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Grundpraktikum Physik Mikrotechnologie und Nanostrukturen WS 2009/2010 Fachrichtungen der Physik WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/ Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: 1H [email protected] Telefon: 0681/302-58198 PD Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: 2H[email protected] Telefon: 0681/302-3944 UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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Grundpraktikum Physik Mikrotechnologie und Nanostrukturen

WS 2009/2010

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

PD Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

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Inhalt

• Fehlerrechnung

• Mechanische Schwingungen

• Mechanische Materialkonstanten

• Drehbewegungen

• Wärmeleitung

• Spezifische Wärmekapazität / Phasenumwandlungen

• Temperaturmessung

• Gasgesetze

• Emission von Licht (Spektralanalyse)

• Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen

• Polarisiertes Licht

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Physikalisches Grundpraktikum Fehlerrechnung

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

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FEHLERRECHNUNG 1

1. Grundlagen

Eine physikalische Große wird durch Zahlenwert und Maßeinheit beschrieben. Jede physikalischeGroße laßt sich experimentell nur naherungsweise bestimmen. Die Zahlenwerte liegen innerhalbeines von dem Meßverfahren abhangigen Fehlerintervalles, das gesondert abgeschatzt werdenmuß. Die Schwankungen konnen ihre Ursache in der Meßgroße oder in der Meßapparatur haben.Die mathematische Formulierung physikalischer Gesetzmaßigkeiten ist daher nur als ein Grenz-fall verschwindend kleiner Fehlerbereiche anzusehen.

Diese Fehler lassen sich in systematische und zufallige Fehler gliedern, wobei freilich die Grenzezwischen beiden nicht immer eindeutig zu ziehen ist. Die systematischen Fehler werden z.B.durch Ungenauigkeit der Eichung eines Meßgerates und der Anzeige des Gerates infolge vonfehlerhafter Funktion verursacht. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie den Meßwert stets ineiner Richtung verfalschen. (Beispiel: der verbogene Zeiger eines Meßgerates).

Systematische Fehler erkennt man durch geeignete Kontrollmessungen der Meßapparatur an be-kannten Meßobjekten, d.h. durch Eichung des Meßgerates. Obwohl die systematischen Fehlerebenso wichtig sind wie die zufalligen spielen letztere bei der ublichen Fehlerabschatzung einegroßere Rolle. Das liegt u.a. daran, daß sie durch eine einfache Statistik leicht zu erkennen undabzuschatzen sind und ohne Anderung der Meßapparatur auch meist durch Wiederholung desMeßvorganges verringert werden konnen. Zufallige Fehler konnen ein Meßergebnis mit ahnlicherWahrscheinlichkeit zu hoheren oder zu niedrigeren Werten hin verfalschen. Diese Symmetrieunterscheidet sie von den systematischen Fehlern. Beispiele fur Ursachen zufalliger Fehler sindein schwankender Zeigerausschlag oder das Abschatzen von Zwischenwerten auf einer Skala. Dieim folgenden angegebenen Methoden der Fehlerabschatzung beschranken sich durchweg auf denAnteil der zufalligen Fehler am Gesamtfehler.

2. Meßfehler der Einzelgroße

2.1 Der Mittelwert

Zur Verkleinerung des Anteils der zufalligen Fehler am Gesamtfehler mißt man dieselbe Große xmehrfach unter unveranderten Versuchsbedingungen. Aus n Einzelmessungen xi bestimmt manden Mittelwert x durch arithmetische Mittelung:

x =1n

n∑i=1

xi (1)

Die Mittelwertbildung fuhrt deshalb zu einer genaueren Aussage als der Einzelmeßwert, da sichdie Schwankungen der Meßgroße, soweit es sich um zufallige Fehler handelt, teilweise kompen-sieren. Systematische Fehler werden dagegen durch eine Mittelwertbildung nicht verringert, dasie jeden Einzelmeßwert in derselben Richtung verfalschen. Zu unterscheiden ist der Mittelwertvom ’wahren Wert’ (bezuglich der zufalligen Fehler). Beide werden erst dann ubereinstimmen,wenn die Zahl n gegen Unendlich geht.Der arithmetische Mittelwert x ergibt sich aus der Forderung, daß die Summe der Quadratealler Abweichungen der Einzelmeßwerte xi vom Mittelwert minimal sein soll:

f =n∑

i=1

(xi − x)2 != Minimum (2)

Denn fassen wir f als Funktion von x auf, so ist das Minimum durch die Nullstelle der ersten

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FEHLERRECHNUNG 2

Ableitung gegeben:df

dx= −2

n∑i=1

(xi − x) = 0 (3)

und daraus folgt

n · x =n∑

i=1

xi

→ x =1n

n∑i=1

xi

2.2 Der Gauß-Fehler der Einzelmessung

Das Ausgleichsprinzip, das auf das arithmetische Mittel fuhrt, nennt man Gaußsches Ausgleich-sprinzip oder die Methode der kleinsten Quadrate. Bei dieser Methode wird das Minimum vonGlg. (2) als Maß fur die Schwankung der xi um den Mittelwert, d.h. fur den Fehler genommen.Freilich wachst das Minimum mit wachsender Zahl von Messungen. Daher muß man durch dieZahl der Messungen dividieren, genauer: durch die Zahl der Kontrollmessungen. Denn nurdiese konnen eine Aussage uber den Fehler geben. Ist der wahre Wert bereits vor der Messungbekannt (z.B. die Winkelsumme in einem Dreieck), so stellen alle n Messungen Kontrollmessun-gen dar. Haufiger aber ist der wahre Wert unbekannt, so daß von den n Messungen nur n − 1Kontrollmessungen sind. Damit das Fehlermaß von der Dimension der Meßgroße ist, muß nochdie Wurzel gezogen werden, und wir erhalten

∆xG =

√√√√ n∑i=1

(xi − x)2/(n− 1) (4)

Dieser Fehler tragt die Bezeichnung ”mittlerer Fehler der Einzelmessung“, ”Gaußscher Fehlerder Einzelmessung“oder ”Standardabweichung“. (Das Quadrat des Fehlers wird auch ”Vari-anz“genannt.) Er ist ein Maß fur die Streuung der Einzelwerte um den Mittelwert, wobei dieUnsicherheit des Mittelwertes, d.h. dessen mogliche Abweichung vom wahren Wert durch dieDivision durch (n− 1) statt durch n mitberucksichtigt ist.

Anmerkung: Folgt die Verteilung der Meßwerte um den Mittelwert herum einer GaußschenNormalverteilung, so gibt der Fehler ∆xG den Abstand ihrer Wendepunkte vom Mittelwertan, und im Fehlerintervall befinden sich 68% aller gemessenen Einzelwerte. Liegt keine Gauß-Verteilung vor, so laßt sich ein genauer Zahlenwert fur die Wahrscheinlichkeit, daß ein weite-rer zu messender Wert in das Fehlerintervall fallt, nicht angeben. Man kann aber sagen: Mituberwiegender Wahrscheinlichkeit wird er in dieses Intervall fallen.

Mit dem Mittelwert x und dem Fehler ∆xG wird das Ergebnis einer Messung angegeben in derForm:

x = x±∆xG (5)

2.3 Durchschnittlicher Fehler

Haufig wird auch ein anderes Streumaß verwendet: die durchschnittliche absolute Abweichungder Einzelergebnisse vom Mittelwert:

∆xd =1n

n∑i=1

|xi − x| (6)

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FEHLERRECHNUNG 3

Obwohl er vom statistischen Standpunkt aus eine etwas unsaubere Definition darstellt (siehez.B. B.Baule ”Die Mathematik des Naturforschers und Ingenieurs“Bd. II, Hirzel-Verlag, Leipzig1959), ist sein Gebrauch weit verbreitet.

2.4 Gaußscher Fehler des Mittelwertes

Meist interessiert nicht so sehr die Streuung der xi um x, sondern die Zuverlassigkeit des ausder Meßreihe als ”Bestwert“gefundenen Mittelwertes, d.h. dessen Fehler bezuglich des wahrenWertes, der bei n→∞ erreicht wird. In der Gaußschen Fehlertheorie ergibt sich dieser ’mittlereFehler des Mittelwertes’ oder ”Gaußsche Fehler des Mittelwertes“zu

δxG =

√∑ni=1(xi − x)2

n(n− 1)(7)

Es sagt aus, daß mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit der ”wahre Wert“der Meßgroße xw in-nerhalb des Intervalls

x− δxG ≤ xw ≤ x+ δxG

liegt.

2.5 Absoluter und relativer Fehler

Die bisher besprochenen Fehler sind absolute Fehler. Damit bezeichnet man das Fehlerintervallder Meßgroße. Absolutfehler der Große und die Große selbst haben dieselbe Maßeinheit. Divi-diert man den Absolutfehler durch den Absolutbetrag des Mittelwertes der Meßgroße, so erhaltman den relativen Fehler; er ist dimensionslos und wird haufig in Prozent angegeben.

2.6 Großenordnungsmaßige Angabe von Meßfehlern

Zur exakten Angabe eines Meßergebnisses muß der Fehler hinzugefugt werden. Dabei ist essinnlos, das Meßergebnis oder dessen Fehler mit einer ubermaßigen Stellenzahl anzugeben. Meß-fehler rundet man, da sie im allgemeinen nur grobe Wahrscheinlichkeitsaussagen darstellen, aufein oder zwei Stellen ab. Das Meßergebnis soll dann so viele Stellen enthalten, daß in der letzten(bzw. den letzten beiden) der Fehler liegt, die ubrigen aber als zuverlassig anzusehen sind. Ent-sprechendes gilt fur mittelbare Resultate, die man durch Rechnung aus verschiedenen Meßwertenerhalt. Eine, nur durch die Rechnung bedingte, zu große Stellenzahl ist gemaß dem Gesamtfehlerdes mittelbaren Resultates abzurunden. Bei geringeren Anforderungen an die Genauigkeit vonMessungen genugt es oft zu wissen, in welcher Dezimalstelle der Maßzahl der Fehler liegt, ohnedessen genaue Große zu kennen. Fur diesen Fall ist man ubereingekommen, Meßergebnisse inDezimalzahlen so anzugeben, daß die vorletzte Ziffer noch zuverlassig ist, und in der letzten derFehler liegt. (Eine an letzter Stelle stehende Null muß dann mit angeschrieben werden; wurdeman sie fortlassen, so wurde dies einen um eine Zehnerpotenz zu großen Fehler vortauschen.)

3. Fehlerfortpflanzung

Die bisher angegebenen Fehler charakterisieren die Streuung einer direkt gemessenen Große.Haufig ist man aber an einer mittelbaren Große interessiert, die sich uber eine Formel aus ver-schiedenen Meßwerten x, y, z, ... ergibt: Z = Z(x, y, z, ...). Infolge der Fehler der direkten Meß-werte hat auch Z einen Fehlerbereich. Als Fehlerfortpflanzung bezeichnet man die Auswirkungder Einzelfehler δx, δy, usw. auf Z. Je nach Art der Funktion Z kann diese Auswirkung vollig un-terschiedlich sein: z.B. kann ein winziger Fehler δx einen gewaltigen Fehler fur Z bedingen. Daher

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FEHLERRECHNUNG 4

ist es angebracht, die Fehlerfortpflanzung schon vor der Messung der Einzelgroßen abzuschatzen,um zu wissen, welche Messungen besonders sorgfaltig durchgefuhrt werden mussen und bei wel-chen ein großer Meßaufwand uberflussig ist. Zur Herleitung des Fehlerfortpflanzungsgesetzeswollen wir uns der Einfachheit halber auf eine Funktion mit 2 Meßgroßen x und y beschranken:Z = Z(x, y). Setzen wir einmal die Mittelwerte x, y und dann die Werte x+ δx, y+ δy in Z ein,so gibt uns der Unterschied der zugehorigen Z-Werte die Auswirkung der Fehler δx und δy aufZ. Allgemein erhalt man den Wert Z(x+ ∆x, y + ∆y) einer (vernunftigen) Funktion Z, indemman Z in eine Taylor-Reihe um Z(x, y) herum entwickelt:

Z(x+ ∆x, y + ∆y) = Z(x, y) +∂Z

∂x∆x+

∂Z

∂y∆y +

∂2Z

∂x2∆x2 +

∂2Z

∂x∂y∆x∆y + ... (8)

Sofern die hoheren Reihenglieder rasch kleiner werden, kann man diese Reihe nach den linearenGliedern abbrechen, und wir erhalten fur die Differenz der Z-Werte:

Z(x+ ∆x, y + ∆y)− Z(x, y) ∼=∂Z

∂x∆x+

∂Z

∂y∆y (9)

Fur die Großen x und y konnen wir nun die Mittelwerte x und y wahlen und fur die Großen ∆xund ∆y die Fehler der Mittelwerte δx und δy einsetzen.Zur Berechnung der oberen Grenze des Schwankungsintervalls von Z bei Schwankungen von xund y innerhalb ihrer Fehlerintervalle mussen wir den pessimistischen Fall annehmen, daß dieBeitrage aller Einzelfehler dasselbe Vorzeichen haben, d.h. wir nehmen die Absolutbetrage derEinzelfehler. Die Summe dieser Absolutbetrage liefert dann den Fehler von Z, der konsequenter-weise als der ”absolute Großtfehler“bezeichnet wird. Die Vorschrift zur Bildung von ∆Z heißtdas Fehlerfortpflanzungsgesetz:

∆Z ≤∣∣∣∣∂Z∂x δx

∣∣∣∣ +∣∣∣∣∂Z∂y δy

∣∣∣∣ (10)

Dabei bedeuten (∂Z/∂x) und (∂Z/∂y) die partiellen Ableitungen. Eine partielle Ableitung einerFunktion f von n Variablen wird gebildet, indem man n−1 Variablen feste Zahlenwerte zuweist,sie also als Konstante ansieht. Dadurch wird f eine Funktion nur einer Variablen, und nach dieserwird dann entsprechend den Regeln fur Funktionen einer Variablen differenziert.

Anmerkung: Wenn die Fehler unendlich klein werden, so stellt Glg. (9) das totale Differentialder Funktion Z dar. Man kann also das Fehlerfortpflanzungsgesetz auch dadurch herleiten, daßman in der Formel fur das totale Differential einer Funktion die Differentiale der Variablen durchdie endlich großen Fehlerintervalle ersetzt. Dieser Naherungsschritt ist erlaubt, da es sich beider Fehlerrechnung im allgemeinen nur um grobe Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt.

Wir haben Glg. (10) fur eine Funktion von 2 Variablen angegeben. Entsprechend kann man denGroßtfehler einer Funktion f von n Variablen y1, ..., yn angeben:

∆f ≤n∑

i=1

∣∣∣∣ ∂f∂yiδyi

∣∣∣∣ (11)

Dieser Fehler hat Ahnlichkeit mit dem durchschnittlichen Fehler der Einzelmessung: man addiertAbsolutbetrage. In der Gaußschen Fehlertheorie tritt an dessen Stelle wieder die Wurzel aus derSumme der Quadrate. Das Gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz lautet:

∆fG =

√√√√ n∑i=1

(∂f

∂yiδyi

)2

(12)

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Wegen des großeren Rechenaufwandes soll im Praktikum auf seine Verwendung verzichtet wer-den.Fur einige haufig auftretende Typen von Funktionen laßt sich das FehlerfortpflanzungsgesetzGlg. (10) vereinfachen:

a) Funktionen, die ausschließlich aus Summen und/oder Differenzen der Variablen bestehen:

f = a1y1 + a2y2 + ...+ anyn =n∑

i=1

aiyi ; ai 6= 0

Dann erhalt man durch Differentiation den Fehler:

∆f ≤ |a1 δy1|+ ...+ |an δyn| =n∑

i=1

|ai δyi| (13)

Regel: Der absolute Großtfehler ist gleich der Summe der Betrage der absoluten Einzel-fehler, multipliziert mit den Konstanten ai.

b) Funktionen, die ausschließlich aus Produkten und/oder Quotienten der Variablen yi mitbeliebigen Potenzen mi bestehen:

f = A · ym11 · ym2

2 · ... · ymnn = A ·

∏ymi

i ; mi 6= 0

Dann erhalten wir durch partielle Differentiation und Division durch den Funktionswert:

∆ff≤

∣∣∣∣m1δy1

y1

∣∣∣∣ + ...+∣∣∣∣mn

δyn

yn

∣∣∣∣ =n∑

i=1

∣∣∣∣miδyi

yi

∣∣∣∣ (14)

Regel: Der relative Großtfehler ist gleich der Summe der Betrage der relativen Einzelfeh-ler, jeder multipliziert mit dem Exponenten der Variablen. Formel (14) nennt an auch denProduktfehler.

Anmerkung: Ubrigens ist nicht festgelegt, wie die Fehler δyi fur das Fehlerfortpflanzungs-gesetz zu bilden sind; wir haben hier den mittleren Fehler des Mittelwertes gewahlt.

4. Fehler einer Funktion

Die angegebene Fehlerfortpflanzungs-Formel erlaubt, fur einen mit vorgegebenen Zahlenwertender Variablen berechneten Funktionswert den Fehler zu bestimmen. Dazu muß die Funktionbereits bekannt sein. Viele Experimente dienen jedoch dazu, die Funktion selbst erst zu finden.Dazu mussen nicht feste Werte der Variablen nachgemessen werden; es interessiert auch nichtder Fehler eines einzelnen Funktionswertes, sondern es stellt sich die Frage nach der aus denMeßfehlern resultierenden Ungenauigkeit des funktionalen Zusammenhanges selbst. Einen funk-tionalen Zusammenhang mißt man, indem man Variable schrittweise andert.Am Beispiel einer Geraden f = a + bx soll der Fehler einer Funktion untersucht werden. DieVariable x wurde in vorgegebenen Schritten geandert, und die zugehorigen Funktionswerte f(x)wurden gemessen. Dabei sind xi mit einem Einstellfehler und die fi mit einem Meßfehler beauf-schlagt. In einer grafischen Darstellung erkennt man, daß die Punkte (x, f) ungefahr einem linea-ren Zusammenhang gehorchen, wobei aber durch die Fehler bedingte Abweichungen auftreten.Gesucht werden nun die Bestwerte der Konstanten a und b der durch die Punkte verlaufendenAusgleichsgeraden f = a + bx, sowie die Zuverlassigkeit der Konstanten, d.h. deren Fehlerin-tervall. Die exakte, allerdings aufwendige Methode ist, einen Ausgleich nach der Methode der

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FEHLERRECHNUNG 6

Abbildung 1: Meßpunkte mit eingezeichneten Best- und Streugeraden

kleinsten Quadrate vorzunehmen, d.h. die Gerade so zu bestimmen, daß die Summe der Qua-drate der Abweichungen vi aller Meßpunkte von der Geraden ein Minimum wird. Diese Geradenennt man dann ”Bestgerade“. Als Maß fur den Fehler von a und b kann man den Verlauf desMinimums bei Variierung von a und b um die Bestwerte herum heranziehen. Es gibt jedoch einegrafische Methode, die mit erheblich geringerem Aufwand auskommt, allerdings auch nur dieGroßenordnung der Fehler der Konstanten liefert.Dazu zeichnet man die Bestgerade nach Augenmaß durch die Meßpunkte. Zusatzlich zeichnetman - ebenfalls nach Augenmaß - zwei weitere Geraden, die ”Streugeraden“. Diese sind dadurchgekennzeichnet, daß sie die Geraden maximaler und minimaler Steigung sind, die sich geradenoch mit den Meßpunkten vereinbaren lassen (Abb. 1). Wesentlich ist, daß sich Streugeradenund Bestgerade in einem Punkt im Innern des Meßintervalls schneiden.Nun kann man von den Streugeraden wieder die Konstanten amax, bmax bzw. amin, bmin be-stimmen und die Differenzen dieser Werte geben uns ein Maß fur die Genauigkeit der Werte derBestgeraden abest, bbest. Denn: Unterscheiden sich die Streugeraden nur geringfugig, so ist dieBestgerade zuverlassig festzulegen. Unterscheiden sich andererseits die Streugeraden erheblich,so ist die Wahl der Bestgerade dazwischen in gewissem Maße willkurlich. Als Streumaße fur dieKonstanten der Bestgeraden fuhren wir ein:

∆a = (amax − amin)/2 ; ∆b = (bmax − bmin)/2 (15)

Der Faktor 1/2 ergibt sich daraus, daß die Fehler als ± halbe Fehlerintervallbreite angegebenwerden. Dieses grafische Verfahren ist wegen der ziemlich willkurlichen Wahl der Streugeradenungenau, liefert aber die richtige Großenordnung des Anteils der zufalligen Fehler, und zwar aufbesonders einfache Weise.Sein besonderer Wert liegt darin, daß man es auf andere Funktionstypen erweitern kann. Zwarlassen sich Best- und Streugeraden nur bei einer linearen Funktion zeichnen, man kann aberdurch geeignete Variablentransformationen andere Funktionen, etwa Parabeln oder Exponen-tialfunktionen in lineare Funktionen umformen. Will man uberprufen, inwieweit zwischen denMeßgroßen y und x ein bestimmter, nicht linearer, analytischer Zusammenhang y = f(x) be-steht, so muß man die Meßgroßen so transformieren, das zwischen den transformierten GroßenX = ϕ(x) und Y = ψ(y) ein linearer Zusammenhang besteht. Transformiert man die Meßwertein dieser Weise, so zeigt die Streuung der transformierten Großen X, Y um die Bestgerade, wiegut der Zusammenhang y = f(x) erfullt ist.Dabei ist zu beachten, daß die Konstanten der Geraden und ihre Fehler in die Konstanten der

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FEHLERRECHNUNG 7

ursprunglichen Funktion rucktransformiert werden mussen.z.B.: Die Exponentialfunktion y = A · eBx wird durch folgende Variablentransformation in eineGerade uberfuhrt:

X = x ; Y = ln y

Damit ergibt sich namlich:

Y = ln(A · eBx) = ln A+BX = a+ bX

und a = ln A sowie b = BUm die zeitraubende Transformation der Meßwerte zu ersparen, sind ”Millimeterpapiere“imHandel, deren Koordinaten bereits nach bestimmten mathematischen Funktionen transformiertsind. So gibt es fur die Exponentialfunktion das ”Semilogarithmenpapier“, dessen Abszisse lineargeteilt ist, die Ordinate aber so, daß die einzutragenden Werte an die ihren Logarithmen ent-sprechenden Stellen kommen. Man erspart sich so das Logarithmieren der Meßwerte; auf einemsolchen Papier aufgezeichnet, ergibt eine Exponentialfunktion also eine Gerade.

5. Aufgaben

Aufgabe 1:

Gegeben ist eine Funktion f = f(x1, x2), ferner jeweils 10 Meßwerte der Großen x1 und x2,deren Abweichungen von den Mittelwerten x1 und x2 durch zufallige Fehler bedingt sind. (DieTabellen werden zur Versuchsdurchfuhrung gesondert ausgegeben.)Man bestimme

a) die Mittelwerte x1, x2

b) den Funktionswert f(x1, x2)

c) die Gaußschen Fehler ∆x1, ∆x2 der Einzelwerte und δx1, δx2 der Mittelwerte

d) den durch δx1 und δx2 bedingten relativen und absoluten Großtfehler von f(x1, x2).

Aufgabe 2:

a) Man untersuche die Verteilung der Meßwerte zi einer Meßreihe, indem man das ”Histo-gramm“zeichnet. (Die Tabelle wird gesondert ausgegeben.)

b) Man zeichne im Histogramm den haufigsten Meßwert zh und den Mittelwert z ein und gebedie Differenz z − zh an.

c) Man berechne den durchschnittlichen Fehler der Meßreihe und zeichne die Fehlergrenzen imHistogramm ein.

Anmerkung zu 2a): Man zeichnet auf mm-Papier die z-Achse und teilt sie in Intervalle mitder Intervallbreite 0.1 so, daß die Einheiten dieser Dezimalstelle die Intervallmitten zm bilden.Dann sortiere man die Meßwerte nach ihrer Zugehorigkeit zu diesen Intervallen. Fallen Meßwerteauf die Grenze zwischen 2 Intervallen, so sollen sie dem auf der z-Achse links gelegenen Inter-vall zugerechnet werden: Die Intervalle werden also beschrieben durch zm−0.05 < z ≤ zm+0.05.

Auf der Ordinate wird die Zahl hi der Meßwerte in den Intervallen aufgetragen. Uber demjeweiligen z-Intervall kennzeichnet man sie durch einen waagerechten Strich. Zeichnet man nunnoch die Intervallgrenzen ein, so erhalt man eine Treppenkurve in der Form aneinandergesetzter

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FEHLERRECHNUNG 8

Abbildung 2: Histogramm

Rechtecke, das Histogramm. (s. Abb. 2)

Aufgabe 3:

Gegeben ist eine Reihe von Wertepaaren der Meßgroßen x und y. (Die Tabelle wird gesondertausgegeben.)

a) Man transformiere diese Meßpunkte gemaß der in der Tabelle angegebenen Vorschrift undstelle Y = F (X) graphisch auf Millimeterpapier dar.

b) Man bestimme die Steigung b und den Ordinatenabstand a der Bestgeraden und gebe dieFunktionen Y = F (X) und y = f(x) explizit an.

c) Man zeichne die Streugeraden und bestimme daraus die Fehler ∆a und ∆b.

d) Man bestimme aus ∆a und ∆b die Fehler in den Konstanten der Funktion y = f(x).

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Physikalisches Grundpraktikum

Mechanische Schwingungen

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MS 2 Mechanische Schwingungen

1. Stoffgebiet

• Mechanik des starren Körpers

• Harmonische Schwingungen

• Erzwungene Schwingungen

• Resonanz

• Trägheitskräfte

• Physikalisches Pendel

• Schwebung

• Allgemeine Schwingungslehre

2. Literatur

• D. Meschede, Gerthsen Physik 23. Auflage (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2006) Kap. 4

Version 2 (3/2009 MD

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Mechanische Schwingungen MS 3

3. Fragen

1. Eine Person der Masse m steht in einem Aufzug auf einer Waage. Der Aufzug wird mit der Beschleunigung b bzw. Verzögerung -b bewegt. Welche Gewichtskraft wird in beiden Fällen von der Waage angezeigt ?

2. Eine Raumkapsel der Masse M taucht in die Erdatmosphäre ein und erfährt dort eine (hier als konstant angenommene) Reibungskraft R. Welche Trägheitskraft wirkt auf einen Insassen der Masse m

3. Geben Sie eine Erklärung dafür, dass sich ein metallischer Stab, der aus einer gewis-sen Höhe in Längsrichtung fallend auf dem Erdboden aufschlägt, im Moment des Aufschlags am oberen Ende positiv auflädt.

4. Man formuliere für ein mathematisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnun-gen).

5. Man formuliere für ein physikalisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnun-gen).

6. Ein mathematisches Pendel der Länge l und der Masse m hängt an der Decke eines Aufzugs, der sich mit der Beschleunigung b nach oben bewegt. Man stelle die Bewe-gungsgleichung im Fahrzeug für diesen Fall auf (kleine Skizze). Hinweis: Träg-heitsmoment × Winkelbeschleunigung = Σ Drehmomente.

7. Ein Schwinger der Eigenfrequenz ω0 wird mit der Frequenz ω zu erzwungenen Schwingungen angeregt. Welche Phasendifferenz besteht zwischen erzwungener und erregender Schwingung in folgenden Fällen: a) ω << ω0 , b) ω = ω0 , c) ω >> ω0? Wie lassen sich die Fälle a) und c) anschaulich deuten?

8. Was versteht man unter einer „Schwebung“? (Skizze; Beispiel)

9. Lässt man auf einen schwach gedämpften Schwinger der Eigenfrequenz ω0 eine Er-regerkraft der Frequenz ω ≅ ω0 wirken, so sieht man zunächst eine Schwebung, de-ren Amplitude langsam abnimmt. Erklären Sie diesen Vorgang.

10. An einer Stahlfeder der Federkonstanten k schwingt eine Masse m. Stellen Sie die Bewegungsgleichung für die Masse m auf. Durch welchen einfachen Ansatz kann sie gelöst werden, und welche Eigenfrequenz folgt daraus ?

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MS 4 Mechanische Schwingungen

4. Grundlagen

4.1 Allgemeines Die erzwungene Pendelschwingung wird nachstehend mit Hilfe der Gesetze der Relativbewe-gung behandelt. Deshalb sollen diese Gesetze kurz besprochen werden. Wir unterscheiden zwei Systeme (Abbildung 1):

1. Ein raumfestes Bezugssystem (Koordinatensystem O(x,y), genannt Laborsystem).

2. Ein gegen das raumfeste System bewegtes Bezugssystem (Koordinatensystem O´(ξ,η), genannt Fahrzeug).

Abb. 1: Laborsystem und bewegtes Bezugssystem.

Das Laborsystem sei ein Inertialsystem bezüglich der hier betrachteten Kräfte, d.h. ein Sys-tem, in dem die drei Newtonschen Axiome gelten. Die Bewegung eines Massenpunktes m kann auf irgendeines dieser Systeme bezogen werden, je nachdem welchen Standpunkt der Beobachter hat; er kann die Bewegung vom Laborsystem aus studieren, er kann sich aber auch mit dem Fahrzeug bewegen. Wir wollen der Einfachheit halber und im Hinblick auf un-ser Pendelproblem annehmen, dass das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem keine Drehun-gen, sondern nur Translationen ausführt.

Die zeitliche Änderung des Vektors 0'r , von O´ nach P, beschreibt die Bahn des Massenpunk-tes, die vom mitbewegten Beobachter verfolgt wird. Entsprechend beschreibt die zeitliche Änderung von 0r

die Bahnkurve, die ein ruhender Beobachter sieht (Abbildung1).

Wenn sich das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem nicht dreht, gilt:

.. (1)

(Berücksichtigt man auch Drehungen, so tritt an die Stelle von Gl. (1) die Beziehung 0 0 0 + r s r ′= Ω , wobei Ω die Matrix der Drehung ist. Dann treten zusätzliche Trägheitskräfte, nämlich Zentrifugalkraft und Corioliskraft auf).

Die Bewegungsgleichung des Massenpunktes im Laborsystem lautet mit der eingeprägten Kraft K0:

0 0 0 0 , mit ( , ) und ( , )mr K r x y r x y= = =

(2)

Ersetzt man nach Gl. (1) 0r durch 0 0's r+

, so ergibt sich:

0 0 0-mr K ms′ =

(3)

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Mechanische Schwingungen MS 5

d.h. der mitbewegte Beobachter stellt fest, dass auf die Masse m nicht nur die Kraft 0K

(ein-geprägte Kraft), sondern auch die Scheinkraft 0-ms , die man als Trägheitskraft bezeichnet, wirkt.

Beispiel:

An der Decke eines Wagens sei ein Fadenpendel aufgehängt (Abbildung 2). Der Wagen wird gegenüber dem Laborsystem mit der Beschleunigung b beschleunigt.

Abb. 2: Fadenpendel an der Decke eines Wagens.

Das entspricht in unserer Darstellung dem Vektor 0s . Auf die Pendelmasse wirkt die einge-prägte Kraft mg und die Trägheitskraft mb. Diese Kräfte erzeugen die Drehmomente

cosmbl φ und sinmgl− φ .Das Pendel ist im Gleichgewicht, wenn diese Drehmomente be-tragsmäßig gleich sind, also tan /b g=φ ist. Natürlich spürt auch der Beobachter die auf ihn wirkende Trägheitskraft Mb.

4.2 Die erzwungene Pendelschwingung Das für den Versuch verwendete Resonanzpendel ist in Abbildung 3 skizziert. Ein Schlitten Sch wird über eine Pleuelstange (annähernd) sinusförmig hin und her bewegt. Der Schlitten wird durch die Stange St geführt. Das Pendel kann sich um eine fest mit dem Schlitten ver-bundene Achse A drehen. Die Kurbelscheibe K wird durch einen Elektromotor angetrieben, dessen Frequenz regelbar ist. Außerdem ist das Pendelsystem mit einer variablen Dämpfung versehen, die nach dem Prinzip der Wirbelstromdämpfung arbeitet.

Abb. 3: Resonanzpendel.

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MS 6 Mechanische Schwingungen

Zur Behandlung des Problems wählen wir ein starr mit dem Laborsystem verbundenes Koor-dinatensystem und ein fest mit dem Schlitten Sch verbundenes System als Fahrzeug (Abbil-dung 4).

Abb. 4: Laborsystem und Fahrzeugsystem des Resonanzpendels.

Im Fahrzeug ist die Lage des Schwerpunktes S des Pendels (Pendelstange und Pendelmasse m) durch den Schwerpunktabstand s und den Winkel φ festgelegt (ebene Polarkoordinaten). Im Fahrzeug beobachtet man eine reine Pendelschwingung, während die Bewegung, vom Laborsystem aus beurteilt, sich aus einer Translations- und einer Schwingungsbewegung zu-sammensetzt, also komplizierter ist. Deshalb ist es vorteilhaft, die Bewegung im Fahrzeug zu studieren.

In S wirkt als eingeprägte Kraft die Komponente sinmg φ der Schwerkraft mg . Sie erzeugt ein Drehmoment sD s mg= ×

mit dem Betrag sinsD mgs= − φ , das negativ zu rechnen ist, da es nach Abbildung 4 den Winkel φ zu verkleinern sucht. Zusätzlich wirkt in S die Trägheits-kraft mz , die ein Drehmoment vom Betrag cosTD mzs= − φ erzeugt. Die Dämpfung erzeugt ebenfalls ein dämpfendes Drehmoment, das bei Wirbelstromdämpfung proportional zur Win-kelgeschwindigkeit gesetzt werden kann, sodass man für dessen Betrag erhält: dD = − ρφ .

Die Bewegungsgleichung für Drehbewegungen lautet:

Trägheitsmoment × Winkelgeschwindigkeit = Σ(Drehmomente).

Da alle Drehmomente in dieselbe Richtung weisen, können wir ihre Beträge addieren und erhalten:

0 cos sin

oder sin / / cos /

mzs mgs

mgs msz

Θ = − − −

+ Θ + Θ = − Θ

φ φ ι ρφ

φ φ ρφ φ (4)

Der Ausschlag φ sei so klein, dass annähernd sinφ ≅ φ und cosφ ≅ 1 gilt. Dann lautet Gl. (4), wenn man noch 2

0/ und /mgs Θ ≡ Θ ≡ω ρ γ setzt, wobei ω0 die Eigenfrequenz des Pendels und γ ein Maß für den Einfluss der Dämpfung ist:

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Mechanische Schwingungen MS 7

2 20 0 /z g+ + = −

φ ω φ γ φ ω (5)

Gl. (5) ist die typische Bewegungsgleichung für eine erzwungene Schwingung (inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Auf der rechten Seite steht der antreibende Term (Inhomogenität), der hier von einer Trägheitskraft herrührt.

Ruht das Fahrzeug im Laborsystem, so ist 0z = , und Gl. (5) stellt die Bewegungsgleichung für die freie gedämpfte Schwingung des Pendels dar (homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Ihre Lösung ist für hinreichend kleine Dämpfung ( 2 2

0 4>ω γ ):

2 2 20 0( ) sin( ) mit = 4tt e t− ′ ′= −γφ φ ω ω ω γ (6)

Sie stellt eine Sinusschwingung der Frequenz ω´ dar, deren Amplitude exponentiell mit der Zeit abklingt (Abbildung 5).

Abb. 5: Freie gedämpfte Schwingung des Pendels.

φ1 und φ2 seien zwei Auslenkungen, die den zeitlichen Abstand T = 2π/ω´ haben:

1

1

21 1 0 1

2 ( )2 2 0 1

( ) sin( )

( ) sin( ( )

t

t T

t e t

t e t T

− ⋅ +

′=

′= +

γ

γ

φ φ ω

φ φ ω

Wegen 21 1 1 2sin( ) sin( ( )) folgt Tt t T e′ ′= + = γω ω φ φ . Das logarithmische Dekrement ist defi-

niert als

1

2

ln2

T

= =

φ γδφ

Ist also die Dämpfung proportional zur Winkelgeschwindigkeit φ , so ist das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (gleicher Phase, vgl. Abbildung 5) kon-stant. Umgekehrt kann man prüfen, ob die Dämpfung proportional zu φ ist, denn dann sind die Verhältnisse aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen konstant.

Wird der Aufhängepunkt A harmonisch hin und her bewegt, also z = z0sin(ωt), so lautet Gl. (5):

2

2 200 0 sin( )z t

g+ + =

ωφ γφ ω φ ω ω (7)

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MS 8 Mechanische Schwingungen

Die stationäre (d.h. für den eingeschwungenen Zustand gültige) Lösung lautet (Lösungsme-thode z.B. Variation der Konstanten):

2 2

0 002 2 2 2 2

0

( ) sin( ) ( )sin( )( )

zt t tg

= ⋅ − = −− +

ω ωφ ω α φ ω ω αω ω γ ω

(8)

mit

2 20

tan =−

ω γαω ω

(9)

α ist die Phasendifferenz zwischen erzwungener und erregender Schwingung. Die Funktion 0 0 ( )=φ φ ω stellt eine typische Resonanzkurve dar (Abbildung 6).

Abb. 6 (links): Resonanzzkurve, Abb. 7 (rechts): Resonanzzkurve nach Gl. (11).

Die Resonanzfrequenz ist dabei gegeben durch:

20

max 2 20 2

=+

ωωω γ

(10)

Achtung: In den Lehrbüchern der Physik wird für die normale erzwungene Schwingung der Erregerterm auf der rechten Seite von Gleichung (8) als const × sin(ωt-α) geschrieben, wäh-rend er sich bei unserer experimentellen Anordnung zu const × ω2 × sin(ωt-α) ergibt. Das bedeutet keinen prinzipiellen Unterschied im Resonanzverhalten, aber die Lösungen des Prob-lems sehen etwas anders aus; so ist bei unserer Lösung noch ein zusätzliches ω2 im Zähler, was zu einer Asymmetrie der Resonanzkurve führt. Auch die Ausdrücke für ωmax unterschei-den sich.

Zeichnet man das Quadrat des durch die Amplitude der erregenden Kraft 2 20 0 0K z g= ω ω

dividierten Amplitudenwertes

2

02 2 2 2 2

0 0

( ) 1( )K

= − +

φ ωω ω γ ω

(11)

so erhält man den in Abbildung 7 skizzierten symmetrischen Verlauf.

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Mechanische Schwingungen MS 9

Eine wichtige Größe ist der sogenannte Q-Faktor (Qualitätsfaktor) eines schwingenden ge-dämpften Systems: Als Q-Faktor bezeichnet man das mit 2π multiplizierte Verhältnis der Ge-samtenergie zum mittleren Energieverlust während einer Schwingungsperiode T. Für unseren Fall ergibt sich der Q-Faktor zu

0Q =ωγ

(12)

Wenn 2 20/ 2γ ω ist, dann wird ωmax ≅ ω0. Die Breite der Resonanzkurve an derjenigen Stel-

le, an der die Amplitude auf den Wert max / 2φ gefallen ist, soll Halbwertsbreite ∆ω genannt werden. Mit der Näherung ωmax ≅ ω0 ergibt sich nach einer kleinen Rechnung:

∆ =ω γ (13)

Demzufolge lässt sich γ außer aus dem logarithmischen Dekrement auch aus der Halb-wertsbreite ∆ω bestimmen.

Anmerkung: Der Ausdruck Gl. (8) ist nicht die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (7). Die Theorie der linearen Differentialgleichung lehrt, dass die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Differentialgleichung (inhomogen heißt: rechte Seite ≠ 0) sich als Summe der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung (homogen heißt: rechte Seite = 0) und einer speziellen Lösung der inhomogenen Gleichung zusammensetzt. Die Lö-sung der homogenen Differentialgleichung beschreibt aber gedämpfte Schwingungen, die zeitlich exponentiell abklingen. Solche Schwingungen treten bei dem Einschwingvorgang auf. Im Experiment lässt sich das gut beobachten. Es dauert eine gewisse Zeit, bis der Ein-schwingvorgang beendet ist und sich die Amplitude, die der Lösung (8) entspricht, eingestellt hat. Je größer die Dämpfung, umso schneller ist der Einschwingvorgang abgeklungen. Des-halb lässt man ihn meist unberücksichtigt und betrachtet nur den eingeschwungenen Zustand.

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MS 10 Mechanische Schwingungen

5.Versuchdurchführung

Aufgabe 1

Zunächst wird die Frequenz ω0 des ungedämpften Pendels bestimmt. Dann bestimme man für eine eingestellte Dämpfung die Eigenfrequenz des Pendels. Dazu messe man die Zeit für 10 Schwingungen.

Aufgabe 2

Man prüfe, ob die Dämpfung annähernd geschwindigkeitsproportional ist, indem man das Verhältnis aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (natürlich auf derselben Seite der Skala ablesen) misst. Der Versuch ist mehrmals durchzuführen, und die erhaltenen Maximal-auslenkungen sind zu mitteln. Aus dem Mittelwert wird die Dämpfungskonstante γ bestimmt.

Aufgabe 3

Man nehme eine Resonanzkurve auf, indem man, bei niedrigen Erregerfrequenzen beginnend, die Frequenz des den Schlitten treibenden Motors langsam erhöht und die sich nach der Ein-schwingzeit einstellenden Amplituden 0 ( )φ ω auf der Winkelskala abliest. (Vorsicht im Reso-nanzgebiet: dort verursachen geringe Frequenzänderungen große Amplitudenänderungen!)

Aufgabe 4

Aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurve bestimme man die Dämpfungskonstante und vergleiche sie mit der in Aufgabe 2 bestimmten. Geben Sie den Q-Faktor an.

Die Aufgaben 1 bis 4 sind für zwei verschiedene Dämpfungen durchzuführen.

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Physikalisches Grundpraktikum

Mechanische Materialkonstanten

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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MK 2 Mechanische Materialkonstanten

1. Stoffgebiet

• Aufbau des festen Körpers

• Kristallstruktur

• Bindungskräfte

• Elastische und nichtelastische Verformung

• Hysterese

• Eigenschaften des deformierbaren festen Körpers

• Elastizität des festen Körpers

• Kräfte zwischen Atomen

• Elastizitätsmodul

• Torsionsmodul

• Schubmodul

Version 2 (3/2009)

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Mechanische Materialkonstanten MK 3

2. Fragen

1. Welche Kräfte wirken zwischen den Gitterbausteinen eines Festkörpers? Zählen Sie die wesentlichen Bindungskräfte auf und geben Sie als Beispiel je einen Stoff an, bei dem einer dieser Bindungstypen überwiegt.

2. Was versteht man a) unter einem Einkristall, b) unter einem polykristallinen Festkör-per und c) unter einem amorphen Festkörper? Geben Sie zu jedem ein Beispiel.

3. Was versteht man unter der thermischen Bewegung der Gitterbausteine eines Fest-körpers?

4. Was versteht man unter Gitterfehlern? Geben Sie 3 Beispiele für Gitterfehler.

5. Geben Sie die Definitionsgleichungen für E, G, µ und κ an. Skizzieren Sie, wie die äußeren Kräfte in den verschiedenen Fällen angreifen.

6. Wie groß ist der Torsionsmodul von Flüssigkeiten und Gasen? Geben Sie eine Be-gründung.

7. Wie verhält sich ein Festkörper bei Verformungen außerhalb des Elastizitätsberei-ches? Skizzieren Sie die Abhängigkeit der Dehnung von der Zugspannung.

8. Skizzieren Sie die mechanische Hysteresekurve. Welche Dimension hat die von ihr eingeschlossene Fläche? Welche physikalische Bedeutung hat sie?

9. Begründen Sie am Beispiel eines Würfels, wieso der Zahlenwert von µ stets zwi-schen 0 und 0,5 liegt.

10. Aus dem Verdrillungswinkel eines Stabes ϕ ergibt sich der Torsionsmodul G nach

der Formel 4

2lG DRπ ϕ

= (siehe Gl. (6)). Begründen Sie, wieso der Radius R in der 4.

Potenz auftritt.

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MK 4 Mechanische Materialkonstanten

3. Grundlagen

Zwischen benachbarten Atomen oder Ionen eines Festkörpers herrschen anziehende und ab-stoßende Kräfte. Die auf ein Teilchen wirkenden Kräfte heben sich bei bestimmten Abständen zu benachbarten Teilchen gegenseitig auf. Die Teilchen ordnen sich daher in den meisten Festkörpern in diesen Abständen an und bilden so eine regelmäßige (periodische) Gitterstruk-tur, das Kristallgitter. Die Periode dieses Aufbaues wird durch die Gitterkonstante beschrie-ben. (Von den thermischen Bewegungen der Gitterteilchen um ihre Ruhelage sei hier abgese-hen.)

Da sich der Kristall bezüglich der Abstände zwischen den Gitterteilchen im stabilen Gleich-gewicht befindet, muss man durch äußere Kräfte Arbeit leisten, wenn man das Kristallgitter verformen, d.h. die Abstände zwischen den Gitterteilchen verändern will. Greift eine äußere Kraft senkrecht an einer Oberfläche eines eingespannten Festkörpers an, so tritt eine Längen-änderung ein (Dehnung). Allseitiger Druck bewirkt eine Volumenänderung (Kompression). Wirkt die Kraft jedoch tangential auf eine Oberfläche, so entsteht eine Winkeländerung (Scherung, Torsion).

Wenn der Festkörper nach einer Verformung seine ursprüngliche Form annimmt, sobald die äußeren Kräfte wieder zu Null werden, so bezeichnet man die Verformung als elastisch. Bleibt jedoch eine dauernde Verformung zurück, so nennt man die Verformung unelastisch oder plastisch. Das elastische bzw. unelastische Verhalten eines Festkörpers wird übrigens wesentlich auch von den Störungen des Kristallgitters (Gitterfehler) mitbestimmt.

Die Größe der elastischen Verformung, die eine vorgegebene mechanische Kraft hervorruft, hängt außer von der Geometrie des Körpers auch von den Eigenschaften seiner Gitterteilchen und seiner Gitterstruktur ab. Diese Abhängigkeit vom Material kann durch die elastischen Materialkonstanten beschrieben werden.

Bei einem Einkristall hängt die durch eine bestimmte Kraft hervorgerufene Verformung i.a. von der Richtung der Kraft bezüglich der Kristallachsen ab: Die elastischen Konstanten sind dann tensorielle Größen. Häufiger sind Festkörper jedoch polykristallin, und meist ist die Ver-formung dann isotrop. In diesem Falle reduzieren sich die elastischen Konstanten auf skalare Größen. Im folgenden sollen diese zusammengestellt werden.

3.1 Dehnung, Dehnungsmodul Greift an einem fest eingespannten zylindrischen Festkörper eine Normalspannung σ an (Normalspannung = Kraftkomponente Knormal senkrecht zur Oberfläche, dividiert durch die Flächengröße F), so wird er gedehnt. Im Bereich elastischer Verformung lässt sich seine da-durch veränderte Länge l(σ) in eine Taylorreihe um die Länge des unbelasteten Festkörpers l(0) entwickeln

( ) ( )2 2 3 3

2 301! 2! 3!

dl d l d ll ld d d

σ σ σσσ σ σ

= + ⋅ + ⋅ + ⋅ + (1)

oder mit leicht verständlichen Abkürzungen:

( ) ( ) 2 31 2 30l l lσ α σ α σ α σ∆ = − = + + + (1b)

Die Koeffizienten αi beschreiben, wie der Festkörper der Länge l auf die Zugbelastung σ rea-giert.

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Mechanische Materialkonstanten MK 5

Ist die Zugspannung σ hinreichend klein, so zeigt der Festkörper eine lineare elastische Reak-tion, d.h. die höheren Glieder der Reihe in Gl. (1b) sind vernachlässigbar klein. In diesem Proportionalitätsbereich gilt:

1l α σ∆ =

bzw. auf die Längeneinheit des Körpers bezogen:

( ) ( )

1 1 Hooksches Gesetz0 0

normalKll l E F

α σ∆= = (2)

E bezeichnet man als Elastizitätsmodul oder Dehnungsmodul.

3.2 Querkontraktion, Poissonsche Zahl Die durch die Dehnung ∆l verursachte Volumenvergrößerung wird vom Körper teilweise durch eine Querschnittsverringerung rückgängig gemacht. Das Verhältnis aus relativer Di-ckenänderung ∆d/d zu relativer Längenänderung ∆l/l ist weitgehend unabhängig von der Be-lastung und wird als Querzahl, Querkontraktionszahl oder Poissonsche Zahl µ bezeichnet:

( ) ( )d d l l µ∆ ∆ = (3)

µ ist ebenfalls eine Materialkonstante. Sie hat Werte zwischen 0 und 0,5.

3.3 Scherung, Schubmodul Greift eine Tangentialspannung τ an einem einseitig festgehaltenen Quader an, so erhält man im Bereich linearer elastischer Verformung analog folgenden Zusammenhang zwischen der Spannung τ und dem Schub- oder Torsionswinkel β:

tangential1 1 KG G F

β τ= = (4)

Dabei wird G als Schub- oder Torsionsmodul bezeichnet.

3.4 Kompression, Kompressionsmodul Wirken allseitig Normalkräfte mit konstantem Druck K/F auf einen Festkörper ein, so wird er komprimiert. Zur Beschreibung seiner relativen Volumenänderung ∆V/V dient dann der Kompressionsmodul κ :

1V KV Fκ

∆= − (5)

3.5 Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten Da alle elastischen Konstanten letztlich durch die Kräfte zwischen den Gitterteilchen bedingt sind, sind sie nicht unabhängig voneinander; vielmehr sind durch je zwei der Konstanten die übrigen mitbestimmt.

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MK 6 Mechanische Materialkonstanten

4. Versuche 4.1 Dehnungsmodul aus der Dehnung von Drähten

Methode: Ein Draht aus dem zu untersuchenden Material wird auf der linken Seite der Apparatur ein-gespannt, indem die Öse des Drahtes in den Haken eingehängt wird. Dann wird der Draht über die linke Rolle zu der drehbaren rechten Rolle geführt, wo er entsprechend befestigt wird. Er soll auf den Oberseiten von linker und rechter Rolle in den Rillen liegen. Die Vorbe-lastung bewirkt, dass der Draht straff gespannt ist. Zwischen linker und rechter Rolle wird dann der Reiter so auf den Draht aufgesetzt, dass seine Skala mit dem Messmikroskop beo-bachtet werden kann. Zur besseren Ablesung kann die Skala beleuchtet werden. Das Mess-mikroskop kann an Einstellschrauben nach allen Richtungen verschoben werden, wobei zu beachten ist, dass bei Verschiebungen längs des Drahtes die beiden seitlichen Feststellschrau-ben zu lockern sind. Zur Justierung wird das Fadenkreuz des Okulars auf den Nullpunkt der Skala eingestellt.

Legt man nun Zusatzgewichte auf die obere Gewichtsschale, so wird der Draht gedehnt, und die Skalenverschiebung im Okular ergibt die Längenänderung l des Drahtstückes zwischen der Auflagestelle des Drahtes auf der festen Rolle und dem Skalenreiter. Man misst also ge-nau genommen nicht ( ) ( )0l l lσ∆ = − , sondern ( ) ( )0 0l l lσ σ σ∆ = + − , wenn σ0 die durch die Vorbelastung und σ die durch die Zusatzbelastung hervorgerufenen Zugpannungen sind.

Die Fehler, die durch Veränderungen der Drahtbefestigung an der festen Rolle bei Belastung entstehen können, sind in unserem Versuch vernachlässigbar klein.

Die Be- und Entlastung erfolgt, indem Gewichte von 100 g bis maximal 1 kg aufgelegt wer-den. Zu beachten ist, dass die am Draht angreifende Kraft nicht mit der Gewichtskraft der aufgelegten Gewichte übereinstimmt. Die Skala auf dem Reiter ist 10 mm lang und in 100 Teile geteilt.

Aufgabe 1: Man leite die Beziehung zwischen der Gewichtskraft der aufgelegten Gewichte und der da-durch am Draht angreifenden Zugspannung σ her.

Hinweis: Die Durchmesser der schwarzen Kunststoffscheibe und der Metallrolle, auf der der Draht auf-gewickelt ist, betragen 200 mm bzw. 40 mm.

Aufgabe 2: Man messe ∆l als Funktion der Be- und Entlastung an drei Drähten und stelle die Abhängig-keit grafisch dar.

Hinweis: Die am Draht angreifende Vorbelastung soll 1,5 kg betragen. Wie groß muss also das Ge-wicht sein, das hierzu auf den Gewichtsträger gelegt wird?

Legen Sie die Gewichtsstücke stets sehr vorsichtig auf die Gewichtsschale, da sonst u.U. der Draht beim Auflegen plastisch verformt wird. Die mittlere Dicke der Drähte wird als Mittel-wert aus 10 mit der Mikrometerschraube an verschiedenen Stellen durchgeführten Messungen bestimmt (Achtung: Mikrometerschrauben werden nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Falls bei Be- oder Entlastung die Skala im Mikroskop unscharf wird, kann man das Mikroskop am Feintrieb nachjustieren. Achten Sie darauf, dass die Drähte niemals geknickt werden, da sie sonst unbrauchbar werden.

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Mechanische Materialkonstanten MK 7

Aufgabe 3: Man bestimme die Dehnungsmoduln der drei Drahtmaterialien.

Hinweis: Dazu bestimme man die Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwerts-geraden. Falls Be- und Entlastungskurve eine deutliche Hysterese zeigen, ist die Steigung desjenigen Teils der Belastungskurve zu nehmen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen).

Aus der Steigung und der in Aufgabe 1 abgeleiteten Beziehung berechne man die Elastizi-tätsmoduln mit Hilfe von Gl. (2) und gebe sie in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehler-rechnung).

Aufgabe 4: Man berechne aus den gemessenen E-Moduln und den zugehörigen Poissonschen Zahlen die Torsionsmoduln der Drahtmaterialien.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Poissonschen Zahl nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

4.2 Dehnungsmodul aus der Biegung von Stäben

Methode: Ein Rundstab ist auf zwei um die Länge L voneinander entfernte Schneiden aufgelegt. Durch die Gewichtskraft K einer in der Mitte zwischen den Schneiden aufgelegten Masse m wird er um die Höhe s durchgebogen.

Stellen wir uns vor, der Stab bestehe aus einem dichten Bündel sehr dünner Einzelfasern, de-ren Querschnittsfläche df sei, so können wir diese Fasern einzeln untersuchen. Bei der Durch-biegung werden die unten liegenden Fasern gedehnt; ihre Längenänderung wird im Proportio-nalitätsbereich durch den Elastizitätsmodul E beschrieben. Entsprechend werden die oben liegenden Fasern des Stabes gestaucht, und ihre Längenänderung wird ebenso durch E be-stimmt. Im Innern des Stabes gibt es einen Bereich von Fasern, deren Länge bei der Durch-biegung nicht verändert wird; man bezeichnet diese als „neutrale Fasern“.

Die Theorie liefert im Proportionalitätsbereich für den Zusammenhang zwischen Gewichts-kraft K und Durchbiegung s der Stabmitte folgende Beziehung:

3

4

1 R: Radius des Rundstabes12

Ls KR Eπ

= (6)

In unserem Versuch wird die Durchbiegung s mit einer Messuhr gemessen, deren Skala in 1/100 mm-Schritten geteilt ist. Eine volle Umdrehung des großen Zeigers entspricht daher der Durchbiegung s = 1 mm. Auf den am Stab hängenden Gewichtsträger werden die jeweils 200 g wiegenden Gewichtsstücke geschoben.

Die Messung besteht darin, für jeden der Stäbe das Gewicht in Schritten von 200 g bis zu ei-ner maximalen Belastung von 2 kg zu erhöhen und die zugehörigen Werte von s abzulesen. Anschließend wird der Gewichtsträger in Schritten von 200 g wieder entlastet. Die Funktio-nen s = s(K) werden grafisch als Belastungs- und Entlastungskurve auf mm-Papier dargestellt.

Hinweis: Da die Stäbe infolge vorausgegangener Versuche i.a. leicht verbogen sind, dreht man den Stab, nachdem man ihn auf die Schneiden aufgelegt hat, solange um seine Längsachse, bis die

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MK 8 Mechanische Materialkonstanten

Messuhr den größten Ausschlag zeigt. Damit ist gesichert, dass die bereits vorhandene Durchbiegung nach unten weist und sich der Stab während der Belastungen nicht dreht.

Es empfiehlt sich nicht, die Skala der Messuhr auf den Nullpunkt einzujustieren. Nachdem der Gewichtsträger eingehängt ist, liest man die Anzeige der Uhr ab und subtrahiert diesen Wert von allen während der Versuchsdurchführung an diesem Stab abgelesenen Messwerten.

Aufgabe 1: Man nehme für 3 Rundstäbe die Be- und Entlastungskurve auf und stelle sie grafisch dar.

Aufgabe 2: Man berechne aus der Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwertsge-raden die Elastizitätsmoduln der 3 Stabmaterialien. Falls Be- und Entlastungskurve eine Hys-terese zeigen, ist nur die Steigung desjenigen Teils der Belastungskurve zur Auswertung he-ranzuziehen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen). Man gebe E in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehlerrechnung).

Hinweis: Man bestimme die mittlere Dicke der Stäbe, indem man mit der Mikrometerschraube an 10 verschiedenen Stellen die Durchmesser misst und daraus den Mittelwert bildet (Achtung: Mikrometerschrauben werden nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Die Länge L des zwischen den Schneiden liegenden Teiles der Stäbe wird mit dem Bandmaß bestimmt.

Aufgabe 3: Man berechne aus den gemessenen E-Moduln und den zugehörigen Querzahlen der 3 Stäbe die Torsionsmoduln.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Querzahlen nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

Anhang: Herleitung der Formel (6): Zur Vereinfachung der Herleitung beachten wir, dass die Durchbiegung unseres Stabes so erfolgt, als sei der Stab am Angriffspunkt der Gewichtskraft in der Mitte fest eingespannt, und die beiden Enden würden durch zwei aufwärts gerichtete, an den Auflagestellen angreifenden Kräfte mit dem Betrag K/2 gebogen (Abb. 1). Dann brauchen wir nur eine Hälfte des Stabes zu betrachten. Beachten Sie, dass die Durchbiegung in Abb. 1 der Deutlichkeit halber stark übertrieben gezeichnet ist. Dadurch weicht die Richtung der Stabachsen erheblich von der x-Richtung ab. Tatsächlich stimmen beide Richtungen in guter Näherung überein.

Bei der Durchbiegung wird z.B. das (beliebig klein zu wählende) Volumenelement EFGH so verformt, dass die Unterseite EF statt der Länge dx die Länge dx + δ und die Oberseite GH statt der Länge dx die Länge dx - δ erhält.

Sei CD eine beliebig herausgegriffene Faser im Abstand z von der neutralen Faser AB. Diese Faser wird dann im Bereich dieses Volumenelementes um den Betrag δx gedehnt. Da δx, dϑ und ds kleine Größen sind, gilt:

0undx zd d x d dsδ θ ϑ ϑ≅ ≅

Das Hookesche Gesetz liefert

*1x dK

dx E dfδ

=

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Mechanische Materialkonstanten MK 9

wobei df die Querschnittsfläche der betrachteten Faser und dK* den Betrag der an der Faser angreifenden Kraft bedeuten.

Abb. 1: Zur Herleitung von Gl. (6).

Auflösen nach dK* liefert

*

0

1dK z df E dsx dx

=

Durch diese Kraft, die im Abstand z von der neutralen Faser angreift, entsteht ein Drehmo-ment mit dem Betrag

dD z dK∗ ∗=

Nun gehen wir von der Einzelfaser CD zu dem gesamten Rundstab über, indem wir über die Querschnittsfläche mit dem Radius R integrieren (Querschnittskoordinate ist z). Dann erhalten wir an der Stelle x0 infolge der Verzerrungskräfte im Stab ein Drehmoment mit dem Betrag

* 4 4

0 0

1 (mit )4 4

R

D R E ds z df Rx dx

π π= =∫

Damit die Durchbiegung einen Gleichgewichtszustand darstellt, muss dieses innere Drehmo-ment entgegengesetzt gleich dem äußeren Drehmoment sein, das durch die von außen angrei-fende Kraft K/2 bewirkt wird. Da dieses im Abstand x0 gerade den Betrag

02KD x=

hat, können wir in der obigen Gleichung die Größe D* eliminieren und erhalten nun nach ds aufgelöst:

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MK 10 Mechanische Materialkonstanten

204

2Kds x dxR Eπ

=

Dies ist der Beitrag, den das bei x0 gelegene Volumenelement der Dicke dx zur Durchbiegung beisteuert.

Um die gesamte Durchbiegung s zu erhalten, müssen wir zuletzt noch über die Längskoordi-nate x von 0 bis L/2 integrieren und erhalten endgültig:

3

4

112

Ls KR Eπ

=

4.3 Schubmodul

Methode: Der Torsionsmodul verschiedener Metallstäbe wird hier mit einer statischen Methode be-stimmt. Dazu werden die Metallstäbe folgendermaßen in die Apparatur eingespannt: Man schiebt das eine Stabende ganz in die feststehende Klemmvorrichtung ein und zieht die Flü-gelschraube fest an. Dann schiebt man den Metallring der drehbaren Klemmvorrichtung zu-rück, so dass das abgeflachte Ende der drehbaren Achse freiliegt. Auf dieses wird nun die abgeflachte Seite des 2. Stabendes gelegt. Liegen beide richtig aufeinander, so kann der Me-tallring bis zum Anschlag darüber geschoben werden. Mit seiner Flügelschraube werden zu-letzt Stabende und Achse fest aufeinander gepresst.

An einer auf der Drehachse befestigten Rolle (Durchmesser d = 100 mm) hängt ein Faden mit einer Gewichtsschale. Belastet man diese, so entsteht ein Drehmoment, das zur Verdrillung des eingespannten Stabes führt.

Der durch eine bestimmte Belastung der Gewichtsschale erzeugte Verdrillungswinkel ϕ wird mittels des Zahnriemens auf die Aluminiumscheibe übertragen und dabei im Verhältnis 1:9 vergrößert. Eine ganze Umdrehung der Aluminiumscheibe entspricht also einem Verdril-lungswinkel des Stabes von 360°/9 = 40° . Die Skala der Scheibe zeigt direkt den Verdril-lungswinkel des Stabendes an und ist in Schritten von 10 zu 10 Winkelminuten unterteilt.

Vor Beginn der Messung dreht man die Zeigerscheibe so, dass der Zeiger auf den Nullpunkt der Skala weist. Belastet man nun die Gewichtsschale, so kann man am Zeiger direkt den Verdrillungswinkel ϕ ablesen. Um etwaige Fehler infolge der Lagerreibung zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Gewichtsschale jedesmal kurzfristig leicht hinunter zudrücken, wenn man ein Gewichtsstück auflegt oder entfernt. Aus dem Verdrillungswinkel ϕ ergibt sich der Torsi-onsmodul G nach der Formel

4

2lG DRπ ϕ

= (7)

Dabei steht D für das am Stab angreifende Drehmoment, l für die Stablänge und R für den Radius des Stabes. ϕ wird im Bogenmaß eingesetzt.

Aufgabe 1: Man nehme für 3 Metallstäbe die Belastungskurve ϕ = ϕ(K), wobei K die Gewichtskraft der aufgelegten Massen bedeutet, in Schritten von 100 g bis zu einer Gesamtmasse von 1 kg auf uns stelle sie grafisch dar. (Geeigneter Ordinatenmaßstab ist z.B. 2 mm pro Skalenteil (d.h. 10 Winkelminuten)). Dann verringere man die Belastung in gleichen Schritten wieder und zeich-ne entsprechend die Entlastungskurve.

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Mechanische Materialkonstanten MK 11

Aufgabe 2: Man berechne aus der Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwertsge-raden die Torsionsmoduln der drei Stabmaterialien. Man gebe sie in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehlerrechnung).

Falls Be- und Entlastungskurve eines Stabes eine Hysterese zeigen, ist nur die Steigung des-jenigen Teils der Belastungskurve zu nehmen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen).

Hinweis: Man bestimme die mittlere Dicke der Stäbe, indem man an 10 verschiedenen Stellen die Di-cke mit der Mikrometerschraube misst und den Mittelwert bildet (Achtung: Mikrometer-schrauben werden stets nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Die Länge der Stäbe wird mit dem Bandmaß ermittelt. Wieso darf diese Messung ungenauer als die des Radius sein?

Man berechne das infolge der Belastung der Gewichtsschale am Stab angreifende Drehmo-ment.

Aufgabe 3: Man berechne aus den gemessenen Torsionsmoduln und den Querzahlen der drei Stäbe ihre Elastizitätsmoduln.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Querzahlen nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

Aufgabe 4: Man nehme Be- und Entlastungskurve eines Metallrohres (Blei oder Zinn) bei Raumtempera-tur und bei ungefähr 90 K. Bei welcher Belastung liegt die Fließgrenze bei Raumtemperatur?

Geben Sie Proportionalitäts- und Elastizitätsgrenze bei beiden Temperaturen an. Wie kommt die zu beobachtende Temperaturabhängigkeit zustande?

Anmerkung: Auch aus den Messungen an dem Rohr könnte man den Torsionsmodul im Prin-zip leicht ermitteln. Dabei ist nur zu beachten, dass man bei der Herleitung von Gl. (7) nicht von 0 bis R, sondern von R1 bis R2 integriert, wobei R1 und R2 der innere bzw. äußere Radius des Rohres sind.

Hinweis: Man spanne das Rohr ein und nehme die Belastungskurve in Schritten von 100 g auf. Dabei achte man darauf, bei welcher Belastung das Material deutlich zu fließen beginnt. An der Fließgrenze breche man die Belastungsmessung ab.

Für die Abkühlung des Rohres auf 90 K mit Hilfe von flüssigem Stickstoff hilft Ihnen der/die Betreuer/in. Ist das Rohr genügend abgekühlt, so messe man Be- und Entlastungskurve in Schritten von 500 g bis zu einer maximalen Belastung von 2,5 kg.

Vorsicht: Flüssiger Stickstoff kann zu Hautverletzungen führen. Tragen Sie Schutzhandschu-he und Schutzbrille.

4.4 Torsionsschwingungen

Methode: Hier wird der Torsionsmodul mit einer dynamischen Methode bestimmt. Aus der Definitions-gleichung (4) berechnet man, dass für die Verdrillung eines Stabes der Länge l und des Ra-dius R seines kreisförmigen Querschnitts um den Winkel ϕ folgendes Drehmoment D erfor-derlich ist:

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MK 12 Mechanische Materialkonstanten

4

2 rRD G Dl

π ϕ ϕ= = (8)

Dr ist das Direktionsmoment (Richtmoment).

Befestigt man das obere Ende eines dünnen Stabes in einer Halterung und bringt an dem unte-ren Ende eine Kreisscheibe an, deren Trägheitsmoment Θ sei, so wirkt bei Verdrillung um den Winkel ϕ das rücktreibende Drehmoment (Gl. (8)), und es können Torsionsschwingungen um den Stab als Achse entstehen, für deren Schwingungsdauer gilt:

2r

TD

π Θ=

Mit Gl. (8) folgt:

4

22 lTGR

ππΘ

= (9)

Aufgabe 1: Man bestätige experimentell, dass T2 ∼ l ist.

Hinweis: Dazu spanne man den dünnsten der 3 Stäbe gleichen Materials mit angeschraubter Kreis-scheibe in 5 verschiedenen Längen in die Halterung ein (Längen mit dem Bandmaß messen) und bestimme jeweils T als Mittelwert aus 20 Schwingungen. Die Proportionalität wird ent-weder rechnerisch oder grafisch gezeigt.

Aufgabe 2: Man zeige entsprechend, dass T ~ 1/R2 ist.

Hinweis: Bei gleicher, maximal möglicher Länge benutze man hierzu die 3 Stäbe von verschiedenem Radius. R bestimme man mit der Mikrometerschraube, indem man mindestens 10 verschiede-ne Stellen jeden Drahtes ausmisst und den Mittelwert bildet. Man beachte dass die Mikrome-terschraube nur am äußersten Ende gedreht werden darf.

Aufgabe 3: Man bestimme den Torsionsmodul G des Stabmaterials und gebe ihn in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an.

Hinweis: Die Schwingungsdauer wird wieder aus 20 Schwingungen ermittelt, wobei man den dünnsten Stab benutzt. Das Trägheitsmoment der Kreisscheibe berechnet man aus ihrer Masse und ih-rem Radius. Masse und Radius werden zu diesem Zweck gemessen. Der Torsionsmodul er-gibt sich dann aus Gl. (9) (Fehlerrechnung).

Aufgabe 4: Man berechne aus dem gemessenen Torsionsmodul und der zugehörigen Poissonschen Zahl (die Ihnen der/die Betreuer/in nennt) den Elastizitätsmodul E des Drahtmaterials.

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Physikalisches Grundpraktikum

Drehbewegungen

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter:

Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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DREHBEWEGUNGEN Stoffgebiet: Dynamik starrer Körper Energie-, Impulserhaltungssatz D'Alembertsches Prinzip Zwangskräfte Drehbewegung fester Körper Drehmoment Trägheitsmoment Richtmoment Trägheitskraft Zentripetalkraft, Zentrifugalkraft Corioliskraft Kreisel Elastischer, unelastischer Stoß

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DB 2 DREHBEWEGUNGEN

Fragen: 1. Wie sind Drehmoment und Drehimpuls definiert? 2. Wie lautet die Definition des Trägheitsmomentes? 3. Was besagt der Steinersche Satz? 4. Was versteht man unter den Hauptträgheitsachsen eines Körpers? Was

sind freie Achsen? 5. Was versteht man unter dem Gewicht eines beschleunigten Körpers?

(&&x=const.) 6. Was besagt der Drehimpulserhaltungssatz? Wie läßt er sich

experimentell beweisen? 7. Wie sind Zentripetal- und Zentrifugalkraft definiert? Wie

unterscheiden sie sich? 8. In welche Energieformen wird die potentielle Energie eines Körpers,

der eine schiefe Ebene hinunterrollt, umgewandelt? Wie sind diese Energien definiert?

9. Warum ist der Quotient Etrans/Erot beim Maxwellschen Fallrad

während eines Falles konstant? 10. Welche Kräfte wirken auf einen Satelliten, der die Erde umläuft?

Wann ist seine Umlaufbahn stabil? 11. Berechnen Sie die Bewegungsgleichung (7) von Teil B durch

Differenzieren des für eine Höhe x aufzustellenden Energiesatzes. 12. Verifizieren Sie Gl.(6) von Teil B. 13. Neben dem d'Alembertschen Prinzip sind weitere allgemeine

Prinzipien der Mechanik formuliert worden. Geben Sie zwei davon an.

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DREHBEWEGUNGEN DB 3

Grundlagen: Um von den Gesetzen der fortschreitenden Bewegung zu denen der Drehbewegung zu gelangen, setzt man anstelle von Kraft

rF, Masse m,

Wegstrecke rs , Geschwindigkeit rv und Beschleunigung ra die Größen Drehmoment

rM, Trägheitsmoment J, Winkel ϕ, Winkelgeschwindigkeit

ddt

rϕ und Winkelbeschleunigung d

dt

2

2

rϕ .

Geradlinige Bewegung (Translation) Formel Einheit Weg r r r rs at vt s= + +1

22

0 m

Geschwindigkeit rr r

vdsdt s= = & ms-1

Beschleunigung rr r r

a dvdt

d sdt

s= = =2

2 && ms-2

Masse m kg

Kraft r r

rF m a dp

dt= ⋅ = N

Impuls r rp m v= ⋅ Ns Kreisbewegung (Rotation) Formel Einheit

Winkel r

rr r

ϕω

ω ϕ= + +12

20

ddt

t t rad

Winkelgeschwindigkeit r rω

ϕϕ= =

ddt

& rad s-1

Winkelbeschleunigung ddt

ddt

r r rω ϕϕ= =

2

2 && rad s-2

Trägheitsmoment J r dm= ∫ 2 kg m2

Drehmoment r r r

D J ddt

dLdt

= ⋅ =ω Nm

Drehimpuls

r rL J= ⋅ω Nm s

Im folgenden sollen Drehungen um eine feste Achse betrachtet werden.

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DB 4 DREHBEWEGUNGEN

Die der Bewegungsgleichung bei einer Translation K ms= && analoge Gleichung für Drehbewegungen lautet demnach (1) D J= ⋅ &&ϕ D : Betrag des Drehmomentes J : Trägheitsmoment &&ϕ : Betrag der Winkelbeschleunigung Wirkt ein zeitlich konstantes Drehmoment, so ist auch die Winkelbeschleunigung

(2) && .ϕ = =DJ const

Durch zweimalige Integration läßt sich aus (2) der in der Zeit t zurückgelegte Winkel ϕ ermitteln.

(3) ϕ ϕ ϕ ϕ= + +12

20 0&& &t t

&ϕ0 : Anfangswinkelgeschwindigkeit ϕ0 : Anfangswinkel (zur Zeit t=0) Es seien für das folgende &ϕ0 =0 und ϕ0 =0. Kennt man die Zahl n der in der Zeit t zurückgelegten Umdrehungen, ϕ π= ⋅n 2 , so kann man aus (3) die Winkelbeschleunigung &&ϕ berechnen. Damit läßt sich aus (1) das Trägheitsmoment J bestimmen, wenn D bekannt ist. Bei einem Teil der Versuche wird das konstante Drehmoment durch Gewichtskräfte erzeugt, die über ein Seil tangential an einer an einem Drehkörper befestigten Kreisscheibe , d.h. senkrecht zum Radiusvektor rr angreifen. Dann gilt (siehe Abb.):

D m g r= ⋅ ⋅ (4)

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DREHBEWEGUNGEN DB 5

m : Masse der Gewichtsstücke g : Erdbeschleunigung r : Radius des Rades

Das Trägheitsmoment eines starren Körpers läßt sich durch Integration der Gleichung dJ r dm= 2 (5) dm : Massenelement r : Abstand des Massenelementes von der Drehachse bestimmen.

Verläuft die Drehachse nicht durch den Schwerpunkt des Körpers, so läßt sich das Trägheitsmoment um die Achse A aus dem Trägheitsmoment Js um die dazu parallele Achse durch den Schwerpunkt nach dem Steinerschen Satz berechnen:

J J M aA S= + ⋅ 2 (6) Js : Trägheitsmoment um die Schwerpunktsachse M : Gesamtmasse des Körpers a : Abstand Schwerpunktachse zur Drehachse Versuch A: Drehtisch Aufgabe: Man bestimme a) das Trägheitsmoment des leeren Drehtisches und b) das Trägheitsmoment des Drehtisches, der mit Gewichten in verschie-denen Abständen von der Drehachse belastet wird.

S r

mg

90°

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DB 6 DREHBEWEGUNGEN

Messung: In Aufgabe a) erzeuge man gemäß Gleichung (4) durch 3 verschiedene Massen m=100g, 200g und 300g und zwei verschiedene Radien der Antriebsscheibe von 2,5cm und 3,5cm sechs verschiedene Drehmomente und bestimme die Winkelbeschleunigung &&ϕ aus Gleichung (3) für jeweils 3 Umdrehungen (ϕ π= 6 ). Die Zeit t für 3 Umdrehungen messe man jeweils 3 mal und nehme den Mittelwert. Man trage die Funktion D f= (&&)ϕ graphisch auf und entnehme daraus das Trägheitsmoment J des Drehtisches (Fehlerrechnung !). In Aufgabe b) überprüfe man die Gültigkeit des Steinerschen Satzes auf folgende Weise: Auf dem Drehtisch sind symmetrisch zur Achse in verschiedenen Abständen a je zwei Löcher gebohrt. Man stecke die zwei Gewichte mit ihren Stiften auf dem Drehtisch in jeweils zwei zusammengehörende Löcher und bestimme dann nacheinander für alle Abstände a von der Drehachse das Trägheitsmoment des Tisches mit Gewichten. Die verschiedenen Trägheitsmomente messe man wie in Aufgabe a) mit dem durch m=200g und r=2,5cm gegebenen Drehmoment. Von den so erhaltenen Gesamtträgheitsmomenten Jges von Tisch und Gewichten ziehe man dann das in Aufgabe a) gemessene Trägheitsmoment des Drehtisches JT und die Trägheitsmomente der Gewichte Js bezüglich ihrer zur Drehachse parallelen Achse durch ihren Schwerpunkt ab. Letzteres berechnet man aus der Masse M und dem Radius R der Gewichte gemäß:

Drehachse

Zusatzmassen

Lichtschrankemit Stoppuhr

a

r

mg

DrehscheibeAntriebs-

scheibe

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DREHBEWEGUNGEN DB 7

J M RS =12

2 (7)

da die Gewichtskörper Zylinderform haben. Die Differenz J J Jges T S− + ⋅( )2 trage man als Funktion von a2 graphisch auf.

Wie können Sie aus dieser Kurve die Gültigkeit des Steinerschen Satzes nachprüfen? Zusatzaufgabe: Man berechne die Rotationsenergie des unbelasteten Drehtisches nach Durchlaufen von 3 Umdrehungen bei m = 200g und r = 2,5cm. Versuch B: Maxwellsches Fallrad Grundlagen:

Das Maxwellsche Fallrad ist eine Metallscheibe, die senkrecht an zwei an ihrer Achse befestigten Fäden hängt. Wickelt man diese Fäden auf und läßt dann das Rad fallen, so spulen sie sich ab, und neben der Translationsbewegung entsteht eine Rotationsbewegung des Rades. Das Maxwellsche Fallrad stellt ein Anwendungsbeispiel des d'Alembert-schen Prinzips dar, das besagt: K Z m xi

ii

i∑ ∑− − ⋅ =&& 0 (1)

wobei Ki die von außen an einem Körper angreifenden Kräfte, Zi die Zwangskräfte und m x⋅ && die d'Alembertsche Trägheitskraft bedeuten.

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DB 8 DREHBEWEGUNGEN

(m=Masse, &&x=Beschleunigung des Körpers). Durch Hinzufügen der Trägheitskraft erhält man so auch für den Fall beschleunigter Bewegungen eine Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte. Beim Maxwellschen Fallrad vereinfacht sich Gl.(1) zu : (2) m g Z m x⋅ − − ⋅ =&& 0 wobei Z die Zwangskraft durch die Kopplung der Rotations- an die Translationsbewegung und mg die Schwerkraft darstellen. Gl(2) bedeutet also eine Zerlegung der Bewegung des Rades in die Translation und die dadurch erzwungene Rotation um die zur Drehachse parallele Schwerpunktsachse. Letztere wird durch das Drehmoment (3) D J Z r= ⋅ = ⋅0 &&ϕ bewirkt, wobei J0 das Trägheitsmoment bezüglich der zur Drehachse parallelen Schwerpunktsachse des Rades ist, und &&ϕ die Winkelbeschleunigung bedeutet. Die geometrische Zwangsbedingung, die beide Bewegungen verknüpft, ist (4) dx r d= ϕ Zur Vereinfachung denke man sich die Gesamtmasse von Rad und Achse bei gleichbleibendem Trägheitsmoment in einem Ring konzentriert. Dieser habe den Radius R; dann ergibt sich: (5) J m R0

2= ⋅ Mit (3) und (4) folgt die Zwangskraft

(6) Z Jr

x= ⋅02 &&

und mit (2) und (5) erhält man als vollständige Bewegungsgleichung:

mg mx Rr

− ⋅ + =&& ( )1 02

2 (7)

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Anmerkung: Bei dem einfachen Problem des Fallrades läßt sich Gl.(7) kontrollieren, indem man auf die Zerlegung in Translation und erzwungene Rotation verzichtet und mit Hilfe des Steinerschen Satzes das Trägheitsmoment bezüglich der momentanen Drehachse bildet:

J m R rA = ⋅ +( )2 2 (8) Die am Schwerpunkt angreifende Schwerkraft verursacht das Drehmoment

D m g r JS A= ⋅ ⋅ = ⋅ &&ϕ (8') und mit (8) und (4) folgt direkt Gl.(7). Es ist zu erwähnen, daß der Vorteil der allgemeinen Formulierung der Gl.(1) in schwierigeren Problemen deutlicher wird. Das Rad fällt, bis die Fäden abgewickelt sind. In der letzten Viertelumdrehung bevor das Rad seine tiefste Lage erreicht hat, greift der Faden nicht mehr tangential an der Achse an, und statt (4) erhält man als Zwangsbedingung (Fig.2):

x r* sin= ⋅ ϕ (8'')

Bei ϕ=90° greift der Faden senkrecht an, und das durch ihn bewirkte Drehmoment ist Null. Translations- und Rotations-bewegung sind entkoppelt. Setzt man völlig unelastische Fäden voraus, so wird, da die Fäden an der Achse befestigt sind, in diesem Augenblick durch den erfolgenden Ruck die kinetische Energie der Translation Etrans vom Faden verschluckt, der Impuls ändert sein Vorzeichen, die Fäden spulen sich

infolge der verbleibenden Rotationsenergie Erot wieder auf, das Rad steigt in die Höhe, und nach der ersten Viertelumdrehung gilt wieder (4).

ϕx*

Fig.: 2

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DB 10 DREHBEWEGUNGEN

Mit Hilfe des Energiesatzes läßt sich die Steighöhe ermitteln. Während des Falles gilt : (9) E E E constpot trans rot+ + =

( Epot = potentielle Energie). Das Rad sei in der Höhe h1 losgelassen

worden. Eine Viertelumdrehung vor dem unteren Umkehrpunkt sei die Höhe h2 erreicht; dort gilt:

(10) mg h h mx J( ) & &1 2 02

0 021

212

− = + ϕ

Im Idealfall völlig unelastischer Fäden geht 1

22mx& an die Fäden verloren.

Während der anschließenden Aufwärtsbewegung wird Erot in Epot

umgewandelt, und das Rad steigt bis h3 :

(11) mg h h J( ) &3 2 0 021

2− = ϕ

Man kann, wenn man h1, h2 und h3 kennt, das konstante Verhältnis von Translations- zu Rotationsenergie während des Falles bestimmen. Ebenso kann man das Verhältnis von Fallbeschleunigung &&x zur Erdbeschleunigung g ermitteln, das sich aus (7) ergibt zu:

(12) && ( )xg

Rr

= + −12

21

Anmerkung: Völlig unelastische Fäden sind im vorliegenden Versuch nicht zu realisieren, so daß ein erheblicher systematischer Fehler auftritt. Aufgabe 1:

Wie groß ist EEtrans

rot am unteren Umkehrpunkt ?

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DREHBEWEGUNGEN DB 11

Messung : a) Dazu bestimme man h1, h2 und h3 und, da sie in Teil b benötigt wird,

die Fallzeit t, jeweils als Mittelwert aus 20 Messungen. Den Quotienten bestimme man mit Hilfe von Gleichung (10) und (11).

b) aus Fallstrecke und Fallzeit bestimme man Etrans am unteren Umkehr-

punkt. Mit Gleichung (10) berechne man Erot . c) Man begründe das unterschiedliche Ergebnis. Aufgabe 2: a) Wie groß ist &&x

g ?

b) Wie verhält sich Etrans des Fallrades zu Etrans* beim während der

gleichen Zeit frei fallenden Rad ? c) Wie verhält sich Etrans zu Etrans

** beim die gleiche Strecke frei fallenden Rad? Messung : Man bestimme &&x des Fallrades aus Fallzeit und Fallstrecke, wobei zu beachten ist, daß &&x=const. Aufgabe 3: Man berechne aus den Ergebnissen der Aufgabe 2 den Trägheitsradius R und das Trägheitsmoment des Fallrades (m = 380g). Messung : Den Radius messe man an 10 verschiedenen Stellen mit der Mikrometerschraube. (Vorsicht ! Mikrometerschraube nur am äußersten Ende drehen !) Aufgabe 4: Man bestimme mit Hilfe des d'Alembertschen Prinzips die an einem frei fallenden Körper angreifende Kraft (Fallbeschleunigung = g).

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DB 12 DREHBEWEGUNGEN

Aufgabe 5: Untersuchen Sie das Gewicht des fallenden Rades. Wie groß ist es, wenn das Rad ruht, fällt und steigt ? Durchführung: 1. Zuerst ist die als Waagebalken ausgebildete Halterung des Rades zu

lockern (der Assistent zeigt es Ihnen). 2. Durch Gegengewichte ist der Zeigerausschlag der Waage für das

ruhende Rad auf Null einzustellen. 3. Dann wird der Faden aufgerollt und das Rad fallen gelassen. Sie

beobachten einen Zeigerausschlag. Bevor der untere Umkehrpunkt erreicht ist, müssen Sie wegen des dort entstehenden Rucks den Waagebalken festhalten.

4. Bei der anschließenden Aufwärtsbewegung des Rades ist wiederum ein Ausschlag des Zeigers zu beobachten.

Aufgabe 6: Berechnen Sie das Gewicht für die drei Fälle der Aufgabe 5 mit Hilfe des d'Alembertschen Prinzips und des Resultates von Aufgabe 2. Versuch C Drehbewegungsgerät nach Jordanhill Grundlagen : In diesem Versuch wird ein Luftkissentisch benutzt, über dem eine Drehscheibe (∅ = 298mm, m = 960g) schwebt und mit nur sehr geringer Reibung frei rotieren kann. Für die Aufgaben 1 und 2 wird die Scheibe durch konstant wirkende Kräfte angetrieben, die durch Gewichtskörper erzeugt werden. Für Aufgabe 3 läßt sich die Scheibe mit einem Motor mit konstanter Umlaufgeschwindigkeit antreiben. Zum Antrieb für die Aufgaben 1 und 2 wird der Träger mit der Dreifach-Antriebsscheibe auf die Drehscheibe aufgeschraubt. (Verwenden Sie die kurzen, keinesfalls die langen Schrauben!). Das Luftkissen wird mittels eines Gebläses erzeugt, das über einen Schlauch mit dem Lufteinlaßstutzen des Drehtisches verbunden wird. Die Drehtischfläche wird zunächst mit einem Tuch entstaubt. Nach Einschalten des Gebläses wird die Scheibe auf den kleinen Metallstift in der Mitte der Matrizenfläche gelegt.

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DREHBEWEGUNGEN DB 13

Achtung: Achten Sie darauf, daß das Gebläse eingeschaltet ist, bevor eine Bewegung der Scheibe angeregt wird !

Aufgabe 1: Bestimmen Sie das Trägheitsmoment der Scheibe. Erzeugen Sie dazu gemäß Gleichung (4) der Anleitung durch 3 verschiedene Massen (m=10g, 20g und 30g) und zwei verschiedene Radien der Antriebsscheibe (r=3cm und r=2cm) sechs verschiedene Drehmomente und bestimmen Sie die Winkelbeschleunigung &&ϕ aus Gl.(3) für je 2 Umdrehungen (ϕ π= 4 ). Bei jeder Einstellung messe man die Zeit für 2 Umdrehungen jeweils 3 mal und nehme den Mittelwert. Die Zeitnahme erfolgt mittels einer Lichtschranke, die mit einer Digitaluhr gekoppelt ist. Zunächst wird der an dem Antriebsscheibenträger angebrachte Metallstreifen in den Lichtstrahl gebracht und die Uhr durch Drücken des 'Reset'-Knopfes in die Nullstellung gebracht. (Läuft die Uhr danach sofort los, so ist der Lichtstrahl der Lichtschranke nicht richtig abgedeckt). Die Scheibe wird mit Hilfe des am Drehtisch befestigten Reibrades in dieser Stellung festgehalten. Nach Wegziehen des Reibrades beginnt die Scheibe sich zu drehen, der Lichtstrahl wird freigegeben, und die Uhr startet. Nach 2 Umläufen stoppt die Uhr automatisch und gibt die benötigte Zeit an. Tragen Sie die Funktion D(&&)ϕ graphisch auf und entnehmen Sie daraus das Trägheitsmoment J der Drehscheibe (Fehlerrechnung!). Vergleichen Sie mit dem theoretischen Wert.

Drehachse

Luftstrom aus Luftkanälen

Lichtschrankemit Digitaluhr

Motor

ZusatzmassenMasse-körper

mAntriebs-rad

Antriebsräder Umlenk-rolle

rAbstand a

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DB 14 DREHBEWEGUNGEN

Aufgabe 2: Überprüfen Sie den Steinerschen Satz. Dazu stecken Sie die beiden Zusatzmassen (M=250g) auf die vorgesehenen Stifte auf dem Träger. Man messe die Abstände a von der Drehachse . Bestimmen Sie wie in Aufgabe 1 das Trägheitsmoment von Scheibe und Zusatzmassen Jges mit r = 3cm und m = 10g sowie m = 20g. Von Jges ziehe man das Trägheitsmoment der Scheibe JS sowie das Trägheitsmoment der Zusatzgewichte, JG , ab. Dabei ist J MRG = 1

22 wegen der Zylinderform der Zusatzmassen

(R = 15 mm). Die Differenz J J Jges S G− +( )2 trage man gegen a2 graphisch auf. Wie

kann man anhand dieser Kurve die Gültigkeit des Steinerschen Satzes überprüfen (Begründung!) ? Aufgabe 3: Messen Sie die an einem Probekörper angreifende Zentrifugalkraft. Anstelle des Trägers mit den Antriebsscheiben schraube man nun die Schiene mit dem Rollwagen auf die Drehscheibe. In den Wagen lege man den Metallquader. Der Wagen ist mit einem Feder-Dynamometer (Federwaage) verbunden. Dann verbindet man das Reibrad mit der Drehscheibe, die dadurch mittels eines Elektromotors mit variierbarer Drehgeschwindigkeit angetrieben werden kann. Die Drehgeschwindigkeit wird mit der Motorspannung geregelt, die am Netzgerät durch ein Grob- und ein Feinpotentiometer einstellbar ist. Der Motor darf mit maximal 6V Gleichspannung betrieben werden. Die Auslenkung des Feder-Dynamometers bedingt, daß der Abstand des Metallkörpers von der Drehachse nicht konstant ist, sondern mit steigender Drehfrequenz zunimmt. Daher muß dieser Abstand bei jeder Drehfrequenz neu bestimmt werden. Das geschieht, indem man zu dem Abstand zwischen Drehachse und Metallquader-Mitte in Ruhelage die jeweils an der Federwaage ablesbare Federverlängerung addiert. Die Zentrifugalkraft FZ sowie die Auslenkung der Feder können direkt an der Federwaage abgelesen werden. Bestimmen Sie die Umlauffrequenz der Scheibe für FZ = 0.5N, 1.0N, 1.5N, 2.0N, 2.5N und 3.0N und den entsprechenden Umlaufradius der Probemasse. Die Auslenkung x der Feder pro Teilstrich ist am Arbeitsplatz angegeben, der Abstand d vom Schwerpunkt des Wagens zur Drehachse ohne Auslenkung der Feder

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DREHBEWEGUNGEN DB 15

beträgt 80mm. Bestimmen Sie ω aus der Zeit, die die Scheibe für 5 Umläufe benötigt. Diese wird mit der Digitaluhr gemessen, indem Sie zum Start der Zeitmessung den 'Reset'-Knopf drücken.

Tragen Sie Fx d

gegenZ+

ω2 graphisch auf.

Welche Form hat die so erhaltene Kurve? - Welche Form sollte sie theoretisch haben? Führen Sie die Berechnung selbst durch. Bestimmen Sie schließlich die Masse von Wagen und Metallblock aus Ihrer Meßkurve. Vorsicht: Ist der Elektromotor eingeschaltet, darf nicht versucht werden, die Scheibe mit der Hand im Uhrzeigersinn zu drehen!

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UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Fachrichtungen der Physik

Physikalisches Grundpraktikum

Wärmeleitung

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

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WL 2 Wärmeleitung

1. Stoffgebiet

• Wärmeleitung

• Elektrische Leitung

• Diffusion

• Temperaturmessung

2. Literatur

• P.A. Tipler, G. Mosca, Physik 2. Auflage (Elsevier, München 2004) Kap. 20.4

• Bergmann-Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik Band 1 Mechanik Akustik Wärme, 10.Aufl. (Walter de Gruyter, Berlin 199) S. 657

• D. Gerschke, Physikalisches Praktikum 12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001) S. 139

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Wärmeleitung WL 3

3. Fragen

1. Welche Arten von Wärmeübertragung gibt es? Welche treten im Vakuum, welche in Gasen und welche in Festkörpern auf? Erklären Sie die Wärmeisolation einer Ther-mosflasche.

2. Warum sind Metalle bei Zimmertemperatur bessere Wärmeleiter als Isolatoren? Wie lautet das Wiedemann-Franz-Gesetz?

3. Erklären Sie die Begriffe: Wirkung, Leistung, Energiestrom, Energiestromdichte und Energiedichte.

4. Erläutern Sie die Analogien der Gesetze, die die Wärmeleitfähigkeit und die die elektrische Leitfähigkeit beschreiben.

5. Die Transportphänomene werden mittels der abstrahierten schematischen Gleichung gradj Vσ= − beschrieben ( j : verallgemeinerte Stromdichte, σ: Transportkoeffi-

zient, V: verallgemeinertes Potential). Wie heißen die auftretenden Größen im kon-kreten Fall der elektrischen Leitung, der Wärmeleitung und der Diffusion?

6. Längs eines 50 cm langen Stabes (λ = 150 Wm-1K-1) besteht folgendes Temperatur-gefälle: T(x) = a/(x + b) + c mit a = 300 Km, b = 1 m und c = 73,16 K. Zeichnen Sie quantitativ das Temperaturgefälle T = T(x) längs des Stabes und berechnen Sie die Wärmestromdichte in der Mitte des Stabes.

7. Was versteht man unter Anisotropie? Zählen Sie einige anisotrope Eigenschaften von Festkörpern auf.

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WL 4 Wärmeleitung

4. Grundlagen

Der Transport von Wärme kann durch Wärmeleitung, durch elektromagnetische Strahlung und durch Transport von „warmer“ Materie erfolgen. Den Wärmetransport, der mit Materie-transport verknüpft ist, nennt man in Gasen und Flüssigkeiten Konvektion. Die Wärmeüber-tragung durch Strahlung ist nicht an Materie gebunden; sie beruht darauf, dass jeder Körper ein für seine jeweilige Temperatur charakteristisches Strahlungsspektrum (vom Infraroten bis zum Ultravioletten) emittiert, das von Körpern in der Umgebung absorbiert wird. Die Wärme-leitung schließlich ist an Materie gebunden und geschieht dadurch, dass Energieträger (z. B. Atome, Elektronen) Energie aufnehmen und wieder abgeben, dabei aber (im Gegensatz zur Konvektion) nicht selbst mittransportiert werden. In Gasen sind die Energieträger die Gasmo-leküle oder -atome. In Festkörpern wird die Wärme durch Gitterschwingungen (Phononen) übertragen; in Metallen tritt ein zusätzlicher oft dominierender Energietransport durch die freien Elektronen auf. Da die freien Elektronen auch für die elektrische Leitung verantwort-lich sind, besteht für Metalle ein proportionaler Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit (Wiedemann-Franzsches Gesetz).

In einem abgeschlossenen System verläuft der Wärmetransport stets so, dass eine Gleichver-teilung der Temperatur angestrebt wird. Tritt also in einem Körper ein Temperaturgefälle (Temperaturgradient) auf, so fließt ein Wärmestrom von dem Ort höherer Temperatur zu dem Ort geringerer Temperatur. Die Wärmestromdichte ist der Wärmestrom, der durch ein Flä-chenelement dA hindurchtritt. In einem isotropen Körper ist die Wärmestromdichte j dem negativen Temperaturgradienten -gradT proportional:

gradj Tλ= − (1)

gradT ist ein Vektor, der sich in z.B. kartesischen Koordinaten darstellen lässt als:

grad , ,T T TTx y z

⎛ ⎞∂ ∂ ∂= ⎜ ⎟∂ ∂ ∂⎝ ⎠

(2)

Die Proportionalitätskonstante λ heißt Wärmeleitfähigkeit. Das negative Vorzeichen in Gl. (1) berücksichtigt die Richtung des Wärmestromes von höheren zu tieferen Temperaturen. Die Dimension von λ ist Wm-1K-1. In vielen Kristallen ist die Wärmeleitfähigkeit anisotrop, also von der Kristallrichtung abhängig. In einem isolierten Stab der Länge L mit dem Quer-schnitt A, zwischen dessen Enden die Temperaturdifferenz ΔT anliegt, ist der Temperaturgra-dient im stationären Zustand konstant,

T Tx L

∂ Δ=

∂ (3)

und damit ist auch die Wärmestromdichte konstant:

TjLΔλ= − (4)

Für den gesamten Wärmestrom

ddWQ TI jA At L

Δ= = = −λ (5)

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Wärmeleitung WL 5

gilt daher eine dem Ohmschen Gesetz analoge Gleichung:

Δ W WT R I= (6)

wobei RW der Wärmewiderstand des Stabes

1W

LRAλ

= (7)

ist. Aus einer Messung von ΔT und IW lässt sich bei bekannter Geometrie des Stabes die Wärme-leitfähigkeit λ absolut bestimmen. Analog zur elektrischen Leitfähigkeit lässt sich auch eine thermische Leitfähigkeit für ein Material der Dichte ρ und der spezifischen Wärmekapazität c definieren

W cλσρ

= (8)

Es lässt sich zeigen, dass für die Ausbreitung der Temperatur eine Differentialgleichung gilt, die dem 2. Fickschen Gesetz für die Diffusion von Atomen in einem Kristall entspricht:

2

2

dd WTt

σ Tx

∂=

∂ (9)

In Metallen wird sowohl die thermische als auch die elektrische Leitfähigkeit durch die Lei-tungselektronen bestimmt. Im Rahmen des Modells eines „freien Elektronengases“ in Metal-len ergibt sich ein universeller Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit λ und elektri-scher Leitfähigkeit σ herstellen:

22

82

WΩ2,45 103 K

BkLT eλ πσ

−⎛ ⎞= = = ×⎜ ⎟⎝ ⎠

(10)

Für viele Metalle ist diese Beziehung trotz der vereinfachenden Annahmen des Modells des „freien Elektronengases“ gut erfüllt. Die Größe L wird als Lorenz-Zahl bezeichnet.

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WL 6 Wärmeleitung

5. Versuchdurchführung

Die Apparatur dient zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Kupfer und von Aluminium. Sie besteht aus zwei Kalorimetertöpfen, die als Wärmespeicher mit Eiswasser (unten) und siedendem Wasser (oben) gefüllt sind (siehe Abb. 1). Der obere Kalorimetertopf besitzt im Boden einen Wärmeleitanschluss, d.h. eine zylindrische Aussparung zur Aufnahme des zu untersuchenden Wärmeleitstabes.

Die Wärmeleitstäbe bestehen aus massivem Kupfer bzw. Aluminium und sind mit Kunststoff ummantelt, um die seitlichen Wärmeverluste zu vermindern. Zum Einschieben des Stabes in den Wärmleitanschluss des oberen Kalorimeters ist ein Stabende etwa 2 cm isolierungsfrei. Zur Messung des Temperaturverlaufs sind längs der Stäbe 10 äquidistante Messpunkte ange-bracht.

Die Wärmeleitstäbe eignen sich auch zur Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit und da-mit zur Bestätigung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes (Proportionalität zwischen Wärme-leitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit bei Metallen). Zum Anschließen von elektrischen Verbindungsleitungen (Stromeinspeisung) befindet sich in jeder der Endflächen eine 4-mm-Bohrung. Zwei seitliche 4-mm-Bohrungen dienen zum Abgreifen des Spannungsabfalls längs des Stabes.

5.1 Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters

Zur Bestimmung der Wärmekapazität des unteren Kalorimeters führen Sie folgende Messun-gen durch:

• Bestimmen sie das Gewicht des Kalorimeters.

• Bringen Sie Wasser in einem Kocher zu Sieden und messen Sie die Temperatur des Wassers und die Raumtemperatur .

• Füllen Sie das Kalorimeter mit dem heißen Wasser und bestimmen Sie die Temperatur.

• Wiegen Sie das Kalorimeter mit dem Wasser zur Bestimmung der Masse des Wassers.

• Füllen Sie nun das Kalorimeter mit Eiswasser (0 °C) ohne Eisstückchen und bestimmen Sie die Temperaturerhöhung des Wassers für etwa 30 min in Zeitintervallen von 1 min. Damit erhalten Sie den Einfluss der Umgebung auf die Erwärmung des unteren Kalo-rimeters bei der Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.

• Vergessen Sie nicht, die Raumtemperatur zu bestimmen.

5.2 Messung der Wärmeleitfähigkeit

Bauen Sie den Versuch entsprechend Abb. 1 zunächst für den Kupferstab auf:

• Vor dem Aufbau: Messen Sie den Abstand L zwischen den beiden äußeren Tempera-tur-Messstellen des Stabes und bestimmen Sie die Querschnittsfläche A des Stabes.

• Sorgen Sie für guten Wärmekontakt zwischen dem oberen Topf und der Stirnfläche des Wärmeleitstabes durch Verwendung von Wärmeleitpaste (nur dünn auftragen).

• Tauchen Sie das untere Ende des Stabes in das mit Wasser gefüllte Kalorimeter.

• Bringen Sie das Wasser im unteren Kalorimeter mit Eisstückchen auf 0 °C. Rühren Sie das Wasser mit Hilfe des Magnetrührers.

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Wärmeleitung WL 7

• Bringen Sie Wasser im oberen Kalorimeter mit dem Tauchsieder zum Sieden und hal-ten Sie es am Sieden. Achten sie darauf, dass der Tauchsieder immer mit Wasser be-deckt ist, sonst brennt er durch.

Thermometer

Thermometer

Thermometer

Tauchsieder

Eiswasser

Magnetrührer

siedendes Wasser

Abb. 1: Messaufbau zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.

Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit muss der Wärmestrom durch den Stab im stationä-ren Zustand sein, d.h. entlang des Stabes muss sich ein konstanter Temperaturgradient einstel-len:

• Warten Sie nach dem Einsetzen des Siedens ca. 5 Minuten und messen Sie dann die Temperaturen T1...T10 an den 10 äquidistanten Messstellen des Stabes. Bei denTempe-raturmessungen ist ein guter Wärmekontakt zwischen Messsensor und Metallstab mit Hilfe von Wärmeleitpaste sicherzustellen.

• Tragen Sie die Messwerte als Funktion der Messstellennummer auf. Die Messpunkte sollten annähernd auf einer Geraden liegen. Ist dies nicht der Fall, so war der stationäre Zustand noch nicht erreicht und die Messung muss wiederholt werden.

Nun kann der Wärmestrom zwischen den beiden Wärmereservoiren bestimmt werden:

• Messen Sie die Siedetemperatur im oberen Kalorimeter.

• Nehmen Sie die Eisstückchen aus dem unteren Kalorimeter. Messen Sie nun unter stän-digem Rühren den Temperaturanstieg ΔT des Kalorimeters für etwa 5 Minuten in In-tervallen von 30 Sekunden.

• Parallel dazu messen Sie die Temperaturdifferenz des Stabes zwischen den beiden äu-ßeren Messpunkten im Abstand L.

• Beenden Sie das Experiment durch Abschalten des Tauchsieders.

• Bestimmen Sie die Masse des Wassers im unteren Topf.

Führen Sie diese Messung nun noch für den Aluminium-Stab durch.

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WL 8 Wärmeleitung

5.3 Messung des elektrischen Widerstandes

Der elektrische Widerstand der dicken Metallstäbe ist sehr klein. Zu seiner Bestimmung muss ein hoher Strom durch die Stäbe geschickt werden, damit der Spannungsabfall über die Stäbe noch messbar ist. Der elektrische Widerstand der Stäbe liegt in der gleichen Größenordnung wie die Widerstände der für die Messung benutzen Zuleitungen. Deshalb müssen die Zulei-tungen für die Stromzufuhr und die Messleitungen für den Spannungsabfall über die Stäbe voneinander getrennt sein (4-Leiter-Methode). Schließen Sie die Stromversorgung an die En-den des Stabes und das Multimeter zur Bestimmung des Spannungsabfall zwischen den zwei 4-mm-Bohrungen an, die sich im Abstand l an den Stäben befinden (siehe Abb. 2).

+ -

I

U

Metallstab

Abb. 2: Prinzip der Bestimmung des elektrischen Widerstands mit 4-Leiter-Methode.

Stellen Sie einen Strom von etwa 15 A ein und messen Sie den Spannungsabfall. Nun redu-zieren Sie den Strom in Schritten von etwa 1 A und messen jeweils den Spannungsabfall.

6. Auswertung

6.1 Wärmekapazität des Kalorimeters und Umgebungseinfluss Die Wärmekapazität des Kalorimeters erhalten Sie aus dem Mischexperiment (siehe 5.1)

W MKalorimeter W w

M R

T TC c mT T

−=

− (11)

mit

cW : Spez. Wärmekapazität von Wasser (4,18 kJ kg-1 K-1) mw: Masse Wasser TW: Temperatur des heißen Wassers TM: Mischtemperatur TR: Raumtemperatur

Die Wärme, die durch die Umgebung dem Kalorimeter zugeführt wird, kann aus dem Tempe-raturanstieg ohne Metallstab als Funktion der Zeit T(t) beginnend mit der Temperatur T0 be-stimmt werden:

(12) 0( )(U W W KalorimeterQ c m C T t T= + −( ) )

Tragen Sie in einem Diagramm QU als Funktion der Zeit auf.

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Wärmeleitung WL 9

6.2 Wärmeleitung für Kupfer und Aluminium Tragen Sie für Kupfer und Aluminium die gemessenen Temperaturdifferenzen ΔT zwischen den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe als Funktion der Zeit auf. Dies sollte einen nähe-rungsweise zeitlich konstanten Verlauf von ΔT ergeben, d.h. bei der Messung war der statio-näre Zustand erreicht.

Berechnen Sie nun die durch den Kupfer- bzw. Aluminiumstab transportierte Wärmenergie als Funktion der Zeit

(13) 0( )(gesamt W W KalorimeterQ c m C T t= + −( ) )T

und stellen Sie sie in einem Diagramm dar.

Die durch die Metallstäbe in das Kalorimeter transportierte Wärmeenergie muss auf die durch die Umgebung in das Kalorimeter eingebrachte Wärme korrigiert werden:

dd

d dgesamtStab UQQ

t t= −

ddQt

(14)

Der Beitrag dQU/dt können Sie aus der Steigung des in 6.1 erstellten Diagramms entnehmen, den Beitrag dQgesamt/dt entnehmen Sie aus den Steigungen der Graphen für Kupfer bzw. Alu-minium.

Mit dem so bestimmten Wärmestrom dQStab/dt und der gemittelten Temperaturdifferenz zwi-schen den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe kann nun die Wärmeleitfähigkeit mit Gl. (5) berechnet werden:

ddΔ

StabQtTAL

λ = (15)

6.3 Berechnung der Lorenz-Zahl Tragen Sie in einem Diagramm die gemessenen Spannungsabfälle als Funktion des Stromes auf und bestimmen Sie aus der Steigung den elektrischen Widerstand (U = RI). Die elektri-sche Leitfähigkeit ist durch den Widerstand R und die Geometrie des Leiters bestimmt:

1lA R

σ = (16)

Berechnen Sie nach Gl. (10) die Lorenz-Zahl für Raumtemperatur.

Versuchen Sie, aus Lehrbüchern oder dem Internet, die Literaturwerte für λ, σ und die Lo-renz-Zahl L für Kupfer und Aluminium zu finden und vergleichen Sie diese mit Ihren Ergeb-nissen.

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Physikalisches Grundpraktikum für Studierende der

Mikro- und Nanostrukturen

Spezifische Wärmekapazität und Phasenumwandlungen

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SW 2 Spezifische Wärmekapazität

1 Stoffgebiet - Hauptsätze der Wärmelehre - Wärmekapazität - Kalorimeter - Joule'sche Wärme - Gleichverteilungssatz - Spezifische Wärmekapazität von Gasen - Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern - Dulong-Petit'sches Gesetz - Phasenumwandlungen - Gitterschwingungen - Umwandlungswärme - Clausius-Clapeyron'sche Gleichung - Phasendiagramme - Reale Gase - Luftverflüssigung - Kritischer Punkt - Dampfdruck - Verdunstung - Absolute und relative Luftfeuchte - Taupunkt - Supraleitung - Suprafluidität

2 Literatur - Gerthsen, C. Gerthsen Physik, zuvor bearbeitet von H. Vogel z.B. 21. Auflage, Springer-Verlag, 2002 - Bergmann, L. / Schaefer, C. Lehrbuch der Experimentalphysik, de Gruyter Band 1, Mechanik, Relativität, Wärme 1998 - Demtröder, W. Experimentalphysik 1, Mechanik und Wärme, Springer 2002 GP-Anleitung zu Versuchen mit Cassy und LabVIEW Saarbrücken, 2002

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Spezifische Wärmekapazität SW 3

3 Fragen 1. Wie sind die spezifischen Wärmekapazitäten cv und cp definiert und was bedeuten sie? Warum ist cv = (dU/dT)v ? Warum ist bei idealen Gasen cp > cv ? Berechnen Sie die Differenz der Molwärmen c'p - c'v. 2. Was versteht man unter der Leerkapazität eines Kalorimeters und wie kann sie gemessen werden? Wie funktioniert ein Mischungskalorimeter ? 3. Erläutern Sie den Begriff Übergangsentropie. 4. Erklären Sie den Unterschied zwischen Phasenübergängen erster und zweiter Art. Welche Phasenübergänge treten typischerweise erst bei tiefen Temperaturen auf? 5. Was versteht man unter Dampfdruck; von welchen Zustandsgrößen ist er abhängig? Beschreiben Sie eine Methode zur Aufnahme eines Dampfdruckdiagramms. 6. Geben Sie in einer Schaltskizze an, wie man Strom und Spannung an einem Widerstand messen muss, wenn man die erzeugte Heizleistung bestimmen will. 7. Wie ist ein Festkörper aufgebaut? Was versteht man unter Gitterschwingungen? Wie lautet der Gleichverteilungssatz? Wie teilt sich die Zahl der bei Zimmertemperatur angeregten Freiheitsgrade in einem ein- oder zweiatomigen Gas auf, wie bei einem Festkörper? 8. Erklären Sie das Dulong-Petit'sche Gesetz mit Hilfe des Gleichverteilungssatzes. Erläutern Sie die Neumann-Kopp'sche Regel. Leiten Sie die Clausius-Clapeyron'sche Gleichung her. Leiten Sie unter Gültigkeit der elementaren Gastheorie die Molwärme von idealen Gasen her. 9. Skizzieren Sie die Maxwell'sche Geschwindigkeitsverteilung und erklären Sie mit

ihrer Hilfe den Vorgang des Verdunstens. 10. Geben Sie eine Definition für die Umwandlungswärme. Erklären Sie anhand des 1. Hauptsatzes, wozu die Umwandlungswärme dient. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Umwandlungswärme und den molekularen Bindungskräften?

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SW 4 Spezifische Wärmekapazität

4 Grundlagen

4.1 Spezifische Wärmekapazität Führt man einem Körper eine Wärmemenge ΔQ zu, erhöht sich seine Temperatur um ΔT, wenn nicht gerade ein Phasenübergang 1. Ordnung vorliegt. In diesem Fall ist dann ΔT = 0, und zwar solange, bis die Umwandlung vollständig stattgefunden hat. Die Wärmezufuhr kann unter verschiedenen Randbedingungen erfolgen, z. B. bei konstant gehaltenem Volumen oder Druck. Dementsprechend wird ΔT verschieden groß werden, und man definiert als Wärmekapazität des Körpers bei konstantem Volumen:

(1a) V

V TQC ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=

∂∂: ,

bzw. als Wärmekapazität bei konstantem Druck:

(1b) P

P TQC ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=

∂∂:

Die Dimension der Wärmemenge ist J (Joule), die der Temperatur K (Kelvin - siehe auch Versuch "Temperaturmessung"). Oft findet man jedoch noch für die Wärmemenge die veraltete Dimension cal (Kalorie: Umrechnung: 1 cal ≡ 4.1868 J ). Die spezifische Wärmekapazität ist die Wärmemenge der Masse 1 g eines Stoffes, also:

(2) mCc PV

PV,

, := (J/gK)

m = Masse des Körpers. Unter Atom- oder Molwärme versteht man die Wärmekapazität eines Grammatoms oder Mols eines Stoffes:

(3) MCc PV

PV,

, :=′ (J/(Mol K)) .

M = Atom- oder Molekulargewicht. Aus dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre:

(4) dU = dQ - pdV bzw. dQ = dU + pdV läßt sich abschätzen, daß stets gilt:

(5) cp > cv .

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Spezifische Wärmekapazität SW 5

Betrachten wir z.B. den Fall des idealen Gases, wo U vom Volumen unabhängig ist, so finden wir, dass die bei konstantem Volumen (dV = 0) in das System gesteckte Wärmemenge nur der Erhöhung der inneren Energie U dient. Führt man dagegen die Wärme bei konstantem Druck p zu, dehnt sich das Gas mit steigender Temperatur aus, und ein Teil der Wärmemenge wird zum Verrichten der Ausdehnungsarbeit +pdV benötigt. Beim Festkörper unterscheiden sich cp und cv nur wenig, da die thermische Dehnung und der Kompressionsmodul klein sind. Atomistische Theorien Für die Thermodynamik ist vor allem die Atom- oder Molwärme von Interesse. Bezogen auf 1 Mol folgt aus Gl. (4):

(6) V

Mol

VV T

UTQc ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=′

∂∂

∂∂

Hier wird die messbare Größe c'v mit der molaren inneren Energie UMol verknüpft, die sich aus theoretischen Modellen errechnen lässt. Dadurch bietet sich eine wichtige Möglichkeit, atomistische Modelle experimentell zu überprüfen. Dazu zwei Beispiele: 1. Ideales Gas mit f Freiheitsgraden: nach dem Gleichverteilungssatz besitzt ein Gasteilchen

im Mittel die Energie ε = (f/2) kT (k = Boltzmannkonstante): 1 Mol enthält N Teilchen (N = Avogadro-Konstante) und damit wird die innere Energie zu UMol = N (f/2)kT = (f/2)RT (R = Gaskonstante).

Daher wird: c'v = (f/2) R , was auch für viele reale Gase gut erfüllt ist. 2. Einatomige Festkörper: In der harmonischen Näherung (Der Potentialansatz enthält

Glieder bis zur quadratischen Ordnung) hängt die Schwingungsenergie der Gitterteilchen im Festkörper nur von der Temperatur ab. Da die Teilchen zu dreidimensionalen Gitterschwingungen (vgl. Phononenbegriff) angeregt werden können, entfällt nach dem Gleichverteilungssatz auf die mittlere kinetische Energie eines Teilchens der Anteil

kTkin 23=ε . Da die potentielle Energie im Mittel gleich der kinetischen Energie ist, wird

die Gesamtenergie des Teilchens zu kT3=ε . Dann ist UMol = 3RT, und

(7) c'v = 3R ( Dulong-Petit'sches Gesetz ) . Dieses Gesetz ist jedoch nur für höhere Temperaturen und abseits von Phasenumwandlungen richtig; bei tieferen Temperaturen (< 250 K ) verliert der Gleichverteilungssatz seine Gültig-keit, da dann gewisse Schwingungstypen wegen der geringeren thermischen

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SW 6 Spezifische Wärmekapazität

Anregungsenergie ausfallen (Quantentheorie des Festkörpers ). Die Atomwärme nimmt daher mit fallender Temperatur ab und geht nahe dem absoluten Nullpunkt mit T3 gegen 0 (Debye'sches T3-Gesetz). Bei Metallen ist außerdem der thermische Energieanteil der Elektronen zu berücksichtigen, der jedoch bei höheren Temperaturen vernachlässigt werden kann. Eine leicht abzuleitende Folge des Dulong-Petit'schen Gesetzes ist die Neumann-Kopp'sche Regel: Die Molwärme eines mehratomigen Festkörpers ist gleich der Summe der Atomwärmen der Einzelkomponenten.

4.2 Phasenumwandlungen Existieren von einem Stoff unter entsprechenden Voraussetzungen mehrere verschiedene Zustände (Phasen), so spricht man bei der Übergangsstelle von einem Phasenübergang (Phasenumwandlungspunkt). Solche Phasenübergänge treten z. B. zwischen den Zuständen fest - flüssig, flüssig - dampfförmig, normalleitend - supraleitend, paramagnetisch - ferro-magnetisch, paraelektrisch - ferroelektrisch und zwischen Kristallstrukturen vieler Festkörper auf. Die Phasenübergänge sind stets mit Anomalien in charakteristischen Größen (wie spezifische Wärmekapazität, Kompressibilität, u. a.) verbunden. Meist lässt sich die Phasenumwandlung durch eine Anomalie in einer einzigen Größe, dem Ordnungsparameter, erklären. Durch den Einfluss des Ordnungsparameters lässt sich dann die gesamte Abweichung des thermodynamischen Verhaltens der Tieftemperaturphase im Vergleich zur Hochtemperaturphase beschreiben. Beim Phasenübergang flüssig - gasförmig ist der Ordnungsparameter die Dichte ρ, beim Übergang ferromagnetisch - paramagnetisch ist es die Magnetisierung M. Besitzt der Ordnungsparameter eine Sprungstelle an der Umwandlungstemperatur, spricht man von einem Phasenübergang erster Art. Erfolgt der Übergang von einem in den anderen Zustand stetig (aber nicht beliebig oft differenzierbar), so spricht man von einem Übergang höherer Ordnung. Wir beschränken uns nur auf die Phasenübergänge erster Ordnung, die am bekanntesten sind; z. B. fallen die Übergänge flüssig - gasförmig und flüssig - fest darunter. Da die Phase höherer Temperatur ungeordneter ist, muss am Phasenübergang eine charakteristische Wärmemenge, die "Umwandlungswärme" oder "latente Wärme", zugeführt werden, um diese Phase zu erreichen. Die Umwandlungswärme wird beim Abkühlen an der Umwandlungstemperatur wieder freigesetzt. Die Thermodynamik der Phasenumwandlung kann durch die Clausius-Clapeyron'sche Gleichung beschrieben werden, die z. B. für den Schmelzvorgang lautet:

(8) )( ffl

S

SS vvTdT

dpT −=λ

( Herleitung vgl. Lehrbücher der Experimentalphysik) λs = spezifische Schmelzwärme Ts = Schmelztemperatur p = Druck beider Aggregatzustände im Gleichgewicht vfl, vf = spezifisches Volumen der Flüssigkeit, bzw. des Festkörpers (= reziproke Dichte: 1/ρ fl, 1/ρf )

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Spezifische Wärmekapazität SW 7

Für die Verdampfungswärme gilt die Clausius-Clapeyron'sche Gleichung in analoger Form (Gerthsen s. o.). Aus der Clausius-Clapeyron'schen Gleichung und der Definition der Entropie:

(9) dS = dQ/T ergibt sich für die spezifische Schmelzentropie

(10) )( fflS vvdTdpS −= = λs/ Ts.

Die Gesamtentropie ist demnach mit c = dQ/dT

(11) ∫∫ +++=0

0

0

T

T

flpS

T

T

fp

S

S

dTT

cSdT

Tc

SS ,

wobei für die spezifische Schmelzentropie der einfache Ausdruck

(12) Ss = λs / Ts steht (10). Im folgenden sollen die Wärmekapazitäten, Schmelzwärmen und Schmelzentropien einer Legierung aus 50 % Bi, 31 % Pb und 19 % Sn bestimmt werden. Erwärmt man ein Metall mit gleichbleibender Heizleistung, steigt die Temperatur bis zum Schmelzpunkt an, dann bleibt sie trotz weiterer Wärmezufuhr (in etwa) konstant, bis die gesamte Metallmenge geschmolzen ist. Die Wärmemenge, die benötigt wird, um 1g einer festen Substanz zu verflüssigen, wird Schmelzwärme λs genannt. Die Schmelzwärme wird dazu gebraucht, um die Gitterstruktur des Festkörpers aufzulösen und damit die Struktur zu verändern, bis hin zum flüssigen Aggregatzustand. Aus der Größe der Umwandlungswärme kann auf die Festigkeit der Bindung im Festkörper geschlossen werden.

4.3 Kalorimeter Ein Gerät zur Messung der Wärmekapazität heißt Kalorimeter. Eine ziemlich ungenaue aber einfache Bestimmung lässt sich mit dem Mischungskalorimeter durchführen: Wenn zwei Körper mit den annähernd temperaturunabhängigen Wärmekapazitäten C1 und C2 und den Anfangstemperaturen T1 und T2 (T1 > T2) in Wärmekontakt gebracht werden, gleichen sie nach dem 2. Hauptsatz ihre Temperatur einander an. Die entstehende Mischungstemperatur sei TM (siehe auch 1. Hauptsatz). Für sie gilt nach dem Energieerhaltungssatz: Abgegebene Wärmemenge = Aufgenommene Wärmemenge,

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SW 8 Spezifische Wärmekapazität

also

(13) C1 ( T1 - TM ) = C2 ( TM - T2 ) . Zur Messung der spezifischen Wärmekapazität cK eines wasserunlöslichen Körpers (Masse mK), den man auf die Temperatur TK gebracht hat, benutzt man als zweiten Körper zweckmä-ßig eine Wassermenge der bekannten spezifischen Wärmekapazität cW, der Masse mW und der Temperatur TW, die sich im Dewargefäß (Thermosflasche) befindet, damit die Wärmeverluste möglichst gering gehalten werden. Die Messung wird dadurch kompliziert, daß der das Wasser enthaltende Innenteil des Dewargefäßes sowie Rührer und Thermometer am Wärmeaustausch mitbeteiligt sind, und deren Gesamtwärmekapazität CKal berücksichtigt werden muß. Dann wird Gl. (13) zu:

(14) )()()( WMKalWMkKK TTccTTmc −+=− Eine genauere und direktere Methode, die Wärmekapazität zu messen, lehnt sich eng an die Definitionsgleichung (1a,b) an: Dieses Verfahren wird auch in dem hier durchzuführenden Experiment angewendet. Dem thermisch ideal isolierten Versuchskörper wird durch eine elektrische Heizung ( Spannung U und Strom I während der Zeit Δt ) die Wärmemenge

(15) ΔQ = U I Δt zugeführt. Aus der Temperaturerhöhung des Körpers ergibt sich dann seine Wärmekapazität CK:

(16) CK = ΔQ/ΔT . Analog ergibt sich dann auch die latente Wärme der Phasenumwandlung. Die zu vermessende Probe befindet sich in einem Gefäß, dessen Wärmekapazität CL bei der Messung .mit gemessen wird: CM = CK + CL Um die Wärmekapazität CL des Gefäßes von der interessierenden Wärmekapazität der Probe CK zu trennen, ist zunächst eine Bestimmung von CL des Probengefäßes erforderlich. Anschließend wäre das Gefäß dann mit der Probe zu befüllen, so dass CL bei der Messung berücksichtigt werden könnte. Um nicht ständig die Probentiegel neu leeren und füllen zu müssen, ist beim vorliegenden Experiment dies dadurch gelöst, dass zunächst ein zum Probentiegel identisches leeres Gefäß vermessen wird, dessen Wärmekapazität CL dann bei der Messung berücksichtigt wird.

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Spezifische Wärmekapazität SW 9

5 Versuchsdurchführung

Abb. 1: Versuchsaufbau, bestehend aus zwei identischen Dewargefäßen mit einem leeren

und einem identischen mit der Probe gefüllten Tiegel, einem Computer nebst Peripherie-Geräten, einem Digitalmultimeter mit Meßkanalumschalter ("Scanner") zur automatischen Meßwertaufnahme und einer Stromquelle. Die Daten werden mit Hilfe eines mit Labview erstellten Programms über die IEEE-Bus Schnittstelle ausgelesen.

In dem am Meßplatz stehenden Holzkasten befinden sich zwei identische Dewargefäße. In beiden eingebaut ist jeweils ein Quarztiegel, der mit einer Konstantandrahtwicklung als Heizung, mit Deckel verschlossen und zur Messung der Temperatur mit einem Platinwiderstand ( Pt-100 bzw. Pt-50) versehen ist. Das mit "LEER" bezeichnete Dewargefäß dient zur Bestimmung der Wärmekapazität der Probenhalterung ("Leerkapazität" ). In dem mit "PROBE" gekennzeichneten Gefäß befinden sich ca. 60 g (genaue Werte sind jeweils auf dem Kasten angegeben) der erwähnten Legierung aus Pb, Bi und Sn. Geheizt wird mit einer Konstantstromquelle. Für die Heizleistung ergibt sich dann:

PH = U Ic

(17) IC = U/RH IC : Konstantstrom

PH = U2/RH RH : Heizwiderstand

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SW 10 Spezifische Wärmekapazität

Da IC und RH im zu messenden Temperaturbereich als nahezu konstant anzusehen sind, genügt es, den Spannungsabfall am Heizwiderstand zu messen, um die Leistung zu bestimmen. Zur Temperaturmessung steckt ein Platinwiderstand in der Probe, der bei 0 °C einen Widerstand von 100.0 Ω und bei 100 °C von 138.5 Ω (bzw. 50 Ω und 69.25 Ω) besitzt. Das Temperaturverhalten des Widerstandes gehorcht in diesem Temperaturbereich der Formel (Ausgleichsparabel):

(18) R = A + B t + C t2

bzw.

R = R0 (1 + a t + b t2) (t in °C) (Bei kleinen Temperaturintervallen bzw. weniger genauen Messungen kann der t2 - Term ver-nachlässigt werden.) Der Versuch soll fast vollautomatisch mit Hilfe eines Computers durchgeführt werden, dazu wird die Programmierumgebung Labview verwendet (vgl. entsprechende Kurzanleitung ). Zur Messung der Spannung und des Widerstandes steht ein Digitalmultimeter mit Scanner zur Verfügung, das über eine genormte IEEE-488- Schnittstelle (IEC-Bus, 8-Bit parallel) durch einen PC ( Pentium 600 MHz) angesprochen wird. Der Versuchsablauf wird fast ausschließlich über den Computers gesteuert. Zur Dokumentation bzw. zur Auswertung stehen verschiedene Auswerteverfahren zur Verfügung.

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Spezifische Wärmekapazität SW 11

Versuche A, B, C, D, E Die Aufgaben 1 bis 5 sind als Vorbereitung zum Versuchsnachmittag durchzuführen und vor Versuchsbeginn dem Betreuer zur Kontrolle vorzulegen. Aufgabe 1:

In der Abbildung 2 ist mit "L" die Kurve der Leermessung und mit "P" die Kurve der Probenmessung (Probe mit Tiegel!) bezeichnet. Das Ausgleichspolynom für "L" kann als Polynom 2. Grades ( T = A0 + A1 X + A2 X2 ) dargestellt werden. Geben Sie an wie Sie mathematisch vorgehen müssen um mit Hilfe des Ausgleichspolynoms der Leermessung die "wahre" Meßkurve zu erhalten.

Abb. 2: Leermessung L und Probenmessung P

Aufgabe 2:

Bestimmen Sie theoretisch aus der Zusammensetzung der Probe mit Hilfe des Dulong-Petit´schen Gesetzes die spezifische Wärmekapazität im Bereich von ca. 30° C bis 36° C.

Aufgabe 3:

Arbeiten Sie einen denkbaren gesamten Programm- und Auswerteablaufplan vor dem Versuchsnachmittag aus.

Einige Menüpunkte des Mess- und Auswerteprogramms in unsortierter Reihenfolge: 1 Widerstand Pt-100 (Pt-50) messen 2 Temperatur errechnen 3 Koordinatensystem darstellen 4 Bestimmung Polynomparameter 5 Ausgleichsfunktionen bestimmen 6 Wahl der Darstellung 7 Energie errechnen 8 Eingabe Parameter des Polynoms 9 Bestimmung der Umwandlungswärme

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SW 12 Spezifische Wärmekapazität

10 Wertepaare speichern (welche ?) 11 Berechnung Ausgleichspolynom 12 Spannung messen 13 Energie 2 berechnen 14 Spezifische Wärme errechnen 15 Netzgerät ausschalten 16 Umwandlungswärmen bestimmen 17 Umwandlungsentropien bestimmen Aufgabe 4:

a) Skizzieren Sie allgemein den Verlauf der spezifischen Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur irgendeines Festkörpers mit Phasenumwandlung (1. Ordnung).

b) Skizzieren Sie das C - T - Diagramm eines allgemeinen Festkörpers ohne Phasenum-wandlung von T=0 an.

c) Zeichen Sie das Q - T - und das C - T - Diagramm von Wasser im Bereich von festem Eis bis hin zur Dampfphase. Erläutern Sie im Anschluß an den Versuch die Unterschiede zu Ihrer Messung.

Hinweis: Bevor Sie nun die Messungen durchführen, beachten Sie bitte: Lassen Sie vom Betreuer die Verkabelung überprüfen. Schalten Sie dann das Digital-Multimeter mit Scanner, keinesfalls jedoch den Stromgeber ein. Als nächstes starten Sie den Computer. Achten Sie aber darauf, daß die Proben bzw. Leergefäße nicht schon irrtümlich geheizt werden. Laden Sie dann das Labview-Programm „Spez. Wärme“. Die Schalter an den Holzkästen mit den Dewargefäßen müssen auf "LEER" stehen. Nach dem Starten des Programms werden einige Maschinenhilfsroutinen nachgeladen. Es ist immer darauf zu achten, dass

1. die obere Grenze der Messtemperatur angegeben wird und dass 2. das korrekte Verzeichnis und ein sinnvoller Dateiname für jede Messung vor starten des Programms angegeben wurde. Folgen Sie nun bei den verschiedenen Messungen einfach den Anweisungen des Programms. Es ist möglichst einfach gehalten.

Unterbrechen Sie auf keinen Fall das Programm, solange der Meßvorgang läuft! Die Bestimmung der Energie aus der Heizleistung geschieht mit Hilfe einer im Computer integrierten Uhr, und eine Unterbrechung würde dabei alle Werte verfälschen. Nach Beendigung des Programms werden die Meßdaten abgespeichert. Diese Daten können dann anschließend zur weiteren Verarbeitung in ein geeignetes Auswerteprogramm, etwa Origin, eingelesen, visualisiert und ausgewertet werden. Die Graphiken und Meßwerte werden dann ausgedruckt! Aufgabe 5:

a) Führen Sie die Leermessung durch. Starten Sie das Programm und wählen Sie den Temperaturbereich bis etwa 40 ° C und geben Sie einen sinnvollen Dateinamem zur Speicherung der Messwerte an .

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Spezifische Wärmekapazität SW 13

b) Führen Sie nun die Probenmessung durch. Geben Sie auch hier einen Dateinamen incl. Pfad zur Speicherung der Messwerte an.. Notieren Sie sich die auf den Probenkästen angegebenen Massenwerte. Bestimmen Sie daraus unter Berücksichtigung der Leermessung, mit Hilfe des Computers (z.B. Origin oder Xmgrace), dann die spezifische Wärmekapazität der Probe und vergleichen Sie sie mit den in Aufgabe 2 errechneten Werten ( prozentuale Abweichung!).

Aufgabe 6:

a) Nach Abschluß der Messungen im unteren Temperaturbereich wählen Sie den Temperaturbereich zur Phasenumwandlung bis 115 ° C aus. Führen Sie auch hier zunächst die Leermessung durch und geben sie sinnvolle Dateinamen (incl. Pfad) an.

b) Analog zu Aufgabe 5 b) messen Sie nun die Probe. Auch hier gelangen Sie zu den Probendaten durch geeignete Subtraktion der Wärmekapazitätsmessung des leeren Gefäßes.

Nach Abschluß der Messung können Sie nun einen, bzw. zwei Bereiche erkennen, bei denen eine Phasenumwandlung vorliegt. Bestimmen Sie jeweils aus der ausgedruckten Graphik bzw. den Meßwertdateien folgende Größen:

- spezifische Wärmekapazität kurz vor der Umwandlung

- spezifische Wärmekapazität kurz nach der Umwandlung

- Umwandlungstemperatur

- Umwandlungswärme und spezifische Umwandlungswärme

- Übergangsentropie.

Hinweis: Die eigentliche Messaufgabe zu den Aufgaben 5 und 6 kann auch zu einem einzigen Programmablauf zusammengefasst werden, die Auswertung kann dann entsprechend den Teilen der Aufgabe 5, bzw. 6 erfolgen. Wählt man allerdings die hier vorgeschlagene Abfolge, so lässt sich während der Messung von Aufgabe 6 bereits die Auswertung von Aufgabe 5 durchführen.

Aufgabe 7:

Welcher Ordnung sind die beobachteten Phasenumwandlungen? Begründen Sie Ihre Aussage!

Aufgabe 8:

Die im Experiment einfließenden Betrachtungen gehen davon aus, dass man sich im thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Wenn man dem System über eine längere Zeit ständig Wärme zuführt, ist dies natürlich nicht gewährleistet. Man überlege sich, wieso trotzdem sinnvolle Resultate erwartet werden und was man anstellen müsste, um das Messverfahren besser an die Voraussetzungen anzupassen.

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SW 14 Spezifische Wärmekapazität

6 Versuchsaustattung - 1 Holzkasten mit zwei Dewargefäßen und den Meßproben - 1 Rechner Pentium 600 MHz mit IEEE-488-Schnittstelle - 1 Netzwerk-Drucker (HP) - 1 PREMA 5000 DMM mit Scanner und IEEE-488-Schnittstelle - 1 Konstantstromquelle 2A, 15V - Labview, Mathlab, Zugang zu Origin, Standard-Software Anhang Bedienung des Computers (noch einmal): Überprüfen sie ob die Dewars auf „LEER“ geschaltet sind, ob die Heizung ausgeschaltet ist und das Digitalmultimeter eingeschaltet ist. Schalten Sie nun den Computer ein. Nach Einschalten des Computers erscheint das Win NT Anmeldefenster. Melden Sie sich mit dem Passwort und Login an, das sie von ihrem Betreuer erfahren. Es erscheint nun auf dem Desktop ein Labview-Symbol mit der Aufschrift „Spez. Wärme“. Durch einen Doppelklick führen Sie das Programm aus. Überprüfen Sie bei jeder Messung vor starten des Heizvorganges die Einstellungen bezüglich Temperatur und Dateiname bzw. Pfad. Vor Starten der ersten Messung lassen Sie bitte die Einstellung und die Verkabelung des Computers von ihrem Betreuer erklären. Zur Auswertung z.B. mit Origin: Die Messdaten können als ASCII-Dateien eingelesen werden. Mit dem Auswerteprogramm können die Ausgleichspolynome n-ten Grades an die Messkurven gelegt werden. Die „Leermessung“ CL lässt sich von der Messung der Probe abziehen. Durch geeignete Inter- bzw. Extrapolationen lassen sich die Phasenumwandlungscharakteristika bestimmen.

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Physikalisches Grundpraktikum

Temperaturmessung

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter:

Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Version 2 (5/2009 MD)

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TM 2 Temperaturmessung

1. Stoffgebiet

• Hauptsätze der Wärmelehre

• Temperaturskalen

• Temperaturmessung

• Gasgesetze

• Pyrometrie

• Thermische Dehnung

• Thermoelektrische Spannung

• Peltier-Effekt

• Elektrische Leitfähigkeit

• Bändermodell für Metalle, Halbleiter und Isolatoren

• Wheatstone-Brücke

• Kirchhoff'sche Gesetze

• Galvanometer

2. Literatur

• Gerthsen-Kneser-Vogel: Physik 16. Auflage, Springer-Verlag, 1989 spez. Kap. 5.1, 6.3, 6.4, 6.6, 11.2

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Temperaturmessung TM 3

3. Fragen

1. Erläutern Sie die Hauptsätze der Wärmelehre. Warum ist die absolute Temperaturskala von Stoffeigenschaften unabhängig? Wie ist die Celsiusskala definiert?

2. Auf welchen physikalischen Gesetzen beruht die Messung sehr hoher und auf welchen die Messung sehr niedriger Temperaturen? Erklären Sie die Funktionsweise eines Py-rometers.

3. Was bezeichnet man als Thermospannung? Wie ist die Thermospannung mit der Tem-peratur verknüpft? Was ist der Peltier-Effekt?

4. Wie erklären sich die Unterschiede in der elektrischen Leitfähigkeit von Metallen, Halb-leitern und Isolatoren? Erklären Sie die verschiedene Temperaturabhängigkeit der Wi-derstände von Metallen und Halbleitern? Was versteht man unter Supraleitung? Bei welchen Temperaturen tritt sie auf? Nennen Sie Anwendungsmöglichkeiten.

5. Leiten Sie die Abgleichbedingung einer Wheatstone-Brücke her.

6. Wie ist ein Flüssigkeitsthermometer aufgebaut? Wodurch ist der Temperaturbereich bei der Verwendung von Flüssigkeitsthermometern nach oben und unten begrenzt? Wo liegt die Erstarrungstemperatur von Quecksilber?

7. Was versteht man unter der Wärmekapazität eines Thermometers? Ordnen Sie die ver-schiedenen Thermometer entsprechend der Größe der Wärmekapazität, die Sie vermu-ten. Skizzieren Sie, wie sich die Thermometertemperatur mit der Zeit an die der zu mes-senden Umgebung angleicht (Trägheit des Thermometers).

8. Wozu dient ein Thermostat? Zeichnen Sie ein Funktionsschema anhand eines einfachen Beispiels.

9. Wozu dienen der Verstärker in Versuch A und der Spannungsteiler in Versuch B,C. Wie kann man den Verstärkungsfaktor eines Verstärkers bestimmen? Wie lauten die Kirch-hoff`schen Gesetze? Leiten Sie Gleichungen (7) und (11) her.

10. Welchen Widerstand hat ein Halbleiter mit Bandabstand 0.5 eV bei 100 °C, wenn sein Widerstand bei 20 °C 2 kΩ beträgt?

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TM 4 Temperaturmessung

4. Grundlagen

Die Grundlage aller Temperaturmessungen bildet die thermodynamische Temperaturskala, die durch den 2. Hauptsatz der Wärmelehre begründet wird. Diese thermodynamische Temperatur (oder gebräuchlicher: absolute Temperatur) tritt in einigen physikalischen Gesetzen auf, wie z.B. in der Planck'schen Strahlungsformel für den Schwarzen Körper, der allgemeinen Gas-gleichung oder dem Curie'schen Gesetz für die magnetische Suszeptibilität eines paramagneti-schen Stoffes, die im Idealfall eine Verwirklichung der thermodynamischen Temperaturskala gestatten (Pyrometrie für Temperaturen >1000 °C, Gasthermometrie und magnetische Ther-mometrie bis in die Nähe des absoluten Nullpunkts). Die Kelvin-Skala hat ihren Nullpunkt bei der tiefsten Temperatur, die theoretisch denkbar ist (absoluter Nullpunkt). Die absolute Tem-peraturskala (T) wird definiert durch den Tripelpunkt des Wassers bei T = 273.16 K (= 0.01 °C) und p = 610.6 Pa.

Die bei uns im täglichen Umgang gebräuchliche Celsiusskala (t) wird aus der absoluten Temperaturskala durch Verschieben des Nullpunktes um 273.15 K unter Beibehaltung der Gradeinteilung abgeleitet (t = T - 273.15 K).

Da die thermodynamische Temperaturskala nur unter extrem schwierigen Bedingungen anzu-nähern ist, wurde 1948 eine Internationale Praktische Temperaturskala eingeführt, die sich wesentlich leichter verwirklichen lässt. Sie geht von einigen Fixpunkten aus, zwischen denen die Temperatur nach bestimmten Messvorschriften interpoliert wird, z.B. aus der elekt-rischen Widerstandsänderung hochreinen Platindrahtes im Bereich von -182.970 °C (Sauers-toffverflüssigungspunkt) bis +630.5 °C (Antimonerstarrungspunkt); die bis heute erreichbare Genauigkeit ist im Bereich der Raumtemperatur etwa +-0.0001 °C.

Ein Thermometer ist ein Gerät zur Bestimmung der Temperatur. Es beruht stets auf der Mes-sung einer physikalischen Eigenschaft, die reproduzierbar von der Temperatur abhängt und die bezüglich einer der oben genannten Temperaturskalen geeicht sein muss. Die wichtigsten Thermometer sind die Flüssigkeitsthermometer, die Widerstandsthermometer und die Ther-moelemente.

Ein Flüssigkeitsthermometer beruht auf der Differenz der thermischen Dehnung einer Flüs-sigkeit und des umschließenden Gaskolbens (Quecksilber-, Äthanol-Thermometer).

Das Widerstandsthermometer besteht aus einem Metalldraht- oder Halbleiterwiderstand und einer Anordnung zur Messung des Widerstandes (oft eine Wheatstone-Brücke, wie auch in den Versuchen D, E). Der spezifische elektrische Widerstand ist das Reziproke der elektri-schen Leitfähigkeit σ, für die die mikroskopische Beziehung gilt:

enµσ = (1)

wobei e die Ladung, n die Dichte und µ die Beweglichkeit der Ladungsträger angibt. In Me-tallen wird die elektrische Leitfähigkeit durch die freien Elektronen verursacht, deren Dichte ziemlich temperaturunabhängig ist, deren Beweglichkeit im Kristallgitter aber infolge der

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Temperaturmessung TM 5

stärkeren Wechselwirkung mit den Gitterschwingungen mit steigender Temperatur abnimmt; daher nimmt der Widerstand von Metallen in erster Näherung linear mit der Temperatur zu:

0( ) (1 )R t R tα= + (2)

R0: Widerstand bei 0 °C,

α: Temperaturkoeffizient des Widerstandes,

t: Temperatur in °C.

Im Halbleiter dagegen wächst die Zahl der freien Ladungsträger (Elektronen bzw. Defekt-elektronen) stark mit der Temperatur, wodurch die Abnahme der Beweglichkeit weitgehend überdeckt wird. Halbleiter haben daher einen mit der Temperatur stark abnehmenden Wider-stand, der annähernd der Gleichung gehorcht:

( ) oder ln ( ) lnB T BR T Ae R T AT

= = + (3)

mit A, B: Konstanten, T: absoluter Temperatur. Die Konstante B ist beim Eigenhalbleiter mit dem Energieabstand ∆E von Valenzband zum Leitungsband verknüpft:

2 B

EBk∆

= (4)

mit der Boltzmann-Konstanten kB = 8.62×10-5 eV/K.

Die Messung eines Widerstandes mit der Wheatstone-Brücke (s. Abb. 1) erfolgt mittels ei-nes Nullabgleiches: Das Galvanometer zeigt keinen Ausschlag, wenn im Galvanometerzweig kein Strom fließt.

Abb. 1: Wheatstone-Brücke.

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TM 6 Temperaturmessung

Das ist der Fall, wenn:

31

2 4

(Abgleichbedingung)RRR R

= (5a)

Ersetzt man die Widerstände R3 und R4 durch einen Widerstandsdraht der Länge L, auf dem ein zum Galvanometerzweig führender Schleifer verschiebbar ist, so dass man den Gesamt-widerstand des Drahtes in beliebigem Verhältnis teilen kann (s. Abb. 2), wird die Abgleichbe-dingung zu:

X VxR R

L x=

− (5b)

Hierbei ist der Drahtquerschnitt überall als konstant vorausgesetzt.

Abb. 2: Anordnung der Wheatstone-Brücke im Versuch.

Ein Thermoelement schließlich wird aus Drähten verschiedener Metalle oder Legierungen gebildet, die durch zwei Lötstellen in Serie verbunden sind (s. Abb. 3). Bringt man die beiden Lötstellen auf verschiedene Temperaturen, so findet man zwischen den Punkten 1 und 2 die Thermospannung U, die von der Temperaturdifferenz ∆T = T1 – T2 abhängt.

Abb. 3: Aufbau eines Thermoelements.

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Temperaturmessung TM 7

Sie ist näherungsweise:

U Tη= ∆ (6)

Die Thermokraft η ist durch die Materialkombination der Drähte gegeben. Ein Thermoele-ment misst also prinzipiell nur Temperaturdifferenzen, nicht die absolute Höhe der Tempera-tur. Hält man allerdings eine Lötstelle auf einer Referenztemperatur (Tripelpunkt oder oft auch Eispunkt), so lässt sich diese Schwierigkeit umgehen.

Die Thermospannungen sind sehr niedrig (Größenordnung: η ≈ 40 mV/K); daher werden hochempfindliche Galvanometer oder Mikrovoltverstärker zu einer genauen Messung benötigt.

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TM 8 Temperaturmessung

5. Versuchsdurchführung

Versuche A, B, C (Thermoelement)

Man eiche zwei Thermoelemente anhand eines Quecksilberthermometers im Bereich von 0 °C bis 100 °C gegen den Eispunkt.

Versuche A (Mikrovoltverstärker)

Abb. 4 Versuchsaufbau zur Eichung zweier Thermoelemente TE 1 und TE 2 mit einem Mi-krovoltverstärker.

Die beiden Thermoelemente können über einen Umschalter wahlweise mit dem Eingang eines Mikrovoltverstärkers verbunden werden. Der Mikrovoltverstärker ist als „black box“ zu be-trachten, in der die Eingangsspannung verstärkt (d.h. mit dem Verstärkungsfaktor multipli-ziert) wird und am Ausgang mit einem gewöhnlichen Drehspulinstrument (Voltmeter) gemes-sen werden kann.

Aufgabe 1: Bestimmung des Verstärkungsfaktors

Messung:

In der Potentiometer- bzw. Spannungsteiler-Schaltung in Abb. 5 können Sie durch Variation von RV verschiedene Spannungen Uein abnehmen und aus den Daten von UB, R0= 100 Ω und RV nach folgender Gleichung berechnen:

0

Vein B

V

RU UR R

=+

(7)

Lesen Sie die Ausschläge am Voltmeter für RV = 0.1 Ω bis 1 Ω in 0.1 Ω-Schritten ab und tra-gen Sie in einem Diagramm die Ausgangsspannung Uaus gegen die Eingangsspannung Uein auf (Millimeterpapier). Die Steigung ergibt den Verstärkungsfaktor V:

aus einU VU= (8)

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Temperaturmessung TM 9

Abb. 5: Versuchsaufbau zur Bestimmung des Verstärkungsfaktors.

Aufgabe 2: Eichung der Thermoelemente

Die Fühler der Thermoelemente werden in Eiswasser getaucht und der sich auf dem Voltme-ter einstellende Wert abgelesen; er ist als Nullpunkt des Instrumentes zu betrachten, muss also zu jeder weiteren Messung addiert bzw. von ihr subtrahiert werden. Von jedem Thermoele-ment wird nun ein Fühler in kochendes Wasser getaucht, so dass ein positiver Ausschlag auf-tritt. Dann lese man in Schritten von ca. 10 °C zwischen 100 °C und 0 °C (jeweils etwas Eis hinzugeben) die Ausschläge der beiden Thermoelemente am Voltmeter und die zugehörige Temperatur am Quecksilberthermometer ab. Bei jeder Messung muss man solange umrühren, bis sich eine feste Temperatur eingestellt hat, da die Trägheit von Quecksilberthermometer und Thermoelement verschieden ist. Das Eisbad wird ebenfalls des Öfteren umgerührt. Am Ende des Versuches werden alle Fühler wieder in das Eisbad getaucht und der Nullpunkt überprüft. Mit dem in Aufgabe 1 erhaltenen Verstärkungsfaktor V berechne man zu den erhal-tenen Ausschlägen am Voltmeter jeweils die zugehörigen Thermospannungen Utherm. Tragen Sie anschließend die Thermospannung Utherm in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz ∆t in ein Koordinatensystem ein (Millimeterpapier).

Aufgabe 3: Bestimmung der Thermokraft

Berechnen Sie jeweils die Thermokraft η der beiden Thermoelemente. Sie erhalten η nach Gleichung (6) aus der Steigung Ihres Utherm-∆t-Diagramms. Führen Sie eine Fehlerrechnung durch.

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TM 10 Temperaturmessung

Versuche B, C (Galvanometer)

Abb. 6: Versuchsaufbau zur Eichung zweier Thermoelemente TE 1 und TE 2 mit dem Galva-nometer.

Die Thermoelemente sind gemäß Abb. 6 geschaltet. Durch den Umschalter kann wahlweise die Thermospannung 1 oder 2 gemessen werden.

Aufgabe 1: Eichung der Thermoelemente

Messung:

Die Fühler der Thermoelemente werden in Eiswasser getaucht und der Nullpunkt des Galva-nometers auf den linken Skalenrand eingestellt. Machen Sie den variablen Widerstand RV ma-ximal und stecken Sie von jedem Thermoelement einen Fühler in kochendes Wasser, so dass ein positiver Ausschlag erkennbar ist. Nun stelle man den Umschalter auf das Thermoele-ment, das den größten Ausschlag verursacht und erniedrige RV, bis sich ein Ausschlag von etwa α = 200 einstellt. Dann lese man in Schritten von ca. 10 °C zwischen 100 °C und 0 °C (jeweils etwas Eis hinzugeben !) die Ausschläge der beiden Thermoelemente am Galvanome-ter und die zugehörige Temperatur am Quecksilberthermometer ab. Bei jeder Messung muss man solange umrühren, bis sich eine feste Gleichgewichtstemperatur eingestellt hat (man be-achte, dass die Trägheit von Quecksilberthermometer und Thermoelement verschieden sind). Das Eisbad wird ebenfalls des Öfteren umgerührt. Am Ende des Versuches werden alle Fühler wieder in das Eisbad getaucht und der Nullpunkt überprüft.

Die zum jeweiligen Ausschlag am Galvanometer zugehörige Thermospannung erhalten Sie durch Bestimmung des Proportionalitätsfaktors k zwischen Thermospannung Utherm und Gal-vanometerausschlag α:

thermU kα= (9)

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Temperaturmessung TM 11

k findet man in zwei Schritten: Die Galvanometerspannung UG verursacht den Ausschlag:

4U

Gc Uα = (10)

wobei cU die Spannungsempfindlichkeit des Galvanometers ist; sie ist am Galvanometer an-gegeben. Der Faktor 4 kommt durch den Abstand Skala-Galvanometerspiegel (= 25 cm) dazu, da die Spannungsempfindlichkeit auf einen Abstand von 1 m normiert ist.

Die Spannung UG am Galvanometer ist die Spannung zwischen den Punkten B und C in Abb. 6. Man findet sie aus der Thermospannung Utherm, die zwischen den Punkten A und C anliegt, nach den Kirchhoff'schen Gesetzen:

0( ) ( )i a i a

G therm Vi a i a

R R R RU U R RR R R R

= + + + +

(11)

Ri ist der Innenwiderstand des Galvanometers, er ist am Versuchsplatz angegeben.

Aus (10) und (11) ergibt sich der Proportionalitätsfaktor k. Berechnen Sie nun mit Gleichung (9) die zu den jeweiligen Ausschlägen am Galvanometer zugehörige Thermospannung Utherm. Tragen Sie anschließend die Thermospannung Utherm in Abhängigkeit von der Temperaturdif-ferenz ∆t in ein Koordinatensystem ein (Millimeterpapier).

Aufgabe 2: Bestimmung der Thermokraft

Berechnen Sie jeweils die Thermokraft η der beiden Thermoelemente. Sie erhalten η nach Gleichung (6) aus der Steigung Ihres Utherm-∆t-Diagramms. Führen Sie eine Fehlerrechnung durch.

Versuche D, E (Widerstandsthermometer)

Man eiche einen Platin- und einen Halbleiterwiderstand anhand eines Quecksilberthermome-ters im Bereich von 0 °C bis 100 °C.

Aufgabe 1: Eichung der Widerstandsthermometer

Messung:

Beide Widerstände werden in ein Wasserbad getaucht, dessen Temperatur mittels eines Ther-mostaten beliebig einstellbar ist. Messen Sie in Schritten von ca. 10 °C von 0 °C an (Eiswas-ser). Warten Sie stets etwa 5 Minuten, bis sich die Temperatur im Thermostaten stabilisiert hat (verschiedene Trägheit von Quecksilberthermometer und Widerstandsthermometer).

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TM 12 Temperaturmessung

Die Widerstandsmessung erfolgt mit der Wheatstone-Brücke nach Abb. 2. Der Widerstand RV ist so einzustellen, dass der Schleifer bei Abgleich etwa in der Mitte des Schleifdrahtes steht (höchste Messgenauigkeit). Der Abgleich ist erreicht, wenn das Galvanometer G keinen Aus-schlag mehr zeigt. Zum Schutz gegen die bei anfangs eventuell grober Verstimmung der Brü-cke fließenden Ströme ist dem Galvanometer ein Widerstand (Shunt) parallel gelegt, der zu Beginn des Abgleichs ein- und erst bei der Feinabstimmung auszuschalten ist. Der Taster T ist jeweils nur < 1 sec zu betätigen, da sich sonst die Messwiderstände infolge des Messstromes erwärmen und ihren eigentlichen Wert verändern.

Die erhaltenen Werte werden in zwei Diagrammen aufgetragen: der Widerstand des Platin-drahtes nach Gl. (2) in einem R-t - Diagramm, der des Halbleiters nach Gl. (3) in einem lnR gegen 1/T - Diagramm (T: absolute Temperatur).

Aufgabe 2: Bestimmung des Temperaturkoeffizienten des Platinwiderstandes sowie des Bandabstandes und der Konstante A des Halbleiterwiderstandes

Man bestimme den Temperaturkoeffizienten des Platindrahtwiderstandes und die Konstanten A, B und ∆E für den Halbleiterwiderstand. Alle Größen ergeben sich aus den beiden Diag-rammen nach Gl. (2)-(4). Führen Sie eine Fehlerrechnung durch.

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Temperaturmessung TM 13

6. Versuchausstattung

Versuch A

• 2 Thermoelemente

• 1 Mikrovoltverstärker

• 1 Voltmeter

• 1 Widerstand 100 Ω

• 1 Stöpselwiderstand (0 . . . 1 Ω)

• 1 Thermometer

• 1 Monozelle mit Halterung

• 1 Kocher

• 1 Isolierkanne

Versuche B, C

• 2 Thermoelemente

• 1 Galvanometer

• 1 Schaltbrett

• 1 Widerstandsdekade (0 . . . 1110 Ω)

• 1 Kocher

• 1 Isolierkanne

Versuche D, E

• 1 Platinwiderstand

• 1 Halbleiterwiderstand

• 1 Widerstandsdraht mit Schleifer und Skala

• 1 Netzgerät (9 V, 400 mA)

• 1 Widerstandsdekade (0 . . . 1110 Ω)

• Nullanzeiger mit Taster

• 1 Thermometer

• 1 Thermostat

• 1 Reagenzglas

• 1 Isolierkanne

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Physikalisches Grundpraktikum

Gasgesetze

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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Gasgesetze GG 2

1 Stoffgebiet

• Hauptsätze der Wärmelehre

• Ideales Gas, Osmose

• Boyle-Mariotte´sches Gesetz

• Gay-Lussac´sches Gesetz

• Zustandsgleichung des idealen Gases

• Absolute Temperatur

• Adiabatische Zustandsänderungen, Schallausbreitung

• Avogadro´sche Regel

• Zustandsgleichung des realen Gases

• Partialdrücke, Gesamtdruck

• Druckmessung, Temperaturmessung, Volumenmessung

• Plasmen

• Kinetische Gastheorie

2 Literatur

• Gerthsen-Kneser-Vogel:

Physik

18. Auflage, Springer-Verlag, 1995

Kapitel 5

• Becker, Richard:

Theorie der Wärme

3. Auflage, Springer, 1985

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Gasgesetze GG 3

3 Fragen

1. Leiten Sie die ideale Gasgleichung her.

2. Wie lautet die Zustandsgleichung für reale Gase? Wie erklären sich die Zusatzterme? Unter welchen Bedingungen kann man auf ein reales Gas die ideale Zustandsgleichung anwenden und warum? Zeichnen Sie die Isothermen für ein ideales und reales Gas (CO2). Kann man ein ideales Gas verflüssigen?

3. Was versteht man unter einer adiabatischen Zustandsänderung? Leiten Sie die adiaba-tischen Zustandsgleichungen für ein ideales Gas her. Sie verwenden dabei die ideale Gasgleichung pV = nRT; wieso dürfen Sie das?

4. Was ist ein Partialdruck? Geben Sie eine Definition an. In einem abgeschlossenen Raum herrscht Normaldruck (1013 hPa = 1013 mbar), und es existiert ein Partialdruck einer „Komponente“ von der Größe 1013 N/m2. Machen Sie eine „Druckbilanz“ bzgl. der obigen Komponente und die Summe der übrigen Gase.

5. Die Schallgeschwindigkeit in Gasen ist abhängig von deren charakteristischen Größen. Leiten Sie die Beziehung her, welche diese Größen verknüpft.

6. Welche Möglichkeiten kennen Sie, um Drücke zu messen? Geben Sie Messmethoden an, mit deren Hilfe Drücke im Bereich von 10-10 mbar bis 500 bar bestimmt werden können. Wie kann man mit einem Gas Temperaturen messen? Beschreiben Sie eine Versuchsanordnung. Welche Möglichkeiten der Volumenbestimmung kenne Sie?

7. Für welchen physikalischen Sachverhalt gilt eine der idealen Gasgleichung analoge phänomenologische Beziehung? Geben Sie für die Analogie wenigstens eine Plau-sibilitätsbetrachtung.

8. Was versteht man unter: a) dem Molekulargewicht b) dem Molvolumen bei Normalbedingungen

9. Berechnen Sie die universelle Gaskonstante R aus der idealen Gasgleichung. (Normaldruck ≈ 105 N/m2).

10. Welche Naturkonstanten lassen sich unter Anwendung der Gasgleichungen angeben und wieso?

11. Was versteht man unter einem Plasma? Worin besteht der Unterschied zwischen einem Plasma und einem idealen Gas? Wo treten Plasmen auf (mindestens zwei Beispiele).

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Gasgesetze GG 4

4 Grundlagen

4.1 Gesetz von Boyle-Mariotte

Bei konstanter Temperatur T (isotherm) gilt für ein ideales Gas:

constpV = (1)

p = Druck, V = Volumen

4.2 Gesetz von Gay-Lussac

Bei isochoren Zustandsänderungen (V = const.) eines idealen Gases gilt:

0 (1 )p p Ta= + (2)

wobei p0 = Druck bei 0°C und α = kubischer Ausdehnungskoeffizient.

Mit Gl. (1) ergibt sich für isobare Zustandsänderungen (p = const.) auch die Form:

0 (1 )V V Ta= + (3)

wobei V0 = Volumen bei 0°C.

4.3 Gesetz von Avogadro

Nach Avogadro nimmt ein Mol eines Gases bei Normalbedingungen, d.h. bei einem Druck von 1013 hPa und einer Temperatur von 273,2 K=0 °C ein Volumen von 22414 cm3 ein.

4.4 Herleitung der idealen Gasgleichung

Ein Gas habe im Anfangszustand den Druck p0, das Volumen V0 und die Temperatur T0 = 0°C.

Nach einer isothermen Zustandsänderung gilt nach Gl. (1):

1 1 0 0 0bei 0p V p V T C= = ° (4)

Der Zustand (p, V1, T0) wird isobar überführt in (p, V, T)

Gemäß Gl. (3) gilt:

1 1(1 ) Volumen bei 0°CV V T Va= + = (5)

1 1VV

Ta=

+ (6)

Einsetzen von Gl. (6) in Gl. (4) ergibt:

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Gasgesetze GG 5

0 01pV p V Taa⎛ ⎞= +⎜ ⎟⎝ ⎠

(7)

Durch Einführen der absoluten Temperatur T in [K]

[ ] [ ]1K °CT Ta⎛ ⎞= +⎜ ⎟⎝ ⎠

(8)

folgt schließlich für Gl. (7):

0 0pV p V T c Ta ′= = (9)

Der Faktor c´ hängt von der Natur und Masse des Gases ab. Bei Verdopplung der Masse m, verdoppelt sich auch bei gleichem Druck und gleicher Temperatur das Volumen V0, d.h.

c mC′ = (10) Somit ergibt sich für Gl. (9):

pV mCT= (11) Bezieht man Gl. (11) auf ein Mol eines Gases, so ergibt sich:

molpV MCT= (12)

wobei Vmol = Molvolumen, M = Molmasse.

Für verschiedene Gasarten (I und II) gilt nach Avogadro:

1 1 2 2I IImol mol

M C T M C TV Vp p

= = = (13)

d.h. das Produkt MC ist für alle Gase eine Konstante, nämlich die universelle (absolute) Gaskonstante R.

Somit lautet die Zustandsgleichung für ideale Gase:

bzw.molpV RT pV nRT= = (14)

wobei n die Anzahl der Mole ist.

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Gasgesetze GG 6

4.5 Zustandsgleichung für reale Gase

Bei realen Gasen müssen das Eigenvolumen der Moleküle und die Wechselwirkungskräfte (van der Waals-Kräfte) zwischen den Molekülen berücksichtigt werden. Daher müssen Druck und Volumen durch Korrekturterme ergänzt werden. Dies geschieht in der van der Waals´schen Zustandsgleichung für reale Gase für ein Mol

( )2 molmol

ap V b RTV

⎛ ⎞+ − =⎜ ⎟

⎝ ⎠ (15)

und für n Mole:

( )2

2 molmol

n ap V nb nRTV

⎛ ⎞+ − =⎜ ⎟

⎝ ⎠

5 Versuchsdurchführung

5.1 Versuchsaufbau

Um mit einem Versuchsaufbau sowohl die Gültigkeit des Gesetzes von Boyle-Mariotte, als auch des Gesetzes von Gay-Lussac zu überprüfen, ist es notwendig, das Volumen V und die Temperatur T einer bestimmten Gasmenge zu variieren und den zu V und T zugehörigen Gasdruck zu messen. Der Versuchsaufbau, mit dem dies möglich ist, ist schematisch in Abbildung 1 zu sehen.

äußerer Zylinder

innerer Zylinder

Spindel

Temperaturfühler

beweglicher Kolben

Drucksensor

Wasserzufluß

Wasserabfluß

Absperrhahn

Abbildung 1: Schematische Ansicht des Versuchsaufbaus.

Durch Verschieben des Kolbens mittels der Spindel kann das Gasvolumen des inneren Zylinders in gewissen Grenzen frei variiert werden, wobei der Luftdruck im inneren Zylinder durch einen angeschlossenen Drucksensor mit zugehörigem Anzeigegerät gemessen wird. Mit

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Gasgesetze GG 7

dem Absperrhahn kann bei Bedarf der innere Zylinder belüftet werden. Dadurch ist es möglich, den Zusammenhang zwischen dem Druck p und dem Gasvolumen V experimentell zu ermitteln. Um zusätzlich noch den Einfluss der Gastemperatur T zu überprüfen, ist der äußere Zylinder mit Wasser gefüllt, dessen Temperatur über einen externen Thermostaten von Raumtemperatur bis ungefähr 80 °C verändert werden kann. Die Wassertemperatur und somit die Temperatur, der im inneren Zylinder eingeschlossenen Gasmenge wird durch den Temperaturfühler gemessen.

5.2 Versuchsdurchführung

Aufgabe 0: Vorversuch - Lecktest Es ist für die weitere Durchführung des Versuchs von essentieller Bedeutung, dass die Gas-menge, d.h. die Molzahl im Messvolumen während der Versuchsdurchführung konstant ist. (Warum? Siehe dazu auch die Aufgaben 1 und 2). Bevor Sie mit der eigentlichen Versuchsdurchführung beginnen, sollten Sie überprüfen, ob das Messvolumen, samt angeschlossenem Ventil und Drucksensor luftdicht ist. Die Dichtigkeit des Kolbens soll durch Vakuumfett gewährleistet werden, wobei dieses Fett aufgrund von Abnutzung im Laufe der Zeit eventuell erneuert werden muss. Desweiteren ist es wichtig, dass die Oberfläche des Kolbens nicht beschädigt wird. Vermeiden Sie es daher, den Kolben mit scharfkantigen Gegenständen zu beschädigen.

Um die Dichtheit der Anlage zu testen, öffnen Sie das Absperrventil und stellen Sie das Messvolumen auf 20 ml ein. Drehen Sie nun den inneren Kolben einmal um seine Achse, um das Vakuumfett gleichmäßig zu verteilen. Danach schließen Sie das Ventil und expandieren das Volumen auf 60 ml. Kontrollieren Sie in dieser Stellung über mehrerer Minuten den Luftdruck im Kolben.

Damit Ihnen während der Wartezeit nicht langweilig wird, eine kleine Frage: Schätzen Sie die Kraft ab, die notwendig ist, den Kolben in dieser Stellung zu halten (Durchmesser des Kolbens 3,2 cm).

Falls der Gasdruck im Messvolumen sich nicht verändert hat, ist Ihr Versuchsaufbau luftdicht und sie können mit dem Aufgabe 1 weitermachen. Nimmt jedoch der Luftdruck im Verlauf mehrerer Minuten stark zu, so wenden Sie sich an den Versuchsbetreuer.

Anmerkung: Auch wenn Ihre Anlage luftdicht scheint, wird immer ein Bruchteil der eingeschlossenen Gasmenge aus Lecks entweichen. Diese Leckrate ist umso größer, je größer die Druckdifferenz zwischen dem Inneren und dem Äußeren ist. Um den Gasverlust zu minimieren, sollten Sie zwischen zwei Messreihen den Kolben immer so verschieben, dass im inneren Zylinder ungefähr Aussendruck herrscht. Dies ist vor allem bei Aufgabe 2 für die Zeiten wichtig, in denen jeweils die Temperatur eingeregelt wird.

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Gasgesetze GG 8

Aufgabe 1: Boyle-Mariotte Überprüfen Sie die Gültigkeit des Boyle-Mariotte´schen Gesetzes für Luft in der Nähe des Atmosphärendruckes.

Messung Belüften Sie den inneren Kolben und stellen Sie ein Messvolumen von 20 ml ein. Danach schließen Sie das Absperrventil. Expandieren Sie nun in 10 Schritten das Messvolumen V von 20 auf 50 ml und messen Sie den dazugehörigen Luftdruck p im inneren Kolben. Danach komprimieren Sie das Gasvolumen wieder soweit, dass der Luftdruck ungefähr gleich dem Atmosphärendruck ist.

Auswertung

1.1 Tragen Sie nun graphisch V gegen 1/p auf. Nach dem Boyle-Mariottsche´schen Gesetz (vgl. Gl.(1)) sollte diese Auftragung eine lineare Abhängigkeit ergeben.

1.2 Tragen Sie nun in einem weiteren Diagramm p gegen 1/V auf. Nach Gl. (2) sollte auch bei dieser Auftragung ein lineare Abhängigkeit auftreten. Wie Sie jedoch bemerken werden, ist dies streng genommen nicht mehr der Fall.

Erklärung: Das Volumen V setzt sich aus dem Volumen des inneren Kolbens VK und einem Restvolumen VR zusammen. Es gilt:

K RV V V= + (16)

VR ist dabei das Volumen in den Zuleitungen zu Drucksensor und Absperrventil. Sie lesen direkt den Zusammenhang zwischen VK und p ab; da auch die Luft in VR expandiert wird, ist nicht der Zusammenhang zwischen VK und p, sondern zwischen (VK + VR) und p von physikalischer Bedeutung. Es ist daher notwendig, das Restvolumen VR abzuschätzen.

Dazu passen wir das Boyle-Mariotte´sche Gesetz dem gegebenen Versuchsaufbau an. Aus Gl. (1) wird dadurch:

( ) const.K Rp V V c+ = = (17)

Dies bedeutet, dass sich zwischen p und 1/VK keine lineare, sondern eine hyberbolische Beziehung besteht. Dies sehen Sie auch bei der Auftragung aus Teilaufgabe 2.

Bei der Auftragung aus Teilaufgabe 1.1 wird die Abweichung nicht sichtbar, da das Rest-volumen VR nur als additive Konstante eingeht. Dies sehen wir direkt, wenn wir Gl. (17) umformen. Danach ergibt sich für den Zusammenhang zwischen dem gemessenen Volumen VK und dem Druck p im inneren Zylinder:

1K RV c V

p= − (18)

Das heißt, der Zusammenhang zwischen VK und 1/p ist trotz dem noch nicht berücksichtigten Restvolumen linear. Nach Gl. (18) ist es Ihnen nun möglich, das Restvolumen abzuschätzen. Bei der Auftragung aus Teilaufgabe 1.1 (V gegen 1/p) wird die Ausgleichsgerade nicht durch den Ursprung gehen. Aus dem Abzissenabschnitt können Sie das gesuchte Restvolumen VR ermitteln.

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Gasgesetze GG 9

1.3 Ermitteln Sie aus Teilaufgabe 1.1 das Restvolumen VR. Um die obigen Erläuterungen zu verifizieren, sollten Sie nun p gegen 1/(VK + VR) graphisch auftragen, wobei sich ein linearer Zusammenhang ergeben sollte.

1.4 Es ist Ihnen nun auch möglich, die Anzahl der Mole n, die sich in dem Volumen VK + VR befindet zu bestimmen. Nach dem Avogardro´schen Gesetz (siehe 4.3) und Gleichung (14) folgt die Beziehung:

0 0

0

p VpVnT T

= (19)

wobei mit p0, V0 und T0 die Normalbedingungen bezeichnet werden. Durch Umformen von Gl. (19) erhalten wir:

0 0

0

1p Vp TnT V

= (20)

d.h. in Ihrer Auftragung von V gegen 1/p (Teilaufgabe 1.3) ist die Steigung der Aus-gleichsgeraden auch von der Molzahl n abhängig. Ermitteln Sie daher aus der Steigung der Regressionsgeraden, den Normalbedingungen und der Temperatur T die Anzahl der Mole, die sich in dem inneren Kolben befindet.

Aufgabe 2: Zustandsgleichung der idealen Gase

Um die Gültigkeit der idealen Gasgleichung zu überprüfen, müssen wir die Temperatur T als einen weiteren Parameter ins Spiel bringen. Sie sollen nun bei unterschiedlichen Gastemperaturen T den Zusammenhang zwischen p und V ermitteln und daraus die allgemeine Gaskonstante R bestimmen.

Messung und Auswertung: Ohne den inneren Kolben zu belüften (d.h. die in Aufgabe 1.4 ermittelte Molzahl ist noch aktuell) messen Sie bei 5 Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 80 °C den Zu-sammenhang zwischen p und V. Dazu stellen Sie am Thermostaten eine gewünschte Temperatur ein. Während die Wassertemperatur und damit auch die Lufttemperatur im Kolben eingeregelt wird, verschieben Sie den Kolbens immer in der Art, dass im inneren Zylinder ungefähr Normaldruck herrscht. Wenn sich die gewünschte Temperatur eingeregelt hat, d.h. wenn sich bei einer gegebenen Kolbenstellung der Druck nicht mehr verändert, messen Sie wie in Aufgabe 1 den Zusammenhang zwischen p und V für 11 Volumina im Intervall von 20 bis 50 ml. (Anmerkung: Es sollten bei jeder Temperatur immer die gleichen Volumina sein. Siehe auch Aufgabe 3). Komprimieren Sie das Volumen nach jeder Messung wieder, bis im inneren Kolben Normaldruck herrscht.

Nach der Zustandsgleichung für ideale Gase (Gl. (14)) gilt zwischen V und 1/p ein linearer Zusammenhang, wobei die Steigung der Ausgleichsgeraden temperaturabhängig ist.

Es gilt:

1 1( )V nRT b Tp p

= =

mit

( )b T nRT= (21)

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Gasgesetze GG 10

Tragen Sie für jede Temperatur V gegen 1/p graphisch auf. Die Steigung der Ausgleichs-geraden entspricht b(T). (Welches V verwenden Sie dafür?)

Tragen Sie nun b(T) für jede Temperatur gegen T auf. Nach Gl. (21) sollte sich wiederum eine lineare Abhängigkeit ergeben. Die Steigung der Ausgleichsgeraden ist nR. Mit der in Aufgabe 1.4 bestimmten Molzahl n können Sie nun die gesuchte Gaskonstante R ermitteln. Führen Sie auch noch eine Fehlerabschätzung für R durch.

Anmerkung: Ähnlich wie in Aufgabe 2 geht in die Bestimmung der allgemeinen Gas-konstanten R ein durch den Versuchsaufbau bedingter systematischer Fehler ein. Welcher Fehler ist das? Beachten Sie, dass bei dieser Aufgabe die Temperatur als weiterer Parameter dazukommt.

Aufgabe 3: Gay-Lussac

Aus den Messwerten, die Sie in Aufgabe 2 ermittelt haben, können Sie die Gültigkeit des Gay-Lussac´schen Gesetzes überprüfen und den Temperaturkoeffizienten α ermitteln.

Wählen Sie sich dazu ein bestimmtes Volumen V und tragen Sie für die unterschiedlichen Temperaturen den Druck p gegen die Gastemperatur T (in °C) graphisch auf. Nach dem Gay-Lussac´schen Gesetz (Gl. (2)) sollte sich ein linearer Zusammenhang ergeben. Aus dem Abzissenabschnitt und der Steigung der Ausgleichsgeraden lässt sich der gesuchte kubische Ausdehnungskoeffizient α ermitteln. Führen Sie eine Fehlerabschätzung für α durch.

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Physikalisches Grundpraktikum Werkstoffwissenschaften Mikro- und Nanotechnik

Emission von Licht (Spektralanalyse)

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter:

Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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EL 2 EMISSION VON LICHT

EMISSION VON LICHT (SPEKTRALANALYSE)

Stoffgebiet Bohrsches Atommodell Bohrsche Postulate Elektronenwellen Unbestimmtheitsrelationen Spektralserien des H-Atoms Balmersches Seriengesetz für das H-Atom Wasserstoffähnliche Spektren Gitter- und Prismen-Spektralapparat (Aufbau, Funktion und Auflösungsvermögen )

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SPEKTRALANALYSE EL 3 Fragen: 1. Wie lauten die Heisenbergschen Unschärferelationen für a) Ort und Impuls? b) Energie und Zeit? 2. Ein auf einer Kreisbahn um den Kern laufendes Elektron ist

beschleunigt. Nach der klassischen Elektrodynamik gibt ein beschleunigtes Elektron Energie in Form elektromagnetischer Strahlung ab. Warum widerspricht das Rutherfordsche Atommodell der klassischen Elektrodynamik?

3. Welcher Zustand des Wasserstoffatoms ist energetisch höher? a) Kern und Elektron getrennt. b) Elektron in stationärem Zustand in Kernnähe. Geben Sie eine physikalische Begründung an! 4. Welche physikalische Bedeutung haben Haupt-, Neben- und

magnetische Quantenzahl? Nennen Sie die physikalischen Größen, deren Quantisierung sie beschreiben.

5. Was versteht man unter den Begriffen Seriengrenze und Ionisation? 6. Was besagt das Bohrsche Korrespondenzprinzip? 7. a) Was ist ein Spektrum? b) Wodurch unterscheidet sich das Spektrum einer Glühlampe von dem

einer Na-Dampf-Lampe? Erläutern Sie Ihre Meinung. 8. Skizzieren Sie den Aufbau und die Wirkungsweise eines Prismen-

Spektralapparates. 9. Skizzieren Sie den Aufbau und die Wirkungsweise eines Gitter-

Spektral-apparates. 10.Wodurch ist das Auflösungsvermögen der oben genannten Spektral-

apparate bestimmt?

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EL 4 EMISSION VON LICHT Grundlagen: Elektromagnetische Strahlung des optischen Bereiches entsteht meistens durch Übergänge von äußeren Atomelektronen zwischen deren stationären Energiezuständen. Diese Zustände sind bei freien Atomen und Molekülen diskrete Energiewerte. In Flüssigkeiten und Festkörpern jedoch bilden sie breite Energiebänder. Das einfachste Spektrum stammt vom einfachst aufgebauten Atom, dem Wasserstoff-Atom! Es besteht aus einem Proton, welches klassisch gesehen von einem Elektron umkreist wird. In diesem Versuch wird das Spektrum dieses Atoms untersucht. Seine historisch erste Deutung erfolgte mit dem auf den Gesetzen der klassischen Mechanik aufgebauten Atommodell von Rutherford, Haas, Bohr, Sommerfeld und anderen. Dieses Bohrsche Atommodell beruht auf dem Modell eines extrem verkleinerten Planetensystems. Ein Elektron soll wie ein Planet um die Sonne um den Kern kreisen. Nach heutiger Kenntnis ist diese Vorstellung in wesentlichen Punkten falsch, obwohl das Bohr-Modell das Spektrum des vom H-Atom emittierten Lichtes auf sieben Stellen der Frequenzen wiedergibt. Um Atomspektren zu verstehen, benötigt man die Quantentheorie. Ein Teil ihrer Voraussetzungen ist bereits im Bohrschen Atommodell enthalten, so daß dieses als ein erster Schritt zum Verständnis des Atombaus dienen kann, wenn, wie im folgenden, zugleich auf die unrichtigen Seiten des Modells hingewiesen wird. Das Elektron des H-Atoms wird vom Kern durch elektrische Anziehung gebunden. Das Potential des Kernes ist dabei das Coulomb-Potential einer Punktladung:

V re

ro( ) =

−4πε (1)

wobei r der Abstand zwischen Elektron und Kern, e die Elementarladung und o elektrische Feldkonstante bedeuten.- Das Elektron soll auf Kreisbahnen um den Kern laufen. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik sollte es dabei jedoch wie eine Antenne dauernd elektromagnetische Strahlung emittieren, wodurch die Bewegungsenergie verringert würde. Ein stationärer Bewegungszustand wäre klassisch nicht möglich, und damit auch nicht die Existenz von Linienspektren. Daher postulierte Bohr, daß Elektronen im Atom nicht den Gesetzen der klassischen Physik gehorchen. Die Begründung dazu lieferte erst später die Quantentheorie.

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SPEKTRALANALYSE EL 5 1.Bohrsches Postulat: Die Elektronen von Atomen können sich dauernd, d.h. stationär, auf bestimmten Energieniveaus befinden, in denen sie weder elektromagnetische Energie emittieren, noch von außen absorbieren. Diese Energieniveaus bilden eine diskrete Folge von Energien, welche als Summe aus Bewegungs- und potentiellen Energien der Elektronen zu verstehen sind. Bohr ordnete nun jedem Energieniveau - im Sinne seines Planeten- modelles - einen bestimmten Abstand r der Kreisbahn vom Kern zu, da er voraussetzte, die Elektronen seien innerhalb des Atoms jederzeit lokalisierbar, d.h. die Momentanorte seien jederzeit meßbar. Mit dieser Annahme läßt sich die Bewegung beschreiben aus dem Gleichgewicht zwischen Zentripetalkraft und Coulomb-Kraft:

(2) e

rm r

o

2

22

4π εω=

wobei m die Elektronenmasse und die Kreisfrequenz bedeuten.

Anmerkung: Bohr wußte noch nichts von der Wellennatur der Elektronen, die beispielsweise an einem Kristallgitter in gleicher Weise gebeugt werden wie Röntgen-strahlung. Bewegen sich Elektronen geradlinig gleichförmig, so ist die Wellenlänge durch die deBroglie-Beziehung gegeben:

(3) λ =hp

h ist hier das Plancksche Wirkungsquantum; p der Impulsbetrag des Elektrons. Im Wasserstoffatom nehmen die Elektronenwellen ausgedehnte, dreidimensionale Bereiche um den Atomkern ein. Sie werden durch Wellenfunktionen beschrieben, deren Quadrat an einem herausgegriffenen Ort ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons an diesem Ort ist. Stationäre Zustände entstehen dann, wenn Wellenlänge und Lage der Wellen gerade so zusammenpassen, daß sich stehende Wellen ausbilden. Diese stehenden Wellen sind der Symmetrie des Atoms angepaßt, und die Bereiche, in denen sich die Elektronen bevorzugt aufhalten, haben wenig Ähnlichkeit mit den Bohrschen Kreisbahnen der als klassische Partikel gedachten Elektronen. Um die räumliche Verteilung hervorzuheben, spricht man auch von „Elektronenwolken“.

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EL 6 EMISSION VON LICHT

Fig. 1 In Fig.1 sind die Elektronen-Dichteverteilung für s-, p- und d-Elektronen (s.u.) qualitativ dargestellt (mit der üblichen Nomenklatur). Die Zustände unterscheiden sich sowohl im Abstand der Maxima der Dichteverteilung vom Kern, als auch in der Symmetrie der Verteilung. Beschreibt man die Elektronenzustände durch stehende Wellen, dann kann man den Ort eines Elektrons zu einer bestimmten Zeit nicht mehr angeben. So ist die Elektronendichte des Elektrons im Grundzustand des H-Atoms zu allen Zeiten kugelsymmetrisch, d.h. auf jeder beliebig herausgegriffenen Kugelschale um den Kern konstant. Von einem umlaufenden Elektron, wie Bohr es sich vorstellte, kann man nicht sprechen. Diese Unbestimmtheit der Elektronenbewegung wird allgemein durch die Heisenbergsche Unschärferelation begründet. Allerdings stimmt die Ausdehnung der Elektronenwolken der verschiedenen stationären Zustände einigermaßen mit den Radien der zugehörigen Bohrschen Bahnen überein.

Um die Spektren des H-Atoms erklären zu können, postulierte Bohr weiter, daß die Radien rn der stationären Bahnen gegeben seien durch

rme

nn =4 0

2

22πε

, n=1,2,3,... (4)

wobei (sprich h quer) eine Abkürzung für h/2π ist.

x

y

z

s

px

py

pz

d z2

dxz

d yz

dx -y2 2

d xy

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SPEKTRALANALYSE EL 7 Die dazugehörigen Gesamtenergien sind

(5) E E Em r e

rn kin potn

o n= + = +

−ωπε

2 2 2

2 4

Dabei wurde angenommen, daß der Nullpunkt der potentiellen Energie bei unendlich großem Abstand r liegt. Dann sind Elektron und Kern vollständig voneinander getrennt. Aus dieser (willkürlichen) Festlegung folgt, daß Epot für gebundene Zustände negativ ist. Wie bei den Kepler-Gesetzen, ist im Bohrschen Planetenmodell im Gleichgewicht E Ekin pot= − 2, und mit Gleichung (4) ergibt sich damit die Gesamtenergie zu

(6) Ee

rme

h nn

o n o=

−=

−2 4

2 2 28 8πε ε , mit n=1,2,3,...

Anmerkung: Bohr leitete Gleichung (4) dadurch ab, daß er für den Betrag des Drehimpulses des Elektrons voraussetzte, er könne nur Vielfache der Größe h/2π annehmen:

(7) m r nnω 2 = , mit n=1,2,3,... Heute weiß man, daß zwar der Betrag des Drehimpulses gequantelt ist, wie in Gleichung (7) angegeben, nur ist die Quantenzahl nicht die Energie-quantenzahl n der Gleichung (6), sondern die Nebenquantenzahl l. l kann ganzzahlige Werte zwischen 0 und (n-1) annehmen. Auch die Richtung des Drehimpulses ist gequantelt, und zwar mit der magnetischen Quantenzahl m. Zusätzlich gibt es noch die Spinquanten- zahl s, welche die Orientierung des Eigendrehimpulses des Elektrons angibt. Trotz der Zugehörigkeit zur selben Hauptquantenzahl n haben die Elektronenwolken für l=0 und l=1 völlig unterschiedliches Aussehen. Wenn n=2 beträgt, dann ist z.B. die l=0 Wolke im Dreidimensionalen kugelsymmetrisch, die l=1 Wolke dagegen hat die Form eines Kreisringes. Es ist eine ganz spezielle Eigenschaft des reinen Coulomb-Potentials, daß die Gesamtenergie auch nach der Quantentheorie zur Gleichung (6) führt, also nur von der Hauptquantenzahl n, nicht aber von der Nebenquanten-zahl l abhängt. Bei komplizierteren Atomen ist das Potential nicht mehr rein Coulombsch. Dort hängt die Gesamtenergie sowohl von n, als auch von l ab. Für die Nebenquantenzahl l gibt es eine weitere Numerierung: l=0 wird auch mit dem Buchstaben s bezeichnet, l=1 mit p, l=2 mit d. Der Grundzustand (n=1, l=0) des H-Atoms ist demnach der 1s-Zustand.

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EL 8 EMISSION VON LICHT Bohr stellte sich die Emission und Absorption elektromagnetischer Strahlung so vor, daß die Elektronen plötzlich von einer Bahn auf eine andere springen: 2.Bohrsches Postulat: Das Elektron des H-Atoms kann seine Energie nur ändern, indem es von einem stationären Energiezustand E1 zu einem anderen, E2, wechselt. Wird die Energiedifferenz als elektromagnetische Strahlung emittiert, so ist n2 kleiner als n1. Umgekehrt ist es bei der Absorption. Es wird also ein Energiequant der Strahlung emittiert oder absorbiert. Die zugehörige Frequenz ν ergibt sich aus dem Energiesatz:

E E h1 2− = ⋅ ν (8) Setzt man Gleichung (6) in Gleichung (8) ein, so sieht man, daß nur diskrete Frequenzen möglich sind. Emissions- und Absorptionsspektren sind Linienspektren. Man erhält:

hme

h n nR

n nν

ε= −

= −

4

02 2

12

22

12

228

1 1 1 1 (9)

R ist eine nur durch universelle Konstanten bestimmte Energie, sie wird als Rydberg-Konstante bezeichnet. Ihr Zahlenwert beträgt: R eV J= = ⋅ −136 2178 10 18. . .

Anmerkung: Gleichung (8) ist eine grundlegende Beziehung der Quantentheorie. Die Änderung des Energiezustandes wird heute interpretiert als eine Änderung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen, d.h. der Form und Größe der Elektronenwolken. Dies stimmt grob mit der Bohrschen Vorstellung überein, daß bei Absorption bzw. Emission die Elektronenwolke vom Kern weg- bzw. heranrückt. Ursprünglich wurde die Rydbergkonstante in einer anderen Einheit angegeben, die der Energie proportional ist, nämlich in Wellenzahlen. Die Wellenzahl k ist definiert durch k=2π/λ. Die Wellenlänge λ der Strahlung wurde in cm gemessen. Die Rydbergkonstante beträgt dann

′ = −R cm109737 1 ( =R/(hc) ). Die Rydbergkonstante hat eine anschauliche Bedeutung. Hebt man das Elektron des H-Atoms vom Grundzustand (n=1) zu einem Zustand beliebig hoher Quantenzahl (n→∞), so ist gemäß Gleichung (9) die dazu nötige Energie hν = R. R ist also gleich der Ionisierungsenergie des H-Atoms, die erforderlich ist, das Elektron vom Atom abzulösen.

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SPEKTRALANALYSE EL 9 Gleichung (9) ist die berühmte Balmersche Serienformel des Wasserstoff-spektrums. Sie beschreibt die Frequenzen aller am H-Atom beobachteten Spektrallinien quantitativ und war bereits 20 Jahre vor Bohrs Modell von Balmer gefunden worden. Das Spektrum läßt sich in Serien zusammengehöriger Linien gliedern, wobei jeder Serie ein fester Wert von n1 zukommt, während n2 alle ganzen positiven Zahlen durchläuft. Nach ihren Entdeckern wurden diese Serien als

Lyman-Serie (n1=1) im fernen Ultraviolett (UV) Balmer-Serie (n1 =2) im Sichtbaren und nahen UV Paschen-Serie (n1 =3) im nahen Infrarot (IR) Brackett-Serie (n1 =4) im fernen IR, und Pfund-Serie (n1 =5) im fernen IR

bezeichnet. Die Serien für n1 >5 tragen keine besonderen Namen. Unten sind die zugehörigen Übergänge im Bohrschen Atommodell skizziert. Üblicher ist es, die Spektrallinien als Übergänge im Energie-Niveau-Diagramm einzuzeichnen.

Die Leistung des Bohrschen Atommodells war es, die Gleichung (9) modellmäßig zu deuten, wobei n als Hauptquantenzahl stationärer Zustände interpretiert, und das von Balmer als Konstante eingeführte R auf die Naturkonstanten m, e und h zurückgeführt wurde. Eine Verfeinerung des Modells gelang, indem man die Kreisbahnen durch Ellipsenbahnen ersetzte (im Sinne des Planetenmodells also vom Kopernikanischen zum Keplerschen Bild überging). Durch die Annahme, daß die Exzentrizität dieser Ellipsen gequantelt sei, konnte eine weitere

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EL 10 EMISSION VON LICHT Quantenzahl eingeführt werden, die der Nebenquantenzahl l entspricht. Damit konnten auch winzige Feinstrukturen im H-Spektrum gedeutet werden, und es gelang, die Spektren anderer Elemente mit niedriger Ordnungszahl weitgehend zu erklären. Weniger erfolgreich war das Modell jedoch bei schwereren Atomen. Heute weiß man, daß das Bohrsche Modell falsche Annahmen enthält. Erst die Quantentheorie ermöglichte es, die Spektren aller Atome zu verstehen. Aufgabe 1: Visuelle Eichung des Spektrometers mit den bekannten Linien des Hg-Spektrums (Tabelle am Arbeitsplatz). Aufgabe 2: Bestimmung der Wellenlängen der Linien einer He-Lampe, einer Na-Lampe und einer Ne-Lampe. Aufgabe 3: Bestimmung der Rydbergkonstante aus der roten und der blaugrünen Linie der Balmerserie (Angabe in eV, in Wellenzahlen (Einheit : cm-1) und als Wellenlänge in nm). Aufgabe 4: Berechnung der Rydbergkonstante nach Gleichung (9) und Vergleich mit dem Meßresultat. Angabe der relativen Abweichung des Meßergebnisses vom Rechenwert. Hinweise: Von der Balmerserie mit n1=2 liegen vier Linien im Sichtbaren. Sie können im Versuch beobachtet werden. Die rote und die blaugrüne Linie (Wellenlängen λ1 und λ2 ) lassen sich sehr gut identifizieren. Der roten Linie entspreche der Index n2=m. Dann hat die darauffolgende blaugrüne Linie den Index m+1. Damit hat man, wenn man aus Gleichung (9) die Rydberg-Konstante in Wellenzahlen ausrechnet:

R

m m

′ =−

=−

+

11

2

11

1

2

1

11 2 2 2 2 2

λ λ( )

(10)

oder

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SPEKTRALANALYSE EL 11

(11) λ λ λ λ1 2 1

22

24 1

−= −

+m m( )

λ1 und λ2 werden im Versuch bestimmt. Durch Probieren (m ist größer als 2) kann m aus Gleichung (11) gefunden werden, und mit Gleichung (10) erhält man dann die Rydbergkonstante als Mittelwert aus zwei Werten. Bei allen Versuchen werden Spektralapparate benutzt, deren Aufgabe es ist, ein Lichtbündel, das verschiedene Wellenlängen enthält, in mehrere räumlich getrennte Teilbündel aufzuspalten, wobei jetzt jedes Teilbündel nur eine Frequenz enthält. Zur Analyse der Spektren werden Prismen- oder Gitterspektralapparate benutzt. 1. Prismenspektralapparate Infolge der Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex n läßt sich mit Hilfe eines Prismas eine Wellenlängenanalyse des Lichtes durchführen. Hierbei ergibt sich der Ablenkungswinkel als Funktion des Brechungsindex sowie der geometrischen Form des Prismas. Die Fähigkeit, zwei Spektrallinien zu trennen, bezeichnet man als Auflösungsvermögen A. Wenn S die wirksame Basislänge eines Prismas ist, dann ist A bestimmt durch:

(12) A Sdnd= = ⋅

λλ∆λ

∆λ ist der Abstand der beiden Linien, die gerade noch getrennt erscheinen, dn/dλ die Dispersion des Prismenmaterials. In dem bei Versuch A und B (erster und zweiter Arbeitsplatz) benutzten Spektrographen ist ein Prisma konstanter Ablenkung nach Abbe eingebaut. Man kann es sich zusammengesetzt denken aus zwei 30o-Prismen, die mit einem 90o-Prisma kombiniert sind. Die Ablenkungen - nicht die Dispersion - der 30o-Prismen heben einander auf. An der Fläche a-b wird der Strahl totalreflektiert.

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EL 12 EMISSION VON LICHT

Dieses Prisma gestattet den Bau eines Spektrometers mit konstanter Ablenkung des Lichtbündels um 90o zwischen Kollimator und Fernrohr. Unterschiedliche Wellenlängen werden einfach durch Drehung des Prismas in das Gesichtsfeld des Fernrohrs gebracht. Bei den Versuchen C und D werden statt dessen Spektrometer mit normalen 60o-Prismen verwendet, die auf dem Drehtisch eines Goniometers montiert sind. Hier wird zur Einstellung der verschiedenen Wellenlängen auf das Fadenkreuz des Fernrohres der Winkel zwischen Kollimator und Fernrohr verändert. Durch eine Hebelanordnung wird dabei erreicht, daß der Prismentisch zugleich um den halben Winkel gedreht wird. Dadurch bleibt das Prisma für alle Wellenlängen im Winkel der minimalen Ablenkung (lassen Sie sich dies vom Betreuer näher erläutern!). Zur Einstellung und Ablesung der Drehung (die zur Kalibrierung des Gerätes in Aufgabe 1 erforderlich ist), dient eine Mikrometerschraube. 2. Gitterspektralapparate Fällt paralleles, monochromatisches Licht (Wellenlänge λ) senkrecht auf ein Strichgitter, so beobachtet man in der Brennebene einer Linse scharfe Intensitätsmaxima (Spektrallinien) unter Beugungswinkeln α, die der Beziehung (13) d · sinα = z · λ

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SPEKTRALANALYSE EL 13 genügen. Dabei bedeuten d = Gitter-konstante und z = die Ordnung des betreffenden Maximums. Wegen (13) ist bei festem d und z jeder Wellenlänge λ ein bestimmter Winkel α zugeordnet, unter dem die dieser Wellenlänge entsprechende Spektral-linie erscheint. Enthält das Licht verschiedene Wellenlängen, so findet durch das Gitter eine Spektralzerlegung statt. Durch Aus-messen der Winkel α, unter denen die Linien des Spektrums erscheinen, kann dann, bei bekanntem d und z, aus (13) die zugehörige Wellenlänge errechnet werden. Das Auflösungsvermögen eines Gitterspektralapparates mit N beleuchteten Spalten und der Gitterkonstante z lautet:

A N z= = ⋅λ

∆λ Versuchsdurchführung: Zunächst wird das Spektroskop geeicht, das heißt der Zusammenhang zwischen Wellenlänge und Prismen- bzw. Gitterdrehung gesucht. Zur Eichung wird hier ein Hg-Spektrallampe benutzt, in deren Lampenkolben die Atome des Hg-Dampfes zur Aussendung seines charakteristischen Linienspektrums angeregt werden. Die Wellenlängen dieses Spektrums sind bekannt und am Arbeitsplatz angegeben. Durch Drehen des Prismas können die einzelnen Spektrallinien, die mit einem Fernrohr beobachtet werden, über ein Fadenkreuz im Okular des Fernrohres geschoben werden. Die Eichung wird so durchgeführt, daß die Linien nacheinander ins Fadenkreuz gedreht werden, und die dazugehörige Prismenstellung an einer Skala abgelesen wird. Man erhält so einzelne Punkte, die sich durch Interpolation zu einer Eichkurve verbinden lassen. Diese ist für ein Gitterspektrometer linear, nicht aber für ein Prismenspektrometer. Mit Hilfe der Eichkurve lassen sich jetzt beliebige Spektren (deren Linien in diesen Eichbereich fallen) analysieren. Dies wird im Versuch durchgeführt, indem die Wellenlängen der Linienspektren einiger Elemente (Na, He, Ne) bestimmt werden. Diese Linienspektren werden in Spektrallampen mit Na-, He- bzw. Ne-Füllung angeregt. Im letzten Teil des Versuchs wird eine sogenannte Geisslerröhre (gefüllt mit H2) eingeschaltet. Sie sendet neben den charakteristischen Linienspektren des H-Atoms noch das Molekülspektrum des H2-Moleküls

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EL 14 EMISSION VON LICHT aus, welches dem Atomspektrum überlagert ist und die Identifizierung des letzteren etwas erschwert.

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Physikalisches Grundpraktikum für Physiker/innen

Teil II

Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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BI 2 BEUGUNG UND INTERFERENZ

Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen Stoffgebiet

• Eigenschaften von Lichtwellen

• Ausbreitung von Wellen

• Interferenz von Wellen

• Beugung an Einfachspalt, Doppelspalt und Lochblende

• Kohärenz von Licht

• Laser und thermische Lichtquellen

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 3 Fragen: 1. Was versteht man unter Kohärenz? 2. Was versteht man unter Interferenz? 3. a) Was versteht man unter Beugung? b) Wie lauten die Bedingungen für Maxima und Minima der Beugungs-figur

am Einfachspalt? 4. Wie verändert sich das Bild der Einfachspaltbeugung a) beim Übergang zu beliebig feinen Spaltbreiten bzw. zu beliebig großen

Wellenlängen (Gleichung (4.6))? b) beim Übergang zu beliebig großen Spaltbreiten bzw. zu beliebig kleinen

Wellenlängen? 5. Warum ist der Spalt als Spektrometer ungeeignet? 6. Wieso beobachtet man bei der Spaltbeugung auf dem Bildschirm in der zur x-

Richtung senkrechten Richtung keine Beugungsfigur, die der in der x-Richtung ähnlich ist?

7. Wie sieht das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Doppelspaltes aus,

wenn a) die Spaltbreite sehr klein gegen den Abstand der Spalte ist? b) Spaltbreite und Spaltabstand übereinstimmen? (Skizze) 8. Wie sieht die Beugungsfigur eines Vielfachspaltes (Strichgitters) aus? 9. In welche Bildfigur wird eine ∞-ferne Punktlichtquelle in der Brennebene ei-

nes Fotoapparates oder Fernrohres abgebildet? 10.Strahlaufweitung eines Laser-Strahles: In Abb.16 ist der optische Aufbau ei-

nes Strahlaufweiters dargestellt. Berechnen Sie, um welchen Faktor der Strahlquerschnitt eines Laser-Strahls vergrößert wird, wenn sich die Brenn-weiten der beiden Linsen wie f1:f2 = 5:1 verhalten?

11.Was besagt das Babinetsche Theorem?

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BI 4 BEUGUNG UND INTERFERENZ Grundlagen: 1a) Typischer Aufbau eines Beugungsexperimentes: Im vorliegenden Versuch wird die Aufgabe gestellt, die Auswirkungen seitlicher Begrenzungen (endliche Größe der Spalte, Linsen, Lichtquellen etc.) auf das reale optische Experiment zu untersuchen. Hierzu ist ein Strahlengang geeignet, der in abgewandelter Form in sehr vielen optischen Instrumenten (z.B. Gitter- oder Prismenspektrograph) wiederkehrt (Abb.1a).

Abb.1a: Typischer Aufbau eines optischen Experimentes mit Apertur Mit Hilfe der Linse L1 wird die Lichtquelle LQ auf den Spalt S1 abgebildet. S1 dient als Sekundärlichtquelle, die in einer Richtung praktisch punktförmig ist (die Erweiterung auf zwei Dimensionen verläuft dann analog dazu). Dies ist die notwendige Voraussetzung für die Erzeugung parallelen Lichtes durch L2. L2 macht alle Strahlen, die von dem "punktförmigen" Spalt S1 ausgehen, parallel. Diese werden dann nach Durchgang durch den Spalt A (der die Apertur simulie-ren soll und in einem optischen Experiment durch ein Prisma oder Gitter ersetzt wird) durch die Linse L3 auf den Schirm abgebildet. Im Idealfall ∞-großer Lichtbündel, d.h. unter Vernachlässigung der seitlichen Begrenzung in A, erscheint auf dem Schirm ein beliebig scharfes Bild des Spal-tes S1. Da die Ausdehnung von A jedoch immer endlich ist, wird das Licht am Spalt A gebeugt und das Bild von S1 erscheint auf dem Schirm infolge dieser Beugungsfigur unscharf. In einem realen Versuch erscheinen natürlich, bedingt durch die Begrenzungen der Linsen, immer Beugungsfiguren auf dem Schirm, es soll nur hier der Einfachheit halber davon ausgegangen werden, daß die Grö-ße des Spaltes A kleiner ist als die Größe der Linsen.

LQ L1 S1 L2 ASp

L3 Schirm

x=0

x

Θ

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 5 1b.) Nomenklatur: Fraunhoferbeugung und Fresnelbeugung: Zur Beschreibung des in Abb.1a skizzierten Experimentes machen wir folgende Voraussetzungen: 1. Die einfallende Lichtwelle ist eben, d.h. die Welle besitzt in allen Punkten

der Beugungsebene die gleiche Phase. 2. Betrachten wir einen Punkt P auf dem Schirm, so überlagern sich in diesem

alle Wellen, die den Spalt (die Beugungsebene) unter dem gleichen Winkel verlassen (parallele Strahlen, Abb.1b).

Abb.1b: Darstellung der Vor-aussetzungen 1. und 2.

Letzteres bedeutet, daß sich der Aufpunkt P weit weit entfernt vom Spalt befin-det, d.h. in der sogenannten "Fernzone". Diese ist dadurch bestimmt, daß das Produkt aus der Entfernung d und der Wellenlänge des Lichtes sehr groß sein muß gegen die Größe des Spaltes, projeziert auf die Beobachtungsrichtung (Be-obachtungwinkel Θ):

(1.1) d b b⋅ >>

≥λ 12 4

2 2cosΘ

Beugung, die unter den Voraussetzungen 1. und 2. beobachtet wird, heißt Fraunhofer-Beugung. Da die Vorausetzung 2. nicht immer erfüllt ist, kann man die Superposition pa-ralleler Strahlen durch eine weitere Sammellinse gewährleisten. Diese bildet alle Strahlen, die parallel zueinander unter einem Winkel Θ auf die Linse treffen, in einen Punkt in ihrer Brennebene ab. Ist eine der beiden Voraussetzungen 1. oder 2. nicht erfüllt, so erhält man andere Beugungsdiagramme, man spricht dann von Fresnel-Beugung (Abb.2). Diese Beugungsfiguren sind mathematisch komplizierter zu behandeln.

SpaltP

b

d

Θ

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BI 6 BEUGUNG UND INTERFERENZ Die erste Vorausetzung wird immer in sehr guter Näherung erfüllt, wenn Laser als Lichtquelle verwendet werden. Man muß allerdings beim Versuchsaufbau immer darauf achten, daß auch die zweite Voraussetzung in Form obiger Un-gleichung erfüllt ist.

Abb.2: Skizzenhafte Darstellung der Fraunhofer- und Fresnelbeugung für ver-schiedene Abstände des Beobachters von der Beugungsebene 2. Mathematische Beschreibung einer monochromatischen ebenen Welle in einem homogenen Medium: Im folgenden werden wir uns auf reelle Brechungsindices n, reelle Wellenvekto-ren

k und linear polarisiertes Licht beschränken. Reelle Brechungsindices und Wellenvektoren bedeuten eine Vernachlässigung der Dämpfung der Welle (z.B. durch Absorption).

Fresnel-Beugung Fraunhofer-Beugung

kleine mittlere großeAbstände

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 7

( )0

( )0

Vektor des elektrischen Feldes:

Vektor des magnetischen Feldes: ( )

Wellenvektor und Wellenlänge:

i kr t

i kr t

E E ecB B e k E

ω

ω

ω

= ⋅

= ⋅ = ×

2

Brechungsindex des Mediums: ( )2Kreisfrequenz, Frequenz und Periodendauer: 2

Dispersionsrelation der Welle:

nk kc

n n

T

π ωλ

ωπω πν

= = =

=

= =

0

; ( )

Wellenfläche (Ebenen gleicher Phase ): const

Transversalität der Welle: 0

Lineare Polarisa

ck n nn

k k r

k E

ω ω= =

⊥ ⋅ =

⋅ =

0tion: Richtung von fest

Energiestromdichte ("Intensität") der ebenen Welle (zeitl. Mittelwert

des Poynting-Vektors):

E

0 0 0 01 ( )2

kS I E H E E kk

∗= = × ∝

3. Ebene Wellen und Wellenpakete: Eine (homogene) ebene Welle ist in der Richtung senkrecht zum Wellenvektor

k , streng genommen, unendlich ausgedehnt. Sie beschreibt also keine reale phy-sikalische Situation. In jedem Strahlengang gibt es Begrenzungen, d.h. eine late-rale Struktur. Beugungsexperimente machen heißt, diejenigen Abwandlungen des idealen Zustandes hervorzuheben, zu beobachten und zu messen, die durch laterale Begrenzungen entstehen. Der ideale Ausgangszustand ist bei diesen Ex-perimenten eine ebene Welle mit räumlich konstanter Amplitude: Die Welle hinter dem Spalt hat keine einheitliche Ausbreitungsrichtung und Amplitude mehr, sie ist durch Pakete von ebenen Wellen zu beschreiben. Ma-thematisch bedeutet das eine Entwicklung nach ebenen Wellen:

E x z A k e dk k k kxi k x k z

x x zk z( , ) ( ) ;( )= ⋅ + =+

−∞

∫ 2 2 2 (3.1)

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BI 8 BEUGUNG UND INTERFERENZ

Abb.3: Ausgangssituation einer unend-lich ausgedehnten ebenen Welle

Wir können uns dabei auf das ebene Problem (Koordinatensystem xz) beschrän-ken, da die Spalte in y-Richtung groß sind, und lassen den allen Wellen gemein-samen Zeitfaktor exp(-iωt) weg. Außerdem betrachten wir nur eine Polarisati-onsrichtung, z.B. die Komponente Ex . Diese Beschreibung der Beugung nennt man "Fourier-Methode". Die Entwick-lung der Beugungswelle muß dabei aber nicht notwendigerweise nach ebenen Wellen erfolgen, ebenso ist eine Entwicklung nach Kugelwellen möglich. Auf diesem Formalismus beruht die üblicherweise in den Lehrbüchern geschilderte Methode des Huygensschen Prinzips und der Huygensschen "Elementarwel-len". Diese werden in Abschnitt 4.2 skizziert. Anmerkung: Die Fourier-Optik ist ein sehr aktuelles Gebiet der Physik mit vielen technologi-schen Anwendungen, so daß es sinnvoll erscheint, Begriffe der Fourier-Optik schon im Grundpraktikum einzuführen. Ihre Methoden werden auch in der An-leitung zum Versuch "Beugung am Gitter und Bildentstehung im Mikroskop" verwendet.

Fläche konstanter Phase

k

z

x

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 9 4.1 Beugung am Spalt (Fourier-Methode))

Abb.4: Prinzipskizze

Ausgangssituation sei eine ebene Welle, die von links senkrecht auf den Spalt zuläuft (Abb.4). Der Spalt sei in y-Richtung unendlich groß ausgedehnt. Für die ebene Welle können wir dann folgenden Ansatz machen:

Für die Feldverteilung in der Spaltebene (z=0) ergibt sich dann:

(4.1) .

Für den Halbraum z>0 hinter dem Spalt setzen wir ein Wellenpaket aus ebenen Wellen gleicher Frequenz, aber unterschiedlicher Richtung in der xz-Ebene (d.h. unterschiedlichen Komponenten kx) an:

(4.2) .

Die Amplitudenfunktion ist zunächst beliebig. Für die Spaltebene gilt dann speziell: (z=0)

E x A k e dkxik x

xx( , ) ( )0 = ⋅−∞

∫ . (4.3)

E x y z E z E eikzeinf einf( , , ) ( )= = 0

E x zE x b

x beinf für

> / 2 ( , )

/= =

<

02

0 für 0

E x z A k e dk k kxi k x k z

x x zx z( , ) ( ) ( )> = ⋅ +

∫0 2 2 2 ; k + =-

k

Spalt

Eeinf(x,0)Eeinf

E(x,z)

0

-b/2

b/2

x

z

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BI 10 BEUGUNG UND INTERFERENZ Die Integralgleichung (4.3) stellt ein Fourier-Integral dar, die Amplituden-funktion der ebenen Wellen hinter dem Spalt ergibt sich also in Abhängigkeit von der Impulskomponente kx als Fourier-Transformierte der Feldverteilung in der Spaltebene. Dieser Zusammenhang gilt ganz allgemein, ist also unabhängig von der Geometrie des Experimentes:

A einf-

( ) ( , ) ( , )k E x e dx E x e dxxik x ik xx x= =−

−∞

∞−∫ ∫

12

0 12

0π π

(4.4)

Das Wellenpaket (4.3) muß die Randbedingung (4.1) erfüllen, d.h. stetig an die ebene Welle vor dem Spalt anschließen. Daraus folgt zum einen, daß die Welle an allen Punkten in der Beugungsebene die gleiche Phase besitzt, und zum ande-ren, daß das Feld außerhalb der Spaltebene identisch Null verschwindet. Die In-tegration in (4.4) muß sich daher nur über die Spaltbreite erstrecken:

A k E e dx E b k bk bx

ik x

b

bx

xx( ) sin( /

//

/= = ⋅

−∫

12 2

2)20

0

2

2

π π (4.4’)

Nach Abb. 4 gilt: . Daraus folgt dann mit (4.4’):

(4.5)

(4.5) ist die bekannte Formel für das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Spaltes. Man kann es sichtbar machen durch eine hinter dem Spalt angebrachte Sammellinse, die alle zu einem Winkel Θ (bzw. zu einem kx) gehörenden ebe-nen Wellen in einem Punkt auf der Brennlinie (x-Achse in Abb.6) sammelt.

k kx = ⋅ =sin sinΘ Θ2πλ

A A bbSpalt ( ) sin( / sin )

/ sinΘ

ΘΘ

= ⋅⋅

⋅0π λ

π λ

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 11

Abb.5: Darstellung der Feldverteilung in der Spaltebene (links) und der Ampli-tuden-funktion, die sich durch Fourier-Transformation aus der Feldverteilung im Spalt ergibt (rechts).

Abb.6: Aufbau zur Beobach-tung des Fraunhoferschen Beugungsdiagrammes

Amplitudenfunktion hinter dem Spalt (Θ=Beob.winkel):

Feldverteilung inder Spaltebene (z=0):

Fourier-Tr.

-b/2 0 b/2

E0

Ampl

itude

des

ele

ktris

chen

Fel

des

x-Richtung

-6 -4 -2 0 2 4 6

Ampl

itude

nfun

ktio

n

kxb/2π = b/λ*sin(Θ)

Spalt

Linse

f

z=0z

x

Θ Amplitude

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BI 12 BEUGUNG UND INTERFERENZ Grenzen der Beschreibung: Als Integrationsgrenzen für kx haben wir bei dem Wellenpaket (4.3) ±∞ zu wäh-len. Nur dann ist das Fourier-Theorem exakt anwendbar. In unserem Fall kann aber kx wegen kx=k sinΘ nicht größer als k werden. Die Beschreibung ist also nur gut, wenn bei dieser Grenze die Amplitudenfunktion schon sehr klein ist, so daß man die Integration schon bei ±k abbrechen kann, ohne einen großen Fehler zu machen. Wir können A(kx=k) leicht abschätzen. Es gilt:

sin( // /

.k bk b k b b

⋅⋅

≤⋅

= ⋅2)

21

21π

λ

Der maximale Wert von A(kx) ergibt sich andererseits nach (4.4') zu A(kx=0), so daß unsere Beschreibung also nur gut ist, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

und nicht, wie bisweilen zu lesen, . 4.2 Beugung am Spalt (Huygenssches Prinzip): Nach dem Huygensschen Prinzip stellt jeder von einer beliebigen Welle getrof-fene Raumpunkt selbst eine Quelle einer sekundären Kugelwelle ("Elementar-welle") dar, die solange emittiert wird, wie die Primärwelle einfällt. Die weiter-laufende Welle ergibt sich als Überlagerung solcher Kugelwellen (s. Abb. 6a). Dem entspricht eine mathematische Entwicklung einer Welle nach Kugelwellen. Betrachten wir eine ebene Welle: Wegen der auslöschenden Interferenzen in al-len Richtungen, die von der Ausbreitungsrichtung der ebenen Welle abweichen, bleibt diese Wellenform bei der Ausbreitung erhalten.

A k kA k b

bxx

((

==

= ⋅ << → >>))

,0

1 1π

λ λ

b ≥ λ

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 13

Abb. 6a: Huygensches Prinzip

Anders ist dies, wenn durch einen Spalt ein eng begrenzter Bereich der ebenen Welle ausgeblendet wird. Denkt man sich den mit einer ebenen Welle beleuchte-ten Spalt in Abb.2 mit unendlich vielen Ausgangspunkten Huygensscher Ele-mentarwellen belegt, die kohärent auslaufen, so löschen sich die Anteile der Kugelwellen, deren Ausbreitungsrichtung nicht mit der Fortpflanzungsrichtung der Primärwelle zusammenfällt, nicht mehr alle durch Interferenz aus (siehe hierzu auch Abb.287 in Bd.3 Bergmann-Schäfer). Die aus der Überlagerung der Kugelwellen folgende Amplitudenverteilung in der Brennebene der Linse (Abb.6) ist auch in dieser Beschreibungsweise gegeben durch Gl. (4.5). 4.3 Intensitätsverteilung hinter dem Spalt: In unserem Experiment wird die Intensität I, d.h. das Quadrat der Amplituden-funktion, gemessen. Die Intensitätsverteilung in der Brennebene der Linse L (Abb.6) in x-Richtung ist aus der Amplitudenverteilung nach Gl. (4.5) zu be-rechnen. Sie wird in guter Näherung wie folgt beschrieben:

Ausbreitungs-richtung derWellenfront

ebene Wellenfront(Wellenfläche)

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BI 14 BEUGUNG UND INTERFERENZ

( )

I x) A b bx f

bx f( ( ) sin ( / ( ))

/ ( )= ⋅ ⋅2

2

2π λ

π λ (4.6)

Hierbei ist A eine Konstante, b die Breite des Spaltes und f die Brennweite der Linse. Die Näherung liegt darin, daß sinΘ=x/f gesetzt wurde (Abb.6). Die Her-leitung obiger Gleichung findet man z.B. in Bergmann-Schäfer, Bd.3.

Abb.7: Intensitätsverteilung hinter dem Spalt.

Die periodische Funktion (4.6) hat an verschiedenen Orten x Maxima und Mi-nima. Die Minima liegen an den Stellen bx/(λf)=n, wobei n eine ganze Zahl (au-ßer der Null) ist. Die Intensität ist an diesen Stellen Null (Abb.7). Die Maxima liegen an den Orten x, für die gilt: bx/(λf)=0 oder bx/(λf)=(2m+1)/2, wenn m ebenfalls eine ganze Zahl ist. Die Zahlen n bzw. m bezeichnet man als Ordnung der Minima respektive Maxima. Der zusätzliche Fall x=0 (d.h. Θ=0, ungebeugter Strahl) heißt das Maximum 0-ter Ordnung. Interessiert man sich nicht für die Intensitäten, sondern nur für die Lage der Ex-trema, so ist eine einfache Berechnung möglich. Man benötigt nur die Kenntnis der Gangdifferenzen zwischen den einzelnen Bündeln, die von verschiedenen Orten der Spaltöffnung ausgehen. Auslöschung tritt in den Richtungen ein, in denen die Rand-strahlen die Phasendifferenz nλ haben, Maxima bei Phasendif-

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Nebenmaxima

-4. -3. -2.-1.

4.3.2.1.

rel. In

tensit

ät (zu

r Inten

sität

des H

auptm

axim

ums)

bx / (λf)

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 15 ferenzen (2m+1)λ/2. Dies kann man sich einfach geometrisch oder anhand der Intensitätsverteilung klarmachen: Da der Sinusterm im Zähler die Extrema be-stimmt, geben seine Nullstellen die Lage der Minima und seine Maxima die La-ge der entsprechenden Maxima an. Somit ergibt sich für die Beugungswinkel, unter denen man Minima beobachten kann: (4.7a) n bλ = ⋅ sinΘ und für die Orte auf dem Schirm in der Näherung sinΘ=x/f:

(4.7b) n b xf

λ = ⋅

Entsprechend gilt für die Beugungswinkel der Maxima:

(4.8a) ( ) sin2 12

m b+= ⋅λ Θ

und für die Orte auf dem Schirm:

(4.8b) ( )2 12

m b xf

+= ⋅λ

Hinweis: Die Beschreibung der Beugung am Einfachspalt und Doppelspalt (Kap.5) mit Hilfe des Huygensschen Prinzips sollten Sie unbedingt beherrschen, insbesonde-re die Gleichungen (4.7) und (4.8) herleiten können. Das Huygenssche Prinzip bei der Ausbreitung von Wellen wird Ihnen noch häu-fig in der Physik begegnen (z.B. bei der Beugung von Röntgenstrahlen an Kris-tallen / Kristallstrukturanalyse oder der Beugung von Elektronen an Kristallen / elektronische Eigenschaften von Festkörpern). Auch zur Heisenbergschen Un-schärferelation bietet das Experiment der Beugung am Spalt einen anschauli-chen Zugang. Letzteres kann Ihnen der Assistent genauer erläutern.

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BI 16 BEUGUNG UND INTERFERENZ 5. Beugung am Doppelspalt:

Abb.8: Geometrie eines Doppelspaltes Die Feldverteilung in der Spaltebene hat bei Beleuchtung mit einer ebenen Wel-le folgendes Aussehen:

Abb.9: Feldverteilung in einem Dop-pelspalt

Das nun entstehende Fraunhofersche Beugungsdiagramm ist wieder durch die Fourier-Transformierte der Feldverteilung gegeben. (Es ergibt sich natürlich ebenfalls im Rahmen der Huygensschen Betrachtungsweise - machen Sie sich bitte damit vertraut!) Der Doppelspalt verdeutlicht besonders gut das Zusammenspiel von Beugung und Interferenz: Bringt man wieder, wie in Abb.6, eine Sammellinse hinter den Spalten an, so setzt sich die resultierende Feldamplitude in ihrer Brennebene (das Fraunhofersche Beugungsdiagramm) zusammen aus den resultierenden Amplituden eines jeden Einzelspaltes (Gl.(4.5)).

a

b

Vorderansicht

Θ Θ

Querschnitt

parallelesLicht

z

x

0

E0

b

a

x-Richtung

Amplit

ude de

s el. F

eldes

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 17 Da Kohärenz zwischen den beiden Teilwellen vorausgesetzt wird, addieren sich die Amplituden, nicht die Intensitäten! Da für Winkel Θ≠0 die beiden Teilwellen wegen der unterschiedlichen geomet-rischen Weglängen eine Phasendifferenz besitzen, kommt es zusätzlich zur Ein-zelspaltbeugung zu einer weiteren Interferenzerscheinung, die das Beugungs-diagramm gegenüber dem des Einzelspaltes wesentlich verändert. Wir geben hier nur die Intensitätsverteilung an, sie ergibt sich zu:

(5.1) ( )I I bb

a( ) sin(( / ) sin )( / ) sin

cos ( / ) sinΘΘ

ΘΘ= ⋅

⋅0

22π λ

π λπ λ

Abb.10: Intensitätsverteilung hinter einem Doppelspalt (Fraunhofer-Beugung) für den Fall a=3*b. Die aus Gl.(5.1) resultierenden Maxima sind gegeben durch die Maxima des Interferenzterms:

m a a xf

mλ = ⋅ ≅ ⋅ =sin ; , , ...Θ 012, . (5.2a)

und die Minima der Einhüllenden durch die Beugung am Einfachspalt:

-9 -6 -3 0 3 6 9

-0,2

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

-3 -2 -1 0 1 2 (b/λ*sin(Θ)

Inten

sität

(a/λ)*sinΘ

Doppelspalt-interferenz

Einzelspalt-Beugung(Einhüllende)

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BI 18 BEUGUNG UND INTERFERENZ

n b b xf

nλ = ⋅ ≅ ⋅ =sin ; , ...Θ 12, . (5.2b)

Hierbei wurde wieder von der Näherung sinΘ≈x/f Gebrauch gemacht. Die Her-leitung der Gleichungen (5.2a) und (5.2b) mit Hilfe des Huygensschen Prinzips müssen Sie beherrschen! 6. Beugung an einer kreisförmigen Öffnung: Das Beugungsdiagramm einer kreisförmigen Öffnung ist qualitativ dem eines Spaltes ähnlich, jedoch besteht es aufgrund der Zylindersymmetrie der Öffnung aus einer zentralen Scheibe und konzentrischen, alternierend dunklen und hellen Ringen. Die Berechnung des Beugungsdiagrammes ist mathematisch kompli-zierter, da Beugung in alle Richtungen senkrecht zur z-Achse betrachtet werden muß. Dieses 2-dimensionale zylindersymmetrische Problem wird mittels Zylin-derfunktionen, den sogenannten Bessel-Funktionen, gelöst. Aufeinanderfolgende Maxima und Minima sind nicht äquidistant, wie es beim Einzel- oder Doppelspalt der Fall ist. Für das erste Minimum gilt:

sinΘ= ⋅χ λD

, (6.2)

wobei D der Durchmesser der kreisförmigen Öffnung und χ ein Zahlenfaktor ist, der hier nicht angegeben werden soll (diese Faktoren sind als erste Nullstellen der Besselfunktionen tabelliert). Sie sollen ihn in der ersten Aufgabe selbst mes-sen. Beugung an kreisförmigen Öffnungen tritt bei allen optischen Abbildungssyste-men mit kreisförmigen Linsen und Blenden auf und führt dazu, daß die nach der Geometrischen Optik mögliche exakte Abbildung prinzipiell unscharf wird ("Beugungsunschärfe"). Aufgabe 1: Man zeige, daß Gl. (4.6) für x=0 ein Maximum annimmt.

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 19 Aufgabe 2: Man berechne die relativen Intensitäten der Maxima 1., 2. und 3. Ordnung, be-zogen auf die des Hauptmaximums I (x=0) nach Gl. (4.6).

Hierzu setze man πλ

α π αbxf= ⋅ = mit 3

252

72

, , .

Gleichung (4.6) erhält dann die Form

Die Aufgaben 1. und 2. sind Hausaufgaben, die bei der Versuchs-vorbereitung zu lösen sind. Aufgabe 3: Einfachspalt Man prüfe experimentell:

1) Gl. (4.6):

2) Gl. (4.7b):

3) Gl. (4.8):

mit , n und m = Ordnungszahlen der Minima bzw. Maxima,

I A b02= ⋅ = Intensität des Hauptmaximums.

I xI x

( )( )

sin ( )( )

.=

=⋅

0

2

2α π

απ

I x) I( sin ( )( )

= ⋅02

2απ

απ n für n= =α 1 2, 3, ,...2 1

21 2, 3m +

= =α für m , ,...

αλ

=bx

f

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BI 20 BEUGUNG UND INTERFERENZ Versuchsdurchführung: Verwendet man als Lichtquelle LQ eine räumlich ausgedehnte thermische Lichtquelle, so wird der Spalt S1 in Abb.1 von verschiedenen Punkten von LQ aus beleuchtet. Als Effekt hiervon tritt durch ihn kein völlig kohärentes Licht mehr hindurch, wodurch Gl.(4.6) nicht mehr exakt gilt, und der Kontrast der Beugungsfigur herabgesetzt wird. Man überschreitet in solch einem Fall die Ko-härenzlänge des verwendeten Lichtes. Als Folge dieser Überschreitung addieren sich nicht mehr die Amplituden der superponierenden Wellen (da sie keine feste Phasenbeziehung zueinander besitzen), sondern ihre Intensitäten. Das Auftau-chen von Interferenz-erscheinungen setzt aber eine feste Phasenbeziehung der Teilwellen voraus, so daß thermische Lichtquellen im allgemeinen für Interfe-renzexperimente in dieser geometrischen Größenordnung, d.h. mit Gangunter-schieden im cm-Bereich, ungeeignet sind. Hinzu kommt, daß die Linse L1 aufgrund der endlichen Breite des Spaltes S1 kein exakt paralleles Licht erzeugt. Diese Schwierigkeiten kann man vermeiden, wenn man bei der Durchführung solcher Experimente Laser als Lichtquellen verwendet. Laser-Licht erzeugt man in einem optischen Resonantor hoher Güte. Es ist zu einem hohen Grade parallel und besitzt große Kohärenzlängen (bis zu mehreren Metern). Da sich dadurch zusätzlich noch die Verwendung des Spaltes S1 erübrigt, ver-einfacht sich der Strahlengang der Abb.1.

Abb.11: Strahlengang bei der Durchführung des Beugungsexperimentes Die Wellenlänge des hier verwendeten Lichtes (aus einem He-Ne-Laser) beträgt λ=632.8nm. Noch weiter vereinfachen läßt sich der Aufbau von Abb.11, wenn der Schirm sehr weit vom Spalt entfernt ist. Dann treten auch ohne Fokussierung durch L3 einzelne voneinander getrennte Teilbündel auf (Fernfeld). Die Brennweite f muß

LASER

Sp L3 Schirm

x=0

x

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 21 dann in den Formeln durch den Abstand d zwischen Spalt und Schirm ersetzt werden (Abb.12). Ihre Aufgabe ist es nun, das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Spaltes der Breite b (bitte beim Betreuer erfragen) aufzunehmen. Die folgende Skizze der Versuchsanordnung dient der Definition der Meßgrößen:

Abb.12: Skizze der Ver-suchsanordnung.

Die Intensität wird mit einem Photowiderstand in Abhängigkeit von dessen Po-sition (x) gemessen. Er befindet sich daher in einem Gehäuse, das mittels einer Drehspindel in x-Richtung bewegt werden kann. Optional kann vor dem Detek-torgehäuse ein weißer Schirm angebracht werden, damit die Intensitätsvertei-lung direkt beobachtet werden kann. Der Abstand der Detektor- bzw. Schirm-ebene d ist so groß zu wählen, daß auf eine Linse verzichtet werden kann. Der Ort x des Detektors ist an einer mm-Skala und (für die mm-Bruchteile) an der Mikrometerschraube abzulesen. Justieren Sie zunächst den Spalt so, daß er vom Laser-Licht symmetrisch be-leuchtet wird. Beobachten Sie dann das Beugungsbild auf dem Schirm und jus-tieren Sie das Detektorgehäuse in der Höhe so, daß bei Verschiebung über die ganze x-Skala das gebeugte Licht stets durch das Loch im Schirm auf den Pho-towiderstand fallen kann (Abb.13).

d

Detektor

Spalt (b)

gebeugtes Licht(schematisch)

Laserlicht (λ)

x=0 x

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BI 22 BEUGUNG UND INTERFERENZ Der Photowiderstand darf aber nie in den direkten Laser-Strahl gebracht werden, da er sonst zerstört wird!

Abb.13: Justage des Detektors.

Sowohl Intensität als auch die Position des Detektors auf der x-Skala werden elektrisch gemessen und von einem xy-Schreiber aufgezeichnet: Dazu ist am Detektor ein Linearpotentiometer angebracht, an dem eine zur Verschiebung proportionale Spannung abgegriffen wird (Abb.14).

Abb.14: Elektrischer Schaltplan des Versuchsaufbaus. Die x-Position des Schreibers gibt die Position des Detektors an, die y-Achse die an dieser Stelle gemessene Intensität. Da eine Verschiebung des Schreibers um 1cm auf der x-Achse nicht der Verschiebung des Detektors um 1cm entspricht, muß der Umrechnungsfaktor vor der Aufnahme des Beugungsdiagrammes durch Sie ermittelt werden.

0 x

GehäusePhotowiderstand

Beugungs-diagramm

Photowiderstand

gebeugtes Licht(schematisch)

y

xx0

Mikrometer

xy-Schreiber

Spannungsquelle

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 23 Der Versuch selbst ist dann folgendermaßen durchzuführen: Nach Justage des Aufbaus sollen die ersten 10 Maxima und Minima auf beiden Seiten des Hauptmaximums gemessen werden. Dazu muß der Detektor in die Position des Hauptmaximums gefahren und die Schreiberempfindlichkeit in y-Richtung so verändert werden, daß der Ausschlag im Hauptmaximum gerade dem Vollausschlag des Schreibers entspricht. Das dann gemessene Beugunsdiagramm gibt aber nur die Intensitäten der Ma-xima niedriger Ordnung genügend genau wieder. Um die Empfindlichkeit für die Aufnahme der nächsten Maxima zu steigern, wird der Detektor in das Ma-ximum 1. oder 2. Ordnung gefahren und die Empfindlichkeit des Schreibers auf Vollausschlag an dieser Position geeicht. Dann wird ein weiteres Diagramm aufgenommen, wobei darauf zu achten ist, daß der y-Eingang des Schreibers während dem Durchlauf durch das Hauptmaximum abgeschaltet wird, um die Mechanik nicht unnötig zu belasten. Dies kann Ihnen der Betreuer genauer er-klären. Bei der Aufnahme des dritten Diagrammes ist analog zu verfahren, der Vollausschlag ist dann auf ein Maximum höherer Ordnung einzustellen. Merken Sie sich die eingestellten Empfindlichkeiten, ihre Kenntnis ist für die Auswer-tung notwendig. Das Meßergebnis ist in Abb.15 noch einmal dargestellt. Die Messungen selbst sind von jedem Versuchsteilnehmer einmal durchzuführen. Auswertung: 1) Prüfen Sie den Intensitätsverlauf der Gleichung (4.6). Die Intensitäten Im(xm) der Maxima werden, wie in Abb.15 gezeigt, bestimmt. Der inkohärente Unterg-rund muß vor der Bestimmung der einzelnen Intensitäten durch lineare Interpo-lation abgezogen werden (gestrichelte Kurve bei I3 rechts in Abb.15). Führen Sie dies für alle Ordnungen von -10 bis +10 durch und bilden Sie für jedes |m| den Mittelwert

Stellen Sie dann graphisch ln II m

0

als Funktion von für

dar.

II I

mm m

=++ −

2.

ln2 1

2m +

1 10≤ ≤m

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BI 24 BEUGUNG UND INTERFERENZ

Abb.15: Meßergebnis nach dreimaliger Aufnahme des Diagrammes mit ver-schiedenen Schreiberempfindlichkeiten. Zeichnen Sie gestrichelt die theoretisch zu erwartetende Kurve nach Gl.(4.6) für die Maxima in das Diagramm. Vergleichen Sie Messung und Theorie und disku-tieren Sie das Ergebnis. 2) Prüfen Sie die Positionen der Minima und Maxima: Eichen Sie zunächst die x-Achse des Schreibers durch die Bestimmung des Eichfaktors s: X(Schreiber) [mm] = X(Detektor) [mm] * s. Mit Hilfe des Eichfaktors berechnen Sie dann die Orte der Minima und Maxima für |m|=1..10 als Mittelwerte der Positionen der Extrema positiver und negativer Ordnung:

( )xx x

x x

nn n

mm m

= =

=−

=−

+ −

+ −

0

2

2

Position des Hauptmaximums

Minima: x

Maxima: x

4

-3

-5

-2

1

5

-4

32

-1

0

Intensität beiabgezogenem Untergrund(hier I3*100)

*100

*10*1

Schreiber-empfindlichkeit

Inte

nsitä

t

Detektorposition (x)

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 25 Fertigen Sie eine Tabelle an und stellen Sie dann die Orte als Funktion der Ord-nungszahlen |n| bzw. |m| graphisch dar. Bestimmen Sie die Steigungen und Ach-senabschnitte der Geraden durch die Meßpunkte. Berechnen Sie die theoretischen Steigungen und Achsenabschnitte (Gln. (4.7b) und (4.8b)) und vergleichen Sie diese mit den experimentell erhaltenen Meßun-kten. Aufgabe 4: Doppelspalt Bestimmen Sie Spaltbreite b und Spaltabstand a eines Doppelspaltes. Hierzu wird der Versuchsaufbau etwas abgeändert, da der Laser-Strahl aufgeweitet werden muß, um den Doppelspalt gleichmäßig zu beleuchten.

Abb.16: Aufbau des Strahlaufweiters Der Strahlaufweiter besteht aus einem kurzbrennweitigen Objektiv L' (f1=30mm) und einer längerbrennweitigen Linse L" (f=140mm). Die Justierung der Linsen und die gleichmäßige Beleuchtung des Doppelspaltes ist etwas schwierig - rufen Sie dazu den Assistenten. Bevor Sie den Detektor D in den Strahlengang einsetzen, beobachten Sie die Beugungs-Interferenz-Figur auf dem Schirm S. Die Messung erfolgt wie in Aufgabe 3. Überlegen Sie sich selbst, wie man die gesuchten Größen a und b aus der Meß-kurve ermitteln kann.

d d d d 05 4 3 2

70 cm

LASER

S D DSp L L12

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BI 26 BEUGUNG UND INTERFERENZ Aufgabe5: Beugung an einer kreisförmigen Öffnung Nehmen Sie photoelektrisch das Fraunhofersche Beugungsdiagramm einer kreisförmigen Öffnung (Durchmesser ∆=0.12mm) auf und bestimmen Sie den Zahlenfaktor χ in der Gleichung für das erste Minimum:

sin .Θ∆Min =⋅χ λ

Hinweis: Der Abstand zwischen beugender Öffnung und Photodetektor muß groß sein, damit der mit einer schlitzförmigen Blende versehene Detektor die Beugungs-ringe einzeln registrieren kann. Anhang: Anmerkungen zum realen Beugungsexperiment: Bisher haben wir nur die ideale Feldverteilung in der Ebene der beugenden Ob-jekte betrachtet, d.h. eine unstetige Hell-Dunkel-Grenze am Rande der Öffnung und eine konstante Helligkeit in der Öffnung. Eine "Verschmierung" der Hell-Dunkel-Grenze, z.B. durch allmählich zunehmende Schwärzung des Randes, bedingt durch mechanische Fehler oder durch Verschmutzung des Öffnungsran-des, ändert die Beugungsfigur: Das zentrale Maximum wird breiter, die Nebenmaxima werden schwächer (Stichwort Apodisation). In unserem Experiment haben diese Effekte nur gerin-gen Einfluß; wesentlicher ist die nicht konstante Feldamplitude des Lasers senk-recht zum Strahl. Diese hat im Fall der Ein-Moden-Anregung (d.h. der Anre-gung der ersten stehenden Welle im optischen Resonator) den in Abb.17 gezeig-ten Verlauf.

Abb.17: Realistische Feldverteilung im Querschnitt des La-ser-Strahls und in der Spaltebene

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

realistische Felverteilungin der Spaltebene

Querschnitt des LASER-Strahls(Anregung der ersten Mode)

-b/2 0 b/2

Feld

ampl

itude

im P

rimär

stra

hl E

0

Strahlquerschnitt

Feld

ampl

itude

im S

palt

E

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BEUGUNG UND INTERFERENZ BI 27 Die Feldverteilung in der Spaltöffnung wird daher sehr ungleichmäßig, wenn der Strahl nicht genau symmetrisch auf den Spalt justiert ist. Als Folge davon unterscheiden sich die Intensitäten der -|m|-ten und +|m|-ten Ordnung. Sie kön-nen diesen Effekt sehr leicht selbst beobachten. Frage: Warum tritt am freien Laser-Strahl keine Beugung auf, obwohl der auch örtlich (senkrecht zur Strahlrichtung) begrenzt ist, wenn auch nicht so scharf wie durch einen Spalt? Diskutieren Sie dieses Problem mit dem Assistenten.

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Physikalisches Grundpraktikum

Polarisiertes Licht

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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PL 2 POLARISIERTES LICHT

Polarisiertes Licht Stoffgebiet Wellennatur des Lichtes Ebene Welle Lineare Polarisation Elliptische Polarisation Zirkulare Polarisation Brechungsgesetz Doppelbrechung, Dichroismus Optische Aktivität Faraday-Effekt

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POLARISIERTES LICHT PL 3

Fragen 1. Was versteht man unter einer Longitudinal-Welle und einer Transversalwelle? Was versteht man bei Lichtwellen unter dem elektrischen, dem magnetischen Feldvektor und dem Poyntingvektor? 2. Wie unterscheidet sich natürliches Licht von linear polarisiertem Licht? 3. Der Vektor der elektrischen Feldstärke einer sich in z-Richtung eines rechtwinkligen Koordinatensystems ausbreitenden linear polarisierten Lichtwelle habe den Winkel θ = 30° gegenüber der x-Achse. a) Wie groß sind die Komponenten Ex und Ey ? b) Wie ergibt sich umgekehrt der Betrag der Feldstärke E = | | aus den Komponenten Ex und Ey? c) Wie groß sind die zugehörigen Intensitäten Ix , Iy und I? 4. Wie ändern sich Betrag und Richtung des elektrischen Feldvektors a) bei linear polarisiertem Licht, b) bei zirkular polarisiertem Licht und c) bei elliptisch polarisiertem Licht mit der Zeit? 5. Welche Methoden kennen Sie, um Licht linear zu polarisieren? 6. Wie ist der Brechungsindex definiert und was versteht man unter Doppelbrechung? Was ist Dichroismus? 7. Wie lässt sich aus zwei senkrecht zueinander polarisierten Wellen zirkular und elliptisch polarisiertes Licht erzeugen? 8. Was ist ein λ/4-Plättchen? 9. Was ist optische Aktivität? 10.Was verseht man unter dem Faraday-Effekt?

E E t k z= ⋅ ⋅ − ⋅0 cos( )ω

E

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PL 4 POLARISIERTES LICHT

I Grundlagen Zur Analyse von polarisiertem Licht und zur Untersuchung doppelbrechender Stoffe dient folgende Versuchsanordnung:

Abb. 1: Versuchsanordnung Eine durch monochromatisches, natürliches Licht der Lichtquelle L beleuchtete Irisblende B befindet sich im Brennpunkt der Sammellinse L1. In dem so er-zeugten parallelen Lichtbündel stehen ein Polarisator P, eine Glimmerplatte G bzw. eine λ/4-Folie F, ein Analysator A und eine Sammellinse L2. Die Blende B wird durch die Linsen L1 und L2 auf die Photozelle Z abgebildet, der Photo-strom durch ein Galvanometer Ga angezeigt. Das von der Linse L1 ausgehende parallele Licht wird durch den Polarisator P linear polarisiert und trifft dann senkrecht auf ein doppelbrechendes Medium (Glimmerplättchen, λ/4-Plättchen). Im allgemeinen wird in diesem das linear polarisierte Licht in zwei senkrecht zueinander polarisierte Wellen aufgespalten, die verschiedene Amplituden haben, und die sich verschieden schnell fortpflan-zen. Letzteres führt dazu, dass die beiden Wellen nach dem Durchlaufen des doppelbrechenden Mediums einen Phasenunterschied haben. Wenn sich die bei-den Wellen nun zu einer resultierenden Welle zusammensetzen, wird es von ih-rem Phasenunterschied und ihren Amplituden abhängen, ob linear, zirkular oder elliptisch polarisiertes Licht entsteht. Der Analysator A dient zur Untersuchung des entstandenen Lichtes, und zwar lassen sich mit seiner Hilfe aus Intensitätsmessungen Rückschlüsse auf den Po-larisationszustand des Lichtes ziehen. Dies soll im folgenden mit Hilfe der Abb. 2 näher erläutert werden:

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POLARISIERTES LICHT PL 5

Abb. 2a) 2b) 2c) a) in Richtung von polarisiert. b) Aufspaltung von im doppelbrechenden Medium in und c) Nachweis der Komponenten von und von

und sollen die Schwingungsrichtungen von Polarisator und Analysator be-deuten. und seien die beiden Hauptschwingungsrichtungen im doppelbre-chenden Medium. Das auf den doppelbrechenden Stoff einfallende Licht sei in Richtung von polarisiert, seine Amplitude soll durch den Vektor ausged-rückt werden: Die beiden Teilwellen im doppelbrechenden Kristall, die in Richtung von und polarisiert sind, haben die Amplituden: (1) oder Der Analysator lässt von jeder dieser Welle nur die Komponente in seiner Rich-tung durch:

(2)

Die beiden Wellen haben beim Austritt aus der Kristallplatte der Dicke d die Phasendifferenz

(3)

E

P

E

E1

E2

E1′

E1

E2′

E2

P

A

S1

S2

P

E0

E E t kz= ⋅ −0 cos( )ω

S1

S2

E E10 0= ⋅ sinϕ

E E20 0= ⋅ cosϕ

E S E10 1= ⋅ ⋅ sinϕ

E S E20 2= ⋅ ⋅ cosϕ

E E E E

E E

10 0 20 0

10 10

′ ′

= ⋅ ⋅ − = ⋅ ⋅ −

= ⋅ −

sin sin( ); cos cos( )

sin( )

ϕ ϕ ψ ϕ ϕ ψ

ϕ ψ

δπ

λ=−2 2 1d n n( )

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mit λ = Wellenlänge des Lichtes, = Doppelbrechung Allgemein ergibt sich die Intensität zweier interferierender Wellen (4) Dabei sind I1 und I2 die Intensitäten der Einzelwellen. (Diese sind proportional zu den Amplitudenquadraten.) Bildet man von den Gleichungen (2) die Quadrate und setzt sie in (4) ein, so er-hält man schließlich die Gesamtintensität I der beiden interferierenden Wellen hinter dem Analysator:

(5) In Gleichung (5) sind folgende Sonderfälle enthalten: 1) Aus δ=0 (d.h. d =0, kein doppelbrechendes Medium) oder ϕ=0 (eine der Hauptschwingungsrichtungen im doppelbrechenden Medium ist parallel zum Polarisator) folgt: (Gesetz von Malus) In beiden Fällen trifft linear polarisiertes Licht auf den Analysator, das gemäß dem Gesetz von Malus durch den Analysator geschwächt wird. 2) Mit ϕ=45° und δ=π/2 (d.h. d =λ/4; "λ/4-Plättchen") folgt:

(7) Das Licht zwischen λ/4-Plättchen und dem Analysator ist zirkular polarisiert. Das vom Analysator durchgelassene Licht hat unabhängig von dessen Stellung stets die Intensität . 3) Im Fall ϕ=45° und d ≠λ/4 (Glimmerplättchen) ist das Licht zwischen dem doppelbrechenden Kristall und dem Analysator elliptisch polarisiert. (8) Wie man durch Differentiation nach ψ leicht zeigen kann, hat Gl. (8) Extrem-

werte für mit k = 0, 1, 2, ...

( )n n2 1−

I I I I I= + + ⋅ ⋅1 2 1 22 cosδ

I I= ⋅ − ⋅ − ⋅02 22 2 2(cos sin sin ( ) sin )ψ ϕ ϕ ψ

δ

( )n n2 1−

I I= 02cos ψ

( )n n2 1−

II I

= ⋅ + =0 2 2 02 2(cos sin )ψ ψ

I0 2/

( )n n2 1−

[ ]I I= − ⋅02 22 2cos cos sin ( )ψ ψ δ

ψπ

= ⋅k2

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Setzt man diese Werte in Gl. (8) ein, so erhält man für die Extremwerte der In-tensität für parallele bzw. senkrechte Stellung des Analysators zum Polarisator: (9)

Daraus ergibt sich schließlich für die Phasendifferenz

(10)

wodurch sich δ leicht experimentell bestimmen lässt. Ergänzend sei erwähnt, dass man ebenfalls elliptisch polarisiertes Licht erhält, wenn, wie im Fall 2), δ=π/2, aber die Amplituden beider Teilwellen nicht gleich groß sind. Dieser Fall kann z.B. auftreten, wenn das Medium dichroistisch ist. Substanzen, die die Polarisationsebene linear polarisierten Lichtes drehen, nennt man optisch aktiv. Zu ihnen gehören z.B. Quarz sowie Lösungen von Kohlens-toffverbindungen mit asymmetrischer Molekülstruktur (z.B. Zucker, Stärke, Weinsäure). Die Größe der Drehung α ist bei Lösungen der Konzentration c und der Dicke d der durchstrahlten Schicht proportional. Es gilt:

(11)

Darin bedeutet c die Anzahl der Gramme der Substanz in 100 cm3 Lösung; Die Konstante [ ] wird als spezifisches Drehvermögen bezeichnet. Sind [α0] so-wie d bekannt, so kann man durch Messung von α die Konzentration c bestim-men. Wird eine Küvette mit Zuckerlösung, die die Polarisationsebene um den Winkel α dreht, zwischen gekreuzte Polarisatoren gebracht, so muss man den Analysator um den Winkel α nachdrehen, um wieder Auslöschung zu erhalten. Dies ist eine in der Praxis weitverbreitete Methode; die kommerziellen Messge-räte dazu heißen "Polarimeter". Bringt man ein lichtdurchlässigen Stoff in ein Magnetfeld und lässt linear polarisiertes Licht in Richtung des Feldes durch das Medium hindurchtreten, so wird die Schwingungsebene des Lichtes um einen Winkel β gedreht (Faraday-Effekt). (12) l = Länge des durchstrahlten Stoffes v = Verdetkonstante

I I I I1 02

2 021 2 2= ⋅ − = ⋅⊥( sin ( / )); sin ( / )δ δ

δ = 2 21

arctgII

α α= ⋅ ⋅0 100c d

α0

H

β = ⋅ ⋅v H l

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Die Verdetkonstante v hängt von der Dispersion ∂n/∂λ des durchstrahlten Stof-fes und von der Wellenlänge λ des Lichtes ab. Die Magnetorotation ist eine Fol-ge des (inversen) Zeeman-Effektes; die Verdetkonstante ist eine Materialkons-tante. In unserem Versuch wird Monobromnaphtalin, eine Flüssigkeit mit besonders hoher Verdetkonstante, benutzt. Bringt man eine Küvette mit dieser Flüssigkeit zwischen gekreuzte Polarisatoren, so muss man beim Einschalten des Magnet-feldes den Analysator um den Winkel β verdrehen, um wieder Auslöschung zu erreichen. Auf diese Weise ist β einfach zu bestimmen. Aufgabe 1: Analyse linear polarisierten Lichtes: Man messe die Intensität hinter dem Analysator ohne doppelbrechendes Me-dium als Funktion des Winkels ψ. Man trage I(ψ) in einem Diagramm auf. Messung: Als erstes ist vor allen Messungen der Nullpunkt des Galvanometers durch Abdecken der Lichtquelle einzuzeichnen, was durch vorsichtiges Drehen an der Aufhängevorrichtung des Galvanometerspiegels erreicht wird. (Justierung nur durch einen Assistenten!) Dann stelle man den Analysator auf Null und ver-drehe den Polarisator solange, bis das Galvanometer maximalen Photostrom an-zeigt. Durch Öffnen der Blende bringe man den Galvanometerausschlag aus 200 Skalenteile. Nun verdrehe man den Analysator von 0° bis 180° in 10°-Schritten und messe die zugehörige Intensität. Aufgabe 2: Analyse zirkular polarisierten Lichtes: Mit einem λ/4-Plättchen zwischen den Polarisatoren messe man bei ϕ=45° wie-der I(ψ) und zeichne die Kurve. Messung: Wie bei Aufgabe 1 stelle man ohne λ/4-Plättchen wieder auf maxi-malen Photostrom ein. Nun bringe man das λ/4-Plättchen in den Strahlengang und drehe es so lange, bis der Photostrom wieder maximal ist (ϕ=0°). Man bringe den Ausschlag wieder auf 200 Skalenteile. Nun wird das λ/4-Plättchen solange gedreht, bis der Ausschlag auf ein Minimum zurückgeht (ϕ=45°). Nun messe man wieder I(ψ) in 10°-Schritten. Man entferne das erste λ/4-Plättchen mitsamt seinem optischen Reiter und führe dann für ein zweites λ/4-Plättchen die gleiche Einstellung für ϕ=45° durch. An-schließend bringe man das erste Plättchen wieder in den Strahlengang zurück und messe nun wieder I(ψ). Welche Ergebnisse können sich ergeben, je nach Stellung der Hauptschwingungsrichtungen in den λ/4-Plättchen zueinander. Aufgabe 3: Analyse elliptisch polarisierten Lichtes: Man bringe ein Glimmerplättchen zwischen die Polarisatoren und messe wieder bei ϕ=45° I(ψ) und zeichne die Kurve. Messung: Die Messung mit dem Glimmerplättchen ist analog wie bei Aufgabe 2 durchzuführen. (ohne den 2. Abschnitt)

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Aufgabe 4: Der Kurve I(ψ) der Aufgabe 3 entnehme man die Werte für maxi-male und minimale Intensität (I2, I1) und berechne nach Gl. (10) den Phasenun-terschied δ, den die Glimmerplatte erzeugt hat. Versuchsgruppen A, B, und C Aufgabe 5: Man messe den Drehwinkel α von Zuckerlösungen in Abhängigkeit von der Konzentration c und zeichne die Kurve α=f(c). Aus dem gemessenen Verlauf α=f(c) und Gl. (11) bestimme man das spezifische Drehvermögen [α] von Zucker für die Na-D-Linie. Messung: Man ersetze zunächst das Photoelement durch einen Umlenkspiegel, um die Intensität hinter dem Analysator mit dem Auge beobachten zu können. Dann bringe man zunächst eine Küvette mit destilliertem Wasser in den Strah-lengang zwischen Polarisator und Analysator, und stelle auf maximale Dunkel-heit ein (Nullpunktsmessung). Dann setze man eine 20%-ige Zuckerlösung her, in dem man 20g Zucker in 100 cm3 Wasser auflöst. Durch Verdünnen stellt man nacheinander 10%-, 5%- und 2,5%-ige Zuckerlösung her und misst jeweils den dazugehörigen Winkel α, um den man den Analysator verdrehen muss, um wie-der maximale Dunkelheit zu erreichen. Jede Messung ist mindestens dreimal durchzuführen. Versuchsgruppen D und E Aufgabe 5: Man messe die Faradaydrehung in Monobromnaphthalin als Funk-tion des Magnetfeldes bzw. Spulenstromstärke J. Messung: Wie bei den Versuchsgruppen A, B und C ist das Photoelement durch einen Umlenkspiegel zu ersetzen. Man bringe die Magnetspule mit der Küvette in den Strahlengang zwischen Polarisator und Analysator und stelle den Analy-sator auf maximale Dunkelheit ein. Der Anschluss der Magnetspule an die Spannungsversorgung erfolgt nur durch einen Assistenten! Über einen Drehschalter lassen sich verschiedene Stromstärken wählen und da-mit verschieden starke Magnetfelder in der Spule erzeugen. Die beim Einschal-ten des Magnetfeldes entstandene Aufhellung des Gesichtsfeldes ist durch Nachdrehen des Analysators wieder rückgängig zu machen und der Drehwinkel β zu messen. Um eine Erwärmung der Spule zu verhindern, lasse man das Mag-netfeld immer nur kurz eingeschaltet! (Drücken des Auslöseknopfes!) Für jede Feldstärke ist die Messung dreimal zu wiederholen. Anschließend vertausche man die Polung der Spannungsquelle und untersuche die Wirkung.