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Ich bin Ich und Du bist Du Projekt im Kinderhaus Murkel September 2006 bis Mai 2007 Kinderhaus Murkel 1 Lendersbergstr. 28 53721 Siegburg Tel.: 02241/388000 Mail: [email protected] Web: www.murkel.eu

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Ich bin Ichund

Du bist Du

Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Kinderhaus Murkel 1Lendersbergstr. 28

53721 SiegburgTel.: 02241/388000

Mail: [email protected]: www.murkel.eu

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Du bist Du

Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Inhalt

1. Projektvorstellung

2. Die Projektgruppen

3. Körper und Selbstwahrnehmung

4. Das bin ich

5. Sinne und Wahrnehmung

6. So nehme ich meine Umwelt wahr

7. Gefühle und Persönlichkeit

8. Ich fühle also bin ich

9. Gesundheit und Persönlichkeit

10. Damit es mir gut geht, brauche ich ...

11. Wahrnehmung und Lernen

12. Die Feldenkrais-Methode

13. Dokumentation

14. Elternabend

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Projektvorstellung

Von September 2006 bis Mai 2007 fand im Kinderhaus Murkel ein Projekt unter demTitel: "Ich bin ich und du bist du" statt. Im Mittelpunkt des Projekts stand dieSelbstwahrnehmung der Kinder als eigenständige Persönlichkeiten. Erst wenn ichmich selbst besser kennen gelernt habe, bin ich in der Lage auch die Bedürfnisse undGefühle anderer Menschen wahrzunehmen und zu achten.

Die Kinder des Kinderhauses haben bereits Erfahrung mitProjektarbeit, da sie schon in anderen Zusammenhängen mit dieserForm der Bearbeitung von Themen Kontakt hatten. Diesmal handeltees sich um ein Projekt, dass im Rahmen des letztenKindergartenjahres auch die Zusammenarbeit in einer GruppeGleichaltriger entwickeln und somit auf die Schule vorbereiten sollte.

In den ersten Projekteinheiten stand der eigene Körper imMittelpunkt. Körpermerkmale, wie Größe, Gewicht, Augen-,Haarfarbe, Temperatur, Zähne usw. wurden gemessen, gezählt undbeobachtet. Die Auseinandersetzung mit dem Körper bot somit dieGrundlage zur Entwicklung der Selbstwahrnehmung: "Das bin ich!".Was habe ich mit anderen gemeinsam undwas macht mich einzigartig?

"Wie nehme ich meine Umwelt wahr?", warder Titel der zweiten Projektphase. Dabei

wurden unterschiedliche Erfahrungen mit den Sinnen:Tasten/Fühlen, Hören, Riechen, Sehen, Schmecken undSpüren gemacht. Welche Probleme tauchen auf, wenn icheinzelne Sinne nicht nutzen kann und welchen Einflusshaben die unterschiedlichen Wahrnehmungen auf meineHandlungen, waren Fragen, mit denen sich die Kinderbeschäftigten.

Im nächsten Projektabschnitt wurde die Bedeutung vonGefühlen für die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeitentdeckt. "Ich fühle, also bin ich!", sollte zeigen, wie wichtigdie Wahrnehmung der eigenen Emotionen für denrespektvollen Umgang mit anderen Personen ist. Gefühlesind neutral und müssen nicht bewertet werden. Angst, Wutoder Traurigkeit sind genauso wichtig und richtig wie Mutoder Freude. "Indianer haben auch Schmerzen und Jungsdürfen Weinen!"

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Darauf aufbauend wurden dann im letzten Abschnitt diesozialen Kompetenzen in den Mittelpunkt gestellt. "Damit esmir gut geht, brauche ich...!", sollte die Kinder stark machenihre Bedürfnisse ausdrücken zu können und sich gegenübertriebene Anforderungen aus ihrer Umwelt abgrenzen zukönnen. Eigene Stärken entdecken und den Anderen in seinerAndersartigkeit anzuerkennen waren Ziele dieses Projekts.

In drei Projektgruppen haben die Kinder vielfältigeErfahrungen mit ihrem Körper, ihren Sinnen und Gefühlengesammelt. Während der Auseinandersetzung mit diesenThemen haben sie Stunden der Feldenkrais-Methode kennengelernt, sie haben gemeinsam Ausflüge, wie z. B. in dieKletterhalle, gemacht und sich ganzheitlich mit verschiedenenAufgaben beschäftigt.

Jedes Kind bekam einen farbigen Ordner, in dem es dieUnterlagen des Projekts gesammelt hat. Es wurden Fotosvon den Projekteinheiten gemacht und die Entwicklung derKinder wurde während des Projekts schriftlich festgehalten.

Die Ergebnisse des Projekts wurden dokumentiert und denEltern dann Ende März auf einem Elternabend vorgestellt.

Falls Sie weitere Fragen zu unserem Projekt haben, sprechenSie uns bitte an.

Das Projektteam:

Sonnhild Geissler, Sabine Kahlhöfer, Alexandra Schruff,Tamara Hein, Edith Skarnek, Jennifer Löllgen und MarcelWelsch.

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Die Projektgruppen

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Körper und Selbstwahrnehmung

In unserer Gesellschaft wird dem Körper einegroße Aufmerksamkeit zuteil. Dabei stehenhäufig scheinbare Probleme im Vordergrund, derKörper wird als nicht perfekt oder alsminderwertig empfunden. Die meistenerwachsenen Menschen sind mit ihrem Körperunzufrieden und versuchen durch verschiedensteMaßnahmen auf den eigenen Körpereinzuwirken. Es gilt mittlerweile alsselbstverständlich den Körper durchFitnesstraining oder Diät verändern zu könnenund zu müssen, selbst Psychotherapien,Medikament oder Operationen sind in weitenKreisen anerkannte Möglichkeiten den eigenenKörper bewusst kontrollieren und beeinflussenzu können.Der Körper als Grundlage dessen, was mich vonmeiner Umgebung abgrenzt und mich vonanderen Lebewesen unterscheidet wird kaumnoch wertfrei und selbstbewusstwahrgenommen.

Dabei spielt gerade die Entwicklung eines positiven Körperschemas in der kindlichenEntwicklung eine herausragende Rolle. Die Entdeckung von Mund, Hand, Fuß, Kopfund Rumpf sowie Rechts-Links, Vorne-Hinten und Oben-Unten führt zu einem erstenBewusstsein von sich selbst und bildet die Grundlage für ein komplettes Ich-Bild.

Die motorische Entwicklung des Neugeborenenbeginnt mit dem Liegen am Boden. Nach etwazwei Wochen beginnen die Augen dem Licht zufolgen, später lernt es sich vom Rücken auf denBauch und zurück zu rollen und in Bauchlageden Kopf zu heben. Der Kopf findet langsamseine zukünftige Position auf der Wirbelsäuleund die Augen stellen sich auf die Horizontlinieein. Schrittweise entwickelt der Säugling dieFähigkeit aufrecht zu sitzen, zu krabbeln, zugehen und schließlich ohne Unterstützung freizu stehen. Zur Entwicklung dieserBewegungsmuster bedürfen die Kinder einerausreichenden Zeit. Werden die einzelnenSchritte von außen in unangemessener Weiseforciert, kann dies dazu führen, dass die Kinderkeinen ausreichenden Sinn für ihre eigenekörperliche Sicherheit gewinnen.

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Diese Lernerfahrung wird ihrezukünftigen Lernfähigkeit prägen. DasGefühl der eigenen körperlichenUnzulänglichkeit wird frühzeitiggefestigt.

Das Aussehen des Körper ist zu keinerZeit endgültig. Es verändert sich ständigdurch Prozesse von Entwicklung,Wachstum, Anpassung oder Alterung.Bestimmte Körpermerkmale bleiben einLeben lang erhalten, andere können sichverändern und bleiben dann irgendwannstabil und weitere unterliegen einemständigen Wandel. Genetisch festgelegteAnlagen, soziale Faktoren undUmwelteinflüsse wirken sich ebenso aufdas Erscheinungsbild des Körpers aus,wie gewohnte Bewegungsmuster undemotionale Erfahrungen.

Gefühl und Denken hängen eng mit demKörper und Körperausdruck zusammen, derKörper wird auch als "Spiegel der Seele"bezeichnet. Diese Erkenntnis hat sichweitgehend durchgesetzt. Andererseits weistaber auch viel darauf hin, dass auch derumgekehrte Zusammenhang zutrifft: "DieSeele ist der Spiegel des Körpers!". Allein diesprachliche Trennung von Körper und Geistlässt uns diese Wechselwirkung noch immerbefremdlich erscheinen, obwohl wir sie imAlltag immer wieder selbst erleben.

Die menschliche Intelligenz braucht einenKörper um sich entfalten zu können.Kognition umfasst Wahrnehmen, Erkennen,Begriffsbildung, Schlussfolgern, Planen,Problemlösen, Wissen, Erinnern und vielesmehr. Intelligenz bezeichnet eine Eigenschaft

der Kognition, nämlich das Denkvermögen. Sie ist die Fähigkeit zum Erfassen undHerstellen von neuen Bedeutungen, Beziehungen und Sinnzusammenhängen. Einelektronischer Taschenrechner zum Beispiel wäre gemäß dieser Definition nichtintelligent, denn er kann sich nicht anpassen und hat natürlich keinen Zugang zuBedeutungen.

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Das bin ich

Als Einstieg in unser Projekt nutzten wir einen Ausflug indie Kletterhalle Wesseling. In Vorbereitung auf unsereKlettertour überlegten wir gemeinsam, was brauchenwir?

Turnschuhe, Sportsachen, Seile, Arme, Beine..., „...ach,den ganzen Körper“! Klettererfahrene Kinder wusstennoch, dass Augen und Ohren gebraucht werden, umdem Partner richtig helfen zu können. „Mut brauchenwir auch“, doch wo kommt der her? Kann man Mut zumFrühstück essen? Nein Mut „ist im Kopf“, doch wiekommt er dort hin...? Einige Kinder wussten schonvorher: „Das kann ich, ich schaffe das!“, andere standenzu ihrer Angst.

In der Kletterhalle, aber auch beim Treffen danach, ginges immer wieder um den Körper, d. h. Muskeln/Kraft,Hören, Sehen, Mut und Angst, sowie demunterschiedlichen Umgang damit. Diese Feststellungen,Diskussionen und Fragen führten uns zum ersten Themaunseres Projektes: "Das bin ich!".

Nach der Gründung unserer Projektgruppen stand zunächst die „Findungsphase“ imVordergrund. Wer ist in meiner Gruppe, in welcher Gruppe bin ich? Wen kenne ichschon gut und wen werde ich erst noch besser kennenlernen? DieAuseinandersetzung, sowie die Identifikation mit der eigenen Projektgruppe bieteteine gute Möglichkeit zur Vertiefung der Selbstwahrnehmung und der Förderungsozialer Kompetenzen zur Entwicklung und Stärkung des“WIR - Gefühls“.

Es entstand ein Projektlogo, welches als Projektzeichen zur Orientierung dienen soll.Das heißt, die Projektgruppen werden durch das Aushängen des Projektzeichens imFlur an ihren Projekttag erinnert.

Folgende Kennenlernspiele,Bewegungsspiele und Liederwurden in den Projektgruppenerarbeitet, ausprobiert und erlernt:

· Namenball

Ein Kind nennt ein anderes Kindbeim Namen und rollt ihm den Ballzu.

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· „Stille Post“

Alle sitzen im Kreis und halten sich an den Händen. Ein Gruppenmitglied schickt,durch Drücken der Hand eines Nebenmannes, einen Gruß ab, den dieser an seinenNebenmann weiter gibt. Das Spiel endet, wenn der Gruß beim Absender wiederangekommen ist.

· „Flüsterpost“

Spielverlauf ähnlich wie bei der stillen Post, statt einesHändedruckes wird ein Wort oder eine Wortgruppe ins Ohr desjeweiligen Nebenmannes geflüstert ....

· Bewegungsspiel – „Körperteilspiel“

Kinder laufen paarweise zur Musik durch den Raum. Der Spielleiterunterbricht die Musik und benennt ein Körperteil (Schulter, Knie,Ohr...). Kinder halten den Partner an eben diesem Körperteil fest.Dieses Spiel hat auch im Kreis sitzend Spaß gemacht.

· „Schuhsalat“

Die Schuhe aller Anwesenden werden in der Kreismitte vermischtund dann von einem Teilnehmer den entsprechenden Besitzernwieder zugeordnet.

· Vertrauensspiele

Ein Kind führt ein anderes Kind, welches die Augen geschlossenhält, durch einen Raum.

· Schattenraten

Ein Kind versteckt sich hinter einem Vorhang, die anderen Kinderversuchen anhand des Schattens zu erraten, welches Kind es ist.

· Lieder:

„Wir geben uns die Hände“

„Lied über mich“

Parallel dazu erarbeiteten wir das Thema „ Das bin Ich“.Es ging um die Wahrnehmung des eigenen Körpers, wie gut kenne ich mich, wastraue ich mir und meinem Körper zu.

-„Das bin ich - wie ich mich sehe, was mich ausmacht.“-

Doch es ging auch darum Unterschiede wahrzunehmen, zu benennen, zu tolerierenund zu akzeptieren.

Aufgabe war es, die körpereigenen Merkmale zu erkennen und zu dokumentieren.

· Mit Maßband und Zollstock maßen wir unsereGröße aus. Jeder wollte der Größte sein, doch beimVergleichen der Zahlen wurde schnell klar, wergrößer war.Einige Kinder erkannten schon, wie viel sie kleinerbzw. größer waren: „ Ich bin größer als du – genaueinen Zentimeter“ – „... aber ich wachse ja noch“. ImFlur des Kinderhauses wurde eine „Messwand“aufgehängt. An dieser werden die Größen der Kinderangezeichnet, um so die Unterschiede, aber auch dieEntwicklung sichtbar zu machen.

· Wir wogen unser Gewicht, mit zweiverschiedenen Waagen ( Digital- und Analoganzeige)und staunten nicht schlecht, als das selbe Kindjeweils ein anderes Gewicht hatte, denn das kamleider auch vor.

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· Wir stellten fest, dass es Schuh- und Kleidergrößen gibt und wo man diesefinden kann. Auf diese neue Erkenntnis griffen viele Kinder auch im Alltag zurück.Zum Beispiel beim Austausch von Gummistiefeln „ Ich brauche aber die Größe 29“oder „ Mama meine Hosengröße ist doch die 116 oder?“

· Wir fertigten Hand- und Fußabdrücke an.

· Wir betrachteten uns „peinlichst“ genau im Spiegel, um herauszubekommen,welche Farbe haben meine Augen, meine Haare, mein Mund. Gar nicht so einfach,denn blonde Haare waren gar nicht so richtig gelb... und die braunen Augen nichtso braun wie der Buntstift. Viele Kinder entdeckten die unterschiedlichenFarbnuancen. Es wurde experimentiert und ausprobiert, um den Originalfarbenmöglichst nahe zu kommen.

· Spannend gestaltete sich auchdas Messen der Haarlänge, dennnicht immer waren die Haare amlängsten, von denen man esannahm. Locken warenglattgezogen oft länger alsgedacht und viele Kinder hattenmehrere Haarlängen auf dem Kopf.

· Wie viele Zähne sind in meinemMund, wer hat die meistenWackelzähne? Wir habennachgezählt.

· Wie warm oder kalt ist meinKörper? Viele Kinder waren erstaunt, dass der Körper auch ohne „Krankheit“Temperatur hat, sogar unser Raum. Dem mussten wir nachgehen. Mit Zettel undStift ausgestattet ging es auf die Suche nach Thermometern. Im Garten,Rappelkiste, Hort, Kühlhaus und Kühlschrank wurden wir fündig. Nach dem wirdie Temperaturen gespürt hatten, konnten wir sie nun vergleichen. Im Kühlhauswar‘s am kältesten und unser Körper war am wärmsten.

· Zur Förderung der Selbstwahrnehmung und der Kreativität malten sich dieKinder an einem Projekttag gegenseitig auf Tapete. Es wurde untereinanderHilfestellung gegeben und kooperiert.

Wir lernten den Zweck und denUmgang mit verschiedenenMeßgeräten und Maßeinheitenkennen, probierten undexperimentierten. Außerdemdokumentierten alle Kinder ihreBeobachtungen und Ergebnisse. Jenach Entwicklungsstand wurden dieZahlen nach Ansage direktgeschrieben, abgeschrieben,gestempelt oder auch vomZahlenstrahl abgeschnitten undaufgeklebt. Ende März werden wirerneut wiegen und messen, um zuschauen, hat sich was verändert?,was hat sich verändert....?

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Sinne und Wahrnehmung

Der wissenschaftliche Fortschritt derwestlichen Zivilisation hat dasVertrauen der Menschen in ihre Sinne,ihr Gespür und ihr Gefühl vielfachabgewertet und entmutigt. Als wirklichwahr gelten nur Dinge, die objektivdemonstrierbar, wiederholbar undvorhersagbar sind. Messbar sind solcheWahrheiten nur durch Instrumente, derWert der eigenen Sinne wird immerweiter begrenzt und als unzuverlässigeingeschätzt. Neue "äußere Sinne"werden zum Vergrößern und Ver-kleinern, zum Messen oder Aufzeichnenherangezogen.

Selbstbeobachtungen und -wahrnehmungen könnennicht als "wissenschaftlich" anerkannt werden, sie sindimmer subjektiv und dem Subjektiven haftet immer derVerdacht der Unzuverlässigkeit, Ungenauigkeit oderVerzerrung an.

Gespür und Gefühl unterliegen dem Denken undGedanken. Die Begriffe Denken und Gedanke haben sichursprünglich aus dem Begriff "dünken" im Sinne von"empfinden" entwickelt. Dieser sprachliche Zusammen-hang verweist darauf, dass Denken und Gedanken nichtlosgelöst von Fühlen und Wahrnehmen zu sehen ist.Denken ist immer auch ein leiblicher Vorgang, istErinnerung, Gewahrwerdung und Bewusstwerdunginnerer Bewegungen.

Wenn wir einen Gedanken haben sagen wir auch: "Eskommt mir in den Sinn!". Welchen Sinn meinen wirdamit? Die Wissenschaft kennt nur fünf Sinne: Sehen,Riechen, Hören, Schmecken und Tasten. Der oftgenannte "sechste" Sinn, der subjektive Sinn fürEigenbewegung, ist nicht objektivierbar und wirdinfolgedessen von der Wissenschaft nicht anerkannt.

Dieser so genannte kinästhetische Sinn ist jedoch dieGrundlage unserer ersten Lernerfahrungen, da nur durch

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ihn die Zusammenhänge der übrigenSinneswahrnehmungen für das sichentwickelnde Gehirn strukturierbarwerden. Nur durch diesen ständigenBezug auf den eigenen Körper ist dasGehirn in der Lage Wiederholungenund Ordnungen in den vielenSinneseindrücken zu finden dieständig auf das Nervensystem ein-strömen.

Bei der Geburt sind die Sinnes-empfindungen des Menschen nochnicht vollständig entwickelt.Die Verbindungen der Nerven imGehirn sind noch ungeordnet undstehen für die Wahrnehmung nichtzur Verfügung.

Verschiedene Sinneseindrücke kenntdas Neugeborne aus der Zeit der Schwangerschaft, die meisten Fähigkeitenentwickeln sich aber erst im Zusammenhang mit dem Wachstum und den Einflüssenaus der Umwelt.

Das was wir dann als objektive Realitätempfinden, ist also nur das, was unserNervensystem als wiederkehrend inunserer sozialen, emotionalen undmateriellen Umwelt gefunden hat.Diese Nervenverbindungen werdenausgebildet und bestimmen dann auchdie Möglichkeiten der Sinnesempfin-dungen.

Die Struktur des Nervensystems zeigt,dass die subjektive Wirklichkeit einesMenschen viel größer ist als dieobjektive. Nur ein Bruchteil, wenigerals 1/1000 der Nervenzellen verbindenuns mit unserer Umwelt, der weitausgrößere Teil an Nervenverbindungenist mit inneren Prozessen beschäftigt.Die Auswahl, Verarbeitung undBewertung von dem, was wir fürWirklichkeit halten, ist hauptsächlichvon den individuellen Erfahrungenabhängig.

Hinzu kommt, dass wir viele der unsumgebenden Umweltreize mit unserenSinnesorganen, oder besser gesagt,mit den uns bekannten Sinnesorganen,gar nicht oder nur sehr rudimentärwahrnehmen können und somit viele

Informationen über unsere objektive Umwelt einfach verloren gehen.

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So nehme ich meine Umwelt wahr

Wie schon in der Projektvorstellungbeschrieben, ging es in dieser zweitenPhase um die Sinne.

• Womit und wie nehme ich meineUmwelt wahr?

• Was passiert, wenn ich bestimmteSinneswahrnehmungen nicht nutzenkann?

• Welchen Einfluss haben dieunterschiedlichen Wahrnehmungenauf meine Handlungen?

Bei der Erarbeitung dieses Themaskonnten wir schon auf viele Erfahrungenund Erkenntnisse aus der erstenProjektphase aufbauen. Für alle Kinderwar es selbstverständlich, dass die Nase zum Riechen da ist, die Augen zum Sehenund so weiter. Deshalb stellten wir am Anfang die bewusste Wahrnehmung und dieArtikulation der gemachten Wahrnehmungen in den Vordergrund.

Ausflug zum mittelalterlichen Weihnachtsmarkt

Da es kurz vor Weihnachten war, nutzten wirdafür einen Besuch des mittelalterlichenMarktes in Siegburg. Vor der Abfahrtvergewisserten wir uns, ob auch alle Kinderalles dabei hatten: warme Schuhe und Jacken,Rucksack, ..., Nase, Ohren, u. s. w.. UnsereKinder fanden das sehr lustig, denn schließlichhätten sie Nase, Ohren ... ja immer dabei. Siewaren damit einverstanden, diese jedochdiesmal ganz intensiv und damit natürlich auchbewusst zu nutzen. Dazu hatten wir dann auchreichlich Gelegenheiten. So nahmen wir dieunterschiedlichsten Gerüche wahr, vonGewürzen, frischem Brot, Seifen.... Eine Gruppe

kam in den Genuss eines Kampferaufgusses, der die Nasen so richtig frei machte. Wirhörten den verschiedenen Kleindarstellern und Marktleuten zu, dem Glockenspiel, demHämmern des Schmiedes. Alle spürten irgendwo die Kälte des Winters und dann auchdie wohlige Wärme, welche die Backöfen ausstrahlten. Uns schmeckte der Keks, derein Trampeltier und kein Kamel darstellte, wie wir ursprünglich annahmen und dasfrische, noch sehr warme Brot. Heiße Maronen und auch Honigbonbons waren für

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einige Kinder eine ganz neue Geschmackserfahrung.Beim Bürstenbinder und Korbmacher durften wir dieunterschiedlichen Materialien fühlen und die Fertigungbeobachten. Viele Kinder nahmen ein bisschenWeihnachtsmarkt in Form einer kleinen Seife mit nachHause, sie hatten sich ihren Lieblingsduft ausgesucht.Dies alles hielten wir mit einem Fotoapparat fest. Nachder Weihnachtspause, zwei Wochen später, schauten wiruns die Bilder als Diashow gemeinsam an. Dieunterschiedlichen Sinneserfahrungen waren wiederpräsent. Wir „rochen“ die Gewürze und das Brot,„hörten“ das Hämmern des Schmiedes, “das war ganzschön laut“ und erinnerten uns an die weichen Borstenaus Ziegenhaaren, die wir anfassen durften und dasleckere frische Brot, die Maronen und Honigbonbons,welche wir gegessen hatten.

Wir stellten aber auch fest, dass es fast immer mehrereDinge gleichzeitig waren, die wir wahrnahmen. ZumBeispiel das Brot in der Hand und im Mund spüren, essehen und schmecken....

Doch was ist, wenn zum Beispiel ein Sinn nicht zurVerfügung steht. Welche Erfahrungen mache ich damit,wie geht es mir dabei? Diese Thematik bestimmte diedarauf folgenden Treffen. Zum Abschluss dieser Projektphase wurde ein Tag der Sinne und im Rahmen desKarnevals ein Gespensterparcours gestaltet. Wir als Projektgruppe nutzten dieseMöglichkeiten um andere Murkelkinder und bei letzterem auch Eltern, in dieseThematik einzubeziehen.

Tag der Sinne

Am 25.01.2007 verwandelte sich Murkel in ein Haus der Sinne. In verschiedenen Räumen des Kinderhauses wurden Möglichkeiten fürunterschiedliche Sinneserfahrungen geschaffen. Diese wurden erst von denProjektkindern genutzt. Danach holten diese sich Geschwister und Freunde dazu.

Turnhalle

1. Fußfühlpfad mit folgenden Stationen:Flokati-Teppich, Korken, Metallplatte,Styroporplatten, Holzplatte, grober Sand,Schaumstoff dünn mit Bezug, Sägespäne,kleine Schaumstoffwürfel mit Bezug,Schaffell, Schaumstoff dick ohne Bezug,feiner Sand, dünner Teppich,Kuschelsack.Die Kinder gingen, geführt von einemErwachsenen oder einem Kind, welchesschon den Weg gegangen war, mitgeschlossenen Augen über dieunterschiedlichen Untergründe. Teilweiseäußerten sie sich darüber, wie es sichanfühlt. Es kamen Antworten wie: kalt,warm, fein, grob, weich, hart... oder auchwelches Material es sein könnte. Viele Kinder konnten eine Menge herausfinden, nurbei den Sägespänen meinten sie, es sei Heu.

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2. KörperfühlstationEs lagen Matten übereinander, oben drauf eine weiche Decke. Glitzerdeckchen undKerzen schufen eine angenehme Atmosphäre. Griffbereit lagen: einzelne Federn,Federbündel, Pinsel, Igelball, Massageroller, Warmhalteplatte mit vielen rundenSteinen, zum Auflegen auf die Haut und eine Einreibung für eine kurze Massage (Pferdebalsam mit Tannengeruch).Nach einer kurzen Einführung, über die verschiedenen Materialien und Möglichkeitendes Eisatzes, hatten die Kinder die Möglichkeit es selbstständig auszuprobieren. ZweiKinder wurden jeweils „behandelt“ bzw. verwöhnt. Sie lagen mit freiem Oberkörperauf dem Bauch, zwei weitere Kinder führten die Anwendungen durch. Danach wurdegetauscht. Wer sich nicht ausziehen wollte, zog den Pullover nur hoch.

3. Ballwurfstation Drei unterschiedlich schwere und große Bälle wurden von einer Linie aus in einenKorb geworfen. Zunächst mit offen Augen, dann mit geschlossenen Augen. Fragewar, wofür braucht man mehr Kraft? Umsetzung Gefühl für Kraft undGeschwindigkeit.

4. Tiergeräusche SpielVorbereitet waren Bilder von jeweils zwei gleichen Tieren (Paare) in der Anzahl derKinder. Diese wurden an die Kinder verteilt, ohne dass ein Kind das Bild eines anderenKindes sehen konnte. Sie durften auch nicht verraten, welches Tierbild sie in der Handhielten. Nachdem alle Kinder ihre Karte hatten ahmten sie die Geräusche desjeweiligen Tieres nach, z.B. Bellen bei Hund, Muhen bei Kuh usw. und suchten ihrenPartner. Dabei bewegten sie sich wie das Tier, dessen Laute sie nachahmten. Hattensie sich gefunden, fassten sie sich an den Händen.

Matratzenraum

Im Matratzenraum wurdenStationen für die Förderung derauditiven und taktilenWahrnehmung eingerichtet. Wirmachten zusammen mit denKindern die Erfahrung, was allespassiert oder auch nicht, wennman nichts mehr sieht und nur aufdas Lauschen/Hören und Tastenangewiesen ist. Wie verändert sichdas Hören - wird es intensiver?Fühle ich mich sicher und trauemich, mir die Augen verbinden zulassen, oder muss ich ab und zuein bisschen unter den Wimpernher blinzeln? Es war interessant zubeobachten, wie viel Nähe daseinzelne Kind beim Partnerspiel

zuließ. Hier galt es, mit verbundenen Augen seinen Gegenüber zu ertasten undanhand der verschiedensten Merkmale zu erkennen. Merkmale, die zu ihm gehörenund ihn unverwechselbar machen.

Konzentration und genaue Geräuschselektion war gefragt, als die Kinder vor derAufgabe standen, sich "blind" durch einen Parcours zu tasten, lediglich dem zartenKlang einer Triangel folgend. Die letzte Station im Raum war für viele Kinder sicher die schwierigste. Und zwar inmehrfacher Hinsicht: Hinter einer Sichtbarriere wurden verschiedeneAlltagshandlungen vollzogen wie Nüsseknacken, Wassergießen, Kaffeemahlen,Streichhölzer entzünden und Papierschneiden - alles Tätigkeiten, wie sie unsere Kinderauch selbst fast täglich verrichten. Diese Geräusche jedoch richtig zuzuordnen und zubenennen, wenn man die Tätigkeit nicht sieht, ist jedoch nicht immer so einfach. Alsganz besonders knifflig entpuppte sich das Papierschneiden.

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An dieser Station konnten wir als Erziehernoch eine ganz spezielle Beobachtungmachen. Neben dem beabsichtigtenErfahrungsfeld stellte sie auch einenwichtigen Baustein zur Sprachförderung dar.Viele Kinder nahmen sich einfach nicht dieZeit, komplette Sätze zu formulieren, wiebeispielsweise: "Sabine knackt eine Nuss!"Oft folgten auf die Geräusche folgendeAntworten :"Nuss - Wasser - Streichholz!"Erst gezieltes Nachfragen unsererseits, wasgenau sie uns eigentlich mitteilen wollen,sensibilisierte die Kinder dahingehend, sichnoch einmal konkreter mit der Tätigkeitauseinander zu setzen. Woran liegt es,

sollten wir uns fragen. Geben wir uns zu schnell mit Wortfetzen zufrieden?

Nehmen wir uns immer die Zeit, Kindern bis zum Ende zuzuhören? Wie viel Wertlegen wir auf eine sorgfältige und grammatikalisch korrekte Aussprache undSatzstellung? In den jeweils abschliessenden Reflexionen waren sich alle einig, dass es interessanteund spannende Erfahrungen waren, aber wie froh und dankbar man sein kann, wennalle Sinne intakt sind und man sich ihrer bedienen kann.

Hortbereich

Im Hortbereich bauten wir vier Stationen auf. Die Erste begann im Treppenhaus:

Der Fernglasversuch

Allein durch ein Fernglas zu schauen, erweist sich ja nicht immer als leicht, aber dannauch noch anders herum?? Ja tatsächlich, eine Herausforderung.Aufgabe war: das Fernglas anders herum vor die Augen zu halten und dann dieTreppe hoch zu gehen. Nicht so einfach mit dieser Täuschung, die Perspektiveverändert sich, der Weg erscheint weiter Eine Übung zur Koordination zwischenBewegung und Augen. Es gab jede Menge Spaß, denn es geschah nicht selten, dassder ein oder andere Fuß neben die Treppe gestellt wurde, aber schließlich schafften esdoch alle bis nach oben.

Oben angekommen gelangten die Kinder an die zweite Station:

Den kalt - warm Vergleich (Übung zur Empfindung von Wärme undKälte)

Hier sollte sich jeweils ein Kind auf den Rückenlegen und bei belieben die Augen schließen.Nun wurde dem Kind eine Wärmflasche aufden Bauch gelegt und es sollte beschreiben,wie sich diese anfühlt, kalt oder warm?Anschließend wurde eine eisgekühlte"Wärmflasche" auf den Bauch gelegt. Das Kindkonnte den direkten Unterschied zwischenwarm und kalt feststellen, erleben undvergleichen. Einige Kinder stellten fest, dass sich die warmeWärmflasche angenehmer anfühlte, als diekalte Flasche. Zum Beispiel, weil sie uns in derkalten Winterzeit erwärmt. Wir überlegtenjedoch, wie es wohl im Sommer sein könnte und bemerkten, dass es dort umgekehrtsein würde, da es zur Kühlung in der warmen Sommerzeit beitragen würde.

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Die dritte Station:

Das warm und kalt Wasserexperiment

Hier befand sich eine Schüssel mit heißem Wasser, in welche das Kind seine Handeintauchen sollte, bis sie gut durchblutet und somit richtig rot war. Anschließendwurde die Hand abgetrocknet und nach kurzer Zeit verschwand dieWärmeempfindung in der Hand. Nun konnte sich das Kind mit beiden Händen ins Gesicht fassen und spüren, dass diegerötete Hand wärmer war als die andere Hand. Dann wurden beide Hände in eine Schüssel mit lauwarmen Wasser gegeben. DasKind empfand, dass die rötere Hand kühler war, als die andere Hand, die warm zu

sein schien, solange sich die Hände imWasser nicht bewegten. Wir konnten hierbei gut beobachten,dass warm und kalt immer einpersönliches Empfinden ist. Das eineKind traute sich, die Hand länger insheiße Wasser zu legen als ein anderes.Für den einen ist die Temperatur heißund für den anderen nicht.

Die vierte Station:

Fühlmemory

Material: ein selbst gebasteltesFühlmemory aus verschiedenenMaterialien, wie Wolle, Borsten u.v.m..An einem Tisch spielten mehrere Kinder

zusammen und versuchten durch Tasten und Erfühlen immer ein gleiches Paar zufinden. Dies setzte viel "Fingerspitzengefühl" voraus!

Die fünfte und letzte Station:

Schmecken ohne zu sehen und zu riechen

In der Hortküche wurde eine Station zur Förderung der gustatorischen Wahrnehmungeingerichtet. Das heißt, die Kinder hatten hier die Möglichkeit, verschiedeneGeschmacksrichtungen zu erfahren, ohne die Lebensmittel sehen und riechen zukönnen. Denn die Augen wurden verbunden und die Nasen zugehalten. FolgendeFragestellungen standen beim Kosten im Vordergrund: welchesGeschmacksempfinden löst es bei mir aus, verändert es sich eventuell, kann ich denGeschmack einem Lebensmittel zuordnen...? Gefragt waren Mut aber auch Vertrauen in uns Erwachsene. Einige Kinder hatten dieBefürchtung, etwas ungenießbares kosten zu „müssen“: „Tiere essen wir aber nicht,oder?“ Es war Interessant zu beobachten wie die Kinder sich auf die Situationeneinließen. Alle vertrauten uns und probierten neugierig. Sie machten die Erfahrung,dass sie alltägliche, bekannte und auch beliebte Lebensmittel, wie zum Beispiel:Nüsse, Schokolade, Käse und Salz, schnell erschmecken konnten. Schwieriger war eszum Beispiel bei der Möhre. Hier interpretierten die Kinder Lebensmittel wie zumBeispiel Birne, Kohlrabi und Apfel hinein, jedoch kam meistens zuletzt doch noch dieMöhre. Überraschend für alle Kinder war, wie wichtig unser Geruchssinn fürs Schmecken ist. Viele waren regelrecht erstaunt wie unterschiedlich dann so ein Stück Apfelschmecken kann. Reflektierend waren sich alle einig, dass Zunge und Nase zum schmeckendazugehören und das sich unsere Augen, Dinge meist besser merken können alsunsere Zunge. Das heißt, es ist gut auch sie „dabei zu haben“.

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Ausflug in den Troisdorfer Stadtpark zum „Pfad der Sinne“

Dieser Ausflug fand an einem sonnigen, kalten Wintertag statt. Uns kam es so vor, alswäre es der kälteste Tag in diesem Winter überhaupt gewesen, zumindest war dieWahrnehmung der Kälte recht intensiv. Interessante Ablenkungen und viel Bewegunghalfen uns, etwas darüber hinweg. Es gab viele Dinge zu entdecken, angefangen vondem Eis auf den Pfützen und dem Bach, von einem Orkan umgeknickte Bäume, sowiedeutliche Spuren von Paarhufern auf der Wiese. Wirbefühlten die Bruchstellen der Bäume, testeten das Eisund untersuchten die Spuren. Später erfuhren wir, dassdiese von entlaufenen Hirschen stammten. Einumgestürzter Baum hatte sie aus ihrem Gehege befreit.Eine Kindergruppe fand im Wald einen richtig dickenBaum, er hatte einen Umfang von vier Kindern mitausgestreckten Armen. Doch es gab noch vieles mehr zuentdecken und auszuprobieren. • Ein Steinlabyrinth• einen von uns erzeugten Wasserstrudel im Zylinderglas• einen Findling der an einem Stahlseil hing, man konnte

darauf klettern und schaukeln, auch mit geschlossenenAugen

• ein Rad, ca. 1 m Durchmesser, schwarz-weiß inSpiralen gestrichen, es suggerierte, dass manhineingezogen wurde: „huch, mir wird ganz schlecht“;„oh, alles dreht sich“

• ein großer Steinschuh, die Kinder fühlten sich wieZwerge und meinten: „Der Schuh gehört einem Riesen.“

• ein hohler Baumstamm mit einem Loch zum Hineinklettern oder Hineinsprechen,die Stimmen klangen verändert, viele wollten das selber ausprobieren

Im Wald gab es auch vier Edelstahlsprachrohre, die ca. 5-20 m auseinander standen Die Kinder konnten hinein sprechen und sich unterhalten. Es war eine Idee der Kinder,dass alle zusammen unser „Lied über mich“ in die Rohre singen, dann noch „Seigegrüßt lieber Nikolaus“.

Tastkästen wurden von den Kindern untersucht und ausprobiert. Leider waren dieRiechrohre eingefroren. Gerne erinnern sich die Kinder an den schönen Spielplatz ander Burg Wissem und die Rolltreppenfahrt mit geschlossenen Augen, während wiruns im Forum etwas aufwärmten.Der Sinnespfad an der Burg Wissem, der Wald und der angrenzende Spielplatz bietenviele Möglichkeiten, für fast alle Altersgruppen und ist für Familienausflüge anWochenenden oder im Urlaub sehr zu empfehlen. Die Eltern der Projektkinder könntensich ja von ihren Kindern führen lassen.

GespensterparcoursIm Rahmen des Karnevals gestaltetenwir, passend zum Thema „ImGespensterschloß“, einenGespensterparcours. Er stellte soetwas wie eine Bündelung der zuvorin den Projektgruppen gemachtenErfahrungen zum ThemaSinneswahrnehmung dar. Genutzt wurde der ganze Hortbereichund es ging bereits unten an derTreppe los. Schon zu Beginn warnicht viel zu sehen, nur ab und an einGong zu hören. Neben der Neugierdegehörte auch schon etwas Mut,Selbstvertrauen und natürlich auchVertrauen zum jeweils führenden Kind

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dazu, um sich auf das dann Folgende einzulassen. Denn zuerst bekam jeder eineAugenmaske auf und dann musste man sich auf seinen Führer/Führerin und die nochzur Verfügung stehenden Sinnesorgane verlassen. Schritt für Schritt ging es dieTreppe hinauf, geführt und getastet einen stachligen, kratzigen, glatten und dannauch mal feuchten Handlauf entlang. Gestreift von Plastikbändern und obenangekommen von einem kleinem „Gespenst“ oder ähnlichem erschreckt. Weiter ginges auf einem Rollbrett. Immer noch mit verbundenen Augen wurde man durch denRaum geschoben, durch hängende Seidentücher, Wollfäden und Plastikstreifen, aneinem Ventilator vorbei, dessen „Lüftchen“ für manche „huch“ – Rufe sorgte. Immerwieder begleitet von merkwürdigen Geräuschen, hervorgerufen von verschiedenenInstrumenten und einem Regenmacher. Bei einem Halt wurde eine Hand ingeheimnisvolle Flüssigkeit getaucht (Wasser), danach auch wieder abgetrocknet.Viele Möglichkeiten zum Spüren und Fühlen. Danndurfte man an einem Mittel gegen Vampire riechen,welches in dieser Konzentration nicht besondersangenehm roch und von vielen (vor allemErwachsenen) als Knoblauch identifiziert wurde. Dadieses Wundermittel auch gegessen werdenmusste, um zu wirken, kam die Aufforderung denMund zu öffnen. Zur Freude der Kinder undErleichterung der Erwachsenen gab es dannersatzweise ein saures Gummitier bzw. Bonbon.Wer das alles geschafft hatte, durfte dieAugenbinde abnehmen und sich wundern, wo ergelandet war. Dann ging es in einen abgedunkeltenRaum (Hortküche), in dem sechs Tastkästen mit unterschiedlichen Inhaltenbereitstanden. Es wurde gefühlt und getastet, vermutet und gewusst. Zum Ausgangging es über einen wackligen Boden (verstecktes Wackelbrett, Luftkissen undKastanien). Hatte man das alles geschafft, musste man sich nur noch vor derRiesenspinne in acht nehmen, die an einer Angel dem Gehenden entgegen sprang.

Spinnenangel, „Fütterung“ mit Gummitieren und Erschrecken waren die begehrtestenPosten bei den Kindern. Doch auch die anderen Aufgaben, wie das Führen, dasBedienen der Musikinstrumente oder auch das Zurückbringen der Rollbretter wurdensehr gewissenhaft und mit viel Einsatz von den verschiedenen Kindern aus unseremProjekt durchgeführt. Später bekamen sie noch Unterstützung durch die Hortkinder.Am liebsten wurden Erwachsene, vor allem die eigenen Eltern geführt. Gut, dass sichauch so viele Erwachsene darauf einlassen konnten. Denn es war nicht immer einfach,zum Beispiel wenn die Aufforderung kam: „Und jetzt musst du da lang.“ oder „Nunsetz dich mal da drauf.“ Gemeint war das Rollbrett, welches eigentlich für denGeführten nicht sichtbar war..... Für alle Beteiligten gab es so eine Menge neuerErfahrungen. Auch am nächsten Tag wurde der Parcours noch intensiv durch dieKinder genutzt. Obwohl sie ja nun wussten, was auf sie zu kommt, schien es für sieimmer wieder neue, andere Erfahrung zu geben und immer noch ein bisschenunheimlich zu sein.

Nachtrag

Am Dienstag nach Karneval bautensich fünf Jungs in der Turnhalle eineneigenen Gespensterparcours auf. Siehängten zwei Turnbänke in dieSprossenwand und stellten unserebeiden Weichbodenmatten sogegeneinander, dass sie ein Spitzdachüber den Bänken bildeten. Dazwischenbefestigten sie Seidentücher. DieÖffnungen wurden mit Decken undMatten zugehängt bzw. gestellt.Später nutzten sie noch unser großesSchwungtuch, welches halbdemontiert vom Deckenbalkenherabhing. Eigentlich hatten die Jungs

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auch geplant mit den Rollbrettern die Bänke runter, durch die Gespensterbahn, zurollen. Da die Rollbretter dafür jedoch nicht geeignet sind und somit eine erheblicheUnfallgefahr bestand, konnten wir das nicht zulassen. Alternativ wurden dieRollbretter dann von den Kindern zwischen den Bänken eingeklemmt und darübergerutscht....

Spiele, Experimente und Erfahrungen

• „Stille Post“• „Flüsterpost“Beschreibung dafür siehe erste Projekteinheit

• „Hänschen piep einmal“Die Kindergruppe sitzt im Stuhlkreis. Ein Kind bekommt die Augen verbunden undwird im Kreis ein - zweimal gedreht. Dann sucht sich dieses Kind den Schoß einesanderen Kindes (Hänschen), um sichdarauf zu setzen. Nun soll es erraten, aufwessen Schoß es sitzt. Es fordert dasentsprechende Kind auf: „Hänschen piepeinmal!“ Das Kind gibt ein Piepen vonsich. Sollte dies noch nicht zurAuflösung führen, wird es wiederholt.Danach wird das Kind ertastet. Hat esnoch nicht geklappt, beschreiben andereKinder aus der Runde das gesuchte Kind.VertrauensspieleZwei Kinder bilden ein Paar, ein Kind hatdie Augen verbunden, ein anderes führt.Dieses Spiel wurde in Räumen mit undohne Hindernissen durchgeführt, aberauch im Wald. Vor allem im Wald fielauf, dass die Kinder mit verbundenenAugen viel bewusster und differenzierter die Geräusche der Umgebung (Vögel, Autos,Flugzeuge)wahrnahmen. Mit Händen und Füßen betasteten und „fühlten“ sie ihreUmgebung.Weitere Spiele wurden in den vorangegangenen Berichten beschrieben.

• GeräuschememoryZur Verfügung stehen Dosen mit verschiedenen Füllungen. Jeweils zwei Dosen sindgleich gefüllt. Durch Schütteln und Vergleichen der damit erzeugten Geräusche sollendie passenden Dosen herausgefunden werden. Oder:die Dosen werden an die Kinderverteilt, diese gehen durch den Raum und versuchen durch gegenseitiges "Anrasseln"ihren Partner zu finden - Übung zur auditiven Wahrnehmung.

• Experimente mit dem KassettenrekorderDie eigene Stimme vom Kassettenrekorder zu hören war für viele Kinder eine neueErfahrung. Sie sangen Lieder und sagten Gedichte auf. Danach hatten sie die Idee,verschiedene „Murkelgeräusche“ aufzunehmen. So zum Beispiel unterschiedlicheWassergeräusche, mit Lego spielende Kinder und vieles mehr.

• PartnermassageEs finden sich immer zwei Kinder zusammen, die sich gegenseitig mit Massagebällenzum Beispiel den Rücken massieren. Untermalt mit einer meditativen Musik eine Wohltat für die Sinne!

• „Blinde Kuh“Alle Kinder laufen frei im Raum herum. Ein Kind bekommt die Augen verbunden undversucht nun ein anderes Kind zu fangen. Es verlässt sich dabei auf sein Gehör undseinen Tastsinn.

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Gefühle und Persönlichkeit

Die Vorstellung einer Trennung des Gehirns vomKörper oder des Denkens vom Fühlen hat sich sosehr in unsere Vorstellung eingeprägt, dass alleVersuche sie als untrennbar zu betrachtenzunächst als seltsam empfunden werden.

Das Zeitalter der Aufklärung wurde geprägt vonder Idee, dass der Mensch allein mit Hilfe seinesrationalen Verstandes in der Lage sei, Krieg undElend, Not und Leid, sogar seine Ängste undKrankheiten zu überwinden. Diese Hoffnung hatsich leider nicht erfüllt und glücklicher sind dieMenschen auch nicht geworden. Experten derWHO prognostizieren eher sogar einen Anstieg anpsychosomatischen Erkrankungen, die durchDepressionen oder Angst bedingt sind.

Ein Mangel an Wissen kann dafür nicht dieUrsache sein. Nie zuvor in der Geschichte derMenschheit war der Zuwachs an neuenErkenntnissen so groß wie heute. Die technischenMöglichkeiten sich zu informieren, miteinander in

Kontakt zu treten und Wissen untereinanderauszutauschen verbessern sich ständig. Vonmaterieller Not oder Angst vor Hunger und Armutsind in den Industriestaaten nur relativ wenigeMenschen bedroht. Obwohl das medizinischeWissen und Können sich in den letzten Jahrenerheblich verbessert hat, steigt die Zahl körperlichkranker und seelisch leidender Menschen ständigweiter an.

So stellt sich in der heutigen Zeit wieder dieFrage, ob der Mensch wirklich gut beraten ist,sich bei seinen Entscheidungen allein auf seinenVerstand und seine Fähigkeit zum rationalenDenken zu verlassen. Vor allem die Erkenntnisseder modernen Hirnforschung zeigen, dass Denkenoder der Verstand allein kein geeignetesInstrument ist, sich in der Welt zurecht zu finden.Ganz im Gegenteil, um so komplexer dieLebenswelt wird, je stärker sich das Spektrum derHandlungsmöglichkeiten des Menschen erweitert,

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desto eher versagt das rationale Denkenwenn es darum geht, Zusammenhängezu erfassen und sinnvolle Ent-scheidungen zu treffen, die das eigeneÜberleben sichern und Weiterent-wicklung ermöglichen.

Das Zeitalter der Rationalität geht miteiner bemerkenswerten Erkenntnis zuEnde: Wir können Denken, was wirwollen, können nach unseren Gedankenund Vorstellungen handeln, aber umglücklich und zufrieden, mutig undzuversichtlich leben zu können, müssenwir in der Lage sein, etwas zuempfinden. Wir müssen also dieIntelligenz und die Kraft unserer Gefühlewieder entdecken, schätzen und nutzen

lernen. Wir müssen versuchen, die verloren gegangene Einheit von Denken, Fühlenund Handeln, von Rationalität und Emotionalität, von Geist, Seele und Körper wiederzu finden.

Das Motto der Aufklärung: "Ich denke, alsobin ich!" (R. Descartes), muss ersetzt werdendurch die neue Erkenntnis: "Ich fühle, alsobin ich!" (A. R. Damasio).

Die Entwicklung einerreifen Persönlichkeit setztvoraus, dass ich nicht nurzu meinen Gedanken,sondern auch zu meinenGefühlen und Empfin-dungen Zugang habe. DieUnterdrückung und Neu-tralisierung von Gefühlenund die Trennung desKörpers vom Denkenkann nach den neusten

Entdeckungen der Hirnforschung endgültigals widerlegt gelten. In der Zukunft sollte derMensch in der Lage sein sein vollesPotenzial von Denken, Fühlen und Handelnzu entwickeln.

Bei diesem Artikel handelt es sich um eineZusammenfassung des Artikels von G. Hüther: Cogito ergosum? (S. 75-77)Aus: Embodiment, Die Wechselwirkung von Körper undPsyche verstehen und nutzen; M. Strorch, B. Cantieni, G.Hüther und W. Tschacher; Verlag Hans Huber 2006

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Ich fühle also bin ich

In dieser Projektphase ging es vordergründig um die Wahrnehmung von Gefühlen beisich und bei anderen sowie deren nonverbaler und sprachlicher Ausdruck.

So nutzten wir Gespräche, den Austausch über gemeinsame Erlebnisse, wie zumBeispiel die Übernachtung in der Kita oder unseren Gespensterpacour. „ Wie ging esdir in der ... Situation...?“, um die Kinder für diese Thematik zu sensibilisieren. EinigeKinder konnten ihre Empfindungen schon recht gut benennen und zum Teil auchbeschreiben. Einmal angefangen, erinnerten sich einige Kinder an Erlebnisse, in denenes ihnen ähnlich ging. Oder sie berichteten von Ereignissen, die für sie Bedeutunghatten. Auf unser Nachfragen hin, wie zum Beispiel:„Warum war das... so ... für dich,wie ging es dir, wie hast du dich gefühlt...?“, kamen dann schon öfter detailliertereBeschreibungen. Wir konnten jedoch immer wieder spüren, dass es für die meistenKinder ungewöhnlich war, sich ihre Gefühle bewusst zu machen und sie zuverbalisieren.

Um die eigenen Gefühle oder die eines anderenMenschen noch genauer beschreiben undeinordnen zu können, erarbeiteten wirgemeinsam mit unseren KindernGefühlswörter. „Welche Gefühle gibt es undwie benennt man sie genau?“ Es konnte fastjedes Kind seine eigenen Erfahrungen miteinbringen. Gefühlsbegriffe wie traurig,fröhlich, zornig, mutig, nachdenklich, ängstlichu. v. m. wurden genannt und teilweisekommentiert.

Dabei halfen uns Emotionskarten/Bilder. Diesezeigten uns, ebenso wie die Bilderbücher undBildgeschichten, dass man Gefühle auch sehenund erkennen kann, im Gesicht und an derKörperhaltung. Wir stellten aber auch fest, dassFarben Gefühle „ausdrücken“ können, so imBuch „Billy und die wilden Bären“. Und dasMusik lustig, traurig oder auchwütend/kämpferisch klingen kann, sieunterschiedliche Gefühle in uns auslöst. Soerschrak ein Kind zu Beginn des „Säbeltanz“von Aram Chatschaturijan und spürte anfangsAngst. Andere Kinder empfanden diese Musikweniger bedrohlich, beschrieben sie jedoch alswütend, kämpferisch – ohne das Thema zukennen.

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"Woran kann man erkennen, ob jemand traurig, wütend, fröhlich, ängstlich oder auch beleidigt ist?" Gefühle durch Pantomimik darstellen Die Aufgabe bestand darin, sich in die jeweilige Stimmung hinein zu versetzten unddiese durch Mimik und/oder entsprechende Körperhaltung wieder zu spiegeln. Dazu setzen sich die Kinder in einen Halbkreis. Ein Kind zog eins der vorbereitetenKärtchen, auf denen die verschiedenen Emotionen aufgemalt waren zum Beispiel(trauriges Gesicht) und stellte diese dar. Die anderen Teilnehmer sollen das Gefühlerraten. Anschließend wurde jede Darstellung kurz kommentiert und die genaueBezeichnungen nochmals wiederholt. Es wurde viel gelacht und applaudiert !!!

Bühne der Gefühle – Gruppe IIIEine Erzieherin spielt den Kindern folgende Situation vor: jemand wartet auf den Busund durchlebt verschiedene emotionale Situationen. Zum Beispiel:1. Auftritt: Die Person hält ihre Kleidung zusammen, schaut gehetzt nach rechts undlinks, sie macht den Eindruck, sich fast verkriechen zu wollen. Welches Gefühl könntediese Person haben?Die Kinder kamen schnell auf Angst.

2. Auftritt: Die Person läuft hin und her, schautauf die Uhr, schaut in die Ferne, ob der Buskommt, wippt mit dem Fuß. Was ist hier los,welches Gefühl könnte die Person haben?Die Kinder errieten, dass sie keine Zeit hat,nervös ist und will, dass der Bus endlichkommt.

Nach einigen Beispielen war die Bühne für dieKinder frei. Zwei Kinder trauten sich undbrachten das gewünschte Gefühl sehr gutschauspielerisch herüber. Ein Kind wolltesogar mehrmals etwas vormachen. Dieanderen Kindern hatten Scheu davor, wolltenaber gerne weiter zusehen und raten.

„Spiegelei“ – alle ProjektgruppenBei diesem Paarspiel saßen sich zwei Kinder an einem Holzrahmen gegenüber. Einsstellte ein Gefühl mimisch und gestisch dar, das andere Kind übernahm die Rolle desSpiegelbildes und spiegelte die Darstellung. Dabei musste man genau beobachtenund schnell reagieren. Gar nicht so einfach und doch so lustig !!!

Wie sehen Gefühle aus? Anfertigung einer „Gefühlscollage“ – alle ProjektgruppenEin Gefühl ist etwas, was man fühlt (wie der Name schon sagt)! Aber Gefühle kannman dem Menschen auch ansehen. Dies erarbeiteten wir unter anderem in Form einer„Gefühlscollage“. Die Hausaufgabe lautete: Sammelt Bilder von Gesichtern, die verschiedene Gefühleausdrücken.

Die Kinder sammelten eifrig,außerdem wurden wir auch in derRegenbogenpresse schnell fündig, inder mehr oder weniger Prominentein allen möglichen Gefühlslagenabgebildet waren. Schon beimAussuchen und Ausschneidenkamen wir in einen regen Austauschüber das jeweilige Mienenspiel.Vorbereitet wurde ein großes Plakat,auf welches die Kinder gezeichneteGesichter mit unterschiedlicherMimik aufklebten, „fröhlich“,„traurig“, „wütend“ und „ängstlich“.Um diese Gesichter herum

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gruppierten sich nun ein lachender Brad Pitt; ein wütender Oliver Kahn, oder eineüberaus traurige kleine holländische Prinzessin, die hingefallen war und weinte sowieviele andere Gesichter. Manchmal war es aber auch gar nicht so leicht, eineeindeutige Aussage zu machen. Auch diese Fotos fanden ihren Platz und zwar in derMitte.Dennoch – mit dem einen oder anderen Gefühl konnte sich dabei jeder von unsidentifizieren und seine persönliche Geschichte dazu beitragen. Und plötzlich fiel esden Kindern leichter, ihre Gefühle in Worte zu kleiden und auszudrücken, was imAlltag noch oft zu kurz kommt!

Bilderbücher, Bildgeschichten – alleGruppen

Unter anderem setzten wir das Buch „Billyund die wilden Bären“ von Susan Akassund Jane Chapman ein. Dieses Buch erzählt die Geschichte einerganz normalen Bärenfamilie, die glücklichund zufrieden in ihrem kleinen Häuschenmitten im Wald lebt. Eines Tages streitensich Mama Bär und Papa Bär, und Billybekommt Angst vor den wilden Bären, dieeben noch seine Eltern waren. Auch amnächsten Morgen ist für Billy nicht einfachalles so wie immer.... Dieses Bilderbucherzählt von guter und schlechter Laune, Wutund Streit. Es zeigt, dass Gefühle sichverändern – nicht nur bei kleinen Bären....Im Gespräch erarbeiteten wir, welcheGefühle die Bären in den verschiedenenSituationen haben und woran man die jeweiligen Gefühle erkennen kann? Woverändern sich die Gefühle des kleinen Bären und warum, was ist passiert? EinigeKinder erkannten schon sehr gut, dass man auch mehrere Gefühle gleichzeitig habenkann, so wie der kleine Bär Angst und Trauer. Dass sich Gefühle verändern könnenund was zum Beispiel beim kleinen Bär dazu geführt haben könnte.... Sie stellten auchfest, dass Farben die Gefühle zeigen, zum Beispiel das Bild, auf dem der kleinewütende Bär dargestellt wird. Sein Umfeld wurde feuerrot gestaltet –„Wie ein Feuer,wie bei einer Explosion...“. Sie ahmten mit Mimik und Gestik die Gefühle nach.

In einer Bildgeschichte, „Wütende Kinder“, ging es darum, dass jeder mal einen Grundhat wütend zu sein und dass dies zum Leben dazu gehört. Doch darf man in seinerWut nicht einem anderen schaden. Wir waren schon erstaunt, wie gut das von allenKindern erkannt wurde, auch wenn es im Alltag noch nicht jedem gelingt, dieseErkenntnis immer zu beherzigen. In Ansätzen diskutierten wir, was man mit/in seinerWut machen könnte. Zum Beispiel in einen leeren Raum gehen und laut schreien oderin eine dicke Matte boxen....

Kreatives Darstellen und Gestaltenvon Emotionen – alle Gruppen

In den einzelnen Projektgruppen kamenverschiedene Musikstücke zum Einsatz.Langsame, tragende Musik, leichterhythmische Klänge und ernstere, z.T.schnelle Stücke.Wie: „Präludium C-Dur“ und„Badinerie“ von J. S. Bach;„Tannhäuser“ von R. Wagner;„Hummelflug“ von N. Rimsky-Korsakoff; „Türkischer Marsch“ vonMozart; “Säbeltanz“ von A.Chatschaturijan

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Am Anfang ging es darum, die Musik bewusst zu hören und zu „fühlen“. Wer wolltekonnte den anderen mitteilen, wie sich die Musik für ihn anfühlte. Die Beschreibungengingen von traurig, lustig, fröhlich bis wütend, erschreckend und ängstlich. DieseEmpfindungen setzten die Kinder dann in Bewegung zur Musik um. Wir konnten

beobachten, dass vor allem der „Hummelflug“und der „Säbeltanz“ bei den Jungs besondersgut an kam. Auf die ruhigere Musik konnten sichüberwiegend Mädchen gut einlassen.

Danach nutzten alle Kinder die Möglichkeiten ihreEmotionen kreativ darzustellen. Im Hintergrundliefen dazu o. g. Musikstücke. Die Kinder derGruppe II bewegten zur Musik ihre Hände mit/imSchaum über eine Unterlage. Es machte ihnenSpaß, den Rhythmus in entsprechendeBewegungen umzusetzen. Alle Kinder arbeitetenmit Pinsel und Farbe auf Papier. Dabei wurdenFarben und Gestaltung nach denunterschiedlichen Empfindungen, welche diejeweiligen Musikstücke bei ihnen auslöstenausgewählt.

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Gesellschaft und GesundheitSoziale und emotionale Kompetenz

Zum Menschen werden wir nur durchdie Gemeinschaft mit anderenMenschen. Nicht zuletzt diegrausamen Versuche mit der sozialenIsolierung von Kindern und denEntdeckungen von bei Tierenaufgewachsenen "Menschen" habendeutlich gezeigt, dass sich allesmenschliche erst durch dasZusammenleben und die Erfahrungenmit anderen Menschen entwickelt.

Schon lange bevor wir lesen können,lesen wir in den Augen unserer Elternoder anderen, die uns ihreAufmerksamkeit schenken. In diesenBlicken finden wir Liebe, Sorge,Vorwurf oder Heiterkeit, wir entschlüsseln ihre Bedeutungen. Durch dieses Sehen undgesehen werden, erkennt das Kind seine Existenz: "Man schaut mich an, also bin ich!".Der Blick der Eltern führt das Kind ins Dasein. "Als ob sie um die Bedeutung dieses

Augenblicks wüssten (was keineswegs der Fallist), schauen sich Eltern und Kind nun langegegenseitig in die Augen. Im Erwachsenenalter istdies ganz und gar ungewöhnlich: eingegenseitiger Blick, der länger als zehn Sekundendauert, kann nur zweierlei bedeuten: die beidenwerden sich schlagen oder lieben." (TzvetanTodorov; Abenteuer des Zusammenlebens, Berlin1996, S.84f)

Um so verwunderlicher ist es, dass uns dasLeben in der Gesellschaft häufig solcheSchwierigkeiten bereitet. Wir wären nicht, waswir sind, ohne die anderen und doch kostet es soviel Mühe mit den anderen auszukommen. Nichtnur die immer wieder gestellte Frage: "Waswürdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?",deutet darauf hin, dass scheinbar für vieleMenschen die Einsamkeit oder das Alleinsein dasParadies wäre. Jean-Paul Sartre drückt das inseinem Theaterstück "Bei geschlossenen Türen" indem berühmt gewordenen Ausspruch: "Die Hölle,das sind die anderen." aus.

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Wir leben in dem beständigenZwiespalt der Entwicklung zumIndividuum und dem Bedürfnis alssolches von der Gesellschaftanerkannt und geachtet zu werden.Wir möchten einerseits in unsererEinzigartigkeit verstanden werden,entdecken andererseits aber, dasswir nie sind, wie wir wirklich seinwollen, sondern stets so wie dieanderen uns haben möchten.

In den modernen Massen-gesellschaften werden diemenschlichen Beziehungen oftunpersönlich, hastig undbürokratisch, sozusagen "kalt" imVergleich mit der "Wärme"ursprünglicher, weniger regulierter,weniger einheitlicher Gemeinschaften. Der Einzelne wird immer stärker überwachtund gezwungen sich bestimmten Normen, Regeln und Maßstäben zu unterwerfen,um in der Gesellschaft erfolgreich oder anders gesagt unauffällig zu werden.

Gerade auch das 20. Jahrhundert zeigt einige grauenhafte Beispiele dafür, welcheFolgen ein solcher totaler Gemeinschaftswahn über die Einzelnen ausüben kann. ImBewusstsein gerade dieser extremen Tiefpunkte des menschlichen Zusammenlebens

beschließt die Weltgesundheits-organisation (WHO) im Juli 1946 eineneue Definition von Gesundheit, dienicht nur das Individuum sondern auchdessen soziale Umgebung miteinbezieht: "Die Gesundheit ist einZustand des vollständigen körperlichen,geistigen und sozialen Wohlergehensund nicht nur das Fehlen von Krankheitoder Gebrechen.Der Besitz des bestmöglichenGesundheitszustandes bildet eines derGrundrechte jedes menschlichenWesens, ohne Unterschied der Rasse,der Religion, der politischenAnschauung und der wirtschaftlichenoder sozialen Stellung." (Verfassung derWHO)

Eine liebevolle und vertrauensvolle Beziehung, in der das Kind seinen eigenenStandpunkt in der Gemeinschaft finden kann, in der es die Anderen nicht alsEinengung sondern als Unterstützung seiner Freiheit erkennen kann, bietet die besteGrundlage sein volles menschliches Potenzial zu entwickeln."Die gesunde Entwicklung des Kindes ist von grundlegender Bedeutung; die Fähigkeit,harmonisch in einer in voller Umwandlung begriffenen Umgebung zu leben, ist fürdiese Entwicklung besonders wichtig." (Verfassung der WHO)Erziehung und Bildung an diesen Grundsätzen auszurichten ist die Zukunftsaufgabefür die Entwicklung einer gesunden Gesellschaft.

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Damit es mir gut geht, brauche ich ...

"Ja, was brauche ich eigentlich???" Schweigen und Nachdenklichkeit beiunseren Kindern.Wir stellten die Frage anders: "Wann ginges dir zuletzt gut, woran erinnerst dudich gern?". Spontan kam die Antwort:„Als ich mit Mama und Papa Eis essenwar!“. Die positiven Erinnerungensprudelten von da an nur so aus unserenKindern heraus: „Mir geht es gut,• wenn mein Vater mit mir Lego spielt."• wenn ich mit Papa im Garten arbeiten

kann."• wenn ich mit meinen Brüdern Fußball

spiele." • wenn ich zu meinem Opa fahre, da freue ich mich, weil ich dann immer raus darf,

bei jedem Wetter, auch bei Regen."• wenn ich mit meinen Freunden spielen kann, nicht im Urlaub, dort habe ich keine

Freunde!"• wenn ich im Kindergarten mit meinen Freunden spielen kann."• „Ich fand es gut, als ich mit meinem Papa Steine getragen habe. Die waren für ein

richtiges Haus.“ So und ähnlich fielen noch viele, viele Antworten aus.Familie und Freunde, die gemeinsamen Unternehmungen und Erlebnisse mit ihnen,standen eindeutig im Vordergrund. Materielle Dinge waren zweitrangig.

Darauf aufbauend beschäftigten wir uns anschließend intensiver mit dem ThemaFreundschaft.Was bedeutet Freundschaft? Wozu brauchtman Freunde? Habe ich einen Freund? Wer istmein Freund? Was finde ich an meinemFreund gut? Kann man mit Freunden streiten?Und so weiter. Es war für uns interessant zu erfahren, wiewichtig allen Kindern dieses Thema war undwie gut viele Kinder schon in der Lage waren,ihre Vorstellungen von Freundschaft zuverbalisieren. Die Kinder der Projektgruppe 2 malten ihreFreunde und Freundinnen so wie sie sie sahenund teilten uns mit, was sie besonders anihnen mögen.

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Folgende Bücher wurden bei der Erarbeitung dieses Themas eingesetzt:„Dumme Gans und blöde Ziege“ von Isabel Abedi und Silvio Neuendorf.

In diesem Buch wird die Entwicklungeines Streites unter Freunden, nämlichder Gans und der Ziege, aus zweiverschiedenen Sichtweisen erzählt.Aus Sicht der Gans war an allem dieblöde Ziege schuld, aus Sicht der Ziegenatürlich die Gans. Es geht umWahrnehmung und Gefühle, darum,dass Gefühle sich verändern können,ums Streiten und Vertragen. AlleKinder verfolgten die Geschichte sehraufmerksam und stellten am Schlussfest: „Das ist ja die selbe Geschichte!“Doch wer hatte Recht? Keiner oderbeide. Es wurde viel diskutiert. Klarwar am Ende, dass nicht nur einerRecht hatte und nicht nur einer Schuld.

Ähnlich ergeht es zwei kleinen Bären in dem Buch: „Bleib mein Freund kleiner Bär“von Ulises Wensell und Ursel Scheffler.Der kleine Bär Wolle und sein Freund wollten eine Schaukel bauen. Doch danngerieten sie in Streit und Wolle stapfte wütend davon. Plötzlich fing es an zu regnenund Wolle bekam schreckliche Angst so allein im Wald. Als er die Hilferufe eineskleinen Wolfes hörte, war Wolles Wut auf seinen Freund verraucht und es gab nureins: Gemeinsam mussten sie den kleinen Wolf retten! Wie gut, dass ein Freundimmer ein Freund bleibt, auch wenn man mal streitet! Das große Interesse mit dem unsere Kinder die Geschichten verfolgten und die darauffolgende Diskussion und Auseinandersetzung mit den verschiedenen Sichtweisen undHandlungen zeigte uns erneut, wie wichtig solche Bücher für Kinder sind.

Wir haben erfahren, dass emotionales und soziales Wohlbefinden wichtig für uns ist.Dass wir Menschen brauchen, Freunde auf die wir uns verlassen und mit denen wirspielen können. Eltern d.h. Familie die uns unterstützt und Sicherheit sowieGeborgenheit bietet. Doch brauchen wir nicht noch mehr? Fühlen wir uns wohl, wenn wir Schmerzen haben oder krank im Bett liegen? Nein!Wir brauchen also auch Gesundheit, damit es uns gut geht! Das heißt, wir müssenunternehmen damit wir gesund bleiben.Die Kinder hatten viele Ideen was man dafür tun kann. Mit einem Punkt beschäftigtenwir uns intensiver und zwar mit der gesunden Ernährung.Doch was ist gesunde Ernährung? Was sollten wiressen, damit wir täglich die richtigen Nährstoffe zuuns nehmen?. So erarbeiten wir, dass unser Körperbestimmte Lebensmittel benötigt um gesund zubleiben und fanden heraus, dass Süßigkeit eigentlichnicht in erster Linie dazu gehören.

Basteln einer Ernährungspyramide

Zunächst überlegten wir welche Lebensmittel-gruppen es gibt. Dazu wanderten wir gedanklichdurch einen Supermarkt und stellten fest, es gibtAbteilungen mit Milchprodukten, Fleisch undWurstwaren, Obst und Gemüse, Getreideprodukte,Getränke und natürlich Süßigkeiten. Aus Prospektenschnitten wir die verschiedenen Lebensmittel aus,benannt sie und ordneten sie den jeweiligenOberbegriffen zu. Im Anschluss wurden die Bilder ineine vorbereitete Pyramide geklebt.

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Pyramide

Basis sind Getränke, Wasser, Tee, stark verdünnte Säfte1. Stufe Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte2. Stufe Getreideprodukte wie Brot, Brötchen, Reis, Nudeln, Kartoffeln (keine süßen

Müslis, Milchschnitten, Müsli-Riegel, Pommes, Reibekuchen)3. Stufe Milchprodukte ( Joghurt, Quark)

Fisch (Fischstäbchen zu fett), Fleisch(panierte Schnitzel zu fett)

4. Stufe Fette, Öle, Butter, Margarine, Sahne,Nüsse

5. Stufe Extras: Süßigkeiten, Knabbereien,Chips, Trinkpäckchen, Limo, Cola, Pommes,süße Müslis

Ganz deutlich war nun zu erkennen, welcheNahrungsmittel häufig und welche eher seltenverzehrt werden sollten. Die meisten Kinderwussten schon gut Bescheid.Um ihnen einen bewussten Umgang mitSüßigkeiten zu vermitteln, nahmen wir dieseunter die Lupe. „Wie viel Zucker steckt zumBeispiel in einem Glas Cola oder einerMilchschnitte?“ Wir machen den Vergleichmit Zuckerstücken! Anschließend befragten wir unsere Kinder,welche Süßigkeiten sie am liebsten mögenund schätzten die Zuckermenge der einzelnenSüßprodukte ein. Wie viele Zuckerwürfel könnten denn in zweiGummibärchen sein? Die Schätzungen warensehr unterschiedlich ca.1-3 Stück?

Tatsache! In zwei Gummibärchen befinden sich anteilig 2 Würfel Zucker!Am Ende waren wir überrascht wie viel Zucker sich in unseren „Lebensmitteln“versteckt und stellten fest, dass wir nicht völlig auf Süß verzichten müssen, aberbewusst damit umgehen sollten und natürlich das regelmäßige Zähneputzen nichtvergessen dürfen.(Weitere Informationen unter: www.familienhandbuch.de )

Doch auch mit rundum gesunder Ernährungkann es uns passieren, dass wir uns verletzen.Fast alle Kinder konnten von eigenenErfahrungen berichten. Stürze, SchnitteSchürfwunden und vieles mehr. Was kannman tun, damit es dem Verletzten besser geht?Krankenschwester Renate von denJOHANNITERN half uns weiter.

Sie erarbeitete gemeinsam mit den Kindern:

• was ist eigentlich HELFEN• wie kann ich helfen• wen und wo rufe ich an, was muss ich

sagen• wie verhalte ich mich Verletzten gegenüber und vieles mehr. Im Ernstfall wird es bestimmtvon Nutzen sein. Damit nichts in Vergessenheitgerät, sollten Eltern und Kinder öfter mal zuHause üben.

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Letzter Projekttag der Gruppe 3

Was wir alles schon erarbeitet haben. Ein bunter Rundgang durch das „Museum“ desProjektes „Ich bin Ich und Du bist Du“.Alle Unterlagen, erarbeitete Mappen, gemalte Bilder, Symbole für Ausflüge, Posterverschiedener Themen waren anschaulich ausgelegt.Ein Kind war jeweils für eine Station, wie z.B. der Ausflug in den Wald, der„Museumsführer“. Es bekam einen Hut und durfte den anderen erzählen, was wir dorterlebt haben. Die Kinder wählten selber aus, was sie erklären wollten. Dabei kam esnicht auf die richtige Zeitfolge der Projekttage an. Uns wurde so deutlich, wie viel wirschon erarbeitet hatten.

Spiele, die in der vierten Projektphase durchgeführt wurden

• schon beschriebene Spiele • Farbenwechsel:Dieses Spiel kann man nur mit einerGruppe spielen. Alle Kinder sitzen imKreis auf verschiedenfarbigen Mattenz.B. 3 Rote, 3 Gelbe , 3 Blaue (BunteFarben assoziieren Fröhlichkeit)Ein Kind steht in der Mitte und hatkeine Matte. Nun ruft es eine Farbeauf. Die Kinder deren Farbe aufgerufenwurde müssen schnell die Plätzewechseln. Ziel des Spieles ist es, dassdas Kind in der Mitte einen eigenenPlatz findet. Wird das Wort„Farbenwechsel“ gerufen müssen alleKinder den Platz wechseln. • Ein Platz ist wegAuf dem Boden liegen bunte Mattenverteilt durcheinander. Es ist eine Matte weniger als Spieler anwesend. Alle Kindergehen nun im Kreis. Wird ein Wort zu einem im Vorfeld verabredetem Thema gerufen,sucht sich jedes Kind eine Matte. Das Kind, welches keinen Platz erhascht hat könnte– aussetzen oder Spielführer werden und das nächste Wort rufen. Wir habenbeobachten können, dass unsere Kinder (nachdem wir das Thema besprochen hatten)viele themenbezogene Wörter riefen z.B.: Freunde, Familie, Schmusen, Streit, spielen,traurig, usw..

Projektabschluss: Bin ich immer noch ich?

Am Mittwoch, dem 30.05.2007,starteten wir die letzte große Aktionim Rahmen unseres Projektes "Ichbin ich und du bist du". Zu Beginn dieses Projektesbeschäftigten wir uns ausführlichmit unserem Körper und unserenKörpermerkmalen wie derKörpergröße, der Schuhgröße, desGewichtes, der Körpertemperatur,der Haarlänge und der Anzahl derWackelzähne, bzw. der Zahnlücken,was bei den Kindern in diesem Altersehr wichtig ist und den Status des"Schulkindes" noch einmalhervorhebt. Nun an Ende des Projektes stand der

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Vergleich: Wie habe ich mich in dem Dreivierteljahr körperlich verändert? Bin ichgewachsen? Habe ich zugenommen (Erzieher standen außer Konkurrenz!!)? Wie vielZahnlücken habe ich jetzt? Sind meine Hände und Füße gewachsen? Um dies alles herauszufinden wurde die Mehrzweckhalle des Kinderhauses I in einenStationenparcours verwandelt. Gerätschaften wie Spiegel, Fußmessgerät, Messlatte,Fieberthermometer und Personenwaagen standen zur Verfügung und wurden von denKindern reichlich genutzt.

Die Ergebnisse wurden penibel aufdie zu Beginn des Projekteserarbeiteten Blätter geschrieben oderauch wahlweise gestempelt. Hierkonnten die Kinder explizit an denveränderten Zahlen erkennen undvergleichen, in welchem Maße ihreFüße beispielsweise gewachsenwaren. Bei einigen Kindern war diesder Fall - bei anderen nicht. So wurdeerfahren, dass jeder Körperunterschiedlich langsam oder schnellwächst. Und wann kann man schoneinmal plastisch sehen, wie vielTetrapaks Apfelsaft nötig sind, umdas eigene Gewicht darzustellen (wieschon erwähnt - Erzieher standen...)?

Die Besuche in der Kletterhalle als Auftakt und Abschluss unseresProjektes

Wie schon zu Beginn der Dokumentation beschrieben, besuchten wir im Sept. 2006die Kletterhalle. Da es für fast alle Projektkinder der erste Besuch einer solchenEinrichtung war, ging es damals vor allem darum, die Begebenheiten kennen zulernen, sich mit den Regeln vertraut zu machen und erste Erfahrungen im Klettern undSichern zu sammeln. Einige Kinder kletterten schon damals mutig drauf los, andereprobierten für sich, vorsichtig, Schritt für Schritt und einige brauchten viel Zuspruchund Motivation. Doch danach freuten sich fast alle Kinder auf den für den Schluss desProjektes angekündigten nächsten Besuch. Oft wurden wir gefragt, wann es endlichso weit sei und im Mai 2007 war es das dann. Hochmotiviert ging es nach Wesseling.

Fast alle Kinder konnten sich an die Regelnerinnern, einige wussten noch wie der Gurtumgelegt und der Achterknoten aussehenmusste. Die meisten konnten sich auch nochan die doppelte Fingerkontrolle des Knotenserinnern. Schon da war zu spüren, es hattesich was verändert, es war jedoch nichts in derKletterhalle, sondern unsere Projektkinder. Siewaren im letzten drei viertel Jahr gewachsenund das in mehrfacher Hinsicht. Wir konntenbeobachten, dass Absprachen bessereingehalten wurden, dass sie verantwortungs-bewusster und zuverlässiger sicherten. AlleKinder wagten sich an größere Höhen undwenn es „nur“ ein Meter mehr war als imSeptember, es waren viele persönliche Erfolge. Fazit: nicht nur äußere Merkmale des Körpershaben sich im letzten drei viertel Jahrverändert, sondern auch das eigene „Ich“ unddie „Ich’s“ der anderen. Die Wahrnehmung dereigenen Persönlichkeit und die der anderen,Selbstvertrauen, Verantwortungsbewusstseinund vieles mehr.

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Ich bin Ichund

Du bist Du

Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Wahrnehmung und Lernen

Was den Menschen so fundamental vonallen anderen Lebewesen unterscheidetist das Gehirn, oder vielmehr die gesamteSteuerung von Haltung und Handlung.Die Fähigkeiten und Fertigkeiten desMenschen entwickeln sich erst imZusammenhang mit Erfahrungen, die erin seiner Umwelt sammelt. Nur wenigeFunktionen sind bereits angeboren. DieHerrschaft über die Skelettmuskulatur istbeim Neugeborenen fast gar nichtvorhanden. Es bestehen noch keinefesten Verbindungen zwischen demmotorischen Kortex im Gehirn und demRückenmark, die willkürliche Bewegun-gen ermöglichen würden. Diese werdenerst durch die Verarbeitung vonSinnesempfindungen entwickelt.

Es sind nicht so sehr die äußerenMerkmale, wie der Gebrauch der Händeoder der aufrechte Gang, die denMenschen vom Tier unterscheiden. VieleTiere haben ähnliche und in manchenBereichen sogar speziellere Fähigkeitenals Menschen. Einzigartig ist der Mensch allein durch seine große Vielfaltunterschiedlichster Leistungen auf allen möglichen Gebieten. Lernen stellt also für dasmenschliche Gehirn eine ganz normale Aktivität dar. Die Erfahrungen, die ein Menschwährend seines Lebens macht, haben für ihn viel größere Konsequenzen als für dasTier, weil sie zur individuellen Ausbildung von Nervenverbindungen führen, die diepersönlichen Verhaltensmuster bestimmen.

Im Prozess der Entwicklung willkürlicher Bewegungentwickeln sich eine ganze Reihe von Gefühlen. In dieserZeit entsteht der Reiz zu erkennen, die Neugier, dieGrundlage jedes Lernens. Ohne Gefühl gibt es keineMotivation und keinen Willen. Gemeinsam mit derEntwicklung der Sinne beginnt auch das Lernen, z. B. durchErfahrungen mit Wärme, Kälte, Farben, Stimmen, Lichtusw. Diesen Lernprozess bezeichnet man als organischesLernen oder selbstentdeckendes Lernen, als „Lernen ohneLehrer“. Das Denken entwickelt sich mit der Entwicklungdes Gehirns und beeinflusst die Sinne, die Gefühle und dieBewegung und wird andererseits von ihnen beeinflusst.

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In der Feldenkrais-Methode arbeitetder Lehrer vor allem mit dieser Neugierund der Absicht des Schülers, sichselbst zu verbessern, indem er ihmeine Unterrichtsstunde bietet, die demSchüler hilft, diese Absicht zuerkennen. Es werden für dieverschiedenen Bewegungsaufgabenkeine Lösungen vorgegeben, vielmehrentwickelt sich aus der Kreativität undVielfalt der individuellen Lösungenallein an dem Maßstab des eigenenEmpfindens eine verbesserteSelbstorganisation. Es wird nun häufigangenommen, dass der Schüler inFeldenkrais-Lektionen alles machenkann, was er will. Das ist nicht derFall. Es gibt zwar keine richtige Lösung, aber es gibt ein klares Ziel: nämlich dieBewegungsmuster zu entdecken, die effektiv und befriedigend sind. Dafür muss derSchüler lernen, sich nach den biomechanischen Gesetzen seiner Struktur zu bewegen.Dieser entstehungspädagogische Prozess lenkt die Aufmerksamkeit auf die effizientenMuster und vertraut darauf, dass der Schüler sie bevorzugt.

Eine Korrektur der Körperhaltung kann nicht durchRegeln von außen, z. B. „sitz gerade“, erreicht werden.Sitzt ein Kind nicht von allein aufrecht, muss ihm eineHilfestellung gegeben werden, damit es sich in dieserPosition wohlfühlt. Anweisungen führen nur dazu, dassdas Kind seinen „Fehler“ erkennt und lernt ihn zuverbergen. Die meisten Menschen verändern ihreKörperhaltung, wenn sie mit anderen Menschen inKontakt treten, sie sind sich ihrer Unzulänglichkeitenbewusst, es wurde aber nie ein inneres,selbstbestimmtes Gefühl für eine befriedigende Haltungentwickelt. Haltung und Bewegung unterliegen nur zueinem Bruchteil unserer bewussten Kontrolle. In vielenFällen verhindert die bewusste Kontrolle sogar eineoptimale Nutzung der Körperstrukturen. EineVerbesserung der Wahrnehmung führt deshalbeffektiver zu dem Ziel eine Bewegung zu verbessern, alsbeständiges Üben der „richtigen“ Bewegung.

Organisches Lernen lässt sich als die ursprünglichereForm des Lernens beschreiben, da sie dem schulischenLernen vorausgeht. Es ist nicht unbedingt an einenLehrer gebunden und ist zwar zunächst die Art desLernens, die man bei kleinen Kindern beobachtet, siesteht dem Menschen aber lebenslang zur Verfügung.Organisches Lernen ist langsam und kümmert sich

nicht um die Bewertung etwaiger Ergebnisse als gut oder schlecht. Es hat keinenerkennbaren Zweck, kein Ziel. Es wird gelenkt einzig von dem Gefühl der Befriedigung,das sich einstellt, wenn jeder neue Versuch als weniger ungeschickt empfunden wirdals der vorangegangene, weil jetzt ein kleiner Fehler vermieden wurde, der zuvor alsunangenehm oder als hinderlich empfunden worden war.

„Für Lehrer, Erzieher und Eltern hieße dass, die kindlichen Fähigkeiten des spielerischenLernens wach zu halten, anstatt möglichst schnell ernsthafte Erwachsene heranziehen zuwollen, Neugier und Erkundungslust zu fördern, und nicht nur die eigenen Interessen undVorstellungen am Kind zu verwirklichen, die Wahrnehmungsmöglichkeiten aller Sinne für dasLernen zu nutzen, und sich nicht zuletzt selber als Lernende zu begreifen." (Aus: Kordula Hermes; Die Feldenkrais-Methode, Untersuchung zu ihrer Bedeutung für Bildungund Erziehung)

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Die Feldenkrais-Methode

Die Feldenkrais-Methode ist benannt nach demisraelischen Physiker Dr. Moshé Feldenkrais (1904-1984). Er untersuchte, nachdem er sich zwei schwereKnieverletzungen zugezogen hatte, die Zusammenhängezwischen Bewegung, Wahrnehmung, Denken undFühlen und entwickelte daraus seine Methode, die aufder natürlichen Lernfähigkeit des menschlichenNervensystems basiert.

Grundlage der Feldenkrais-Arbeit ist ein tiefesVerständnis für den menschlichen Lernprozess. Sieunterscheidet zwischen zwei grundsätzlichverschiedenen Arten des Lernens: dem schulischen oderakademischen Lernen und dem organischen oderselbstentdeckenden Lernen. Organisches Lernen wirdsichtbar, wenn wir Kinder beobachten, wie sie Schritt fürSchritt ihre Möglichkeiten und Grenzen ausloten und die Welt kennen lernen.Ausgestattet mit einem enormen Lernpotential entdecken kleine Kinder dieverschiedenen Arten der Fortbewegung, sie rutschen, robben, kriechen und krabbeln,ohne dass es ihnen irgendjemand vormacht. Sie sind Meister ihres eigenenLernprozesses und schöpfen ihre Motivation aus der tiefen Befriedigung, die sie beimEntdecken eigener Lösungen empfinden.

Die Entwicklung vom abhängigen Baby zumselbständigen Erwachsenen ist ein Lernprozess, indem Berührung und Bewegung von entscheidenderBedeutung sind, diese Aspekte bilden den Kern derFeldenkrais-Methode. Die sinnliche Erfahrung derBewegung, das Lernen am eigenen Leib, steht imZentrum der Feldenkrais-Praxis. DieVorgehensweise der Feldenkrais-Methode nutztunter anderem grundlegende Aspekte derkindlichen Bewegungsentwicklung. Deshalbkönnen Kinder aller Altersgruppen ausgezeichnetdurch sie gefördert werden. Das Ziel ist einbesseres Zusammenspiel zwischenKörperwahrnehmung, Bewegung, Emotion, Denkenund Handeln.Für den oben beschriebenen Lernprozess stehen inder Feldenkrais-Methode zwei Wege zurVerfügung:

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Bewusstheit durch Bewegungbezeichnet die Gruppenmethode.Dabei wird Bewegung auf leichte undspielerische Weise mit verschiedenen,ungewohnten Variationen erforscht.Das gibt dem Nervensystem dieGelegenheit, feine Unterschiedewahrzunehmen und im ErspürenAlternativen zu erkennen. Das heißt, eswerden nicht 'richtige' Bewegungennachgeahmt, sondern dasNervensystem wird herausgefordert,Lösungen für natürlichere, freiereBewegungen zu finden.

Funktionale Integration bezeichnet dieEinzelarbeit. Sie basiert auf den gleichenneurophysiologischen Zusammenhängen wie dieGruppenarbeit, ist jedoch individuell auf diespeziellen Bedürfnisse des Lernendenausgerichtet.

Weitere Informationen zur Feldenkrais-Methodefinden Sie unter:

www.feldenkrais.de und www.feldenkrais-welsch.de(Feldenkrais-Verband Deutschland e. V.) (Marcel Welsch - Feldenkrais)

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

Dokumentation und Auswertung

Nicht nur Planung und Durchführung, sondern aucheine ausführliche Dokumentation und Auswertunggehörte zu den Inhalten des Projekts.

Die Kinder bekamen eine eigene Projektmappe, inder die in den Projektstunden erstellten Tabellen,Bilder, Fotos oder andere Dokumente abgeheftetund gesammelt wurden. Der Verlauf der Stundenwurde von den Erzieherinnen schriftlichfestgehalten und die Beobachtungen über die Kinderwurden gesammelt und dokumentiert. Besondersdiese Beobachtungen wurden für die Planung derweiteren Projektstunden genutzt, so konnte dieEntwicklung der Kinder individuell unterstützt undgefördert werden. Die unterschiedlichenLernstrategien und Herangehensweisen der Kinderkonnten so erkannt und berücksichtigt werden.

Zu Beginn des Projekts wurde bei einem Ausflug indie Kletterhalle eine ausführliche Beobachtung überdie sozial-emotionale Entwicklung der Kindererstellt. Am Ende des Projekt soll diese alsGrundlage für die Beurteilung derWeiterentwicklung genutzt werden.

Am Anfang der Projekteinheit „Dasbin ich“ fertigten die Kinder eineTabelle mit ihren Körpermerkmalen,wie z. B. Körpergröße, Gewicht,Haarfarbe, Schuhgröße, Augenfarbeusw. an. Am Ende des Projektssollen die Daten noch einmalüberprüft werden. Die Kinder könnenso vergleichen, welche Merkmalesich verändern und welcheunveränderlich sind.

In den einzelnen Projekteinheitenwurden zahlreiche Fotos gemacht.Für den Elternabend wurden Posterund Bildaustellungen angefertigt, mitdenen der Projektverlauf ausführlichdargestellt werden konnte.

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Projekt im Kinderhaus MurkelSeptember 2006 bis Mai 2007

ElternabendEin ganz besonderer Abend im Kinderhaus Murkel

Wie fühlt sich das an, zum Takt vonMusik mit den flachen Händen Schaumauf einer Plastik-Tischdecke zu verteilen?Kann man es auch als erwachsenerMensch schaffen, mit einem Fernglas vorden Augen, das in die Weite gerichtet ist,eine Treppe hinaufzusteigen? Merkt maneinen Unterschied, wenn manunterschiedlich kühle Hände in warmesWasser taucht?

Unsere Kinder hatten uns ja einigeserzählt, wenn in den beiden KaldauerMurkel-Kinderhäusern mal wieder etwasganz Besonderes auf dem Programmstand. Das war nicht immer leicht zu verstehen. Doch nun konnten die Eltern selbsthören, sehen und auch körperlich erfahren, was die Murkel-Mitarbeiter mit denKindern in den vergangenen sieben Monaten im Rahmen des Projektes „Ich bin ichund du bist du“ geleistet haben. Es ging darum, die emotionale Kompetenz der Kinderzu fördern; Marcel Welsch, Sonnhild Geissler, Alexandra Schruff, Sabine Kalhöfer undTamara Hein machten an diesem Informationsabend an vielen Beispielen und mitinteressanten Erläuterungen deutlich, wie vielschichtig die unterschiedlichenSchwerpunkte des Projektes angelegt waren. Die Kinder machten eine Menge neueErfahrungen und bekamen damit auch viele Fragen beantwortet, die sich aus ihremLeben im Kinderhaus und in der Familie ergeben. Daneben wurden ihnen sogarAngebote nach der Feldenkrais-Methode gemacht, in denen Marcel Welsch ihnen denZusammenhang zwischen Bewegung und Gefühlen vermittelte. Auch während der

Vorträge blieben die Eltern an diesemAbend nicht unbeteiligt: Bevor es an dieSelbstversuche mit Schaum, Fernglasund Wasserschüsseln ging, machtenihnen kleinere Übungen deutlich, wieunterschiedlich körperliche Erfahrungenbei nur minimal geänderten Situationensein können.Es war ein kurzweiliger, unterhaltsamerund informativer Abend in den Räumendes Kinderhauses Murkel I. Er brachteuns wieder einmal nahe, wie vielsinnvolle pädagogische Arbeit in denKinderhäusern geleistet wird und mit wieviel Engagement dies geschieht.Dafür sagen wir Eltern auch an dieserStelle danke! (von M. Raschke, Vater von Lukas)