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Herausforderungen bei der Auswahl und der Auslegung der elek- trischen Maschine Dr. Heinz Schäfer, hofer eds GmbH, Würzburg, Deutschland, [email protected] Kurzfassung In diesem Beitrag wird auf eine ganzheitliche Betrachtung bei der Auswahl und der Auslegung der elektrischen Ma- schine eingegangen. Hierbei werden verschiedene elektrische Maschinen mit ihrem speziellen Betriebsverhalten be- trachtet. Ferner werden noch Trends in der elektrischen Antriebstechnologie aufgezeigt. Abstract In this contribution a holistic consideration will be done concerning the choice and the design of the electrical machine. Also in this connection, different kinds of electrical machines concerning the operation behaviour will be considered. Furthermore trends in the electrical drive technology will be presented. 1 Einführung Für den Großserieneinsatz werden neben den in der Au- tomobiltechnik üblichen Qualifikationen und Freiga- ben die nachfolgenden Themen eine wichtige Rolle spie- len: Robustheit Systemsicherheit Systemkosten (Entwicklung, Fertigung) NVH, EMV Materialverfügbarkeit Gewährleistung Für eine Optimierung auf Fahrzeugebene ist eine frühzei- tige Zusammenarbeit der Entwicklung des elektrischen Antriebssystems mit der Entwicklung des Fahrzeuges un- bedingt erforderlich. Eine Optimierung auf Komponentenebene alleine ist nicht ausreichend. 2 Elektrische Maschinen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge 2.1 Asynchronmaschinen Robust Hohe Überlastfähigkeit Betriebsverhalten unkritisch im Fehlerfall Hohe Drehzahlen möglich Einfache Herstellbarkeit, Montage freundlich Vergleichsweise kostengünstige Drehstrommaschine Wirkungsgradnachteile im unteren - und Wirkungs- gradvorteile im oberen Drehzahlbereich Keine Probleme mit der Verfügbarkeit von Magnet- material 2.1.1 Antrieb mit Asynchronmaschine Bild 1 Antrieb mit Asynchronmaschine Bild 2 Rotordesign einer Asynchronmaschine mit Kurz- schlusskäfig (Alu / Cu).

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Page 1: Herausforderungen bei der Auswahl und der Auslegung der ... · PDF filegrad bezüglich elektrische Maschine, Getriebe und Leis-tungselektronik nachgedacht werden, um unter anderem

Herausforderungen bei der Auswahl und der Auslegung der elek-trischen Maschine

Dr. Heinz Schäfer, hofer eds GmbH, Würzburg, Deutschland, [email protected]

Kurzfassung

In diesem Beitrag wird auf eine ganzheitliche Betrachtung bei der Auswahl und der Auslegung der elektrischen Ma-

schine eingegangen. Hierbei werden verschiedene elektrische Maschinen mit ihrem speziellen Betriebsverhalten be-

trachtet. Ferner werden noch Trends in der elektrischen Antriebstechnologie aufgezeigt.

Abstract

In this contribution a holistic consideration will be done concerning the choice and the design of the electrical machine.

Also in this connection, different kinds of electrical machines concerning the operation behaviour will be considered.

Furthermore trends in the electrical drive technology will be presented.

1 Einführung

Für den Großserieneinsatz werden neben den in der Au-

tomobiltechnik üblichen Qualifikationen und Freiga-

ben die nachfolgenden Themen eine wichtige Rolle spie-

len:

Robustheit

Systemsicherheit

Systemkosten (Entwicklung, Fertigung)

NVH, EMV

Materialverfügbarkeit

Gewährleistung

Für eine Optimierung auf Fahrzeugebene ist eine frühzei-

tige Zusammenarbeit der Entwicklung des elektrischen

Antriebssystems mit der Entwicklung des Fahrzeuges un-

bedingt erforderlich.

Eine Optimierung auf Komponentenebene alleine ist nicht

ausreichend.

2 Elektrische Maschinen für

Hybrid- und Elektrofahrzeuge

2.1 Asynchronmaschinen

Robust

Hohe Überlastfähigkeit

Betriebsverhalten unkritisch im Fehlerfall

Hohe Drehzahlen möglich

Einfache Herstellbarkeit, Montage freundlich

Vergleichsweise kostengünstige Drehstrommaschine

Wirkungsgradnachteile im unteren - und Wirkungs-

gradvorteile im oberen Drehzahlbereich

Keine Probleme mit der Verfügbarkeit von Magnet-

material

2.1.1 Antrieb mit Asynchronmaschine

Bild 1 Antrieb mit Asynchronmaschine

Bild 2 Rotordesign einer Asynchronmaschine mit Kurz-

schlusskäfig (Alu / Cu).

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2.2 Synchronmaschinen

Permanentmagneterregte Maschinen (PSM / IPM)

o Vergleichsweise hoher Wirkungsgrad im unteren

Drehzahlbereich aber niedriger Wirkungsgrad im

oberen Drehzahlbereich

o Baugröße im Vergleich zur ASM ca. 15% kleiner

o Im Fehlerfall kritisch zu bewerten (Überspannung,

Bremsmoment, Pendelmoment)

o Die Verfügbarkeit von Magnetmaterial könnte zu-

künftig problematisch werden

o Schleppverluste im Leerlauf

o Im Vergleich zur ASM wesentlich höhere Her-

stellkosten

2.2.1 Antrieb mit permanenterregter Synchronma-

schine

Bild 3 Antrieb mit PSM / IPM

Bild 4 Rotordesign einer permanenterregten Synchronma-

schine (PSM / IPM).

2.2.2 Permanenterregte Synchronmaschine PSM /

IPM

Verhalten im Normalbetrieb, z.B. für mitgeschleppte

elektrische Achsen.

Bild 5 Verhalten im Normalbetrieb, z.B. für mitge-

schleppte elektrische Achsen.

Bild 6 Verhalten im Fehlerfall (PSM / IPM)

2.3 Fremderregte Synchronmaschinen

Unkritischer im Fehlerfall als die PSM/IPM bei akti-

ver Entregung des Feldes

Entwärmung der isolierten Feldwicklung im Rotor

problematisch

Schutz der Feldwicklung im Rotor gegenüber Flieh-

kräfte erforderlich

Zusätzliches Feldstellgerät und Bürstensystem mit

Schleifring notwendig

Relativ hoher Wirkungsgrad im unteren - und bei ein-

geschränkter Leistung auch im oberen Drehzahlbe-

reich

Keine Schleppmomente im Leerlauf

Die Herstellkosten entsprechen etwa denen der PSM /

IPM

Baugröße inklusive Schleifring – u. Bürstensystem

verlgeichbar mit ASM

2.3.1 Antrieb mit fremderregter Synchronmaschine

Bild 7 Antrieb mit fremderregter Synchronmaschine

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Bild 8 Rotordesign für eine fremderregte Synchronma-

schine

2.4 Synchronreluktanzmschine (SYRM)

Unkritisch im Fehlerfall

Relativ geringe Rotorverluste geringe Lagererwär-

mung

Keine Schleppmomente im Leerlauf

Vergleichsweise geringe Herstellkosten, vergleichbar

mit ASM

Aufgrund der Rotorgeometrie ist nur ein vergleichs-

weise kleiner Rotorinnendurchmesser möglich

Erhöhte Statorkupferverluste durch erhöhten Magneti-

sierungsstrom

Rotorlagegeber erforderlich

Vergleichsweise niedrige Leistungsdichte

2.4.1 Antrieb mit Synchronreluktanzmaschine

Bild 9 Antrieb mit Synchronreluktanzmaschine

Bild 10 Typisches Rotordesign für eine Synchronreluk-

tanzmaschine

3 Sicherheitsrelevante Aspekte

Bild 11 Mögliche Fehlerursachen

3.1 Sicherheitsrelevante Aspekte beim Ein-satz einer PSM / IPM am Beispiel von Einzelradantrieben

Bild 12 Sicherheitsrelevante Aspekte

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3.2 Beim Einsatz eines elektrischen Aschantriebes, basierend auf einer Asynchronmaschine (ASM), einer fremderregten Synchronmaschine (FSM) oder einer Synchron-reluktanzmaschine (SYRM) sind keine zusätzlichen Maßnahmen für den Feh-lerfall erforderlich.

3.3 Beim Einsatz eines elektrischen Achs-

antriebes basierend auf einer perma-nent-magneterregten Synchronma-schine (PSM / IPM) sind nachfolgend zwei alternative Maßnahmen vorge-schlagen, um bei einem zwei- oder drei- phasigen Kurzschluss (gewollt oder ungewollt) Fahrdynamikproble-me auf Fahrzeugebene zu vermeiden.

Trennung der elektrischen Maschine vom Antriebs-

strang mittels schnell- schaltender Kupplung. Ist auch

erforderlich bei elektrischen Achsen um Schleppver-

luste im Normalbetrieb zu vermeiden.

Schnelles Öffnen der Anschlussklemmen oder des

Sternpunktes der elektrischen Maschine.

3.4 Drehmomentgenauigkeit bei elektri-schem Einzelantrieb der Hinterachse für „Torque Vectoring“

Bild 13 Einzelradantrieb

Forderung:

Die Drehmomentkonstante beider Antriebe sollte eine

große Übereinstimmung haben, um die Fahrdynamikrege-

lung zu entlasten.

Folgerung:

Paarweiser Drehmomentabgleich am Prüfstand für

Kleinserien

On-Line Parameterschätzung und automatische Reg-

leradaptierung für Großserie

4 Produktentwicklungsprozess für

eine elektrische Maschine

Bild 14 Ablaufdiagramm EM-Berechnung 4.1 Elektromagnetische FEM

Bild 15 FEM-Berechnung

Bild 16 Struktur - FEM (Von-Mises Spannungen)

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4.2 Aus der Motorgeometrie und den Ma-terialdaten wird ein thermisches Er-satzschaltbild erstellt, um das Tempe-raturverhalten analytisch für jeden Arbeitspunkt berechnen zu können.

Bild 17 EM-Schnittmodell

Bild 18 EM-Thermisches Ersatzschaltbild

5 Systemtechnische Aspekte / Ge-

räuschursachen

5.1 Beispiel Achsantrieb Die Hauptursache für Geräusche in einem elektrischen

Achsantrieb ist normalerweise die Drehmomentungleich-

förmigkeit in einer elektrischen Maschine.

Die Drehmomentungleichförmigkeit ist bauartbedingt und

kann durch die Auslegung der elektrischen Maschine be-

einflusst werden.

Eine Drehmomentungleichförmigkeit kann aber auch

durch die Ansteuerung der elektrischen Maschine entste-

hen, wenn z. B. aufgrund einer zu geringen Schaltfre-

quenz und einer geringen Streuinduktivität in der Maschi-

ne, nennenswerte Oberschwingungsströme entstehen und

damit Drehmomentrippel verursachen können.

Die Drehmomentungleichförmigkeit kann dann auf ver-

schiedene Arten zur Geräuschbildung beitragen:

Der Drehmomentrippel gelangt über die Rotor-

welle in das Getriebe und erzeugt Getriebegeräu-

sche

Der Drehmomentrippel gelangt über die Aggre-

gatelager (bei nicht aus- reichender Dämpfung)

in das Chassis des Fahrzeuges und sorgt für eine

Schwingungsanregung und damit Geräusche.

Ferner kann auch das Statorgehäuse (bei nicht ausrei-

chender Dimensionierung) durch die umlaufende Kraft-

wellen zu Körperschall angeregt werden, welcher dann

als Luftschall in Erscheinung tritt.

5.2 Mechanisches Modell eines elektri-

schen Achsantriebes Das Modell kann zur Erklärung der Geräuschursache be-

nutzt werden

Bild 19 Mechanisches Modell

5.3 Auswirkungen des Betriebsverhaltens

elektrischer Antriebssysteme im Nor-malbetrieb auf das Fahrzeug:

Anfahrschlag über die Achslager

Anfahrruckeln durch Anregung der 1. Eigenfrequenz

des Antriebstranges

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Bild 20 Prototyp-Einzelradantrieb

6 Trends in der Antriebstechnologie

6.1 Hochintegrierte elektrische Antriebs-systeme für Hybrid- und Elektrofahr-zeuge

Bild 21 Heute: Einzelkomponenten

Bild 22 Morgen: Integriertes Achsmodul 6.2 Erhöhung der Leistungsdichte Drehmoment:

Leistung:

Leistungdichte:

Ziel: Reduzierung der Kosten für das Aktivmaterial

der elektrischen Maschine (z.B. Kupfer, Bleche,

Magnete) durch hochdrehende elektrische Ma-

schinen in Verbindung mit einem Reduzierge-

triebe.

Das Gesamtgewicht bleibt etwa gleich aber zu

niedrigeren Gesamtkosten.

6.3 Einsatz magnetloser elektrischer Ma-

schinen speziell bei Achsantrieben Gründe hierfür:

Extrem gestiegene Magnetpreise

Verhalten im Fehlerfall (keine Bremsmomente und

keine Überspannungen)

Keine Trennkupplung erforderlich beim Einsatz einer

elektrischen Vorder- oder Hinterachse in Hybridfahr-

zeugen (keine „Schleppmomente“)

6.4 Neuartige Hybridgetriebe für Plug-In-Hybridfahrzeuge und Elektrofahrzeu-ge mit Range Extender [1]

Bild 23 Neuartiges Hybridgetriebe

Bild 24 Prinzipieller Aufbau des Hybridgetriebes

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EM 1: Spezielle ASM (Asynchronmaschine)

EM 2: Innenläufer ASM / PSM

ÜK: Überbrückungskupplung

ÜK-AK: ÜK-Aktuatorik

RG: Reduktionsgetriebe mit ü ca. 1:2

BS/SR: Bürsten- / Schleifringsystem

KW: Kurbelwelle

EMS: Engine Management System

BMS: Battery Management System

HCU: Hybrid Control Unit

GW: Getriebewelle

RG: Reduziergetriebe

ZK: Zwischenkreis

7 Zusammenfassung

Der Auswahl einer geeigneten elektrischen Maschine für

den Einsatz in Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommt ei-

ne nicht unerhebliche Bedeutung zu. Standen in den letz-

ten Jahren fast ausschließlich permanenterregte Syn-

chronmaschinen auf Basis von Seltenerdmagneten im

Focus, so gewinnen speziell bei hochtourigen Achsantrie-

ben sogenannte „magnetlose“ elektrische Maschinen mas-

siv an Bedeutung.

Auslöser hierfür sind die Verfügbarkeit und die extrem

gestiegenen Kosten für das Magnetmaterial. Für die zu-

künftige Massenproduktion werden kostengünstige elekt-

rische Maschinen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil

auf dem internationalen Markt sein.

Bei der Auslegung der elektrischen Maschine rücken ver-

stärkt realitätsnahe Fahrzyklen in den Vordergrund, um

eine Überdimensionierung und damit Mehrkosten zu

vermeiden.

Ferner muss auch das Betriebsverhalten der unterschiedli-

chen elektrischen Maschinen – speziell im Fehlerfall –

näher betrachtet werden, um negative Auswirkungen auf

die Fahrdynamik und damit auf die Sicherheit des Fahr-

zeuges auszuschließen.

Letztendlich muss auch über einen höheren Integrations-

grad bezüglich elektrische Maschine, Getriebe und Leis-

tungselektronik nachgedacht werden, um unter anderem

auch die Kosten für die Verbindungselemente niedrig zu

halten.

8 Literatur

[1] Dr. Schäfer, H.: „Elektrische Hybridgetriebe für vie-

lerlei Anwendungen“. ATZ 02/2012, S. 154-159