immer ein alarmsymptom!

6
Unklare Gewichtsabnahme Immer ein Alarmsymptom! Bei einer ungewollten Gewichtsabnahme ist das Spektrum der diffe- renzialdiagnostisch zu diskutierenden Erkrankungen sehr breit. Zu- nächst wird meist an das Vorliegen einer Magen-Darm-Erkrankung gedacht. Doch die ausführliche Anamnese, insbesondere die Erfra- gung von Begleitsymptomen, führt dann nicht selten in eine andere Richtung. Bevor das Gegenteil bewiesen ist, sollte die unklare Ge- wichtsabnahme jedoch immer als Hinweis auf eine ernsthafte Er- krankung gewertet werden. - Einem ungewollten Gewichtsverlust können ganz unterschiedliche pathoge- netische Mechanismen zugrunde liegen (Tab. 1). Diese sind unter dem Strich immer auf ein Missverhältnis zwischen der aufgenommenen Kalorienzahl bzw. der Verwertung der zugeführten Nähr- stoffe und dem individuellen Energie und Nährstoedarf eines Menschen zurückzuführen. Ausführliche Anamnese Bei der ursächlichen Abklärung kommt der ausführlichen Anamnese eine ent- scheidende Bedeutung zu. Dabei sollte zunächst die Frage geklärt werden, ob der Patient ausreichend Nahrung zu sich nehmen kann bzw. will, oder ob er trotz ausreichender Nahrungsaufnahme an Gewicht verliert (Tab. 2). Auch die klinische Untersuchung kann bereits wichtige differenzialdia- gnostische Hinweise geben: - Tremor, Hyperhidrosis, Exophthal- mus und Tachykardie sprechen für eine Hyperthyreose. - Eine blasse Hautfarbe legt den Ver- dacht auf eine Anämie nahe, mögli- cherweise als Hinweis auf ein okkul- tes Magen-Darm-Neoplasma. - Eine palpable Resistenz im Abdomen spricht für ein tumoröses Geschehen. - Lymphknotenvergrößerungen kön- nen Ausdruck einer malignen Sys- temerkrankung, einer lymphogenen Metastasierung bei einem Malignom oder einer chronischen Infektion (HIV) sein. - Ein Ikterus deutet auf eine hepatobi- liäre Erkrankung. - Um ein Rektum- bzw. Prostatakarzi- nom nicht zu übersehen, sollte immer eine rektale Untersuchung erfolgen. - Auch die Inspektion der Mundhöhle und die Erfassung des Zahnstatus können wichtige Hinweise ergeben ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG _ FOLGE 405 Dr. med. Peter Stiefelhagen Chefarzt der Inneren Abteilung, DRK-Kliniku m Westerwald, Krankenhaus Hachenburg In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer Teilnahme unter www.springermedizin.de/ kurse-mmw Was tun, wenn die Ursache des Gewichtsverlustes nicht klar ist? Hier: Kachexie infolge eines Bronchialkarzinoms. Deutlich sichtbarer venöser Umgehungskreislauf. © Prof. Dr. med. H. S. Füeßl, München 48 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8)

Upload: dr-med-peter-stiefelhagen

Post on 19-Mar-2017

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Immer ein Alarmsymptom!

Unklare Gewichtsabnahme

Immer ein Alarmsymptom!Bei einer ungewollten Gewichtsabnahme ist das Spektrum der di� e-renzialdiagnostisch zu diskutierenden Erkrankungen sehr breit. Zu-nächst wird meist an das Vorliegen einer Magen-Darm-Erkrankung gedacht. Doch die ausführliche Anamnese, insbesondere die Erfra-gung von Begleitsymptomen, führt dann nicht selten in eine andere Richtung. Bevor das Gegenteil bewiesen ist, sollte die unklare Ge-wichtsabnahme jedoch immer als Hinweis auf eine ernsthafte Er-krankung gewertet werden.

−Einem ungewollten Gewichtsverlust können ganz unterschiedliche pathoge-netische Mechanismen zugrunde liegen (Tab. 1). Diese sind unter dem Strich immer auf ein Missverhältnis zwischen

der aufgenommenen Kalo rienzahl bzw. der Verwertung der zugeführten Nähr-sto� e und dem individuellen Energie und Nährsto� edarf eines Menschen zurückzuführen.

Ausführliche AnamneseBei der ursächlichen Abklärung kommt der ausführlichen Anamnese eine ent-scheidende Bedeutung zu. Dabei sollte zunächst die Frage geklärt werden, ob der Patient ausreichend Nahrung zu sich nehmen kann bzw. will, oder ob er trotz ausreichender Nahrungsaufnahme an Gewicht verliert (Tab. 2).

Auch die klinische Untersuchung kann bereits wichtige di� erenzialdia-gnostische Hinweise geben:

− Tremor, Hyperhidrosis, Exophthal-mus und Tachykardie sprechen für eine Hyperthyreose.

− Eine blasse Hautfarbe legt den Ver-dacht auf eine Anämie nahe, mögli-cherweise als Hinweis auf ein okkul-tes Magen-Darm-Neoplasma.

− Eine palpable Resistenz im Abdomen spricht für ein tumoröses Geschehen.

− Lymphknotenvergrößerungen kön-nen Ausdruck einer malignen Sys-tem erkrankung, einer lymphogenen Metastasierung bei einem Malignom oder einer chronischen Infektion (HIV) sein.

− Ein Ikterus deutet auf eine hepatobi-liäre Erkrankung.

− Um ein Rektum- bzw. Prostatakarzi-nom nicht zu übersehen, sollte immer eine rektale Untersuchung erfolgen.

− Auch die Inspektion der Mundhöhle und die Erfassung des Zahnstatus können wichtige Hinweise ergeben

ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG_FOLGE 405

Dr. med. Peter StiefelhagenChefarzt der Inneren Abteilung, DRK-Klinikum Westerwald, Krankenhaus Hachenburg

In Zusammenarbeit mit der In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer

Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

Was tun, wenn die Ursache des Gewichtsverlustes nicht klar ist? Hier: Kachexie infolge eines Bronchialkarzinoms. Deutlich sichtbarer venöser Umgehungskreislauf.

©Pr

of. D

r. m

ed. H

. S. F

üeßl

, Mün

chen

48 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8)

Page 2: Immer ein Alarmsymptom!

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

dahingehend, ob die Nahrungsauf-nahme beeinträchtigt ist.

− Zur klinischen Untersuchung gehört auch die Betrachtung des Stuhls, um eine Maldigestion bzw. Fettstühle nicht zu übersehen.

− Und schließlich ist die Gemütsverfas-sung der Patienten zu registrieren. Depressionen gehen o� mit Appetit-mangel einher.

Weiterführende DiagnostikBei allen Patienten mit unklarer Ge-wichtsabnahme sollten eine Reihe von Blutparametern bestimmt werden: BSG, Blutbild, Blutzucker, Kreatinin, TSH ba-sal, Elektrolyte, Leberwerte (SGOT, SGPT, Gamma-GT, Alkalische Phospha-tase, Bilirubin) und Urinstatus.

Im Einzelfall können weitere Labor-untersuchungen sinnvoll sein, z. B.:

− Verdacht auf chronische Pankreatitis: Elastase im Stuhl, evtl Pankreolau-ryltest.

− Verdacht auf eine chronische Hepati-tis bzw. Leberzirrhose: Hepatitissero-logie (Anti-HBc, HBs-Ag, Anti-HCV).

− generalisierte Lymphknotenschwel-lungen: HIV-Serologie.

− Verdacht auf Tuberkulose: Durchfüh-rung eines Interferon-Gamma-Re-lease-Assays (IGRA), Untersuchung des Sputums und des Magensa� es auf säurefeste Stäbchen.

− Verdacht auf Morbus Addison: Korti-solbestimmung im Plasma und im Urin.

Die Indikation für weiterführende dia-gnostische Maßnahmen ergibt sich aus den Ergebnissen der Basisuntersuchun-gen bzw. der Verdachtsdiagnose (Tab. 3).

Erkrankungen des VerdauungstraktesVor allem bei älteren Menschen können schmerzha� e Erkrankungen der Mund-höhle, z. B. Druckstellen durch eine Zahnprothese, eine verminderte Nah-rungsaufnahme zur Folge haben. Glei-ches gilt für Zahnerkrankungen.

Das Leitsymptom von Ösophaguser-krankungen ist die Dysphagie. Hinter ihr kann sich ein gutartiger oder bösar-tiger Tumor verbergen. Aber auch eine

Achalasie oder Strikturen bei chroni-scher Re� uxösophagitis führen zu Schluckstörungen, ebenso die eosino-phile Ösophagitis. Zerebrale Erkran-kungen insbesondere ein zerebrovasku-lärer Insult können zu einer Störung des Schluckaktes mit der Gefahr der Aspira-tion führen, sodass von den betro� enen Patienten zu wenig Nahrung aufgenom-men wird.

Bei Magenerkrankungen – Ulkus oder Karzinom – klagen betro� ene Pa-tienten häu� g über Oberbauchschmer-zen und Erbrechen. Für eine solche Er-krankung sprechen insbesondere eine Hämatemesis oder ein Teerstuhl. Eine Abneigung gegen Fleisch gilt als Hinweis auf ein Magenkarzinom. Bei Verdacht auf eine gastrale Erkrankung sollte im-

mer eine Ösophago-Gastro-Duodeno-skopie durchgeführt werden.

Der Nachweis eines Ulcus ventriculi erfordert wiederholte Biopsien bis zur vollständigen Abheilung, da sich hinter einem solchen Ulkus immer ein malig-ner Prozess verbergen kann. Dagegen ist das Ulcus duodeni in der Regel gutartig. Gelegentlich kann jedoch ein in der Um-gebung lokalisierter Tumor wie z. B. ein Gallenblasenkarzinom in das Duode-num einwachsen.

Diarrhö bei Maldigestion bzw. MalabsorptionEine chronische Pankreatitis, die meist alkoholischer Genese ist, führt zum ty-pischen Bild einer Maldigestion. Durch die Abnahme der pankreatischen En-

Tabelle 1

Ursachen von ungewollter Gewichtsabnahme

Verminderte Nahrungsaufnahme

− Erkrankungen der Zähne bzw. der Mundhöhle

− Schluckstörungen (zentralnervös, Ösophaguserkrankungen)

− Psychogene Ursachen (Anorexia nervosa, Depression, Demenz)

Magen- und Darmerkrankungen

− Magenulkus, Magenkarzinom, Magenausgangsstenose

− Maldigestion bei chronischer Pankreatitis, Malabsorption bei Zöliakie bzw. - Sprue, chronisch entzündliche Darmerkrankungen ( Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), chronische Leberkrankungen

Endokrinologische Erkrankungen

− Hyperthyreose

− Morbus Addison

− Diabetes mellitus

Konsumierende Erkrankungen

− Akute Infektionen (Gastroenteritis,Katzenkratzkrankheit, Brucellose)

− Chronische Infektionen (HIV, Tuberkulose, Endocarditis lenta, Wurmerkrankungen)

− Malignome

− Chronische Niereninsu� zienz

− Chronische Herzinsu� zienz

− COPD

− Rheumatoide Arthritis, Polymyalgia rheumatica

− Autoimmunerkrankungen

Sonstiges

− Chronischer Alkoholismus

− Drogensucht

− Übelkeit auslösende Medikamente, z. B. Zytostatika

MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8) 49

Page 3: Immer ein Alarmsymptom!

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

zymsekretion ist sowohl die Fett- als auch die Kohlenhydrat- und Eiweißver-dauung beeinträchtigt. Leitsymptom ist die fettige Diarrhö (Steatorrhö). Typisch für die chronische Pankreatitis sind starke abdominelle Schmerzen. In fort-geschrittenen Fällen entwickelt sich durch die Zerstörung der Langer-hans‘schen Inseln auch ein pankreopri-ver Diabetes mellitus.

Die Diagnose beruht auf morpholo-gischen und funktionellen Untersu-chungsverfahren. Bereits in der Rönt-genübersichtsaufnahme des Abdomens können kalkdichte Verschattungen auf das Vorliegen dieser Erkrankung hin-weisen. Auch in der Sonogra� e und der Computertomogra� e � nden sich dia-gnoseweisende Veränderungen. Am

aussagekrä� igsten allerdings ist die en-doskopische retrograde Pankreatikogra-� e (ERP). Bei den funktionellen Unter-suchungen kommt der Bestimmung der Elastase im Stuhl die größte Aussage-kra� zu.

Bei der Sprue bzw. Zöliakie handelt es sich um eine angeborene, genetisch determinierte Unverträglichkeit von Gluten, die zum Verlust von Dünndarm-epithel und somit zu einem Malabsorp-tionssyndrom führt. Gluten kommt in Weizen, Roggen, Gerste und Hafer vor und ist damit in vielen Nahrungsmitteln wie Brot, Nudeln, Hafer� ocken, Grieß, Paniermehl, Bier usw. enthalten. Leit-symptome sind Diarrhö und Gewichts-verlust, bei Kindern auch Gedeihstörun-gen. Im weiteren Verlauf können auch

eine Osteoporose, eine Eisenmangel-anämie oder Vitaminmangelzustände au� reten. Letztendlich sind alle Symp-tome Folgen der Malabsorption von Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Vitami-nen und Mineralien wie Eisen, Kalzium und Zink. Die Diagnose wird gesichert durch die Dünndarmbiopsie und die Be-stimmung entsprechender Auto-Anti-körper gegen die t-Transglutaminase.

Auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) kommt es zu einer mehr oder weniger starken Gewichtsab-nahme. Leitsymptom des Morbus Crohn sind rezidivierende Bauchschmerzen, bei der Colitis ulcerosa steht die blutige Diarrhö im Vordergrund. Häu� g, je-doch nicht immer, � ndet sich bei diesen Erkrankungen eine Erhöhung der Ent-zündungsparameter (BSG, CRP).

Auch Lebererkrankungen wie die chronische Hepatitis B oder C und ins-besondere die Leberzirrhose können Ur-sache einer Gewichtsabnahme sein. Bei einer Leberzirrhose sind die Leber-Haut-Zeichen (Spider naevi, Weißnägel, Lack-zunge, Palmarerythem, Gynäkomastie, Caput medusae, Teleangiektasien im Ge-sichtsbereich) diagnoseweisend. Bestä-tigt wird die Diagnose durch die Leber-werte, die Hepatitisserologie und evtl. die Leberbiopsie.

Endokrine ErkrankungenBei jeder unklaren Gewichtsabnahme muss an eine Überfunktion der Schild-drüse gedacht werden. Mögliche Ursa-chen der Hyperthyreose sind der Mor-bus Basedow, das autonome Adenom bzw. die multifokale Autonomie der Schilddrüse. Typisch für die Hyperthy-reose ist, dass die Gewichtsabnahme mit einem gesteigerten Appetit einhergeht. Weitere Begleitsymptome sind Unruhe, Tremor, Diarrhö, tachykarde Herzrhyth-musstörungen, insbesondere Vorhof-� immern, erhöhte Kälte- und vermin-derte Wärmetoleranz, Hyper hidrosis, Schlafstörungen und Muskelschwäche. Beim Morbus Basedow � ndet sich häu-� g auch ein Exophthalmus. Die Hyper-thyreose geht insbesondere beim Mor-bus Basedow mit einer Vergrößerung der Schilddrüse einher. Gesichert wird

Tabelle 2

Anamnestische Fragen bei unklarer Gewichtsabnahme

− Ess- und -Ernährungsgewohnheiten

− Beginn der Gewichtsabnahme

− Verlauf der Gewichtsabnahme: langsam kontinuierlich oder in Schüben

− Wechsel von Zu- und Abnahme

− Genaue Quanti� zierung der Gewichtsabnahme in Kilogramm

− Appetitstörungen

− Veränderungen der Stuhlverhaltens: Durchfälle, Blut im Stuhl

− Psychosoziale Lebensumstände

− Psychische Symptome: Angst? Depression? Partnerschaftskon� ikte? Probleme am Arbeitspatz?

− Medikamente: Diuretika, Laxanzien, Appetitzügler, Schilddrüsenhormone?

− Suchtsto� e: Alkohol, Drogen?

− Begleitsymptome: Fieber, Nachtschweiß, Juckreiz, Abgeschlagenheit, Polyurie

Tabelle 3

Zusätzliche Untersuchungen bei unklarer Gewichtsabnahme

− Röntgen-Thorax: z. B. bei Verdacht auf ein Bronchialkarzinom

− Ösophago-Gastro-Duodenoskopie: z. B. bei Verdacht auf ein Ulkus oder ein Magen-karzinom

− Jejunoskopie mit Dünndarmbiopsie: z. B. bei Sprue

− Hohe Koloskopie: z. B. bei Verdacht auf ein Kolonkarzinom

− Oberbauchsonogra� e: z. B. bei Verdacht auf ein Pankreaskarzinom oder einechronische Pankreatitis

− Abdominelle oder thorakale Computertomogra� e: z.B. bei Verdacht auf eine Tumorerkrankung

− Histologie des Knochenmarks: z. B. bei Verdacht auf Leukämie oder Lymphome

− Farbdoppler-Echokardiogra� e: z. B. bei Verdacht auf eine Endocarditis lenta oder eine Herzinsu� zienz

50 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8)

Page 4: Immer ein Alarmsymptom!

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

die Hyperthyreose durch den Nachweis eines supprimierten TSH und einer Er-höhung von fT3 und fT4. Vor Einleitung einer � erapie sind eine sonogra� sche und szintigra� sche Untersuchung der Schilddrüse erforderlich.

Eine sehr seltene endokrine Erkran-kung ist die chronische Nebennierenrin-deninsu� zienz (Morbus Addison). Sie kann durch immunologische Mechanis-men, Infektionen wie Tuberkulose oder tumoröse Erkrankungen ausgelöst wer-den. Leitsymptome sind Schwäche, Er-müdbarkeit, Übelkeit, Erbrechen, Ge-wichtsverlust, Muskelschmerzen, Hypoto-nie und die braun-graue Pigmentierung an lichtexponierten Stellen und Hautfal-ten. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis der erniedrigten Kortisol-konzentration im Plasma und im Urin.

Starker Gewichtsverlust ist neben Po-lydipsie und Polyurie ein typisches Ini-tialsymptom für den Diabetes mellitus Typ 1. Aber auch beim Typ-2-Diabetiker, der meist primär stark übergewichtig ist, kann es nach Manifestation der Sto� -wechselerkrankung zu einem deutlichen Gewichtsverlust kommen. Im weiteren Krankheitsverlauf kann eine Gewichts-abnahme ein Indikator für eine Ver-schlechterung der Sto� wechselsituation, d. h. einen Insulinmangel sein, was eine Optimierung der � erapie erforderlich macht.

Akute und chronische InfektionenSchwere akute Infektionen, vor allem im Bereich des Magen-Darm-Traktes wie z. B. eine Salmonellose oder Shigellose können innerhalb kurzer Zeit eine deut-liche Gewichtsreduktion auslösen. Bei protrahiertem Verlauf muss di� eren-zialdiagnostisch eine chronisch ent-zündliche Darmerkrankung diskutiert bzw. ausgeschlossen werden.

Eine gar nicht so seltene akute Infek-tion, die mit Gewichtsverlust einhergeht, ist die Katzenkratzkrankheit. Sie wird durch gram-negative Stäbchenbakterien verursacht, die ubiquitär in der Erde vor-kommen. Die Infektion steht häu� g im Zusammenhang mit Kontakt zu Katzen. Klinisch imponiert neben Fieber evtl. mit Schüttelfrost und Lymphknoten-schwellungen der Gewichtsverlust.

Seltene Infektionen sind die Brucel-losen (Morbus Bang, Malta-Fieber). Sie gehen mit anhaltendem Fieber und gas-trointestinalen Symptomen einher, die zur Gewichtsabnahme führen. Die An-steckung erfolgt vor allem durch den di-rekten Kontakt mit erkrankten Tieren oder durch den Genuss von nicht pas-teurisierter erregerhaltiger Milch. Ge-fährdet sind deshalb vor allem Bauern, Metzger und Veterinärmediziner.

Chronische Infektionen wie HIV oder Tuberkulose gehen typischerweise mit Gewichtsverlust einher. Gleiches gilt auch für eine Endocarditis lenta, insbe-sondere wenn die Diagnose verzögert gestellt wird. Bei Verdacht ist eine trans-ösophageale Echokardiogra� e indiziert.

Eine wichtige, o� zu wenig bedachte Di� erenzialdiagnose sind auch Wurm-erkrankungen. Sowohl Rundwürmer (Nematoden) als auch Bandwürmer (Cestoden) führen neben Bauchschmer-zen und Durchfällen zur Gewichtsab-nahme. Diagnoseweisend ist die Eosino-philie im Blut. Die Diagnose kann durch den Nachweis der Eier oder der Würmer im Stuhl gestellt werden.

Auch die chronische Niereninsu� -zienz, insbesondere wenn sie mit einem nephrotischen Syndrom assoziiert ist, führt zur Gewichtsabnahme. Das Auf-treten von Ödemen kann jedoch den Verlust an Körpermasse zumindest teil-weise kaschieren.

Bei Patienten mit schwerer chroni-scher Herzinsu� zienz kommt es eben-falls zur Abnahme der Körpermasse, die o� erst dann erkannt wird, wenn die Ödeme ausgeschwemmt sind. Ein typi-sches Beispiel ist die kardiale Kachexie bei Patienten mit einem chronischen Cor pulmonale. Auch die COPD selbst kann zu einer Kachexie führen.

Weitere Di� erenzialdiagnosen bei unklarer Gewichtsabnahme sind rheu-matische bzw. Autoimmunerkrankun-gen. Meist bestehen neben dem Ge-wichtsverlust auch andere Allgemein-symptome wie leichte Ermüdbarkeit und Fieber. Dies gilt insbesondere für die Po-lymyalgia rheumatica bzw. die Riesen-zellarteriitis. Dabei klagen die Patienten über eine ausgeprägte Schwäche und Schmerzzustände im Bereich der rumpf-

nahen Muskulatur und eine starke schmerzha� e Einschränkung der akti-ven Beweglichkeit in den Schultergelen-ken. Diagnoseweisend sind die serologi-schen Entzündungsparameter, insbe-sondere die stark erhöhte Blutkörper-chensenkungsgeschwindigkeit (BSG).

MalignomeMagen-Darm-Karzinome, können sich wie alle bösartigen Erkrankungen pri-mär in Form einer Gewichtsabnahme manifestieren. Dies gilt insbesondere für

Morbus Basedow – eine wichtige Ursache für eine ungewollte Gewichtsabnahme.

©M

araz

zi /

SPL

/ Age

ntur

Foc

us

Hinter einem unklaren Gewichtsverlust kann auch eine Depression stecken.

©G

etty

Imag

es/F

use/

thin

ksto

ckph

otos

.de

MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8) 51

Page 5: Immer ein Alarmsymptom!

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Lymphome, Leukämien und myelopro-liferative Erkrankungen. Diag no se-weisend sind die Begleitsymptome, an denen sich auch die diagnostischen Maßnahmen orientieren sollten. Bei-spielsweise manifestieren sich koloreka-tale Karzinome häu� g durch Blässe, Opstipation und hellrote Blutau� age-rungen auf dem Stuhl.

Häu� g � nden sich bei einem okkul-ten Malignom eine erhöhte BSG, eine Dysproteinämie, ein erniedrigter Eisen- und erhöhter Kupferspiegel sowie ein er-höhter Ferritinwert.

Alkohol und MedikamenteBei vielen Patienten mit einem chroni-schen Alkoholismus kommt es zur Ge-wichtsabnahme. Die wichtigste Ursache ist die unzureichende Ernährung. Aber auch Folgeerkrankungen wie chroni-sche Infektionen, alkoholtoxische Gas-tritis, chronische Pankreatitis, Leberzir-rhose und maligne Tumoren im Bereich des Mundes, des Rachens und des Öso-phagus müssen ursächlich diskutiert werden. Gleiches gilt auch für die Dro-gensucht. Häu� gste Begleiterkrankun-gen sind hier die chronische Hepatitis B oder C und die HIV-Infektion.

Auch viele Medikamente können zu Übelkeit und Erbrechen und somit zum Gewichtsverlust führen. Im prakti-schen Alltag sollte insbesondere an eine Überdigitalisierung bzw. an einen er-höhten � eophyllinspiegel gedacht wer-den. Aber auch der chronische Ge-brauch von Laxanzien und Diuretika führt zur Gewichtsabnahme. Gleiches gilt für eine � erapie mit Zytostatika, wobei aber auch das tumoröse Grund-leiden selbst Ursache für die Gewichts-abnahme sein kann. Darüber hinaus führt eine überdosierte Substitution mit Schilddrüsenhormonen (Hyper-thyreosis factitia) zur Gewichtsabnah-me. Bestimmte Medikamente, insbe-sondere NSAR, können eine gastrale Schädigung bis hin zu einem Ulkus auslösen und über diesen Weg zur Ge-wichtsabnahme führen.

Psychogene UrsachenNicht vergessen werden sollte, dass es bei einer depressiven Verstimmung zu einer

ungewollten Gewichtsabnahme kom-men kann. Andere Usachen müssen je-doch immer ausgeschlossen werde. Für die depressive Verstimmung sprechen Stimmungsschwankungen, Schlafstö-rungen und eine Antriebsminderung.

Bei jungen Menschen sollte immer an eine Anorexia nervosa gedacht werden. Sie stellt eine schwere Störung des Ess-verhaltens dar, die zu einer lebensbe-drohlichen Mangelernährung bis hin zur Kachexie führen kann.

Es handelt sich um eine psychosoma-tische Erkrankung, die insbesondere he-ranwachsende Frauen betri� . Die ei-gentliche Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt. Als auslösende Faktoren werden soziale, d. h. familiäre und sozio-kulturelle Ein� üsse diskutiert. Typi-scherweise fühlen sich die Betro� enen, obwohl sie schon untergewichtig sind, übergewichtig. Nicht selten wird die Ge-wichtsabnahme durch provoziertes Er-brechen und übermäßigen Gebrauch von Abführmitteln, Diuretika oder Schilddrüsenhor monen verstärkt.

Die Diagnose kann erst dann gestellt werden, wenn andere organische oder psychische Ursachen für den Gewichts-verlust ausgeschlossen sind. Sekundäre Komplikationen der Erkrankung sind Amenorrhoe, Hypalbuminämie, par-tieller Diabetes insipidus und Muskel-schwäche bzw. Müdigkeit durch eine Hypokaliämie. Durch den verminder-ten Bedarf an Gallensäuren kommt es außerdem zu einer Hypercholesterinä-mie. Betro� ene bedürfen einer Psycho-therapie, die von einer enteralen oder parenteralen Ernährung begleitet wird. Die Erkrankung kann sich über viele Jahre hinziehen und erfordert mehr-monatige Behandlungsintervalle. Die Schwere des Krankheitsbildes ergibt sich daraus, dass ca. 10% an den Folgen der Unterernährung sterben.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:Dr. med. Peter StiefelhagenChefarzt Innere Abteilung, DRK-Klinikum Westerwald, Krankenhaus HachenburgAlte Frankfurter Str. 12D-57627 HachenburgE-Mail: [email protected]

Interessenkon� iktDer Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interessen lei-ten ließen. Er legen folgende potenzielle Interessen-kon� ikte o� en: keine.Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und kei-nerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.

Fazit für die PraxisBei einer unklaren Gewichtsabnahme können bereits die ausführliche Anam-nese und die umfassende körperliche Untersuchung inkl. rektaler Untersu-chung den Schlüssel zur Diagnose lie-fern. Wichtig ist auch die Inspektion der Mundhöhle, vor allem bei älteren Menschen. Eine Dysphagie spricht pri-mär für eine Ösophaguserkrankung, bei einer Magenerkrankung werden häu� g Erbrechen oder eine Hämat-eme sis angegeben. Begleitende chro-nische Diarrhöen sprechen für chroni-sche Pankreatitis oder Sprue. Bei chro-nisch entzündlichen Darmerkrankun-gen ist die Gewichtsabnahme neben Bauchschmerzen und blutiger Diarrhö das Leitsymptom. Typisch für eine Hyperthyreose ist die Gewichtsabnah-me bei gesteigertem Appetit. Auch schwere akute Infektionen, nicht nur des Magen-Darm-Traktes können zur Gewichtsabnahme führen. Bei chroni-schen Infektionen stehen die HIV-In-fektion und die Tuberkulose im Vorder-grund. Darüber hinaus sollte auch im-mer an einen Wurmbefall gedacht werden.

Kommt es im mittleren bzw. höheren Lebensalter zu einem schleichenden Gewichtsverlust, so sollte auch immer ein okkultes Malignom diskutiert wer-den, wobei nicht nur Karzinome des Magen-Darm-Traktes, sondern jedes Neoplasma mit einer Gewichtsabnah-me einhergehen können. Bei den chro-nischen Erkrankungen sind die chroni-sche Niereninsu� zienz, die chronische Herzinsu� zienz und die COPD nicht selten Ursache eines ungewollten Ge-wichtsverlustes. Auch psychische Stö-rungen wie eine Depression oder eine Anorexia nervosa können zu einem starken Gewichtsverlust führen.

KeywordsUnintended weight loss

Hyperthyroidism – neoplasm – diabe-tes – infection – malabsorption – maldigestion

52 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8)

Page 6: Immer ein Alarmsymptom!

FIN MM1405CkCME-Fragebogen gültig bis 19.5.2014Teilnehmen und Punkte sammeln, können Sie

• als e.Med-Abonnent an allen Kursen der e.Akademie,• als Abonnent einer Fachzeitschrift an den Kursen der abonnierten Zeitschrift oder • als Leser dieses Magazins – zeitlich begrenzt – unter Verwendung der FIN.

Bitte beachten Sie:• Die Teilnahme ist nur online unter www.springermedizin.de/eAkademie möglich.• ausführliche Erläuterungen unter www.springermedizin.de/info-eakademie

Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landes ärztekammer mit zwei Punkten zur zertifi zierten Fort bildung anerkannt (Kategorie I).

Unklare GewichtsabnahmeEin 65-jähriger blasser Patient klagt über Obstipation, hellrote Blutauflagerungen auf dem Stuhl und Gewichtsabnahme. Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?⃞ Chronische Pankreatitis⃞ Kolorektales Karzinom⃞ Magenulkus⃞ Sprue⃞ Hämorrhoiden

Welches Symptom spricht nicht für eine chronische Pankreatitis?⃞ Starke Bauchschmerzen⃞ Fettige Diarrhö⃞ Gewichtsabnahme⃞ Diabetes mellitus⃞ Hämatemesis

Welche Aussage bezüglich der Sprue ist zutreffend? ⃞ Es handelt sich um eine chronisch

entzündliche Darmerkrankung.⃞ Es handelt sich um eine Unverträglich-

keit von Gluten.⃞ Leitsymptom ist die Verstopfung.⃞ Die Erkrankung gibt es nur bei Kindern.⃞ Zur weiteren Abklärung ist eine

Koloskopie indiziert.

Welches Symptom spricht für eine Hyperthyreose?⃞ Obstipation⃞ Gewichtszunahme⃞ Bradykarde Herzrhythmusstörung⃞ Hyperhidrosis⃞ Vermehrte Schlafneigung

Ein Patient klagt über Gelenkbeschwerden mit Gewichtsverlust. Er nimmt nicht-steroidale Antiphlogistika ohne Magen-schutz. Welche Aussage ist zutreffend?⃞ Eine Polyarthritis geht immer mit einer

starken Gewichtsabnahme einher.

⃞ Gelenkbeschwerden mit Gewichts-verlust sind typisch für eine Hyper-thyreose.

⃞ Die Gewichtsabnahme kann Ausdruck eines NSAR-induzierten Ulkus sein.

⃞ Die Gewichtsabnahme dürfte psycho-gener Natur sein.

⃞ Wahrscheinlich hat der Patient die Gelenke im Rahmen eines exzessiven Trainings überbeansprucht.

Durch welche Untersuchung lässt sich der Verdacht auf Wurmbefall sichern?⃞ Nachweis der Eier, Larven oder Würmer

im Stuhl.⃞ Nachweis von Antikörpern im Blut.⃞ Koloskopie.⃞ Bestimmung der Elastase im Stuhl.⃞ MRT des Dünndarms.

Welche Aussage zur Gewichtsabnahme bei malignen Erkrankungen ist richtig?⃞ Magen-Darm-Karzinome führen

schneller als andere maligne Erkran-kungen zu einer Gewichtsabnahme.

⃞ Alle malignen Erkrankungen können zu Gewichtsverlust führen.

⃞ Gewichtsabnahme ist bei malignen Erkrankungen ein Spätsymptom.

⃞ Leukämien führen praktisch nie zu ei-ner Gewichtsabnahme.

⃞ Bei einem röntgenologisch nachgewie-senen Lungenrundherd schließt eine fehlende Gewichtsabnahme ein Karzi-nom praktisch aus.

Welches Medikament bzw. welche Substanzgruppe führt auch bei hoher Dosierung nicht typischerweise zu einer Gewichtsabnahme?⃞ Laxanzien⃞ Theophyllin

⃞ Zytostatika⃞ Diuretika⃞ Steroide

Eine 34-jährige Patientin klagt überGewichtsabnahme mit Herzrasen und Diarrhö. Was hat er am ehesten?⃞ Magenkarzinom⃞ Sprue⃞ Tuberkulose⃞ Chronische Pankreatitis⃞ Hyperthyreose

Welche Aussage zur Gewichtsabnahme bei Diabetes mellitus ist zutreffend?⃞ Eine Gewichtsabnahme kann ein

Ini tialsymptom beim Typ-1- und beim Typ-2-Diabetes sein.

⃞ Beim Typ-2-Diabetiker findet sich nie eine Gewichtsabnahme.

⃞ Auch bei schlechter Einstellung des Blutzuckers kann es beim Typ-2-Diabe-tes nicht zu einer Gewichtsabnahme kommen.

⃞ Die Einleitung einer Insulin-Therapie führt bei Typ-2-Diabetikern regelhaft zu einer Gewichtsabnahme.

⃞ Die Gewichtsabnahme bei einem Diabetiker ist immer Folge einer chro-nischen Pankreatitis.

DO

I 10.

1007

/s15

006-

014-

2866

-4

Bitte beachten Sie: Diese zerti� zierte Fortbildung ist zwölf Monate auf Springermedizin.de/eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit (Richtig- oder Falschaussage) zu tre� end. Sowohl die Fragen als auch die zugehörigen Antwortoptionen werden im Online-Fragebogen in zufälliger Reihenfolge ausgespielt, weshalb die Nummerierung von Fragen und Antworten im gedruckten Fragebogen unterbleibt. Prüfen Sie beim Übertragen der Lösungen aus dem Heft daher bitte die richtige Zuordnung.

MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (8) 53

springermedizin.de/eAkademie