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Grundzüge einer ökonomischen Theorie der Korruption. Eine Studie über die Bestechung by Gregory Neugebauer Review by: Kurt Schmidt FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 38, H. 3 (1980), pp. 487-491 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911630 . Accessed: 14/06/2014 10:37 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.37 on Sat, 14 Jun 2014 10:37:49 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Grundzüge einer ökonomischen Theorie der Korruption. Eine Studie über die Bestechung byGregory NeugebauerReview by: Kurt SchmidtFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 38, H. 3 (1980), pp. 487-491Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911630 .

Accessed: 14/06/2014 10:37

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„kapitalistisch" im gleichen wertfreien Sinn wie in der angelsächsischen Literatur gebraucht wird). Hierbei werden auch Informationsprobleme, Transaktions- und Suchkosten, Zukunftsmärkte, konditionale Märkte und Methoden der Risikoabsiche- rung sowie ökonomisch-politische Wechselwirkungen diskutiert - alles Fragen, die man in herkömmlichen Lehrbüchern der Nationalökonomie (zumindest in deutschen) vergeblich suchen wird (und die meines Wissens auch in den neueren Auflagen angel- sächsischer Lehrbücher allenfalls andeutungsweise behandelt werden). Den Ab- schluß bildet der Versuch einer Bewertung der Vor- und Nachteile der einzelnen Wirtschaftssysteme, die Herausarbeitung offener Probleme und ein Ausblick auf wünschenswerte und denkbare Innovationen organisatorischer Art.

Wie soll man das Gesamtwerk bewerten? Nun, ich will hier nicht in den Krü- meln suchen und auf Detailkritik eingehen, die bei einem so umfangreichen und anspruchsvollen Buch wohl jeder Fachkollege geltend machen kann und wird. Ins- gesamt erscheinen mir die Bernholzschen Grundlagen jedenfalls höchst bemerkens- wert, und ich möchte sie jedem nachdrücklich zur Lektüre empfehlen. Bezüglich einer Frage habe ich beim Nachdenken über diese Empfehlung freilich keine Ant- wort gefunden: An wen wendet sich Bernholz eigentlich? Hat er den Kollegen im Visier, so wäre es vielleicht besser gewesen, manches wegzulassen, was für Anfänger erforderlich sein mag, für den Fachmann aber überflüssig erscheint. Dafür hätte eine vertiefte Diskussion von vereinzelt vorkommenden Hypothesen, Schlußfolge- rungen oder Abschnitten erfolgen können, die nicht unmittelbar plausibel sind oder wohl nur unter speziellen Umständen gelten. Wendet sich Bernholz dagegen an Studenten, so besteht meiner Meinung nach die Gefahr, daß der angestrebte Gesamt- überblick durch Informationsüberlastung verloren geht, und deshalb wäre es dann vielleicht besser gewesen, die ausführliche Diskussion mancher interessanter Details zu unterlassen. Insgesamt aber wie gesagt: ein höchst bemerkenswertes Buch!

Heinz Grossekettler

Gregory Neugebauer: Grundzüge einer ökonomischen Theorie der Korruption. Eine Studie über die Bestechung. Schulthess Polygraphischer Verlag. Zürich 1978. III, 200 Seiten.

Wie andere Wissenschaften wird auch die Ökonomik gelegentlich des „Imperia- lismus" geziehen. Und wie andere Wissenschaften hat auch unsere Disziplin diesen Vorwurf zum Teil selbst provoziert. So mag ein uneingeweihter (und manchmal auch ein dem Fach näher stehender) Beobachter schon erstaunt mit dem Kopf schütteln, wenn er erfährt, über wie vieles, was in herkömmlicher Sicht nicht „wirt- schaftlich" ist, es mittlerweile ökonomische Theorien gibt. Es kommt hinzu, daß der begrenzte Erkenntnisanspruch, der sich aus der Voraussetzung rationalen Han- delns, also des Vorteilskalküls, ergibt, von den Autoren nicht immer deutlich genug gemacht und von den „unbefangenen" Lesern offenbar nicht immer genügend be- achtet wird. Einem Buch über die Korruption kann man den Imperialismusvorwurf freilich nicht machen. Eher ist es überraschend, daß sich Ökonomen bisher nicht intensiver damit befaßt haben. Denn bei der Korruption geht es um Tauschhand- lungen, und diese gehören, mögen sich auch andere Disziplinen dafür interessieren, zweifellos zum ureigenen „Bestand" des Faches. Die Basler Dissertation von Gregory Neugebauer hat also einen Gegenstand zum Thema, der „ehrenwert" und zudem, wie gesagt, bisher vergleichsweise wenig behandelt worden ist1.

1 Kurz vor und kurz nach dem Buch von Neugebauer sind zwei weitere Arbeiten über die Kor- ruption erschienen: Kurt Schmidt und Christine Garschagen : Artikel „Korruption", in: W. Albers u.a. (Hrsg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, 4. Band, Stuttgart u.a.O. 1978, S. 565ff.; Susan Rose- Ackermann: Corruption. A Study in Political Economy, New York- San Francisco- London 1978.

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Die Arbeit besteht aus drei Teilen, denen eine Einleitung vorangestellt ist, in der unter anderem über Fragestellung und Aufbau berichtet wird, in der sich Bemer- kungen zur Eingrenzung des Themas und zur Methode finden und in der vier Be- stechungssituationen beschrieben werden, „die das Gerüst der Analyse bilden" (S. 11). Neugebauer will drei Fragenkomplexe erfassen, die zugleich den Inhalt der drei Teile der Studie bilden: - „Unter welchen ökonomischen Bedingungen ergeben sich größere oder geringere

Korruptionsanreize?" (S. 3). - „Welches sind die Funktionsweisen von Korruptionsmechanismen", und wie wirkt die Korruption auf Allokation und Distribution? (S. 4). - „Welches sind. . . geeignete Maßnahmen gegen die Korruption? . . . welches sind die Kosten und unter welchen Bedingungen wird die Korruption optimiert?" (S. 4).

Unter Korruption versteht Neugebauer jegliche Form von Machtmißbrauch für private Zwecke; er schränkt seine Untersuchungen auf die Bestechung ein, behält dafür freilich den Begriff Korruption bei. Die Bestechung wird als ein Tausch beschrieben, an dem ein aktiv Bestechender und ein passiv Bestochener beteiligt sind und der illegal („im Sinne einer Verletzung bestehenden Rechts oder eingegan- gener Verpflichtungen") ist (S. 7). Dabei fehlt m.E. der Hinweis auf die Freiwillig- keit dieses Tausches (so läßt sich Korruption von Erpressung unterscheiden) ; außer- dem halte ich die Illegalität für zu eng definiert (der Begriff muß wohl auf „Verstöße gegen Verhaltensnormen" ausgedehnt werden). Schließlich meine ich, daß zwei weitere Merkmale, nämlich Mißbrauch eines Amtes oder einer anderen Vertrauens- stellung und die Heimlichkeit des Geschäftes, für die Korruption konstitutiv sind.

„Methodisch basiert die Arbeit... auf dem individualistischen, wähl theoreti- schen Ansatz. ... Es wird. . . analog zur allgemeinen ökonomischen Theorie der Kri- minalität ein rationales Verhalten der Akteure unterstellt" (S. 9). In den Teilen I und II wird die Korruption in positiv-theoretischer Sicht untersucht, im Teil III wird sie unter normativ-theoretischem Aspekt behandelt.

Besonders wichtig für den Gang der Abhandlung sind die vier Bestechungs- situationen, die Neugebauer am Ende der Einleitung beschreibt. Im ersten Fall hat die Korruption „eine Beeinflussung der Güterzuteilung" zum Zweck; diese soll schneller oder sicher(er) gemacht werden. Im zweiten Fall geht es um die Durch- setzung höherer Gewinne innerhalb einer gegebenen Verhandlungsbeziehung; das läßt sich über Preisstellung, Lieferbedingungen und Qualität sowie auch über Markt- schranken und Mengengebote bewerkstelligen. Im dritten Fall hat die Korruption „eine Beschleunigung von Entscheidungsabläufen" (S. 12) zum Ziel; es sollen also Zeitkosten eingespart werden. Im vierten Fall schließlich dient die Korruption dazu, illegale Handlungen abzusichern; Gebote oder Verbote sollen verletzt bzw. über- treten werden dürfen.

Diese Systematisierung überzeugt nicht. Dem Autor ist offenbar selbst nicht ganz wohl dabei zumute. Er räumt Abgrenzungsprobleme zwischen dem Fall 4 und den Fällen 1 bis 3 ein (m.E. gibt es mehr Überschneidungen), er hält Lücken für möglich und rechtfertigt „die Unterscheidung der vier Bestechungssituationen als eine Konstruktion. . . , die den theoretischen Zwecken der Arbeit dienen soll" (S. 13). Für die Erfassung des Phänomens ist das meiner Meinung nach nicht ausreichend ; als erster Ansatz mag es jedoch genügen.

Der Teil I der Arbeit befaßt sich mit den Korruptionsanreizen. Der Autor formuliert zunächst die notwendige Bedingung für Korruption ; danach müssen die Erträge des Korrumpierens bei beiden Akteuren deren Kosten übersteigen. Das Kalkül der Akteure präsentiert er in Form zweier Ungleichungen mit Hilfe von Komponenten dieses Kalküls. Durch Umformulierung über die Bedingung des maxi- malen Preises, den der „Aktive" zu zahlen bereit ist, und des minimalen Preises, den der „Passive" verlangt, lassen sich die beiden Ungleichungen zu einer einzigen Ungleichung (6) zusammenfassen. Nicht plausibel ist dabei m.E. das Ergebnis, daß in bezug auf eine Erhöhung des Strafmaßes und der Informationskosten Asym- metrie zwischen aktiv Bestechenden und passiv zu Bestechenden besteht.

Sodann weist Neugebauer darauf hin, daß die Ungleichung (6) vor allem aus zwei Gründen keine hinreichende Bedingung für Korruption ist. Als ersten Grund

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nennt er, daß die Aktionen des „Aktiven" auf legale Alternativen zur Bestechung beschränkt sind, also beispielsweise nicht Erpressen und Spionieren umfassen. Der zweite Grund ergibt sich daraus, daß sich der Preis, den der aktiv Bestechende zu zahlen bereit ist, und der Preis, den der passiv zu Bestechende verlangt, in einer bestimmten Spanne befinden müssen, damit es zur Korruption kommen kann. Einen anderen wesentlichen Grund sehe ich darin, daß beim „Aktiven" subjektive Bestechungswilligkeit und beim „Passiven" subjektive Bereitschaft zur Bestech- lichkeit bestehen muß. Dies kommt bei Neugebauer später in einer speziellen Form, nämlich als moralische Schranken der Akteure (S. 66) und nochmals an mehreren Stellen im Teil III (s.u.), vor.

„Ist die notwendige Bedingung für Korruption. . . erfüllt, so darf angenommen werden, daß Bestechungsaktivitäten... eintreten werden" (S. 23); es sind, anders gewendet, Korruptionsanreize gegeben. Unter welchen Bedingungen diese stärker oder schwächer sind, wird nun (S. 24-49) im einzelnen anhand der Komponenten des Korruptionskalküls der beiden Akteure (Kalkülvariablen) - das sind Umfang der Bestechungsleistung, Erfolgswahrscheinlichkeit, Strafmaß, Opportunitätskosten der passiven Bestechung, Informationskosten - und in bezug auf die oben genannten vier Bestechungssituationen untersucht. Als Ergebnis erhält Neugebauer Schluß- folgerungen über Bestechungsanreize. Diese können hier nicht im einzelnen referiert werden. Nur: Das Argument, daß das Lohnniveau im öffentlichen Sektor „tiefer" sei (es muß hier und auch sonst fast immer „niedriger" heißen) als im privaten Sektor, steht in seltsamem Kontrast zu der sonst eher vorsichtigen Argumentation des Verfassers.

Der Teil II hat die Funktionsweise von Korruptionsmärkten und die Wirkung der Korruption auf die Güterversorgung zum Gegenstand. Dabei geht Neugebauer wiederum von den oben genannten vier Bestechungssituationen aus und untersucht mit Hilfe ausgewählter Formen von Korruptionsmärkten und Verhaltensweisen der Akteure die Bestechungsmechanismen sowie die daraus resultierenden allokativen und distributiven Effekte. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich auf S. 116 ff. Dabei zeigt sich, daß bei unterschiedlichen Konstellationen positive und negative Wirkungen sowohl auf Allokation wie auf Distribution und auch Kom- binationen davon auftreten können. Dies ändert sich auch nicht, wenn die Aus- stattung mit Ressourcen einbezogen wird, mit denen die Akteure die Variablen des Bestechungskalküls beeinflussen können.

Gegen Ende des Teils II befaßt sich Neugebauer mit den gesamtwirtschaft- lichen Auswirkungen der Korruption (Gesamtkorruption). Nach einem knappen Überblick über die in der Literatur vertretenen (kontroversen) Meinungen geht er das Problem an, indem er zwei Situationen unterscheidet. Die erste ist dadurch charakterisiert, „daß die Kosten der Korruptionsbekämpfung relativ gering sind und daher dem Umfang der Korruption innerhalb eines Gesamtsystems . . . Grenzen gesetzt sind" (S. 122). Für diese Situation lassen sich keine eindeutigen Aussagen darüber machen, ob die Gesamtkorruption positive oder negative Wirkungen mit sich bringt. Anders ist das nach Meinung des Verfassers bei der zweiten Situation, die durch hohe Kosten der Korruptionsbekämpfung und daher durch ein hohes Maß von Korruption im öffentlichen Sektor, also bei Politikern und Beamten, ge- kennzeichnet ist. Hier sind die allokativen und distributiven Auswirkungen, wie Neugebauer im Anschluß an ein Modell von 0. E. G. Johnson zu zeigen versucht, ein- deutig negativ. Das vorgeführte Räsonnement ist richtig, das Urteil freilich vom Referenzsystem abhängig. Darauf weist Neugebauer an früherer Stelle (S. 68) auch hin. Eine vollkommene Welt ohne Marktversagen und ohne Staatsversagen kann als Referenzsystem nicht in Betracht kommen, weil Korruption hier gar nicht auf- treten kann und im übrigen keine Verbesserung von Allokation und Distribution möglich ist. Also kann das Referenzsystem für eine vergleichende Untersuchung von Korruptionswirkungen sinnvollerweise nur eine „Welt des Zweitbesten" sein. Ich habe an anderer Stelle (Korruption, S. 568) in bezug auf marktwirtschaftliche Ord- nungen einschließlich staatlicher Aktivität daraufhingewiesen, daß „in einer Welt des Zweitbesten die Abweichungen vom Optimum nicht bekannt sind und (daß) außerdem Grad und Verteilung der Korruption kaum bestimmt werden können"; es läßt sich daher nicht sagen, ob die positiven oder die negativen (Allokations-)

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Effekte der Korruption überwiegen. Das ist auch bei Neugebauer aufgrund seiner viel detaillierteren Untersuchungen herausgekommen - ausgenommen die soeben beschriebene zweite Situation. Hier kommt Neugebauer zu einem eindeutig nega- tiven Urteil über die Gesamtkorruption. Ich vermute, daß er dabei implizit eine „zweitbeste Welt" ohne Korruption als Referenzsystem im Auge hat, die nicht gar so unvollkommen ist. Es lassen sich jedoch so schlimme Formen des Marktversagens und des Staatsversagens auch ohne Korruption vorstellen, daß eine „rationale Kor- ruptionspolitik" die Situation bessern könnte - und sei es auch nur, daß der Zu- sammenbruch einer Volkswirtschaft hinausgeschoben wird.

„Nachdem dargelegt worden ist, daß die allokativen wie auch distributiven Folgen der Korruption für die Gesellschaft unerwünscht sein können, stellt sich die Frage, auf welche Weise Bestechungsaktivitäten mit negativen Wirkungen bekämpft werden sollen" (S. 134). Diese Begründung für eine normative Erörterung der Kor- ruption (Teil III) kommt offenbar dem Verfasser selbst zu eng vor. Denn er weist in einer Fußnote, bezugnehmend auf eine Studie von Feldmann (Fribourg 1967), darauf hin, daß es für eine Bekämpfung der Korruption auch andere, nicht-ökono- mische Gründe gibt. Das ist sicher richtig, und vermutlich würde Neugebauer auch dem Satz zustimmen, daß eine so motivierte Anti-Korruptionspolitik nicht not- wendigerweise eine Minimierung der Korruption zum Ziel haben muß, sondern durchaus rational, also im Sinne einer Optimierung der Korruption betrieben wer- den kann - und dies heißt, daß Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption nur dann ergriffen werden, „wenn der Nutzen einer Reduktion der Korruptionsaktivi- täten größer als die Kosten des hierfür erforderlichen Instrumenteneinsatzes ist" (S. 134, Anm. 1).

Zur Beeinflussung der „Bestechungskalkülvariablen" werden aufgrund der Ausführungen im Teil I folgende Maßnahmen erörtert: „(1) Eine Änderung des Ent- scheidungssystems (Aufhebung von Geboten und Verboten, Änderung der Markt- organisation, Legalisierung von Bestechungsaktivitäten); (2) eine Einschränkung der Verfügungsrechte ; (3) die Aufteilung von Entscheidungskompetenzen; (4) eine Verstärkung der Kontrolle; (5) die Erhöhung des Strafmaßes für den „Passiven" und den „Aktiven"; (6) die Einführung eines Wettbewerbs zwischen Angestellten und (7) die Errichtung einer Beschwerdeinstanz für den Fall, daß korrumpierbare Akteure Bestechungszahlungen erzwingen wollen" (S. 135). Vorweg behandelt der Verfasser außerdem die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Korruption ge- duldet werden kann, weil sie gegen sich selbst wirkt, und am Ende dieses Abschnitts kommt der Autor kurz auf „weitere Maßnahmen gegen Korruption" zu sprechen - darunter auch auf die Hebung der Moral bei den Akteuren. Schließlich zieht Neu- gebauer nochmals die oben beschriebenen vier Bestechungssituationen heran und prüft, welche Maßnahmen einer rationalen Anti-Korruptionspolitik für die Be- kämpfung der Korruption in den einzelnen Bestechungssituationen mehr oder weni- ger geeignet sind. Dies geschieht - wie in der ganzen Arbeit - in einer abgewogenen Art ; beispielsweise wird bedacht, ob Anti-Korruptionsmaßnahmen ihrerseits wieder Korruption hervorrufen können. Die Arbeit ist aber auch aus anderen Gründen zu loben: Sie betätigt sich mit einem Feld, das bisher wenig beackert worden ist und das man nicht ohne weiteres als quantité négligeable beiseite lassen kann. Der Auf- bau ist einleuchtend, und die Anwendung der Instrumente gekonnt. Wer sich über die ökonomische Problematik der Korruption informieren will, ist gut bedient, wenn er das anhand dieser Abhandlung tut.

Freilich bleiben, wie der Verfasser in seinem Schlußwort einräumt, viele Fragen offen. Auf zwei Probleme möchte ich hinweisen. Das erste ist ein Identifikations- problem: Was ist Korruption, oder wann liegt sie vor? Diese Frage bezieht sich m.E. auf zwei der vier Merkmale, die ich als konstitutiv für Korruption ansehe, nämlich Normen verstoß und Mißbrauch einer Vertrauensstellung. Da es hierbei nicht nur um eine Rechtsfrage geht, die durch gesetzgeberische Maßnahmen und ständige Rechtsprechung entschieden werden könnte, gibt es Unsicherheit und des- halb erhebliche Unscharfen, wenn festgestellt werden soll, ob Korruption vorliegt oder nicht. Schon das macht eine rationale Anti-Korruptionspolitik schwierig. Es kommt (zweitens) ein Diagnoseproblem hinzu: Strukturen von Korruptionsmärkten und Verhaltensweisen der Akteure lassen sich nur schwer ermitteln, da für die Kor-

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ruption Heimlichkeit üblich ist. Anders gesehen: Selbst wenn man ziemlich gut wüßte, mit welchen Maßnahmen welche Fälle von Korruption effizient bekämpft werden können, stünden deren Anwendung, eben wegen der Diagnoseprobleme, beträchtliche Hindernisse entgegen. Indirektes Vorgehen im Sinne des Schaffens von Rahmenbedingungen, die Korruption weniger wahrscheinlich machen, mag deshalb mehr Erfolge versprechen als eine Vielzahl von Maßnahmen der Korruptionsbekämp- fung „vor Ort". Eine wesentliche Rolle könnte dabei doch wieder die Moral im Sinne von religiöser Überzeugung, Loyalität, ,, esprit de corps", sozialem Engage- ment u.a. spielen. Dabei müssen freilich die Durchsetzungschancen bedacht werden.

Kurt Schmidt

D.C.Mueller: Public Choice. Cambridge University Press. London-New York -Melbourne 1979. 297 Seiten.

D. C. Muellers Buch stellt ein besonders gut gelungenes Beispiel für eine Lite- raturgattung dar, die im deutschen Sprachbereich leider nur im Rahmen relativ knapper Handwörterbuchartikel, im angelsächsischen dagegen in eigenständigen Veröffentlichungen gepflegt wird und sehr angesehen ist: für Übersichtsartikel und -bûcher, die den ,,state of the art" eines Forschungszweiges in systematischer Form darstellen und damit gleichzeitig einen Literaturschlüssel bilden.

Der Gegenstand des Buches, das aus einem Übersichtsartikel im „Journal of Economic Literature" (1976) entstanden ist (was als solches bereits eine Empfehlung darstellt), aber sehr viel mehr Material als dieser Artikel und auch neuere Entwick- lungen berücksichtigt, wird von Mueller als „the economic study of nonmarket decisionmaking, or simply the application of economics to political science" (S. 1) definiert. Er deckt sich weitgehend mit dem, was bei uns zunehmend als „Neue Politische Ökonomie" oder „ökonomische Theorie der Politik" bezeichnet wird und als Ergänzung einer konservativ abgegrenzten „public finance" aufgefaßt werden kann, die sich (in Anlehnung an A.Marshall, aber im Gegensatz zum kontinental- europäischen und auch neueren angelsächsischen Verständnis von Finanzwissen- schaft) lediglich als jenen Teil der Ökonomie versteht, der sich hauptsächlich mit der Einnahmenseite des Budgets und hier wiederum vorwiegend mit der allgemeinen und speziellen Steuerlehre zu befassen hat1. Überschneidungen bestehen mit der Staatsphilosophie, der Politologie und der Verbands- und Bürokratieliteratur einer- seits sowie der „Property rights" -und „Economics of the law" -Literatur anderer- seits. Abgrenzungskriterium zu den zuerst genannten Literaturgattungen ist der typisch ökonomische Ansatz : Es wird gefragt, welche Ergebnisse zu erwarten wären, wenn sich die Individuen, die an Prozessen der Produktion und Verteilung von Gütern beteiligt sind, egoistisch und nutzenmaximierend (oder bei fühlbaren Infor- mations- und Entscheidungskosten: „satisfizing" statt „maximizing") verhielten, und es wird behauptet, daß solche Ziele das tatsächliche Verhalten zumindest auch (und fühlbar) prägen2. Abgrenzungskriterium zur „Property rights"- und „Eco- nomics of the law" -Literatur ist dagegen die Tiefe der Ursachen- bzw. Folgen- analyse. Es wird nicht gefragt, aus welchen technischen und rechtlichen Gründen externe Effekte entstehen können und welche Rolle dabei (und bei ihrer Beseitigung) konkrete rechtliche Institutionen spielen (könnten) ; statt dessen konzentriert man

1 Vgl. J.M.Buchanan: Public Finance and Public Choice, in: National Tax Journal, Bd. 28 (1975), S. 383ff., und H.M. van de Kar: Public Choice and Public Finance in Hamburg, in: Public Finance, Vol. 34 (1979), S. 138 ff. 2 Diese Beschreibung des „ökonomischen Ansatzes" ist vielleicht mehr meine als Muellers. Mueller unterstellt den Ökonomen nämlich anscheinend, daß sie Menschen ausschließlich für egoistisch (und damit im Prinzip zunächst einmal nicht kooperativ) hielten (vgl. S. 4f.); ich halte es dagegen bereits für typisch ökonomisch zu betonen, daß egoistische Strebungen auch (allerdings nicht aus- schließlich) zum menschlichen Verhalten gehören und daß hieraus folgt, daß jeder, der diese Stre- bungen bei der Lösung von einzel- und gesamtwirtschaftlichen Organisationsproblemen nicht berück- sichtigt, mehr oder weniger bewußt Konflikte anlegt und damit das Scheitern seiner Lösung riskiert.

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