hochschule mittweida university of applied sciences · letzter stelle innerhalb der bilanz.4 das...
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Johann Stasny
Working Capital Management
unter besonderer Berücksichtigung des
Vertriebsbereiches
eingereicht als
DIPLOMARBEIT
an der
HOCHSCHULE MITTWEIDA
UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES
Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften
Neunkirchen, 2010
Erstprüfer: Prof. Dr. Johannes N. Stelling
Zweitprüfer: Prof. Mag. Erich Greistorfer
2
Bibliographische Beschreibung Stasny, Johann: Working Capital Management unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebsbereiches 2010 – 85 Seiten Mittweida, Hochschule Mittweida, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Diplomarbeit, 2010 Referat Ziel der Diplomarbeit ist der Brückenschlag zwischen der wissenschaftlichen Theorie und der praktischen Umsetzung des Working Capital Managements mit spezieller Betrachtung der Vertriebsaktivitäten. Ausgehend von den Grundlagen der Unternehmensfinanzierung werden die Hauptkomponenten des Working Capital Management aufgezeigt und geeignete Werkzeuge und deren praktische Anwendung beschrieben. Zum Schluss werden die gewonnen Erkenntnisse genutzt, um die notwendigen Vertriebsaktivitäten zu definieren. Danksagung Mein Dank gilt allen Professoren der Hochschule Mittweida und allen Vortragenden die mir Ihr fundiertes Fachwissen vermittelt haben. Hervorzuheben ist auch die ausgezeichnete Organisation und Unterstützung durch das Studienzentrum Weiz. Mein besonderer Dank gilt dem Erstprüfer, Prof. Dr. Stelling, und dem Zweitprüfer, Herrn Prof. Mag. Greistorfer, die mit Ihrer Anleitung und Unterstützung einen wesentlichen Beitrag zu dieser Arbeit geleistet haben. Ganz besonderen Dank gilt meiner Ehefrau Gabriele und meinen beiden Töchtern Katharina und Julia die häufig auf mich verzichten mussten, mich jedoch während des Studiums und bei der Entstehung dieser Arbeit voll unterstützt haben. Ohne Ihr Mitwirken wäre dies nicht denkbar gewesen.
3
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .................................................................................................... 9
1.1 Problemstellung der Arbeit .................................................................... 9
1.2 Ziel der Arbeit ...................................................................................... 10
1.3 Gang der Arbeit ................................................................................... 10
1.4 Gender Statement ............................................................................... 11
2 Grundlagen der Unternehmensfinanzierung ............................................. 12
2.1 Ziel der Unternehmensfinanzierung .................................................... 12
2.1.1 Rentabilität ................................................................................... 14
2.1.2 Liquidität ....................................................................................... 17
2.2 Finanzierungsregeln............................................................................ 20
2.2.1 Horizontale Finanzierungsregeln .................................................. 20
2.2.2 Vertikale Finanzierungsregeln ...................................................... 22
3 Grundlagen des Working Capital Managements ....................................... 24
3.1 Definition Working Capital ................................................................... 24
3.2 Hauptkomponenten des Working Capital Managements .................... 25
3.3 Ziel des Working Capital Managements .............................................. 26
3.3.1 Verbesserung der Bonität ............................................................. 26
3.3.2 Steigerung der Rendite ................................................................. 27
3.3.3 Generieren von liquiden Mitteln .................................................... 28
3.4 Höhe des Working Capitals ................................................................. 29
3.4.1 Unterschied fluktuierendes und permanentes Working Capital .... 29
3.4.2 Zero Working Capital Konzept ...................................................... 30
3.4.3 Negatives Working Capital ........................................................... 30
3.4.4 Optimale Höhe des Working Capitals ........................................... 30
3.5 Working Capital Reduktionspotenziale................................................ 31
3.6 Die häufigsten Fehler beim Working Capital Management ................. 31
4 Management der Vorräte .......................................................................... 33
4.1 Form der Vorräte ................................................................................. 33
4.2 Motive der Vorratshaltung ................................................................... 33
4.3 Messung der Vorräte........................................................................... 34
4.4 Kosten der Vorratshaltung .................................................................. 35
4.4.1 Direkte Kosten .............................................................................. 35
4.4.2 Opportunitätskosten bei zu hohem Lagerstand ............................ 35
4
4.4.3 Opportunitätskosten bei zu niedrigem Lagerstand ....................... 35
4.4.4 Bewertungsmethoden der Vorräte ................................................ 36
4.5 Höhe des Lagerstandes an Vorräten .................................................. 37
4.6 Ziel des Managements der Vorräte ..................................................... 37
4.7 Strategien der Vorratshaltung ............................................................. 38
4.7.1 Vorratshaltung bei Kostenführerschaftsstrategie .......................... 39
4.7.2 Vorratshaltung bei Differenzierungsstrategie ................................ 39
4.7.3 Vorratshaltung bei Konzentrationsstrategie .................................. 40
4.8 Optimierung des Lagerstandes ........................................................... 40
4.8.1 Analysewerkzeuge ....................................................................... 41
4.8.2 Anwendung der Analysewerkzeuge und Ableitung von Handlungsmaßnahmen ................................................................ 44
5 Management der Forderungen ................................................................. 53
5.1 Definition Forderung............................................................................ 53
5.2 Motive für das Erbringen von Anzahlungen ........................................ 53
5.3 Motive für die Vergabe von Handelskrediten ...................................... 53
5.4 Messung der Forderungen .................................................................. 54
5.4.1 Forderungsreichweite ................................................................... 54
5.4.2 Überfällige Forderungen ............................................................... 55
5.4.3 Uneinbringliche Forderungen ....................................................... 55
5.5 Kosten der Forderungen ..................................................................... 56
5.5.1 Direkte Kosten .............................................................................. 56
5.5.2 Opportunitätskosten ..................................................................... 56
5.6 Chronologische Ablauf des Managements der Forderungen .............. 58
5.7 Ziel des Managements der Forderungen ............................................ 58
5.8 Optimierung des Forderungsmanagements ........................................ 58
5.8.1 Maßnahmen zur Minimierung der Debitorenlaufzeit ..................... 59
5.8.2 Maßnahmen zur Minimierung der Forderungsausfälle ................. 61
6 Management der Verbindlichkeiten ........................................................... 62
6.1 Definition Verbindlichkeit ..................................................................... 62
6.2 Motive für die Aufnahme von Handelskrediten .................................... 62
6.3 Messung der Verbindlichkeiten ........................................................... 62
6.4 Kosten der Inanspruchnahme von Handelskrediten ........................... 63
6.4.1 Kosten des Skonto ....................................................................... 63
6.4.2 Kosten der Nichteinhaltung von Zahlungszielen ........................... 64
6.5 Chronologischer Ablauf des Managements der Verbindlichkeiten ...... 64
5
6.6 Ziel des Managements der Verbindlichkeiten ..................................... 65
6.7 Optimierung des Verbindlichkeiten Managements .............................. 65
7 Management der liquiden Mittel ................................................................ 66
7.1 Motive des Haltens von liquiden Mitteln .............................................. 66
7.2 Kosten des Cash Managements ......................................................... 66
7.3 Ziel des Cash Managements .............................................................. 66
7.4 Optimierung des Cash Managements ................................................. 67
7.4.1 Theoretische Kassenhaltungsmodelle .......................................... 67
7.4.2 Cash Management Systeme ........................................................ 71
7.4.3 Kurzfristige Veranlagung .............................................................. 72
7.4.4 Kurzfristiger Geldleihe .................................................................. 72
8 Aufgaben des Vertriebes........................................................................... 73
8.1 Unterstützung bei der Optimierung des Working Capitals ................... 73
8.1.1 Unterstützung beim Forderungsmanagement .............................. 73
8.1.2 Unterstützung bei der Bedarfsplanung ......................................... 74
8.1.3 Optimierung des Deckungsbeitrages ............................................ 75
8.1.4 Verhandlung der Geschäftsbedingungen ..................................... 79
8.2 Optimierung des Anreizsystems ......................................................... 79
8.2.1 Vergütung für profitables Wachstum ............................................ 80
8.2.2 Vergütung für die Verkürzung des Cash Conversion Cycles ........ 80
9 Zusammenfassung und Ausblick .............................................................. 81
6
Abkürzungsverzeichnis
ATO Assemble to Order
Aufl. Auflage
AV Anlagevermögen
BDL Bad Debt Loss
BPDSO Best Possible Days Sales Outstanding
B2B Business to Business
CRM Customer Relationship Management
DB Deckungsbeitrag
DIO Days Inventory Outstanding
DOO Days Overdue Outstanding
DPO Days Payables Outstanding
DSO Days Sales Outstanding
ebd. ebenda
EK Eigenkapital
ELS Economic Lot Size
ETO Engineer to Order
FIFO First In First Out
FK Fremdkapital
Hrsg. Herausgeber
JIS Just in Sequence
JIT Just in Time
LIFO Last In First Out
LLZ Lieferanten-Logistik-Zentrum
MTO Make to Stock
MTS Make to Order
n.a. neben anderen
ROE Return on Equity
ROI Return on Investment
RW Reichweite
S. Seite
SKU Stock Keeping Unit
SMI Supplier Managed Inventory
UV Umlaufvermögen
vgl. vergleiche
VMI Vendor Managed Inventory
WBZ Wiederbeschaffungszeit
WC Working Capital
WCM Working Capital Management
z.B. zum Beispiel
7
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Bilanz ........................................................................ 12
Abbildung 2: Übersicht Finanzierungsziele ...................................................... 13
Abbildung 3: Finanzierungsdreieck .................................................................. 13
Abbildung 4: DuPont Schema a ....................................................................... 16
Abbildung 5: Horizontale Finanzierungsregel a ................................................ 20
Abbildung 6: Horizontale Finanzierungsregel b ................................................ 21
Abbildung 7: Vertikale Finanzierungsregel ....................................................... 22
Abbildung 8: Definition Working Capital ........................................................... 24
Abbildung 9: Working Capital Cycle ................................................................. 26
Abbildung 10: Bilanzverkürzung ....................................................................... 27
Abbildung 11: DuPont Schema b ..................................................................... 28
Abbildung 12: Working Capital als Form der Innenfinanzierung....................... 28
Abbildung 13: Permanentes und fluktuierendes Working Capital..................... 29
Abbildung 14: Übersicht der Working Capital Reduktionspotenziale ................ 31
Abbildung 15: Kosten bei Fehlmengen oder Lieferrückständen ....................... 36
Abbildung 16: Optimierung der Logistikkosten ................................................. 38
Abbildung 17: Strategische Grundoptionen ...................................................... 39
Abbildung 18: Handlungsfelder zur Optimierung der Vorräte ........................... 40
Abbildung 19: ABC-Analyse ............................................................................. 41
Abbildung 20: XYZ-Analyse ............................................................................. 42
Abbildung 21: SKU-Analyse ............................................................................. 43
Abbildung 22: Produktlebenszyklus ................................................................. 44
Abbildung 23: Einfluss des Produktlebenszyklus auf die ABC/XYZ-Analyse ... 45
Abbildung 24: Planung der Bedarfsermittlungsmethode .................................. 45
Abbildung 25: Beispiel artikelklassenspezifische Prognoseverfahren .............. 46
Abbildung 26: Portfolio zur Planung der Sicherheitsbestände ......................... 47
Abbildung 27: Artikelklassenspezifische Bestandsenkungspotenziale ............. 48
Abbildung 28: Beispiel SKU-Analyse ............................................................... 48
Abbildung 29: Einfaches Lagerhaltungsmodell mit kontinuierlichem Abgang .. 49
Abbildung 30: Optimale Bestellmenge ............................................................. 50
Abbildung 31: Lagerarten und Aufgabenverteilung .......................................... 51
Abbildung 32: Beispiel für artikelklassenspezifische Beschaffungskonzepte ... 52
8
Abbildung 33: Optimale Handelskredithöhe ..................................................... 57
Abbildung 34: Ein- und Auszahlungen nach dem Baumol Modell .................... 68
Abbildung 35: Umwandlung von kurzfristig angelegten Mitteln in Geld ............ 68
Abbildung 36: Kassenhaltungsstrategie nach Miller und Orr ............................ 70
Abbildung 37: Verlauf des Kassenbestandes im Modell von Beranek ............. 71
Abbildung 38: Ausschnitt aus Salesforce.com ................................................. 75
9
1 Einleitung
Die Globalisierung, welche zu einem nahezu ungehinderten Austausch und
Fluss von Waren, Dienstleistungen, Information und Kapital geführt hat, zwingt
die Unternehmen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen noch
effizienter umzugehen. Firmen haben schon früh die Wichtigkeit der
Abstimmung von Material und Informationsfluss erkannt und diese durch
logistische Prozesse optimiert. Hierfür hat sich auch in Europa der
angloamerikanische Begriff Supply Chain durchgesetzt. Neben dem
klassischen bereits genannten physischen Supply Chain, hat sich auch der
Begriff Financial Supply Chain etabliert. „Der finanzielle Supply Chain läuft
parallel zum physischen Supply Chain eines Unternehmens und beschreibt
dessen Finanzströme.“1 Das Ziel ist es, diese Finanzströme zu optimieren und
den Cash Conversion Cycle, sprich Wiedergeldwerdungsprozess, zu
beschleunigen. Dies kann zum Beispiel durch die Reduzierung von
Anlagevermögen und die Reduzierung des Working Capitals erfolgen.
Kurzfristig eignet sich hierfür primär die Optimierung des Working Capital, da
dieses stärker operativ zu beeinflussen ist. Die Reduzierung des Working
Capitals verbessert die Liquidität und die Gesamtkapitalrentabilität. Die
Optimierung des Anlagevermögens ist im Gegensatz dazu mittel- bis langfristig
also strategisch zu betrachten. Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem
Working Capital Management und betrachtet im Speziellen die Rolle des
Vertriebes.
1.1 Problemstellung der Arbeit
Im Jahr 2008 wurde ich von der Firma Millipore Corporation vom „Area Sales
Manager“ zum „Director of Sales“ der BioProcess Division befördert. In dieser
Funktion bin ich für die Vertriebsaktivitäten in Deutschland, Österreich,
Schweiz, Italien, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien,
Kroatien, Estland, Lettland, Litauen, Dänemark, Norwegen, Schweden und
Finnland zuständig. Die Änderung der Funktion spiegelt sich primär in der
Erwartungshaltung des Unternehmens wider. Als „Sales Manager“ wird man
1 Klepzig, Heinz Jürgen: Working-Capital und Cash Flow, 2008, S. 7.
10
nahezu ausschließlich am Vertriebserfolg gemessen. Als „Sales Director“ wird
erwartet, dass man die übergeordneten Interessen der Firma vertritt und bei
Zielkonflikten entsprechende Maßnahmen einleitet. In der neuen Funktionen
wird außerdem erwartet, dass man im Team mit dem „Global Supply Chain“
und dem „Customer Service“ an der Optimierung des Working Capitals arbeitet.
Das Problem ergibt sich dabei durch die stark finanzwirtschaftlich geprägte
Sichtweise.2 Das Working Capital Management sollte jedoch ein integraler
Bestandteil der Unternehmensstrategie zur Steigerung des
Unternehmenswertes sein. Working Capital Management involviert dabei im
Wesentlichen drei operative Funktionen und zwar Beschaffung, Produktion und
Vertrieb. Auf Grund der komplexen intra- und interorganisationalen
Verknüpfungen ergibt sich auch schon die Schwierigkeit aufgrund der vielen
Zielkonflikte, ein integratives Rahmenkonzept von Handlungsempfehlungen zu
erstellen.3 Eine weitere Herausforderung stellt die geringe Kenntnis um das
Thema Working Capital Management, speziell im Vertrieb, dar. Aus diesem
Grunde ist das Potenzial des Vertriebes nicht voll genutzt.
1.2 Ziel der Arbeit
Das Ziel der Arbeit ist das Working Capital Management als Gesamtes
darzustellen, in Bezug zur Unternehmensfinanzierung zu setzen und die
komplexen Zusammenhänge aufzuzeigen. Das übergeordnete Ziel der Arbeit
ist der Brückenschlag zwischen der wissenschaftlichen Theorie und der
praktischen Umsetzung des Working Capital Managements mit dem
Schwerpunkt auf den notwendigen Aktivitäten, Werkzeugen und Kenntnissen
seitens des Vertriebes, um dessen Potenzial besser zu nutzen.
1.3 Gang der Arbeit
Die folgende Arbeit ist, grob gesprochen, in drei Teile gegliedert. Als Erstes
werden die Grundlagen der Unternehmensfinanzierung und des Working
Capital Managements beschrieben. Im zweiten Teil werden die Werkzeuge und
nötigen Maßnahmen zur Optimierung der Hauptkomponenten des Working
2 Vgl. Meyer (2007), S. 3.
3 Vgl. ebd., S. 19.
11
Capitals betrachtet. Zum Abschluss werden auf Basis wissenschaftlich
fundierter Überlegungen Handlungsempfehlungen für den Vertrieb und die
notwendigen, praxistauglichen Werkzeuge aufgezeigt.
1.4 Gender Statement
Auch wenn in dieser Arbeit nur eine geschlechtsspezifische sprachliche Form
verwendet wird, so werden dennoch immer Personen sowohl männlichen als
auch weiblichen Geschlechts angesprochen.
12
2 Grundlagen der Unternehmensfinanzierung
Um das Thema und die Auswirkungen des Working Capital Managements
besser zu verstehen, ist es wichtig die Ziele und die Regeln der Finanzierung zu
erläutern.
2.1 Ziel der Unternehmensfinanzierung
Das oberste Ziel einer Unternehmensfinanzierung ist es, das zur Verfügung
gestellte Kapital möglichst gewinnbringend, sprich rentabel zu investieren. Die
zur Verfügung gestellten Mittel erscheinen auf der Passivseite der Bilanz als
Eigen- oder Fremdkapital und auf der Aktivseite als Anlage- oder
Umlaufvermögen. Die Bilanz listet hierbei das Vermögen nach dem Grad der
Liquidität. Somit stehen langfristige Investitionen wie Betriebsgrundstücke an
erster Stelle und kurzfristige liquide Mittel wie Bankguthaben und Kasse an
letzter Stelle innerhalb der Bilanz.4 Das Gleiche gilt für die Finanzierung, wo das
Grundkapital üblicherweise zum dauerhaften Verbleib innerhalb des
Unternehmens bestimmt ist, wohingegen das Fremdkapital eine definierte
Finanzierungsdauer aufweist. Wie sich aus der Graphik entnehmen lässt, kann
diese Dauer von langfristiger Natur, wie zum Beispiel ein Hypothekarkredit bei
der Bank, oder auch kurzfristig, wie zum Beispiel ein Lieferantenkredit, sein.
Abbildung 1: Aufbau der Bilanz Quelle: Autor
4 Vgl. Wöhe/Döringer (2008), S. 741.
Aktiva Passiva
Mittelverwendung Mittelherkunft
Vermögen Kapital
Investition Finanzierung
langfristig Anlagevermögen Eigenkapital - Immaterielle Vermögensgegenstände - Grundkapital
- Sachanlagen - Rücklagen
- Finanzanlagen
Umlaufvermögen Fremdkapital - Vorräte - Rückstellungen
- Forderungen - langfristige Verbindlichkeiten
kurzfristig - Liquide Mittel - kurzfristige Verbindlichkeiten
Bilanzsumme Bilanzsumme
Bilanz
zeit
lich
e
Bin
du
ng
13
Wie in der Abbildung 2 dargestellt ist die Rentabilität das Oberziel bei der
Finanzierung eines Unternehmens. Die Rentabilität steht allerdings in einem
Zielkonflikt mit den drei Unterzielen Liquidität, Unabhängigkeit und Sicherheit.
Abbildung 2: Übersicht Finanzierungsziele Quelle: Autor
Betrachtet man den Zusammenhang Rentabilität, Liquidität und Sicherheit
anhand des Finanzierungsdreiecks, so sieht man, dass zur Erreichung einer
hohen Rentabilität so viel als möglich in den Wertschöpfungsprozess, zum
Beispiel in Mitarbeiter und Maschinen, investiert werden muss. Dies führt
automatisch zu einer Reduzierung der liquiden Mittel, was wiederum zu einer
höheren Unsicherheit führt, da man mögliche Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht
mehr kompensieren kann. Um eine möglichst hohe Liquidität und Sicherheit zu
erlangen, müsste man desinvestieren und das Geld zum Beispiel auf ein
Bankkonto legen. Hier erreicht man eine hohe Liquidität und eine hohe
Sicherheit, jedoch ist die Rendite extrem niedrig. Das Ziel muss eine optimale
Balance zwischen Rentabilität und Liquidität sein.
Abbildung 3: Finanzierungsdreieck Quelle: http://www.fondschampion.de/pictures/MagDrei.gif
14
Der Grad der Unabhängigkeit ist abhängig von der Rechtsform des
Unternehmens und von der Kapitalstruktur. Die Unabhängigkeit erlaubt es dem
Unternehmen, wichtige Entscheidungen selbst zu treffen, ohne die Zustimmung
Dritter einzuholen.
2.1.1 Rentabilität
Unter Rentabilität versteht man das Verhältnis einer Erfolgsgröße (z.B. Gewinn)
zum eingesetzten Kapital. Die Rentabilität wird in der Regel als Prozentsatz
angegeben und stellt somit die Verzinsung des eingesetzten Kapitals dar.
2.1.1.1 Eigenkapitalrentabilität
Die Eigenkapitalrentabilität (Return on Equity - ROE) dokumentiert, wie hoch
sich das vom Kapitalgeber investierte Kapital innerhalb einer
Rechnungsperiode verzinst hat.
𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑟𝑒𝑛𝑑𝑖𝑡𝑒 [%] =𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛
𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
Anhand der Eigenkapitalrentabilität kann man erkennen, ob seine Investition in
das Unternehmen mehr oder weniger rentabel ist als eine andere
Kapitalanlage. Bei zu geringer Verzinsung sollte man sein Kapital in eine
alternative, jedoch sicherere Anlage investieren.
2.1.1.2 Umsatzrentabilität
Die Umsatzrentabilität setzt den Gewinn in Verhältnis zum Umsatz des
Unternehmens. Diese Kennzahl ist äußerst wichtig, um den Erfolg der
betrieblichen Tätigkeit auf dem Markt und im Branchenvergleich zu
dokumentieren und um zu vermeiden Umsatz um jeden Preis zu generieren.
Denn, wenn sich ein Unternehmen Umsatz zu hohen Kosten erkauft, dann kann
dies den Gewinn des Unternehmens schmälern. Speziell bei
Handelsunternehmen wird stark auf diese Kennzahl gesetzt, da sich über die
Umsatzplanung eine Gewinnerwartung errechnen lässt.
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 [%] =𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑒𝑟𝑙ö𝑠∗ 100
15
𝑂𝑝𝑡𝑖𝑜𝑛𝑎𝑙: 𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 [%] = 𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛 + 𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑧𝑖𝑛𝑠𝑒𝑛
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑒𝑟𝑙ö𝑠∗ 100
Die Option der Umsatzrendite unter Berücksichtigung der Fremdkapitalzinsen
geht davon aus, dass der Umsatz eines Unternehmens ja auch unter
Zuhilfenahme von Fremdkapital erzielt wurde.5
2.1.1.3 Gesamtkapitalrentabilität
Die Gesamtkapitalrentabilität (Return on Investment - ROI) gibt an, wie effizient
das Gesamtkapital innerhalb einer Abrechnungsperiode war. Somit ist die
Gesamtkapitalrentabilität aussagekräftiger als die Eigenkapitalrentabilität, da sie
die Verzinsung des Gesamtkapitals betrachtet.
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 [%] = 𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛 + 𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑧𝑖𝑛𝑠𝑒𝑛
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
Das Gesamtkapital besteht aus Eigenkapital und Fremdkapital. Für das
Fremdkapital muss man üblicherweise Zinsen bezahlen, die den Gewinn des
Unternehmens schmälern, jedoch aus dem Überschuss der Geschäftstätigkeit
erwirtschaftet werden. Aus diesem Grunde muss die Zinsleistung für
Fremdkapital hinzugerechnet werden.
Erweiterte Formel des ROI6
𝑅𝑂𝐼 [%] = 𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛 + 𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑧𝑖𝑛𝑠𝑒𝑛
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧∗
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
𝑅𝑂𝐼 [%] = 𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 ∗ 𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑢𝑚𝑠𝑐𝑙𝑎𝑔 ∗ 100
5 Vgl. Probst, Hans-Jürgen: Bilanzen lesen leicht gemacht, 2008, S. 123.
6 Vgl. Vollmuth (2007), S. 40.
16
Die Gesamtkapitalrendite kann verbessert werden, wenn die Umsatzrentabilität
und/oder die Kapitalumschlagshäufigkeit angehoben werden.
„Das DuPont- System of Financial Control wurde von dem Chemiekonzern
DuPont 1919 als mathematisches, zerlegbares Kennzahlensystem mit Absolut-
und Relativzahlen entwickelt.“7 Das DuPont Schema illustriert die Stellgrößen,
die dem Management zur Verfügung stehen, um die Gesamtkapitalrentabilität
zu steigern.8
Die Umsatzrentabilität kann durch eine Erhöhung des Deckungsbeitrages und
durch die Reduzierung der fixen Kosten gesteigert werden.
Der Kapitalumschlag informiert über die Produktivität des eingesetzten Kapitals.
Eine Erhöhung des Kapitalumschlags ist durch Umsatzsteigerung und durch
eine Verringerung des Kapitaleinsatzes zu erreichen.9
Abbildung 4: DuPont Schema a Quelle: Modifiziert übernommen aus Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 593.
7 Stelling, Johannes N.: Kostenmanagement und Controlling, 2005, S. 277.
8 Vgl. Probst, Hans-Jürgen: Bilanzen lesen leicht gemacht, 2008, S. 124.
9 Vgl. Wöhe (2008), S. 910.
17
2.1.2 Liquidität
Die Liquidität ist die Fähigkeit, die fälligen Verbindlichkeiten im vollen Umfang
und fristgerecht begleichen zu können. Hierfür ist eine komplexe
Liquiditätsplanung notwendig, die sicherstellt, dass die Ausgaben und
Einnahmen entsprechend abgestimmt sind. Die Liquidität ist somit ein
Zeitpunktproblem. Mangelnde Liquidität ist die häufigste Ursache für
Insolvenzen. Bekannte Probleme für Liquiditätsengpässe sind verlängerte
Zahlungsziele für Kunden, verkürzte Zahlungsziele von Lieferanten, starke
Umsatzschwankungen und daraus resultierende erhöhte Vorleistungen, starke
Preisänderungen und hohe Einmalzahlungen wie zum Beispiel Investitionen,
Steuern, Sozialabgaben.
Die Kennzahl der Liquidität ist das Verhältnis der zur Verfügung stehenden
Mittel zu den Zahlungsverpflichtungen in einem definierten
Betrachtungszeitraum. Die Liquidität wird in der Regel als Prozentsatz
angegeben.
𝐿𝑖𝑞𝑢𝑖𝑑𝑖𝑡ä𝑡 [%] =𝐹𝑙ü𝑠𝑠𝑖𝑔𝑒 𝑀𝑖𝑡𝑡𝑒𝑙 𝑖𝑚 𝐵𝑒𝑡𝑟𝑎𝑐𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑧𝑒𝑖𝑡𝑟𝑎𝑢𝑚
𝑍𝑎𝑙𝑢𝑛𝑔𝑠𝑣𝑒𝑟𝑝𝑓𝑙𝑖𝑐𝑡𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 𝑖𝑚 𝐵𝑒𝑡𝑟𝑎𝑐𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑧𝑒𝑖𝑡𝑟𝑎𝑢𝑚∗ 100
Bei einem Wert von 1 oder darüber ist ein Unternehmen liquide, darunter liegt
Illiquidität vor.10
Die Liquiditätskennzahlen geben einen momentanen Status wieder und sagen
nichts über die zukünftige Liquidität aus, eine laufende Liquiditätsplanung ist
somit unumgänglich.
2.1.2.1 Liquidität 1. Grades
Die Liquidität 1. Grades, auch Barliquidität oder „Absolute Liquidity" genannt,
gibt Auskunft, wie viel sofort verfügbares Geld zum Beispiel aus der Kassa, vom
Bankkonto, durch Schecks oder diskontfähige Wechsel zur Verfügung steht, um
die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu begleichen.11
10
Vgl. Benesch/Schuch (2005), S. 23.
11 Vgl. Probst, Hans-Jürgen: Kennzahlen leicht gemacht, 2008, S. 109.
18
Bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten handelt es sich um Verbindlichkeiten aus
Lieferungen und Leistungen sowie sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten wie
zum Beispiel an die Bank, eventuell kommen auch noch 50 % der
Rückstellungen und der Bilanzgewinn bei Dividendenauszahlungen hinzu.12
Als Ziel wird hier je nach Literatur und Branche 5 bis 20 % als erstrebenswert
angenommen.
𝐿𝑖𝑞𝑢𝑖𝑑𝑖𝑡ä𝑡 1. 𝐺𝑟𝑎𝑑𝑒𝑠 [%] =𝐹𝑙ü𝑠𝑠𝑖𝑔𝑒 𝑀𝑖𝑡𝑡𝑒𝑙
𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛∗ 100
Die Barliquidität ist wichtig um bei Lieferantenrechnungen den Skonto in
Anspruch nehmen zu können.
2.1.2.2 Liquidität 2. Grades
Die Liquidität 2. Grades, auch Geldliquidität oder „Quick Ratio“ genannt, bedient
sich neben den barliquiden Mitteln zusätzlich noch der kurzfristigen
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.
Als Ziel wird hier je nach Literatur und Branche 100 bis 120 % als
erstrebenswert angenommen.
𝐿𝑖𝑞𝑢𝑖𝑑𝑖𝑡ä𝑡 2. 𝐺𝑟𝑎𝑑𝑒𝑠 [%] =𝐹𝑙ü𝑠𝑠𝑖𝑔𝑒 𝑀𝑖𝑡𝑡𝑒𝑙 + 𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛
𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛∗ 100
Liegt die Kennzahl unter 100 % könnte es Probleme bei der Wertschöpfung
oder der Kalkulation einiger Produkte geben.
2.1.2.3 Liquidität 3. Grades
Die Liquidität 3. Grades, auch Liquidität des Umlaufvermögens oder „Current
Ratio“ genannt, stellt das gesamte Umlaufvermögen in Relation zu den
kurzfristigen Verbindlichkeiten. Hierbei kommen zu den bar- und geldliquiden
Mitteln noch Aktien und Anleihen, die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie
unfertige und fertige Erzeugnisse hinzu. Ganz wichtig ist es, keine Teile des
12
Vgl. Probst, Hans-Jürgen: Bilanzen lesen leicht gemacht, 2008, S. 132.
19
Anlagevermögens oder den eisernen Bestand an Materialien mit
einzubeziehen.
Das Ziel der Liquidität 3. Grades ist hier äußerst unterschiedlich und wird je
nach Branche und Literatur mit 120 bis 200 % als erstrebenswert definiert. Liegt
das Ergebnis darüber, dann sind die Bestände im Lager zu hoch und binden zu
viel Kapital.
𝐿𝑖𝑞𝑢𝑖𝑑𝑖𝑡ä𝑡 3.𝐺𝑟𝑎𝑑𝑒𝑠 [%] =𝐹𝑙ü𝑠𝑠𝑖𝑔𝑒 𝑀𝑖𝑡𝑡𝑒𝑙 + 𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 + 𝑉𝑜𝑟𝑟ä𝑡𝑒
𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛∗ 100
2.1.2.4 Formen der Liquidität
Die optimale Liquidität stellt ein finanzielles Gleichgewicht zwischen
Zahlungseingängen und Zahlungsausgängen dar. Treten zu hohe Barreserven
dauerhaft auf, so spricht man von Überliquidität. Die gilt es zu vermeiden, weil
dadurch die Rentabilität des Unternehmens leidet. Die liquiden Mittel können
durch zusätzliche Sach- oder Finanzinvestitionen beziehungsweise
Kapitalrückzahlungen reduziert werden. Bei zu niedrigen Barreserven kann es
zu Zahlungsstockungen kommen. Hierbei werden fällige Forderungen zwar voll,
aber nicht immer fristgerecht beglichen, dies wird auch als Unterliquidität
bezeichnet. Um zusätzliche Liquidität zu generieren, können geplante
Investitionen gestrichen oder verschoben, vorhandene Investitionen aufgelöst,
oder frisches Kapital zugeführt werden.13 Die Illiquidität bezeichnet jenen
Zustand eines Unternehmens, der fällige Forderungen dauerhaft nicht mehr
erfüllen kann. Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellungen sind ein
Konkursgrund und können zum Konkurs führen, sofern die Gläubiger nicht eine
Stundung, Abschreibung ihrer Forderungen oder einen Vergleich in Erwägung
ziehen. Illiquidität ist nicht zu verwechseln mit dem Tatbestand der
Überschuldung, der sich dadurch äußert, dass die Vermögensgegenstände des
Unternehmens in der Summe nicht mehr ausreichen, um die Schulden zu
decken.
13
Vgl. Wöhe/Döringer (2008), S. 582.
20
2.2 Finanzierungsregeln
Unter Finanzierungsregeln versteht man betriebswirtschaftliche
Verhaltensnormen, welche aus der wissenschaftlichen Theorie oder auch aus
der Praxis abgeleitet wurden. Das Ziel der Finanzierungsregeln ist es, die
Kapitalstruktur so zu gestalten, dass die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens
langfristig sichergestellt ist. Als kritischen Punkt muss man erwähnen, dass die
Einhaltung der Finanzierungsregeln die Zahlungsfähigkeit generell nicht
garantieren kann bzw. die Nichteinhaltung nicht automatisch eine
Zahlungsunfähigkeit nach sich zieht.
2.2.1 Horizontale Finanzierungsregeln
Die horizontalen Finanzierungsregeln, auch goldene Finanzierungsregeln oder
goldene Bank bzw. goldene Bilanzregeln genannt, beschäftigen sich mit dem
relativen Verhältnis von Kapital zu Vermögen. Das Verhältnis gibt Auskunft über
die Fristenkongruenz und damit über die langfristige Liquidität eines
Unternehmens. Das Anlagevermögen sollte langfristig durch Eigenkapital und
langfristiges Fremdkapital finanziert sein. Im Gegenzug sollte das
Umlaufvermögen, wie in Abbildung 6 dargestellt, kurzfristig bis mittelfristig
finanziert sein. Anders ausgedrückt, die Mittelbindung und die
Mittelverfügbarkeit sollten die gleiche Dauer aufweisen. Zur Überprüfung der
Finanzierung stehen 3 Kennzahlen und zwar der Anlagendeckungsgrad 1, 2
und 3 zur Verfügung. Die goldene Bilanzregel in der engeren Fassung wird
durch den Anlagendeckungsgrad 1 beziehungsweise 2 ausgedrückt. Die
weitere Fassung der goldenen Bilanzregel wird durch den
Anlagendeckungsgrad 3 dargestellt.
Abbildung 5: Horizontale Finanzierungsregel a Quelle: Autor
Anlagevermögen (AV) Eigenkapital (EK) - Immaterielle Vermögensgegenstände - Grundkapital
- Sachanlagen - Rücklagen
- Finanzanlagen
Umlaufvermögen (UV) Fremdkapital (FK) - Vorräte - Rückstellungen
- Forderungen - langfristige Verbindlichkeiten
- Liquide Mittel - kurzfristige Verbindlichkeiten
Bilanz
Horizontale Finanzierungsregel
Goldene Bank(Bilanz)Regel
Deckungsgrad 1 = EK / AV ≥ 1
Deckungsrad 2 =
(EK + langfristiges FK) / AV ≥ 1
Deckungsgrad 3 =
(EK + langfristiges FK) /
(AV + langfristige Vorräte) ≥ 1
21
Abbildung 6: Horizontale Finanzierungsregel b Quelle: Autor
Der Anlagendeckungsgrad 1 beschreibt das Verhältnis von Eigenkapital zu
Fremdkapital und sollte 1 sein, was bedeutet, dass das Anlagevermögen zu
100 % durch Eigenkapital gedeckt ist.
𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑛𝑑𝑒𝑐𝑘𝑢𝑛𝑔𝑠𝑔𝑟𝑎𝑑 1 [%] =𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑣𝑒𝑟𝑚ö𝑔𝑒𝑛∗ 100
Der Anlagendeckungsgrad 2 stellt das langfristige Kapital dem Anlagevermögen
gegenüber. Als langfristiges Kapital wird hierbei das Eigenkapital und das
langfristige Fremdkapital bezeichnet. Der Anlagendeckungsrad 2 stellt somit
eine eher realistische Finanzierungsregel dar. Um eine langfristige Deckung zu
gewährleisten, ist ein Anlagendeckungsgrad 2 von 100 % oder mehr
anzustreben.
𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑛𝑑𝑒𝑐𝑘𝑢𝑛𝑔𝑠𝑔𝑟𝑎𝑑 2 [%] = 𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙 + 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒𝑠 𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑣𝑒𝑟𝑚ö𝑔𝑒𝑛∗ 100
Beim Anlagendeckungsrad 3 wird das Anlagevermögen um das dauernd bzw.
langfristig gebundene Umlaufvermögen erweitert. Es ist oft schwierig, das
langfristige Umlaufvermögen zu definieren bzw. zu ermitteln. Als klassisches
Beispiel kann man den eisernen Bestand nennen. Dies erfolgt unter der
Annahme, dass der Betrieb ohne den eisernen Bestand nicht aufrecht erhalten
werden kann.
𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑛𝑑𝑒𝑐𝑘𝑢𝑛𝑔𝑠𝑔𝑟𝑎𝑑 3 [%] =(𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙 + 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒𝑠 𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙)
(𝐴𝑛𝑙𝑎𝑔𝑒𝑣𝑒𝑟𝑚ö𝑔𝑒𝑛 + 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑜𝑟𝑟ä𝑡𝑒)∗ 100
Anlagevermögen (AV) Eigenkapital (EK) - Immaterielle Vermögensgegenstände - Grundkapital
- Sachanlagen - Rücklagen
- Finanzanlagen
Umlaufvermögen (UV) Fremdkapital (FK) - Vorräte - Rückstellungen
- Forderungen - langfristige Verbindlichkeiten
- Liquide Mittel - kurzfristige Verbindlichkeiten
Bilanz
Horizontale Finanzierungsregel
FK / UV ≤ 1
22
2.2.2 Vertikale Finanzierungsregeln
Die vertikalen Finanzierungsregeln beschäftigen sich mit der Kapitalstruktur
also der Passivseite der Bilanz. Die Kapitalstruktur sollte möglichst stark durch
Eigenkapital bestimmt sein. Als Kennzahl dient der statische
Verschuldungsgrad, welcher das Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital
darstellt.
𝑆𝑡𝑎𝑡𝑖𝑠𝑐𝑒𝑟 𝑉𝑒𝑟𝑠𝑐𝑢𝑙𝑑𝑢𝑛𝑔𝑠𝑔𝑟𝑎𝑑 [%] =𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
Als optimal wird ein ausgewogenes Verhältnis von 1 zu 1 erachtet, ein
Verhältnis von 2 zu 1 wird noch als solide angesehen, es kann jedoch auch ein
Verhältnis von 3 zu 1 betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.14 Je niedriger der
Verschuldungsgrad umso höher ist die Sicherheit des Fortbestandes des
Unternehmens auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit Verlusten (siehe
Abbildung 7). Wichtig ist, dass in jedem Fall ein branchenübliches Verhältnis
anzustreben ist, da diese Analyse speziell auch von den Banken zur Prüfung
der Kreditwürdigkeit beziehungsweise zur Bestimmung der Kreditkonditionen
herangezogen wird.
Abbildung 7: Vertikale Finanzierungsregel Quelle: Autor
14
Vgl. Wöhe/Döringer (2008), S. 653.
Anlagevermögen (AV) Eigenkapital (EK) - Immaterielle Vermögensgegenstände - Grundkapital
- Sachanlagen - Rücklagen
- Finanzanlagen
Umlaufvermögen (UV) Fremdkapital (FK) - Vorräte - Rückstellungen
- Forderungen - langfristige Verbindlichkeiten
- Liquide Mittel - kurzfristige Verbindlichkeiten
Bilanz
Vert
ikale
Fin
an
zie
run
gsre
gel
FK
: E
K =
1 :
1 o
der
FK
: E
K =
2 :
1 o
der
FK
: E
K =
3 :
1
23
Weitere wichtige Kennzahlen sind die Eigenkapitalquote sowie der
Anspannungsgrad.
𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑞𝑢𝑜𝑡𝑒 [%] =𝐸𝑖𝑔𝑒𝑛𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
Die Eigenkapitalquote gibt Auskunft über die Höhe der Eigenfinanzierung. Je
höher die Eigenkapitalquote, desto länger kann ein Unternehmen auch
wirtschaftlich schwierige Zeiten überstehen.
𝐴𝑛𝑠𝑝𝑎𝑛𝑛𝑢𝑛𝑔𝑠𝑔𝑟𝑎𝑑 [%] =𝐹𝑟𝑒𝑚𝑑𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑘𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙∗ 100
Der Anspannungsgrad ist das Gegenstück zur Eigenkapitalquote und wird auch
als Verschuldungsgrad oder Fremdkapitalquote bezeichnet.
24
3 Grundlagen des Working Capital Managements
Dieses Kapitel dient zur Einführung in die Thematik des Working Capital
Managements. Es werden der Begriff, die Hauptkomponenten, das Ziel und die
Höhe des Working Capital näher betrachtet.
3.1 Definition Working Capital
Working Capital ist ein Begriff aus der Unternehmensfinanzierung und wird
häufig als Fachbegriff für kurzfristige Bilanzposten verwendet.15 Zur korrekten
Definition muss man zwischen Gross Working Capital und Net Working Capital
unterscheiden, siehe Abbildung 8. Das Gross Working Capital steht für das
Umlaufvermögen in der Bilanz, im Gegenzug ist das Net Working Capital der
Überschuss des Umlaufvermögens über das kurzfristige Fremdkapital, im
deutschsprachigen Bereich auch als Netto-Umlaufvermögen bekannt.
Ein aus dem Net Working Capital abgeleiteter Begriff ist das Adjusted Net
Working Capital oder bereinigtes Netto-Umlaufvermögen. Unter bereinigt
versteht man die Verminderung des Umlaufvermögens um die liquiden Mittel
und die Verminderung der kurzfristigen Verbindlichkeiten um kurzfristig fällige
Finanzierungsquellen wie kurzfristige Bankverbindlichkeiten und kurzfristig
fällige Verbindlichkeiten aus mittel- bis langfristigen Bankschulden.
Abbildung 8: Definition Working Capital Quelle: Meyer (2007), S. 25.
Wenn in der Literatur allgemein vom Working Capital gesprochen wird, so kann
man üblicherweise davon ausgehen, dass man über das Net Working Capital
spricht, welches die kurzfristigen Verbindlichkeiten mitberücksichtigt. Deswegen
wird in dieser Arbeit der Begriff Working Capital als Umlaufvermögen abzüglich
der kurzfristigen Verbindlichkeiten definiert.
15
Vgl. Meyer (2007), S. 23.
Anlagevermögen (AV) Eigenkapital (EK) - Immaterielle Vermögensgegenstände - Grundkapital
- Sachanlagen - Rücklagen
- Finanzanlagen
Umlaufvermögen (UV) Fremdkapital (FK) - Vorräte - Rückstellungen
- Forderungen und sonstige Vermögensgenstände - langfristige Verbindlichkeiten
- Liquide Mittel - kurzfristige Verbindlichkeiten
Bilanz
Gross WC = UV
Net WC = UV -
kurzfristige
Verbindlichkeiten
25
𝑁𝑒𝑡 𝑊𝐶 = 𝑈𝑚𝑙𝑎𝑢𝑓𝑣𝑒𝑟𝑚ö𝑔𝑒𝑛 − 𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛
Das Working Capital stellt somit einen absoluten monetären Betrag dar.
Neben dem Working Capital als absoluten monetären Betrag gibt es auch noch
das Working Capital Ratio, welches das Verhältnis des Umlaufvermögens zu
den kurzfristigen Verbindlichkeiten darstellt. Diese Kennzahl ist ident zur
Liquidität 3. Grades.
𝑊𝐶 𝑅𝑎𝑡𝑖𝑜 =𝑈𝑚𝑙𝑎𝑢𝑓𝑣𝑒𝑟𝑚ö𝑔𝑒𝑛
𝐾𝑢𝑟𝑧𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡𝑖𝑔𝑒 𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛= 𝐿𝑖𝑞𝑢𝑖𝑑𝑖𝑡ä𝑡 3. 𝐺𝑟𝑎𝑑𝑒𝑠
3.2 Hauptkomponenten des Working Capital Managements
Die Hauptkomponenten des Working Capital Managements sind Vorräte,
Forderungen, kurzfristige Verbindlichkeiten und liquide Mittel. All diese
Komponenten haben je einen monetären und eine zeitlichen Aspekt den es zu
berücksichtigen gilt. Die Zusammenfassung aller zeitlichen Komponenten wird
als Wiedergeldwerdungsprozess oder „Cash Conversion Cycle“ bezeichnet.
Das Ziel des Working Capital Managements ist es, das Investitionsvolumen und
die Investitionsdauer zu optimieren, was üblicherweise eine Minimierung des
Working Capital und eine Verkürzung des Wiedergeldwerdungsprozesses
bedeutet.
26
Abbildung 9: Working Capital Cycle Quelle: Modifiziert übernommen aus Klepzig (2008), S. 34.
Der Working Capital-Zyklus beinhaltet drei Kernprozesse. Einnahmenseitig das
Forderungsmanagement, auch als „Order to Cash“ bezeichnet. Ausgabenseitig
das Verbindlichkeitenmanagement, auch als „Purchase to Pay“ bezeichnet, und
das Vorrätemanagement, auch „Total Supply Chain“ oder „Forecast to Fulfill“
genannt.
3.3 Ziel des Working Capital Managements
Das erklärte Ziel des Working Capital Managements ist es, das
Umlaufvermögen zu minimieren und die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu
maximieren, um eine optimale Rendite, bei guter Bonität und ausreichender
Liquidität sicherzustellen.
3.3.1 Verbesserung der Bonität
Die Minimierung des Umlaufvermögens verbessert die Kapitalstruktur und
steigert dadurch die Bonität.
Seit 2007 sind die Eigenkapitalregeln nach Basel II in Kraft, diese regeln die
Höhe der Eigenkapitalhinterlegung der Banken bei der Kreditvergabe.16 Je
16
Vgl. Hauser/Warns (2008), S. 197.
27
höher das Risiko eines Kreditausfalles, desto höher die
Eigenkapitalhinterlegung des Kreditinstitutes, und umso höher die Kosten für
Kreditgeber und Kreditnehmer. Um die Bonität des Kreditnehmers zu
bestimmen, kommt es zu einem Rating des Unternehmens durch die Bank
(internes Rating) oder durch Dritte (externes Rating). Diese Ratings beinhalten
neben anderen Kriterien auch quantitative Faktoren wie Finanzkennzahlen. Die
Kennzahl mit der höchsten Gewichtung ist die Eigenkapitalquote. Unternehmen
mit zu hohem Working Capital können durch die Reduzierung des Working
Capital eine Bilanzverkürzung erzielen. Bei der Annahme, dass das
Eigenkapital, absolut gesehen, gleich bleibt, erhöht sich dadurch die
Eigenkapitalquote und führt zu einer Verbesserung der Bonität und damit zu
günstigeren Kreditkonditionen.
Abbildung 10: Bilanzverkürzung Quelle: Klepzig (2008), S. 8.
3.3.2 Steigerung der Rendite
Anhand des DuPont Schemas in Abbildung 11 sieht man die Auswirkung der
Minimierung des Umlaufvermögens. Die Minimierung der Vorräte, Forderungen
und liquiden Mittel führt, wie bereits erwähnt, zu einer Bilanzverkürzung und
damit zu einer Reduzierung des Gesamtvermögens. Dies wiederum erhöht, bei
gleichem Umsatz, den Kapitalumschlag und steigert dadurch die
Gesamtkapitalrentabilität des Unternehmens.
AV AV Anlagevermögen (AV) Eigenkapital (EK)
UV UV Umlaufvermögen (UV) Fremdkapital (FK)
Bilanzsumme
Bilanzsumme Bilanzsumme Bilanzsumme
Bilanzverkürzung
Bilanz
28
Abbildung 11: DuPont Schema b Quelle: Modifiziert übernommen aus Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 593.
3.3.3 Generieren von liquiden Mitteln
Die Minimierung des Working Capitals durch Minimierung der Vorräte und der
Forderungen und Maximierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten erhöht die
liquiden Mittel durch Freisetzung von gebundenem Kapital.
Wie in Abbildung 12 dargestellt, führt das Working Capital Management zur
Kapitalfreisetzung durch Vermögensumschichtung im Umlaufvermögen und
stellt somit eine Form der Innenfinanzierung dar.
Abbildung 12: Working Capital als Form der Innenfinanzierung Quelle: Modifiziert übernommen aus Benesch/Schuch (2005), S. 19-20.
FINANZIERUNG
Außenfinanzierung
Vermögenszuwachs
Kreditfinanzierung (Fremdfinanzierung)
Einlagen- und Beteiligungs-finanzierung
Subventions-finanzierung
Innenfinanzierung
Vermögenszuwachs
Finanzierung aus Rückstellungen
Selbstfinanzierung (aus Gewinn)
Finanzierung aus Abschreibungen
Vermögensumschichtung
Kapitalfreisetzung im Anlagevermögen
Kapitalfreisetzung im Umlaufvermögen
29
3.4 Höhe des Working Capitals
In diesem Abschnitt wird der Unterschied zwischen fluktuierendem und
permanentem Working Capital erklärt. Es werden das Zero Working Capital
Konzept und die Ursachen für ein negatives Working Capital erläutert, um
anschließend die optimale Höhe zu bestimmen.
3.4.1 Unterschied fluktuierendes und permanentes Working
Capital
Unter permanenten Working Capital versteht man den Anteil am gesamten
Working Capital, welcher permanent vorhanden sein muss, um den
planmäßigen Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten zu können. Zu diesem
permanenten Anteil kommt noch ein fluktuierender Teil hinzu, welcher sich
durch nicht planbare Umsatzspitzen ergibt. Das fluktuierende Working Capital
verlangt nach kurzfristigen liquiden Mitteln und setzt ebensolche frei. Dies führt
wiederum zu einem Kassenhaltungsproblem. Auf mögliche
Kassenhaltungsmodelle zum Cash-Management wird im Kapitel 7.4.1
gesondert eingegangen.
Abbildung 13: Permanentes und fluktuierendes Working Capital Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 143.
30
3.4.2 Zero Working Capital Konzept
Beim Zero Working Capital Konzept wird versucht, die Vorräte und
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ausschließlich durch
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu finanzieren.17
3.4.3 Negatives Working Capital
Ein Unternehmen kann auch ein negatives Working Capital aufweisen. Dies
deutet entweder auf eine nicht fristenkongruente Finanzierung hin, oder es
handelt sich um ein Unternehmen, welches eine besondere Marktmacht
besitzt.18
Im Falle der nicht fristenkongruenten Finanzierung wurden Teile des
Anlagevermögens kurzfristig finanziert, was die langfristige Liquidität gefährdet.
Als Beispiel für eine besondere Marktmacht kann man sich ein Unternehmen
vorstellen, welches seine Kunden nur gegen Vorkasse oder gegen Barzahlung
beliefert und mit seinen Lieferanten lange Zahlungskonditionen vereinbart hat.
In diesem Falle kann das Unternehmen sogar langfristig mit einem negativen
Working Capital operieren, ohne in einen Liquiditätsengpass zu gelangen.
3.4.4 Optimale Höhe des Working Capitals
Da das Working Capital eine Kennzahl der kurzfristigen Liquidität darstellt,
sollte nach der Literatur und speziell aus der Sicht der Kreditoren das Working
Capital aus Sicherheitsgründen möglichst hoch sein. In der Literatur werden je
nach Industrie und Firmengröße unterschiedlichste Empfehlungen für das
Working Capital Ratio beziehungsweise die Liquidität 3. Grades empfohlen. Die
meisten liegen bei 1,2 bis 2,0, also sehr hoch. Im Gegenzug versucht man
durch eine Minimierung des Working Capitals, die Eigenkapitalquote und damit
die Eigenkapital- und Gesamtkapitalrentabilität des Unternehmens zu steigern.
Da die Liquidität jedoch in Konkurrenz zur Rentabilität steht, muss das Working
Capital optimiert werden. Ein zu hohes Working Capital bindet zu viel Kapital,
ein zu niedriges Working Capital gefährdet die Liquidität 3. Grades. Die
17
Vgl. Meyer (2007), S. 52.
18 Vgl. Klepzig (2008), S. 16.
31
optimale Höhe ist somit diejenige, bei der das Unternehmen die geringsten
Opportunitätskosten zu tragen hat.
3.5 Working Capital Reduktionspotenziale
Eine Studie, die von PricewaterhouseCoopers im Jahre 1997 bis 2002
durchgeführt wurde, ergab folgende Reduktionspotenziale.
Abbildung 14: Übersicht der Working Capital Reduktionspotenziale Quelle: PricewaterhouseCoopers (2004), S. 8.
Die Abbildung zeigt, dass bei allen Branchen ein Working Capital
Reduktionspotenzial vorhanden ist. Das Vorgehen bei der Optimierung wird in
den folgenden Kapiteln beschrieben.
3.6 Die häufigsten Fehler beim Working Capital Management
Ein häufiger Fehler beim Working Capital Management ist die Fixierung auf das
Erreichen eines bestimmten Bereichsergebnisses. Ein Beispiel ist die einseitige
Umsatzfokussierung der Verkäufer, die um jeden Preis einen
Verkaufsabschluss erzielen möchten. Um dieses zu erreichen, akzeptieren sie
oft extrem kurze Lieferzeiten und verlängern die Zahlungskonditionen
beziehungsweise gewähren Rabatt und Skonto. Innerhalb der Produktion, die
häufig an Qualitätskennzahlen gemessen wird, kommt es hingegen sehr häufig
32
zu übertriebenen Qualitätsanforderungen bei Zulieferteilen oder innerhalb der
eigenen Fertigung, was wiederum die Kosten erhöht und Kapital bindet. Der
Einkauf versucht, die Kosten der zu kaufenden Waren zu senken, indem
größere Mengen geordert werden, um einen höheren Rabattsatz zu erreichen.
Einige Unternehmen versuchen, ihre Zahlungskonditionen, die sie an ihre
Kunden weitergeben, an die des Zulieferanten zu knüpfen. In Wahrheit folgen
beide Zahlungskonditionen unterschiedlichen Marktgegebenheiten. Viele
Unternehmen versuchen, die Liquidität des 2. und 3. Grades zu steigern, um
bei den Banken eine höhere Bonität zu erreichen. In Wahrheit wird genau das
Gegenteil erreicht, da durch die notwendige Erhöhung der Vorräte und
Forderungen und der Reduzierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten das
Unternehmen in eine Liquiditätskrise treibt.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Optimieren einer einzelnen Kennzahl
fast immer Wert vernichtet.19
19 Vgl. Kaiser/Young: So verbessern sie ihre Liquidität. In: Harvard Business Manager, 08.2009, S.42-49.
33
4 Management der Vorräte
Gebe es einen perfekten Markt und eine perfekte Produktion, wären Vorräte
eigentlich nicht notwendig. Sämtliche Abläufe könnten theoretisch soweit
optimiert werden, dass alle Prozesse „Just In Time - JIT“ bedient werden. Da es
weder einen perfekten Markt noch eine perfekte Produktion gibt, ist die
Notwendigkeit von Vorräten gegeben.
Da die Vorräte üblicherweise den größten Bilanzposten im Umlaufvermögen
darstellen und somit massiv Kapital binden, ist die optimale Lagerhaltung der
Vorräte von äußerster Wichtigkeit.
4.1 Form der Vorräte
Vorräte können in Form von Rohmaterial, Halbfabrikaten oder Fertigware
auftreten, diese können sich physisch beim Zulieferanten, beim Hersteller, beim
Händler oder beim Endkunden befinden. Neben den genannten direkten
Materialien können auch noch Vorräte für indirekte Materialien, die nicht ein Teil
der produzierten Einheit werden, auftreten. Der Verbrauch indirekter Materialien
ist äußerst schwer zu kontrollieren.20
4.2 Motive der Vorratshaltung
Die Motive der Vorratshaltung gehen zurück auf die volkswirtschaftliche Theorie
der Geldnachfrage von John Maynard Keynes.21 Hierbei unterscheidet man drei
Motive. Das Transaktionsmotiv, das Vorsichtsmotiv und das Spekulationsmotiv.
Das Transaktionsmotiv beruht auf dem ökonomischen Prinzip, dass es zu teuer
und zu zeitraubend ist, für jeden einzelnen Auftrag, die hierfür nötigen Waren zu
besorgen beziehungsweise herzustellen.22 Aus diesem Grunde kommt es zu
einer Vorratshaltung, um die geplanten Aufträge so kostengünstig und schnell
als möglich zu erledigen. Die Vorräte helfen, die Produktion entsprechend
auszulasten und Stillstände oder Überstunden und damit Mehrkosten zu
vermeiden.
20
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 159.
21 Vgl. Meyer (2007), S. 104.
22 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), S. 511.
34
Das zweite Motiv ist das Vorsichtsmotiv. Beim Vorsichtsmotiv erfolgt die
Vorratshaltung, um unvorhersehbare Ereignisse wie nicht geplante
Zusatzaufträge oder Schwierigkeiten bei der Beschaffung oder in der
Produktion durch einen Sicherheitsvorrat ab puffern zu können. Dieses Motiv ist
besonders wichtig, wenn stark fluktuierende Verkaufszahlen zu erwarten sind.23
Beim Spekulationsmotiv auch „Profit Making Inventory“ genannt, werden
Rohstoffe oder Fertigprodukte auf Lager gelegt, um sich vor Preissteigerungen
zu schützen oder auf diese zu spekulieren und zusätzlichen Profit über ein
erhöhtes Vorratslager zu generieren.24
4.3 Messung der Vorräte
Die wichtigste Kennzahl zur Messung der Vorräte ist die Bestandsreichweite
„Days Inventory Outstanding - DIO“. DIO wird in Tagen gemessen und
informiert über die durchschnittlichen Tage Umsatzabdeckung durch die
Bestände an Vorräten.25 Die Messung kann auf Jahres- oder Monatsbasis
erfolgen. Bei starken Umsatzschwankungen kommt es, bei Berechnung auf
Monatsbasis, zu ebensolch starken Schwankungen der errechneten DIO. Das
Ziel ist ein möglichst niedriger Wert.
DIO auf Jahresbasis
𝐷𝐼𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝑉𝑜𝑟𝑟ä𝑡𝑒 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑢𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 ∗ 365
DIO auf Monatsbasis
𝐷𝐼𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝑉𝑜𝑟𝑟ä𝑡𝑒 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠∗ 𝐴𝑛𝑧𝑎𝑙 𝑑𝑒𝑟 𝑇𝑎𝑔𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
23
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 156-157.
24 Vgl. Meyer (2007), S. 104.
25 Vgl. Klepzig (2008), S. 48.
35
4.4 Kosten der Vorratshaltung
Die Kosten der Lagerhaltung können in direkte Kosten und Opportunitätskosten
unterteilt werden.
4.4.1 Direkte Kosten
Die Kosten des Lagers sind vielfältig. Vorräte können entweder zugekauft oder
selbst hergestellt werden. Beim Zukauf setzt sich der Einstandspreis aus dem
Einkaufspreis, minus etwaigem Rabatt und Skonto plus Fracht, Versicherung
und weiteren möglichen Transaktionskosten zusammen. Werden die Vorräte im
Haus gefertigt, müssen die Produktionskosten und die Overheadkosten
angesetzt werden, um die Gestehungskosten zu kalkulieren. Wenn der Vorrat
dann auf Lager ist, kommen noch weiter Kosten laufend hinzu. Die Kosten der
physischen Lagerhaltung wie Lagerplatz, Versicherung, Schwund,
Wertminderung oder Überalterung, aber auch die Finanzierungskosten. All die
genannten Kosten können genau bestimmt werden.
4.4.2 Opportunitätskosten bei zu hohem Lagerstand
Die Opportunitätskosten, die sich aus zu hohen Lagerständen ergeben sind
primär die Kosten, die sich daraus ergeben, dass andere Alternative
Investitionsmöglichkeiten nicht genutzt werden können.
4.4.3 Opportunitätskosten bei zu niedrigem Lagerstand
Bei zu niedrigem Lagerstand treten neben den direkten Kosten noch implizierte
Kosten auf Grund von Lieferrückständen und Fehlmengen auf. Intern
betrachtet, können Fehlmengen den Produktionszyklus verlängern oder im
Extremfall zum Stillstand der Produktion führen und somit extrem hohe Kosten
verursachen. Extern kann es zu zusätzlichen Kosten bei der Auslieferung und
zu Vertragsstrafen kommen. Im schlimmsten Falle droht Auftragsverlust, Verlust
von Folgeaufträgen bis hin zum Kundenverlust.
Die folgende Abbildung visualisiert diese Fehlmengenkosten recht anschaulich.
36
Abbildung 15: Kosten bei Fehlmengen oder Lieferrückständen Quelle: Modifiziert übernommen aus Töpfer (2008), S. 74.
Fehlmengenkosten werden trotz ihrer möglichen Höhe sehr häufig
vernachlässigt, da sie nicht genau berechnet werden können.
4.4.4 Bewertungsmethoden der Vorräte
Der buchhalterische Fluss und die buchhalterische Bewertung gehen nicht
immer mit dem physischen Fluss des Materials im Einklang. Es gibt hierzu
mehrere Bewertungsverfahren. Das am meisten genutzte Verfahren ist das
First in First Out (FIFO)-Verfahren. Man geht davon aus, dass das sich am
längsten am Lager befindliche Produkt oder Rohmaterial verwendet wird, und
benutzt den dafür errechneten Einstandspreis zur Kostenbestimmung. Ein
weiteres Verfahren ist das Last in First Out (LIFO)-Verfahren. Dieses Verfahren
ist das genaue Gegenteil des FIFO-Verfahrens. Die Logik beim LIFO-Verfahren
besteht darin, die Gestehungskosten anzusetzen, welche derzeit für das
Produkt oder Rohmaterial anfallen würden. Eine Extremvariante des LIFO-
Verfahrens stellt die Last Purchase Price Methode dar. Da die beiden Varianten
erhebliche Nachteile bei der Kostenbeurteilung haben und als zwei extreme
37
Bewertungsmethoden angesehen werden können, versucht man durch Average
Costing Modelle sinnvolle durchschnittliche Kosten zu berechnen.26
4.5 Höhe des Lagerstandes an Vorräten
Je nach Branche können die Lagerstände höchst unterschiedlich ausfallen. Bei
der Bestimmung der Höher des Lagerstandes sind primär drei Aspekte zu
bedenken. Der finanzielle Aspekt, die Kosten der Kapitalbindung, muss
berücksichtigt werden. Dies muss der Dauer der Wiederbeschaffung, der
Zuverlässigkeit des Lieferanten und der Breite der Produktpallette
gegenübergestellt werden. Keinesfalls darf der kommerzielle Aspekt vergessen
werden. Bei einer hohen Schwankungsbreite des Nachfragezyklus oder
ungenauer Absatzprognose müssen Vorräte gehalten werden, um den Umsatz
nicht an den Wettbewerb zu verlieren. Zuletzt wird die Höhe des Lagerstandes
noch von operativen Aspekten wie der kostenoptimalen Fertigung, aber auch
der Haltbarkeit beziehungsweise Lagerfähigkeit sowie der Anfälligkeit für
Obsoleszenz beeinflusst.27
4.6 Ziel des Managements der Vorräte
Das Ziel des Managements der Vorräte ist ein akzeptables Lieferservice bei
minimalen Gesamtkosten. Dies wird in der folgenden Graphik dargestellt. Die
Logistikleistung entspricht dabei dem Lieferservice.
26
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 162-167.
27 Vgl. Meyer (2007), S. 105-106.
38
Abbildung 16: Optimierung der Logistikkosten Quelle: Schulte (2005), S. 10.
4.7 Strategien der Vorratshaltung
Nach Porter kann man drei Grundstrategien unterscheiden.28
Die Strategie der Kostenführerschaft, wobei es das erklärte Ziel ist, die Kosten
der selbst hergestellten Produkte unter denen des Wettbewerbs zu halten. Bei
den Produkten handelt es sich üblicherweise um undifferenzierte Massenware.
Die Differenzierungsstrategie, bei der man versucht, sich über eine höhere
Produktqualität und einen höheren Servicegrad vom Mitbewerber zu
unterscheiden.
Die Konzentrationsstrategie, bei der man sich auf Marktnischen spezialisiert
und das Angebot an Produkten und Serviceleistungen an die speziellen
Bedürfnisse dieses Marktes anpasst. Die strategischen Grundoptionen sind in
der folgenden Abbildung gegenübergestellt.
28
Vgl. Schulte (2005), S. 38.
39
Abbildung 17: Strategische Grundoptionen Quelle: Schulte (2005), S. 38.
4.7.1 Vorratshaltung bei Kostenführerschaftsstrategie
Bei der Vorratshaltung bei Kostenführerschaftsstrategie muss eine
Kostendegression auf Grund des Skaleneffekts der sogenannte „Economy of
Scale“ erreicht werden. Es werden möglichst große Lots geordert und gefertigt,
um durch Rationalisierungen die Kosten zu senken. Die Lagerhaltungsstrategie
wird hier als „Make To Stock – MTS“ bezeichnet, das heißt, es wird auf Lager
produziert.
4.7.2 Vorratshaltung bei Differenzierungsstrategie
Bei der Strategie der Differenzierung wird ebenfalls auf Lager produziert sprich
MTS. Dies betrifft primär einzelne, für die Endfertigung notwendige
Baugruppen. Für das Endprodukt, bei dem es sich häufig um ein Produkt mit
unterschiedlichen Optionen handelt, wird eine „Assemble To Order – ATO“
Strategie angewandt. Bei der ATO-Strategie kann dem Kunden ein Produkt
angeboten werden, das seinen Bedürfnisse besser entspricht als ein reines
Standardprodukt. Die Fertigung des Endproduktes erfolgt jedoch erst nach
40
Auftragseingang. Die Lieferzeit ist zwar länger als bei der MTS-Strategie, aber
kürzer als bei der „Make To Order - MTO“ Strategie.29
4.7.3 Vorratshaltung bei Konzentrationsstrategie
Bei der Konzentrationsstrategie wird nur ein Teil des Marktes bedient und dabei
üblicherweise auf spezielle Abnehmergruppen fokussiert. Hierbei kommen
mehrere Verfahren der Vorratshaltung zum Einsatz. Es wird hier je nach
Lagerumschlag MTS oder ATO gefertigt. Hinzu kommt noch die Option „Make
To Order“ sprich Produktion nach Auftragseingang. Diese Option wird häufig für
Standardprodukte mit extrem niedrigem Lagerumschlag angewandt. Für die
Fertigung von kundenspezifischen Produkten wird meist die „Engineer To Order
- ETO“ Strategie, also das Engineering und die Einzelfertigung
kundenspezifischer Produkte nach Auftragseingang, verwendet.30
4.8 Optimierung des Lagerstandes
Um den Lagerstand im Unternehmen zu optimieren, ist es wichtig, den
gesamten Supply Chain zu betrachten. In der folgenden Abbildung sind die drei
Handlungsfelder Bedarf, Bestände und Beschaffung dargestellt. Das primäre
Ziel ist, eine möglichst umfassende Kenntnis über den zu erwartenden Absatz
von Produktart und Menge zu generieren, um daran die Bedarfsplanung
anzuschließen. Basierend auf der Bedarfsplanung, sorgt die Bestandsplanung
für die notwendigen Vorräte, um den gewünschten Lieferbereitschaftsgrad zu
sichern. Die Beschaffungsplanung sichert hingegen die anforderungsgerechte,
sprich zeitliche und kostenoptimale Bereitstellung der benötigten
Einzelkomponenten.
Abbildung 18: Handlungsfelder zur Optimierung der Vorräte Quelle: Modifiziert übernommen aus Kerth/Asum/Stich (2009), S. 330.
29
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 173.
30 Vgl. ebd., S. 174.
UnternehmenLeistungserstellungsprozessLieferant KundeBEDARFBESCHAFFUNG
BESTÄNDE
41
4.8.1 Analysewerkzeuge
In diesem Kapitel werden die wichtigsten und gebräuchlichsten
Analysewerkzeuge aufgezeigt und beschrieben.
4.8.1.1 ABC-Analyse
Die ABC-Analyse betrachtet die Mengen-Wert-Relation und ist überall dort
einsetzbar, wo eine Mengen-Wert Kausalität besteht.31 Die ABC-Analyse
basiert auf der Pareto-Regel, welche besagt, dass man mit ungefähr 20 %
Ressourceneinsatz 80 % des gewünschten Ergebnisses erzielt. Bei der
Durchführung sind die Verbrauchswerte eines definierten Zeitraums absteigend
zu sortieren. Danach werden die prozentualen Anteile bestimmt und diese
kumuliert. Die graphische Darstellung der Ergebnisse erfolgt mit Hilfe der
Konzentrationskurve, auch Lorenzkurve genannt, oder in Form eines
Balkendiagramms.
Abbildung 19: ABC-Analyse Quelle: Wöhe (2008), S. 339.
31
Vgl. Härdler (2007), S. 216.
42
Die Gruppenbildung bei der Lorenzkurve erfolgt über die Steigung.
A-Güter, wenn der Anstieg deutlich steiler als 1 ist.
B-Güter, wenn der Anstieg nahe 1 liegt.
C-Güter, wenn der Anstieg deutlich flacher als 1 ist.
Die ABC-Analyse erlaubt den effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen.
4.8.1.2 XYZ-Analyse
Die XYZ-Analyse betrachtet die Vorhersagegenauigkeit des Verbrauches. Zur
Durchführung werden die Variationskoeffizienten der einzelnen Artikel ermittelt,
in aufsteigender Reihenfolge sortiert und graphisch dargestellt.
Abbildung 20: XYZ-Analyse Quelle: Schulte (2005), S. 309.
Die Produkte werden in drei Verbrauchsgüterklassen zusammengefasst.
X-Güter mit guter Vorhersagegenauigkeit und einem Variationskoeffizienten
von 0 bis 10 %.
Y-Güter mit mittlerer Vorhersagegenauigkeit und einem Variationskoeffizienten
von 10 bis 25 %.
Z-Güter mit schlechter Vorhersagegenauigkeit und einem
Variationskoeffizienten von größer 25 %.
43
4.8.1.3 SKU-Analyse
SKU steht für „Stock Keeping Unit“, auf Deutsch Bestandseinheit. SKU
bezeichnet somit die lagergeführten Artikel. Bei der SKU-Analyse werden die
kumulierten Umsätze und die durchschnittlichen Margen aller Artikel ermittelt
und diese dann in einem 9-Block-Diagramm dargestellt. Die SKU-Analyse bietet
somit einen raschen Überblick über die Profitabilität der einzelnen Artikel und
damit eine Basis für Produktrationalisierungen, Lagerstrategien und
Preisgestaltung.
Abbildung 21: SKU-Analyse Quelle: Autor
4.8.1.4 Lebenszyklusanalyse
Bei der Lebenszyklusanalyse werden die Produkte dem jeweiligen Stadium des
Produktlebenszyklus zugeordnet. Das Verständnis um den Produktlebenszyklus
ist wichtig, da man daraus zu erwartende Veränderungen von Absatz und
Gewinn ableiten kann.
44
Abbildung 22: Produktlebenszyklus Quelle: Kotler (2007), S. 700.
4.8.2 Anwendung der Analysewerkzeuge und Ableitung von
Handlungsmaßnahmen
In diesem Kapitel werden die Analysewerkzeuge kombiniert und aus den
Ergebnissen Handlungsmaßnahmen zur Optimierung der drei Handlungsfelder
Bedarf, Bestand und Beschaffung abgeleitet. Es ist wichtig, die Analysen im
regelmäßigen Abstand durchzuführen, da der Produktlebenszyklus einen
starken Einfluss auf die Ergebnisse der anderen Analyseverfahren hat. Dieser
Einfluss ist in der folgenden Graphik dargestellt. Aus der beispielhaften Graphik
ist sehr gut zu erkennen, dass sich der Mengen-Wert Anteil und die
Vorhersagegenauigkeit eines Produktes im Laufe des Produktlebenszyklus
stark ändert.
45
Abbildung 23: Einfluss des Produktlebenszyklus auf die ABC/XYZ-Analyse Quelle: Kerth/Asum/Stich (2009), S. 338.
4.8.2.1 Optimierung der Bedarfsplanung
Um die Bedarfsplanung zu optimieren ist es wichtig, die richtigen
Prognoseverfahren anzuwenden. Bei der Prognose selbst gilt es, die
Genauigkeit zu maximieren und den Planungsaufwand zu minimieren. Um den
adäquaten Planungsaufwand zu gewährleisten, greift man auf die Kombination
der ABC- mit der XYZ-Analyse zurück. Diese Kombination ermöglicht es die
Produkte in Artikelklassen zusammenzufassen und für jede Artikelklasse ein
geeignetes Prognoseverfahren zu definieren.
Abbildung 24: Planung der Bedarfsermittlungsmethode Quelle: Kerth/Asum/Stich (2009), S. 340.
46
Wie aus der Abbildung 24 ersichtlich, werden A-Güter üblicherweise
deterministisch also zukunftsorientiert auf Basis konkreter Kunden- oder
Produktionsaufträge ermittelt und exakt nach Menge und Termin geplant. C-
Güter werden hingegen auf Basis stochastischer Bedarfsermittlung geplant. Der
Bedarf wird hierbei auf Grund von historischen Verbräuchen prognostiziert. Bei
den B-Gütern ist je nach Artikeleigenschaft zwischen der deterministischen und
stochastischen Methode zu wählen.32
Sollte eine deterministische Bedarfsplanung nicht möglich sein, weil es sich, wie
in der Konsumgüterindustrie üblich, um eine auftragsanonyme Planung handelt,
so kann die Kombination trotzdem zur Auswahl des geeigneten stochastischen
Verfahrens herangezogen werden.
Abbildung 25: Beispiel artikelklassenspezifische Prognoseverfahren Quelle: Kerth/Asum/Stich (2009), S. 340.
Die Abbildung 25 ist ein Beispiel, um die mögliche Anwendung zu
veranschaulichen. In dieser Graphik werden die AX- und BX-Artikel dem
Verfahren der exponentiellen Glättung 1. Ordnung zugeordnet. Diese Methode
eignet sich bei konstant regelmäßigen Schwankungen. Die Artikel AY und BY
folgen einem konstanten Trend und werden damit dem Verfahren der
exponentiellen Glättung 2. Ordnung zugeordnet. Die Artikel CX und CY
32
Vgl. Kerth/Asum/Stich (2009), S. 336.
47
schwanken ebenfalls konstant, werden jedoch dem Verfahren des gleitenden
Durchschnitts zugeordnet. Für alle schwer prognostizierbaren Produkte, welche
einen sporadischen Absatz aufweisen, wird die Vorhersagemethode nach
Croston verwendet.
4.8.2.2 Optimierung des Bestandes an Vorräten
Bei der Optimierung des Bestandes der Vorräte gilt es, die Lagerstände und
damit die Kosten des gebundenen Kapitals soweit zu senken, dass der
definierte Lieferservicegrad gewahrt bleibt. Die dafür nötigen
Sicherheitsbestände sind speziell bei den gut planbaren und kostenintensiven
AX-Artikeln zu minimieren, wohingegen bei nicht kostenintensiven und schwer
planbaren Artikeln ein gewisser Sicherheitsbestand akzeptabel ist. Siehe hierzu
untenstehende Abbildung.
Abbildung 26: Portfolio zur Planung der Sicherheitsbestände Quelle: Kerth/Asum/Stich (2009), S. 337.
Erweitert man die Kombination der ABC/XYZ-Analyse um eine dritte Dimension,
wie zum Beispiel um die Wiederbeschaffungszeit (WBZ) oder um die
Lagerbestandreichweite (RW), so lassen sich artikelklassenspezifische
Bestandsenkungspotenziale, wie in Abbildung 27 dargestellt, erkennen.33
33
Vgl. Kerth/Asum/Stich (2009), S. 341.
48
Abbildung 27: Artikelklassenspezifische Bestandsenkungspotenziale Quelle: Kerth/Asum/Stich (2009), S. 337.
Eine weitere Optimierung der Vorräte stellt die SKU-Analyse dar, welche zur
Produktrationalisierung und somit zur Lagerbestandsreduktion, aber auch zur
Bestimmung der geeigneten Lagerstrategie beiträgt.
Abbildung 28: Beispiel SKU-Analyse Quelle: Autor
49
Die Artikel, welche kaum Umsatz und unterdurchschnittliche Margen aufweisen,
sollten eliminiert beziehungsweise soweit als möglich durch andere Produkte
substituiert werden. Bei den Artikeln in den orangefarbenen Feldern sollten die
Preise massiv angehoben werden, um einen akzeptablen Deckungsbeitrag zu
erwirtschaften, und die Lagerstrategie von MTS, also lagergeführter Artikel auf
MTO, sprich Fertigung nach Auftragseingang, abgeändert werden. Bei den gelb
hinterlegten Feldern muss die Preisgestaltung geprüft und, wenn notwendig,
angepasst werden. Dasselbe gilt für die Lagerstrategie, welche ebenfalls
weitgehend auf MTO umgestellt werden sollte. Die Artikel im grünen Bereich
sollten lagergeführt werden, um einen möglichst hohen Lieferservicegrad zu
gewährleisten.
4.8.2.3 Optimierung der Beschaffung
Um die zeitliche und kostenoptimale Bereitstellung der benötigten
Einzelkomponenten sicherzustellen, ist es notwendig, die Beschaffung zu
optimieren.
Ein klassisches Verfahren zu Optimierung der Bestellmenge ist das Verfahren
nach Andler, dargestellt in der Abbildung 29. Das Ziel ist es, die Gesamtkosten
aus Lagerhaltungskosten und Beschaffungskosten zu minimieren. Das
Verfahren nach Andler basiert auf stark vereinfachenden Annahmen. Das
bedeutet, dass dieses Modell nur für eine Materialart bei konstantem
Verbrauch, unendlichem Planungshorizont und keiner Bestelldauer gilt.
Abbildung 29: Einfaches Lagerhaltungsmodell mit kontinuierlichem Abgang Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 156.
50
Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die Beschaffungsmenge frei
wählbar und die Preisgestaltung konstant ist. Die Lagerhaltungskosten werden
als linear angenommen. „Die optimale Bestellmenge ist durch die Gleichheit
von Bestell- und Lagerhaltungskosten gekennzeichnet.“34 Die Formel zur
Berechnung der optimalen Bestellmenge lautet:
𝑂𝑝𝑡𝑖𝑚𝑎𝑙𝑒 𝐵𝑒𝑠𝑡𝑒𝑙𝑙𝑚𝑒𝑛𝑔𝑒 𝑆𝑡ü𝑐𝑘 = 200 ∗ 𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑏𝑒𝑑𝑎𝑟𝑓 ∗ 𝐵𝑒𝑠𝑡𝑒𝑙𝑙𝑘𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛
𝐸𝑖𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑𝑠𝑝𝑟𝑒𝑖𝑠 ∗ 𝐿𝑎𝑔𝑒𝑟𝑎𝑙𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛𝑠𝑎𝑡𝑧
Die graphische Ermittlung der optimalen Bestellmenge ist hierunter abgebildet.
Die optimale Bestellmenge xopt. ist beim Gesamtkostenminimum gegeben.
Abbildung 30: Optimale Bestellmenge Quelle: Härdler (2007), S. 231.
Bei der Optimierung der Beschaffung sind neben der Bestellmenge auch die
optimale Lagerart und der optimale Beschaffungsprozess festzulegen. Den
Ausgang bildet wieder die Artikelklassifizierung durch die Kombination der ABC-
und XYZ-Analyse. Je nach Artikelklassifikation ist eine geeignete Lagerart zu
definieren. Neben der eigenen Lagerhaltung kann diese auch an den
Lieferanten ausgelagert werden. Die möglichen Lagerarten sind das
Konsignationslager, das Lieferanten-Logistik-Zentrum (LLZ), das „Supplier
Managed Inventory-SMI“ und das „Vendor Managed Inventory-VMI“. SMI
bedeutet Lieferanten geführtes Bestandsmanagement und VMI steht für
34
Schulte, Christof: Logistik, 2005, S. 396.
51
Verkäufer geführtes Bestandsmanagement. Die Lagerarten und die genaue
Aufgabenverteilung sind aus der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Abbildung 31: Lagerarten und Aufgabenverteilung Quelle: Klepzig (2008), S. 129.
Bei allen Lagerarten erfolgt die Verrechnung erst nach Entnahme
beziehungsweise Auslagerung durch den Lieferanten. Dies reduziert die
buchhalterischen Vorräte, gewährleistet jedoch den notwendigen Bestand an
physischen Vorräten.
Beim Konsignationslager und beim verkäufergeführten Bestandsmanagement
ist der Lagerstandort beim Kunden. Die direkte Entnahme durch den Kunden ist
jedoch nur beim Konsignationslager möglich.
52
Abbildung 32: Beispiel für artikelklassenspezifische Beschaffungskonzepte Quelle: Modifiziert übernommen aus Kerth/Asum/Stich (2009), S. 342.
Das Beispiel in Abbildung 32 soll ein mögliches Beschaffungskonzept
darstellen. Für die AX-Artikel, welche eine hohe Kapitalbindung darstellen und
exakt planbar sind, bietet sich das Konzept „Just In Sequence – JIS“ an. JIS
steht für eine produktionssynchrone Anlieferung von Komponenten durch den
Lieferanten.35 Bei den AY-Artikeln bietet sich auf Grund der hohen Wertigkeit,
aber geringeren Planbarkeit das Modell „Just In Time – JIT“ an. Bei JIT gibt es
üblicherweise einen kleinen Bestandspuffer am Produktionsstandort, um die
verringerte Planbarkeit ausgleichen zu können. Die BX uns BY Artikel werden
keim Kunden in Form eines Konsignationslagers gehalten. Die CX- Artikel
werden ebenfalls vor Ort gelagert und zwar in Form eines verkäufergeführten
Bestandslagers. Die CY und CZ-Artikel werden über ein „Supplier Managed
Inventory – SMI“ beschafft. SMI bezeichnet die verbrauchsgesteuerte
Materialversorgung durch den Vorlieferanten. Der Lagerstandort ist beim
Lieferanten. Die sporadisch benötigten Artikel AZ und BZ werden, wenn nötig,
über ein Lieferanten-Logistik-Zentrum bezogen.
35
Vgl. Kerth/Asum/Stich (2009), S. 343.
53
5 Management der Forderungen
Im folgenden Kapitel werden der Begriff, die Motive, die Kennzahlen und die
Kosten von Forderungen näher betrachtet. Danach wird auf den Ablauf, das
Ziel und die Maßnahmen des Forderungsmanagements eingegangen.
5.1 Definition Forderung
Forderungen können an beiden Enden des Wertschöpfungsprozesses
auftreten. Gegenüber dem Lieferanten für erbrachte Anzahlungen und
gegenüber dem Kunden für gelieferte Ware oder erbrachte Leistungen.36 Der
Schwerpunkt liegt ganz eindeutig bei den Forderungen gegenüber den Kunden.
Diese Forderungen aus Lieferungen und Leistungen stellen nichts anderes als
einen Handelskredit dar. Der Unternehmer finanziert seine Kunden. Aus diesem
Grunde ist die Forderung der Anspruch auf das vereinbarte Entgelt für die
gelieferte Ware oder die erbrachte Leistung. Kunden werden deswegen
buchhalterisch auch als Debitor, lateinisch „ der Schuldner“, bezeichnet.
5.2 Motive für das Erbringen von Anzahlungen
Das einzig schlüssige Motiv für die Erbringung von Anzahlungen stellt die
Gewährleistung der Liefersicherheit dar. Dies kann notwendig sein, wenn es am
Markt zu einer Knappheit von bestimmten, für den Wertschöpfungsprozess
notwendigen Gütern kommt.
5.3 Motive für die Vergabe von Handelskrediten
Es existieren zwei übergeordnete Motive für die Vergabe von Handelskrediten.
Erstens das Finanzierungsmotiv.37 Beim Finanzierungsmotiv geht es um den
Ausgleich der Unvollkommenheit des Kapitalmarktes. Die Unvollkommenheit
besteht darin, dass nicht jeder Marktteilnehmer den gleichen Zugang zum
Kapitalmarkt hat und dadurch teilweise wesentlich höhere Finanzierungskosten
zu tragen hätte. Wenn der Verkäufer einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt
hat, kann er Handelskredite vergeben und daraus andere Vorteile für sich
lukrieren.
36
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 43.
37 Vgl. Meyer (2007), S. 52; Bhattacharya (2009), S. 51.
54
Das zweite Motiv ist das Marketingmotiv.38 Handelskredite werden verwendet,
um neue Märkte aufzubauen oder Marktanteile zu vergrößern. Die
Handelskredite helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, indem die
Zahlungsziele an die Markterfordernisse angepasst werden. Die Handelskredite
schaffen zusätzlich eine weitere Möglichkeit der Preisdiskriminierung. Aus
Kundensicht bietet der Handelskredit den Vorteil, die Ware prüfen zu können,
bevor er diese bezahlt.
Neben den beiden genannten Motiven ist auch noch der Vorteil der
Standardabwicklung in der Buchhaltung anzuführen.
5.4 Messung der Forderungen
Die Messung der getätigten Anzahlungen ist leicht durchzuführen, jederzeit aus
der Buchhaltung zu entnehmen und hat, im Vergleich zu den Forderungen aus
Lieferungen und Leistungen, eine geringe finanzielle Auswirkung. Aus diesem
Grunde wird auf die Forderungen durch Leistung von Anzahlungen nicht näher
eingegangen. Nur so viel sei gesagt: Anzahlungen sollten generell vermieden
werden.
In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Risikokennzahlen zur
Messung der ausstehenden, überfälligen und uneinbringlichen Forderungen
aus Lieferungen und Leistungen betrachtet. Die folgenden Kennzahlen können
für die Gesamtforderungen, jedoch auch pro Kunde, pro Land oder pro
Verkäufer ermittelt werden.
5.4.1 Forderungsreichweite
„Days Sales Outstanding - DSO“, auch Forderungsreichweite oder
Debitorenlaufzeit genannt, ist die am häufigsten verwendete Kennzahl. Sie
informiert über den durchschnittlichen Zeitraum zwischen Rechnungslegung
und Zahlung. Dieser wird in Tagen-Umsatz im Forderungsbestand ausgedrückt.
Die Kennzahl DSO kann auf Jahres- oder Monatsbasis ermittelt werden, wobei
es bei der Berechnung auf Monatsbasis zu starken Schwankungen zum
Beispiel durch Saisongeschäft kommen kann.39 Die genaue Kenntnis der
38
Vgl. Meyer (2007), S. 53-55.
39 Vgl. Klepzig (2008), S. 67.
55
Berechnung ist wichtig, um einen sinnvollen Branchenvergleich zu ermöglichen.
Das Ziel ist es, die DSO so niedrig als möglich zu halten.
DSO auf Jahresbasis
𝐷𝑆𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑠𝑏𝑒𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑢𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 ∗ 365
DSO auf Monatsbasis
𝐷𝑆𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑠𝑏𝑒𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠∗ 𝐴𝑛𝑧𝑎𝑙 𝑑𝑒𝑟 𝑇𝑎𝑔𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
Als Referenzgröße ist neben der branchenüblichen, die optimale
Debitorenlaufzeit zu verwenden. Der „Best Possible DSO - BPDSO“ Wert
informiert über die bestmögliche Debitorenlaufzeit, wenn die
Zahlungsbedingungen aller Forderungen eingehalten werden.
𝐵𝑃𝐷𝑆𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝑆𝑢𝑚𝑚𝑒 𝑍𝑎𝑙𝑢𝑛𝑔𝑠𝑧𝑖𝑒𝑙 ∗ 𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝑓ü𝑟 𝑎𝑙𝑙𝑒 𝐴𝑢𝑓𝑡𝑟ä𝑔𝑒
𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑢𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧
5.4.2 Überfällige Forderungen
Die Kennzahl „Days Overdue Oustanding - DOO“ wird als Risikokennzahl für
überfällige Forderungen verwendet.40 Das Ziel ist es, die Tage-Umsatz im
überfälligen Forderungsbestand so niedrig als möglich zu halten.
𝐷𝑂𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =ü𝑏𝑒𝑟𝑓ä𝑙𝑙𝑖𝑔𝑒𝑟 𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑠𝑏𝑒𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑢𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 ∗ 365
5.4.3 Uneinbringliche Forderungen
Die „Bad Debt Loss - BDL“ Kennzahl informiert über die Verluste aus
uneinbringlichen Forderungen.41 Als uneinbringlich wird eine Forderung
bewertet, wenn sie buchhalterisch abgeschrieben wurde. Genau dieser
40
Vgl. Ertl (2004), S. 158.
41 Vgl. Meyer (2007), S. 70.
56
Sachverhalt erschwert sowohl die Interpretation als auch den
Branchenvergleich, da die Zeitspanne bis zur Abschreibung bei den Firmen
unterschiedlich gehandhabt wird. Das Ziel ist klarerweise, Zahlungsausfälle zu
vermeiden und eine möglichst niedrige BDL-Kennzahl, am besten Null.
𝐵𝐷𝐿 =𝐴𝑏𝑠𝑐𝑟𝑒𝑖𝑏𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 𝑎𝑢𝑓 𝑢𝑛𝑒𝑖𝑛𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑙𝑖𝑐𝑒 𝐹𝑜𝑟𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 𝑎𝑢𝑠 𝐿𝑖𝑒𝑓𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑒𝑟𝑙ö𝑠𝑒
5.5 Kosten der Forderungen
Die Kosten der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen können in direkte
Kosten und Opportunitätskosten unterteilt werden.
5.5.1 Direkte Kosten
Zu den direkten Kosten der Forderungen zählen die Kosten für das
Forderungsmanagement und die Kosten durch uneinbringliche Forderungen.
Die Hauptkosten, die direkt dem Forderungsmanagement zugerechnet werden
können, sind die Kosten der Bonitätsprüfung, der Rechnungslegung, der
Rechnungsnachverfolgung und des Mahnwesens.
Die Kosten der uneinbringlichen Forderungsausfälle sind die Kosten aller
uneinbringlichen Forderungen und Leistungen. Die Umsatzsteuerschuld
vermindert sich nach erfolgter Abschreibung entsprechend.
Es gilt zu berücksichtigen, dass die Kosten der Bonitätsprüfungen gegenläufig
zu den Kosten der Forderungsausfälle sind, womit eine Investition in die
Prüfung der Kreditwürdigkeit der Kunden rentabel ist.
5.5.2 Opportunitätskosten
Die Opportunitätskosten sind Kosten, die dadurch entstehen, dass andere
alternative Investitionsmöglichkeiten nicht genutzt oder Mehrerlöse nicht
realisiert werden können.
5.5.2.1 Opportunitätskosten des investierten Kapitals
Die Vergabe von Handelskrediten stellt eine Investition in das Umlaufvermögen
dar. Dementsprechend müssen dafür Kosten angesetzt werden. Die
Kostenbasis setzt sich nicht aus der Forderungshöhe, sondern aus den
57
Herstellungskosten und etwaiger Zusatzkosten, wie zum Beispiel die
Lieferkosten, zusammen. Der anzuwendende Zinssatz wird je nach Literatur
und Unternehmen unterschiedlich ermittelt. Die gängigsten Ansätze sind der
effektive Kreditzinssatz der Refinanzierung, die durchschnittlichen Kapitalkosten
des Unternehmens oder die Verzinsung mündelsicherer Wertpapiere.42
5.5.2.2 Opportunitätskosten des verlorenen Auftrages
Bei den Opportunitätskosten des verlorenen Auftrages handelt es sich um
implizierte Kosten, die bei einer zu strikten Handhabung des
Forderungsmanagements beziehungsweise der Zahlungskonditionen
entstehen. Die Kosten entstehen hierbei durch verlorengegangene Aufträge
oder Kunden.43
5.5.2.3 Optimierung der Kosten des Handelskredites
Das Minimum der Gesamtsumme der Opportunitätskosten, zusammengesetzt
aus verloren gegangenen Aufträgen und aus investiertem Kapital, bestimmt die
optimale Handelskredithöhe.44 Die graphische Darstellung erfolgt in Abbildung
33.
Abbildung 33: Optimale Handelskredithöhe Quelle: In Anlehnung an Ross/Westerfield/Jaffe (2008), S. 250.
42
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 63.
43 Vgl. ebd., S. 127.
44 Vgl. Ross/Westerfield/Jaffe (2008), S. 250.
58
5.6 Chronologische Ablauf des Managements der Forderungen
Als erstes ist der Kunde zu qualifizieren und dessen Kreditwürdigkeit zu prüfen.
Die anzuwendenden Kriterien sind die Zahlungsbereitschaft, die
Zahlungsfähigkeit, die finanziellen Reserven, die Besicherung und die
allgemeine wirtschaftliche Lage des Kunden.45 Danach erfolgt die Preisfindung,
welche die Zahlungs- und Lieferkonditionen beinhaltet. Wurde die Lieferung
oder Leistung erbracht, ist unverzüglich die korrekte Rechnung zu legen. Im
besten Falle erfolgt dies auf elektronischem Wege oder per Fax, um die
Debitorenlaufzeit so kurz als möglich zu halten. Es ist ein entsprechendes
Controlling einzurichten und sicherzustellen, dass die Rechnungen fristgerecht
beglichen werden. Überfällige Rechnungen sind sofort dem Mahnprozess
zuzuführen. Den Beginn des Mahnprozesses sollte eine persönliche,
telefonische Zahlungserinnerung machen.46 Ist dies nicht erfolgreich, so geht
man in das schriftliche Mahnwesen über, welches System gestützt erfolgen
sollte. Wurden alle Mahnstufen erfolglos durchlaufen, so steht noch die letzte
und drastischste Maßnahme offen, den Forderungseinzug auf dem Rechtsweg.
Bei Erfolg des Mahnwesens sollten aus disziplinarischen Gründen mit Bezug
auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Mahnspesen und Verzugszinsen
verrechnet werden.47
5.7 Ziel des Managements der Forderungen
Das übergeordnete Ziel des Forderungsmanagements ist die Balance der
Profitabilität, Liquidität und des Risikos.48 Dies bedeutet die Gesamtkosten,
welche sich aus direkten und Opportunitätskosten zusammensetzen, zu
minimieren.
5.8 Optimierung des Forderungsmanagements
Die wichtigsten Aufgaben des Forderungsmanagement bestehen in der
Minimierung der Debitorenlaufzeit und der Minimierung der Forderungsausfälle.
45
Vgl. Meyer (2007), S. 61.
46 Vgl. ebd., S. 73.
47 Vgl. Ertl (2004), S. 157.
48 Vgl. Bhattacharya (2009), S. 153.
59
5.8.1 Maßnahmen zur Minimierung der Debitorenlaufzeit
Um geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Debitorenlaufzeit durchführen
zu können, ist es wichtig, die Kunden und Forderungen zu klassifizieren. Dies
kann zum Beispiel anhand der Höhe und der Dauer der Überfälligkeit erfolgen.
Ein geeignetes Werkzeug stellt wiederum die ABC Analyse dar.
5.8.1.1 Rechnungslegung
Die wichtigste Maßnahme eines Unternehmens, die Debitorenlaufzeit zu
verkürzen, besteht in der schnellen und korrekten Rechnungslegung.
5.8.1.2 Mahnwesen
Das Unternehmen hat für ein geordnetes Mahnwesen zu sorgen und Richtlinien
zu erlassen, die den Mahnprozess definieren. Es ist ein Zeitplan zu erstellen,
der genau vorgibt, wann wer welche Aktion zu tätigen hat. Ein
Eskalationsprozess ist ebenfalls zu berücksichtigen.
5.8.1.3 Zahlungsziele
Um die Debitorenlaufzeiten zu optimieren, ist darauf zu achten, dass keine zu
langen Zahlungsziele, die unüblich für das Land oder die Branche sind,
vereinbart werden.
5.8.1.4 Skonto
Das Skonto ist ein optionaler, meist zusätzlicher Preisnachlass des Lieferanten,
wenn der Kunde die Verbindlichkeiten innerhalb einer bestimmten Frist oder
durch Barzahlung begleicht. Um die Länder oder Branchen üblichen
Zahlungsziele zu erreichen oder zu unterschreiten, kann man Skonto für
Frühzahler anbieten. Es gilt jedoch, die hohen Kosten der Skontos zu
bedenken. Nicht umsonst wird das Skonto als der teuerste Kredit der
Wirtschaft bezeichnet. Das Skonto ist in der Preiskalkulation zu
berücksichtigen.
5.8.1.5 Factoring
Das Factoring bezeichnet das Abtreten von Forderungsansprüchen an Dritte,
den Factor. Der Factor, der in der Regel ein spezialisiertes Finanzierungsinstitut
60
ist, kauft die Forderungen, die gegenüber Kunden bestehen, an und zieht diese
ein.49 Der Factor bietet drei wesentliche Funktionen.50
Die Finanzierungs-Funktion:
Der Factoringkunde der die Forderungen an den Factor verkauft hat, erhält vom
diesen die Forderungen, unter Abzug der Gebühren der Dienstleistungen, vor
Fälligkeit der Forderungen überwiesen. Dies beschleunigt den Zahlungseingang
und erhöht somit die Liquidität des Unternehmens.
Die Delkredere-Funktion:
Beim echten Factoring übernimmt der Factor zusätzlich zur
Finanzierungsfunktion auch noch das Kreditrisiko. Dies ist je nach Bonität des
Kunden mit einem entsprechenden Abschlag verbunden. Beim unechten
Factoring bleibt das Ausfallsrisiko beim Forderungsverkäufer.
Die Service- oder Dienstleistungs-Funktion:
Der Factor übernimmt als Dienstleister entweder einzelne Teile oder sogar die
gesamte Debitorenbuchhaltung. Für diese Dienstleistung wird ein
entsprechender Prozentsatz des Forderungsvolumens in Rechnung gestellt.
5.8.1.6 Asset Backed Securities
Asset Backed Securities stellen eine Alternative zum Factoring dar. „Asset
Backed Securities entstehen durch die Verbriefung von Forderungen, die durch
Verkauf an einen Fond aus der Bilanz des Gläubigerunternehmens ausgelagert
werden.“51 Asset Backed Securities sind Wertpapiere, die durch Forderungen
aus einer Vielzahl von Unternehmen abgesichert sind. Generell eignen sich
Asset Backed Securities im Vergleich zum Factoring eher nur für
Großunternehmen.
5.8.1.7 Jahresbonus
Um den Kunden zu motivieren, die Rechnungen fristgerecht zu begleichen,
gewährt das Unternehmen dem Kunden am Jahresende einen Bonus für die
Einhaltung von Zahlungszielen. Um die Kosten gegen den Nutzen abzuwägen,
ist eine Vorkalkulation nötig.
49
Vgl. Wöhe/Döringer (2008), S. 612.
50 Vgl. Hauser/Warns (2008), S. 107.
51 Wöhe, Günter / Döringer, Ulrich: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 613.
61
5.8.2 Maßnahmen zur Minimierung der Forderungsausfälle
Das Unternehmen hat zu definieren, wann und wie die Bonität eines Kunden
geprüft wird. Nach Durchlaufen der Kreditwürdigkeitsprüfung ist anhand der
Bonität eine Entscheidungsmatrix, betreff maximal zulässiger Kredithöhe,
Zahlungs- und Lieferkonditionen als auch die Freigabekompetenzen der
involvierten Funktionen, zu erstellen. Ganz wichtig ist die Kompetenzdefinition,
da diese automatisch den Eskalationsprozess vorgibt. Bei schlechter Bonität
des Kunden ist auf Vorkasse oder eine Bankgarantie zu bestehen. Eine weitere
Möglichkeit ist das unter 5.8.1.5 beschriebenen echte Factoring oder die unter
5.8.1.6 beschriebenen Asset Backed Securities.
62
6 Management der Verbindlichkeiten
Im folgenden Kapitel werden der Begriff, die Motive, die Kennzahlen und die
Kosten von Verbindlichkeiten näher betrachtet. Danach wird auf den Ablauf,
das Ziel und die Maßnahmen des Verbindlichkeiten Managements
eingegangen.
6.1 Definition Verbindlichkeit
Unter Verbindlichkeiten versteht man das Gegenteil von Forderungen und zwar
die Summe aller offenen finanziellen Verpflichtungen eines Unternehmens
gegenüber seinen Lieferanten und sonstigen Gläubigern. Die Verbindlichkeiten
setzen sich aus den gewährten Handelskrediten der Lieferanten plus sonstiger
angefallener Kosten zusammen.52 Beispiele für sonstige angefallene Kosten
sind Löhne, die erst zu Monatsende bezahlt werden, oder
Dividendenausschüttungen.
Die Unternehmen, welche Lieferungen oder Leistungen erbracht haben, ohne
dafür unmittelbar finanziell abgegolten worden zu sein, werden buchhalterisch
als Kreditoren, vom lateinischen „credere“ – glauben oder anvertrauen,
bezeichnet.
6.2 Motive für die Aufnahme von Handelskrediten
Das primäre Motiv für die Inanspruchnahme von Handelskrediten ist das
Finanzierungsmotiv, welches auf der Unvollkommenheit des Kapitalmarktes
beruht.53 Der Handelskredit stellt die günstigste Form der Fremdfinanzierung
dar. Neben der rein finanziellen Komponente erlaubt der Handelskredit dem
Kunden, die Ware zu prüfen, bevor die Zahlung erfolgt. Wie bereits im Kapitel
Forderungen erwähnt, erlaubt die Existenz von Handelskrediten die
Standardisierung von buchhalterischen Prozessen.
6.3 Messung der Verbindlichkeiten
Die am häufigsten verwendete Kennzahl zur Messung der Verbindlichkeiten ist
die Kreditorenlaufzeit, auch Verbindlichkeitenreichweite oder „Days Payables
52
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 375.
53 Vgl. Meyer (2007), S. 78.
63
Outstanding – DPO“ genannt. Die Kennzahl gibt an, wie viele Tage-Umsatz in
den Verbindlichkeiten enthalten sind, und kann auf Jahres- oder Monatsbasis
berechnet werden.54 Starke Umsatzschwankungen können zu starken
Schwankungen der DPO auf Monatsbasis führen. Das Ziel ist es, die DPO so
hoch als möglich zu halten.
DPO auf Jahresbasis
𝐷𝑃𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑢𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 ∗ 365
DPO auf Monatsbasis
𝐷𝑃𝑂 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡 =𝑉𝑒𝑟𝑏𝑖𝑛𝑑𝑙𝑖𝑐𝑘𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛 𝑎𝑚 𝐸𝑛𝑑𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 𝐵𝑟𝑢𝑡𝑡𝑜 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠∗ 𝐴𝑛𝑧𝑎𝑙 𝑑𝑒𝑟 𝑇𝑎𝑔𝑒 𝑑𝑒𝑠 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐𝑡𝑠𝑚𝑜𝑛𝑎𝑡𝑠
6.4 Kosten der Inanspruchnahme von Handelskrediten
Fälschlicherweise wird die Inanspruchnahme von Handelskrediten oft als
kostenlose Finanzierungsmöglichkeit bezeichnet.55 Jedoch generiert jede Form
der Finanzierung Kosten. Die Kosten werden beim Handelskredit primär durch
die Länge des Zahlungszieles und durch die Gewährung von Skonto bestimmt.
Die Kosten fallen beim Lieferanten an und werden in der Preiskalkulation
entsprechend berücksichtigt. Somit trägt letztendlich der Kunde die Kosten in
Form der höheren Preise.
6.4.1 Kosten des Skonto
Das Skonto ist ein aus Sicht des Kreditors extrem teuer und aus Sicht des
Debitors extrem lukrativ. Die folgende Formel berechnet den Jahreszinssatz bei
Inanspruchnahme des Skontos.56
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑧𝑖𝑛𝑠𝑠𝑎𝑡𝑧 [%] =
𝑆𝑘𝑜𝑛𝑡𝑜𝑠𝑎𝑡𝑧 𝑖𝑛 %
100 % − 𝑆𝑘𝑜𝑛𝑡𝑜𝑠𝑎𝑡𝑧 𝑖𝑛 %∗ 360
𝑍𝑎𝑙𝑢𝑛𝑔𝑠𝑧𝑖𝑒𝑙 − 𝑆𝑘𝑜𝑛𝑡𝑜𝑓𝑟𝑖𝑠𝑡∗ 100
54
Vgl. Klepzig (2008), S. 65.
55 Vgl. Meyer (2007), S. 77.
56 Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 424.
64
Beispiel
Bei der Gewährung eines gängigen Zahlungszieles von 14 Tagen 3 %, 30
Tagen netto, errechnet sich ein Jahreszinssatz von 69,6 %.
𝐽𝑎𝑟𝑒𝑠𝑧𝑖𝑛𝑠𝑠𝑎𝑡𝑧 =
3 %
100 % − 3 % ∗ 360
30 − 14∗ 100 = 69,6 %
Dies bedeutet, dass das Skonto in jedem Falle zu nutzen ist, auch wenn man
dies über einen kurzfristigen Kredit finanzieren muss.
6.4.2 Kosten der Nichteinhaltung von Zahlungszielen
Die Kosten für die Nichteinhaltung von Zahlungszielen können vom Lieferanten
in Form von Mahnspesen und Verzugszinsen geltend gemacht werden und
stellen somit mögliche direkte Kosten dar. Neben den direkten Kosten können
bei wiederholter Missachtung von Zahlungszielen indirekte ökonomische
Kosten auftreten. Diese indirekten Kosten bestehen in der möglichen
reduzierten Kulanz des Lieferanten und in einer schlechteren
Bonitätseinstufung.57
6.5 Chronologischer Ablauf des Managements der
Verbindlichkeiten
Als Erstes gilt es, den geeigneten Lieferanten durch einen Qualifikationsprozess
zu ermitteln. Danach erfolgt der Einkauf, der die Preisfindung inklusive der
Verhandlung der Zahlungs- und Lieferkonditionen beinhaltet. Nach erfolgter
Lieferung der Ware oder Erbringung der Leistung ist die Mängelfreiheit zu
prüfen. Wenn kein Mangel zu erkennen ist, so ist die Rechnung auf Richtigkeit
zu prüfen und unter Ausnutzung des Skontos beziehungsweise des maximalen
Zahlungsziels fristgerecht zu begleichen. Bei nicht korrekter Rechnungslegung
ist diese unverzüglich zu reklamieren.
57
Vgl. Bhattacharya (2009), S. 380.
65
6.6 Ziel des Managements der Verbindlichkeiten
Das Ziel des Managements der Verbindlichkeiten ist es, das Volumen der in
Anspruch genommen Handelskredite zu maximieren und den Abfluss von
liquiden Mitteln möglichst lange hinauszuzögern. Die dadurch entstehenden
Kosten sind zu minimieren.
6.7 Optimierung des Verbindlichkeiten Managements
Um die Kreditorenlaufzeit zu maximieren und die Kosten zu minimieren ist es
wichtig, die gewährten Skonti und Zahlungsziele voll auszuschöpfen und
Lieferantenrechnungen nicht vorzeitig zu bezahlen. Dies gilt auch bei vorzeitiger
Anlieferung. Bei nicht vereinbarter vorzeitiger Anlieferung wird die Rechnung
erst ab dem vertraglich vereinbarten Lieferdatum unter Berücksichtigung des
vereinbarten Zahlungsziels fällig. Bei reklamierten Lieferungen oder
Rechnungen sind die Zahlungen bis zur Klärung einzustellen. Wenn möglich
sollten mit dem Lieferanten Sammelrechnungen vereinbart werden, dies
reduziert den internen Aufwand und erweitert zusätzlich das Zahlungsziel. Bei
der Preisverhandlung sollte außerdem versucht werden, Skonti in Rabatte
umzuwandeln, um das Zahlungsziel ohne zusätzliche Kosten voll ausnutzen zu
können. Bei großen Anlagengeschäften kann die Zahlung des Lieferanten an
die Zahlung des Kunden geknüpft werden.
66
7 Management der liquiden Mittel
Das Zitat „Profit is a liability, and like any other liability it is nominal in nature;
cash is the real thing which an enterprise manager learns the hard way in day-
to-day payment of obligations“58 veranschaulicht die Wichtigkeit von liquiden
Mitteln. Die Hauptaussage liegt hierbei darauf, dass man nicht mit Profit,
sondern nur mit Geldmitteln Rechnungen bezahlen kann. Die Vernachlässigung
des Managements der liquiden Mittel führt immer wieder zu Unter- oder
Illiquidität, welche bis zur Insolvenz von profitablen Unternehmen führen kann.
7.1 Motive des Haltens von liquiden Mitteln
Die drei Motive des Haltens von liquiden Mitteln, Transaktion, Vorsicht und
Spekulation, gehen, wie bereits im Kapitel Vorräte beschrieben, zurück auf die
volkswirtschaftliche Theorie der Geldnachfrage von John Maynard Keynes.59
Beim Cash Management spricht man auch von der Transaktionskasse, die
geplante Güterkäufe abdeckt, der Vorsichtskasse, die unvorhersehbare
Zahlungen bedient und der Spekulationskasse, um zusätzliche Erträge am
Kapital- oder Gütermarkt zu erzielen.
7.2 Kosten des Cash Managements
Die liquiden Mittel stehen dem Wertschöpfungsprozess nicht direkt zur
Verfügung und schmälern dadurch die Gesamtkapitalrentabilität. Die Kosten
des Haltens der liquiden Mittel ist die Differenz der Verzinsung der liquiden
Mittel und der Gesamtkapitalrentabilität.60 Das Fehlen liquider Mittel führt zu
höheren Kosten, da zum Beispiel Skonti nicht ausgenützt werden können.
7.3 Ziel des Cash Managements
Das Ziel des Cash Managements ist die optimale Liquidität. Die liegt dann vor,
wenn alle Auszahlungen fristgerecht und im vollen Umfang getätigt werden
können und ein maximaler Zinssaldo erwirtschaftet wird. Dies wird dadurch
58
Bhattacharya, Hrishikes: Working Capital Management, 2009, S. 272.
59 Vgl. Meyer (2007), S. 104.
60 Vgl. Bhattacharya (2009), S. 317.
67
erzielt, dass das nicht benötigte Kapital so angelegt wird, dass es zinsbringend
und schnell, als auch kostengünstig, liquidierbar ist.61
7.4 Optimierung des Cash Managements
Um ein optimales Cash Management zu betreiben, gilt es, die richtige Menge
Bargeld in der Kassa und Guthaben am Bankkonto zu halten, den korrekten
Zeitpunkt und die Höhe des An- oder Verkaufes von Wertpapieren des
Umlaufvermögens zu bestimmen.62 Zur Erreichung dieses Idealzustandes
wurden theoretische Kassenhaltungsmodelle und praktische Werkzeuge wie
Cash Management Systeme entwickelt.
7.4.1 Theoretische Kassenhaltungsmodelle
In theoretischen Modellen wird versucht, den optimalen Kassenbestand zu
bestimmen. Zu den gängigsten Modellen zählen die Modelle von Baumol,
Beranek und Miller/Orr.
7.4.1.1 Modell Baumol
Das Grundprinzip des Baumol Modelles ist analog der Berechnung der
„Economic Order Quantity“ zur Bestimmung der optimalen Bestellmenge bei
der Lagerhaltung.63 Das Kassenhaltungsmodell beruht auf der nicht
realistischen Annahme, dass alle Ein- und Auszahlungen bekannt sind und
jeweils die gleiche Höhe aufweisen. Der Zinssatz der Wertpapiere ist ebenfalls
bekannt und konstant. Das Gleiche gilt für die Transaktionskosten.64 Die
Kassenzuflüsse erfolgen jeweils zu Beginn einer Periode, die Abflüsse erfolgen
gleichmäßig über die Periode verteilt, wie in Abbildung 34 dargestellt.
61
Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 144.
62 Vgl. Bhattacharya (2009), S. 320.
63 Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 148.
64 Vgl. Süchting (1995), S. 572.
68
Abbildung 34: Ein- und Auszahlungen nach dem Baumol Modell Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 149.
Abbildung 35: Umwandlung von kurzfristig angelegten Mitteln in Geld Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 149.
69
In der Abbildung 35 wird der Ablauf innerhalb einer Periode dargestellt. Zu
Beginn t0 wird von einem Gesamtbetrag T ein Teilbetrag I kurzfristig in
Wertpapieren veranlagt, und der Restbetrag R verbleibt in der Kasse. Zum
Zeitpunkt t1 ist der Restbetrag R verbraucht, und der Betrag C1 wird
desinvestiert und der Kasse zugeführt. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis der
Gesamtbetrag T zum Zeitpunkt t4 liquidiert ist. Die zu optimierende Komponente
ist C, die den maximalen Kassenbestand darstellt. Die entstehenden
Opportunitätskosten sind die entgangenen Zinsen i. Die fixen
Transaktionskosten der Desinvestition werden als bw bezeichnet. Die
durchschnittlichen Zinsen i*C/2 müssen gegen die Transaktionskosten
abgewogen werden. Die optimale Höhe des Kassenbestands C errechnet sich
wie folgt:
𝐶 = 2 ∗ 𝑏𝑤 ∗ 𝑇
𝑖
Das Baumol Modell berücksichtigt somit rein nur das Transaktionsmotiv der
Kassenhaltung.
7.4.1.2 Modell Miller und Orr
Das Modell von Miller und Orr beruht auf der Annahme, dass die Ein- und
Auszahlungen nicht an einen bestimmten Zeitpunkt auftreten sondern zufällig
während der ganzen Periode erfolgen.65 Dies führt zu einem stark
schwankenden Kassenbestand, dem jedoch über eine zunehmende Anzahl von
Perioden eine Normalverteilung unterstellt werden kann. Miller und Orr
entwickelten ein stochastisches Cash Management System unter
Unsicherheit.66 Bei diesem System werden zwei Schranken 0 und h und ein
Zielniveau z gesetzt. Die Schranken definieren den Bereich, in dem der
Kassenbestand schwanken darf, ohne eine Transaktion auszulösen. Beim
Erreichen der oberen Schranke h werden Wertpapiere im Wert von h-Z
angekauft, um das Zielniveau z zu erreichen. Beim Erreichen eines
65
Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 151.
66 Vgl. Bhattacharya (2009), S. 323.
70
Kassenbestandes von 0 oder einer vorher festgelegten unteren Schranke,
werden Wertpapiere im Wert vom Zielniveau z verkauft, um dieses wieder
herzustellen.
Abbildung 36: Kassenhaltungsstrategie nach Miller und Orr Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 153.
7.4.1.3 Modell Beranek
Das Beranek Modell arbeitet mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung der
zukünftigen Kassenzuflüsse und versucht, auch die Kosten von
Zahlungsstockungen, wie zum Beispiel die Kreditwürdigkeit, zu
berücksichtigen.67 Im Modell erfolgen, wie in Abbildung 37 dargestellt, die
Kassenzuflüsse kontinuierlich innerhalb einer Periode, und die Auszahlungen
treten nur am Ende der Periode auf. Der Restkassenbestand wird in eine
verzinsliche Anlage investiert. Das Beranek Modell geht nicht, wie im Baumol
Modell, von der Annahme der vollständigen Information der zukünftigen
Zahlungsströme aus, nimmt diese jedoch auch nicht als rein zufällig, wie im
67
Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 150.
71
Modell Miller und Orr, an. Das Beranek Modell berücksichtigt neben dem
Transaktions- auch das Vorsichtsmotiv.
Abbildung 37: Verlauf des Kassenbestandes im Modell von Beranek Quelle: Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 151.
7.4.2 Cash Management Systeme
Cash Management Systeme werden meist von Kreditinstituten an
Geschäftskunden angeboten, um die Steuerung der liquiden Mittel zu
erleichtern und zu optimieren.68 Cash Management Systeme helfen beim
„Reporting“, indem sie sämtliche Konten saldieren. Gelder können zwischen
Unternehmens- und Fremdkonten im In- und Ausland überwiesen, kurzfristige
Kredite aufgenommen oder überschüssige Mittel in Termingeldern oder
Wertpapieren angelegt, werden. Die Systeme informieren über den aktuellen
Geld- und Kapitalmarkt und helfen dem Management, die richtigen
Entscheidungen zu treffen. Neben den genannten Leistungen werden auch
Zusatzleistungen wie „Pooling“ oder „Netting“ angeboten. Beim „Netting“
werden alle Zahlungsverkehrskonten auf ein Zielkonto konsolidiert, und man
erhält einen besseren Überblick über die derzeitige und die zukünftige
Liquidität. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass nicht die Verzinsung der
Einzelkonten erfolgt, sondern der Saldo aller Konten verzinst wird. Beim
„Netting“ werden konzerninterne Forderungen und Verbindlichkeiten
68
Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 145.
72
gegengerechnet und vermindern somit die effektiv notwendigen
Zahlungsströme.
7.4.3 Kurzfristige Veranlagung
Beim Cash Management kommt es immer wieder vor, dass kurzfristig Geld
veranlagt wird, um eine bessere Verzinsung der liquiden Mittel zu erzielen. In
der Praxis wird am meisten das Tages- und Termingeld genutzt.69 Beim
Tagesgeld wird das Geld für einen Tag veranlagt. Das Geld wird vom
Kontokorrentkonto auf ein Tagesgeldkonto überwiesen, auf dem man höhere
Zinsen lukriert. Das Tagesgeld ist somit extrem flexibel und sehr sicher. Das
Tagesgeld kann täglich um einen weiteren Tag, bis auf maximal 29 Tage,
verlängert werden. Man spricht dann von „Geld bis auf weiteres“ oder Callgeld.
Beim Termingeld wird das Geld länger als einen Tag und meist kürzer als ein
Jahr veranlagt. Das Termingeld steht als Kündigungsgeld, bei dem keine
Veranlagungsdauer, sondern nur die Kündigungsdauer feststeht, oder als
Festgeld, mit festgelegter Fälligkeit, zur Verfügung. Termingelder sind ebenfalls
sehr sicher und flexibel. Neben den genannten Möglichkeiten kann man die
liquiden Mittel auch in Geldmarktfonds oder Bundesschätze investieren.70 Bei
den Geldmarktfonds sollte man auf die relativ hohen Spesen achten. Bei den
Bundesschätzen sind die Zinssätze üblicherweise nicht sehr hoch, die
Veranlagung ist jedoch extrem sicher.
7.4.4 Kurzfristiger Geldleihe
Neben der kurzfristigen Veranlagung ist es auch immer wieder notwendig,
kurzfristig liquide Mittel zu generieren. Das wichtigste Mittel der kurzfristigen
Geldleihe stellt der Kontokorrentkredit dar.71 Der Kontokorrentkredit ist ein
Kreditrahmen am Girokonto, über den der Bankkunde frei verfügen kann. Somit
ist diese Fremdfinanzierung sehr flexibel, man muss jedoch die relativ hohen
Kosten dieser kurzfristigen Finanzierungsform berücksichtigen.
69
Vgl. Werdenich (2008), S. 133.
70 Vgl. ebd., S. 135.
71 Vgl. ebd., S. 142.
73
8 Aufgaben des Vertriebes
Um ein langfristiges, profitables Wachstum des Unternehmens zu sichern, ist es
notwendig, dass der moderne Vertrieb neben den reinen Verkaufstechniken
auch betriebswirtschaftliches und vertragsrechtliches Grundwissen besitzt.
Deswegen ist es notwendig, neben dem Wissen um das eigene Produkt auch
um den Mitbewerber und Kunden ein möglichst umfangreiches und detailliertes
Wissen zu besitzen. Dieses Kundenwissen sollte neben den rein
anwendungstechnischen Kriterien auch dessen Bonität, Entscheidungsprozess,
Entscheidungskriterien und die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung
miteinschließen. Das Ziel ist es, eine möglichst asymmetrische
Informationsverteilung zu Gunsten des Verkäufers zu generieren und damit die
maximale Profitabilität beim Vertragsabschluss zu gewährleisten.
In den folgenden beiden Kapiteln werden die unterstützenden Maßnahmen des
Vertriebes zur Optimierung des Working Capitals erläutert und Ansätze zur
Optimierung des Anreizsystems aufgezeigt.
8.1 Unterstützung bei der Optimierung des Working Capitals
In den folgenden Unterkapiteln wird aufgezeigt, wie das Wissen des Vertriebes
zur Optimierung des Working Capitals beitragen kann und welches
Optimierungspotenzial jeder einzelne Kundenauftrag bietet.
8.1.1 Unterstützung beim Forderungsmanagement
Das umfangreiche und detaillierte Wissen des Vertriebes um den Kunden ist
eine wichtige Quelle, um die Bonität eines neuen, aber auch bestehenden
Kunden besser einschätzen zu können. Da der Außendienst den häufigsten
und intensivsten Kontakt zu den unterschiedlichsten Funktionsträgern innerhalb
eines Kunden besitzt, gelangt dieser frühzeitig zu Informationen, die auf die
derzeitige oder zukünftige Bonität des Kunden schließen lässt. Diese
Informationen sind üblicherweise aktueller als die Information von
Kreditschutzverbänden, und außerdem kostenlos. Die Rückmeldungen des
Vertriebes sollte genutzt werden, um bei einer drohenden Verschlechterung der
Bonität entsprechende Maßnahmen beim Forderungsmanagement, wie zum
74
Beispiel die Anpassung der Zahlungskonditionen oder das Aussetzen von
Lieferungen, einzuleiten.
Neben der Unterstützung bei der Einschätzung der Bonität ist der Vertrieb auch
in das Mahnwesen mit einzubeziehen. Bei Überschreitung des vereinbarten
Zahlungszieles ist mit dem Vertrieb abzuklären, ob es berechtigte Gründe gibt,
warum der Kunde die gestellte Rechnung nicht innerhalb der Zahlungsfrist
begleicht. Sollten dafür keine berechtigten Gründe vorliegen, so ist es sinnvoll,
neben dem formalen schriftlichen Mahnprozess den Außendienst zum Einzug
der Forderungen zu nutzen.
8.1.2 Unterstützung bei der Bedarfsplanung
Um die Vorratshaltung zu optimieren, ist es wichtig, die zu erwartenden
zukünftigen Umsätze zu prognostizieren, um daraus eine Bedarfsplanung
abzuleiten. Neben der stochastischen Bedarfsermittlung, die hierarchisch „Top-
Down“ durchgeführt wird und bereits im Kapitel Management der Forderungen
behandelt wurde, gibt es auch die heuristische Bedarfsermittlung an der Basis,
die als „Bottom-Up“ Verfahren bezeichnet wird. Beim „Bottom-Up“ Ansatz hat
sich die rollierende Absatzermittlung Englisch „Rolling Forecast“ durchgesetzt.
Bei diesem Verfahren hat jeder Verkäufer die auf Grund seiner Einschätzung zu
erwartende Umsatzentwicklung pro Produktlinie oder Produktgruppe in vorher
definierten Zeitintervallen und über einen bestimmten Zeitraum vorherzusagen.
Bei börsennotierten Unternehmen sind die Intervalle sehr häufig die Quartale
des Jahres und der Zeitraum sind 6 Quartale. Für die genaue Bedarfsplanung
werden die Daten des „Bottom-Up“ Verfahrens mit den Daten der
stochastischen „Top-Down“ Verfahren kombiniert und damit der endgültige
Bedarfsplan erstellt. Dieses Verfahren wird, wie bereits erwähnt, regelmäßig
durchgeführt.
Die rollierende Bedarfsplanung funktioniert in der Regel sehr gut für X- und Y-
Güter, aber nicht für Z-Güter. Ein Ansatz zur Optimierung der Bedarfsplanung
und Vorratshaltung der Z-Güter und hier im speziellen der Kapitalintensiven AZ-
Güter ist der Einsatz von „Customer Relationship Management - CRM“-
Software. Bei richtigem Aufbau, korrekter Nutzung, regelmäßiger Aktualisierung
und regelmäßiger Analyse der Daten der CRM-Software können der
Lieferservicegrad erhöht und die Lagerhaltungskosten gesenkt werden.
75
Abbildung 38: Ausschnitt aus Salesforce.com Quelle: Millipore Corporation, Salesforce.com
In der Abbildung 38 ist zur Veranschaulichung ein Beispiel der
internetbasierenden CRM-Software Salesforce.com, die durch die Firma
Millipore modifiziert wurde, dargestellt. Die rot umrahmten Felder können zur
Bedarfsplanung genützt werden. Die Felder „Product Code“ und „Quantity“
definieren den Artikel und die Menge. Das Feld „Close Date“ informiert über den
erwarteten zeitlichen Bestelleingang, und das Feld „Stage/Probability“ informiert
über die Wahrscheinlichkeit, mit der die Bestellung erteilt wird.
Neben der beschriebenen heuristischen Bedarfsplanung kann der Vertrieb auch
die deterministische Bedarfsplanung ermöglichen und zwar durch Abschluss
von langfristigen verbindlichen Abnahmeverträgen mit definierten
Lieferterminen, im Englischen „Non Cancelable Standing Order“ genannt. Um
den Kunden zu solchen Verträgen zu motivieren, werden zusätzliche Rabatte
gewährt.
8.1.3 Optimierung des Deckungsbeitrages
Eine wesentliche Aufgabe des Vertriebes besteht darin, den maximalen
Deckungsbeitrag zu erzielen. Um dies zu erreichen, sind neben dem
Nettoverkaufspreis noch andere wichtige Aspekte, wie Abnahmemenge und
76
Vertragskonditionen, zu berücksichtigen. Außerdem gilt es, bei bestehenden
Kunden jährliche Preisanpassungen durchzusetzen.
8.1.3.1 Ökonomische Losgröße
Der Deckungsbeitrag ist, wie bereits im DuPont Schema dargestellt, die
Differenz aus Umsatz und variablen Kosten. Der Umsatz ist das Produkt aus
Nettoverkaufspreis und Menge der verkauften Produkte. Somit stehen drei
Variablen zur Steigerung des Deckungsbeitrages zur Verfügung, der
Nettoverkaufspreis, die verkaufte Menge und die Reduzierung der variablen
Kosten. Dass man mit Preiserhöhungen und größeren Mengen an verkauftem
Produkt den Deckungsbeitrag steigern kann, ist allen Verkäufern bewusst. Dass
der Verkauf jedoch auch die variablen Kosten beeinflussen kann, ist hingegen
selten bekannt.
Speziell bei Produkten die den Lagerstatus MTO haben, sollte immer versucht
werden, die Verkaufsmenge an die „Economic Lot Size – ELS“, also die
ökonomische Losgröße, anzupassen. Die ELS ist die Losgröße eines Artikels,
bei dem die niedrigsten Herstellkosten erzielt werden. Nehmen Kunden Mengen
von MTO-Artikeln ab, die vom ELS abweichen, führt dies entweder zu höheren
Gestehungskosten, auf Grund kleinerer Chargengrößen, oder die Produktion
produziert die ELS, und die Menge der Artikel, für die kein Auftrag vorliegt geht
auf Lager und bindet Kapital. In diesem Fall sollte der Außendienst den Kunden
motivieren, die Abnahmemengen an die ökonomischen Losgrößen anzupassen.
Dies kann durch Preisaufschläge bei Mengen, die von der ELS abweichen, oder
durch zusätzliche Rabatte bei Anpassung auf die jeweilige ELS geschehen.
Neben dem Einfluss auf den Nettoverkaufspreis kann der Kunde
möglicherweise zusätzliche Vorteile aus der Abnahme von ganzen Losgrößen
ziehen. Viele Kunden müssen zur Sicherung der Qualität jede einzelne Charge
der gelieferten Waren einer umfangreichen Qualitätskontrolle unterziehen.
Sollte dies der Fall sein, so kann der Verkäufer auf die kundenseitige
Kosteneinsparung durch eine chargenreine Belieferung hinweisen und den
Kunden motivieren eine ganze Produktionscharge abzunehmen.
Zur Umsetzung ist jedem Vertriebsmitarbeiter die Information über die ELS und
den Lagerstatus jedes Artikels zugänglich zu machen. Dies kann zum Beispiel,
wie in der Abbildung 38 im grün umrahmten Feld „Economic Lot Size“ und im
77
blau umrahmten Feld „Item Status“ angedeutet, über die CRM-Software
erfolgen.
8.1.3.2 Optimierung der Zahlungskonditionen
Viele Einkäufer wissen, dass Verkäufer primär am Umsatz gemessen werden
und dementsprechend keinen großen Widerstand beim Verhandeln der
Zahlungskonditionen bieten. Um den Wiedergeldwerdungsprozess zu
beschleunigen, ist es wichtig, die Zahlungskonditionen so kurz als möglich zu
halten, um die Tage DSO zu reduzieren. Dies wird durch strikte Handhabung
der Zahlungsziele erreicht. Die Zahlungsziele sind dabei am Branchenstandard
anzulehnen. Um die Forderungsreichweite darüber hinaus zu reduzieren, ist es
ratsam mit Skonto zu arbeiten. Der Skonto ist jedoch nicht zusätzlich, sondern
an Stelle eines Rabattes zu gewähren. Bei bestehenden Kunden sind, soweit
möglich, bestehende Rabatte in Skonti zu verwandeln. Bei mehrmaligem
unrechtmäßigem Abzug von Skonto sollte dieser gestrichen werden.
Um Kunden zur Einhaltung der Zahlungsziele zu motivieren, kann ein
Jahresbonus in Aussicht gestellt werden.
Bei größeren Investitionsprojekten ist eine Teilzahlung mit entsprechender
Anzahlung zu verhandeln. Die Termine für die Rechnungslegung sind genau zu
definieren und müssen vom Verkäufer kontrolliert und beeinflusst werden
können. Termine, die vom Verkäufer nicht beeinflusst werden können, sind
abzulehnen. Ein typisches Beispiel hierfür ist „nach Inbetriebnahme durch den
Kunden“. Ein Haftrücklass auf die Garantiedauer ist abzulehnen
beziehungsweise so weit als möglich zu minimieren. Sollte ein Haftrücklass
unvermeidlich sein, so ist dieser über eine Bankgarantie abzusichern.
Serviceleitungen sind generell ohne Gewährung von Zahlungszielen
anzubieten.
8.1.3.3 Optimierung der Lieferkonditionen
Bei den Lieferkonditionen liegt die Aufgabe des Vertriebes in der Durchsetzung
von realistischen Lieferzeiten, die einen kostenoptimalen Produktionsablauf
gewährleisten. Hierfür benötigt der Vertrieb die Information über die
Wiederbeschaffungszeiten speziell für MTO-Artikel. Ein geeignetes Mittel stellt
hier ebenfalls die CRM-Software dar. Neben der Optimierung der zeitlichen
78
Komponente gilt es, die Kosten und Risiken der Lieferungen zu minimieren,
indem man diese möglichst an den Kunden weitergibt. Eine gute Basis für diese
Regelung bieten die „Incoterms – International Commercial Terms“, auf
Deutsch Internationale Handelsklauseln. Ein weiteres Einsparpotenzial ist durch
die Anzahl der Lieferungen zu erzielen. Der Verkauf sollte sich mit dem
Kunden, speziell bei C-Artikeln, auf eine reduzierte Anzahl von regelmäßigen
Lieferungen einigen. Dies ist im Sinne beider Parteien, da die entsprechenden
Logistikkosten gesenkt werden.
8.1.3.4 Umsetzung von Preiserhöhungen
Um Preiserhöhungen effektiv umzusetzen, ist es wichtig zu wissen, welchen
absoluten Preiseffekt also welchen Volumeneffekt man erzielen kann. Speziell
bei einer großen Anzahl von Einzelkunden ist es unmöglich, mit jedem
einzelnen Kunden eine Preisverhandlung zu führen. Um zu bestimmen, mit
welchen Kunden man eine persönliche Preisverhandlung führen sollte und
welche Kunden man einfach schriftlich über die neuen Preise in Kenntnis setzt,
wird eine ABC-Analyse nach erzieltem Deckungsbeitrag pro Kunde
durchgeführt.
Alle A-Kunden werden einer artikelspezifischen ABC-Analyse unterzogen, um
festzustellen welche Artikel im letzten Geschäftsjahr die höchsten Umsätze
erzielt haben. Neben der historischen Analyse ist es die Aufgabe des
Vertriebsmitarbeiters auf Grund des Informationsvorsprungs betreff der
zukünftigen Umsätze die ABC-Analyse nötigenfalls abzuändern. Bei den
zukünftigen A-Artikeln ist eine größere Preiserhöhung durchzusetzen und, wenn
nötig, bei den C-Artikeln eine geringere Preiserhöhung oder Preisreduktion zu
akzeptieren. Dies garantiert, dass die Preiserhöhung auch eine entsprechend
positive Auswirkung auf die Gesamtprofitabilität des Kunden hat.
Alle B-Kunden werden schriftlich über die entsprechende Preiserhöhung
informiert. Die Preiserhöhung selbst ist abhängig vom Gesamtdeckungsbeitrag
des Kunden. Bei Ablehnung der schriftlichen Preiserhöhung seitens des
Kunden wird ebenfalls ein persönliches Gespräch mit entsprechender
Vorbereitung und Zielsetzung analog der A-Kunden durchgeführt.
Alle C-Kunden werden auf den Listpreis erhöht oder zumindest mit stark
reduzierten Rabatten konfrontiert. Sollte der Kunde diese neuen Konditionen
79
nicht akzeptieren, so ist man bereit, diesen Kunden an den Mitbewerber
abzugeben, da das Unternehmen mit diesem Kunden keinen genügend hohen
Deckungsbeitrag erwirtschaften kann. Die einzige Ausnahme stellen Kunden
mit hoher strategischer Bedeutung dar. Diese Kunden sind im Vorfeld zu
definieren und wie A-Kunden zu behandeln.
Ein weiteres wichtiges Werkzeug als Vorbereitung für die persönlichen
Preisverhandlungen sind die tatsächlichen Tage DSO beziehungsweise die
Tage DOO des Kunden. Sollte der Kunde die vereinbarten Zahlungskonditionen
nicht einhalten, so kann anhand des Gesamtumsatzes und der
durchschnittlichen Tage Zahlungsverzug bei Anwendung des internen
Zinssatzes eine zusätzlich notwendige Preiserhöhung begründet werden.
8.1.4 Verhandlung der Geschäftsbedingungen
Neben den bereits beschriebenen Kosten können noch weitere Kosten auf
Grund von vertraglicher oder gesetzlicher Garantie, Gewährleistung oder
Haftung auftreten und damit die Profitabilität des Unternehmens schmälern.
Speziell im „Business to Business – B2B“ Bereich, also bei Verträgen zwischen
zwei Unternehmen, werden oft Konditionen verlangt, welche weit über den Wert
des erzielten Umsatzes hinausgehen.
Bei überhöhten Anforderungen bei Garantie und Gewährleistung sollten diese
einerseits im Verkaufspreis berücksichtigt werden und andererseits an zu
erfüllende Service- und Wartungsarbeiten, die zwingend beim Verkäufer zu
ordern sind, gebunden werden.
Bei der Haftung ist diese, soweit gesetzlich zulässig, zu limitieren und durch
Betriebshaftpflichtversicherungen abzudecken. Mängelfolgeschäden sind auf
Grund der unkalkulierbaren Ausmaße generell abzulehnen.
Ein wichtiger Vertragsbestandteil sind die Kosten bei Auftragsstornierung vor
Auslieferung und die vereinbarten Konditionen für die Rückgabe von nicht
benötigten Produkten. Speziell bei MTO-Artikeln sollte eine Stornierung und
Rücknahme ausgeschlossen werden.
8.2 Optimierung des Anreizsystems
Mitarbeiter im Vertrieb werden für ihre Tätigkeit üblicherweise mit einem fixen
Grundgehalt und einem variablen leistungsabhängigen Zusatzgehalt entlohnt.
80
Um sicherzustellen, dass die Vertriebsmitarbeiter bei ihrer Verkaufstätigkeit
primär dem übergeordneten Interesse des Unternehmens dienen, und zwar
dem profitablem Wachstum und der ständigen Liquidität, ist das Anreizsystem
entsprechend zu gestalten.
8.2.1 Vergütung für profitables Wachstum
Um den profitablen Wachstum Rechnung zu tragen, bietet sich die Messung
des Verkaufserfolges anhand des Deckungsbeitrages anstelle der Messung am
Umsatz an. Bei der Messung des Deckungsbeitrages kann neben den Rabatten
auch der gewährte Skonto mitberücksichtigt werden. Zeitlich gesehen muss
eine Entscheidung getroffen werden, ob die Zurechnung bei Auftragseingang,
Rechnungslegung oder bei Zahlungseingang erfolgt und ob der variable
Gehaltsbestandteil am Monats-, Quartals- oder Jahresende zu bezahlen ist. Der
Vorteil der Zurechnung bei Zahlungseingang liegt darin, dass das Unternehmen
die Boni nicht vorfinanzieren und keine Bonuszahlungen bei Zahlungsausfall
leisten muss. Außerdem wird damit sichergestellt, dass sich der Verkäufer aktiv
um die Bonitätsprüfung und das Inkasso kümmert. Aus der Sicht des Working
Capital Management ist somit der Deckungsbeitrag nach Zahlungseingang die
optimale Basis. Die Auszahlung sollte den finanziellen Berichtszeiten angepasst
werden. Für börsennotierte Unternehmen bietet sich eine Auszahlung auf
Quartalsbasis an. Je zeitnaher die Auszahlung erfolgt, umso geringer sind die
zu bildenden Rückstellungen.
8.2.2 Vergütung für die Verkürzung des Cash Conversion
Cycles
Neben der rein monetären Betrachtung gilt es, auch die zeitliche Komponente
zu optimieren. Das bedeutet, der Vertrieb muss seinen Beitrag zur Verkürzung
des Cash Conversion Cycles beisteuern. Um einen entsprechenden Anreiz zu
bieten ist ein Teil der variablen Vergütung an die Reduzierung der Tage DSO
innerhalb des Verkaufsgebietes zu binden. Die Auszahlung ist am Ende des
Wirtschaftsjahres vorzunehmen.
81
9 Zusammenfassung und Ausblick
In der Arbeit wurden die wichtigsten Grundlagen zur Unternehmensfinanzierung
inklusive der entsprechenden Finanzierungsregeln erläutert, um die maximale
Rendite bei ausreichender Liquidität zu erzielen.
Die Definition des Begriffes Working Capital, der korrekt Net Working Capital
lauten muss, führte zur Identifizierung der Hauptkomponenten des Working
Capital Managements.
Die Hauptkomponenten Vorräte, Forderungen, liquide Mittel und
Verbindlichkeiten wurden im Detail betrachtet und geeignete Kennzahlen zur
Messung sowie Werkzeuge und Maßnahmen zur Optimierung aufgezeigt.
Die wichtigsten Kennzahlen in der Praxis sind die Bestandsreichweite, die
Forderungsreichweite und die Kreditorenlaufzeit.
Bei den Werkzeugen wurden die Lebenszyklusanalyse, die ABC-Analyse, die
XYZ-Analyse, die 9-Block-Analyse und der Einsatz von geeigneter CRM-
Software beschrieben und geeignete Maßnahmen abgeleitet.
Speziell für den Vertrieb sind die kunden- und artikelspezifische ABC-Analyse
und der Einsatz von CRM-Software geeignet. Um den maximalen Nutzen der
CRM-Software zu garantieren, müssen die Daten der ökonomische Losgröße,
des Lagerstatus und der Wiederbeschaffungszeit darin enthalten sein.
Die Vertriebsmitarbeiter müssen um die Auswirkung der Zahlungs- und
Lieferkonditionen wissen und auch darüber hinausgehende
Geschäftsbedingungen bewerten können.
Um den Vertrieb zu den nötigen Maßnahmen zu motivieren, ist es wichtig, ihn
auch daran zu messen und zu entlohnen. Ein optimales Anreizsystem aus Sicht
des Working Capital Managements basiert auf dem Deckungsbeitrag nach
Zahlungseingang und der Forderungsreichweite.
Ein erhöhtes Wissen um das Working Capital Management im Vertrieb fördert
die asymmetrische Informationsverteilung, wird somit zu einem maßgeblichen
Wettbewerbsvorteil und trägt damit zur Steigerung der Rentabilität und zur
Sicherstellung der Liquidität des Unternehmens bei.
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass die vorliegende Arbeit von mir selbstständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt worden ist, insbesondere dass ich alle Stellen, die wörtlich oder annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen sind, durch Zitate als solche gekennzeichnet habe. Weiterhin erkläre ich, dass die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen hat. Des weiteren versichere ich, dass die von mir eingereichte schriftliche Version mit der digitalen Version der Arbeit übereinstimmt. Neunkirchen, April 2010 Johann Stasny