt mit starken Flügel, Da schlagen an Liebchens Thür, Daß springen sollt der Riegel, Mein Liebchen trät herfür.

»Hörst du die Schlüssel klingen, Dein Mutter ist nicht weit, So zieh mit mir von hinnen Wohl über die Heide breit.«

Und wollt in ihrem Nacken Die goldnen Flechten schön Mit wilden Schnabel packen, Sie tragen zu dieser Höhn.

Ja wohl zu dieser Höhen, Hier wär ein schönes Nest, Wie ist mir doch geschehen,

Daß ich gesetzet fest.

Ja trüg ich sie im Fluge, Mich schöß der Graf nicht todt, Sein Töchterlein zum Fluche,

Das fiele sich ja todt.

So aber sind die Schwingen Mir allesamt gelähmt, Wie hell ich ihr auch singe, Mein Liebchen sich doch schämt.[Arnim: Des Knaben Wunderhorn. Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky, S. 23991(vgl. Wunderhorn Bd. 1, S. 60) http://www.digitale-bibliothek.de/band125.htm ]

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Abb. 7: Vornehme „Jägerin“ mit gezähmtem Falkenauf der rechten Faust. Backmodel (Ausschnitt, s. Hörandner,Abb. 195)

Abb. 8: Dame mit Falken. Rechts im Hintergrund der Liebhaber.Indische Miniatur. Um 1765. Viktor& Albert Museum, London

Abb. 9: Nadelkissen mit Falken und Fingerhut. H. 11 cm.. 1. Drittel 20. Jh.