hetzjagd auf dem planet der affen

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Page 1: Hetzjagd auf dem Planet der Affen
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Zwei Astronauten auf dem Planeten derAffen

Ihre Namen sind Alan Virdon und Pete Burke. AlsAstronauten der U.S.-Airforce wurden sie unter har-ten Bedingungen geschult und mannigfaltigen Über-lebenstests unterworfen.

Doch als ihr Vorstoß ins All auf der Erde der Zukunftendet, sind Alan und Pete unvorbereitet auf das, wassie erwartet.

Die Erde wird von intelligenten Affen beherrscht,und jeder Mensch – egal ob Mann, Frau oder Kind –ist nichts anderes als ein Sklave der Affen.

Nach DIE SCHLACHT UM DEN PLANET DER AF-FEN, FLUCHT VOM PLANET DER AFFEN undAUFSTAND DER AFFEN (TERRA-Taschenbücher275, 279 und 283) präsentieren wir den vierten Romanzu der von TWENTIETH CENTURY FOX gedrehtenSerie, die zu einem Welterfolg in Film und Fernsehenwurde. Weitere Romane der Serie sind in Vorberei-tung und erscheinen in Kürze.

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TTB 287

GEORGE ALEC EFFINGER

Hetzjagd auf demPLANET

DER AFFEN

ERICH PABEL VERLAG KG · RASTATT/BADEN

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!

Page 4: Hetzjagd auf dem Planet der Affen

Titel des Originals:MAN THE FUGITIVE

Aus dem Amerikanischenvon Walter Brumm

TERRA-Taschenbuch erscheint vierwöchentlichim Erich Pabel Verlag KG, Pabelhaus, 7550 Rastatt

Copyright © 1974 by Twentieth Century-Fox Film CorporationDeutsche ErstveröffentlichungRedaktion: G. M. Schelwokat

Vertrieb: Erich Pabel Verlag KGGesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck

Verkaufspreis incl. gesetzl. MwSt.Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen

und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendetwerden; der Wiederverkauf ist verboten.

Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich:Waldbaur-Vertrieb, Franz-Josef-Straße 21, A-5020 Salzburg

NACHDRUCKDIENST:Edith Wöhlbier, Burchardstr. 11, 2000 Hamburg 1,

Telefon 0 40/33 96 16 29, Telex: 02/161 024Printed in Germany

Mai 1977

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1.

Das Dorf der Menschen wurde Trion genannt. Es warein kleines Dorf, selbst für die Verhältnisse der übri-gen menschlichen Siedlungen im Umkreis der inne-ren Zone, die das Kerngebiet der Affengesellschaftwar und wo Menschen nur als Sklaven lebten. DieBewohner Trions hatten es ein wenig besser als jene;sie besaßen ein gewisses Maß an Freiheit, einen win-zigen, halb vergessenen Rest von Stolz und Würde.Doch war dieses Stückchen Freiheit ständig gefähr-det, denn es wurde von keinem Gesetz garantiert,und die plötzliche Laune irgendeines Affenführerskonnte ihm jederzeit ein Ende machen. Patrouillie-rende Soldaten der Gorillastreitmacht kamen täglichdurch das Dorf und brachten es den in Armut undMühsal lebenden Bewohnern durch ihre bloße Ge-genwart in Erinnerung.

Für die Menschen von Trion war das Lebenschwer, aber es war – Leben. Sie hatten vor langerZeit gelernt, daß Widerstand gegen die an Zahl weitüberlegenen Affen nur den Tod bringen konnte. Undwo Widerstand und Rebellion Tod bedeuteten, warein Leben in relativer Sicherheit und Ruhe nur zu ha-ben, wenn man für die herrschende Schicht arbeitete.Die Menschen verstanden und akzeptierten das. Siearbeiteten, und die Affen ließen sie leben.

Manchmal konnten die Dorfbewohner beinaheglauben, daß sie glücklich seien.

»Oft denke ich, es wäre besser gewesen, ihr wäretnicht gekommen«, sagte Amy, ein kluges, hübschesMädchen von vierzehn Jahren. Es wanderte mit ei-

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nem Mann durch die Felder, einem Fremden, der voreiniger Zeit mit seinen zwei Gefährten, einem ande-ren Mann und einem Schimpansen, ins Dorf gekom-men war. Jetzt näherten sich Amy und ihr Freund,Alan Virdon, dem Dorf, nachdem sie den Vormittagmit der Erforschung des Wald- und Sumpflands jen-seits der bestellten Felder verbracht hatten.

Virdon blieb stehen und ließ seinen Blick über dieeng zusammengedrängten, strohgedeckten Hüttenaus lehmbeworfenem Flechtwerk gehen. Eine Hand-voll Dorfbewohner arbeitete stumm in den angren-zenden Feldern. Hinter dem Dorf befand sich einniedriger, lang hingestreckter Hügel, auf dem eineWachhütte aus Holz und Stein zu sehen war, wo zweiGorillasoldaten ihren Dienst versahen. Einer von ih-nen kam eben hinter den Hütten am rechten Dor-fausgang zum Vorschein, ein Gewehr in den schwie-ligen schwarzen Händen, und beobachtete Virdonund Amy mißtrauisch.

»Tut mir leid, daß wir gehen müssen, Amy«, sagteVirdon, ohne den Gorilla aus den Augen zu lassen.Der Wachsoldat blickte noch einen Moment zurück,dann wandte er sich mit geringschätzigem Schnaufenab und setzte seinen Patrouillengang fort. Virdon at-mete auf.

»Warum sagtest du mir, wer ihr seid?« fragte Amy.»Warum mir und keinem der anderen?«

Virdon schien aus tiefen Gedanken aufgeschreckt.Ehe er antwortete, blickte er mit einem Ausdruck an-gestrengter Aufmerksamkeit in Amys junges Gesicht,dann sagte er zögernd: »Ich weiß es nicht genau.Vielleicht liegt es daran, daß du mir gefällst und daßich dich ansehe und mich erinnere, wie es war, als ich

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in deinem Alter war. Und ich wollte dir sagen, daßdas Leben nicht immer so war.«

Es schmerzte Virdon, diese Worte auszusprechen,mehr als er erwartet hatte. Es brachte eine Flut vonErinnerungen zurück, Gedanken, die Virdon aus sei-nem Bewußtsein verdrängen mußte, damit sie ihnnicht überwältigten. Bevor er und sein Astronauten-kollege Pete Burke durch irgendein unbekanntes Zu-sammenwirken von Kräften in die Zukunft und diesealptraumhafte verkehrte Welt geschleudert wordenwaren, hatte er ein hübsches, mit allen Annehmlich-keiten ausgestattetes Heim in Houston, Texas, beses-sen. Er hatte eine Frau, die er liebte, und er hatte Kin-der. Eine Tochter war gerade in Amys Alter – nurwaren seine Tochter und seine Frau und alle anderen,die er aus seinem früheren Leben kannte, seit zwei-tausend Jahren tot.

Ihre Welt war untergegangen. Alles, was sie ge-kannt hatten, war zerfallen, verweht und verschwun-den; irgendwie war die vertraute alte Welt von dieserverrückten Herrschaft seltsam entwickelter, spre-chender Affen abgelöst worden. Die unbedeutendenÜberreste, Ruinen und Bruchstücke ihrer eigenen,längst versunkenen Zeit, denen Virdon und Pete Bur-ke auf ihren Wanderungen begegneten, konnten ihrHeimweh nur noch verstärken.

»Das Leben war nicht immer so«, sagte Virdonweiter, seinen Gedanken nachhängend.

»Aber wenn ich es nie gewußt hätte«, meinte Amyzögernd, »dann wäre ich ... ich weiß nicht, wie ich essagen soll.« Sie blickte zu Virdon auf und schüttelteden Kopf. »Du hättest es mir nicht sagen sollen.«

Virdon strich ihr übers Haar. Es hatte genau die

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gleiche Farbe wie ... er drängte den Gedanken gewalt-sam zurück.

»Amy«, sagte er, »Wissen hat manches mit Liebegemeinsam. Einmal hast du Freude daran, ein an-dermal bereitet es dir Schmerzen. Oder es ist wie eineWanderung zu einem unbekannten Ort. Sobald manihn erreicht hat, ist es zu spät, sich zu wünschen, daßman nie losgegangen wäre.«

Amy lächelte ein wenig unsicher, bemüht, ihn zuverstehen. Virdon zuckte mit den Schultern undwandte sich zum Gehen, und sie gingen langsamdurch die gewundene, schmutzige Dorfstraße zurHütte von Amys Vater.

Vor dem primitiven Bauwerk stand Talbert, AmysVater, und half Virdons Gefährten, die Rucksäcke aufdie Schultern zu heben. Talbert war ein großgewach-sener Mann Mitte der Vierzig, gebräunt und gehärtetvon langen Jahren endloser Plackerei. Der men-schenähnliche Schimpanse namens Galen, der Virdonund Burke begleitete und das wechselnde Geschickmit ihnen teilte, wartete schon marschbereit. Virdontrat zu seinen Freunden, belud sich mit dem Ruck-sack und hörte, wie Burke sich bei ihrem Gastgeberbedankte. Amy stand ein paar Schritte entfernt undlauschte stumm und mit trauriger Miene.

»Mein lieber Freund, es wird Zeit, daß wir unsaufmachen«, sagte Burke, ein hagerer, sehniger Mannmit dunklen Haaren und einem jungenhaft unbe-kümmerten Lächeln. »Danke für die Gastfreund-schaft.«

»Warum bleibt ihr nicht und baut euch hier eineHütte?« fragte Talbert.

»Das ist eine gute Frage«, erwiderte Burke mit kur-

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zem Auflachen. Er zeigte mit dem Daumen zu Virdonund sagte: »Ich glaube, die Antwort ist, daß ihn dieFüße jucken und ich ein Holzkopf bin.«

Talbert runzelte die Stirn und blickte von einemzum anderen. Er und seine Tochter fanden es oftschwierig zu verstehen, was Burke und Virdonmeinten. Die beiden Fremden erwähnten häufig Na-men und Dinge, die ihm nichts sagten, und sie ge-brauchten Redewendungen und Ausdrücke, mit de-nen er nichts anzufangen wußte.

Burke bemerkte seine Verwirrung und versuchteihm eine bessere Erklärung zu geben. »Wir wollenvon jedem Hügel am Horizont die andere Seite se-hen.« Es hörte sich ein wenig kläglich an, doch inWahrheit hatte er sich nicht ungern mit Virdons ge-radezu verzehrendem Drang abgefunden, diese Weltzu erforschen, die ihre neue Heimat war. Talbertseufzte; er begriff noch immer nicht ganz, was Burkesagen wollte. Wozu sollte dieses Umherziehen gutsein? Für einen Menschen gab es auf dem Planetender Affen kein besseres Los als dieses. Er schüttelteihnen die Hände.

»Ich würde dir gern eine bessere Antwort geben«,sagte Galen, »aber ich weiß selbst keine. Dank für al-les.«

Talbert nickte. Pete Burke wandte sich zu Virdon.»Fertig?«

Virdon nickte, ging zu Talbert und drückte ihm dieHand. Ehe er sich umwandte, nickte er zu Amy hin-über und sagte: »Sie ist etwas Besonderes. Gib gut aufsie acht.«

Talbert antwortete nicht. Amy blickte ihren Vateran, aber Talberts Gesichtsausdruck zeigte keine Re-

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aktion. Die zwei Astronauten und ihr schwarzbe-haarter Begleiter hielten einen Augenblick inne, umAmy Lebewohl zu sagen.

»Werdet ihr wieder einmal hier durchkommen?«fragte sie.

»Alles ist möglich«, antwortete Virdon mit freund-lichem Lächeln.

Sie machte ein Zeichen, daß er sich zu ihr nieder-beugen solle, und als er es tat, flüsterte sie ihm insOhr: »Ich werde euer Geheimnis bewahren. Sogar vormeinem Vater.«

»Vielleicht komme ich zurück, nur um diesesWunder zu erleben«, sagte Pete Burke lachend. Vir-don richtete sich hastig auf, und Amy starrte den an-deren erschrocken an, offensichtlich bestürzt, daßBurke mitgehört hatte.

»Wunder?« fragte sie. »Was für ein Wunder?«»Ach«, erwiderte Burke in wegwerfendem Ton,

»daß eine Frau ein Geheimnis für sich behält.«»Frauen können Geheimnisse für sich behalten«,

sagte Amy trotzig.Burke lächelte. »Ich weiß, ich weiß. Es war nur ein

Spaß. Da fällt einem der Abschied leichter.« Amy zö-gerte, versuchte ein Lächeln. Virdon beugte sich vorund küßte sie auf die Stirn.

»Leb wohl, Amy«, sagte er.Sie konnte nur nicken. Die drei Gefährten wander-

ten die Straße hinab zum Dorfausgang, und Amystand da und sah ihnen nach. Sie versuchte, die Trä-nen zurückzuhalten, die plötzlich ihre Augen füllten.

Auch Talbert beobachtete die drei Fremdlinge, dieihm während der letzten Zeit und Wochen zu Freun-den geworden waren, doch statt Trennungsschmerz

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empfand er Melancholie. Das tägliche Leben in Trionwürde ohne Virdon, Burke und Galen ärmer sein,einförmiger. Vielleicht hatte das seltsame Schwäche-gefühl in ihm mit der Abreise seiner Gäste zu tun. Erfühlte sich ein wenig matt und lustlos. Er wischte sichSchweiß vom Gesicht und schüttelte den Kopf, umdie leichte Benommenheit zu verjagen, doch das Ge-fühl blieb.

Die drei Wanderer hatten den Ortsrand erreicht,blieben stehen, wandten sich noch einmal um undwinkten. Talbert und Amy winkten zurück. Sie saheneinen der massigen Wachtposten auf seinem Pa-trouillengang stehenbleiben und draußen auf demFeldweg auf die drei warten. Als sie sich dem Gorillanäherten, hielten sich Virdon und Burke im Hinter-grund und ließen Galen vorangehen. Er mußte mitder Situation fertig werden. Der Wachtposten hobsein Gewehr.

»Ich bringe diese zwei zum Arbeitseinsatz insnächste Dorf«, sagte Galen. »Es hat dort Ausfälledurch Krankheit gegeben, und man hat Hilfskräfteangefordert.«

Der uniformierte Wachtposten musterte Virdonund Burke eingehend und prägte sich ihre Gesichterein. Dann ließ er zögernd das Gewehr sinken und gabden Durchgang frei. Galen lächelte und nickte ihmzu, dann ging er unbekümmert am Wachtposten vor-bei, als ob er und die beiden Menschen jeden An-spruch auf Freizügigkeit hätten. Virdon und Burkefolgten ihm mit hängenden Schultern und demütiggesenkten Köpfen, zwei unglückliche, aber folgsameSklaven.

Der Posten – sein Name war Nisa – sah ihnen ver-

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drießlich nach, bedrückt von einem ahnungsvollenMißtrauen, für das er keine Erklärung hatte. Schließ-lich murmelte er etwas, schüttelte den Kopf, hängtesich das Gewehr um und setzte seinen Rundgangfort.

Der Tag verging den drei Wanderern langsam. Siesprachen wenig und sparten ihre Kräfte für den müh-samen Marsch. Jeder hing seinen eigenen Gedankennach. Virdon fragte sich, ob der nächste Aufenthaltden Hinweis geben würde, den sie suchten, die In-formation, die ihnen zur Rückkehr in ihre eigene Zeitverhelfen könnte. Burke dagegen war weniger um dieRückkehr in die Welt seiner Geburt bekümmert. Erahnte, daß sie für immer in dieser Welt der Affen ge-strandet waren, und daß es darauf ankam, aus die-sem neuen Leben das Beste zu machen.

Er war nicht unglücklich über diese Aussichten. Erhatte weder Frau noch Familie und nahm auf sich,was das Schicksal für ihn bereithielt.

Galen wiederum beobachtete die beiden Menschenbei aller Kameradschaft, die unter ihnen herrschte,mit der inneren Distanz des Wissenschaftlers. IhreGeschichten von technologischen Wunderdingen, dieihre Menschenkultur angeblich geschaffen hatte, fas-zinierten ihn, und während er sich mit ihnen auf ge-meinsamer Flucht vor den Nachstellungen von Poli-zei und Militär befand, wollte er soviel wie möglichüber die Astronauten erfahren.

Unter einer gnadenlosen Sonne durchwandertensie die felsige Einöde einer Karsthochfläche, dannstiegen sie in ein Tal ab und durchwateten faulig rie-chende Sumpfflächen. Sie halfen einander weiter, sogut sie konnten, mit stützender Hand oder ein paar

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ermutigenden Worten; vor allem aber teilten sie einenie erlahmende Wachsamkeit und Furcht vor denmöglichen Gefahren ihrer Reise.

Der Nachmittag wurde zum Abend, und graublaueSchatten breiteten sich unmerklich durch die Täleraus. Im Dorf Trion wälzte sich Talbert unruhig aufseinem Strohsack. Sein Gesicht glänzte vom Schweißund zeigte einen Ausdruck ungewohnter Angst. Frö-stelnde Schauer gingen ihm durch den Körper. Als ersich aufrichten wollte, um ein wenig Wasser zu trin-ken und seine ausgedörrte Kehle zu befeuchten, er-wies sich die Anstrengung als zu groß, und Talbertließ sich mit einer gemurmelten Verwünschung zu-rückfallen.

Als Amy kurz darauf in die Hütte kam, einen altenFlechtkorb mit frisch geerntetem Gemüse im Arm, er-schrak sie beim Anblick ihres Vaters. Sie kam an seinLager, beugte sich über ihn und wischte mit demRocksaum Schweißperlen von der fiebernden Stirn.»Vater«, sagte sie besorgt, »was ist geschehen? Bist dukrank?«

Talbert zeigte ihr ein mattes Lächeln, konnte abernicht verhindern, daß seine Zähne aufeinanderschlu-gen. »Es hat nichts zu bedeuten«, sagte er mit schwa-cher Stimme. »Ich bin bloß ein bißchen müde. Einwenig erschöpft ...«

»Ich werde Wasser holen und dir einen feuchtenLappen auf die Stirn legen«, sagte Amy in unsiche-rem Ton. Und sie verließ das Lager, um es zu tun.

Als es zu dunkeln begann, machten die drei Wande-rer auf einer Waldlichtung am Rand eines klaren

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Bachlaufs halt. Schon begannen die Erinnerungen anTrion und seine gastfreundlichen Bewohner zu ver-blassen und eins zu werden mit den Erinnerungen andie vielen anderen Dörfer und ihre Bewohner, die sieseit ihrer unglücklichen Ankunft in dieser ungeahn-ten Zukunft kennengelernt hatten. Die Härten desneuen Lebens gestatteten den drei Abenteurern nichtden Luxus müßigen und sehnsuchtsvollen Erinnerns;das war nur geeignet, ihre Aufmerksamkeit zuschwächen und abzulenken. Und mangelnde Auf-merksamkeit konnte in dieser unbekannten Weltleicht das Leben kosten.

Burke entledigte sich mit einem tiefen Seufzer sei-nes Rucksacks, kniete am Bachufer nieder undschöpfte mit beiden Händen das kühle Wasser, umGesicht und Nacken zu erfrischen. Auch Virdon warfseinen Rucksack ins Gras, reckte sich und kniete dannnieder, um den mitgebrachten Proviant auszupacken.Galen hielt sich ein wenig abseits und beobachtetedas Tun seiner beiden Gefährten.

Nachdem Burke seinen Durst gestillt hatte, verließer das Bachufer und machte sich ans Auspacken sei-nes Rucksacks. »Weißt du, als wir vor zweitausendJahren in der Ausbildung waren und dieses ver-dammte Überlebenstraining machten«, sagte er,»haßte ich am meisten die Gewaltmärsche und Stra-pazen und alles das. Vorwärts, weiter, hieß es stän-dig. Und wohin ging es? Im Kreis herum! Jetzt sindwir zufällig zwanzig Jahrhunderte in unsere eigeneZukunft gestoßen worden, und was stellt sich her-aus? Nichts hat sich geändert!«

Virdon lachte. »Nur die Welt um uns«, sagte er iro-nisch.

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»Nun ja«, meinte Burke, »das ist wahr. Und die alteWelt war doch ein wenig angenehmer als diese.«

»Du hättest sie sehen sollen, Galen«, sagte Virdon.»Vielleicht wirst du eines Tages doch noch die Gele-genheit haben. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daßwir irgendwie und irgendwann den Weg zurück fin-den werden.«

»Da kannst du lange warten«, sagte Burke. »Losjetzt, laß uns Brennholz sammeln, solange wir nochwas sehen können.« Er ging am Bachufer entlangzum Waldrand, um dürre Äste und größere Stückezu suchen, während Virdon Zweige und vorjährigesLaub zusammensuchte und für das Lagerfeuer sorg-fältig aufeinanderschichtete. Sie arbeiteten ruhig undgleichmütig, mit der gewohnheitsmäßigen Sicherheit,die sich im Lauf ihrer Wanderungen eingestellt hatte.

Galen war inzwischen zum Rand der Lichtung hi-nübergegangen, wo er bewegungslos stand und an-gestrengt lauschte. Gewöhnlich fiel ihm um diese Zeitdie Aufgabe zu, größere Äste in handliche Stücke zuzerbrechen. Virdon und Burke staunten immer wie-der über die gewaltigen Körperkräfte des entwickel-ten Schimpansen, der gerade die Größe eines unter-setzten Mannes erreichte und der von seinen Ver-wandten, den Orang-Utans und Gorillas, an Kraftund Größe noch bei weitem übertroffen wurde. Eswar kein Wunder, daß die menschliche Bevölkerung,von Krankheiten dezimiert und durch elende Le-bensbedingungen auf das Kulturniveau prähistori-scher Siedler zurückgesunken, nicht darauf hoffenkonnte, ihre frühere Herrschaft wiederzugewinnen.

Nach einer Weile wurde Virdon aufmerksam undzeigte sich sofort besorgt. »Was hast du, Galen?«

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fragte er. »Hörst du etwas?«»Noch nicht«, sagte Galen und bedeutete ihm, still

zu sein.Burke hatte einen Armvoll Brennholz zum Lager-

platz gebracht und gesellte sich zu den beiden.»Wenn du nichts hörst, was erwartest du dann?«fragte er Galen.

»Verdruß«, sagte der andere.Burke machte ein enttäuschtes Gesicht. »Was soll

das heißen? Stört dich etwas?«»Als ich mich euch beiden anschloß«, sagte Galen

ohne ein Zeichen von Verärgerung oder Bitterkeit inder Stimme, »da wußte ich, daß ich genauso wie ihrin Gefahr war, wieder eingefangen zu werden. Es istsogar denkbar, daß ich auf der Fahndungsliste an er-ster Stelle stehe. In den Augen meiner Artgenossenbin ich ein Abtrünniger. Ich nehme das auf mich, aberich dachte, daß wir unter den gegebenen Umständenwenigstens versuchen würden, einander zu schüt-zen.«

Burke benagte nachdenklich die Unterlippe. »Werhat wen nicht geschützt?« fragte er. »Ich weiß nicht,wovon du redest. Oder habe ich etwas überhört?«

»Warte, Pete«, sagte Virdon zu seinem Freund. Erwußte sofort, worauf Galens Worte sich bezogen. »Ichhabe etwas getan, wogegen du Einwände hast, Ga-len«, fuhr er zum Schimpansen gewandt fort. »Duweißt, daß ich dich nicht vorsätzlich in Gefahr brin-gen würde. Das wäre selbstmörderisch. Also kann esnur eine Unachtsamkeit gewesen sein. Laßt uns offendarüber reden und die Sache in Ordnung bringen.«

Galen grunzte. »In einen zerbrochenen Krug kannstdu kein Wasser zurückgießen. Du hast selbst oft ge-

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sagt, wie vorsichtig wir sein müßten, wie sehr es dar-auf ankäme, niemandem von uns zu erzählen, werwir sind und wo ihr zwei hergekommen seid. Nunhast du einem Kind alles das anvertraut. Nicht nurdein eigenes Leben, sondern auch Burkes und dasmeinige hängen jetzt von der Verschwiegenheit einesKindes ab. Das ist eine schwere und gefährlicheNachlässigkeit.«

Virdon ließ den Kopf hängen. »Ja, natürlich, ichverstehe. Aber du weißt, daß ich ihr nie ein Wort ge-sagt hätte, wäre ich nicht sicher gewesen, daß sie die-se Dinge niemals ausplaudern würde.«

»Genauso sicher, als wenn du ihr nichts gesagthättest?« sagte Galen.

Virdon schwieg. Darauf gab es keine Antwort. Ga-len hatte recht; er hatte nicht nur sich selbst, sondernauch zwei andere, die sich auf ihn verließen, unnötigund sinnlos in Gefahr gebracht. Er schämte sich sei-nes Versagens. Pete Burke sah es ihm an und ver-suchte ihm zu Hilfe zu kommen.

»Vielleicht ist der Krug zerbrochen, wie Galensagte«, meinte er, »aber unser Argumentieren wirdihn auch nicht ganz machen. Außerdem ist uns keinernachgekommen, wenigstens bis jetzt noch nicht ...«

Virdon begriff, daß Burkes Worte an der Sachevorbeigingen, und er machte eine abwinkende Bewe-gung, um sich dann Galen zuzuwenden. »Du hastnatürlich recht. Ich hätte es ihr nicht sagen sollen. Sie... nun, ich habe selbst ein paar Kinder, und meineTochter war ... ist ungefähr in ihrem Alter. Ich weißnatürlich, daß das keine Entschuldigung ist, es sollauch nur eine Erklärung sein. Es tut mir leid, Galen.«

Eine Weile blieb es still auf der Waldlichtung. Die

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Geräusche des fließenden Wassers wirkten jetzt lau-ter, und die Rufe der Vögel ließen die Szene friedli-cher erscheinen, als sie war. Vielleicht waren es dieseUmstände, die Galens Befürchtungen zerstreuten,wenigstens einstweilen. »Ich dachte nicht, daß du dieAbsicht hattest, uns Schaden zuzufügen«, sagte er.»Aber warum hast du das Risiko auf dich genom-men?«

Burke schnalzte ungeduldig. »Es wird spät, undunser Feuer ist noch immer nicht im Gang«, sagte er.»Bevor wir uns zum Essen setzen, müssen wir dieGegend ein wenig gründlicher auskundschaften undunsere Feldflaschen auffüllen. Und ehe wir uns schla-fen legen können, müssen wir den Lagerplatz auf-räumen, damit wir morgen frühzeitig aufbrechenkönnen. Alles das ist zu tun, und unser Freund Galenwill sich mit Psychoanalyse befassen.«

»Womit?« fragte Galen.Burke winkte seufzend ab. »Nichts«, sagte er. »Du

kannst von Glück sagen, daß eure Kultur so etwasnicht entwickelt hat. Es war eine Art ritueller Magie.Reinigungsriten und dergleichen.«

»Ihr Menschen verwundert mich immer wieder«,sagte der Schimpanse. »Solche Dinge existieren in dergleichen Gesellschaft, die jene wissenschaftlichenWunderdinge hervorbringt, von denen ihr ständigredet. Es muß seltsam gewesen sein, in einer solchenGesellschaft zu leben.«

Burke und Virdon tauschten Blicke aus, in denensowohl Erheiterung als auch Betretenheit zu lesenwaren, und Virdon murmelte, daß es manchmal inder Tat seltsam gewesen sei. Burke machte sich aufeinen Rundgang, um die Umgebung des Lagerplatzes

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auszukundschaften, und Virdon, der bemerkt hatte,daß Galen noch immer auf eine überzeugende Ant-wort von ihm wartete, sagte nach einigem Zögern:

»Es ist schwierig zu erklären, warum ich es Amyerzählte. Vielleicht war es nur ein Bedürfnis zu spre-chen, mich jemandem anzuvertrauen, jemandem mit-zuteilen, der mir ein Stück Vergangenheit zurück-brachte. Ich kann es wirklich nicht genauer erklären.Vielleicht solltest du es einfach der Tatsache zu-schreiben, daß ich trotz allem nur ein Mensch bin.«

Galen nickte voll Mitgefühl. »Ja«, erwiderte er. »Ichvergesse hin und wieder, daß ihr gegen einige eurerSchwächen wehrlos seid.«

Am Himmel erschienen die ersten Sterne. Hoch überdem Westhorizont flammten federige Zirruswolkenin orangenen und karminroten Tönen, um bald dar-auf ein blasses Grau anzunehmen, das sich mehr undmehr dem dunkelnden Zwielicht anpaßte. In denHütten des Dorfes wurden Kerzen und Öllampen an-gezündet, und ein flackernder kleiner Lichtpunktmarkierte die Wachhütte der Gorillasoldaten auf demHügel.

Amy Talbert trug zwei Wassereimer vom Dorf-brunnen heim, und alle paar Schritte schwappte et-was davon über den Rand und bespritzte den Bodenund ihre bloßen Füße. Gewöhnlich trug ihr Vater dieschweren Wassereimer, doch an diesem Abend fühlteer sich zu erschöpft und müde. In der Hütte ange-langt, stellte Amy die Eimer ab, reckte sich seufzendund ging zum Bett ihres Vaters.

Er hatte Fieber, und sein Zustand schien schlimmerals noch vor ein paar Stunden. Er war nur halb bei

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Bewußtsein. Obwohl Schweiß auf seinem Gesichtglänzte, zitterte er am ganzen Körper, und sein un-verständliches Gemurmel wurde häufig von keu-chenden und hustenden Geräuschen unterbrochen.Amy kniete neben seinem Lager nieder, tauchte denherabgefallenen Lappen in frisches kaltes Wasser undlegte ihn wieder auf die fiebernde Stirn. »Vater«,sagte sie.

Er reagierte nicht.»Vater!« Mit wachsender Angst beobachtete Amy

das Gesicht des Kranken, dann eilte sie hinaus. Siestolperte über die im Dunkeln liegende unebeneDorfstraße und in eine der benachbarten Hütten, woein älteres Ehepaar wohnte, das mit ihrem Vater be-freundet war. Als sie in den Lichtkreis der rauchen-den Öllampe kam, verlor sie die bis dahin mühsambewahrte Fassung und brach in Tränen aus. »Helftmir!« schluchzte sie verzweifelt. »Bitte helft mir! MeinVater ...!«

Die Hütte war derjenigen der Talberts sehr ähnlich.Es gab kaum Möbel, und die wenigen Stücke warenselbstgemacht und primitiv. Es fiel schwer, im ganzenInnenraum irgendeinen Gegenstand zu finden, dernicht rein funktionell war; jegliche Art von Zierat undschmückendem Beiwerk war ein Luxus, den diemenschliche Rasse sich nicht länger leisten konnte.Amy befürchtete nicht, daß ihr plötzlichen Eindrin-gen in die Wohnung ihrer Nachbarn Verärgerungverursachen würde, denn die Dorfbewohner hattenvor langer Zeit gelernt, daß sie auf ihre gegenseitigeHilfe angewiesen waren. Niemand wußte, wann erseinen Nachbarn brauchen würde, und darum wurdeein Ansuchen um Hilfe niemals abgeschlagen. Über-

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dies war Amy so in Angst und Sorge um ihren Vater,daß sie an die Form ihres Eindringens keinen Gedan-ken verschwendete.

Vier Schritte in der Hütte blieb sie stehen undblickte wild umher. Niemand schien daheim zu sein.Aber wo konnten die Leute zur Essenszeit sein? Fürdie Arbeit auf den Feldern war es zu spät; mankonnte nicht mehr sehen, was man tat. Dann hörteAmy seltsame Geräusche und wandte ihre Aufmerk-samkeit dem rückwärtigen Teil der Hütte zu, der miteiner alten Matte verhängt war.

Als sie hinter die Matte spähte, sah sie den Mannund die Frau auf ihrem Strohlager. Ihre Gesichter wa-ren wächsern und glänzten von Schweiß, ihr Atemging röchelnd, und sie schienen bewußtlos. Dochwährend Amy noch entsetzt in die Schlafecke starrte,schien der Mann sie zu bemerken und begann unver-ständlich zu murmeln, wobei er kurze, matte Hand-bewegungen machte. Amy wich zurück und warf ei-nen Hocker um. Das laute Poltern erschreckte sie,und sie rannte aus der Hütte, ohne sich noch einmalumzusehen.

Der Zustand ihres Vaters hatte sich nicht verändert.Zögernd trat sie an sein Lager, kniete nieder und um-faßte seinen Kopf. »Vater!« wisperte sie. Er schiennicht zu hören, nicht einmal zu bemerken, daß sie beiihm war. Erfüllt von einer namenlosen Angst, krochsie unter ihre eigene Decke und weinte sich in denSchlaf.

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2.

Obwohl es noch nicht Mittag war, herrschte in derStadt der Affen drückende Hitze. Auf den ungepfla-sterten Straßen gingen nur wenige Bewohner ihrenGeschäften nach. Weitaus zahlreicher als die Affenwaren die menschlichen Sklaven, die hauptsächlichals Lastträger arbeiteten und für die es keine Ruhe-pausen gab. Die Stadt bildete den Mittelpunkt einerganzen Region, aber sie war nicht groß, und die vonBäumen und Gärten umgebenen, schilfgedecktenHolzhäuser gaben ihr ein eher ländliches Gepräge.

In einem der Verwaltungsgebäude fand zu dieserStunde eine Sitzung statt, die für viele Menschen, dienicht einmal wußten, daß ihre Herren über sie spra-chen, schwerwiegende Folgen haben sollte.

Ein hölzerner Hammer krachte laut auf den Tischdes Vorsitzenden und brachte das aufgeregte Stim-mengewirr vorübergehend zum Verstummen. »Bit-te«, sagte der Vorsitzende des Ältestenrats, ein intel-ligenter, fast zwei Meter hoher Orang-Utan namensZaius, »laßt uns Ruhe bewahren. Ihr schreit durch-einander wie ein Haufen undisziplinierter Men-schen.«

»Es steht hier eine Menge auf dem Spiel, Zaius«,erklärte ein Mitglied des Ältestenrats. »Wir haben al-len Grund, uns Sorgen zu machen. Unsere Historikerhaben mich auf etwas aufmerksam gemacht, was ichhier verlesen möchte, wenn es recht ist ...«

»Nur zu«, sagte Zaius.Der andere nickte und nahm ein Papier auf. »Im er-

sten Teil der omanischen Periode«, las er vor, »fand

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man in einer abgelegenen ländlichen Gegend mehrerehundert Menschen, die sämtlich an einem Fieber zu-grunde gegangen waren, das den hier beschriebenenSymptomen glich. Das gesamte Gebiet war noch Jah-re danach unbewohnbar ...«

Das Stimmengewirr hob von neuem an. DieSchimpansen, neugieriger als die anderen, wolltendie Gelegenheit nutzen und Experimente durchfüh-ren. Die Orang-Utans, welche die Regierung stellten,interessierten sich hauptsächlich für die verwal-tungstechnischen Probleme der Krise. Und die Si-cherheitskräfte, vertreten durch mehrere hochrangigeOffiziere unter der Führung des Gorillagenerals Ur-ko, waren wie stets für die einfachste Lösung, die imallgemeinen auch die gewalttätigste war.

Zaius schlug wieder und wieder mit dem Hammerauf den Tisch, bis die Ruhe endlich wiederhergestelltwar. »Ich bin mir des möglichen Verlusts an Arbeits-kräften und landwirtschaftlichen Erzeugnissen be-wußt«, erklärte er, nachdem er sich Gehör verschaffthatte. »Darum habe ich angeordnet, daß Trion biszum Abschluß der Untersuchungen unter Quarantä-ne gestellt wird.«

»Quarantäne?« rief General Urko verdrießlich.»Wir sollten das Dorf samt seinen Bewohnern nieder-brennen und die Krankheit so mit Stumpf und Stielausrotten!«

»Bevor wir solche Maßnahmen in Erwägung zie-hen, Urko«, erwiderte Zaius, »sollten wir Zoran zuWort kommen lassen. Als Heilkundiger wird er bes-ser als wir alle zur Beurteilung der Lage imstandesein.«

Er nickte einem ergrauten Schimpansen zu, der

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sich erhob und selbstsicher umherblickte, ohne diefeindseligen Reaktionen der Gorillas zu beachten.Neben Zoran war sein Assistent, ein jüngerer Schim-panse namens Inta. »Seit vielen Jahren habe ich michunter anderem mit der Erforschung von Krankheitender niederen Spezies befaßt und bestimmte Theorienzur zweckmäßigen Behandlung entwickelt«, sagte ermit kühler Überlegenheit. »Auch von Leiden wie die-sem Fieber.«

General Urko fuchtelte abwehrend mit den mächti-gen Armen. Er war der unangefochtene Führer derPolizei- und Militärstreitkräfte des Landes, und derBesitz des Monopols auf die Machtmittel des Staats-wesens verlieh ihm eine gewisse Unbekümmertheitund Rücksichtslosigkeit. Er wurde nicht nur von denmenschlichen Sklaven und Arbeitern gefürchtet.

»Theorien?« rief er verächtlich. »Deine Theorien,Zoran, sind nichts als ein Vorwand, um dich hervor-zutun und uns mit deinen Spitzfindigkeiten undVermutungen die Zeit zu stehlen.«

Zoran faßte den General ruhig ins Auge. Mochtendie anderen Ratsmitglieder Urkos ungezügeltes Be-nehmen fürchten, er wollte von Anfang an klarma-chen, daß er sich nicht so leicht einschüchtern ließ. Erwartete, bis Urko sich beruhigt hatte, dann fuhr erfort: »Ich habe die Absicht, meine Theorien und Trionzu überprüfen«, sagte er. »Es ist eine gute Gelegen-heit.«

Urko war sehr ungehalten. Er schlug mit denmächtigen Fäusten auf den Tisch vor ihm, als wolle erihn zertrümmern. »Die Arbeitskräfte eines ganzenDorfes sind in Gefahr, und er will Theorien überprü-fen!«

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Zaius hatte wiederum Mühe, die Ruhe wiederher-zustellen. »Trion liegt sehr isoliert«, sagte er schließ-lich, »und durch die Quarantäne wird das Risiko er-heblich vermindert.«

Zoran ergriff das Wort, ehe Urko von neuem an-fangen konnte. »Wenn ich Trion retten kann«, sagteer, »brauchen wir das Fieber nicht mehr zu fürchten.Und das bedeutet, daß es in der Zukunft keine Verlu-ste von Arbeitskräften oder landwirtschaftlichen Er-zeugnissen geben wird.«

»Gut, Zoran«, erklärte Zaius mit ruhiger Würde.»Ich glaube, wir haben genug gehört, um uns eineMeinung zu bilden. Laßt uns abstimmen. Wer ist da-für, daß Zoran nach Trion geht und sein Vorhabenausführt?«

Die Ratsmitglieder steckten die Köpfe zusammenund erörterten die Für und Wider, und schließlichgaben alle bis auf Urko ihre Zustimmung zu erken-nen.

»So sei es denn«, sagte Zaius.Urko war nicht bereit, es damit bewenden zu las-

sen. Er erhob sich langsam und schwerfällig und gingwortlos auf Zoran zu, während alle Anwesenden ihnbeobachteten und überlegten, was er nach der Ab-stimmungsniederlage sagen oder tun werde. EinigeRatsmitglieder verließen den Raum, um nicht in eineKonfrontation hineingezogen zu werden, die siefürchteten. Zoran wollte ihnen folgen, doch Urkopackte ihn am Arm und hielt ihn zurück.

»Auch ich werde nach Trion gehen und für dieEinhaltung der Quarantäne sorgen, Zoran«, sagte derGorillageneral. »Und wenn deine Theorien versagen...« Er ließ die Drohung unausgesprochen, machte ei-

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ne abrupte Kehrtwendung und marschierte hinaus.Zoran starrte ihm nach. Schließlich zuckte er die Ach-seln und wandte sich zum Gehen.

»Ihr werdet euer Vertrauen in mich nicht bereuen«,sagte er im Hinausgehen zu einer Gruppe von Kolle-gen, die sich am Eingang versammelt hatten. Dannging er zuversichtlich davon. Sein Assistent folgteihm nervös.

Auf der Waldlichtung am Bachufer beendeten diedrei Flüchtlinge ihre Morgenarbeit. Die wenigen Ge-rätschaften, die für die Bereitung des Frühstücks be-nötigt worden waren, wurden im Bach gewaschen.Burke grub mit seinem Jagdmesser ein Loch in denBoden, kratzte die Asche des Lagerfeuers hinein unddeckte sie mit Erde zu. Der gesamte Lagerplatz wur-de mit dürren Zweigen abgefegt und mit Laub undFallholz getarnt. Als die drei ihre Arbeit beendet hat-ten, war für einen oberflächlichen Betrachter nicht zuerkennen, daß jemand dagewesen war. Die Gefährtenbeluden sich mit ihren Rucksäcken und begannen ih-re Tageswanderung.

Nach einiger Zeit stießen sie auf einen überwach-senen Weg, der ihre Route kreuzte. Während sie nochstanden und beratschlagten, ob sie ihm folgen oderihre Richtung beibehalten sollten, hörten sie sonder-bare knarrende Geräusche, und kurz darauf kamhinter einer Wegbiegung ein abgerissen aussehenderMann in Sicht, der einen zweirädrigen Karren zog. Erhatte die Hände rechts und links auf deichselähnli-chen Griffen und ein Zugseil über der Schulter.

Um den mit allerlei grob geschnitzten Holzutensili-en beladenen Karren von der Stelle zu bewegen,

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mußte er sich in sein Zuggeschirr legen, und seinevornübergebeugte Haltung brachte es mit sich, daß erdie drei Wanderer erst bemerkte, als er auf wenigeSchritte herangekommen war. Er machte mit er-schrockenem Keuchen halt und starrte die drei an.Als sein Blick auf Galen fiel, verneigte er sich ehrer-bietig und bat mit heiserer Stimme um Erlaubnis,vorbeifahren zu dürfen.

Galen nickte.Der Mann bedankte sich und sagte: »Ihr wollt nicht

nach Trion, nicht wahr?«»Nein«, sagte Virdon. »Wer bist du? Kommst du

von dort?«»Mein Name ist Mason«, antwortete der Fremde.

»Das Dorf ist unter Quarantäne gestellt worden. EinFieber, eine Art Seuche. Viele sind erkrankt, und essoll Todesfälle gegeben haben. Es heißt, daß vielesterben werden.« Mason blickte von Virdon zu Burkeund zurück, und Stolz leuchtete aus seinem Gesicht.Er war der Überbringer wichtiger Nachrichten. Eswar das erste Mal in seinem armseligen Leben, daßihm eine solche Rolle zuteil geworden war.

»Warst du im Dorf?« fragte Burke.»Nein«, sagte Mason zögernd, »nicht im Dorf, Gott

bewahre. Die Wachtposten lassen keinen hinein undkeinen heraus. Ich hörte, ein Mann sei erschossenworden, als er aus dem Dorf zu fliehen versuchte ...«

Das vage Geschwätz des Mannes machte Virdonnervös.

»Was weißt du noch?« fragte er ungeduldig.»Kennst du die Namen der Gestorbenen?«

Mason starrte ihn verdutzt an, dann schüttelte erden Kopf. »Wie denn, ich? Ich wurde verschont, Gott

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soll mich schützen! Selbst ein Name könnte das Fie-ber übertragen. Wer weiß?« Er ergriff die Deichsel-stangen seines Karrens und wandte sich mit einerVerbeugung an Galen. »Ist es erlaubt, daß ich weiter-gehe?« fragte er.

Galen nickte, und Mason legte sich in sein Zugge-schirr und zog den Karren weiter, fort von Trion.Virdon und Burke sahen ihm schweigend nach. Galenschmunzelte, vielleicht erheitert vom seltsamen Be-nehmen des Mannes und dem Gegensatz zwischenseiner offensichtlichen Panik und der Kaltblütigkeitder beiden Astronauten. Alle Menschen waren ver-schieden, und Galen begann erst jetzt zu erkennen,wieviel er noch zu lernen hatte.

»Da zieht er hin«, bemerkte Burke. »Ein Musterbei-spiel dafür, was aus unseren Mitmenschen gewordenist.« Er schüttelte bekümmert den Kopf.

»Ich würde sagen«, meinte Galen, »daß aus einemVolk nur werden kann, was schon von Anfang an inihm steckte.«

»Kann schon sein«, erwiderte Virdon unwillig. »Aberich denke, es gibt jetzt eine wichtigere Frage zu klären.«

Burke seufzte. »Man braucht kein Gedankenleserzu sein, um zu wissen, was du meinst«, sagte er, wor-auf er sich in gespielter Verzweiflung zu Galenwandte und sagte: »Kannst du diesem Kerl klarma-chen, daß es keinen Sinn hat, in das verseuchte Dorfzurückzugehen?«

Galen nickte. »Er hat recht, Virdon. Selbst wennwir die Quarantäneabsperrung überwänden und hin-einkämen, was würde es nützen?«

Virdon überlegte. Die Stärke seines ursprünglichenImpulses ließ ein wenig nach, als er begriff, daß Ga-

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len und Burke recht hatten. »Ich weiß nicht«, sagte er.»Aber wie, wenn wir diejenigen wären, die diese Seu-che ins Dorf eingeschleppt hätten? Vielleicht habenwir ihnen ein Virus mitgebracht, das für uns harmlosist, für sie jedoch tödlich?«

»Diese Art von Gedankenspielerei ist typischmenschlich«, sagte Galen. »Selbst wenn wahr wäre,was du sagst, gäbe es dennoch keinen logischenGrund, nach Trion zurückzukehren. Ist es nicht ge-nauso gut möglich, daß ihr euch anstecken würdet,wenn ihr euch unter den Kranken aufhieltet?«

»Du hast vollkommen recht«, sagte Burke. »Natür-lich ist das möglich.« Er blickte mißbilligend zu Vir-don. »Von allen hirnverbrannten Ideen ist dies eineder schlimmsten.«

»Pete«, sagte Virdon, »meinst du nicht, daß wirwenigstens versuchen sollten, den Leuten zu helfen?«

Burke nagte auf der Unterlippe. »Habe ich gesagt,daß ich das nicht meine? Komm mit.« Und er tat einpaar Schritte in die Richtung, aus der sie gekommenwaren.

»Einen Augenblick.« Galens Stimme brachte ihnwieder zum Stehen.

»Was ist los, Galen?« fragte Burke. »Benehmen wiruns wieder typisch menschlich? Oder benehmen wiruns nicht typisch menschlich, und du willst wissen,warum?«

»Hattet ihr die Absicht, mich in diesen Rückmarschnach Trion mit einzubeziehen?« sagte Galen, ohne aufBurkes Stichelei einzugehen.

Burke blickte fragend zu Virdon.»Ich dachte, wir würden beisammenbleiben«, sagte

Virdon.

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Galen ging langsam auf sie zu und machte dabeibeschwichtigende Handbewegungen, als belehre ereinen besonders schwierigen Schüler. »Erst gesternabend haben wir alles das erörtert. Der bloße Um-stand, daß das Mädchen dich an deine Tochter erin-nert, ist kein Grund, der das Risiko der Rückkehrrechtfertigt, jedenfalls nicht für mich. Du mußt meineLage verstehen. Das junge Menschenmädchen übt aufmich nicht die geringste emotionale Anziehung aus.Die gesamte menschliche Siedlung bedeutet mir we-nig, wenn ich vom wissenschaftlichen Interesse abse-he. Und wenn ihr die Situation unvoreingenommenbetrachtet, müßt ihr sehen, daß es auch für euchkaum Veranlassung gibt, in das Dorf zurückzugehen.Dennoch wollt ihr umkehren.«

Virdon blickte Burke an, und Burke zuckte dieSchultern. Nach einem Augenblick nickten sie beide.

Galen schaute zum Himmel auf und sprach, alswende er sich an ein wachsames göttliches Wesenüber ihnen: »Daß euch der und der! Na, Gott mit uns!Gehen wir.«

Virdon und Burke grinsten einander an. Burkeschlug Galen auf die Schulter, eine Geste der Dank-barkeit und Kameradschaft, die Galen indessen nichtverstand. Virdon wollte es ihm erklären, aber dannließ er es sein und schüttelte bloß den Kopf. Die dreimachten sich auf den langen Rückweg nach Trion.

Im Dorf herrschte mehr Geschäftigkeit als je zuvor.Unglücklicherweise waren die Bewohner zu sehr mitden Fieberanfällen ihrer erkrankten Angehörigen be-schäftigt, um sich viele Gedanken über die Aufmerk-samkeit zu machen, die ihre Herren ihnen auf einmal

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widmeten. Niemand beachtete die uniformiertenschwarzen Riesen, die einen Sperrgürtel um das Dorfgezogen hatten und es gegen die Außenwelt abrie-gelten.

General Urko hatte das Dorf von einer Polizeiab-teilung umstellen lassen. Zweimal täglich ritt er aufseinem Pferd durch die umliegenden Felder und in-spizierte die am äußeren Rand der bestellten Lände-reien rings um das Dorf postierten Wachen. SeinHauptquartier bestand aus einem großen und mehre-ren kleinen Zelten, die er mit seinem Stab und demHilfspersonal bewohnte.

Nisa, der seit langem in der Nähe des DorfesWachdienst versah, fühlte sich durch die Anwesen-heit des Generals und die ungewohnte Aktivität ge-stört. Vor der Epidemie hatten er und seine wenigenKameraden ein ruhiges und bequemes Leben gehabt.Jetzt waren rauhere Zeiten angebrochen, und es wur-de auf Disziplin und die Einhaltung des Dienstplanesgeachtet. Keinen Augenblick konnte man sicher sein,daß nicht irgendein aufgeblasener Offizier des Wegeskam, um nach dem Rechten zu sehen ...

Nisa hörte ein Geräusch hinter sich und fuhr zu-sammen. Als er sich umwandte, sah er statt des er-warteten Inspektionsoffiziers Galen, Virdon und Bur-ke.

»Was wollt ihr hier?« fragte er, nachdem sie heran-gekommen waren. »Habt ihr nicht gehört? Im Dorf istdas Fieber ausgebrochen.«

»Wir haben davon gehört und sind mit diesemProblem vertraut«, erwiderte Galen gewandt. »Wirwollen ins Dorf gehen und helfen.«

Nisa lachte geringschätzig. »Der Ältestenrat hat ei-

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nen Heilkundigen aus der Hauptstadt geschickt, da-mit er sich der Dinge annehme. Ihr werdet nicht ge-braucht. Geht zurück, von wo ihr gekommen seid.«

Virdon trat vor, nicht gewillt, sich mit dieser Aus-kunft abspeisen zu lassen. »Sieh mal«, sagte er, »wirwollen nur ...«

Er brach ab, als Nisa das Gewehr hob und auf seineBrust richtete. Der Gorilla schüttelte energisch denKopf. »Hier kommt keiner durch. Das Dorf steht un-ter Quarantäne, und ich habe Befehl, jeden zu töten,der den Sperrkreis betreten will.«

Burke kam an Virdons Seite und musterte den Po-sten mit finsteren Blicken. »Müssen wir uns von ei-nem ehemaligen Zoobewohner sagen lassen, was wirzu tun und zu lassen haben?« sagte er.

Galen grunzte warnend, und Virdon nahm seinenFreund am Arm und sagte: »Das bringt uns nichtweiter, Pete. Vielleicht hat er recht. Schließlich folgt ernur seinen Anweisungen.«

»So ist es«, sagte Nisa warnend. Mit dem Gewehrmachte er eine auffordernde Bewegung. »Nun geht.«

»Es scheint uns nichts anderes übrigzubleiben«,sagte Galen. Die drei machten zögernd kehrt und ent-fernten sich auf dem Weg, den sie gekommen waren.

Nordöstlich des Dorfes lag ein Waldgebiet, dasVirdon von seinen Spaziergängen mit Amy ein wenigkannte. Unweit vom Dorf ging der Wald allmählichin ein Sumpfgelände über, das vor einigen Jahrenentstanden war, als der kleine Fluß ein neues Bett ge-graben und Teile des tiefgelegenen Gebiets über-schwemmt hatte.

Die drei Wanderer erreichten, aus dem Waldkommend, den Sumpf, und hielten sorgfältig Um-

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schau, bevor sie weitergingen. Allenthalben standenWassertümpel zwischen dichtem Weidengebüschund Erlen. Nirgendwo war eine Bewegung auszuma-chen, und außer dem dünnen Singen der Insektenund gelegentlichem Vogelgezwitscher herrschte völ-lige Stille. Nisa schien sich nicht weiter um sie zukümmern. Er war ihnen jedenfalls nicht nachgegan-gen. Sobald sie sich vergewissert hatten, daß sie un-beobachtet waren, gingen sie weiter, Virdon voran,um das Dorf auf dem Umweg durch die Sumpfge-gend zu erreichen.

Die schmatzenden und platschenden Geräusche ih-rer Schritte im morastigen Wasser blieben ungehört;der unwegsame Sumpf, kaum zweihundert Meterbreit, bildete eine unbewachte Lücke im Sperrkreis.Wenn sie sich still verhielten und die Deckung derBüsche und Bäume nutzten, konnten sie ungesehenins Dorf gelangen.

Nach einigen hundert Schritten machten sie amRand eines ziemlich großen und tiefen Tümpels haltund hielten nach Möglichkeiten Ausschau, ihn zuumgehen, ohne sich den Wachtposten zu verraten.Mücken tanzten in dichten Schwärmen über demWasser. Burke betrachtete sie eine Weile, dann schluger unnötig heftig nach einer Mücke, die sich auf sei-nem linken Handrücken niedergelassen hatte. Ernahm Virdon und Galen bei den Armen und zog sieein paar Schritte fort.

»Stehendes Wasser und Mücken«, sagte er. »Worandenkt ihr dabei?«

Galen blickte ihn verdutzt an; er verstand nicht,was Burke meinte. Virdon beschränkte sich auf eingrimmiges Nicken, und ehe Galen fragen konnte,

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woran er denken sollte, setzten die zwei anderen ih-ren mühsamen Marsch durch Wasser, Schilfgras undGebüsch fort. Galen folgte ihnen neugierig und ver-wirrt und wandte mehrmals den Kopf, um die stilleWasseroberfläche anzusehen.

Nachdem sie weitere Tümpel umgangen hatten, er-reichten die drei Wanderer endlich den von Weiden-gebüsch gesäumten Rand des Sumpfgebiets. Zwi-schen ihnen und den Hütten am Dorfrand war nurnoch eine Ackerbreite, und es schienen keine Wacht-posten in der Nähe zu sein. Nachdem sie einige Zeitgewartet und beobachtet hatten, überquerten sie imLaufschritt das freie Feld und gelangten zu den Hüt-ten am Dorfrand, ohne Alarmrufe auszulösen.

Das Dorf bot einen trostlosen Anblick. Die wenigenMenschen, die außerhalb ihrer Hütten zu sehen wa-ren, bewegten sich langsam und mit schleppendenSchritten, und die Innenräume der primitiven Behau-sungen waren voller kranker Männer, Frauen undKinder mit abgezehrten, gelblichen Gesichtern undfiebrig glänzenden Augen. Ihr Geschick mußte ihnenals ein Fluch böser Mächte erscheinen, der über dasDorf gekommen war, und sie nahmen es in dumpferErgebung und Apathie hin.

Als Virdon, Burke und Galen durch die Dorfstraßegingen, sahen sie die unbeerdigten Körper mehrereralter Leute und Kinder, die von ihren kranken Ange-hörigen vor die Hütten geschleift und liegengelassenworden waren. Ein Kranker war mitten auf dem Wegzusammengebrochen und versuchte sich zu erheben,als er die drei kommen sah. Sein Gesicht war hohl-wangig und schmutzig, und als das Aufstehen ihmnicht gelang, fiel er kraftlos zurück und hob bittend

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die Hand. Virdon und Burke knieten neben ihm nie-der.

»Helft mir ...«, krächzte der Mann mit heiserer,halberstickter Stimme.

Virdon fragte ihn, wo er wohne, und gemeinsamtrugen sie den Mann in seine Hütte. Sie gaben ihmWasser und versprachen wiederzukommen. Als sieins Freie kamen, warf Virdon seinem Gefährten einenbedeutungsvollen Blick zu. »Hast du die gleiche Dia-gnose wie ich?« fragte er.

»Malaria«, sagte Burke.Sie standen beisammen und blickten unschlüssig

die Dorfstraße hinunter. »Gott im Himmel«, mur-melte Virdon. »Was sollen wir bloß tun?«

Einige Hütten weiter kam Amy Talbert aus einemEingang. Sie blinzelte in die heiße Sonne und schicktesich an, die Dorfstraße zu überqueren, als sie ihre dreiFreunde sah. Sekundenlang stand sie wie erstarrt, un-fähig zu glauben, was ihr der Augenschein sagte.Dann hellte Freude ihr mageres Gesicht auf, und siehob den Arm mit einer impulsiven Gebärde und riefVirdon beim Namen.

Augenblicke später war er bei ihr, legte den Armum ihre Schultern und fragte sie nach ihrem Ergehen.»Mein Vater«, sagte sie stockend, »mein Vater ... ist ...tot ...«

Virdon wußte nicht, was er sagen sollte. Alle Bei-leidsworte erschienen ihm in diesem Augenblick un-zulänglich. Burke kam zu ihnen, und sie traten in denSchatten unter einem Hüttendach. »Gut, dich zu se-hen, Amy«, sagte Burke. »Wie fühlst du dich? Kön-nen wir dir helfen?«

Amy waren bei dem Gedanken an ihren Vater wie-

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der die Tränen gekommen, und ihre Stimme klangundeutlich, als sie antwortete. »Ich bin nur müde«,sagte sie, »aber ich bin nicht ... krank ...«

Virdon strich ihr übers Haar. Es mußte etwas ge-schehen, aber die Maßnahmen, die er empfehlenkonnte, würden ohne geeignete Medikamente jäm-merlich unzureichend sein. Dennoch mußte ein An-fang gemacht werden, oder die Situation würde sichweiter verschlechtern. Nach kurzer Überlegung bat erAmy und Burke, in die Hütten zu gehen und sämtli-che gesunden oder nur leicht erkrankten Bewohnerzu einer Versammlung auf den Dorfplatz zu bitten.Er selbst wollte sich ebenfalls an der Aktion beteili-gen.

Eine knappe Stunde später hatten sich alle, dienoch auf den Beinen stehen konnten, auf demschmutzigen kleinen Dorfplatz eingefunden. Sie um-drängten Virdon, als ob er eine Art Wunderheiler wä-re, der sie durch Handauflegen gesundmachen kön-ne. Virdon sah, daß er ihnen nicht zu viel Hoffnungmachen durfte.

»Hört mir gut zu«, sagte er mit erhobener Stimme.»Die Zeit arbeitet gegen uns, und wir müssen raschhandeln. Das Wichtigste ist, daß die Toten begrabenwerden. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr esgerade darauf ankommt. Wenn wir es nicht tun, wirdes außer dem Fieber bald andere und schlimmereKrankheiten im Dorf geben.«

Hufschläge galoppierender Pferde wurden hörbarund verstärkten sich, als die Reiter zwischen denHütten die Dorfstraße herangeprescht kamen. Diekleine Menschenmenge auf dem Platz wurde unruhigund blickte umher, doch war noch niemand zu sehen.

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»Wir müssen eine gemeinsame Behandlung derKranken organisieren«, rief Virdon, um die Aufmerk-samkeit seiner Zuhörer zurückzugewinnen.

Zoran und sein Assistent Inta zügelten ihre Pferdeam Rand des Platzes, saßen ab und kamen herüber.Virdon versuchte fortzufahren: »Wir müssen Arbeits-gruppen bilden und zusammen helfen, damit dienotwendigen Arbeiten rasch und zuverlässig ...«

»Ruhe!« befahl Zoran.Virdon brach ab. Aller Blicke richteten sich auf

Zoran und Inta. Die beiden großgewachsenen, intelli-gent aussehenden Schimpansen musterten Virdonaufmerksam und mißtrauisch.

»Du scheinst hier eine Art Anführer zu sein«, sagteZoran schließlich. »Ich frage mich, was General Urkosagen würde, wenn er wüßte, daß ein Mensch dieArbeitskräfte zu organisieren versucht.«

»Ich bin kein Anführer, Herr«, sagte Virdon hastig.»Was ich eben sagte, ist nur vernünftig.«

»Wer bist du?« fragte Zoran.»Nur ein ... ein Arbeitsmann, der seinen Mitmen-

schen zu helfen sucht«, sagte Virdon.»Ich bin Zoran, beauftragter Heilkundiger des Äl-

testenrats. Dies ist mein Assistent Inta. Ich bin ge-kommen, um in diesem Dorf alle notwendigen Maß-nahmen zur Ausrottung der Seuche zu treffen. Vonnun an wird allein meinen Anweisungen Folge gelei-stet.«

Virdon zog sich vorsichtig zurück, bis er zwischenBurke, Galen und Amy stand. Zoran und Inta schie-nen sich nicht weiter um ihn zu kümmern. Zoranging langsam über den Platz, um einen der erkrank-ten Dorfbewohner zu untersuchen, der unter dem

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strohgedeckten Vordach einer Hütte lag. Virdonschickte sich an, ihm zu folgen, doch Burke hielt ihnzurück. »Bist du verrückt?« sagte er mit halblauterStimme. »Was hast du vor?«

»Es ist offensichtlich, daß die Affen keine Ahnunghaben, was Malaria ist«, sagte Virdon. »Sie wissennicht, wie sie verursacht wird, und sie wissen nicht,wie man sie heilt.«

Burke machte ein besorgtes Gesicht. »Wir müssenvorsichtig sein«, sagte er. »Wir dürfen nicht den Ein-druck erwecken, als hätten wir alle Antworten parat.Das würde den Affen ganz und gar nicht gefallen.Andererseits müssen wir für die Kranken tun, waswir können. Ich weiß nicht, wie wir diese beiden N ot-wendigkeiten miteinander vereinbaren sollen. Du?«

Virdon zuckte die Schultern und machte sich los.Er eilte Zoran nach, ehe Burke ihn wieder festhaltenkonnte, und nahm eine ehrerbietige Haltung an. »Wirsind sehr glücklich, daß du zu uns gekommen bist,Herr«, sagte er. »Vielleicht können wir bei der Arbeithelfen.«

Zoran schenkte ihm einen zweifelnden Blick. »Ichkann gut verstehen, daß du mir bei der Arbeit helfenmöchtest. Das würde deine Stellung unter deinesglei-chen sicherlich erhöhen, nicht wahr? Aber warum inaller Welt sollte ich darauf eingehen?« Er beendetedie Untersuchung eines Kranken, dann erhob er sich,streifte die behandschuhten Hände aneinander abund nickte zuversichtlich.

»Wir werden sofort eine Grube ausheben lassen«,sagte er zu Inta. »Diese Leute werden sie mit Wasserfüllen, und ich werde bestimmte Medikamente hinzu-fügen – gemahlene Nüsse und Wurzeln, und ver-

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schiedene natürliche Chemikalien. Sodann werdensich alle Dorfbewohner, die gesunden wie die kran-ken, entkleiden und in der Lösung untertauchen.Schließlich wird ein jeder einem Aderlaß unterzogen,wobei die jeweilige Menge des abzuführenden Blutesvon Größe und Alter des Betreffenden abhängig seinwird. Körperliche Kontakte sind weitgehend zu ver-meiden, bis wir diese Krankheit unter Kontrolle ha-ben.« Er wandte sich zu Virdon und nickte ihm auf-fordernd zu. »Du bist begierig, dein Organisationsta-lent unter Beweis zu stellen. Nun, du sollst eine Gele-genheit dazu erhalten: du wirst das Ausheben derGrube beaufsichtigen.«

Die Unsinnigkeit von Zorans Therapie hatte Virdondie Sprache verschlagen, und er stand benommen da,unfähig zu antworten.

Burke trat zornig vorwärts und sagte: »Mit der Be-handlung wirst du hier nichts erreichen, alter Freund.Dann ist es noch besser, die Kranken einfach liegenzu lassen!«

Zoran wandte sich halb um und starrte zuerst ver-blüfft, dann empört in Burkes Gesicht. »Was nimmstdu dir heraus, Kerl?« fuhr er auf. »Noch eine Re-spektlosigkeit, und ich werde dich der Polizei über-geben. Und wer bist du, daß du dich erdreistest, mei-ne Behandlung zu kritisieren?«

Galen sah, daß die beiden Männer sich wiedereinmal in eine Position manövriert hatten, die sieleicht in die größten Schwierigkeiten bringen konnte.Die Astronauten konnten oder wollten einfach nichtbegreifen, wie die Dinge in dieser Welt geregelt wa-ren, und weigerten sich noch immer, die natürlicheLebensordnung anzuerkennen, die völlig einleuch-

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tende und vernünftige Herrschaft des entwickeltenAffen über den Menschen.

Galen holte tief Luft; er war ein Flüchtling undüber seine Heimat hinaus bekannt. Er konnte nur hof-fen, daß Zoran ihn nicht erkennen würde. Er war niezuvor mit dem Heilkundigen zusammengetroffenund glaubte das Risiko eingehen zu können. So nahmer das Wort und sagte in beschwichtigendem Ton:»Er wollte nur andeuten, daß diese besondere Krank-heit, mit der er vertraut ist, nach einer speziellen Be-handlung verlangt.«

»Wer bist du?« fragte Zoran gereizt. »Was hast duhier in diesem Dorf verloren?«

Galen seufzte erleichtert auf. Er war sicher. »Ichwollte diese zwei in ein anderes Dorf bringen, woArbeitskräfte gebraucht wurden, aber die Quarantänehielt uns hier zurück. Höre auf sie, Herr. Sie sind in-telligenter als die meisten ihrer Artgenossen.«

Zoran musterte Galen nachdenklich, während erdie Worte überdachte. Das Problem der Seuche warzweifellos schwierig, und er hatte vor dem versam-melten Ältestenrat erklärt, daß er eine Lösung findenwerde. Sein Ruf und seine Zukunft standen auf demSpiel. In Anbetracht dessen konnte es nicht schaden,wenn er sich anhörte, was dieser vorlaute Mensch zusagen hatte. Er nickte Burke zu. »Du bist also mit die-ser Krankheit vertraut, wie?« sagte er spöttisch.

Burke nickte. »Es ist Malaria.«Zoran lachte laut auf. Er wandte sich seinem Assisten-

ten zu und sagte: »Er hat sogar schon einen Namenfür die Krankheit! Geh und hol die Wachen, Inta. Ich ha-be keine Zeit, mich mit diesem Dummkopf abzugeben.«

Inta nickte, lief zu seinem Pferd und ritt davon.

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Galen rang bekümmert die Hände. »Herr«, sagte erschnell, »die Wachen werden nicht notwendig sein.«

Virdon hatte aufgehört, um seine eigene Sicherheitbesorgt zu sein. Er mußte diesen Zoran von derWahrheit seines Wissens überzeugen, oder die Ein-wohner Trions waren so gut wie zum Tode verurteilt.Die Zeit war knapp, und die Erfolgsaussichten warengering, aber er mußte den Versuch machen.

»Hör mich an, Herr«, sagte er in beschwörendemTon. »Malaria bedeutet ›schlechte Luft‹. Gemeint istdamit die feuchtheiße Luft über Sümpfen und mora-stigen Tümpeln, wie wir sie auf dem Weg zu diesemDorf nicht weit von hier gesehen haben. Die Mücken,die in solchen Gewässern ausgebrütet werden, tragendie Krankheit mit sich und geben sie durch ihrenStich weiter.«

Zoran hatte genug. Er war es nicht gewohnt, mitMenschen zu sprechen – wann immer das notwendigwurde, überließ er es Inta –, und er fand es nahezuunerträglich, sich von einem solchen niedrigstehen-den Geschöpf widersprechen zu lassen. In einer Wei-se war er froh, daß Inta fortgeritten war und nichtmiterleben konnte, was für Zoran eine schlimmePeinlichkeit war.

»Genug jetzt!« sagte er scharf. »Ich weiß nicht, obich euch wegen Dummheit mit Stockschlägen bestra-fen oder wegen Unverschämtheit und Insubordinati-on hängen lassen soll. Seuchen, die mit Insektendurch die Luft fliegen! Krankheiten der niederen Spe-zies werden durch körperlichen Kontakt übertragen.«

»Diese nicht«, sagte Burke.Zorans Erregung steigerte sich. »Du wagst es, mir

zu widersprechen?«

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Galen war der Verzweiflung nahe. Es hatte denAnschein, als versuchten Virdon und Burke, sich vor-sätzlich in Schwierigkeiten zu bringen! Begriffen die-se Menschen nicht, daß sie eine so mächtige Persön-lichkeit wie Zoran nicht herausfordern durften? Eskam nicht darauf an, wer in dieser Sache recht hatte;wichtig war nur, daß Zoran die Befehlsgewalt hatteund daß Virdon und Burke als rechtlose Arbeitsskla-ven galten.

»Glaube mir, Herr«, wandte er sich in bittendemTon an Zoran, »er ist nicht absichtlich unverschämt.Die Angst hat ihm törichte Worte in den Mund ge-legt.«

Pferdegetrappel lenkte die Aufmerksamkeit derVersammelten zur Einmündung der Dorfstraße. Vir-don und Burke tauschten nervöse Blicke aus; es be-gann ihnen klarzuwerden, daß sie sich hier in eineSituation manövriert haben mochten, aus der sie sichkaum würden herausreden können. Vielleicht wür-den sie ihr Heil in der Flucht suchen müssen, so we-nig ihnen der Gedanke gefiel.

»Angst, wie?« sagte Zoran, dem ihre Nervositätnicht entgangen war. »Ist das die Ursache ihres tö-richten Geredes? Nun, mögen sie der Polizei ihre Be-handlungsmethoden auseinandersetzen! Ich habemeine Therapie für diese Krankheit.«

»Diese Männer verstehen etwas von Medizin«,sagte Galen in einem letzten Versuch, Zoran umzu-stimmen. Der Heilkundige winkte ärgerlich ab.

»Rede keinen Unsinn!«Unterdessen waren die Reiter auf dem Dorfplatz

angelangt, Nisa an der Spitze, gefolgt von Inta undeinem zweiten Polizisten. Virdon bemerkte, daß Nisa

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schwitzte und einen erschöpften Eindruck machte.Zoran zeigte auf die zwei Männer und winkte diePolizisten heran. »Verhaftet diese beiden«, befahl er.

Anfangs sah es aus, als beachte Nisa die zornigeAnweisung des Heilkundigen nicht, denn er hatteSchwierigkeiten mit seinem Pferd, das den Kopf auf-warf und unruhig tänzelte. Nisa zog heftig an denZügeln, und das Tier beruhigte sich; er lenkte es nä-her heran und bedachte Virdon, Burke und Galen mitunheilverkündenden Blicken. »Verhaften?« sagte eraufgebracht. »Erschießen werde ich sie! Sie haben ge-gen meinen Befehl die Quarantänegrenze überschrit-ten und sind heimlich in den Sperrkreis eingedrun-gen.«

Zoran schien unangenehm berührt. Solche Blutdür-stigkeit war nicht nach dem Geschmack des mehr in-tellektuellen Schimpansen. Nichtsdestoweniger warNisa ein Vertreter der Sicherheitskräfte, die in diesenabgelegenen Gegenden den einzigen Schutz gegenaufsässige Sklavenarbeiter und andere Gefahren dar-stellten. Sie wußten wahrscheinlich aus Erfahrung,was in solchen Fällen richtig und angemessen war; eswar nicht Zorans Sache, sich in Fragen einzumischen,die allein Sache der Exekutive waren. Schließlichhatte er es so schon schwer genug.

»Macht mit ihnen, was ihr wollt«, sagte er schulter-zuckend und wandte sich ab.

Die beiden Astronauten wechselten alarmierendeBlicke. Galen trat abermals vor und wandte sich anZoran, der ihm den Rücken zugekehrt hatte und fort-ging. »Herr«, rief er, »ich muß gegen eine solche Ver-fahrensweise protestieren ...«

Zoran schenkte dem Einwand keine Beachtung

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und ging weiter. Nisa wiederum war froh, daß ernach eigenem Gutdünken verfahren konnte. Erbrachte das Gewehr in Anschlag und zielte auf Vir-don. Gleichzeitig hob auch der zweite Polizist dasGewehr und richtete es auf Burke. »Los, an die Wanddort!« befahl Nisa.

Er gab seinem Pferd die Sporen, um die beiden To-deskandidaten vor sich her zu treiben, doch das un-ruhige Tier bäumte sich steil auf. Nisas Kräfte reich-ten nicht mehr aus, um die Herrschaft zurückzuge-winnen; er verlor das Gewehr, fiel rücklings aus demSattel und prallte hart auf den Boden. Kava, der an-dere Polizist, trieb sein Reittier heran und ergriff diehängenden Zügel von Nisas Pferd, worauf er das Tierfortzog, um zu verhindern, daß es seinen Herrn zer-trampelte. Nisa lag im Staub und schien betäubt.

Die Rufe und das Durcheinander veranlaßtenZoran, sich umzuwenden und die Vorgänge zu beob-achten. Virdon und Burke beugten sich über den be-wußtlosen Gorilla. Nach wenigen Augenblickenrichtete sich Burke wieder auf und sagte zu Zoran:»Wie steht es jetzt mit der Theorie? Hatte er vielleichtkörperlichen Kontakt mit den niederen Spezies? Erhat Malaria!«

Kava, Nisas Kollege, begann die Sache unheimlichzu werden. Er blickte beunruhigt zu Zoran, währender alle Hände voll zu tun hatte, die beiden Pferde zuhalten. »Was sagt er?« verlangte er zu wissen. »Wiekann das möglich sein?«

Zoran kam zurück, winkte die beiden Menschenzur Seite und beugte sich über Nisa. Er ließ KavasFrage unbeantwortet, denn die jüngste Entwicklungbeunruhigte ihn ebenso wie jenen, doch hinzu kam

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bei ihm die plötzliche Einsicht, daß die Situation beiweitem komplizierter war, als es bisher den Anscheingehabt hatte. Es war nicht auszuschließen, daß dieseso selbstsicher auftretenden Menschen doch rechthatten. Vielleicht war die überlieferte Heilkunde tat-sächlich lückenhaft und nicht auf alle Krankheitenanwendbar. Die Vorstellung war mehr als alles ande-re geeignet, Zorans Weltbild zu erschüttern. Er unter-suchte den kranken Nisa und schüttelte ungläubigden Kopf. Alle Logik schien sich in Nichts aufzulö-sen. »Ich ... ich habe keine Erklärung ...«, sagte erendlich.

Kava starrte zornig und verächtlich auf ihn herab.»Willst du das auch zu Urko sagen, wenn er dichfragt?«

Darauf wußte Zoran keine Antwort.

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3.

Der folgende Tag war so heiß und sonnig wie dervorausgegangene. Im Dorf starben wieder zwei alteLeute und ein Kind. In Urkos Hauptquartier fand ei-ne hastig zusammengerufene Sitzung des Ältesten-rats statt, die eine Entscheidung über das weitereVorgehen bringen sollte. Die Sitzung verlief wenigerglatt als die letzte, denn inzwischen hatten die Stand-punkte sich verhärtet, und die Emotionen der Rats-mitglieder schienen sich immer wieder in das logischkühle Abwägen und Urteilen zu drängen, auf das siesich so viel zugute hielten. Vor dem Zelt standenzwei Polizisten Wache und versuchten, während siedie Pferde der Ratsmitglieder im Auge behielten,Einzelheiten über den Verlauf der Sitzung zu erlau-schen. Doch sie hörten nur die verworrenen Geräu-sche zorniger Stimmen und gelegentliche Ausrufe,die sich über den allgemeinen Lärm erhoben.

»Feuer!« brüllte Urko. »Reinigung durch das Feuer!Das ist der einzige Weg, der uns noch bleibt.«

Ein anderer versuchte sich Gehör zu verschaffen. Ernahm mehrere Anläufe, doch jedesmal ging seine Redeim aufgeregten Streit der anderen unter. Schließlichkam Zaius ihm zu Hilfe und schlug so lange mit demHammer auf den Tisch, bis Ruhe einkehrte. Dann er-teilte er dem frustrierten Ratsmitglied das Wort.

»Wir haben es jetzt mit einer veränderten Lage zutun, Zaius«, sagte der Rat. »Bisher waren von derKrankheit nur Menschen betroffen. Nach den jüng-sten Ereignissen scheint erwiesen zu sein, daß auchwir von dieser Seuche gefährdet sind.«

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»Es ist wahr, daß das Problem eine zusätzliche Di-mension gewonnen hat«, erwiderte Zaius. »Aber wirsollten uns nicht zu Panikreaktionen hinreißen lassen.Gerade jetzt ist es wichtig, ruhig und rational zu den-ken.«

Die Ratsmitglieder ergriffen einhellig die Gelegen-heit, um die Stärke ihrer Empfindungen zu demon-strieren. Die vielen gleichzeitigen Kundgebungenführten abermals zu völligem Chaos. Zaius schlugmit dem Holzhammer auf den Tisch, doch gelang esihm diesmal nicht, die Ruhe wiederherzustellen.Schließlich gab er auf, weil seine Schläge den Lärmund die Konfusion nur noch verstärkten. Lange Mi-nuten vergingen, ehe die Ratsmitglieder erkannten,daß sie so nicht weiterkamen, und sich wieder auf ih-re Sitze niederließen.

Zoran hatte an den lauten Kundgebungen nichtteilgenommen und saß still an seinem Platz. Urko sahseinen grüblerischen und von Zweifeln geplagten Ge-sichtsausdruck und ging sofort zum Angriff über.»Du und deine Theorien!« brüllte er, den muskulösenArm ausgestreckt und mit dem Finger auf Zoran wei-send. Dann ballte er die Hand drohend zur Faust undwandte sich an die übrigen Sitzungsteilnehmer. »Ersollte mit den anderen verbrannt werden.«

Zaius hatte Mühe, den Aufruhr unter Kontrolle zubringen, der auf Urkos Worte folgte. »Ich glaubewirklich, daß dieser Vorschlag ein wenig extrem ist,selbst in einer Situation wie dieser«, sagte er. »Ichschlage vor, wir hören uns Zorans Einschätzung derLage an.«

Die Blicke aller Anwesenden richteten sich erwar-tungsvoll auf Zoran. Eine plötzliche Stille trat ein,

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und je länger sie andauerte, desto tiefer und entner-vender schien sie zu werden. Zoran holte tief Atem.Es war möglich, daß er aus diesem Dilemma diskre-ditiert und ruiniert hervorgehen würde. Dabei hattealles so einfach begonnen! Er wünschte beinahe, daßer Urko bei der letzten Ratsversammlung seinenWillen gelassen hätte. Trotzdem bestand noch immerdie Möglichkeit, diese verfahrene Angelegenheit ineinen Sieg umzumünzen.

Zoran erhob sich von seinem Platz, und die Ge-danken gingen wie ein Mühlrad in seinem Kopf um-her. Alle warteten, daß er etwas sagen würde. »Beimeiner Ankunft in Trion«, sagte er mit Bedacht, »ent-deckte ich, daß das Fieber ... von anderer Art war, alsich vermutet hatte. Es handelt sich um eine selteneErkrankung mit Namen ... Malaria, die unsereinengenauso befallen kann wie Menschen. Das läßt dieSchlußfolgerung zu, daß sie offenbar nicht ... durchkörperlichen Kontakt übertragen wird ...«

»In welcher anderen Weise könnte sie dann über-tragen werden?« fragte Zaius.

Jetzt gab es Zurück mehr. Zoran straffte sich undsagte mutig: »Ich habe Gründe für die Vermutung,daß die Krankheit in stehenden Gewässern wie mora-stigen Tümpeln entsteht ... und durch den Stich vonMücken in den Blutkreislauf gebracht wird.«

Die Ratsmitglieder starrten Zoran verblüfft an.Noch nie hatten sie Derartiges gehört, und daß eineAutorität wie Zoran daran glaubte, verblüffte sie aufsÄußerste.

»Das kann nicht dein Ernst sein!« sagte einer derOrang-Utans.

Urko lachte rauh auf. »Er hat selbst das Fieber.«

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Auch unter den übrigen Ratsmitgliedern gab es un-freundliche und ungläubige Bemerkungen. Zaius riefzur Ordnung und sagte: »Ich muß gestehen, Zoran,daß es mir ein wenig schwerfällt, an eine solche Ver-sion zu glauben.«

»Nahe bei Trion gibt es morastige Tümpel«, sagteZoran. »Und sowohl die Menschen als auch die örtli-chen Sicherheitskräfte waren den schädlichen Ein-flüssen ausgesetzt.«

»Und welche Methode zur Seuchenbekämpfungsollten wir jetzt anwenden?« fragte Zaius.

Das war die Frage, die Zoran fürchtete. Er hatteüber die Sache nachgedacht, bis ihm der Verstandheißgelaufen war; er hatte alles erwogen, was diezwei Menschen ihm gesagt hatten, und noch immerergab es keinen Sinn. Er mußte hinhaltend taktieren.Vielleicht würde etwas geschehen, oder vielleichtwürde ihm später etwas einfallen.

»Ich werde noch eine Weile brauchen, um aus die-sem komplizierten Sachverhalt die geeignetenSchlußfolgerungen zu ziehen«, sagte er in der Manierdes Spezialisten, der sich seiner Unentbehrlichkeitnur zu gut bewußt ist.

»Wie lange soll das dauern?« grollte Urko.»Vor morgen werde ich kaum eine Behandlungs-

methode vorschlagen können«, sagte Zoran. »Abernachdem diese Krankheit auch für uns gefährlich ist,sollten wir diese Situation in jedem Fall nutzen, umeine Heilbehandlung zu entwickeln. Ich glaube, daswird jedem einleuchten.«

»Sehr richtig«, sagte Zaius zu Zorans großer Er-leichterung. »Vielleicht hat dieses Problem auch einepositive Seite. Wir können mit den Menschen expe-

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rimentieren. Selbst wenn wir das gesamte Dorf verlö-ren, wäre es auf lange Sicht ein Gewinn, sofern es unsgelingt, ein Heilmittel zu finden. Die Geschichte derHeilkunde ist voll von Beispielen, die zeigen, daß derFortschritt eben durch solche Experimente ermöglichtwurde. Ja, ich glaube, wir sollten diese Gelegenheitwahrnehmen.«

Damit war die Sache entschieden. Zoran wurde zurweiteren Berichterstattung verpflichtet, und Zaius be-endete die Sitzung. Urko hielt sich mit mißbilligen-den Äußerungen zurück und gab seine ablehnendeHaltung nur dadurch zu erkennen, daß er wortlosaus dem Zelt stampfte.

Drückende Hitze lag über dem Land, und Urko be-schirmte die Augen, als er ins Freie trat. Eine Weilestand er bewegungslos, dann winkte er seinem Bur-schen, das Pferd zu bringen. Noch ehe Zoran aus demZelt kam, war der General davongeritten.

Im Dorf waren unterdessen Arbeitsgruppen gebildetworden. Die kräftigsten unter den noch gesundenMännern und Frauen begruben die Toten, währendandere eine der größeren Hütten in ein Lazarett fürdie bettlägerigen Dorfbewohner verwandelten.

Virdon ging von Gruppe zu Gruppe, begutachtetedie Arbeit und faßte mit an. Er ermutigte die Leute,wo er konnte; selbst wenn diese Arbeiten nichts ge-gen das Fieber ausrichten konnten, so fesselten siedoch die Aufmerksamkeit der Menschen und hin-derten sie daran, in Apathie zu versinken.

Burke dachte anders; für ihn war die bloße Tatsa-che, daß sie die richtige Diagnose gestellt hatten,schon ein enormer Vorteil bei der Bekämpfung der

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Krankheit. Was sie taten, war wenigstens nicht ver-kehrt. Sie hoben keine Gruben aus, um sie mit Wasserzu füllen. Sie ließen die Dorfbewohner nicht zurAder. Er dachte daran, wie die Wissenschaftler seinerZeit Malaria und Gelbfieber bekämpft hatten. Manhatte Kulturen einer Bakterie entwickelt, welche spe-ziell die Malariamücke Anopheles angriff. Sobald dieBakterien in die Wassertümpel mit den Brutstättender Malariamücke gebracht wurden, starben dieMückenlarven innerhalb weniger Tage ab. Diese fürden Menschen und alle anderen Tierarten harmloseMethode war für die Ökologie der betroffenen Ge-gend unvergleichlich viel schonender und sicherer alsdas Besprühen mit Insektiziden.

Burke leitete die Unterbringung und Behandlungder Erkrankten in der Lazaretthütte. Helfer wuschendie Kranken mit eigens herbeigeschafftem Brunnen-wasser ab und Burke sorgte dafür, daß sie leichte, vit-aminreiche Diät erhielten.

Am Abend nach der Versammlung des Ältesten-rats kam Zoran ins Dorf geritten, saß ab und gingumher, um zu sehen, was die zwei Männer unter-nommen hatten. Dabei stieß er auf ein paar Frauen,die aus Stoffresten Handschuhe und Gesichtsmaskenmit Augenschlitzen nähten. »Was machen sie da?«fragte er Burke.

»Schutzmasken und Handschuhe«, erwiderte derandere. »Wir wollen einen Arbeitstrupp in denSumpf schicken und Abzugsgräben zur Entwässe-rung der Teiche ausheben.«

Zoran hörte schweigend zu. Er griff die Vorschlägenicht an, denn seine persönliche Lage war so prekär,daß er jede Hilfe annehmen mußte, die er bekommen

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konnte, so unorthodox sie scheinen mochte. Er hattesich auf dieses Spiel eingelassen, und nun war es nurvernünftig, es auch bis zum Ende durchzustehen.»Ich bin im Ältestenrat in einer äußerst schwierigenLage«, sagte er. »Ich habe den Mitgliedern eure ...Mückentheorie vorgetragen. Um euch im Falle einesMißerfolgs vor Bestrafung zu schützen, gab ich sienatürlich als meine eigene Theorie aus ...«

Virdon und Burke tauschten verwunderte Blickeaus. Diese wohlwollende Haltung war etwas ganzNeues. Gewöhnlich waren die Herren nur zu gern be-reit, die Schuld an Fehlschlägen auf die verachtetenund rechtlosen Menschen abzuwälzen. »Das ist sehrgroßzügig, Herr«, sagte Virdon.

Zoran musterte die beiden neugierig. Er fragte sich,ob sie wirklich die einfachen Bauern und Landleuteseien, als die sie sich ausgaben. »Es ist nicht nurGroßzügigkeit«, sagte er wegwerfend. »Wenn ichdem Rat gesagt hätte, daß ich die Theorie von zweiMenschen habe, so würden sie Fragen gestellt haben:wer ihr seid, wie ihr zu diesen Informationen ge-kommen seid. Namentlich Urko würde sich sehr fürMenschen interessieren, die mehr wissen, als sie wis-sen sollten. Ich hoffe um unser aller Wohlergehenwillen, daß ihr über diese Krankheit Bescheid wißt.«

Virdon und Burke waren alarmiert und besorgt.Niemand war begieriger als General Urko, die Astro-nauten einzufangen und zu töten; er befürchtete, daßsie ihren unterdrückten Artgenossen Wissen vermit-teln und sie zu einem Sklavenaufstand führen könn-ten. Zoran sah ihre Blicke und fuhr fort: »Ihr habt eineTheorie geliefert, einen Namen für die Krankheit, ei-ne Diagnose. Ob richtig oder falsch, ist dabei weniger

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wichtig. Aber wie steht es mit der Behandlung?«»Es gibt ein natürliches Heilmittel für Malaria«,

sagte Virdon. »Es heißt Chinin und wird aus der Rin-de eines subtropischen Baumes gewonnen, der Fie-berrindenbaum oder Cinchona genannt wird.«

Zoran sah plötzlich sehr müde aus. Er seufzte. »Ichhabe nie von einem solchen Baum gehört«, sagte erbekümmert.

»Jenseits des Sumpfes liegt ein größeres Waldge-biet«, sagte Burke. »Das Klima ist in dieser Gegendtropisch warm. Wenn wir Glück haben, werden wireinen Cinchona finden.«

Virdon ging in die Hütte, wo Frauen und Kindereine Anzahl Schutzmasken und Handschuhe fertig-gestellt hatten. Er probierte Handschuhe und Ge-sichtsmaske an, nickte zufrieden und nahm einenzweiten Mückenschutz mit hinaus, um ihn Zoran an-zubieten. Der Heilkundige war sofort einverstanden.

Nachdem alle sich mit Schutzkleidung versehenhatten, brachen Virdon, Burke, Galen und Zoran mitmehreren Männern aus dem Dorf ins Sumpfgebietauf. Die Sonne brannte herab, und unter den Stoff-masken rann der Schweiß in Bächen von den Gesich-tern. Aber alle wußten, wie wichtig der Mücken-schutz war.

Die Sumpftümpel überraschten Zoran durch ihreGröße. Er kauerte nieder und beobachtete das Was-ser. Es wimmelte von den kleinen, an winzige Kaul-quappen gemahnenden Mückenlarven. Eine Unzahlausgewachsener Stechmücken ließ sich auf die Klei-der der Gruppe nieder. »Ist es sicher, daß wir hinrei-chend geschützt sind?« fragte Zoran unbehaglich.

»Wenn die Mücken einen nicht stechen können,

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dann können sie auch nicht die Krankheit übertra-gen«, sagte Burke.

Virdon zeigte dem mit Schaufeln und anderemGrabwerkzeug ausgerüsteten Arbeitstrupp, der mitihnen gekommen war, wo der Entwässerungsgrabengezogen werden sollte. »Denkt daran«, ermahnte erdie Leute, »daß kein Körperteil ungeschützt sein darf,so heiß es auch werden mag.« Dann wandte er sichzu Galen um, der die Arbeiten überwachen sollte,nickte ihm zu und wünschte ihm Glück. Darauf gin-gen Burke, Virdon und Zoran allein weiter.

Als sie den Rand des Waldgebiets erreicht hatten,zogen sie die Schutzmasken von den Gesichtern undentledigten sich der Handschuhe. Sie wollten mit derSuche beginnen, als dumpfe Hufschläge hörbar wur-den. Offenbar waren sie gesehen worden. Augenblik-ke später kamen General Urko an der Spitze einerReiterpatrouille aus dem Gebüsch und zügelte seinPferd wenige Schritte vor Zoran.

Virdon und Burke hatten sich die Masken hastigwieder übergezogen, um ihre Identität zu verbergen.Nun boten sie einen komischen Anblick, der die Rei-ter sehr erheiterte und zu allerlei Bemerkungen inspi-rierte. Urko brachte sie mit einer Handbewegungzum Schweigen, dann beugte er sich aus dem Sattelund sagte in drohendem Ton: »Was ist los? Willst duaus dem Dorf fortlaufen, Zoran?«

Zoran sah ein, daß ein Außenstehender seinDurchqueren des Sumpfgebiets als Fluchtversuchauslegen konnte. Er warf indigniert den Kopf zurückund sagte: »Das Heilmittel ist in der Rinde eines be-stimmten Baumes, und wir glauben, daß ein solcherBaum in diesen Wäldern gefunden werden kann.«

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Urko lachte. »Wir glauben?« fragte er. »Was meinstdu mit ›wir‹? Ich hatte geglaubt, du hättest hier alleindie Leitung.«

»Die habe ich«, erwiderte Zoran mit Würde. »Aberich habe den anderen den Baum beschrieben, und sieglauben, daß Bäume von der Art in dieser Gegendvorkommen.«

Urko grunzte und drängte sein Pferd näher an Vir-don und Burke heran, denen er jetzt seine Aufmerk-samkeit zuwandte. »Wovor fürchtet ihr zwei euch?«fragte er mit einer Kopfbewegung zu ihren Gesichts-masken.

»Vor den Mücken, Herr«, antwortete Virdon de-mütig. Der Stoff der Maske dämpfte und veränderteden Klang seiner Stimme.

Urko erschrak sichtlich, blickte besorgt umher, sahjedoch nichts Verdächtiges. Obwohl in der unmittel-baren Umgebung keine Stechmücken waren, warf ersein Pferd auf der Hinterhand herum und ritt wortlosdavon, gefolgt von seinen Soldaten.

Zoran sah dem Trupp eine Weile nach, dann, als eraußer Sicht gekommen war, wandte er sich stirnrun-zelnd zu Virdon und Burke um.

»Ich sehe, daß ihr zwei wieder eure Gesichtsmas-ken tragt. Ich erinnere mich auch, daß ihr sie kurz vorGeneral Urkos Ankunft abnahmt. Ich möchte wissen,warum ihr es notwendig fandet, eure Gesichter vorUrko zu bedecken.« Er musterte sie mit mißtraui-schen Blicken. »Es gibt hier keine Stechmücken«,fügte er hinzu.

Ehe Burke mit einer seiner patzigen Antwortenaufwarten konnte, sagte Virdon mit einer Verbeu-gung: »Wir fürchten, Herr, daß General Urko in Zorn

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geraten würde, wenn er uns außerhalb des Sperrkrei-ses begegnet. So bedeckten wir unsere Gesichter alsein Zeichen der Ehrerbietung und um zu zeigen, daßwir nicht leichtfertig die Gefahr mißachten.«

Die Antwort schien Zoran zu überzeugen. Er nick-te, und sie begannen mit der Durchsuchung des Wal-des. Virdon und Burke wußten, wonach sie Ausschauzu halten hatten. Als Astronauten waren sie aus demOffizierskorps der Luftwaffe rekrutiert worden undhatten alle vorgeschriebenen Überlebenskurse in ver-schiedenen Klimazonen mitgemacht. Zu den Pflan-zen, die sie als mögliche Nahrungs- oder Heilmittelstudiert hatten, hatte auch der Fieberrindenbaum ge-hört. Sie beschrieben ihn Zoran, so gut sie konnten.»In manchen Gegenden ist er mehr wie ein großerStrauch«, sagte Virdon, »aber wir können alle Abar-ten gebrauchen.«

Sie suchten den ganzen Tag, und als die Stundenvergingen, begann ihre Hoffnung in Resignation um-zuschlagen. Zoran kam immer wieder mit Rinden-stücken, aber keines sah auch nur annähernd wie dasaus, was Virdon suchte. Dann, als Virdon gegen Son-nenuntergang auf der Suche nach Burke den Walddurchstreifte, stieß er auf eine kleine Gruppe vonBäumen, die wie Cinchonas aussahen. Er blieb stehenund starrte sie an. Dann schickte er ein Stoßgebetzum Himmel und ging näher heran, um die Bäumeeingehender zu untersuchen. Er riß ein kleines brau-nes Rindenstück ab und biß hinein. Der Geschmackwar so bitter, daß er das Gesicht verzog. Mit Pfiffenund Rufen verständigte er die anderen, und Minutenspäter trafen Burke und Zoran erwartungsvoll bei derBaumgruppe ein. Die neu aufgelebte Hoffnung

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machte sie ihre Erschöpfung vergessen.»Du könntest recht haben«, meinte Burke, nachdem

er die Bäume im dämmerigen Licht betrachtet hatte.»Hast du von der Rinde gekostet?«

Virdon nickte. »Sieht nach Chinarinde aus undschmeckt auch schlecht genug.«

»Mir wäre viel wohler, wenn wir Gewißheit hät-ten«, sagte Burke zweifelnd. »Es ist schon zu dunkel,um Farbe und Beschaffenheit der Blätter zu untersu-chen.«

Virdon lachte. »Um die Wahrheit zu sagen«, sagteer, »genau weiß ich es auch nicht.«

Zoran riß ein kleines Rindenstück vom nächstenStamm und steckte es in den Mund. Im nächsten Au-genblick spuckte er es wieder aus und machte ein Ge-sicht. »Schrecklich!«

Virdon und Burke mußten lachen. »Alle gute Me-dizin schmeckt scheußlich«, sagte Burke. »Das gehörtzu den ersten Erfahrungen, die ich als Kind machte.«

Zoran würdigte Burke keiner Antwort und wandtesich an Virdon. »Wenn ihr den Baum kennt, müßt ihrbestimmen können, ob dies hier die gesuchte Art istoder nicht«, sagte er. »Mich interessiert, ob die Rindedieser Bäume das Fieber heilen wird.«

»Nicht, wenn wir hier herumstehen«, antworteteVirdon. »Für mich ist es so gut wie sicher, daß wirden richtigen Baum gefunden haben.« Er begann ab-gestorbene Rindenstücke vom Stamm zu lösen. Zoranund Burke halfen ihm, und die Arbeit ging rasch vor-an. Burke wußte nicht, wie man aus der rohen Rindeeine brauchbare Medizin herstellte, und auch Virdonmußte sich lange besinnen, ehe er sich an die ver-schiedenen Phasen der Zubereitung wieder erinnerte.

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Bei der Chininzubereitung mußten die in der Rindeenthaltenen Alkaloide herausgezogen, der natürlicheLeim neutralisiert und die Kristalle in Öl oder Alko-hol aufgelöst werden. Keiner dieser Schritte bereiteteallzu große Schwierigkeiten, vorausgesetzt, die Be-wohner von Trion hatten Vorräte der benötigten Sub-stanzen.

Es war dunkel, als sie einen nach Virdons Meinungausreichenden Rindenvorrat gesammelt hatten undden Rückweg antreten konnten.

Erschöpft erreichten sie eine Stunde später dasDorf, dessen Gassen von vereinzelten Fackeln spär-lich erhellt waren, luden die gesammelten Rinden-stücke unter dem Vordach der Lazaretthütte ab undtrennten sich von Zoran, der sein Pferd bestieg, umdie Nacht im Hauptquartier außerhalb des Sperrkrei-ses zu verbringen. Virdon unternahm trotz seinerMüdigkeit einen Rundgang durch das Dorf, um zusehen, was während ihrer Abwesenheit geschehenwar. Die Toten waren alle begraben, es fehlte nicht anBrunnenwasser, und eine größere Gruppe gesunderMänner und Frauen war noch zu dieser späten Stun-de mit der Zubereitung von Nahrung für die Krankenbeschäftigt. In den Augen der Leute war eine Hoff-nung, die Virdon vorher nicht darin gesehen hatte.Wo immer Virdon erschien, sah er sich von Dorfbe-wohnern umdrängt, die wissen wollten, was alsnächstes zu tun sei.

»Wenn ihr noch etwas tun wollt«, sagte er zu ih-nen, »dann besorgt flache Steine oder Mörser undmahlt diese Rindenstücke zu Pulver.« Die Leute lie-fen auseinander, um die benötigten Steine herbeizu-schaffen, und Virdon wandte sich zu Galen, der aus

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der Lazaretthütte gekommen war. »Wie seid ihr mitder Arbeit im Sumpf vorangekommen?« fragte Virdon.

Galen zuckte die Schultern. »Fünfzig Meter Ab-zugsgraben sind fertig«, antwortete er. »Es ist schwe-re Arbeit; der Boden ist feucht und voller Wurzeln. Eswird noch lange dauern, bis das Gebiet entwässertist.«

Virdon nickte nachdenklich. »Und wie steht eshier? Neue Todesfälle?«

»Einen«, sagte Galen. »Und zwei Neuerkrankun-gen, darunter das Mädchen.«

»Amy?« sagte Virdon entsetzt; dann eilte er in dieHütte, ohne die Bestätigung abzuwarten.

Sofort machte sein suchender Blick die kleine Ge-stalt auf einem der zerlöcherten Strohsäcke aus. Bur-ke war schon bei ihr und fühlte den Puls. Virdon warbestürzt, wie blaß und schmal sie aussah. Amy fie-berte stark und schien nicht bei klarem Bewußtsein.Als Virdon ihre andere Hand ergriff, bewegte sie sichunruhig und murmelte unverständliche Worte. Vir-don ließ ihre Hand los und kühlte ihr heißes Gesichtmit einem feuchten Lappen. »Wir haben gefunden,was wir suchten«, sagte er. »Jetzt kommt es nur dar-auf an, daß du durchhältst, Amy. Bald wird es dirbesser gehen, hab' keine Angst.«

Amy machte eine Bewegung, als wolle sie nicken,aber es war nicht klar zu erkennen. Virdon und Burkedeckten sie zu und gingen traurig hinaus.

»Es tut mir leid, Alan«, sagte Burke düster.»Was tut dir leid?«»Einiges von dem, was ich sagte und dachte.« Bur-

ke machte eine Geste zum Hütteneingang hinter ih-nen. »Das ist hart für dich.«

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»Es ist für niemanden leicht.«»Wenn ich sie ansehe«, meinte Burke gedanken-

voll, »sehe ich kein kleines Mädchen, das ›Papa‹ zumir sagte. Ich glaube, ich kann von Glück sagen, daßes in der anderen Welt niemanden gibt, an dem mei-ne Erinnerungen hängen.«

»Ist das Glück?« fragte Virdon zweifelnd.»Ich glaube es«, sagte Burke. »Aber weißt du, soll-

ten wir jemals die Rückkehr schaffen, werde ich viel-leicht anfangen, mich um ein festes Verhältnis zu be-mühen.«

Virdon lachte ironisch. »Dann ist dies alles alsonicht völlig umsonst gewesen.«

Burke blickte verletzt. »Ich sagte nur ›vielleicht‹,vergiß das nicht«, sagte er.

»In diesem Fall werde ich mir überlegen, ob ichdich mitnehmen soll, wenn ich einen Rückweg fin-de.«

Burke lachte. »Ja, tue das«, sagte er.Während der ganzen Nacht leitete Virdon die Zu-

bereitung des Medikaments. Die pulverisierte Rindewurde mit Kalk und Wasser vermischt und die soentstandene Paste eine Stunde in einem Ofen ge-trocknet. Das Ergebnis wurde mit dem einzigen er-hältlichen Alkohol versetzt, einem stark riechendenFusel aus vergorenem Mais. Als das Pulver sich amBoden der alkoholischen Mischung abgesetzt hatte,wurde der Alkohol weggeschüttet und das Pulvermit Wasser vermischt und gekocht. Virdon über-wachte sorgfältig jeden Schritt; alles mußte zur rech-ten Zeit getan werden, und nur er kannte den Her-stellungsprozeß. Das Pulver wurde noch mehrereMale gereinigt, in verschiedene Flüssigkeiten aufge-

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löst und mit Wasser gekocht. Gegen Morgen kamVirdon endlich zu dem Schluß, daß das Rindenpulverin brauchbares Chinin umgewandelt war.

Burke brachte ihn mit sanfter Gewalt dazu, daß ersich schlafen legte; Virdon war völlig erschöpft. SeinGefährte, der einige Stunden geschlafen hatte, über-nahm nun die Aufsicht. Er sorgte dafür, daß jederPatient in der Lazaretthütte eine Dosis Chininpulvererhielt. Zoran und Inta kamen ins Dorf, untersuchtenneugierig das frisch gewonnene Chinin und sahen zu,wie Burke die Kranken versorgte. Galen zog mit sei-nem Arbeitstrupp ins Sumpfgebiet hinaus, um denEntwässerungsgraben fertigzustellen. In den wenigenfreien Augenblicken, wenn es nichts anderes zu tungab, saß Burke an Amys Lager und versuchte, ihr mitallerlei kleinen Handreichungen zu helfen, doch kamsie nur selten zu sich. Die Arbeitslast, die sie in denletzten Tagen auf sich genommen hatte, hatte ihreWiderstandskraft geschwächt.

General Urko beobachtete die Vorgänge im undbeim Dorf mit unverhohlenem Mißvergnügen. Er sahGalen mit seinem Arbeitstrupp Gräben ausheben undwunderte sich: soviel er wußte, waren Zoran und Intadie einzigen Affen im Dorf. Aus der Entfernungkonnte er Galen nicht erkennen. Aber er war unruhig,und die Seuche wurde ihm zunehmend unheimlich,seit ein weiterer Wachtposten über Schwindelgefühlund Schüttelfrost geklagt hatte.

Als Galen und seine Männer am Nachmittag vonder Arbeit zurückkehrten, konnte er melden, daß sieden Hauptabzugsgraben fertiggestellt hätten. Nunfehlten nur noch die Stichgräben zu den Wassertüm-peln. Aber er sagte auch, daß die Männer Anzeichen

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von Unzufriedenheit gezeigt hätten.Kein Wunder, dachte Virdon. Die Leute hatten seit

Jahren mit dem Sumpfgebiet neben ihrem Dorf gelebtund verstanden nicht, warum die Trockenlegung aufeinmal so dringend sein sollte. Sie wußten nur, daßdie mühselige Schwerarbeit, die drückende Sonnen-hitze und Virdons Schutzkleidung zusammenge-nommen schlimmer als alles waren, was sie je vonden Affen hatten ertragen müssen.

Während Virdon und Burke mit Galen sprachenund seine Männer lobten und ermutigten, wurdeZoran in der Lazaretthütte auf ein junges Mädchenaufmerksam, das im Fieber laut phantasierte. Er gingzu ihm, kauerte nieder und ergriff die schmale Hand,um den Puls zu fühlen.

»Geh nicht weg ... erzähl mir ...«, murmelte Amy.»Andere Welt ... die andere Welt ...«

Zoran überlegte, was sie damit meinen mochte. Ernahm einen feuchten Lappen, tauchte ihn in kaltesWasser und wischte ihr behutsam das heiße Gesicht.

Sie lächelte. »Sag mir ...«, fing sie wieder an. »Sagmir noch mal ... wie es früher war ..., bevor ...«

Zoran hob überrascht die Brauen. Mit weicher,freundlicher Stimme fragte er: »Bevor was?«

»Dies«, murmelte Amy, »dies ... alles ...«Zoran öffnete den Mund, um eine weitere Frage zu

stellen, aber entfernte Rufe und aufgeregte Stimmenvor der Hütte veranlaßten ihn, aufzustehen und zumEingang der Lazaretthütte zu gehen.

Galen, Virdon, Burke und andere liefen im Scheinder Nachmittagssonne zum Dorfplatz, von wo sieden Ursprung des plötzlichen Lärms besser beob-achten konnten. Zoran wurde neugierig; irgend etwas

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mußte geschehen sein, aber er hatte keine Ahnung,was es sein mochte. Er folgte den anderen zum Dorf-platz und blickte hinüber zu der Anhöhe, wo die Si-cherheitskräfte ihre Wachstation hatten.

Mehrere Gorillas schienen zu streiten oder vor et-was zurückzuweichen. Worte waren nicht zu verste-hen, aber sie vollführten beträchtlichen Lärm. Zoransah Urko, aus der Richtung des Hauptquartierskommend, den Hügel hinauf reiten, vermutlich umnach dem Rechten zu sehen.

Je länger Zoran das Geschehen beobachtete, destoklarer wurde es ihm. Er eilte zu seinem Pferd, saß aufund ritt im Galopp aus dem Dorf. Er glaubte zu wis-sen, was geschehen war, und Urko mußte es auchwissen und würde die Gelegenheit zu gewalttätigenReaktionen nutzen. Zoran wollte vor ihm an Ort undStelle sein.

Bald wurde offensichtlich, daß Urko vor dem Heil-kundigen zur Hügelkuppe gelangen würde; sein Vor-sprung war zu groß.

Kava, einer der Wachtposten, lag mit schweißnas-sem Gesicht im Gras und stöhnte. Seine Hände zit-terten so, daß er die Finger in den Boden gekrallthatte, als müsse er sich dort festhalten.

Zoran traf ein, zügelte sein Pferd und starrte aufden Liegenden.

Urko wandte sich zu ihm, bebend vor Zorn. »Nunwerden wir sehen, Zoran!« sagte er mit vor Erregungheiserer Stimme. »Nun werden wir sehen, ob der Ratdir immer noch glaubt. Das Dorf wird brennen – undalle, die darin sind!«

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4.

Kavas Zustand war offensichtlich ernst. Der Gorillawar kaum noch bei Bewußtsein. Die Krankheit mußteschon längere Zeit in ihm gewesen sein, ehe sie offenzum Ausbruch gekommen war, und nur sein Pflicht-bewußtsein schien ihn gegen die zunehmendeSchwäche des Körpers bis zuletzt aufrechtgehalten zuhaben. Unglücklicherweise reagierte Malaria nichtauf bloße Willensakte, und früher oder später wirddas Opfer besiegt.

Zoran gab die Zügel einem der Soldaten und knieteneben Kava nieder, ihn zu untersuchen. Urko bliebregungslos auf seinem Pferd sitzen und sah mit stei-nerner Miene zu, wie Zoran sich um Kava bemühte.Schließlich blickte der Heilkundige auf und sagte mitruhiger und fester Stimme: »Ich verspreche, daß ichalles in meinen Kräften Stehende für ihn tun werde.«

Urkos Miene verfinsterte sich, und er schlug mitder dicken Faust auf den Sattel, daß sein Pferd nervöszusammenzuckte und scheute. Mit einem unbarm-herzigen Ruck straffte Urko die Zügel und brachtedas Tier zur Ruhe. »Du machst leere Versprechungen,während meine Leute sterben!« sagte er wild.

Zoran trat zu seinem Pferd und band eine Feldfla-sche vom Sattelknopf. Er trug sie zu Kava, blickteaber zu Urko auf, ehe er sich dem Kranken widmete.»Glaub mir«, sagte er, »ich habe jetzt das Mittel, umihn zu heilen.« Er hob die Feldflasche und schütteltesie, um das in Wasser aufgelöste Chininpulver darinfrisch durchzumischen. »Dies ist ein neues Medika-ment. Es ist aus der Rinde des Baumes gemacht, nach

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dem ich gesucht hatte und den ich glücklicherweisenoch rechtzeitig fand.«

Zoran öffnete den Verschluß und kniete nieder, umKava die Medizin einzuflößen. Urko spornte dasPferd an und stieß die Feldflasche aus Zorans Hand.

Der Heilkundige blickte überrascht auf. Er war ge-wöhnlich von ausgeglichener Gemütsverfassung,aber nun wurde er sehr zornig. Er war eine solcheBehandlung nicht gewohnt und auch nicht gewillt,sie sich gefallen zu lassen, nicht einmal von Urko. Ersprang auf, doch ehe er protestieren konnte, wurde ervon Urkos Pferd gerammt und zu Boden geworfen.

»Du wirst nicht mit meinen Leuten experimentie-ren!« sagte Urko. Er drehte sein Pferd auf der Stelleund ritt an der Spitze seines Trupps den Hügel hinabzum Hauptquartier. Zwei Wachsoldaten setzten Kavaauf Zorans Pferd und führten es fort. Ein dritter hattedie Feldflasche an sich genommen und schüttete denInhalt achtlos auf den Boden, als er seinem Führernachfolgte. Zoran blieb auf der Anhöhe zurück, alleinmit seinem ohnmächtigen Zorn. Nach einer Weilerappelte er sich auf, klopfte den Staub aus seinenKleidern und machte sich zu Fuß auf den Rückwegins Dorf.

Am Abend trat der Ältestenrat in Urkos Stabszeltzu einer weiteren Sitzung zusammen. Die Ratsmit-glieder erwarteten Zorans Bericht und wollten da-nach über weitere Maßnahmen entscheiden. Zoransaß an seinem gewohnten Platz und gab durch nichtsdie Zweifel und Sorgen zu erkennen, die ihn be-drängten. Urko marschierte in ungeduldiger Erre-gung auf und ab und ließ wieder und wieder seineschwere Faust durch die Luft niedersausen, als er den

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Versammelten seinen Standpunkt darlegte. »Ver-brennen wir das Dorf!« forderte er zum wiederholtenMale. »Brennen wir es jetzt nieder – bevor wir alle ander Seuche zugrunde gehen!«

Die Ratsmitglieder reagierten mit ängstlich-aufgeregtem Stimmengewirr. Wenn es Urkos Absichtgewesen war, sie in Angst und Unruhe zu versetzen,dann hatte er gute Arbeit geleistet. Zoran begriff, daßer für die Fortführung seiner Arbeit würde kämpfenmüssen. »Nein!« rief er laut genug, daß alle ihn hörenmußten. »Laßt euch nicht in Panik versetzen. Wir ma-chen Fortschritte!«

Zaius schlug mit dem Hammer auf den Tisch, bisRuhe eingekehrt war. »Ist diese Medizin wirksam,Zoran?« fragte er.

Zoran mußte seine Antworten gut überlegen; erwußte, daß Zaius gerecht urteilen würde, doch wenner, Zoran, auch nur die geringste Unsicherheit zeigte,würde der Sieg Urko zufallen. Er stand auf undstraffte seine Haltung. »Ja«, sagte er mit Entschieden-heit. »Ja, das Medikament ist gut und wird bald seineWirkung entfalten. Natürlich wird es eine gewisseZeit dauern, bis die Resultate sichtbar werden. EinigeStunden, würde ich sagen.«

Urko reagierte schnell. Die Sitzung entwickelte sichzu mehr als der üblichen Diskussionsrunde. Was hierausgetragen wurde, war ein Kampf zwischen zweiunterschiedlichen und unversöhnlichen Konzeptio-nen von Herrschaftsausübung. Für Urko war dieEpidemie nur von zweitrangiger Bedeutung; inWirklichkeit ging es ihm um Macht.

»Wir haben keine Zeit mehr!« brüllte er. »Wievielemüssen noch erkranken und sterben – wieviele von

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euch müssen sterben – bevor ihr tut, was getan wer-den muß?« Urko streckte seinen dicken Arm aus undzeigte auf Zaius. »Ich verlange eine Abstimmung!«

Zaius war nicht bereit, sich in den groteskenMachtkampf hineinziehen zu lassen, den Urko so of-fensichtlich suchte. »Wir wissen alle, daß Selbstbe-herrschung noch nie deine Stärke war, Urko«, sagteer, »aber das heißt nicht, daß wir diese Gefühlsaus-brüche billigen. Selbstverständlich werden wir überdiese Frage abstimmen.«

»Aber jetzt!« rief Urko, entschlossen, die Entschei-dung notfalls zu erzwingen. »Kein weiteres Gerede!«

Zaius seufzte. Niemand schien jemals zu würdigen,was er mit seinem Amt auf sich nahm. »Manchmalfrage ich mich, was du am meisten fürchtest, Urko«,sagte er unwillig, »den Tod oder ein paar Worte derVernunft.«

»Ich fürchte am meisten«, antwortete Urko ärger-lich, »daß ihr auf diesen Dummkopf hört!«

»Genug davon, Urko«, sagte Zaius mit einer Schär-fe, die Urko und alle anderen zum Verstummenbrachte. Sekundenlang herrschte völlige Stille. Vondraußen drangen die Geräusche der Wachsoldatenund ihrer Pferde herein, vermischt mit dem friedfer-tigen Gezwitscher eines kleinen Vogels. Zaius erhobsich von seinem Stuhl und blickte in die Runde.»Zoran hat ein Medikament gefunden«, sagte er lang-sam. »Zoran ist der Erfahrenste unter unseren Heil-kundigen. Was die Wirksamkeit des Medikamentsbetrifft, so müssen wir uns allein auf sein Wort ver-lassen. Vielleicht wird das Mittel Heilung bewirken,vielleicht nicht. Aber auch was Urko sagt, ist wahr:eine Verzögerung bringt Risiken mit sich.«

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Die Ratsmitglieder murmelten untereinander. Aufden einfachsten Nenner gebracht, erwies sich dasProblem als ein noch größeres Dilemma ...

»Wir sind so weit gekommen«, sagte Zoran be-schwörend, »daß die Antwort, ob richtig oder falsch,nur noch wenige Stunden entfernt ist.«

»Darüber wird der Rat befinden«, sagte Zaius. »DieDiskussion ist beendet. Urko hat eine Abstimmungverlangt, und sie soll jetzt stattfinden.« Er wandtesich an die Versammelten. »Wer dafür ist, daß Zoranweitermacht, möge die Hand heben.«

Drei der sieben Ratsmitglieder hoben die Hände,darunter auch Zoran. Urko stieß Verwünschungengegen die zwei anderen aus, die für den Heilkundi-gen gestimmt hatten.

»Und wer ist dagegen?«Urko und zwei andere hoben die Hände. Ein Un-

entschieden. Zaius hatte es beinahe erwartet, denn eswar nicht das erste Mal. Die zwei, die mit Urko ge-stimmt hatten, stimmten auch in anderen Angelegen-heiten fast immer mit ihm überein. Sie waren eine ArtParteifraktion im Ältestenrat. Zoran und die übrigenzwei stimmten manchmal miteinander, manchmalnicht. Zaius erinnerte sich allzu vieler Gelegenheiten,da er die entscheidende Stimme hatte abgeben müs-sen. Zuweilen wurde ihm die Verantwortung zuviel.»Nun gut«, sagte er mit einem resignierten Unterton.»Die Entscheidung liegt bei mir.« Er nickte Zoran zu.»Du hast bis morgen Mittag Zeit, den Erfolg deinerBehandlung zu beweisen.«

Urko fixierte Zoran und die beiden, die für ihn ge-stimmt hatten, mit einem bösen, unheilverkündendenBlick. »Dummköpfe«, sagte er. »Wenn ihr in ein paar

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Tagen wie diese Menschen an der Seuche krepiert,dann denkt daran, was ich euch gesagt habe.«

Die Versammlung löste sich auf. Die Ratsmitglie-der verließen das Zelt und gingen zu ihren Pferden,wobei sie mit halblauten Stimmen über die verfahre-ne Situation diskutierten. Eine unangenehme Span-nung lag in der Luft. Urko bestieg sein Pferd, ritt abernicht fort. Die anderen verließen einer nach dem an-deren das Hauptquartier.

Zaius und Zoran gingen zusammen. Zoran danktedem Vorsitzenden für seine Großzügigkeit, aber Zai-us wollte davon nichts wissen. »Morgen Mittag«,sagte er, als er sein Pferd bestieg. Zoran nickte, undZaius ritt davon.

Als habe er darauf gewartet, drängte Urko seinPferd an Zoran heran, der vor ihm zurückwich. Urkozeigte zu Kava, der auf einem Feldbett im Schatteneines großen Baums lag. »Halte dich von ihm fern«,sagte Urko drohend. »Wenn du ihn noch einmal an-rührst, werde ich dich töten.«

Zoran sagte nichts. Er bestieg sein Pferd und rittzornig und entmutigt zum Dorf zurück.

Ein neuer Rindenvorrat war aus dem Wald geholtworden und wurde zu Chinin verarbeitet. Die Ar-beitsgruppen der Dorfbewohner sorgten für dieKranken, kümmerten sich um die Versorgung mitWasser und Lebensmitteln, hoben Entwässerungs-gräben aus und verrichteten die notwendigste Arbeitauf den vernachlässigten Feldern. Am Abend standgenug Medizin für die nächsten beiden Tage zur Ver-fügung. Alle Dorfbewohner, kranke wie gesunde,nahmen eine in Wasser aufgelöste Dosis des bitterund unangenehm schmeckenden Chinins.

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Als es dunkel geworden war, ging Virdon in dieLazaretthütte, um nach dem Rechten zu sehen, bevorer sich schlafen legte. Er beugte sich über die Schwer-kranken und studierte die Gesichter auf der Suchenach Anzeichen einer Besserung, die auf die Wirk-samkeit seiner Medizin würde schließen lassen. Erkam zu Zoran, der am Lager einer jungen Frau saßund sich bemühte, ihr etwas von der Medizin einzu-flößen. Sie hatte hohes Fieber und phantasierte.

»Morgen Mittag«, sagte Virdon besorgt und riebsich die Stirn. »Ich weiß nicht ...«

Zoran blickte erschrocken auf. »Du sagtest, dasHeilmittel wirke rasch.«

»Das tut es«, antwortete Virdon. »Aber es könnteFaktoren geben, die die Wirkung abschwächen. EineMutation des Krankheitserregers. Eine Abart derMalaria, die auf Chinin nur unvollkommen anspricht... Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten.«

Virdons unerwarteter Pessimismus und seine offenausgesprochenen Zweifel am Erfolg der Therapiealarmierten Zoran und machten ihn mißtrauisch. Erstand auf und begann erregt zu gestikulieren. »Ichbin in einer äußerst schwierigen Lage«, sagte er, »weilich deinem Rat vertraute. Es war mir heute nichtmöglich, in der Sitzung des Ältestenrats eine Frist-verlängerung zu erreichen. Wenn wir bis morgenMittag keine Erfolge vorweisen können, wird manUrko freie Hand zum Niederbrennen des Dorfes ge-ben. Er wird nicht zögern, alle Bewohner als Seu-chenträger zu töten.«

Virdon wußte zu würdigen, was Zoran getan hatte,und er versicherte dem Heilkundigen, daß er dessenPosition sehr gut verstehe und nichts unterlassen

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werde, was einer erfolgreichen Therapie förderlichsein könne. Mehr war nicht zu sagen. »Wir werdenihnen morgen früh eine weitere Dosis verabreichen«,meinte er. »Sonst gibt es im Moment nichts weiter zutun als zu warten und zu hoffen.«

Zoran nickte zustimmend. »Das ist bei diesen Fäl-len immer der schwierigste Teil«, sagte er.

Virdon nickte ihm zu und überquerte die Straße zueiner kleinen Hütte, die er mit Burke teilte. Als er sichauf sein Lager warf, sah er, daß der Gefährte bereitsschlief. Eine Minute später war auch er eingeschlafen.

Als Virdon die Lazaretthütte verlassen hatte, war-tete Zoran, bis die Geräusche aus der kleinen Hüttegegenüber anzeigten, daß Virdon sich niedergelegthatte. Dann ging er zu Amys Krankenlager. DasMädchen schlief, und er tauchte einen Lappen inkaltes Wasser, drückte ihn aus und wischte ihr dasGesicht. Amy wurde unruhig und warf den Kopf hinund her. Zoran sah, daß sie halbwach war und flü-sterte ihren Namen.

Entweder hatte sie ihn nicht gehört, oder sie warunfähig zu antworten. Zoran versuchte es wieder,etwas drängender: »Amy?«

»Ja ...?« Die Stimme des Mädchens klang tonlosund raschelnd wie altes Laub; sie erinnerte ihn an dieStimme eines Sterbenden. Zoran schluckte undzwang sich zur nächsten Frage. »Dein Freund«, sagteer mit gespielter Munterkeit, »der aus der ›anderenWelt‹ ...«

»Ja ...«, sagte Amy.Zoran versuchte wie ein teilnehmender Freund zu

wirken. Vielleicht würde sie sich in ihrem Deliriumeinbilden, sie spreche mit jemand aus dem Dorf. »Wo

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ist diese ›andere Welt‹?« fragte er. »Woher ist er ge-kommen?«

Amy antwortete, doch mußte Zoran sich rasch übersie beugen, um zu verstehen, was sie sagte. »Hier ...«,murmelte sie. »Sie ist ... hier.«

Zoran war verblüfft und enttäuscht. »Hier?«»Er kommt von ... früher.«Plötzlich ging Zoran ein Licht auf. Diese Informati-

on war wichtiger und bedeutungsvoller, als er er-wartet hatte. »Du meinst, er sei aus einer anderen Zeitgekommen?« sagte er. »Aus einer früheren Zeit?«

»Ja ...«»Liegt diese Zeit weit zurück?«Dies war der entscheidende Punkt. Zoran lauschte

angestrengt, doch alles was er hören konnte, war dereigene Pulsschlag in den Schläfen und Amys schnel-les, kurzes Atmen. »Liegt diese Zeit weit zurück,Amy?« drängte er.

»Ja, weit ...«, sagte sie endlich.Zoran lächelte zufrieden. Zaius würde von der In-

formation beeindruckt sein, und selbst Urko würdezugeben müssen, daß Zoran einen bedeutsamen Bei-trag geleistet hatte. »Ein ›Astronaut‹«, sagte Zoran,ohne das Wort zu verstehen, das er vor Monaten ineiner Ratsversammlung zum ersten Mal gehört hatte,als Urko und Zaius hitziger als gewöhnlich aneinan-dergeraten waren. »Ist dein Freund ein ›Astronaut‹?«

Amy schlief wieder ein. Es kostete Zoran ein hohesMaß an Selbstbeherrschung, die Kranke nicht gewalt-sam wachzurütteln. »Amy«, sagte er in beschwören-dem Ton, »hör mich an, Amy!«

Er versuchte es wieder mit dem feuchten Lappen,aber alle Versuche, sie aus ihrem fiebrigen Dämmer-

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zustand zurückzuholen, erwiesen sich als zwecklos.Mit einer gemurmelten Verwünschung erhob er sichund wollte die Lazaretthütte verlassen. Wie er sichumwandte, sah er sich Galen gegenüber, der ihn auseinigen Schritten Entfernung beobachtete.

»Warum schleichst du dich von hinten an michheran?« sagte Zoran ungnädig.

Galen machte eine Verbeugung. Hier hatte er esnicht mit einem einfachen Menschen zu tun. Zoranwar gelehrter und erfahrener als er, und als Mitglieddes Ältestenrats besaß er Einfluß und Macht. Über-dies mußte Zoran als ein Verbündeter betrachtetwerden, solange Urko eine Gefahr darstellte.

»Ich wollte nur nach dem Mädchen sehen«, sagteGalen. »Redet sie wieder irre?«

Zoran musterte den anderen und versuchte seineVerbindung mit dem Mädchen und den beidenFreunden zu ergründen. »Ja, ja«, sagte er mit einervagen Handbewegung, »sonderbares Zeug.« Er faßteGalen von neuem ins Auge. »Hast du sie reden ge-hört?«

Galen nickte. »Ja, es ist das Fieber. Es bringt sie da-zu, die unglaublichsten Dinge zu sagen. Sie hat einesehr entwickelte Phantasie. Für einen Menschen,meine ich.«

Seine Verlegenheit war Zoran nicht entgangen.»Ja«, sagte er leichthin, »ich konnte keinen Sinn darinfinden.« Damit wandte er sich um und ging hinaus.

Galen sah ihm nach und machte sich Sorgen. Zoranwar kein Dummkopf, und vermutlich hatte er dasMädchen ausgefragt. Man konnte nur hoffen, daß sieunfähig gewesen war, vernünftige und zusammen-hängende Antworten zu geben.

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Die lange Nacht verging. Außerhalb des Dorfespatrouillierten die Wachtposten, wie sie es schon ge-tan hatten, bevor das Fieber über die Einwohner ge-kommen war. Nur waren die vier Wachsoldaten in-zwischen auf ein halbes Hundert verstärkt wordenund unterstanden dem persönlichen Befehl des Gene-rals Urko. Gelegentlich blinkte blasses Mondlicht aufden Metallknöpfen und Gewehrläufen der Soldaten.

Nichts regte sich in den Feldern vor dem Dorf. Inden Hütten waren Kerzen und Öllampen längst aus-gelöscht worden, und nur aus der Lazaretthüttedrang matter Lichtschein. Die Straße lag verlassen,nichts störte die tiefe Stille der Nacht.

Als Virdon erwachte, war es noch dunkel, aber derMorgen konnte nicht mehr fern sein. Er saß auf undblickte umher. Zuerst wußte er nicht, wo er war – ei-ne Erfahrung, die er in letzter Zeit des öfteren mach-te. Es war eine Folge des Umherziehens und derÜbernachtungen an ständig wechselnden, unbe-kannten Orten.

Er stand auf und tappte zur Tür der Hütte undblickte hinaus, über das Dach der Lazaretthütte hin-weg zu dem Hügel, wo die Wachtposten stationiertwaren. Inta, Zorans Assistent, saß am Eingang derLazaretthütte; er hatte Nachtdienst und wartete of-fenbar auf seine Ablösung. Virdon grüßte ihn, undInta grunzte. Danach schwiegen sie wieder, und Vir-dons Aufmerksamkeit ging wieder hinaus zum Hü-gel jenseits der Felder. Bei der Wachhütte brannte ei-ne einzelne Fackel; vom Dorf aus gesehen, ähnelte sieeinem riesigen flackernden Stern.

Bei der Beobachtung des fernen Fackelscheinsmußte er an Urkos Drohung denken, das Dorf und

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seine Bewohner zu verbrennen, wenn die Chininbe-handlung ohne rasche, sichtbare Erfolge bliebe. Erzuckte hilflos mit den Schultern; offenbar erwartetendie Affen eine Art Wunderheilung, und die konnte esnicht geben.

Er war im Begriff, den Hütteneingang zu verlassenund zu seinem Lager zurückzukehren, als ihm einGedanke kam. Er ging über die Straße in die Laza-retthütte, hängte sich eine der kleinen Feldflaschenmit Chininlösung über die Schulter und eilte durchden rückwärtigen Ausgang in die Dunkelheit hinaus.

Auf der Anhöhe, wo die Fackel in ihrer Halterungvor der Wachhütte brannte, lag Kava unter einem aufdrei Seiten offenen Sonnensegel auf seinem Feldbett.Weil Urko Ansteckungsgefahr befürchtete, hatte erden Kranken zu seiner Postenstation zurückbringenlassen und der Obhut seiner Kameraden übergeben.

Diese, nicht minder ängstlich als ihr Oberkom-mandierender, wollten Kava nicht bei ihnen in derWachhütte schlafen lassen und hatten ihm draußensein Lager bereitet. Zu dieser Stunde war niemand inder Nähe. Der wachhabende Soldat auf dieser Seitehatte ein mehrere hundert Meter langes Stück desHöhenzugs zu patrouillieren und kam auf seinemRundgang etwa alle fünfzehn oder zwanzig Minutenbei der Hütte und dem Kranken vorbei.

Virdon arbeitete sich vorsichtig bis zu einem Ge-büsch in Rufweite der Wachhütte vor und beobach-tete aus sicherer Deckung, was im Umkreis der Fackelvorging. Er konnte Kava unter dem Sonnendach lie-gen sehen, aber er sah auch, daß der Posten aus ir-gendeinem Grund seinen Rundgang unterbrochenhatte und bei der Wachhütte auf einem Stein saß.

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Virdon fluchte in sich hinein. Verdammtes Pech! So-lange der Posten dort bei der Hütte saß, war an eineAusführung des Plans nicht zu denken.

Virdon hob einen großen Steinbrocken auf undschleuderte ihn zur anderen Seite hinüber, wo er imGeröll aufschlug und ein beträchtliches Gepolter undGerassel verursachte.

Der Wachtposten sprang sofort auf, kehrte Virdonden Rücken zu und brachte sein Gewehr in Anschlag.»Wer ist da?« rief er mit lauter Stimme.

Keine Antwort.Der Wachtposten wußte genau, daß er den Lärm

nicht geträumt hatte, und er entfernte sich, um derSache nachzugehen. »Wer ist da?« rief er wieder, undseine Stimme klang leiser und entfernter.

Virdon nutzte seine Chance. Er verließ seine Dek-kung und rannte mit langen Sätzen zu Kava, erreichteihn ungesehen, öffnete die Feldflasche und flößtedem kranken Gorilla einen guten Teil des Inhalts ein.Kava versuchte zu protestieren, gurgelte und prusteteund hob abwehrend die Hand, aber er war zuschwach.

Unterdessen hatte der Wachtposten die andereSeite der Anhöhe abgesucht und kehrte zur Wach-hütte zurück. Offenbar war er zu dem Schluß ge-kommen, daß irgendein Tier den Hang gequert undeinen Stein losgetreten habe.

Als er um die Ecke der Wachhütte kam, sah er einedunkle Gestalt über Kava gebeugt. Nach der Schreck-sekunde war sein erster Gedanke, das Feuer zu eröff-nen, aber selbst ein langsamer Gorillaverstand er-kannte, daß das nicht die angemessene Reaktion war.Er wußte nicht, mit wem er es zu tun hatte. Es war

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sogar denkbar, daß es Urko selbst war, der auf einemInspektionsritt auf der Anhöhe haltgemacht hatte, umsich über Kavas Befinden zu informieren. Er ginglangsam weiter, das Gewehr im Hüftanschlag, undrief: »Halt! Wer ist da?«

Virdons Herzschlag setzte aus. Eine Sekunde langwar er vor Schreck wie gelähmt und unfähig, auf denAnruf zu reagieren. Er hatte fest damit gerechnet, daßder Wachtposten länger ausbleiben würde. Aber jetztwar es zu spät, darüber nachzudenken. Virdon ließdie Feldflasche fallen und rannte um sein Leben. EinTeil der restlichen Medizin bespritzte Kavas Gesicht.

Als der Fremde nicht antwortete und in Richtungauf das Dorf flüchtete, hob der Wachtposten das Ge-wehr und feuerte.

Virdon hörte das Geschoß zu seiner Rechten durchdas Laubwerk eines Baums fetzen. Es war gut, daßder untere Teil des Hanges unübersichtlich und dieNacht dunkel war. Er rannte, wie er noch nie geranntwar. Der Schuß mußte alle übrigen Wachen im Um-kreis des Dorfes alarmiert haben, und es war noch eingutes Stück zurückzulegen, ehe er sich in Sicherheitfühlen konnte.

Der Wachtposten verzichtete auf die Verfolgungund gab statt dessen aufs Geratewohl einen weiterenSchuß ab, der weit zur Rechten vorbeisang. Virdonbleckte die Zähne in einem Grinsen, während erdurch die Nacht hetzte. Er hatte nicht erwartet, daßder Wachtposten ihm nachlaufen würde; die Angehö-rigen der Sicherheitskräfte erhielten eine gute undgründliche Ausbildung, aber sie bekamen selten et-was zu tun, und der reguläre Dienstbetrieb verleitetesie zur Trägheit.

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Weitere Schüsse krachten, blindlings in die Dun-kelheit gefeuert, und Virdon fluchte. Nach diesemFeuerzauber mußte er damit rechnen, daß Urko in-nerhalb der nächsten Stunden das Dorf nach Ver-dächtigen durchsuchen lassen würde. Als Virdon dieFelder erreichte und nicht mehr durch Büsche undBäume gedeckt war, schlug er einen weiten Bogen zueinigen vereinzelten Hütten am westlichen Dorfrand.Dort verlangsamte er und ging ruhig die Dorfstraßeentlang. Es war an der Zeit, daß er sich ein Alibi zu-rechtlegte, um für ein mögliches Verhör gerüstet zusein.

Ungefähr zur gleichen Zeit, als Virdon ins Dorf zu-rückkehrte, hörten der Wachtposten und seine vonder Schießerei aus dem Schlaf gerissenen Kameradenrasch lauter werdende Hufschläge eines galoppieren-des Pferdes. Kurze Zeit später zügelte General Urkosein Pferd neben der Wachhütte, saß ab und ging aufden salutierenden Wachtposten zu. »Was ist pas-siert?« fragte er. »Was hat die Knallerei zu bedeu-ten?«

Der Soldat verspürte starkes Unbehagen, als er sichallein dem wegen seines cholerischen Temperamentsgefürchteten General gegenübersah. Die anderenhatten sich bei Urkos Ankunft hastig in die Wach-hütte zurückgezogen. »Ich hörte ein verdächtiges Ge-räusch«, sagte er. »Ich ging der Sache nach, konntejedoch nichts finden. Als ich zurückkehrte, war je-mand bei Kava.«

»Wer?« fragte Urko.»Ich – ich konnte ihn nicht genau erkennen.«Urko hatte sich bereits abgewandt und beugte sich

über den Kranken. Er suchte das Bett und die Umge-

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bung ab und stieß sofort auf die zurückgelasseneFeldflasche. Er beäugte sie kritisch im Licht der Fak-kel, roch daran und schüttelte Kava rücksichtslos, bisder Fiebernde zu sich kam. »Wer war hier?« verlangteUrko zu wissen.

Kava murmelte etwas Unverständliches und schloßwieder die Augen.

Urko zog ihn vom Lager und versetzte ihm mehre-re Ohrfeigen. »Wer war es!« fragte er. »War esZoran?« Er hob die Feldflasche vor Kavas Gesichtund schüttelte sie. »Hast du daraus getrunken?«

Kava brachte ein Kopfnicken zustande. »Ja ... ja ...«,wisperte er heiser.

Urko ließ ihn aufs Feldbett zurückfallen, richtetesich langsam auf und trat auf den Wachtposten zu.Mit einem wütenden Faustschlag streckte er den Sol-daten zu Boden. »Wenn Kava stirbt«, knirschte er,»wenn sie ihn mit dieser ›Medizin‹ vergiftet haben,werde ich dich erschießen lassen!«

Er ging zu seinem Pferd und saß auf, lenkte es mitden Zügeln herum und ritt fort, ohne den benommenam Boden liegenden Wachtposten eines weiterenBlickes zu würdigen.

Die Schüsse hatten auch die Dorfbewohner aus ihremSchlaf geschreckt. Nichts Gutes ahnend, stolperten sieaus ihren Hütten in die feuchte Dunkelheit des frü-hen Morgens und versuchten zu erfahren, was ge-schehen war. Keiner wußte es, und als keine weiterenSchüsse folgten und alles ruhig blieb, kehrten sie nachund nach in ihre Behausungen zurück. Galen, Burkeund Zoran waren unterwegs zur Lazaretthütte undtauschten Mutmaßungen über den Grund der Schie-

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ßerei aus, als eine Stimme sie zum Stehen brachte.»Sieht nach einem schönen Tag aus, nicht wahr?«

Die drei drehten sich erstaunt um. Virdon kam ausder anderen Richtung die Dorfstraße hinab, lehmigeErdklumpen an den Stiefeln.

»Ja, wirklich ein schöner Tag«, sagte Burke mit ei-ner ironischen Kopfbewegung zum Nachthimmel.»Ich sehe, du hast einen kleinen Morgenspaziergangunternommen.«

»Wir hörten Schüsse«, sagte Galen, »was ist ge-schehen? Wo warst du?«

Virdon lächelte. »Oh«, meinte er, »ich machte nureinen kleinen Krankenbesuch.«

Zoran war sprachlos. Er konnte kaum glauben, wasVirdon mit seinen Worten andeutete. »Du warst beiKava?« fragte er.

Virdon bejahte.»Warum?« sagte Zoran verwundert. »Du hast dein

Leben riskiert. Für einen Affen.«»Ich denke, er leidet unter der Krankheit genauso

wie die Patienten hier bei uns«, meinte Virdon. »Un-glücklicherweise mußte ich den Besuch überstürztabbrechen und ließ das Beweismittel zurück.«

»Glaubst du, daß einer der Wachtposten dich iden-tifizieren kann?« fragte Burke besorgt.

»Es war ziemlich dunkel«, antwortete Virdon.»Aber genau kann ich es nicht sagen.«

Galen und Burke wechselten alarmierte Blicke. IhreBesorgnis blieb Zoran nicht verborgen. Er blickte zumHügel hinüber, dann sagte er: »Das wird ernste Fol-gen haben, aber ich frage mich, ob es wirklich wichtigist.«

»Wie ist das zu verstehen?« sagte Virdon.

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»Vielleicht denkt Urko, daß du es warst; oder viel-leicht denkt er, daß ich es war. Wen er verantwortlichmacht, ist gleich, denn das Resultat wird dasselbesein«, sagte Zoran.

»Wir sollten uns bald etwas einfallen lassen«, sagteZoran. »Oder dieses Dorf wird in Schutt und Ascheliegen, ehe der Tag um ist.«

Die anderen nickten düster, aber keiner wußte, wiedas unabwendbar scheinende Unheil verhindertwerden könnte.

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5.

Östlich von Trion schien die staubige Landstraße ge-radenwegs in die aufgehende Sonne zu führen. DerMorgen war friedlich, sanft und frisch, wie nur einMorgen auf dem Land sein kann. Ein Vogelschwarmwar in die Felder eingefallen und verhalf sich mit vielGezeter und Gezwitscher zu einem Frühstück. EinEichhörnchen hatte sich zum Dorfbrunnen vorge-wagt, stand auf den Hinterbeinen und spähte in einenleeren Eimer. Überall in der Natur ging das Lebenseinen gewohnten und normalen Gang, ausgenom-men die Gemeinschaften der Menschen und der Af-fen; hier traf man auf die Mißtöne und Häßlichkeiten,die das Bild der Harmonie störten.

Im Hauptquartier waren die Vorbereitungen so gutwie abgeschlossen. Urko bestieg sein Pferd und gabletzte Befehle aus. Seine Gefolgsleute schwangen Ge-wehre und Fackeln, begeistert von der Aussicht aufAktion. Es konnte nicht lange dauern, bis sie sich indie Stimmung kriegerischer Hysterie hineingesteigerthaben würden; dann konnte der Sturmangriff begin-nen, der das Ende des Dorfes und seiner Bewohnerbedeuten würde. Burke tat in der Lazaretthütte Vor-mittagsdienst, als Virdon und Zoran in gespannterErwartung hereinkamen.

»Hallo, Pete«, sagte Virdon. »Wie sieht es aus?Geht es den Patienten besser?«

»Nun«, sagte Burke, »vielleicht ein wenig, aber dasist schwer zu beurteilen. Bei Amy und anderen ist dasFieber heruntergegangen, aber das kann auch mitdem normalen Malariazyklus zusammenhängen.« Er

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begegnete Virdons Blick mit hochgezogenen Brauen.»Wir brauchen Zeit, Alan.«

Zoran schüttelte energisch den Kopf. »Zaius hatuns eine Frist gegeben, die heute Mittag ausläuft«,sagte er. »Und es ist noch nicht einmal sicher, daß erdie Situation bis dahin unter Kontrolle halten kann.«

Zoran hatte kaum ausgesprochen, als in der Fernevielstimmiges Geschrei aufbrandete, ein dumpfes,bedrohliches Geräusch, zu weit entfernt, um im Dorfentstanden zu sein. Zoran und die beiden Astronau-ten eilten ins Freie.

Vor der Hütte überwachte Galen die Verarbeitungvon Chinarinde nach der von Virdon festgelegtenProzedur. Die drei sahen ihn nicht; ihre Aufmerk-samkeit wurde augenblicklich von dem furchterre-genden Panorama gefesselt, das sich auf den Feldernrings um das Dorf entfaltete.

Einige hundert berittene Soldaten und Polizistenhatten einen engen Einschließungsring um Trion ge-bildet und kamen im Schritt auf das Dorf zu, bren-nende Fackeln und Gewehre in den haarigen Fäusten.Der Vormarsch vollzog sich in völliger Stille; manhörte nur das gelegentliche Schnauben und Wiehernvon Pferden und hin und wieder einen kurzen Befehl.

Burke faßte sich als erster. Er spuckte in den Staubvor der Hütte und lachte leise vor sich hin. »Die Situati-on ist schon außer Kontrolle, wenn ihr mich fragt.«

Virdon stand wortlos da, doch die hängendenSchultern und die unnatürliche Blässe seines Gesichtszeigten, daß er die Hoffnung aufgegeben hatte. NurZoran reagierte zornig.

»Das kann er nicht machen!« rief er aus. »Er han-delt gegen den Beschluß des Ältestenrats!«

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»Ob er es kann oder nicht«, sagte Burke spöttisch,»es sieht ganz danach aus, daß er es tut.«

Zoran beachtete ihn nicht. Er rief nach seinemPferd und wartete ungeduldig, während der Ein-schließungsring sich mehr und mehr verengte. »Ichwerde mir den Sieg nicht von Urko wegnehmen las-sen!« rief er in zorniger Entschlossenheit. »Nicht,wenn ich meinem Ziel so nahe bin!«

»Vielleicht hat der Rat seinen Beschluß geändert«,sagte Virdon trübe.

»Das glaube ich nicht«, widersprach Zoran, ohne denBlick von Urkos Armee abzuwenden. »Dies ist eine Sa-che, die zwischen Urko und mir ausgemacht werdenmuß.«

Inta brachte ihm das Pferd. Zoran saß auf und jagteim Galopp die Dorfstraße hinaus, seinem Rivalenentgegen.

»Wie es scheint«, sagte Burke, »treiben die Ereig-nisse rasch einem Höhepunkt entgegen, nicht wahr?«

Virdon nickte. »Tun sie das nicht immer?«»Kann sein«, meinte Burke. »Aber manchmal wird

es ein wenig lästig. Ich meine, wir hätten einfach inFrieden weitergehen können, aber nein, wir mußtenzurückkommen.«

»Bedauerst du wirklich, daß wir zurückgekommensind?« fragte Virdon.

Burke beobachtete die Gorillas, die dem Dorfrandjetzt so nahe waren, daß er ihre glänzenden rundenAugen sehen konnte. »Nein«, sagte er. »Warum sollteich? Nur weil eine Bande von Flüchtlingen aus einemalten Hollywood-Stummfilm im Begriff ist, uns zu rö-sten und zu vierteilen?«

Galens aufgeregte Stimme unterbrach seine sarka-

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stischen Betrachtungen. »Was sollen wir jetzt tun,meine Freunde? Sollen wir Amy mit uns nehmen unddas Weite suchen?«

Virdon nickte in die Richtung der Gorillas. »Ichfürchte, dafür war es schon vor einer Stunde zu spät«,sagte er nachdenklich.

Galen blickte umher und bemerkte erst jetzt, daßdie berittenen Soldaten das Dorf eingeschlossen hat-ten. Nun verstand er, warum Burke und Virdon sichso resigniert und passiv verhielten und keinenFluchtversuch unternahmen. Sie mußten längst er-kannt haben, daß es keine Möglichkeit gab, den Ringzu durchbrechen und daß sie nur abwarten konnten.

»Es scheint«, sagte Virdon, »daß unsere Zukunft inden Händen des berühmten Meisters der Heilkundeliegt.«

»Paß nur auf«, entgegnete Burke zynisch, »daßdeine Zukunft nicht ein vorzeitiges Ende findet.«

»Wir sind hilflos«, sagte Galen in einem Ton müh-sam beherrschter Verzweiflung. »Wir können nichtfliehen und haben keine Waffen.«

Virdon schaute ihn an, als sei ihm eine plötzlicheErleuchtung gekommen. »Natürlich!« sagte er. »Wirhaben eine.«

Er machte kehrt und verschwand in der Lazarett-hütte.

Galen und Burke blickten einander fragend an;keiner von beiden wußte, was Virdon mit seinerletzten Bemerkung gemeint hatte, aber sie wußten,daß er eine Idee hatte. Sie wußten auch, daß es keinenZweck hatte, ihn danach zu fragen. Virdon haßte es,vorzeitig über seine Pläne und Ideen zu sprechen.

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Kava lag auf seinem Feldbett neben der Wachhütte.Es war heller Tag, und die Fackel, die bei Nacht denBereich um die Hütte erhellt hatte, war ausgebrannt.Kein Wachtposten war zu sehen, und auch die Hütteschien leer. Kava war als einziger zurückgeblieben,allein auf der Kuppe des kleinen Hügels.

Er fühlte sich noch immer matt und fiebrig, aber erwar ruhiger und hatte einen klaren Kopf. Mit einigerMühe richtete er sich im Bett auf und schaute umher.Sein Blick fiel auf das Dorf, und er sah, wie der Ringder berittenen Soldaten sich langsam enger um dieSiedlung der Menschen schloß. Fackeln qualmten,Gewehrläufe blinkten in der Sonne, und aller An-schein sprach dafür, daß die Truppe sich eben an-schickte, das Dorf dem Erdboden gleichzumachen,wie Urko es seit Tagen angekündigt hatte.

Die Verwirrung widerstreitender Gefühle über-wältigte Kava; er empfand Bestürzung und Bedauern,ohne daß er einen Grund dafür zu nennen vermochte.Er versuchte aufzustehen, obwohl er nicht rechtwußte, was er tun sollte. Die Anstrengung war zugroß, und er ließ sich auf das Feldbett zurückfallenund starrte zur aufgespannten Zeltbahn empor.

Zoran zügelte sein Pferd und versperrte Urko denWeg. Der General mußte auch anhalten, wenn er eineKollision vermeiden wollte. Sein Gefolge kam mitihm zum Stillstand.

»An Mut scheint es dir nicht zu fehlen, Zoran«, sagteUrko. »Nun, du wirst ihn noch brauchen. Gib den Wegfrei.« Sein Tonfall war herausfordernd und gering-schätzig.

»Bis zur Mittagszeit sind es noch mehrere Stunden,

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Urko«, sagte Zoran.»Geh mir aus dem Weg, oder du wirst mit denen

im Dorf sterben.«Zoran hatte Mühe, die Beherrschung zu wahren.

Was ihm dabei half, war allein das Wissen, daß seinVerhalten in diesen Minuten über den weiteren Ver-lauf seines Lebens entscheiden würde. »Der Ältesten-rat hat abgestimmt und entschieden«, sagte er.

Urko erhob sich in den Steigbügel und machte eineBewegung, als wolle er sein Gegenüber wie ein lästi-ges Insekt beiseitefegen. »Zum Teufel mit dem Älte-stenrat!«

Ehe Zoran eine Antwort finden konnte, meldetesich eine dritte Stimme. »Das ist Verrat, Urko!« sagtesie.

Die zwei Kontrahenten wandten sich erstaunt umund sahen Zaius, der unbemerkt herangeritten war.Ihm folgten die übrigen Mitglieder des Ältestenrats.Ihre Mienen verrieten Furcht und Unbehagen.

Urko wollte sich so dicht vor dem Ziel nicht auf-halten lassen. Er hatte sich entschieden und konntenicht mehr zurück, ohne vor seinen eigenen Leutendas Gesicht zu verlieren. »Lieber Verrat als unver-antwortlichen Wahnsinn!« rief er zornig.

Zaius ließ sich von seinem Gehabe und der Schau-stellung militärischer Macht nicht beeindrucken. »Ichverlange, daß du dich mit deinen Soldaten aus demSperrkreis zurückziehst, Urko«, sagte er. »Das ist einBefehl.« Er sprach ruhig und völlig furchtlos.

Urko stieß ein rauhes Lachen aus. Er blickte überdie Schulter, um zu sehen, welche Wirkung Zaius'Worte auf sein Gefolge hatte. Die Soldaten und Un-terführer saßen mit steinernen Mienen auf ihren

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Pferden; keiner gab ein Zeichen von Unsicherheit zuerkennen. Der General blickte zurück zu Zaius, zu-versichtlich, daß seine Männer ihm überallhin folgenwürden, selbst gegen den Befehl des Ältestenrats.»Du willst befehlen?« fragte er. »Du hast Worte, Zai-us. Ich habe Waffen.«

»Es wurde abgestimmt«, erwiderte Zaius unnach-giebig, »und wir werden zu der Entscheidung ste-hen!«

Urko nahm seinem Adjutanten das Gewehr ausden Händen und richtete es auf Zaius. »Entferne dich,alter Mann!« grunzte er.

»Würdest du mich töten, Urko?« fragte Zaius.Der andere zeigte auf Zoran. »Bevor du ihm er-

laubst, meine Männer zu töten, ja!«Das trug ihm beifälliges Gemurmel aus den Reihen

seiner Soldaten ein, die in den Worten eine Loyalitätund ein Zusammengehörigkeitsgefühl fanden, wie sienur unter ihresgleichen existierten. Weder Schimpan-sen noch Orang-Utans hatten einen vergleichbarenHang zur Bildung einer verschworenen Gemein-schaft, und nun schien es ihnen, daß Zaius und derÄltestenrat sie alle angriffen, indem sie sich gegenUrko wandten. Sie entsicherten die Gewehre undlegten auf Zaius und die Ratsmitglieder an.

Zoran erkannte die Gefahr und wandte sich be-schwörend an Urkos Gefolge: »Hört mich an!« rief er.»Euer Schicksal ist Urko gleichgültig! Er denkt nur andie Festigung seiner eigenen Position. Er ließ nicht zu,daß ich Kava half. Er zog es vor, Kava sterben zu las-sen, nur um mich in Mißkredit zu bringen und seineMachtposition zu stärken!«

Urko geriet momentan aus der Fassung, so nahe

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war Zoran an die Wahrheit herangekommen. Dannüberspielte er die Schwäche durch eine Schaustellungvon Zorn und Empörung. »Nein!« rief er, »Zoran istderjenige, der nur an sich denkt! Er konnte Kava nichthelfen! Er konnte keinem helfen!«

Zaius schmunzelte, denn er sah etwas, was Urkobisher verborgen geblieben war. »Mir scheint, daß dufalsch informiert bist, Urko«, sagte er und zeigte zumDorf hinüber.

Aller Blicke wandten sich in die angezeigte Rich-tung.

Die kranken Bewohner von Trion, die vor wenigenTagen noch im Fieberdelirium gelegen hatten undpraktisch als hoffnungslose Fälle aufgegeben waren,bewegten sich in einem langsamen Zug die Straßeentlang zum Dorfausgang. Sie waren offensichtlichnoch immer schwach, und viele mußten von ihrenNachbarn gestützt werden, aber insgesamt war eineVerbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandsnicht zu übersehen: ein sichtbarer Tribut an ZoransErfolg.

Viele Männer und Frauen, die vor vierundzwanzigStunden noch völlig apathisch auf ihren Strohsäckengelegen hatten, waren nun kräftig genug, um an derDemonstration teilzunehmen. Selbst für Urko undsein Gefolge war es offensichtlich, daß es diesenLeuten besser ging und daß das Fieber besiegt war.Für Zaius und die Ratsmitglieder gab es erst rechtkeinen Zweifel am Erfolg der Behandlung. An derSpitze des Zuges ging Inta, Zorans Assistent, an AmyTalberts Seite und lächelte triumphierend.

Virdon und Burke beobachteten den Demonstrati-onszug aus einem Fenster. Trotz allem, was sie für

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die Dorfbewohner getan hatten, war dies nicht ihreSchau. Überdies hatten sie gute Gründe, sich vor Ur-ko und Zaius zu verbergen. Der Demonstrationszugwar eine verzweifelte Abwehrmaßnahme gegen dieTyrannei, die Urko und seinesgleichen zu errichtensuchten.

»Dies verändert das Bild, nicht wahr, Zaius?« sagteZoran stolz.

»Ja«, erwiderte Zaius, »es ist zweifellos eine andereSituation als jene, die wir heute morgen anzutreffenerwartet hatten. Nichtsdestoweniger haben wir nochkeine vollständige Klarheit über die Bedeutung des-sen, was wir hier sehen. Wir müssen noch warten.«

»Aber die Leute ...«, fing Zoran an.»Ich gebe zu, daß es ein Sieg deiner neuen Theorie

zu sein scheint«, sagte Zaius. »Aber wir müssen Ge-wißheit haben.«

Urko und sein Anhang versuchten immer noch zubegreifen, was gespielt wurde und warum sie darangehindert wurden, die Aktion durchzuführen, die sieso gründlich vorbereitet hatten. Der General erkanntezwar, was die Leute aus Trion mit ihrem Umzug be-zweckten, aber er war nicht darauf gefaßt gewesen.Er machte mehrere Anläufe, etwas zu sagen, dochwollte ihm nichts einfallen. Schließlich rief er mitlauter und verächtlicher Stimme: »Es ist ein Trick! EinSchwindel!«

»Nein!« Kava, noch immer schwach und fiebernd,aber gegenüber dem Vortag sehr erholt, kam wan-kend näher und salutierte vor Zaius. »VergangeneNacht kam jemand aus dem Dorf zu mir ... Mir ginges schlecht, ich dachte, ich müsse sterben.«

Urko war über diesen Akt der Insubordination von

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einem seiner Soldaten entrüstet. Abgesehen davon,daß Kavas Handlungsweise in Urkos Augen Verratwar, war sie geeignet, seine Autorität zu untergraben.Er starrte seinen Untergebenen drohend an und hobgebieterisch den Arm. »Ruhe!« grollte er. »Das ist einBefehl.«

Kava schwieg verwirrt, unversehens in einenLoyalitätskonflikt gestürzt. Er hatte einen direktenBefehl seines Oberkommandierenden erhalten, dochwar er Zaius in noch höherem Maße Gehorsam undTreue schuldig. Die Entscheidung wurde ihm durchden Umstand erschwert, daß es sich so verhielt, wieUrko gesagt hatte: Zaius hatte die Worte, aber Urkohatte die Waffen. Wenn nichts geschah, würden Zaiusund der Ältestenrat diesen Tag nicht lange überleben,und Urko würde alle Macht und Vorrechte einesDiktators an sich reißen. Die Gorillas würden den be-sonderen Status erhalten, den sie seit Hunderten vonJahren angestrebt hatten. Alle Gorillas bis auf Kava.Kava würde auch sterben müssen.

»Man gab mir etwas, zu trinken«, sagte er mit demMut der Verzweiflung. »Bittere Medizin. Urko irrtsich. Die Medizin half mir. Sie rettete mir das Leben.«

Die Soldaten musterten Kava. Sie hatten ihn allehilflos und im Fieberdelirium gesehen, und nun stander wieder vor ihnen, wenn auch geschwächt, undsprach ruhig und vernünftig. Neben ihm wirkte Urkowie ein unbesonnenes und gedankenloses Kind.

Urko fühlte, daß seine Leute ihm entglitten. Er warim Begriff, seine Macht über sie zu verlieren. Je mehrer überlegte und nach einer Antwort suchte, destoklarer wurde ihm, daß er hilflos war.

Auch Zaius überlegte. Die Situation war weitaus

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schwieriger als jede andere, mit der er während sei-ner langen Amtszeit befaßt gewesen war. Ein falschesWort, eine mißverstandene Geste, und die Konfron-tation konnte noch immer in tragischem Blutvergie-ßen enden. Zaius hatte keine Sympathien für die Be-wohner Trions, geschweige denn ein persönlichesInteresse, noch fürchtete er den Tod unter den Hän-den aufgeputschter Soldaten.

Was ihn schreckte, war die Gefahr, daß Urko alleMacht an sich riß. Dies notfalls um den Preis seineseigenen Lebens zu verhindern, war Zaius entschlos-sen.

»Ich wiederhole, was ich schon einmal sagte, Ur-ko«, sagte Zaius. »Rufe deine Truppen zusammenund ziehe sie zurück, solange sie noch auf deinKommando hören.«

Urko starrte den anderen lange an, dann wandte ersich seinen Soldaten zu. Er wußte, daß sie dumm ge-nug waren, um sich von den Argumenten jederhalbwegs selbstbewußt auftretenden Person in ihrerHaltung schwankend machen zu lassen, und tatsäch-lich las er in ihren Augen wachsende Unverschämt-heit. Es würde einige Zeit kosten, bis er sie durchstrenge militärische Disziplin wieder in den Griff be-käme.

Wortlos wendete er sein Pferd und ritt davon. Sei-ne Soldaten zögerten eine Weile, aber sie begriffenalle, daß sie kein anderes Leben hatten als das mitUrko. Sie hängten sich die Gewehre um und folgtenihm.

Kava sah sich wieder allein zurückgelassen; wie esschien, betrachtete Urko ihn jetzt als einen Verräter,doch das bekümmerte Kava vorläufig noch nicht: er

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hatte mehr unmittelbare Sorgen. »Würdest du michbehandeln«, fragte er Zoran, »bis ich wiederherge-stellt bin?«

Zoran versprach es ihm lächelnd. Er hatte Urko be-siegt. Zaius' Ankunft und die Demonstration derDorfbevölkerung hatten ihm aus der schwierigstenSituation seiner Karriere geholfen. Er konnte es sichleisten, großzügig zu sein. Er half Kava auf seinPferd, und gemeinsam ritten sie langsam die staubigeStraße entlang nach Trion.

Zaius wendete sein Pferd und ließ den Blick überdie Mitglieder des Ältestenrats gehen. Sie schautenverlegen und kleinlaut drein, denn nicht einer vonihnen hatte den Mut gehabt, sich offen an Zaius' Seiteund gegen Urko zu stellen.

»Wie rasch ein fauler Kompromiß attraktiv wird,nicht wahr?« sagte er verächtlich. »Ihr, die ihr beauf-tragt seid, die Gesetze auszuarbeiten, nach denen un-sere Gesellschaft leben muß, hättet Urko mit Freudenalles zugestanden, damit er eure wertlosen Lebenverschone.« Damit ritt auch er fort. Die beschämtenRatsmitglieder folgten mit einigem Abstand.

Nachdem Zoran in die Lazaretthütte zurückge-kehrt war und Kava versorgt hatte, sah er nach demBefinden der übrigen Patienten, die sich dank demChinin ausnahmslos viel besser fühlten. Die Männerund Frauen aßen wieder, unterhielten sich und lach-ten – mit einem Wort, sie zeigten neuen Lebensmut.Zoran war sehr zufrieden.

Beim Verlassen der Hütte sah er Amy, Burke, Vir-don und Galen in angeregtem Gespräch beisammen-stehen. Er trat näher, doch sie bemerkten ihn erst, alser sich räusperte. »Ich möchte gern einen Moment mit

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euch beiden sprechen«, sagte er und winkte Burkeund Virdon mit dem Finger. Darauf wandte er sichum und ging auf die Straße hinaus. Hinter ihm ent-stand beklommenes Schweigen. Virdon, Burke undGalen blickten einander fragend an, dann folgten sieZoran schulterzuckend hinaus. Galen hielt sich imHintergrund, blieb aber in Hörweite.

Zoran, Virdon und Burke gingen langsam dieDorfstraße hinunter. »Ich nehme an, ihr werdet baldabreisen wollen«, sagte Zoran.

Virdon nickte. »Ja, wir dachten, im Lauf des Tagesaufzubrechen.«

Zoran wiegte den Kopf und verzog das Gesicht.»Ich fürchte«, sagte er unbehaglich, »das wird nichtmöglich sein.«

»Warum nicht?« fragte Burke verdutzt.Zoran holte tief Luft. »Nun«, sagte er, »weil ich

euch nicht gehen lassen kann.«»Aber alles ist unter Kontrolle«, sagte Virdon. »Wir

werden hier nicht mehr benötigt.«Zoran seufzte. Diese Menschen bestanden darauf,

die Situation noch schwieriger zu machen, als sie oh-nehin war. »Nein«, sagte er, »ihr versteht mich nicht.Ich meine, ich muß Zaius und die anderen über euchinformieren.«

Als Galen das hörte, beschleunigte er seinen Schrittund schloß sich dem Trio an. Virdon und Burke sa-hen einander an.

»Seht ihr«, sagte Zoran bedauernd, »ich weiß, werihr seid.«

Burke gab sich unwissend. Es war die einfachste Re-aktion, aber auch eine, die nur geringe Erfolgsaussich-ten hatte. »Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte er.

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»Bitte«, sagte Zoran, »es ist schon so schwierig ge-nug. Eure Kenntnisse der Medizin. Äußerungen, diedas Mädchen im Fieber machte. Ich weiß, daß ihr diezwei ›Astronauten‹ seid. Und euer Begleiter hier mußGalen sein.«

Burke seufzte und ließ den Kopf hängen. Es hattekeinen Sinn, länger zu leugnen.

»Ich weiß zu würdigen, was ihr hier getan habt«,sagte Zoran mitfühlend. »Ich habe von euch gelerntund bin dafür dankbar.«

»Aber wie kannst du uns dann ausliefern?« fragteBurke.

»Weil ihr Flüchtlinge seid. Zaius sucht euch. Undich bin Zaius treu ergeben.«

»Ich dachte, was wir hier getan und gemeinsamgeleistet haben, würde etwas bedeuten«, sagte Virdonzögernd.

Zoran blickte weg. Es war zuviel für ihn. »Es be-deutet etwas, wirklich. Aber ...«

»Aber wir sind Angehörige einer niederen Spezi-es.«

»Ja.«»Wie wirst du Zaius und den anderen erklären,

daß dein ›Sieg‹ in Wahrheit der Sieg dieser beidenwar?« fragte Galen. »Oder hast du vor, dir alles alsdein persönliches Verdienst anrechnen zu lassen?«

»Ich, also, ich habe keine andere Wahl. Ich muß anmeine Position denken.«

Burke begriff sofort, was Galen bezweckte, undsagte: »Glaubst du, wir würden es Zaius nicht sagen,wenn du uns auslieferst?«

Zoran war entrüstet. »Er würde euch kein Wortglauben! Nicht, wenn das Wort eines ... eines Men-

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schen gegen das eines Affen steht. Und ich bin Mit-glied des Ältestenrats!«

»Aber Zaius würde mir glauben«, entgegnete Ga-len ruhig.

Zoran dachte darüber nach. »Also gut«, seufzte erschließlich. »Ich werde euch nicht ausliefern. Ihrkönnt gehen, wohin ihr wollt. Aber ich würde vor-schlagen, daß ihr das Dorf im Schutz der Dunkelheitverlaßt.«

Als der Abend kam, hatte sich das Leben im Dorfbeinahe ganz normalisiert. Niemand war länger inLebensgefahr, und die meisten Kranken waren zu ih-ren Angehörigen zurückgekehrt. Aus vielen Hüttendrangen Lichtschein und der Klang fröhlicher Stim-men.

In der Hütte, die ihnen als Quartier gedient hatte,packten die drei Gefährten ein weiteres Mal dieRucksäcke, bereit, Trion zu verlassen; der letzte Ver-such, obschon erst vor wenigen Tagen unternommen,schien bereits verhüllt von den Schleiern der Vergan-genheit.

Nur drei Patienten lagen noch in der Lazaretthütte,Menschen, die erst spät von der Krankheit befallenworden waren und noch der Pflege bedurften. Einevon diesen war Amy. Sie war beinahe wiederherge-stellt, aber Virdon hatte ihr einen weiteren Tag Bett-ruhe verordnet, um ihr eine kleine Gelegenheit zurErholung zu geben. Er setzte sich zu ihr auf denStrohsack und legte seine Hand auf die ihre. Sieblickte zu ihm auf und lächelte.

»Weißt du«, sagte sie, »das zweite Mal ist es genau-so schlimm. Das Abschiednehmen, meine ich.«

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Virdon lächelte. »Es wird alles gut werden.«»Sicherlich«, sagte Amy.Eine schmerzhafte Pause trat ein.Endlich sagte Virdon: »Vielleicht werden wir eine

Möglichkeit zur Rückkehr finden. Dann wäre esschön, wenn du mit uns kommen könntest.«

Sie blickte ihn ernsthaft an, dann lächelte sie undnickte. Sie glaubte ihm nicht wirklich. »Gewiß«, sagtesie, »das wäre schön. Einstweilen kann ich vielleichteiniges von dem, was du mir gesagt hast, ausprobie-ren. Um das Leben hier besser zu machen, weißt du.Das ist auch etwas, nicht wahr?« Ihre Stimme warvoll Hoffnung.

Virdon war beschämt. Sie war das tapferste, cha-rakterstärkste Mädchen, das er je gekannt hatte. »Ja«,sagte er traurig, »das ist sogar sehr viel.« Er beugtesich über sie und küßte sie auf die Stirn. »Leb wohl,Amy«, sagte er.

»Leb wohl.«Virdon stand auf und verließ die Hütte, ohne sich

umzublicken. Er hatte Tränen in den Augen, denn eswar mehr als wahrscheinlich, daß er Amy niemalswiedersehen würde. Kurz darauf schulterten die dreiWanderer ihre Rucksäcke und machten sich auf denWeg. Dorfbewohner kamen aus ihren Hütten undverabschiedeten sie. Mehrere steckten ihnen Proviantzu, den sie dankbar annahmen.

Am Dorfausgang standen Inta und Zoran und sahensie gehen. Als sie fast vorbei waren, winkte Zoran, ei-ne kleine und letzte Freundschaftsgeste. Doch Vir-don, Burke und Galen sahen sie nicht mehr; schonhatte die Dunkelheit sie verschluckt.

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Als Zoran sich zu seinem Assistenten wandte, saher, daß dieser seine noch erhobene Hand anstarrte.Zoran ließ sie sinken, drehte sich um und ging lang-sam und mit gesenktem Kopf zurück ins Dorf.

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6.

Der Sommer lag heiß und trocken über Wiesen undFeldern ausgebreitet. Die meisten Wildblumen hattensich längst der Sonne geöffnet und ihr kurzes Lebenin freigiebiger Schönheit verströmt. Nun waren sietote braune Stengel und Hülsen im Gestrüpp. Die Bü-sche hingen voller roter und schwarzer Beeren undhielten den Tisch für Insekten und Vögel gedeckt.Nicht mehr lange, und der Herbst würde seine ver-schwenderische Herrschaft antreten, um nur zu baldvon den beißenden Frösten des Winters verdrängt zuwerden. Aber überall in Wald und Feld, eingeschlos-sen in den immerwährenden geheimnisvollen Kreis-lauf von Leben und Tod, verbarg sich unter un-scheinbarer Hülle das Versprechen der Fortdauer.

Die Gegend unterschied sich kaum von ihrer nähe-ren und weiteren Umgebung. Wo Wiese und Feldendeten, erhoben sich sanft gerundete, waldbedeckteHügel. Der Himmel, der am Morgen noch vom rein-sten Blau gewesen war, das der Spätsommer mitdurchsichtiger Luft herbeizaubern kann, hatte sichmit stattlichen Kumuluswolken geschmückt, und mitden Wolkenschatten kam ein frischer Wind, rascheltein den Birken und kämmte das lange Gras. Die Luft,erfüllt von den fernen Rufen südwärts ziehender Vo-gelschwärme und den sanften Geräuschen der In-sekten, hatte den melancholisch stimmenden Geruchvon Erde und welkem Laub.

Ein müßiger Betrachter hätte in der stillen Talmul-de keine auffallende Bewegung ausgemacht, dochwäre ihm irgendwann ein leichtes, rhythmisches Vi-

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brieren des Bodens aufgefallen, ein allmählich an-schwellendes dumpfes Trommeln, das sich schließ-lich zum Donnern galoppierender Pferdehufe ver-stärkte.

Drei berittene Polizisten mit umgehängten Karabi-nern kamen im Handgalopp das verschwiegene Talherauf und hielten auf ein Zeichen ihres Anführersmitten im Feld. Während die zwei Begleiter wachsamumherspähten, schwang er sich vom Pferd undsuchte sorgfältig den Boden ab. Hier und dort bog erGräser und Stauden auseinander, und schließlichkniete er nieder, um etwas aus der Nähe zu betrach-ten. Als er aufstand, zeigte sein schwarzes Gesicht ei-nen triumphierenden Ausdruck. »Sie waren hier«,verkündete er. »Und die Fährte ist noch nicht alt!«

Er bestieg sein Pferd, gab die Richtung an, und derTrupp galoppierte weiter.

Die Sonne war tief am Westhimmel und tönte dieUnterseiten der Wolken mit zarten und leuchtendenFarben. Am Hang eines mit Buschwerk und Nieder-wald bedeckten Hügels mühten sich drei Gestaltenaufwärts. Sie waren mit prall gefüllten Rucksäckenbeladen und keuchten vor Anstrengung. Als sie dieHöhe erreicht hatten, machten sie für kurze Zeit halt,um zu verschnaufen und sich Schweiß von den Ge-sichtern zu wischen. Burke blickte angestrengt in dieTalmulde hinunter, aus der sie gekommen waren.

»Was ist los?« fragte Virdon.»Ich sehe sie nicht«, sagte Burke hoffnungsvoll.Virdon fuhr sich durch das blonde Haar. »Wenn du

sie von hier aus sehen könntest«, sagte er, »würde esschon zu spät sein. Komm mit.«

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Burke stieß pustend die Luft aus. »Galen kann die-ses Tempo nicht mithalten.«

»Ich bin nicht müde«, sagte der Schimpanse.Burke lachte. »Der Mann mit den eisernen Mus-

keln, was?«»Los, vorwärts!« drängte Virdon. »Wir wissen

nicht, wie nahe Urkos Leute sind. Wir sollten es biszu dem Wald dort unten im nächsten Tal schaffen,ehe es dunkel wird.«

Burke seufzte. »Ich komm' ja schon, Mutter«, wit-zelte er. Galen setzte sich wortlos in Bewegung, undgemeinsam stiegen die drei im nachlassenden Lichtüber den verwachsenen Hügel ab.

Im Wald war es angenehm kühl, und der feuchteDuft der Bäume ermunterte ihre gedrückten Lebens-geister. Sie verlangsamten ihren Schritt ein wenig,weil die Verfolger Schwierigkeiten haben würden,ihnen hier im dichten Unterholz auf der Fährte zubleiben. Sie kamen auf eine kleine Lichtung undmachten halt, während Virdon sich in der Nähe um-sah. Sie waren stillschweigend übereingekommen,daß Virdon ihr Führer sein sollte, wenigstens zu die-ser Zeit und unter diesen Umständen. Die Führer-schaft wechselte häufig und fiel mal diesem und maljenem der drei Freunde zu, je nachdem, wessen Fä-higkeiten den Erfordernissen des Tages am bestenentsprachen.

Als Virdon zurückkam, blickte Burke ihm hoff-nungsvoll entgegen. »Hauen wir uns hin?« fragte er.

Virdon schnob leise. »Nichts zu machen«, antwor-tete er. »Jetzt ist unsere Chance, ihnen zu entwi-schen.« Er nahm etwas aus der Tasche und beugtesich aufmerksam darüber. Es war ein primitiver klei-

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ner Kompaß, den Virdon aus gefundenem Materialselbst gebaut hatte. Die Gesellschaft der Affen ver-schmähte und fürchtete solche Objekte. Als die ent-wickelten Affen vor vielen hundert Jahren ihren frü-heren Herren die Macht entrissen hatten, war das altetechnologische Wissen auf den meisten Gebietenrasch in Vergessenheit geraten.

»Wir wissen, in welche Richtung wir gehen«, er-läuterte Virdon. »Sie wissen es nicht. Das gibt uns ei-nen Vorteil, den sie mit Geschwindigkeit allein nichtwerden ausgleichen können.«

Burke war unzufrieden und frustriert. Er war derAnsicht, daß sie für einen Tag lange genug marschiertseien. »Was macht das für einen Unterschied, wennin keiner Richtung etwas ist?« sagte er verdrießlich.

»Und ob es einen Unterschied macht«, widersprachihm Virdon. »Urkos Leute wissen bei dieser Wolken-decke nicht, in welche Richtung sie reiten. Sie werdenim Kreis herumlaufen. Wir aber können geradeausgehen.«

Er nickte den beiden zu und ging voraus zur ande-ren Seite der Lichtung. Galen und Burke folgten ihmerschöpft.

Die Nacht senkte sich still auf den Wald herab, unddie drei tauchten im undurchdringlichen Dunkel un-ter. Endlich, nach weiteren anderthalb Stunden, hieltVirdon an. Sie standen eine Weile, lauschten in dieStille hinaus und spürten die kalte Nachluft in ihrenverschwitzten Gesichtern.

»Soll das wieder nur eine Zwischenrast sein?«fragte Burke. »Ich möchte verhüten, daß meine armenBeine ganz umsonst in freudige Erregung geraten.«

»Nur eine Zwischenrast«, sagte Virdon. »Tut mir

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leid, Pete, aber ich glaube nicht, daß wir schon ge-fahrlos für die Nacht haltmachen können.«

»Habt ihr das gehört, Beine?« sagte Burke. »ZehnMinuten bekommt ihr, dann geht es weiter. Gebtnicht mir die Schuld, gebt sie dem da.«

»Spar dir deine Energie«, sagte Virdon. Die drei ra-steten schweigend.

Dumpfe Hufschläge, Schnauben und das Rauschenvon Zweigen störten die feierliche Stille des nächtli-chen Waldes. Die drei Polizisten ritten auf die kleineLichtung hinaus, wo Virdon den Kompaß befragthatte. Nun standen die Bäume ringsum im Schein derbrennenden Fackeln, und bei jeder Bewegung derReiter sprangen und tanzten seltsame, bedrohlichaussehende Schatten um sie her, und der Ort, derBurke, Virdon und Galen so friedlich und einladenderschienen war, gewann ein düsteres, unheilverkün-dendes Aussehen.

Die Reiter zügelten ihre schweißglänzenden Pfer-de, und der Anführer saß ab, die Fackel in der Hand.Er ging auf der Lichtung hin und her und durch-suchte das hüfthohe Gras nach Spuren der Flüchti-gen. Nach einiger Zeit machte er einen dunklen Strei-fen niedergetretenes Grases aus, der sich bei genaue-rer Untersuchung nicht als ein Wildwechsel sondernals die gesuchte Fährte erwies. »Hier entlang!« rief er.»Hier sind sie gegangen!«

Er lief zurück zu seinem Pferd, saß auf, und diedrei jagten weiter durch die Nacht. Am Rand derLichtung passierten sie einen vom Blitzschlag getrof-fenen Baum, dessen zersplitterter Stumpf wie ein rie-siger krummer Finger fahl in die Luft ragte. Der Wald

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schien kein Ende nehmen zu wollen; jeder der dreiReiter sehnte den Wiederbeginn der offenen Land-schaft mit ihren Feldern und Wiesen herbei, die auchbei Nacht ein gutes Vorankommen boten. Aber derWunsch erfüllte sich nicht. Einige Zeit später rittensie auf eine Lichtung und hielten abermals an. Sie ho-ben ihre Fackeln in die Höhe und suchten den Bodennach Spuren ab. Zu seiner Erbitterung erblickte derAnführer den unverkennbaren, vom Blitz zerspelltenBaum am Rand der Lichtung. Er reckte die Faust zuden Wolken und fluchte.

Seine zwei Kameraden saßen ab, um sich die Beinezu vertreten. »Es ist verboten, bei Nacht ohne Orientie-rung an den Sternen zu reiten«, sagte einer der beiden.

Der Anführer bedachte ihn mit einem verächtlichenBlick. »Nichts ist verboten, wenn du für Urko reitest«,sagte er.

»Wie kommt es dann, daß die Geister unsere Pfer-de im Kreis herumgeführt haben?« verteidigte sichder andere.

Eine Pause folgte, und die Stille des nächtlichenWaldes sickerte wieder in die Lichtung ein. Der An-führer des Trupps erkannte, daß es sinnlos war, dieVerfolgung fortzusetzen. Sie mußten bis zum Morgenwarten. Er war enttäuscht und verdrossen; hätte erseinen Auftrag nicht von General Urko persönlich er-halten, er wäre zur Garnison zurückgekehrt und hättedie ganze Sache vergessen. Wer interessierte sichschon allen Ernstes für zwei entlaufene Menschenund einen abtrünnigen Schimpansen? Aber was Ge-neral Urko sich in den Kopf setzte, mußte er haben ...

»Auch gut«, knurrte er schließlich. »Dann werdenwir eben hier kampieren, Brüder. Sammelt Holz und

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macht ein Feuer. Auch die Pferde können Ruhe ver-tragen. Und beim ersten Licht geht es weiter ... Wirwerden reiten, bis wir diese drei fangen!«

Die Flüchtlinge waren immer noch auf den Beinen.Mitternacht war längst vorüber, und sie hatten einenlangen Weg hinter sich. Das Terrain war sehr hügeliggeworden, und der bewölkte Himmel spendete fastkein Licht; die drei wanderten durch nachtschwarzenHochwald, kaum imstande, ein paar Schritte weit zusehen. Burke übernahm vorübergehend die Führung,und nach einer Weile blieb er erschöpft stehen, umsich an einen Baum zu lehnen. »Weißt du, Alan«,keuchte er, »ich hätte doch diese kleine Kneipe inGalveston kaufen sollen ...«

Virdon ging an ihm vorbei, ohne stehenzubleiben,und dann passierte ihn Galen.

»Komm schon, Burke«, sagte er aufmunternd, »wirfolgen dem Kompaß.« Er eilte weiter, um Virdonnicht aus den Augen zu verlieren, und Burke mußteihm wohl oder übel folgen. Mittlerweile waren siealle so müde, daß sie einander Frische und Energievorspiegeln mußten; es beschämte die anderen undzwang sie, Schritt zu halten. Gegenwärtig war Virdonin Führung, und Galen spielte die Rolle des frischen,ausgeruhten Wanderers. Aber Burke ließ sich nichttäuschen. Noch vor wenigen Minuten hatte er gese-hen, daß Galen sich an einem Baum hatte festhaltenmüssen, um nicht zu fallen. Aber Galen war tapferund beharrlich, und wenn er und Virdon weitergehenkonnten, nun, dann konnte Burke es auch. GalensSchauspielerei war tatsächlich wirksam. Sie hatten esgut miteinander getroffen.

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Galen beschleunigte zum Laufschritt, überholteVirdon und setzte sich an die Spitze. Wenige Augen-blicke später glitt er plötzlich aus und verschwandmit einem Schrei. Burke und Virdon liefen zu derStelle und sahen sich am Rand eines Abgrunds. Unterdem unvermittelt abreißenden Wurzelgeflecht desWaldbodens gähnte das Loch eines alten, längst zu-gewachsenen Steinbruchs. Sie konnten Galen nichtsehen, hörten ihn aber stöhnen und ächzen. Er mußtesechs bis acht Meter tief auf das Geröll und die Stein-blöcke gestürzt sein, die am Boden des Steinbruchsundeutlich auszumachen waren.

Virdon rief ihm zu, daß sie gleich bei ihm seinwürden, dann stiegen er und Burke am Rand desSteinbruchs den Hang hinunter und gingen von deroffenen Seite hinein. Galens Stöhnen und Ächzendauerte an und gab zu den schlimmsten Befürchtun-gen Anlaß. Als sie ihn fanden, lag er auf der Seite undhielt sich mit beiden Händen das rechte Bein. »Na,das sieht ja nicht allzu schlimm aus«, sagte Burke, umihn zu ermutigen. »Keine Sorge, wir sind jetzt bei dir.Alles wird ins Lot kommen, wenn du ruhig liegen-bleibst.«

»Burke, mein Freund«, sagte Galen mühsam, dochungeachtet seiner Schmerzen bestrebt, die Sacheleicht zu nehmen, »ich wüßte keinen einzigen Ort, zudem ich in diesem Augenblick gehen möchte. Ich binsehr dafür, ruhig liegenzubleiben. Ohhh ...«

Sie knieten neben Galen nieder und untersuchtenihn. Virdon bewegte ihm die Arme und das andereBein, die unverletzt schienen. Dann machte er sichbehutsam an die Untersuchung des verletzten Beines,soweit die Dunkelheit es zuließ. Der Oberschenkel

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war an der Seite aufgerissen und blutig, und dasSchienbein war gebrochen.

»Du hast eine Fleischwunde und ein gebrochenesBein«, sagte Virdon, als er fertig war. »Es scheint eineinfacher Bruch zu sein, und du brauchst dir keineSorgen zu machen, solange du das Bein ruhig hältst.Ich befürchtete, der gebrochene Knochen könnte dasFleisch durchbohrt haben, als ich all das Blut fühlte,aber das kommt aus der Fleischwunde, die nicht sehrtief zu sein scheint.«

»Es war dunkel«, sagte Galen. »Ich sah den Ab-grund zu spät und fiel ...«

»Du konntest nichts dafür, Galen«, erwiderte Bur-ke. »Dieser Kompaß ist großartig für das Hin undHer, aber für das Auf und Ab taugt er nicht.«

Einige Zeit später schlief Galen vor Erschöpfungein. Sie hatten ihn auf ein provisorisches Lager ausBlättern und Gras gebettet und sein Bein behelfsmä-ßig verbunden. Sobald sie merkten, daß er ruhigschlief, legten auch sie sich schlafen. Als die Sonneaufging, rüttelte Virdon seinen Gefährten wach, undgemeinsam brachen sie geeignete Äste, banden siemit Waldreben zusammen und verfertigten eine pri-mitive Tragbahre.

Galens Gesicht war aschfahl und schmerzverzerrt,als sie ihn auf die Bahre hoben. Keiner von ihnenhatte länger als drei Stunden geschlafen, aber siewußten, daß sie nicht verweilen durften; mit demAnbruch des Tages war die Gefahr um ein Vielfachesgrößer geworden. Sie setzten ihre Wanderung durchden Wald fort, aber die Last, die sie nun zu tragenhatten, verbunden mit den Anstrengungen des Ge-waltmarsches, brachte sie schon nach einer Stunde an

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den Rand des Zusammenbruchs. In immer kürzerenAbständen mußten sie die Bahre absetzen und ausru-hen. Beiden war längst klar geworden, daß es so nichtweitergehen konnte.

»Wir brauchen ein Versteck, wo wir uns tagsüberverkriechen können«, sagte Virdon bei einer ihrer Ru-hepausen. »Wenn wir nicht bald etwas finden, wer-den sie uns ... he!« Er zeigte aufgeregt zu einer Lich-tung, die von fern durch den Wald schimmerte undauf der eine Blockhütte stand. Sie schien besser kon-struiert als die schilfgedeckten und mit Lehm bewor-fenen Hütten aus Flechtwerk, in denen die menschli-chen Bewohner der ländlichen Gebiete wohnten.

Natürlich gab es auch viele Affen, die das Landle-ben dem Leben in der Stadt vorzogen. Und währenddie Landbewohner beider Spezies von ihren jeweili-gen Artgenossen in der Stadt mit Geringschätzung alsirgendwie minderwertig angesehen wurden, hattendie drei Wanderer oft die Erfahrung gemacht, daß dieLandbewohner eine vernünftigere und gesündereEinstellung zum Leben hatten. Burke und Virdonhofften, daß diese Erfahrung sich auch hier bestätigenwürde.

Hinter der Blockhütte waren Nebengebäude, undim Umkreis des Anwesens gab es Wiesen und be-stellte Felder. »Ein abgelegener Hof«, sagte Virdonsichtlich erleichtert. »Das ist genau das, was uns derArzt verschrieben hat.«

Aus der Ferne erklang das langgezogene Muheneiner Kuh. Virdon und Burke blickten einander be-deutungsvoll an, dann richteten sie ihre Blicke wiederauf den Bauernhof. Burke schnalzte mit der Zunge.»Mann, wenn ich mir vorstelle, was es dort alles

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gibt!« sagte er sehnsüchtig. »Hühnchen und Bratkar-toffeln, Kartoffelknödel und Bratensoße, Spiegeleierund Schinken, saftige Steaks ... Hast du das gehört,Galen? Genau was du brauchst. Ein solches Essenund genügend Schlaf, und in ein paar Wochen bist duwieder kreuzfidel.«

Galen war wie alle seine Artgenossen ein strengerVegetarier; das war ein trennender Faktor und für dieAffen der Grund, sich den Menschen überlegen zufühlen. »Fleisch!« sagte Galen im Ton äußersten Ab-scheus. »Schrecklich!«

Aus der Nähe gesehen, war die Blockhütte sehrprimitiv, und das ganze Anwesen zeigte wenig vondem landwirtschaftlichen Sachverstand, den selbstder ärmste Bauer in den Tagen der Astronauten be-sessen hatte. Virdon und Burke kamen auf den Hofzwischen Scheune und Blockhütte und stellten dieTragbahre behutsam ab. Virdon ging zögernd auf dieTür zu und klopfte. Keine Antwort. Er klopfte energi-scher, doch alles blieb still.

Nun schlug er mit der Faust gegen die Tür, daß esdröhnte. Darauf folgte eine Pause, und dann wurdedie Tür langsam geöffnet, gerade weit genug, um dasGesicht eines großen Affen zu zeigen. Er musterteVirdon einen Moment und sagte: »Verschwinde vonhier! Auf der Stelle!«

Virdon rührte sich nicht. Er war enttäuscht, daß derHof nicht von Menschen bewohnt war, aber der dro-hende Ton des Besitzers schüchterte ihn nicht ein.

»Ich warne dich«, sagte der Affe. »Wir habenDreschflegel und Buschmesser.«

Virdon holte tief Luft und sagte ruhig: »Wir brau-chen Hilfe. Unser Freund ist verunglückt.«

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Der Affe war unerbittlich. »Wir helfen keinen Men-schen«, sagte er.

Virdon zögerte einen Augenblick, dann trat er zu-rück und zeigte auf Galen, der von der Tür aus nichtgut zu sehen war. Der Bauer, offenbar das Familien-oberhaupt, öffnete die Tür ein Stück weiter undblickte vorsichtig an Virdon vorbei. Als er die zweianderen Gestalten auf dem Hof gesehen hatte,wandte er sich um und sprach zu jemand in derHütte. »Bleibt hier«, sagte er.

Als er herauskam, drängten andere Gestalten nachund füllten den Türrahmen aus. Virdon schenkte ih-nen nur einen flüchtigen Blick, als er dem Affen zuGalen folgte. Der Bauer bewegte sich seitwärts, alserwarte er einen Überfall, und ließ die beiden Männernicht aus den Augen. Bei der Tragbahre angelangt,warf er einen Blick auf Galen, um gleich wieder vonVirdon zu Burke und wieder zurück zu spähen. Erwar sehr mißtrauisch.

Unterdessen waren vier andere Gestalten aus derTür gekommen und standen vor der Hütte. Die Kraftder Neugierde war unwiderstehlich gewesen. Virdonsah eine Frau, offenbar die Bäuerin, einen großen undkräftigen Sohn, der ein Buschmesser in der Rechtenhielt, einen jüngeren Sohn und eine Tochter, derenAlter irgendwo zwischen dem der beiden Söhne lie-gen mußte. Alle vier näherten sich der Bahre. »Wasist los, Polar?« fragte die Frau.

Der Bauer fuhr herum, erschrocken, seine Familieso nahe zu sehen. »Julia«, sagte er zu seiner Tochter,»geh zurück ins Haus. Du auch, Zantes.« Er versetzteseiner Frau einen unsanften Stoß.

Die Tochter zog sich ein Stück zum Haus zurück,

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aber Zantes, die Bäuerin, beugte sich über den Ver-letzten, ohne die Anweisung ihres Mannes zu beach-ten. Sofort erkannte sie den ernsten Zustand desSchimpansen. Polar stand hilflos dabei; nur er selbstbemerkte das Versagen seiner Autorität.

»Du meine Güte!« sagte Zantes. »Das sieht schlimmaus. Julia, stell den Wasserkessel auf den Herd. DieseWunde muß gründlich gesäubert werden.«

Polar versuchte, die Situation wieder unter seineKontrolle zu bringen. »Einen Augenblick«, sagte er zuGalen. »Wer seid ihr?«

»Mein Name ist Galen, und dies sind meine Freun-de ...«

Der ältere Sohn sprang plötzlich vor und schwangangriffslustig das Buschmesser. »Anto«, sagte seineMutter mißbilligend, »bleib, wo du bist. Du stehst mirim Licht.«

Der Junge kümmerte sich nicht um sie. »Bist du ihrGefangener?« fragte er Galen. »Haben sie dich über-wältigt?«

»Nein, nein«, antwortete Galen sichtlich erschöpft.»Bitte helft uns.«

Der jüngere Sohn kam neugierig näher. »Bist dureich?« fragte er Galen. »Die zwei sind deine Sklaven,nicht wahr? Habe ich recht, Mama?«

Zantes blickte zu ihm auf. »Ich weiß es nicht, Re-mus«, sagte sie geduldig. »Warum gehst du nicht mitAnto ins Haus, wie dein Vater sagt?«

»Warum gehst du nicht ins Haus«, sagte Polar zuseiner Frau. »Dieser arme Affe könnte in der Gewaltder leibeigenen Menschen sein. Es ist möglich, daß sieihm die Verletzungen beigebracht haben, und siekönnten dir das gleiche antun.«

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Galen schüttelte matt den Kopf. »Nein ... nein ...«Virdon war im Begriff, etwas zu sagen, aber plötz-

lich ließ Galen den Kopf auf die Seite fallen und er-schlaffte, ohnmächtig von den Anstrengungen undseinem Blutverlust.

»Hör mal«, sagte Burke ärgerlich zu Anto, dem äl-teren Sohn, »steck das Messer weg und hilf ihm. Wirsind keine Gefahr für euch. Tut etwas für ihn!«

Zantes nickte ihrem Mann und Anto zu. »Bringtihn hinein. Ich werde für ihn tun, was ich kann.«

Keiner der beiden rührte sich von der Stelle; sie lie-ßen beide keinen Zweifel daran, daß sie die menschli-chen Freunde des verwundeten Affen nicht auf ihremAnwesen haben wollten, und schon gar nicht in ih-rem eigenen Haus.

Zantes war über die Hartnäckigkeit ihres Mannes,die den Verletzten nur noch mehr leiden ließ, verär-gert. Sie fragte sich, wie er, der im Grunde gutherzigwar, von seinem Vorurteil gegen die Menschen sogeblendet sein konnte, daß er dem Artgenossen dieHilfe verweigern wollte. »Stell deine Fragen später«,sagte sie mit einiger Schärfe. »Dieser Verletztebraucht Hilfe.«

Virdon und Burke waren erleichtert, als der Bauerendlich nachgab; eine Weile hatte es ausgesehen, alswerde man sie abweisen. Dann hätten sie ihre Wan-derung wieder aufnehmen und Galen zum nächstenGehöft tragen müssen, wo immer das war. Sie woll-ten die Bahre aufheben und Galen ins Haus tragen,doch Polar stieß sie weg.

»Nicht ihr zwei«, erklärte er. »Anto und ich werdenihn tragen.« Die beiden Männer blieben still. Polar,anscheinend ein wenig besänftigt, zeigte zu einem ein

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gutes Stück abseits gelegenen Schuppen. »Ihr zweikönnt in der Feldscheune warten«, sagte er. SeineStimme nahm einen strengen Ton an. »Faßt nichts anund stehlt nichts, oder ich werde euch die Patrouilleauf den Hals hetzen.«

Virdon und Burke wechselten erheiterte Blicke. Siewurden wie die Sklaven in einem Leinwandschinkenihrer eigenen Zeit behandelt. Wenn sie mit Galen wa-ren, dachten sie meistens nicht daran; aber immerdann, wenn sie mit anderen Affen zu tun hatten,wurde ihnen der Unterschied in der sozialen Stellungunmißverständlich vor Augen geführt.

Anto und Polar hoben die Bahre und trugen sie indie Blockhütte. Zantes und der jüngere Sohn folgtenihnen. Virdon und Burke blieben allein auf dem koti-gen Hof zurück, und als ihnen klar geworden war,daß sie nichts mehr für Galen tun konnten, lenktensie ihre Schritte zu der Feldscheune, die Polar ihnenangewiesen hatte.

Die Scheune war ein einfaches, funktionelles Bau-werk aus Balken und Brettern und mit einem Stroh-dach. Auf einer Seite gab es ein kleines Stallabteil,worin eine Kuh stand. Daneben, durch eine brustho-he Bretterwand vom Stall getrennt, lag ein großerStrohhaufen. Die Kuh schnaufte leise; irgendwo inder Scheune begann eine Grille zu zirpen. Die Schritteder beiden Männer klangen laut und fremd in derfriedlichen Stille. Dankbar für die Ruhepause, die er-ste seit vielen Stunden, leisteten sie sich den Luxusder Entspannung und ließen sich ins Stroh fallen.

»Mann, tut das gut!« seufzte Burke. »Ich könnte imStehen schlafen, und dies kommt mir schöner vor alsjedes Himmelbett. Wenn du einen Schläfer sehen

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willst, der seine Sache ernst nimmt, dann sieh michan. Manche Leute schlafen einfach, ohne Technik undohne es zu würdigen. Aber ich bin ein ernsthafterSchläfer.« Er reckte die Arme und gähnte.

Virdon lachte und machte es sich im Stroh bequem.»Wenn du so müde bist«, sagte er, »dann solltest duden Mund zumachen und sehen, ob der Rest von direinschläft.«

Sie waren kaum hinübergedämmert, als sie vomKnarren des Scheunentors aufgeschreckt wurden. Ihrerster Gedanke war, daß es irgendwelche Nachrich-ten über oder von Galen gab. Statt dessen sahen sieAnto hereinkommen. Er hatte eine Heugabel in denHänden, die er wie eine Lanze hielt. Als er ausge-macht hatte, wo sie lagen, stieß er nach Burke.

Die beiden Männer rappelten sich auf und wichenim Stroh zurück. Anto folgte ihnen langsam, dieHeugabel stoßbereit.

»Was ist los, was willst du?« sagte Burke. »Was ha-ben wir dir getan, daß du uns bedrohst?«

»Warum habt ihr euch so nahe bei der Kuh schla-fen gelegt?« knurrte Anto. »Menschen sind für Küheein Fluch. Jeder weiß das.«

Die Kuh schnob im Halbdunkel, dann ließ sie eindumpfes, halbherziges Muhen ertönen. Es schien imunrechten Augenblick zu kommen und vermehrteAntos Zorn.

»Fünf Jahre«, stieß Anto hervor. »Fünf Jahre habeich auf das Stierkalb gewartet! Mein eigenes Stierkalb... um meinen eigenen Hof zu gründen. Und nichtsals Färsen hat es gegeben! Für den Grundbesitzer!«

Burke verstand nicht ganz, aber er dachte, daß esan der Zeit sei, Anto sein feindseliges, drohendes Be-

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nehmen auszureden. »Nun, das ist natürlich dumm«,sagte er in freundschaftlichem Ton, »aber vielleichtwird dies dein Glücksjahr. Wie wär's, wenn dueinstweilen die Heugabel anders halten würdest?«

»Fünf Jahre habe ich auf das Stierkalb gewartet!«fing Anto wieder an. »Erst wenn es geboren wird,kann ich meinen eigenen Hof gründen. Und die Zei-chen waren gegen mich, nichts als Färsen hat es ge-geben. Aber dieses Jahr wußte ich, daß die Zeichenrichtig standen ... bis ihr kamt.«

Virdon nickte. »Diese Hinterwäldler müssen vielelokale Bräuche haben«, raunte er Burke zu. »Aber-gläubische Vorstellungen von allem und jedem ...«

Die Kuh ließ sich erneut vernehmen. Diesmal warder Ton etwas kräftiger, und man hatte den Eindruck,daß sie beunruhigt sei.

»Hört ihr?« sagte Anto. »Ihr seid ein schlechtesOmen. Wenn ihr einen Fluch auf sie gebracht habt,werde ich euch töten.« Seine Stimme hob sich, heiservor Erregung. »Nehmt den Fluch von ihr! Geht fort!«Wieder knarrte das Scheunentor. Alle drei wandtendie Köpfe. Es war Remus, der jüngere Sohn, der auf-geregt und mit wichtiger Miene hereinkam. »He, ihrzwei!« sagte er, vom Rennen schnaufend. »Galen istwach und will euch sprechen. Er ist aufgewacht und...«

Virdon und Burke wollten hinaus, aber Anto hieltsie mit vorgehaltener Heugabel zurück. »Augen-blick«, sagte er durch die Zähne. »Wascht euch zu-erst. Es ist schlimm genug, Menschen im Haus zu ha-ben, da solltet ihr wenigstens sauber sein. Ihr stinkt.«

Virdon und Burke sahen einander an, zuerst amü-siert, dann mit unterdrücktem Unmut. Aber es blieb

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ihnen nichts übrig als zum Brunnen zu gehen undsich zu waschen, wie er befohlen hatte.

Das Innere des Bauernhauses war überraschendgeräumig und sauber. Galen lag in einer hölzernenSchlafkoje, wach und offenbar sehr erfreut, noch amLeben zu sein. Zantes hatte seine Beinverletzung miteinem sauberen Verband versorgt. Es war lange her,daß Galen sich in so behaglicher Atmosphäre hatteentspannen können, und die starken Schmerzen inseinem gebrochenen Bein konnten in einer solchenUmgebung von Gastfreundschaft und Wärme beina-he vergessen werden. Er hatte keinen Grund, zuglauben, daß es seinen menschlichen Freunden weni-ger gut ergangen sei. Julia, die Tochter des Hauses,schob ein frisch aufgeschütteltes Kissen unter GalensKopf. Sie tat es mit schüchternen Bewegungen; dieAnwesenheit dieses stattlichen und offensichtlichweitgereisten Schimpansen schien eine angenehmeund sogar ein wenig prickelnde Abwechslung in ih-rem eintönigen Leben zu sein.

»Du bist jung und kräftig«, sagte Zantes zu Galen.»Bald wirst du wieder gesund sein. Trotzdem wird eseinige Wochen dauern, bis du das Bein wieder bela-sten kannst.«

Ihre Worte verdrossen den Bauern, dem die Vor-stellung, daß Galen und seine Gefährten wochenlangbei ihm blieben, ganz und gar nicht behagte.

»Ich kann diese Menschen nicht die ganze Zeit hierherumlungern haben«, sagte er mit lauter Stimme.»Es ist gefährlich. Jeder weiß, daß sie Kühe um desFleisches willen abschlachten, wenn sie eine Gelegen-heit dazu haben!«

Galen hob abwehrend die Hand. »Virdon und Bur-

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ke werden deine Kühe nicht schlachten«, sagte er.»Dafür kann ich mich verbürgen.«

»Woher kommen sie?« fragte Julia. »Ich meine, die-se Menschen? Warum sind sie bei dir?«

Es gab einen unbehaglichen Moment. Galen zö-gerte, die unschuldige Frage zu beantworten. »Ihrmüßt sie bleiben lassen«, sagte er schließlich auswei-chend. »Sie werden für ihren Unterhalt arbeiten.«

Polar schnaufte höhnisch. »Arbeiten?« sagte er her-ausfordernd. »Und ob sie arbeiten werden! Dafürsind Menschen schließlich da!«

Zantes sah ihren Mann an. »Also?« sagte sie.Polar runzelte die Stirn. Die Situation war nicht

nach seinem Geschmack, aber der Willensstärke sei-ner Frau war er nicht gewachsen. Er nickte den bei-den Männern zu, die frisch gewaschen in der Türwarteten, und versuchte dem Beschluß einen An-strich von patriarchalischer Selbstherrlichkeit zu ge-ben. »Ich habe entschieden, daß ihr bleiben könnt, biseuer ... Freund ... wiederhergestellt ist.«

Burke und Virdon sagten nichts. Sie wußten, werdie Entscheidung getroffen hatte. Polar war es jeden-falls nicht gewesen.

Anto, der mit ihnen hereingekommen war, rea-gierte mit Zorn und Entsetzen. »Nein!« rief er. »Siebringen den Fluch über die Kuh, und die Kuh ist miranvertraut. Sie dürfen nicht zu ihr!« Er stieß bekräfti-gend den Stiel der Heugabel auf den Boden, dannging er zornig hinaus. Polar blickte ihm gedankenvollnach.

Burke und Virdon, unvertraut mit den Bräuchendieser Landleute, wußten nicht, wie sie ihren Gastge-ber beruhigen sollten. Sie beschlossen, daß es am be-

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sten sei, still zu bleiben.»Darin hat er recht«, meinte Polar nach einer Weile.

»Die Kuh ist ihm anvertraut, bis das Kalb geborenist.«

»Wie du meinst«, sagte Virdon in einem Versuch,seinen guten Willen zu zeigen. »Uns ist alles recht.«

Doch Polar war noch nicht fertig. »Aber ihr werdetarbeiten«, erklärte er im Ton des Aufsehers einerStraßenarbeiterkolonne. »Jeden Tag werdet ihr ar-beiten! Gerade so, als ob ihr mir gehörtet!«

Burke nickte ernsthaft. »Klar«, sagte er. »Wir kom-men billig.«

Der Bauer blickte mit funkelnden Augen von ei-nem zum anderen. »Und wehe euch, ich ertappe euchbeim Faulenzen!«

Das klang nicht sehr erfreulich, aber Burke undVirdon mußten es hinnehmen und ihre Hoffnungenauf Galens baldige Genesung setzen.

Remus blickte strahlend zu seinem Vater auf; erwar plötzlich begeistert. Hier waren zwei menschli-che Sklaven, genau wie die reichen Affen sie hatten.Niemand in der Gegend war wohlhabend genug, umsich menschliche Sklaven zu leisten. Polar und dieübrigen Bauern der Umgebung waren alle Land-pächter, die den größten Teil ihrer mageren Ernteer-träge an die Grundbesitzer abliefern mußten. Tat-sächlich waren das Mißtrauen gegen Virdon undBurke und die schlechte Behandlung, die man ihnenangedeihen ließ, einfach auf den Umstand zurückzu-führen, daß die Leute kaum jemals einen Menschenzu Gesicht bekamen.

Remus war begeistert von der Vorstellung, Sklavenzu haben, womöglich sogar einen, der ihm persönlich

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gehörte. »Ich kriege einen von ihnen«, sagte er, zuseinem Vater gewandt. »Einer von ihnen ist meiner,nicht wahr, Papa?«

Polar blickte zärtlich auf seinen jüngeren Sohn her-ab. »Wir werden sehen«, sagte er hinhaltend, wie lie-bevolle aber manchmal hilflose Eltern es zu allenZeiten zu tun pflegen. »Wir werden sehen, Remus.«

Nachdem das Schicksal der beiden zu Galens Zu-friedenheit geregelt war, begab man sich für den Restder Nacht zur Ruhe. Virdon und Burke bereitetenunter der Aufsicht des feindseligen Anto eine Stroh-schütte am anderen Ende der Scheune, wo sie sich ingebührendem Abstand von der Kuh niederlegten.

Früh am nächsten Morgen, als sie sich am Brunneneingefunden hatten, um sich zu erfrischen und PolarsBefehle entgegenzunehmen, bemerkte Virdon in derFerne eine Staubwolke; ein Reiter kam in schnellemTrab die Landstraße entlang auf Polars Gehöft zu. Erwar noch zu weit entfernt, als daß man Einzelheitenhätte erkennen können, aber was immer er wollte, einFremder konnte für die Flüchtlinge nichts Gutes be-deuten. Virdon zeigte auf den Reiter und fragte, werer sei.

Polar spähte in die angegebene Richtung und be-schirmte die Augen mit der Hand. Schon nach weni-gen Augenblicken verriet seine Miene, daß auch erdem Besucher mit gemischten Gefühlen entgegensah.Virdon und Burke begannen nervös mit den Füßenzu scharren. Sie wollten sich verstecken, ehe derFremde den Hof erreichte, aber sie wußten nicht, wiesie es bewerkstelligen sollten, ohne Polars Mißtrauenzu wecken.

Etwas später, als Polar die Identität des Reiters

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ausmachen konnte, wurden sie ihrer drängendenSorge enthoben. »Es ist die berittene Patrouille«, sagteer mit besorgter Miene. Nach einer gespannten Pausefügte er hinzu: »Seid ihr wirklich keine geflohenenLeibeigenen?«

Virdon beeilte sich, Polar zu versichern, daß es sichnicht so verhalte und daß sie freie Menschen seien.

Polar akzeptierte aus Unwissenheit die Vorstel-lung, daß es freie Menschen gebe, aber er sah in Vir-dons Worten einen Versuch, sich der Arbeitsver-pflichtung zu entziehen. Mit schlauer Miene sagte er:»Ihr werdet für mich arbeiten, wie ihr versprochenhabt!«

Virdon bekräftigte hastig ihre Bereitschaft. DerReiter näherte sich beängstigend schnell.

Polar überlegte einen Moment. »In Ordnung«,sagte er dann, überwältigt von der Verlockung ko-stenloser Arbeitskräfte. »Versteckt euch dort drüben.Ich werde mit ihm reden.«

Burke und Virdon rannten über den Hof, um inden baufälligen kleinen Nebengebäuden des Gehöftsein Versteck zu finden. Polar und Remus gingenlangsam am Wohnhaus vorbei zur Ausfahrt, um denBesucher zu empfangen.

Der Reiter, ein uniformierter Polizist, zügelte seinPferd am Rand der Hoffläche. Der Bauer und seinSohn neigten die Köpfe und warteten mit unverhoh-lener Neugier, was der uniformierte Gorilla zu sagenhatte. Es kam nicht oft vor, daß die kleinen Land-pächter in die geheimnisvollen Aktivitäten von Poli-zei und Militär verstrickt wurden. Der Besuch einesGorilla-Polizisten war eine aufregende Sache, obwohldie Landleute die Gorillas insgeheim ebenso verach-

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teten wie diese umgekehrt die anderen Vertreter derAffenkultur, die entwickelten Orang-Utans undSchimpansen verachteten.

Der Polizist saß nicht ab. Er nutzte den psychologi-schen Vorteil seiner erhöhten Position und der re-spektheischenden Uniform. Ohne zu grüßen, fragte erin barschem Ton: »Wem gehört dieser Hof?«

»Mir. Ich bin Polar.«Die Haustür wurde geöffnet, und Zantes kam her-

aus, den Patrouillenreiter zu bestaunen.»Paß gut auf, Polar«, sagte der Polizist. »Ich bin

von der Polizeistation und suche entkommene Leib-eigene. Sind hier welche gesehen worden?«

In diesem Augenblick kam Anto über den Hof, umzu hören, was der uniformierte Besucher sagte. Waser vernahm, gab ihm zu denken. Möglichkeiten eröff-neten sich, die geeignet schienen, das Problem dieserFremden zu lösen.

Anto überlegte, was zu tun sei. Hielt er den Mund,so verpaßte er möglicherweise die Gelegenheit, denFluch der Menschen von seiner Kuh zu nehmen undseine Emanzipation vom Elternhaus voranzutreiben.Wenn er aber die Fremden verriet, würde er seinemVater damit in den Rücken fallen, und das wollte ernicht, so sehr er sich Unabhängigkeit wünschte. Erliebte und achtete seinen Vater.

Die Bäuerin schien zu fühlen, was in ihrem Sohnvorging, und so kam sie einem möglichen Konflikt inder Familie zuvor, indem sie die Schultern zuckteund sagte: »Wir sind bloß arme Landpächter. Wassollten wir mit leibeigenen Menschen anfangen?«

Der Patrouillenreiter warf einen verächtlichen Blickauf das ärmliche Anwesen und sagte: »Wenn ihr sie

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seht, wißt ihr, was ihr zu tun habt. Jede Beobachtungist sofort zu melden. Ihr kennt die Strafe.«

Polar nickte ernst. »Wir kennen die Strafe«, sagteer.

Der Polizist sonnte sich in seiner Autorität. Nach-einander musterte er jedes Familienmitglied mit ei-nem prüfenden Blick, dann grunzte er und wendetesein Pferd. Wie er diese stumpfsinnigen Bauern satthatte!

Die Familie sah zu, wie der Polizist seinem Pferddie Sporen gab und davongaloppierte. Remus winkteihm nach. Anto spitzte nachdenklich die Lippen undsagte dann zu seinem Vater: »Was meinst du, ob eseine Belohnung gibt?« Der Vater ließ einen strengenBlick auf ihm ruhen, dann wandte er sich ab.

Virdon und Burke hatten die Szene aus ihrem Ver-steck mit Angst und Bangen beobachtet. Nun konn-ten sie wieder einmal erleichtert aufatmen.

Seit die zwei Astronauten auf einer Erde notgelan-det waren, die sich alptraumhaft von jener unter-schied, die sie bis dahin gekannt hatten, hatten sieviele beklommene Stunden in ähnlichen Versteckenzugebracht. Sie hatten gelogen, um ihre Identität zuverbergen, und gestohlen, um sich zu ernähren. Nurzwei Möglichkeiten standen ihnen offen, die gleichenMöglichkeiten, die sich den anderen Menschen an-boten, die in der von Affen beherrschten Welt lebten:folgsame Unterwürfigkeit und zermürbende Skla-venarbeit – oder Tod.

Als zusätzliche Erschwerung wirkte sich für Vir-don und Burke aus, daß sie sich in mancherlei Weisevon den Menschen dieses Zeitalters unterschieden.Der Ältestenrat suchte die Astronauten, um Informa-

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tionen von ihnen zu erlangen. Urko, der Chef sämtli-cher Sicherheitsstreitkräfte, suchte sie, um sie zu tö-ten, ehe sie einen Sklavenaufstand anzetteln konnten.

Und so, wie schon viele Male zuvor, mußten Vir-don und Burke still und untätig zusehen, wie andereüber ihr Schicksal bestimmten. »Der sah nicht wie ei-ner von Urkos Leuten aus«, stellte Burke fest.

Virdon schüttelte den Kopf. »Mach dir nichts vor«,sagte er. »Er war eine Art Dorfpolizist. Aber sie sindalle Urkos Leute.«

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7.

Die Felder, die Polars Hof umgaben, waren mit ver-schiedenen Feldfrüchten bestellt. Das wichtigste Pro-dukt war Mais: Mais ernährte die vegetarischen Affenund ihre Tiere. Mais wurde zu Mehl gemahlen, undaus Mais destillierte man ein alkoholisches Getränk.Ein großer Teil der Ernte wurde als Naturalleistungdem Grundbesitzer abgeliefert. Die übrigen Felder tru-gen Brotgetreide, Gemüse, Kartoffeln und Obstbäume,deren Erträge in erster Linie den Eigenbedarf zu dek-ken hatten. Selten gab es Überschußmengen, die aufdem Markt verkauft werden konnten und Bargeld insHaus brachten. So schlug sich Polars Familie ein Jahrums andere kümmerlich durch, immer so hoch ver-schuldet, daß der Grundbesitzer sie in der Hand hatte.

Tagsüber arbeitete die ganze Familie auf den Fel-dern, und jeden Morgen zogen Virdon und Burke mithinaus. Ihre Leistung verminderte die Arbeitslast deranderen ein wenig, doch für die zwei Männer gab esmehr körperliche Arbeit, als sie je zuvor verrichtethatten.

Anto hatte einen Zugochsen vor den plumpenPflug gespannt und zog eine lange Ackerfurche par-allel zu anderen, die sich in der Fallinie einen breitenHang hinabzogen. Unweit von ihm trugen sein Vaterund Virdon ausgegrabene Feldsteine und Felsbrockenaus dem Acker zu einer lose geschichteten Steinmau-er, die im Lauf der Jahre aus solchen Pflugbrechernaufgebaut worden war.

Polar hatte Virdon und Burke vom ersten Tag anbeobachtet und war zufrieden: diese Menschen wa-

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ren gute, arbeitswillige Helfer, die man nicht ständiganspornen mußte.

»Steine, nichts als Steine«, sagte Virdon undwischte sich mit dem Handrücken Schweiß vom Ge-sicht. »Jedes Jahr schafft man Hunderte von ihnenfort, aber der Pflug stößt immer wieder auf neue.«

Polar richtete sich auf und beobachtete Antos Pflu-garbeit, als der Junge den Hügel herab auf sie zukam.»Es ist ein schlechtes Feld«, meinte er resigniert.»Aber wir brauchen es. Wir brauchen jeden Flecken.«

Virdon betrachtete kritisch den erodierten Hang,der von tiefen Rinnen zerschnitten war, ausgewa-schen von abfließendem Regenwasser.

»Und es wird mit jedem Jahr schlimmer«, sagte er.Offenbar wußte Polar wenig von Landbautechnik.»Dieses Feld wird immer schlechter und immer we-niger tragen, solange ihr es so pflügt.«

Polar war höchst erstaunt, daß ein Mensch ihm, dersein Leben lang Ackerbau getrieben hatte, Ratschlägegab. »Was sagst du da?« fragte er ungläubig.

Virdon ging zur Steinmauer und hob einen großenirdenen Trinkwasserkrug auf, den Polar vom Hofmitgebracht hatte. »Komm mit«, sagte er, »ich werdees dir zeigen.«

Virdon führte ihn zu der umgepflügten Fläche amFuß des Hügels, wo Anto gerade eine Verschnauf-pause einlegte. Er lehnte am Pflug, schwitzte und be-obachtete mit mäßiger Neugier das Tun des Fremden.Halb erwartete er, von Polar wegen seiner Faulheitgetadelt zu werden, aber sein Vater sagte nichts. Sei-ne ungeteilte Aufmerksamkeit galt Virdons Vorbe-reitungen. Anto wartete und ließ den Ochsen ausru-hen, während er zusah.

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Virdon blieb bei der frisch umgepflügten Erde ste-hen, und Anto hatte den Eindruck, der Fremde wolleseine Arbeit kritisieren. Sofort legte er die Zügel aufden Pflug und ging hinüber; er war nicht gewillt,Kritik von einem Menschen hinzunehmen.

Virdon kniete nieder und glättete die umbrocheneErde mit den Händen. Darauf zog er mit dem Zeige-finger mehrere Parallelfurchen in der Fallinie desHanges. Als er zu Polar aufblickte, sah er, daß derBauer ihn verdutzt betrachtete, offenbar schien esihm, daß Virdon wie ein Kind mit der Erde spiele.

»Paß auf«, sagte Virdon und zeigte auf seinen Mi-niaturhügel. »Wenn du diesen Hang aufwärts undabwärts pflügst, wie es jetzt geschieht, spült das Was-ser bei jedem Regen mehr Erde fort.« Er schütteteWasser aus dem Krug auf sein Modell. »Siehst du? Esbilden sich Auswaschungen und Rinnen.« Virdonzeigte das Feld hinauf. »Sie werden so tief, daß dasLand unbrauchbar wird.«

Anto verstand nicht, worauf Virdon hinauswollte,und schnaufte geringschätzig.

Virdon bewegte sich ein Stück weiter und formteund glättete einen weiteren kleinen Hügel, genau wieden ersten. »Nun«, erläuterte er, »wenn du statt des-sen um den Hügel herum pflügen würdest, ungefährso ...« Er zog mit den Fingern eine Reihe horizontalerRinnen, die den Konturen des Modellhügels folgten.Dann goß er Wasser aus dem Krug über das zweiteModell. »Du siehst, wenn es regnet, halten die Fur-chen das Wasser fest, lassen es der Ernte zugutekommen und verhindern, daß gute Erde mit dem ab-fließenden Wasser fortgespült wird. Es bilden sichkeine Rinnen und Schluchten, und dein Acker bleibt

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dir erhalten. Verstehst du?« Virdon blickte erwar-tungsvoll auf.

Polar starrte stirnrunzelnd auf die beiden Modelle,unwillig, Virdons Worten zu vertrauen. Aber der Ge-danke, daß der Mann tatsächlich eine Methode habenmochte, die ihnen allen Arbeit ersparte und die Er-träge des Bodens steigern könnte, überzeugte ihnschließlich.

Er kniete nieder und untersuchte mit großer Sorg-falt die Ergebnisse der beiden Experimente. Die einfa-che Vorführung beeindruckte ihn tief. »Schau her!«rief er Anto zu. »Siehst du, es ist wahr! Genau wie ersagt.«

Anto war nicht so beeindruckt. Er spuckte nebenVirdon auf den Boden und zeigte sich überrascht, daßsein Vater sich so leicht von einem Menschen täu-schen ließ, nachdem er diesen Kreaturen so viele Jah-re mißtraut hatte. Anto war nicht so leichtgläubig.»Es ist dummes Zeug«, sagte er. »Jeder weiß, daß derOchse sich beim Abwärtspflügen vom Aufwärtspflü-gen erholt. Jede andere Methode ist Unfug. Das Pflü-gen um den Hügel herum ist vom Anfang bis zumEnde harte Arbeit. Der Ochse würde es nicht durch-stehen.«

Polar stand auf und lächelte Virdon zu. Es war of-fenbar, daß er von der Meinung seines Sohnes nichtviel hielt. Die Entdeckung freute ihn; sie verspracheinen besseren Ernteertrag und auf lange Sicht einbesseres Leben für ihn und seine Familie, und daraufallein kam es ihm an. Das war der wesentliche Faktor,vor dem sogar die Frage nach der Quelle des neuenWissens bedeutungslos wurde.

»Wo hast du das gelernt?« fragte er Virdon.

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»Meine Familie bearbeitete einen Bauernhof, als ichjung war.«

Polar nickte zu sich selbst, dann wandte er sich zuseinem Erstgeborenen und erklärte mit Entschieden-heit: »Wir werden es so machen. Wir werden immerauf gleicher Höhe um den Hügel herumpflügen, wieer sagt.«

Antos Reaktion war vorherzusehen. Er ballte diegroßen Hände zu Fäusten und zertrampelte wütendVirdons Modelle. »Dann soll er es machen«, schrie er.»Ich will damit nichts zu tun haben.«

Virdon schaute Polar an, der hilflos die Schulternzuckte. Anto stürmte verärgert davon. Virdon warenttäuscht; er hatte versucht, ihnen ein Geschenk zumachen, und wurde mit Mißtrauen und Ablehnungbelohnt.

»Mach dir nichts daraus«, sagte Polar seufzend. »Erist nur wegen seines Stierkalbs in Sorge. Solange er esnicht hat, ist er an diesen Hof gefesselt. Es lastetschwer auf ihm.« Nach einer Pause machte Polar eineKopfbewegung zum Zugochsen, der noch immer be-wegungslos vor dem Pflug stand. »Zeig es mir«, sagteer. »Ich möchte es versuchen.«

Virdon lächelte. »Es ist nichts dabei«, sagte er. »Esist ganz einfach.«

General Urko saß hinter dem roh gezimmertenSchreibtisch in seinem spartanisch eingerichteten Bü-ro. Der einzige Luxus waren die Größe des Raumesund seine großen Fenster, die reichlich Licht und Lufteinließen. Aber es war ein heißer Tag, und die Wa-chen und Ordonnanzen schwitzten in ihren dickenUniformen.

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Der Leiter der Polizeipatrouille, die den Flüchtigenauf der Fährte gewesen war, machte seine Meldung,und während er den Verlauf des Unternehmensschilderte, schnitt Urko finster blickend seine Nägel.Zuletzt brachte er den unglücklichen Gorilla mit einerHandbewegung zum Schweigen und knurrte: »Derentscheidende Punkt ist, ihr habt sie entwischen las-sen!«

»Der Himmel hatte sich bezogen«, verteidigte sichder andere schwächlich. »Wir konnten ihnen nachtsnicht folgen, weil es keine Orientierung gab.«

Urko schlug krachend auf die Schreibtischplatte.»Virdon, Burke und dieser Verräter Galen«, sagte erverdrießlich, »die können die Sterne wohl durch dieWolken sehen, wie?«

Der Polizist fürchtete sich sehr. »Ich nehme an, siesind einfach auf Geratewohl durch den Wald gelau-fen, Herr«, sagte er. »Wir aber mußten die Fluch-trichtung bestimmen, um die Fährte wiederzufin-den.«

Urko trat vor eine große, farbige Landkarte an ei-ner Wand seines Büros. Lange studierte er sieschweigend. Im Vorzimmer herrschte geschäftigesKommen und Gehen, aber niemand wagte, den Ge-neral zu stören. »Wie weit ist es von hier?« fragte er.

»Vier gute Tagesritte, Herr«, sagte der Polizist.Urko zeigte auf ein Gebiet, das offenbar dünn be-

siedelt und nur lückenhaft kartographiert war. »Dasist alles Waldgebiet mit verstreuten Bauernhöfen.Landpächter sitzen dort, armselige Existenzen. Einpaar Großgrundbesitzer.«

»Ja, Herr.«»In der Gegend muß es auch Pferde geben«, sagte

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Urko gedankenvoll. »Sie könnten Pferde stehlen.«Der Polizist sah eine Gelegenheit, zu beweisen, daß

er von Nutzen sein konnte, und sagte: »Für einenLandpächter oder einen Menschen wäre es dortgleichbedeutend mit dem Tod, wenn er auf einemPferd ritte, Herr.«

Urko wandte den Kopf und musterte den Un-glücklichen. Der General lächelte düster. »Ja«, sagteer, »ich weiß.« Nach kurzer Pause setzte er hinzu:»Kennst du den Weg?«

»Ja«, antwortete der Polizist, »aber es ist weit undwird lange dauern. Die Sterne verbergen sich wiederhinter Wolken. Viele Nächte hintereinander.«

Urko machte eine wegwerfende Handbewegung.»Dann werden die Götter selbst uns den Weg wei-sen«, grollte er. »Diese Menschen sind gefährlich,verstehst du das nicht? Sie glauben, sie seien unsebenbürtig. Sie stiften Unruhe.«

Anto und sein Vater, beide mit Heugabeln bewaffnet,standen neben einem mit Heu beladenen Ochsenkar-ren vor der Scheune. Der Karren war ein plumpes,schwerfälliges Fahrzeug mit hölzernen Scheibenrä-dern. Anto und Polar sahen zweifelnd zu, wie Virdondie letzten Handgriffe an einer geheimnisvollen Vor-richtung machte, die er am Tag zuvor gebaut hatte.Seine letzte Handlung bestand darin, daß er einenStrick zu einer Schlinge knotete und um die gesamteHeuladung zog.

Anto wollte nicht länger warten; er ging mit derHeugabel zum Ochsenkarren, um die Ladung durchdie Luke auf den Heuboden zu befördern. Virdon zö-gerte die Arbeit nur hinaus. Je eher sie anfingen, de-

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sto früher würden sie fertig sein. Aber Polar hielt sei-nen Sohn zurück. »Warte«, sagte er und dachte daran,wie Virdon mit dem Konturpflügen rechtgehabt hat-te. »Paß auf.«

»Der Ochse soll die Ladung auf den Heubodenschaffen?« höhnte Anto. »Da kannst du lange warten.«

Unterdessen war Virdon auf den Ochsenkarren ge-klettert und zog die Seilschlinge um die Heuladungzusammen. Ein zweites Seil hing von einer hölzernenRolle, die er unter dem Firstbalken und über der gro-ßen Luke des Heubodens angebracht hatte.

Der Ochse wartete geduldig neben der Heuladung,ein Ende des Zugseils bereits am Joch befestigt.

Virdon verknotete das andere Ende mit der ferti-gen Schlinge, dann sprang er herunter und kam zuPolar und Anto. Er überprüfte die Ladung von ver-schiedenen Seiten; sie schienen gut ausbalanciert zusein. Die Holzrolle war stabil befestigt. »Alles klar«,verkündete er. »Ich denke, wir sind fertig. Treib denOchsen vorwärts.«

Nach einem letzten zweifelnden Blick ging Polarzum Ochsen und ergriff das Leitseil. Bevor er das Tierantrieb, blickte er besorgt zur Heuladung zurück.Virdon wußte, was der Bauer dachte: daß die gesamteLadung auseinanderfallen und auf dem Hof verstreutliegen würde. Virdon hatte die gleiche unangenehmeVision. Dann war es zu spät; Polar gab dem Leitseileinen Ruck.

»Ho!« rief er. »Ho!« Der Ochse setzte sich langsamin Bewegung, und der riesige Ballen der Heuladunghob vom Ochsenkarren ab und schwebte zur offenenLuke des Heubodens hinauf. Virdon wartete bereitsund manövrierte den Ballen durch die Öffnung. Für

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Polar war es wie Magie. Als Virdon vom Heubodenherunterkletterte, eilte der Bauer auf ihn zu, schlugihm auf den Rücken und lachte. »Sehr gut!« rief er.»Hah! Sehr, sehr gut! Zeig mir, wie es gemacht wird.«

Virdon nickte. »Es ist nichts dabei«, sagte er. »Ichwerde es dir zeigen.«

Polar wandte sich zu seinem Sohn. »Du hast gese-hen!« sagte er aufgeregt. »Ist das nicht besser, als eineganze Ladung Heu mit der Gabel hinaufzubefordern?Eh? Nun sag schon, Anto, ist es nicht besser?«

Anto starrte noch immer wie gebannt auf die Lukedes Heubodens; er war nahe daran, seinem Vater bei-zupflichten. Die Heuverladung war ein großer Erfolgfür Virdon gewesen, größer noch als die Anregungzum richtigen Pflügen, die er Polar gegeben hatte.Aber die Chance, Anto für sich zu gewinnen, war fürVirdon vertan, als klägliches Gebrüll aus demStallabteil der Scheune kam, und Anto, stets um dasWohlergehen seiner Kuh besorgt, zum Stalleingangrannte. Virdon und Polar folgten ihm.

Die Kuh lag auf der Seite, den Kopf im Stroh, als obsie krank wäre. Als Anto zu ihr kam, ließ sie wiederein mattes Brüllen hören, als leide sie Schmerzen.Virdon und Polar erreichten den Stall kurz nach An-to, der bereits niedergekniet war und den Kopf derKuh mit beiden Armen umfangen hielt. Sie war seineHoffnung, das Mittel zu seiner Unabhängigkeit. Antostarrte feindselig zu Virdon auf.

»Sie muß schon von diesem Heu gefressen haben,das heruntergefallen ist ... Diese böse Vorrichtung hates verdorben! Seht ihr, sie liegt im Sterben. Ich weißes. Die Menschen, sie sind ein Fluch für das Vieh, ichhabe es gleich gesagt!«

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Polar blickte Virdon an und erwartete offenbar eineErklärung dazu. Schließlich war es unter den BauernAllgemeingut, daß Menschen eine Gefahr für dasVieh waren. »Was Anto sagt, hat manches für sich«,sagte er, um Gerechtigkeit bemüht.

Virdon antwortete nicht; eine verbale Erwiderungwar nicht möglich. In dieser Situation konnte es nurein Gegeneinander von Meinungen geben, das seinePosition mit Sicherheit nicht stärken und der leiden-den Kuh nicht helfen würde. Virdon kniete neben derKuh nieder und untersuchte sie, wie er es in derKindheit bei seinem Vater gesehen hatte. Mit der ge-schlossenen Faust stieß er an verschiedenen Stellensanft gegen den Bauch der Kuh. Er drückte ihn mitder Hand ein und nahm sie dann schnell weg. Er tatdas gleiche an anderen Stellen, und die Kuh ver-suchte nicht, ihn daran zu hindern. Sie blieb auf derSeite liegen und schnaufte leise. Schließlich, nachdemer Augen und Maul der Kuh betrachtet hatte, gab ersich zufrieden; er stand auf und wandte sich zu Polar.»Wann soll sie kalben?« fragte er.

Polar zuckte mit den Schultern. »In drei Wochen«,meinte er. »Ja, in drei Wochen, denke ich.«

Virdon lächelte. »Mir scheint, daß euer Kalendernicht ganz auf dem laufenden ist«, sagte er. »Wenndu mich fragst, sind es eher zwei oder drei Tage.Aber daß sie liegt, gefällt mir nicht. Ich würde ihr inden nächsten Tagen nur trockenes Heu geben.«

Polar kniff die Augen zusammen und spähte miß-trauisch in Virdons Gesicht. Das Kalben der Kühe, dieHeuernte, die Aussaat und Ernte der Feldfrüchte, allediese Dinge wurden vom Mond und den Sternen be-herrscht, und sie bestimmten den rechten Zeitpunkt.

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Oft irrten sie ein wenig, ein Umstand, der leicht inKauf genommen werden konnte. Aber eine Abwei-chung von drei Wochen war durchaus ungewöhnlich.»Bist du sicher?« fragte Polar.

Anto war nicht so von Zweifeln geplagt. Die Kuhund ihr Kalb waren das Wichtigste in seinem jungenLeben. Er war nicht bereit, das Risiko neumodischerMethoden auf sich zu nehmen; er zog es vor, der Tra-dition seiner Vorväter treu zu bleiben. »Es ist allesLüge und Täuschung!« schrie er in Verzweiflung.»Wirf sie alle hinaus, oder sie wird sterben!«

Virdon seufzte. »Die Kuh wird nicht sterben, An-to«, sagte er freundlich und geduldig. »Sieh mal,Anto, wir können nicht fortgehen, solange Galen ge-hunfähig ist. Du weißt das. Du hast selbst gesehen,wie schwer verletzt sein Bein ist. Aber wenn wir fort-gehen, wird deine Kuh hier ein gesundes kleines Kalbhaben. Und wenn es soweit ist, werden wir genausogern wieder weiterziehen.« Er wandte sich hilfesu-chend zu Polar. »Haben wir euch bisher Böses ange-tan?« fragte er. »Sag mir, Polar, ob wir dir Schadenzugefügt haben. Wenn es so ist, gut, dann schick unsfort.«

Lange blieb es still in der kleinen Scheune. In denwenigen Tagen ihres Aufenthalts auf dem Bauernhofhatte Polar die Meinungen von Virdon und Burke re-spektieren gelernt. Andererseits wußte er, was Antodurchmachte, und der Junge hatte großes Pech ge-habt. Polar entsann sich noch gut der Zeit, da er aufdie Geburt des Stierkalbs gewartet hatte, das ihm dieFreiheit geben sollte. Es war eine schwierige Ent-scheidung.

»Die beiden Menschen haben dem Hof bisher nicht

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geschadet«, sagte er zu Anto. »Im Gegenteil, sie ha-ben uns einige gute Ratschläge gegeben. Es wäre un-recht, sie jetzt davonzujagen.« Darauf wandte er sichzu Virdon und sagte: »Ihr dürft bleiben. Aber wennder Kuh ein Unheil zustößt, wie Anto befürchtet,dann wird er über euer Schicksal bestimmen.«

Am Abend, wenn die Dunkelheit eine Fortführungder Feldarbeit unmöglich machte, versammelte dieFamilie sich in der Blockhütte um das Herdfeuer. DerHerbst mit seinen kürzeren Tagen verleitete dazu,daß man nach dem gemeinsamen Abendessen nocheine Stunde oder zwei beisammenblieb und sich mitnützlichen Dingen beschäftigte. So war es auch andiesem Abend. Burke saß nahe am Feuer und zeich-nete etwas auf ein Brett. Als er mit der Arbeit voran-kam, wurde deutlich, daß er einen Entwurf für eineWindmühle zeichnete, eine mechanische Anlage, dieseit bald zwanzig Jahrhunderten von der Erde ver-schwunden war. Zantes half ihrer Tochter beim Zu-sammennähen eines Kleidungsstücks aus selbstge-webtem Leinen. Ihr gegenüber saß Polar und besserteein gerissenes Zugseil aus, indem er die losen Strängemiteinander verflocht. Remus saß bei seiner Mutterund enthülste kleine Maiskolben. Die Maiskörnerschüttete er in einen irdenen Topf. Virdon verließGalens Lager im Hintergrund der Hütte und ließ sichgegenüber von Burke am Feuer nieder.

»Wo ist Anto?« fragte Zantes unvermittelt.Polar blickte von seiner Arbeit auf. »Ich glaube, er

hat zu denken. Er muß sich über verschiedene Dingeklarwerden.«

Kurze Zeit darauf richtete Virdon das Wort an den

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jüngeren Sohn des Bauern. »Remus«, sagte er ver-wundert, »sagtest du nicht, daß du den Mais enthülst,um Saatgut für das nächste Jahr zu gewinnen?«

»Ja, das tue ich«, sagte Remus, verwundert aufblik-kend. »Hast du etwas daran auszusetzen?«

Virdon griff in den Sack mit den Maiskolben,suchte darin herum und brachte ein Exemplar zumVorschein, das doppelt so groß war wie jenes, dasRemus in den Händen hielt. »Hier«, sagte er, »dusolltest das Saatkorn immer von den größten Kolbennehmen, nicht von den kleinsten.«

Remus lachte und blickte umher, um zu sehen, objemand von den anderen diesen Unsinn gehört habe.»Habt ihr das gehört?« sagte er.

Bis auf Polar, der seine Arbeit einen Moment sin-ken ließ und mit gutmütiger Erheiterung zu Virdonhinüberblickte, hatte niemand von dem kleinen Vor-fall Notiz genommen. »Die besten Maiskolben sindzum Essen«, sagte Remus zu Virdon. »Darum bauenwir ja den Mais an. Aus den kleinen Kolben gewin-nen wir das Saatgut.«

»Ich verstehe«, sagte Virdon kopfnickend. »Dannsind es also die bösen Geister, die den Mais auf demFeld jedes Jahr kleiner und kleiner gemacht haben?«

Remus wechselte einen Blick mit seinem Vater.»Woher weißt du das?« fragte er Virdon. Der Mannhatte die Wahrheit herausgefunden, und Remus warverwirrt. Jeder wußte, daß die Geister das Wachstumder Feldfrüchte beeinflußten, aber wie hatte Virdonwissen können, daß dies bei Polars Maisfeld der Fallgewesen war?

Virdon lachte gutmütig. Er würde Remus und Po-lar durch Logik und ein gutes Beispiel überzeugen

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müssen, und er wußte schon eins. »Erwartest du, ei-nes Tages so groß und stark wie dein Vater zu sein?«fragte er Remus.

Der Junge lächelte verlegen. Es war offenkundig,daß er seinen Vater liebte und bewunderte. »Natür-lich«, sagte er leise.

»Nun, das ist so, weil Polar von gutem Samen ab-stammt. Wäre dein Vater klein und schwächlich, sowürdest du wahrscheinlich nicht groß und stark ge-nug werden, um mit einem Kalb zu ringen – ge-schweige denn mit einem Ochsen. Richtig?« Remusnickte zweifelnd; er begann zu sehen, worauf Virdonabzielte. Der Mann gab ihm den großen Maiskolben.»Wenn du jedes Jahr die Maiskörner der größten undbesten Kolben als Saatgut verwendest, wird auch dieErnte größer und besser sein. Du wirst es sehen.«

Bei Nacht sah die Station der berittenen Landpolizeifriedlich und idyllisch aus. Aus den Fenstern derWachstube fiel warmer gelber Lichtschein, und ausdem benachbarten Stallschuppen kamen ein Geruchvon Pferden und Leder und ein gelegentliches Stamp-fen und Schnauben.

Ein Patrouillenreiter, der vom Dienst zurückkehrte,saß ab, führte sein Pferd durch das Tor und schloß eshinter sich. Nachdem er seine Uniform abgeklopftund in Ordnung gebracht hatte, zupfte er an seinenschweren Stulpenhandschuhen, eine nervöse Ge-wohnheit, die er alle paar Minuten wiederholte.Schließlich drehte er sich um und sprach zu jeman-dem, der hinter ihm wartete. »Warum interessierst dudich so für entlaufene Leibeigene?« fragte er. »Dukönntest dir sowieso nicht leisten, einen zu kaufen.«

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Der Angeredete trat zwei Schritte vor, und derLichtschein aus der Wachstube zeigte einen vom Lau-fen ausgepumpten und erschöpften Anto. Seindunkles Gesicht glänzte vom Schweiß, und in Fellund Kleidung hafteten Zweige und Blätter. Er wardie halbe Nacht gelaufen.

»Oh nein«, erwiderte er schnell. Er wollte nicht denVerdacht des Polizisten erregen, ehe er die ge-wünschte Information hätte. »Ich überlegte bloß, obes eine Belohnung gibt, wenn man der Polizei hilft,einen oder vielleicht zwei von ihnen einzufangen.«

Der Patrouillenreiter bedachte Anto mit einemmißtrauischen Blick. Es kam ihm ziemlich sonderbarvor, daß der Junge stundenlang durch die Nacht ge-rannt sein sollte, nur um diese Frage zu stellen. Esmußte mehr dahinterstecken. »Belohnung?« entgeg-nete der Polizist geringschätzig. »Natürlich nicht.Warum? Weißt du, wo entlaufene Leibeigene sind?«

Anto erschrak. »Wieso, nein«, sagte er. »Ich dachtemir nur, ich könnte hier vielleicht erfahren, wie einpaar von diesen entlaufenen Menschen aussehen.Wenn ich die Beschreibungen von einigen kürzlichausgerissenen Menschen hätte, könnte ich vielleichtnach ihnen Ausschau halten.«

Der Polizist war müde, und der Junge begann ihmmit seinem Gefasel auf die Nerven zu gehen. Erwinkte gleichgültig ab. »Alle Menschen sehen gleichaus«, sagte er. »Du weißt es selbst.«

Anto versuchte seine fadenscheinige Geschichteauszubauen. »Vielleicht würde ich sogar Jagd auf siemachen«, sagte er. »Das heißt, wenn genug dabeiherausspringen würde, um ... nun, um ein Stierkalbzu kaufen.«

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Der Patrouillenreiter verzog verächtlich den Mund.»Ihr Bauern seid alle gleich«, sagte er. »Ihr wollt da-für bezahlt werden, daß ihr eure Pflicht tut.«

Ein zweiter uniformierter Gorilla kam mit einerLaterne aus den Stallungen und ging langsam überden Hof auf sie zu. Der erste Polizist wandte sich vonAnto ab und zupfte wieder an seinen Stulpenhand-schuhen. Anto vermutete, daß der andere das Ge-spräch als beendet betrachtete; er hatte wenig erfah-ren, aber er konnte nicht mehr sagen oder tun, ohnealles preiszugeben.

Der Patrouillenreiter, mit dem Anto gesprochenhatte, ging seinem Kollegen entgegen. Über dieSchulter sagte er zu Anto: »Nun geh nach Haus. DasHerumlungern bei den Pferdeställen ist verboten.«

Der aus dem Stall gekommene Polizist war dersel-be, der wenige Tage vorher Polars Hof besucht undnach entflohenen Leibeigenen geforscht hatte. Er warfAnto einen neugierigen Blick zu und fragte: »Wer istdas?«

»Irgendein Bauernjunge«, sagte der andere weg-werfend. »Er denkt, wir sollten jedem, der uns bei derErgreifung geflohener Leibeigener hilft, eine Beloh-nung zahlen.«

Der zweite Polizist hob die Laterne und blickte for-schend in Antos Gesicht. »Er kommt mir bekannt vor.Ich möchte wetten, daß ich ihn erst in den letzten Ta-gen gesehen habe. Woher kommt er?«

Während er sprach, zog sich Anto langsam zumTor zurück und verschwand in der Dunkelheit.

»Von weit her, würde ich sagen«, sagte der erstePolizist. »Er sah aus, als sei er die halbe Nacht quer-feldein gelaufen.«

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Der mit der Laterne rieb sich das Kinn. »Hmm.Und er erkundigte sich nach einer Belohnung, sagstdu?«

»Ganz recht.«Der andere schnalzte. »Ich habe das Gefühl, es

könnte sich lohnen, ihn zu beobachten.«

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8.

Am nächsten Vormittag zogen dunkle Wolken auf,die einen Sturm ankündigten; ähnlich gespannt wardie Atmosphäre auf Polars Hof. Aller Aufmerksam-keit konzentrierte sich auf den Stall, in dem AntosKuh noch immer auf der Seite lag und leise, grun-zende Wehlaute von sich gab. Anto war vor Angstund Sorge außer sich. Es war ihm klar, daß niemandden Ernst der Situation so gut wie er verstand. »Siewird sterben«, sagte er immer wieder, die Stimmevon hilflosem Zorn erstickt. »Was soll ich dann ma-chen? Weitere drei Jahre auf ein neues Kalb warten?«

Polar konnte ihm nicht helfen. Die einzige ermuti-gende Antwort, die er geben konnte, war ein hilflo-ses: »Virdon sagt, daß sie wieder gesund wird.«

Anto funkelte ihn an. »Natürlich!« sagte er durchzusammengebissene Zähne. »Virdon! Wer hat dir alldie Jahre geholfen, die Felder zu bestellen und dieErnten einzubringen? Virdon?«

Polar litt darunter, daß er seinem Erstgeborenendie Antwort schuldig bleiben mußte. Seit er im ar-beitsfähigen Alter war, hatte Anto die Last mitgetra-gen und an den Erfolgen und Rückschlägen des Bau-erndaseins teilgenommen. Virdon dagegen war nochkeine zwei Wochen auf dem Hof, und außerdem warer ein Mensch. »Er scheint wirklich etwas von diesenDingen zu verstehen«, sagte Polar schwächlich.

»Er hat dich herumgekriegt«, versetzte Anto zor-nig. »Mit seinem schlauen Gerede und seinen Trickshat er dich für sich gewonnen.« Anto machte einePause, um die Wirkung seiner Worte zu verstärken.

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»Die Kuh stirbt am Fluch dieser Menschen! An demTag, als die drei hier ankamen, fing sie an zu sterben.Weißt du noch? Sie kamen auf den Hof und trugendiesen Galen, diesen Menschenliebhaber, und kaumwaren sie da, fing die Kuh an zu brüllen.«

Antos Worte hatten etwas Überzeugendes, beson-ders, wenn Virdon oder Burke nicht da waren, um siedurch bessere Argumente unwirksam zu machen.Und die von Anto erwähnte Koinzidenz war wirklichzu auffallend, als daß Polars abergläubischer Ver-stand sie als Zufall hätte abtun können. »Ich werdemit den beiden reden.«

Anto hatte noch einen Trumpf auszuspielen. »Ga-len kann schon stehen«, sagte er boshaft. »Ich habeihn gesehen.«

Polar war überrascht. Hatten die Menschen und ihr›Meister‹, dieser Galen, es doch darauf angelegt, ihnzu täuschen? Es schien unwahrscheinlich, aber wennes stimmte, was Anto sagte, dann ...

»Sie bleiben nur, damit die Kuh stirbt, das sage ichdir«, erklärte Anto hitzig. »Menschen brennen dasFleisch und fressen es, du hast es auch gehört!«

Die Vorstellung war abstoßend, aber Polar nickte.Es gab Berichte, daß Menschen das gekochte oderüber einem Feuer gebrannte Fleisch von Kühen fra-ßen. Aber Polar wollte alle Beteiligten gerecht behan-deln. »Bist du ganz sicher, daß Galen schon stehenkann?« fragte er.

Burke stand in einem Feld zu Füßen des Hügels undsah befriedigt zu, wie braunes Wasser durch einenfrisch ausgehobenen Graben in einen kleinen Bachabfloß. Seine derbe Kleidung war schmutzig und

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durchnäßt. Er hatte tagelang an diesem Graben gear-beitet, der an einem Punkt eine mehr als meterhoheBodenwelle durchschnitt, und obwohl Polar gele-gentlich vorbeigekommen war und zugeschaut hatte,war ihm verborgen geblieben, was Burke bezweckte.Das Gebiet, worin Burke arbeitete, war naß und ver-sumpft, unbrauchbar für jede Art von Landwirt-schaft, und Burkes Interesse daran schien eine Ver-schwendung kostbarer Zeit.

Burke sah es anders. Mit dem Graben entwässerteer das Sumpfgelände, und nun, nach vielen Stundenmühsamer Arbeit, konnte er ausruhen. Er setzte sichauf einen erhöhten Platz, streckte die Beine von sichund erfreute sich an seinem Werk. Als Polar dasnächste Mal vorbeikam, konnte Burke es kaum er-warten, ihm seine neueste Errungenschaft vorzufüh-ren.

Aber Polar sagte kein einziges Wort, bis er heran-gekommen war, und er schien so sehr mit seinen ei-genen Problemen beschäftigt, daß er nicht bemerkte,was Burke ausgeführt hatte. »Burke«, sagte er mitunbehaglicher Miene, »ich muß mit dir und Virdonsprechen.« Dann sah er das Wasser durch den Grabenfließen. »Was ist das?« fragte er verdutzt.

»Nun«, sagte Burke und wischte sich die Hände ander zerrissenen Hose, »es ist nicht gerade derSuezkanal, aber ich entwässere dieses sumpfige Ge-lände für dich.«

Polar ließ seinen Blick über die moorige Fläche ge-hen, die ihn immer gestört hatte. Sie gehörte zu sei-nem Wirtschaftsland, doch war es wegen der Nässedes Bodens niemals möglich gewesen, sie in irgend-einer Weise zu nutzen. »Dieses Gelände ist für nichts

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gut«, sagte er. »Ein Versteck für Schlangen und Frö-sche, das ist alles.«

Burke lachte. »So mag es bisher gewesen sein, aberin Zukunft wird es ein gutes Feld sein«, sagte er.»Wahrscheinlich das beste Feld von allen, sobald esentwässert und trocken genug zum Umpflügen undBestellen ist. Es ist guter, fetter Boden, der noch niegenutzt worden ist.«

Polar kniete nieder und tauchte die Hand ins flie-ßende Wasser. Wenn es stimmte, was Burke sagte,dann waren die Aussichten verlockend: ein neuesFeld, größere Ernten, von denen auch für ihn undseine Familie mehr übrigbliebe ...

Polar war fasziniert, aber er war auch verwirrt.Virdon und Burke hatten Gutes für den Hof getan,aber ihre neuartigen Ideen stellten, weil sie allein aufden wirtschaftlichen Nutzeffekt ausgerichtet waren,alle überkommenen Normen einer Lebensweise inFrage, für die das Bebauen des Bodens eng mit ma-gisch-religiösen Vorstellungen verwachsen war, ohneetwas an ihre Stelle zu setzen. Polar fühlte das, und eserfüllte ihn mit einem unbestimmten, aber wachsen-den Unbehagen.

»Anto hat euren Freund Galen gesehen, wie erstand und umherging«, sagte er. »Wenn es so ist,müßt ihr gehen.«

In Burkes Gesicht kam ein Ausdruck von Überra-schung, der nicht vorgetäuscht sein konnte. Offen-sichtlich wußte er nichts davon und wunderte sich,warum Galen ihm den Fortschritt verschwiegen hat-te.

»Ich denke, wir sollten mit Galen reden«, sagteBurke schließlich. »Er kann also schon stehen!«

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Kurze Zeit später suchten er und Virdon ihrenFreund in Polars Haus auf. Als sie hereinkamen sa-hen sie Galen tatsächlich mitten im Raum stehen, ge-stützt auf eine aus einem Ast geschnitzte Krücke. Siesahen ihn erstaunt und ein wenig vorwurfsvoll an,doch ehe einer von ihnen sprechen konnte, sagte Ga-len: »Schade, daß ihr gekommen seid; ich wollte euchüberraschen. Heute bin ich schon zehn Minuten aufden Beinen.«

»Zehn Minuten!« sagte Burke zu Virdon. »Wassagst du dazu?« Zu Galen gewandt, fuhr er fort:»Anto hat dich gesehen, und er verlangt, daß wir ge-hen. Und Polar sagte mir erst vorhin, daß wir ver-schwinden müßten, wenn es wahr sei, daß du gehenkannst.«

»Wir sind in keiner beneidenswerten Lage«, sagteVirdon nachdenklich. »Anto haßt uns, und auch seinVater sähe uns lieber heute als morgen gehen, weil erder Auseinandersetzungen mit seinem Sohn über-drüssig ist. Hinzu kommt, daß sie uns die Schulddaran geben werden, wenn das Kalb kein Stierkalbist.«

»Das ist nicht alles«, sagte Galen. »Wenn die Kuhstirbt, ist Anto nach dem Brauch berechtigt, euch zutöten. Er wartet nur auf eine Gelegenheit, euch zu er-ledigen, und wir können uns an keine Behörde wen-den.«

»Nun«, sagte Burke mit Galgenhumor, »es ist im-mer gut, wenn einer seine Rechte kennt.«

»Wenn ihr mir noch drei, vier Tage geben könnt«,sagte Galen. »Das Bein heilt jetzt rasch.«

Virdon setzte sich auf einen Stuhl und stützte denKopf in die Hände. Diesmal steckten sie in einem

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echten Dilemma. Schließlich blickte er zu seinenFreunden auf und sagte: »Ich denke, wir werden ein-fach abwarten und die Sache durchstehen müssen. Eshängt davon ab, wer es zuerst schafft: diese Kuh oderGalen hier.«

Zur gleichen Zeit stand Polar bei seiner Frau vor demBackofen, einem freistehend gemauerten kleinen Bauzwischen den Holunderbüschen am Rand des Hofes.Zantes nahm gerade zwei frisch gebackene Brotlaibeaus dem Ofenloch und legte sie zum Abkühlen aufein Brett. Von einem dritten Laib, den sie schon vor-her herausgenommen hatte, brach sie ein großesStück und gab es Polar.

Polar blickte sie lächelnd an. Er mochte das duf-tende Brot, das seine Frau buk, besonders wenn esfrisch aus dem Ofen kam; dann war es eine Delikates-se. Er biß davon ab, während Zantes zuschaute.»Mmm«, machte er mit vollem Mund.

Aber nicht lange, und seine Miene nahm wiederden zweifelnden, nachdenklichen Ausdruck an, densie zuvor gehabt hatte. »Seit diese drei gekommensind«, vertraute er Zantes bekümmert an, »weiß ichüberhaupt nichts mehr. Du weißt, ich war immer eineinfacher Bauer. Ich habe nie so tun wollen, als ob ichso gebildet und kultiviert wäre wie diese Stadtaffen.Ich sagte es dir schon vor unserer Heirat. Du wußtest,was für ein Leben dich erwartete.«

Sie nahm ihn bei der Hand. »Ich wußte es, und ichhabe es nie bereut«, sagte sie.

»Aber jetzt«, fuhr Polar fort, »zeigt sich, daß man-ches von dem, was ich zu wissen glaubte, und wovondie Stadtaffen überhaupt keine Ahnung haben, nicht

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richtig ist. Aber ist darum auch gut, was sie uns brin-gen? Ich weiß, daß du sie magst, aber seit sie hiersind, leben Anto und ich in Unfrieden miteinander.«

»Du siehst die Dinge zu schwarz«, sagte sie begüti-gend. »Es muß etwas Gutes an ihnen sein, wenn siefür die Pflege, die wir Galen geben, so fleißig undhart arbeiten.«

Die Idee machte Polar wieder nachdenklich. DasVerhältnis der drei zueinander hatte Aspekte, die ernoch immer nicht begreifen konnte. »Ja, dieser Ga-len«, sagte er sinnend. »Da siehst du, was geschieht,wenn du in der Stadt aufwächst. Du fängst an, mitMenschen herumzulaufen.«

Zantes seufzte. »Diese Menschen sind keineschlechten Kerle. Nicht wie andere, von denen ichgehört habe.«

»Vielleicht sind sie nicht so schlecht wie andere«,räumte Polar ein. »Trotzdem will ich nicht, daß Juliasich mit ihnen abgibt. Schon jetzt steckt sie mehr mitGalen zusammen, als mir lieb ist. Gib ihr mehr Ar-beit, daß sie nicht auf dumme Gedanken kommt.Hast du gehört?«

Zantes mochte diese Dinge nachsichtiger beurteilenals er, aber sie war auch die energische Mutter einesleicht zu beeindruckenden jungen Mädchens undkannte ihre Verantwortung.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Ich passeschon auf. Wofür hältst du mich?«

Neben der Scheune war eine primitive, aber brauch-bare Dusche errichtet worden, bestehend aus einerArt Zuber auf einem einfachen Gerüst, einem Vor-hang aus zusammengenähten Säcken und einem Seil-

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zug zum Entleeren des Wassers. Burke schwelgteunter der Dusche, während Virdon sich anzog.

»Weißt du«, sagte er beinahe so unbekümmert wiein früheren Zeiten, »es macht mir nichts aus, einLandarbeiter zu sein, solange ich die Bequemlichkei-ten der Reichen habe.«

Virdon lachte. »In dieser Welt haben nicht mal dieReichen Duschen«, sagte er. »Aber wenn du schon beiden Bequemlichkeiten bist, könntest du morgen viel-leicht die Heißwasserleitung legen.«

Die zwei Freunde ahnten nicht, daß sie beobachtetwurden. Von einem der angrenzenden Hügel beob-achtete der mißtrauische Patrouillenreiter der Land-polizei die Vorgänge beim Gehöft. Er hatte die Sonnegegen sich und beschirmte die Augen mit einerHand, während er in die Talsenke hinabspähte. Vonseinem Versteck aus konnte er Burke ausmachen, wieer in der provisorischen Duschkabine neben derScheune verschwand. Virdon, der sich auf der ande-ren Seite ankleidete, kam nicht ins Blickfeld des Be-obachters, der im übrigen genug gesehen hatte. Nacheiner Weile stand er auf. Er hatte seinen Verdacht be-stätigt gefunden. Langsam und nachdenklich ging erzu seinem Pferd, saß auf und galoppierte davon.

Gegen Mittag, als Virdon und Burke dem Bauernbei Ausbesserungsarbeiten auf dem Hof halfen,drang ein lauter Schrei aus der Scheune herüber.»Nein!« heulte Polars ältester Sohn. »Nein, nein!«Dann begannen tiefe, hohle Glockenschläge zu ertö-nen.

Anto kniete vor dem Stall, erfüllt mit Kummer undSchmerz, und schlug mit einem Holzhammer gegeneine schwere Keramikglocke, wie es der überlieferte

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Brauch war. Die Kuh lag auf der Seite, atmete rö-chelnd und bewegte sich kaum noch. Während er dieGlocke schlug, schaukelte Anto mit dem Oberkörpervor und zurück und stöhnte und jammerte.

Dies war das Bild, das sich Virdon und Burke undder ganzen Familie bot, als sie alle miteinander in dieScheune drängten. Jeder wußte, was zu erwarten war.»Es ist ihre Zeit«, sagte Polar nüchtern. »Die Glocke...«

»Sie stirbt!« unterbrach Anto ihn schluchzend. »Siestirbt! Ich habe es gewußt.«

Die Familienmitglieder hielten sich zurück. Sie ver-standen, daß ihnen kein Anteil an dem Drama zu-kam, das bald stattfinden sollte. Selbst Burke war sichder Situation nicht sicher genug, um seine Hilfe an-zubieten. Virdon jedoch, für den alles auf dem Spielstand, eilte in den Stall, alarmiert vom jämmerlichenZustand der Kuh.

Er brauchte nicht lange, um seine Diagnose zustellen; Ereignisse wie dieses waren ihm nicht neu.Auf dem Hof seines Vaters hatte es mehr Vieh gege-ben, als Polar sich leisten konnte, und bis zu seinemachtzehnten Lebensjahr hatte Virdon oft den Veteri-närgehilfen spielen müssen.

Während er sich um die Kuh bemühte, versuchtenPolar und Zantes, ihren Sohn zu trösten, doch derstieß sie fort. Eltern waren in dieser entscheidendenStunde nicht mehr als geduldete Zuschauer; Antowar mit der leidenden Kuh allein. Er fuhr fort, dieGlocke zu läuten und sang dazu eintönige Klagenund Beschwörungsformeln.

Virdon wußte, daß nichts bewirkt werden konnte,wenn alle nur herumstanden und Antos Klagen und

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Glockenschlägen lauschten. »Hör zu, Anto«, sagte erin dringendem Ton, »die Kuh wird vorzeitig kalben.Sicherlich hast du das schon öfter erlebt. Und sie lei-det, weil das Kalb nicht richtig liegt. Verstehst dumich? Sie braucht Hilfe.«

Anto wandte langsam den Kopf und blickte Virdonins Gesicht. Im nächsten Augenblick verzerrten sichseine Züge, und er stieß Virdon zurück. Dann war erauf den Beinen, hatte mit einem Satz eine Heugabelan sich gerissen und bedrohte Virdon.

»Anto!« rief Zantes. »Hör auf!«Polar hielt seine Frau zurück. Von nun an war er so

hilflos wie sie. Der entscheidende Faktor war dieKuh, und sie war Antos Hoffnung und Verantwor-tung. Remus und Julia zogen sich ängstlich zurück.Burke wollte seinem Freund zu Hilfe kommen, aberVirdon winkte ihn zurück. Anto ging langsam gegenVirdon vor, die dreizinkige Heugabel in den Fäusten.»Du«, sagte er mit halberstickter Stimme, »du hastdas getan.«

»Die Kuh braucht nicht zu sterben«, verteidigtesich Virdon, bemüht, ruhig zu erscheinen. »Ich kannhelfen. Es kommt nur darauf an, das Kalb herumzu-drehen.«

»Nein!« schrie Anto. »Das war dein letzter Streichhier! Wenn sie stirbt, bist du dran!«

Das Scheunentor knarrte, und alle bis auf Antowandten die Köpfe. Es war Galen, der mühevoll her-eingehumpelt kam, auf die Krücke gestützt. »Anto«,sagte er, »laß ihn in Ruhe.«

Statt einer Antwort stieß Anto mit der Heugabelzu, und Virdon mußte sich mit einem schnellenSprung zurück in Sicherheit bringen. In der ange-

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spannten Stille klang das Röcheln der Kuh doppeltjämmerlich. »Komm her, du Menschenliebhaber«,sagte Anto, ohne sich umzuwenden. »Komm undsieh, was du getan hast.«

Galen humpelte näher, und es genügte ein Blick,um ihm klarzumachen, daß er der einzige war, der indieser Situation etwas für Virdon und Burke tunkonnte. »Dann mach mich verantwortlich«, sagte erzu Anto. »Meine Verletzung war es, die sie hierherführte. Wir werden den Hof verlassen. Jetzt. Wirwerden fortgehen.«

Doch Anto wollte nichts davon hören. Er wußtenoch immer nicht, ob der Weggang der Menschen fürdie Kuh gut wäre oder nicht. »Jetzt wollt ihr euch da-vonmachen, wie?« sagte er erbittert. »Nein, niemandgeht, nicht ehe dies alles vorbei ist, so oder so. Läutedie Glocke, Remus. Wahrscheinlich ist es dafür zuspät, aber läute sie.«

Remus hob die Keramikglocke auf und begann sieanzuschlagen, und der seltsame, fremdartige Klangerfüllte von neuem die Scheune. Anto hielt Virdonmit der Heugabel in Schach. Keiner der anderen be-wegte sich oder sagte etwas. Nur die langsamenGlockenschläge und das schreckliche Röcheln derKuh waren zu hören.

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9.

Der Patrouillenreiter erreichte seine Landpolizeistati-on erschöpft, aber in freudiger Erregung. Er eilte indie Wachstube und machte beim diensthabenden Of-fizier Meldung. »Wenn du einen gesehen hast«, sagtedieser, ein grimmig aussehender Gorilla namens Bar-ga, »warum hast du ihn dann nicht mitgebracht?«

Der Patrouillenreiter wußte darauf keine Antwort.Tatsächlich war ihm der Gedanke überhaupt nichtgekommen. Er stammelte herum und zupfte an sei-nen Stulpenhandschuhen. »Ich dachte, daß nochmehr dort sein könnten«, sagte er schließlich.

Der Offizier musterte ihn schweigend, währendseine Finger auf den Schreibtisch trommelten. »Seitwann sind ein paar Menschen zuviel für einen berit-tenen Polizisten?« fragte er.

Wieder blieb der andere die Antwort schuldig.Barga beobachtete ihn ungeduldig. Er wünschte, diePersonalverwaltung würde ihm bessere Leute schik-ken. Aber natürlich waren sie hier weit von der Stadtentfernt, in einer Region, wo es für die Polizei wenigArbeit gab. »Vielleicht halten sich dort noch viele ver-steckt«, sagte der Reiter. Das war genau die Art vonEntschuldigung, die Barga erwartet hatte. »Vielleichtkönnen wir einen guten Fang machen«, sagte derReiter, um das Gesicht zu wahren.

Barga mußte jede Einzelheit in der Meldung desPatrouillenreiters durchgehen. Es waren zu viele Un-gereimtheiten darin. »Und er stand unter einem Was-serstrom, sagst du?« sagte er sinnend. »Könnte esnicht vielleicht sein, daß du wieder vom gegorenen

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Apfelsaft getrunken hast?«»Nicht einen Tropfen«, verteidigte sich der Reiter.

»Es ist genau wie ich sagte.«»In Ordnung«, sagte Barga. »Wir werden gemein-

sam hinausreiten. Wie weit ist es?«»Zwei Stunden«, sagte der andere. »Der Land-

pächter dort heißt Polar. Aber sollten wir nicht war-ten, bis es dunkel ist? Wenn sie zu fliehen versuchen,sind Menschen im Dunkeln leichter zu sehen.«

»Unsinn«, sagte Barga entschlossen. »Laß zwei fri-sche Pferde satteln. Und wie war noch dein Name?«

Der Polizist ließ den Kopf hängen. »Lupuk, Herr«,sagte er.

»Sehr gut, Lupuk. Wenn dieser Polar Menschen beisich versteckt hat, nun, dann möchte ich ihn hängensehen, solange noch Tag ist!«

Als die Konfrontation in der Scheune sich unerträg-lich hinzuziehen drohte, trat Polar vor, die Hand be-sänftigend erhoben. »Anto«, sagte er in nüchternemTon, »ich glaube nicht, daß es notwendig ist, ihn mitder Heugabel zu bedrohen. Sie werden nicht fortlau-fen.«

Anto teilte das Vertrauen seines Vaters nicht.»Warum sollten sie nicht fortlaufen?«

Polar zeigte zu dem auf seine selbstgemachteKrücke gestützten Galen. »Weil er nicht mit ihnenlaufen kann«, sagte er. »Sie fühlen sich eng mit ihmverbunden. Sonst hätten sie ihn mit seiner Verletzungeinfach zurückgelassen.«

Galen nickte bekräftigend. »Das ist richtig«, sagteer. »Ich bin ihr ... Freund.«

Anto überlegte, dann nahm er plötzlich die Heuga-

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bel von Virdons Kehle und trat zurück. »Sehr gut«,sagte er in verändertem Ton, »laß sie laufen. Wennetwas geschieht, wirst du dafür geradestehen.« Erstieß mit der Heugabel nach dem Schimpansen. Ga-len wäre gefallen, hätte Burke ihn nicht gestützt.Trotzdem atmete Virdon auf. Antos Sinnesänderungdeutete an, daß seine Gedanken nicht organisiert wa-ren. Dieses Wissen aber verschaffte Virdon einen ent-scheidenden Vorteil gegenüber Anto.

»Hör mich an, Anto«, sagte er in bittendem Ton.»Ich kann der Kuh helfen, daß sie am Leben bleibt.Ich habe oft gesehen, wie Veterinäre es machten.Wenn du mich helfen läßt, wird sie überleben.«

»Ja, hör auf ihn, Anto«, sagte Zantes zur Überra-schung aller Anwesenden. »Du bist mein Erstgebore-ner, und du weißt, daß ich es gut meine. Diese zweihaben gezeigt, wie man verhindern kann, daß die Er-de vom Regen den Hügel hinabgeschwemmt wird.Du hast gesehen, wie sie aus einem Sumpf, wo jederOchse steckengeblieben wäre, gutes Ackerland ge-macht haben. Du willst dieses Kalb, und die Glockebittet darum, daß es ein Stierkalb sei. Laß dir vonVirdon helfen.«

Anto sah, daß er allein stand, und die Erkenntnis,verbunden mit der Angst um das Leben der Kuh undseine Zukunft, ließen seinen Widerstand weiter ab-bröckeln.

»Virdon«, sagte er in einem barschen Ton, der dieinnere Unsicherheit nur unvollkommen überdeckenkonnte, »du sagtest, daß du die Kuh retten kannst.Bist du sicher, daß es gelingen wird?«

Virdon sah ihn an und überlegte. Seit ihre Raum-kapsel auf der Erde notgelandet war, weit in ihrer ei-

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genen Zukunft, hatten die beiden Männer von ihrerIntelligenz und Findigkeit leben müssen, um die blo-ßen Notwendigkeiten des Lebens zu sichern, die siefrüher als selbstverständliche Voraussetzung hinge-nommen hatten. »Nein«, sagte Virdon zögernd, »ichbin nicht ganz sicher. Aber ich weiß, daß diese Kuhsterben wird, wenn ihr nicht geholfen wird.«

»Also los«, sagte Anto durch zusammengebisseneZähne. »Und ich rate dir, deine Sache gut zu machen.Wenn die Kuh stirbt, wirst du mir nicht entkommen.Wenn ich dich nicht töte, dann wird die Polizei estun. Ich werde nicht noch einmal lügen.«

Und dann griff Anto zur Glocke und begann sielangsam und regelmäßig anzuschlagen.

Virdon begann sanft und rhythmisch die Flankender Kuh zu drücken; jedesmal bekam er ein schmerz-erfülltes Grunzen zur Antwort. »Tut mir leid, Mäd-chen«, sagte er. »Ich werde mein Bestes für dich tun,und ich möchte, daß du dein Bestes für mich tust.«

Als Virdon mit der Geburtshilfe begann, wandtePolar sich mit sorgenvoller Miene an Galen. »Weißtdu, ob er es kann?« fragte er ihn. »Kann er der Kuhhelfen, ihr Kalb richtig zur Welt zu bringen?«

Es gab eine Pause; selbst Galen zweifelte ein wenigan der Möglichkeit. Aber er war klug genug, zu be-greifen, daß Ermutigung am Platze war. »Er hat eineNadel gemacht, die Richtungen anzeigt, selbst in ei-ner wolkenbedeckten Nacht ...«

Auf der Landstraße, die von der Kreisstadt nachNorden führte, ritten zwei weitere Uniformierte ge-mächlich südwärts. Einer der beiden bemerkte weitvoraus eine Bewegung auf der Straße und stellte sich

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in die Steigbügel, um besser sehen zu können. Dannstreckte er den behandschuhten Arm aus. Beide zü-gelten ihre Pferde.

»Eine berittene Patrouille«, sagte der eine. »Mußvon irgendeiner Außenstation in der Nähe kommen.«Er wollte sein Pferd wieder vorwärtstreiben, um derPatrouille entgegenzureiten.

»Bleib!« sagte der andere, offenbar der Vorgesetztedes ersten. »Sitz aufrecht! Du kommst vom Haupt-quartier.«

Der Soldat straffte die Haltung. »Jawohl. Zu Befehl.«Der Offizier beobachtete die näherkommende Pa-

trouille. »Landpolizei«, sagte er zu sich selbst. »Undkeine von der hellsten Sorte.« Plötzlich wandte er denKopf und fuhr seinen Begleiter an: »Ordne die Pfer-demähne! Halt die Zügel hoch!«

Der Soldat erschrak und gehorchte. Erst als er intadelloser Haltung auf dem Pferd saß, nickte Urko –denn er war der Offizier aus dem Hauptquartier –und ließ sein Pferd in Schritt fallen, gefolgt von seinerOrdonnanz. So bewegten die zwei sich die staubigeLandstraße entlang, als ob sie eine Ehrenformationder Kavallerie passierten.

Die zwei Patrouillenreiter kamen im vollen Galoppheran und brachten ihre Reittiere wenige Meter vorden entgegenkommenden Militärs zum Stehen, draufund dran, die Soldaten, die ihnen so dreist den Wegversperrten, mit Schmähungen zu überschütten.Doch ehe es dazu kam, erkannten sie die Uniformenund sahen, daß sie es mit dem Chef der Sicherheits-kräfte zu tun hatten. Augenblicklich wurden sie, dieim Landkreis sonst recht selbstherrlich schalteten undwalteten, unterwürfig.

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»Herr!« rief Barga und riß die Hand an die Mütze.Beide Landpolizisten saßen jetzt steif in den Sätteln

und machten ihre Ehrenbezeigung. Ihre Überra-schung, dem obersten Chef auf dieser abgelegenenLandstraße zu begegnen, war so groß, daß keiner vonihnen ein Wort hervorgebracht hätte, wenn er dazuaufgefordert worden wäre. Urkos Ordonnanz hinge-gen sonnte sich im Abglanz des Generals, dessen Nä-he auch ihn hoch über die zwei Landpolizisten erhob.

»Eure Pferde sind schweißbedeckt«, sagte Urko ru-hig, nachdem er die beiden eingehend gemusterthatte. »Aus welchem Grund sind sie so hart herange-nommen worden?«

Barga räusperte sich und salutierte abermals. »Ent-kommene menschliche Leibeigene, Herr«, sagte er.Dann nickte er Lupuk zu. »Der Patrouillenbeamtehier glaubt, daß er einen auf einem Bauernhof hier inder Nähe gesehen hat.«

»Jawohl, Herr«, sagte Lupuk stolz. »Er stand untereinem Wasserstrom.« Ein schneller Blick von Bargasagte ihm, daß er nicht ungefragt zu reden habe, undLupuk verstummte ernüchtert.

»Wie weit?« fragte Urko.»Wir sind ganz in der Nähe, Herr«, antwortete

Barga.»Wir haben zwei entflohene Menschen und einen

Abtrünnigen auf der Fahndungsliste«, sagte Urkobeiläufig. »Der Abtrünnige ist ein Staatsfeind, und dieMenschen sind gefährliche Aufrührer.«

»Nun, Herr«, meinte Barga zweifelnd, »ich kannnicht mit Gewißheit sagen, daß ...«

Urko unterbrach ihn mit einer Handbewegung.»Wenn es Zweifel gibt«, erklärte er, »werde ich sie

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äußern. Nachdem wir uns diesen Hof angesehen ha-ben. Vorwärts.«

»Jawohl, Herr«, sagte Barga. Die einheimischenPolizisten an der Spitze, galoppierte der kleine Truppdavon.

Virdons Gesicht war schweißüberströmt, und dasfleckige, zerrissene Hemd klebte an seinem Oberkör-per. Er hatte lange angestrengt gearbeitet, aber nun,als er die letzten Handgriffe verrichtete, zeigte seinerschöpftes Gesicht ein breites Lächeln. Die anderendrängten zum Eingang des Stallabteils, um denGrund zu erfahren.

Polar war der erste, der mit aufgeregt klopfendemHerzen und einem Gemisch von Hoffnung und Angst-gefühlen in den engen Raum spähte. Als er sah, was Vir-don getan hatte, weiteten sich seine Augen ungläubig.

Galen hinkte mit seiner Krücke heran und warnicht weniger erstaunt, als er das Ergebnis von Vir-dons Druck- und Massagebehandlung erblickte.

Burke blieb neben der Trennwand stehen undschloß einen Moment die Augen, während er sich aufdas Schlimmste gefaßt machte, bevor er hinüber-spähte.

»Määäh!«Die dünne, heisere Stimme eines neugeborenen

Kalbs. Burke öffnete die Augen, erhob sich auf dieZehenspitzen und spähte über die Trennwand. Indiesem Augenblick wurde in der Stille der Scheuneein zweites »Määh!« in unterschiedlicher Tonlagehörbar, der Protest eines zweiten Kalbes.

Sekundenlang verharrten alle regungslos, zu ange-spannt von Furcht und banger Erwartung. Dann

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drängten alle in den Stall, um zu sehen und zu be-wundern. Alle bis auf Anto, der nicht hineinsehenwollte, weil er zu nervös war und eine neuerlicheEnttäuschung fürchtete.

Im Stall lag ein Kalb neben der Mutter, das andereversuchte bereits zu stehen – zwei kleine Stierkälber,Zwillinge! Zantes, Julia und Remus gerieten vor Er-leichterung und Freude außer sich und weinten undlachten durcheinander. Polar und Galen tauschtenglückliche Blicke aus, als Virdon erschöpft aufstandund sich die Hände an einem Bündel Stroh wischte.

Langsam wandten alle die Köpfe zu Anto, der auf-gehört hatte, an seine Glocke zu schlagen. Er blicktenoch immer darauf nieder und wagte nicht zum Stallzu kommen. »Komm schon, Anto«, sagte Burkefreundlich, »sieh es dir an. Es ist alles dein.«

Anto richtete sich zögernd auf und ging mit nie-dergeschlagenem Blick zum Stallabteil. Alle anderenmachten ihm Platz, denn dies war sein großer Au-genblick. Seine Eltern und Geschwister freuten sichfür ihn. Die Stierkälber bedeuteten den Beginn seineseigenen, unabhängigen Lebens, das die Laune desSchicksals ihm allzu lang verwehrt hatte.

Anto starrte die Zwillingskälber an und zwinkerteungläubig. Dann leuchteten seine Augen auf, und erbegann zu weinen, unfähig, seiner Freude auf andereWeise Ausdruck zu verleihen. Er warf sich auf dieKnie und nahm erst einen kleinen Kopf in die Hände,dann den anderen, küßte sie und lachte unter Tränen,erfüllt von der größten Freude, die sein junges Lebenbisher gekannt hatte.

Burke drängte sich zu Virdon durch, klopfte ihmauf die Schulter und drückte ihn an sich. »Du bist ein

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Genie, Alan! Ich werde nie mehr etwas über Bauern-jungen sagen. Und gleich Zwillinge! Na, man muß eseben im Handgelenk haben, nicht wahr?«

Virdon lachte; es war jetzt für sie alles so vielleichter geworden. Er mochte nicht daran denken,was geschehen wäre, wenn er nach genauso harterArbeit zwei Kuhkälbern zur Geburt verholfen hätte.Sein Leben wäre sicherlich verspielt gewesen, undwahrscheinlich auch das seiner Gefährten, und alleswegen einer vor Monaten zustandegekommenenChromosomenkombination ... »Es sind beides Stier-kälber«, sagte er seufzend. »Ich denke, das Glocken-läuten mag etwas damit zu tun gehabt haben.«

Während in der Scheune Freude und Jubelherrschten, kamen die vier uniformierten Reiter aufden Hof galoppiert und brachten ihre Pferde in einerStaubwolke zum Stehen.

Jillia lief zum Scheunentor und spähte hinaus. Alsdie anderen erschrocken aufblickten, kam sie schonzurück, bleich und aufgeregt. »Polizei«, sagte sie, eineHand an der Kehle. »Ein ganzer Trupp!«

Polar überlegte schnell. Es war keine Zeit zu verlie-ren. »Versteckt euch«, sagte er zu Burke und Virdon.»Schnell die Leiter hinauf zum Heuboden und unterdas Heu.« Er nickte seiner Familie zu. »Kommt mithinaus, schnell.«

Anto zögerte, noch benommen von den intensivenGefühlsaufwallungen der letzten Minuten. »Anto«,sagte Polar drängend, »komm!«

Polar führte seine Familie aus der Scheune undhinüber zum Hof, während Galen sich im Stroh ver-kroch und Burke und Virdon auf dem Heuboden ver-schwanden.

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Die Bauernfamilie, ausgenommen Anto, der nochzurückgeblieben war, ging mit unschuldig staunen-den Mienen und geflüsterten Äußerungen der Über-raschung auf die berittenen Polizisten zu und wartetein respektvollem Abstand, während Polar vortrat,sich verneigte und nach den Wünschen der Polizistenfragte.

Mit Urkos Einwilligung übernahm Barga als Chefder örtlichen Polizei das Verhör. Urko war klug ge-nug, sich nicht ohne besonderen Grund in lokale An-gelegenheiten einzumischen. Barga faßte das Famili-enoberhaupt ins Auge und sagte mit lauter, barscherStimme: »Du bist Polar?«

Polar bejahte mit einer neuerlichen Verbeugung,und Lupuk bekräftigte das Offensichtliche mit derBemerkung: »Das ist er.« Barga warf ihm einen ta-delnden Seitenblick zu; natürlich war er es; wer sonstkönnte der Patriarch dieser Bauernfamilie sein?

Urko und seine Ordonnanz saßen einige Schrittezurück und stellten die steife Haltung und die stei-nernen Mienen höchster Autorität zur Schau, wäh-rend die örtlichen Gorillas zeigten, wie man mit ar-men Bauern umsprang.

Um den großspurig auftretenden Polizisten denWind aus den Segeln zu nehmen, ergriff Zantes inpsychologisch kluger Einschätzung der Lage zuerstdas Wort, obwohl Polar angesprochen worden war.»Warum reitet ihr hier durch?« fragte sie im Tonfallder ständig geplagten Frau. »Ihr macht genug Lärm,um die Rüben aus dem Boden zu schütteln!«

»Halt du deinen Mund, Frau!« brüllte Barga.Das schon vertraute Knarren des Scheunentors

unterbrach die Konfrontation für einen Augenblick.

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Die Familie und die berittenen Gorillas wandten ihreAufmerksamkeit der Scheune zu. Anto erschien undkam zu Polar und der Familie herüber.

Barga seufzte unhörbar. Er wußte, daß es in derGegenwart einer so hochgestellten Persönlichkeit wieGeneral Urko vor allem darauf ankam, die Untersu-chung rasch und effizient zu führen. »Du«, sagte Bar-ga und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Polar, »duversteckst geflohene menschliche Leibeigene auf dei-nem Hof, Polar!«

»Nein, das ist nicht wahr!« sagte Polar, die Un-schuld selbst. Er zeigte auf Lupuk und fügte hinzu:»Er war erst vor ein paar Tagen hier.«

Barga sah, daß die Dinge leicht aus der Hand ge-raten konnten. Wenn Lupuk recht hatte, wofür eskeinen schlüssigen Beweis gab, würde Polar sich ge-nau so verhalten, wie er es tat. Wenn Lupuk nichtrecht hatte, gab es keine entflohenen Menschen, aberPolar würde sich nicht anders verhalten. »Ruhe!« riefBarga. Das war eine großartige Methode, die Ord-nung wiederherzustellen, aber sie brachte die Sachenicht weiter.

Lupuk meldete sich wieder zu Wort, diesmalschüchterner. Er zeigte auf die improvisierte Duscheneben der Scheune. »Dort stand er, unter diesem ...Ding.«

Barga richtete seine Aufmerksamkeit widerwilligauf die bezeichnete Vorrichtung. Auch Urko und sei-ne Ordonnanz geruhten in die Richtung zu blicken.Polar und seine Familie machten sich Sorgen: die Du-sche war eine entschieden fremdartige Einrichtung,die eindeutig auf die Gegenwart von Menschen hin-zuweisen schien.

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Anto betrachtete nachdenklich die Dusche und fol-gerte, daß der Patrouillenreiter spioniert haben muß-te, als Burke oder Virdon sich bei der Dusche zuschaffen gemacht hatten. Wenn die übrigen Unifor-mierten Lupuks Aussagen Glauben schenkten, dannwaren Polar und die ganze Familie in ernster Gefahr.

Da keine Zurechtweisung erfolgte, wiederholteLupuk seine Feststellung. Er zeigte wieder auf denAnbau und erklärte mit fester Stimme: »Einer von ih-nen stand dort unter dem Zuber, in einer Art Regen.«

In diesem krisenhaften Augenblick entspannteAnto die aufgeladene Atmosphäre mit einem unbe-kümmerten Auflachen. Es überraschte nicht nur dieberittenen Gorillas, sondern in nicht geringerem Maßseine eigene Familie. Antos plötzliche ungezügelteHeiterkeit war ihnen unheimlich – konnte es eine ver-spätete Reaktion auf die Geburt der Stierkälber sein?

Barga blickte finster drein. Er war nicht gewillt,sich von einem Bauernlümmel verspotten zu lassen.»Was ist daran so lustig, Kerl?« fragte er. »Du wirstnicht mehr lachen, wenn dein Vater am Ende einesStricks baumelt.«

Anto versuchte zu erklären, aber seine Heiterkeitwar so groß, daß es ihm Schwierigkeiten machte. »Ichwar es!« rief er schließlich, nach Luft schnappend. »Ersah mich!«

Und Anto lachte wieder. Er ging zu dem kleinenKornspeicher, langte in den Mehlkasten und be-streute sich Oberkörper, Arme und Kopf mit Mehl,daß er wie eine Wolke eingehüllt war. Als er zurück-kam, war er beinahe weiß.

»Seht ihr?« sagte er. »Wir sind eine arme Familie.Wollt ihr uns einen kleinen Spaß verweigern? Ich

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bringe die Familie zum Lachen. Ich bin weiß, wie einMensch, versteht ihr?«

Polar und seine Familie gingen auf die Taktik einund begannen zu lächeln, furchtsam zuerst, aber dannin echter Erheiterung über den lächerlichen Anblick.

Anto stolzierte vor den finster blickenden Unifor-mierten auf und ab, ohne der Gefahr zu achten, in dieer sich begab. »Dann gehe ich umher und benehmemich, wie wenn ich ein Mensch wäre.«

Anto ging mit steifen Bewegungen auf und ab,schlenkerte mit den Armen und spitzte die Lippen. Eswar anstrengend, aber selbst die Polizisten mußtenlächeln.

Ermutigt von der Reaktion auf seine Pantomime,ließ Anto seinem komödiantischen Talent freien Lauf.»Ich muß Fleisch haben!« sagte er, die Sprechweiseeines Menschen imitierend. »Soll ich es kochen oderrösten? Ah, ich könnte es roh hinunterschlingen, sogut ist es!«

Als die Reiter über die Vorführung lachten, ver-suchte Anto seine Darbietung durch einen letztenBeweis zu vervollkommnen. Er stolzierte affektiertzur Dusche, während das Gelächter der Gorillas undseiner Familie über den Hof schallte. »Seht ihr«, sagteer, »dies hat er gesehen. Meinen Umkleideraum, woich mich vom Mehl reinige.«

Er eilte in die provisorische Duschkabine, und erstals er darin stand, wurde ihm klar, daß alles umsonstsein würde, wenn er hier versagte. Und er wußtenicht genau, wie er die Dusche betätigen sollte. Dannsah er den Strick und zog daran. Mit erschrockenemKeuchen stand er durchnäßt unter einem plötzlichenGuß kalten Wassers.

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Alle hatten zu lachen aufgehört, ausgenommenLupuk, der eine solche Darbietung noch nie gesehenhatte und nicht an sich halten konnte. Er hörte erstauf, als Barga ihm einen wütenden Blick zuschoß und»Dummkopf!« knurrte.

Als Anto triefend naß unter der Dusche heraus-kam, wollten die beiden Landpolizisten ihre Pferdewenden, aber Urko war immer für Gründlichkeit. Ernickte seiner Ordonnanz zu.

»Durchsuch die Scheune!« befahl er. »Augen, diesich einmal täuschen, können sich auch ein zweitesMal täuschen.« Und er richtete einen vernichtendenBlick auf den entsetzten Lupuk.

Die Ordonnanz sprang vom Pferd und schritt zurScheune. Anto, der sich mit dem sackleinenen Vor-hang abtrocknete, blickte besorgt zu Polar herüber.Der Vater zuckte die Schultern.

Urko, in seiner Uniform und auf dem gepflegtenVollblutpferd immer eine eindrucksvolle und be-drohlich wirkende Gestalt, ritt im Kreis um dieängstlich zusammengedrängte Bauernfamilie undwartete. Nach den Minuten trügerischer Entspan-nung herrschte wieder eine Atmosphäre von Furchtund Einschüchterung.

Nach einer Zeit, die Polars Familie unerträglichlang erschien, kam die Ordonnanz von der Scheunezurück und schüttelte den Kopf. »Keine Menschendort, Herr«, verkündete er. »Nur eine Kuh mit zweineugeborenen Kälbern. Wären Menschen in der Nä-he, hätten sie die bestimmt aufgefressen.« Er bestiegwieder sein Pferd.

Urko wendete sein Pferd, und als er an Barga vor-beikam, nickte er zu Lupuk hin und sagte barsch:

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»Der Mann wird degradiert. Er hat die Staatsautoritätlächerlich gemacht.«

»Jawohl, General«, sagte Barga, beglückt, daß Urkowenigstens ihn straflos hatte davonkommen lassen.

Der General und seine Ordonnanz galoppiertendavon und bogen nach einigen hundert Metern in dieLandstraße ein. Diesmal übernahmen sie die Spitzeund ließen die einheimischen Landpolizisten hinter-herreiten. Das Hufgetrappel erstarb in der Ferne, unddie zurückbleibende Familie konnte endlich wiederaufatmen. Burke, Virdon und Galen kamen aus derScheune, behaftet mit Stroh- und Heuhalmen.

Anto ging auf Virdon zu und sagte mit leiserStimme: »Ich ... es tut mir leid, daß ich mich vorhin sobenommen habe. Ich konnte es nicht ... ich konnte eseinfach nicht glauben.« Nach einer gequälten Pausesetzte er hinzu: »Danke. Vielen Dank.«

Aber Virdon wollte von einer Entschuldigung nichtswissen. »Ich habe alles durch ein Astloch beobachtet,Anto«, sagte er lächelnd. »Und wenn ich es nichtselbst gesehen hätte, würde ich es auch nicht geglaubthaben.« Er legte dem anderen die Hand auf dieSchulter. »Nein, ich würde sagen, daß wir quitt sind.«

Viele Tage später verabschiedete sich ein völlig wie-derhergestellter Galen, begleitet von Virdon undBurke, von Polar und seiner Familie. Ihre Rucksäckewaren gefüllt mit Proviant, den Zantes und Julia ih-nen mitgegeben hatten.

Es war für alle ein Augenblick unbeholfener Pein-lichkeit, wie Abschiede es oft sind.

»Gib gut acht auf das Bein«, sagte Jillia besorgt zuGalen. »Ich möchte nicht, daß du nachher zurück-

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kommst und wieder ein paar Wochen herumliegst,während derer ich dich bedienen muß.«

Galen lächelte. »So?« sagte er. Jillia konnte seinemBlick nicht begegnen; sie schlug die Augen nieder,aber auch um ihre Lippen spielte ein kleines Lächeln.

Burke und Polar standen abseits und sahen zu, wieVirdon seinen Taschenkompaß prüfte. »Polar«, sagteBurke und betrachtete angelegentlich die Schwielenan seinen Händen, »du bist ein interessanter Gastge-ber gewesen. Interessant ist das richtige Wort. Besserals der teuerste Kuraufenthalt. All diese überschüssi-gen Pfunde sind weggearbeitet.«

»Waren von Anfang an nicht viele davon da«,meinte Virdon trocken.

»Wohin werdet ihr gehen?« fragte Polar, der dieBemerkung – wie so oft – nur unvollkommen ver-standen hatte.

Virdon betrachtete den Kompaß und zuckte mitder Schulter. »Wissen wir noch nicht«, sagte er.»Vielleicht nach Westen. Das pflegte einmal eine guteRichtung zu sein. Wir werden es wieder versuchen.«Und er steckte den Kompaß in die Tasche.

Anto gesellte sich zu der kleinen Gruppe, die linkeHand in Nachahmung der Abschiedsgeste vorge-streckt, die er den Menschen abgesehen hatte. Virdonmachte ihn nicht auf den Fehler aufmerksam. ObAnto ihm die Linke oder die Rechte bot, die Bedeu-tung war klar. Virdon ergriff sie, und danach tauschteAnto auch mit Burke und Galen einen Händedruckaus. »Ich danke dir, Virdon«, sagte er. »Ich werdedich nie vergessen.«

Virdon lächelte freundlich zurück. »Auch ich wer-de dich nicht so schnell vergessen, Anto«, sagte er.

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»Ich habe meinen Stierkälbern Namen gegeben«,verkündete Anto. »Das eine heißt Virdon, das andereBurke.«

Burke räusperte sich und machte ein Gesicht. Vir-don lachte. »Aber sei vorsichtig mit Burke, wenn Kü-he in der Nähe sind«, sagte Burke. »Diese armen Fär-sen werden keinen Augenblick Ruhe vor ihm haben.«

Alle lachten, dann hob Virdon feierlich die Hand.»Lebt wohl«, sagte er. »Lebt wohl.«

Burke und Galen fügten ihre Abschiedsworte hin-zu, und die drei Flüchtlinge gingen fort von demkleinen Bauernanwesen, das sie vor so vielen Tagenerschöpft und in Not aufgesucht hatten.

Polar und Remus standen beim Geräteschuppen undsahen zu, wie die kleine Windmühle sich über demDach in der frischen Morgenbrise drehte. Es war einfrostiger, klarer Tag, und die rauhreifüberzogenenWindmühlenflügel blitzten und funkelten im Licht.

So standen sie, als Hufgetrappel laut wurde undLupuk, der Landpolizist, auf den Hof geritten kam.Er würdigte Polar und seinen jüngeren Sohn keinerBegrüßung. Im Gegenteil, er versuchte die Blamagevom letzten Mal durch ein um so hochfahrenderesBenehmen zu überspielen. Aber auch Polar ließ es ander gewohnten Unterwürfigkeit fehlen; er hatte die-sen Vertreter der bedrückenden Staatsmacht inFurcht und stammelnder Verlegenheit erlebt, und dashatte Lupuks Nimbus nachhaltig zerstört.

Der Polizist blickte zu dem seltsamen Gerüst auf,das sich über das Schuppendach erhob.

»Was ist das?« fragte er in einem Ton allgemeinerMißbilligung.

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»Eine Windmühle«, sagte Polar.»Wo ist sie hergekommen?« fragte der Polizist.Remus schaute selbstzufrieden drein. »Ich habe sie

gebaut«, sagte er stolz.Der Reiter warf dem Jungen einen ungläubigen

Blick zu. »Er ist sehr klug«, beeilte sich Polar zu er-klären.

Der Reiter warf einen weiteren Blick hinauf undschnaufte. »Pah! Wenn du klug wärst, Alter«, sagteer, »würdest du deinen Jungen zur Feldarbeit schik-ken und nicht solches Spielzeug bauen lassen.«

Mit dieser Ermahnung, die sein Überlegenheitsge-fühl weiter stärkte, wendete Lupuk sein Pferd undtrabte davon.

Polar wartete, bis der Reiter die Landstraße erreichthatte. Dann zeigte er zu dem tiefergelegenen Feld,das von Burkes Entwässerungsgraben durchzogenwurde. »Nächstes Frühjahr«, meinte er gedankenvoll,»werden wir dieses neue Feld bestellen. Ich glaube, eswird gute Ernten bringen, genau wie die beiden sag-ten.«

»Und wir werden das beste und größte Korn aus-säen, wie Virdon sagte, nicht wahr?« fragte Remus.Polar nickte bedächtig. »Wir werden es versuchen.Diesmal die größten und besten Körner für die Aus-saat.«

Die beiden blieben noch eine Weile stehen undüberblickten ihr bescheidenes Anwesen. Die Wind-mühle auf dem Dach, nach Burkes Plan errichtet,würde sie immer an die bizarre Erfahrung erinnern,die sie mit jenen seltsamen Menschen gemacht hatten.Und als sie langsam zum Haus hinübergingen,dachte Polar, daß der Mais und das Getreide nicht die

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einzige Saat seien: schon war eine andere Saat aufge-gangen und wuchs und blühte in ihren Hirnen undHerzen. Virdon, Burke und Galen hatten ihre Arbeitgut getan.

ENDE

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Als nächstes Terra-Taschenbuch Nr. 288 erscheint:

William Tenn

Von Menschen und Monstren

Terraner im Land der Giganten –sie leben als Parasiten

Menschen als Parasiten

Seit dem Tage, in halbvergessener Vergangenheit, da dieriesigen Geschöpfe aus dem All die Erde in Besitz nah-men und die menschliche Zivilisation und Technologieschlagartig auslöschten, führen die Nachkommen derer,die die Invasion überlebten, ein Schmarotzerdasein.

Wie Küchenschaben oder Ratten hausen sie in Schlupf-winkeln der gigantischen Wohngebäude der Fremden,ständig von der Ausrottung durch Gift oder andereSchädlingsbekämpfungsmittel bedroht. Sie ernähren sichvon den Vorräten, die sie bei ihren Raubzügen erbeuten,träumen von der alten Größe der Menschheit und hoffenauf die Stunde der Rache.

Doch einige Menschen wissen, daß dieses Hoffen illuso-risch ist. Sie denken realistischer als ihre Zeitgenossen,und sie arbeiten an der Verwirklichung eines neuen Le-bensziels.

Die TERRA-Taschenbücher erscheinen vierwö-chentlich und sind überall im Zeitschriften- undBahnhofsbuchhandel erhältlich.