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Große internationale Koproduktion: Der Untergang der Lusitania – Tragödie eines Luxusliners Sonntag, 28.12.2008 | 21.45 Uhr im Ersten

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Page 1: Große internationale Koproduktion: Der Untergang der ... · Ich gebe zu, ich habe mir Camerons „Titanic“ noch mal an gesehen. Und es war schon ein kribbeliges Gefühl, als uns

Große internationale Koproduktion:Der Untergang der Lusitania – Tragödie eines Luxusliners

Sonntag, 28.12.2008 | 21.45 Uhr im Ersten

Page 2: Große internationale Koproduktion: Der Untergang der ... · Ich gebe zu, ich habe mir Camerons „Titanic“ noch mal an gesehen. Und es war schon ein kribbeliges Gefühl, als uns

MitJohn HannahFlorian PanzerMadeleine GarroodAdrian Topolu. a.

BuchSarah Williams

RegieChristopher Spencer

RedaktionAlexander von Sallwitz

SendeterminSonntag, 28. Dezember 2008 | 21.45 Uhr | im Ersten

Der Untergang der Lusitania – Tragödie eines Luxusliners

Page 3: Große internationale Koproduktion: Der Untergang der ... · Ich gebe zu, ich habe mir Camerons „Titanic“ noch mal an gesehen. Und es war schon ein kribbeliges Gefühl, als uns

VorwortNichts ist so spannend wie das wirkliche Leben – das mag der Grund dafür sein, dass die Verfilmung von Ereignissen, die sich tatsächlich zugetragen haben, regelmäßig ein Millio­nenpublikum in den Kinos und vor den Bildschirmen in ihren Bann zieht. Als Ergänzung zur klassischen Fernseh­Doku­mentation und zum großen Dokumentarfilm hat sich die dramatisierte Darstellung historischer Begebenheiten, das Dokudrama, zu einer äußerst populären eigenständigen Kunstform entwickelt. Und auch im Fiktionalen bietet das Erste regelmäßig große historische Stoffe an mit Filmen wie „Der Untergang“, „Stauffenberg“, „Die Flucht“ oder „Mogadischu“. Wo es um die großen Dramen der Mensch­heit geht, sind Qualität und Quote kein Gegensatz.

So ist auch die spektakuläre Versenkung des Transatlantik­liners Lusitania vor mehr als 90 Jahren ein Stoff, der alle Ingredenzien für eine höchst spannende Verfilmung in sich trägt. Es ist ein Ereignis voller schicksalhafter Dramatik und zugleich von großer historischer Tragweite. Obwohl die damaligen Abläufe und ihre handelnden Personen sehr gut dokumentiert sind, ist das Rätsel der Lusitania bis zum heutigen Tage nicht vollständig gelöst.

Die dokudramatische Aufarbeitung des Geschehens für das Fernsehen, der Untergang eines Ozeanriesen, das ist ohne enormen technischen und finanziellen Aufwand nicht über­zeugend zu leisten. Projekte dieser Art lassen sich nur in Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern realisieren. Noch als Programmdirektor des NDR habe ich deshalb gern meine Zustimmung zu dieser aufwändigen Koproduktion mit unseren Partnern bei Darlow Smithson Productions in London gegeben – eine Produktion, an der ein britisches und ein deutsches Team sowie britische und deutsche Schauspieler gleichermaßen beteiligt waren. Jetzt freue ich mich als Programmdirektor des Ersten Deutschen Fern­sehens, das fertige Produkt unserem Publikum präsentie­ren zu können.

Volker HerresProgrammdirektor Erstes Deutsches Fernsehen

4 | Der Untergang der Lusitania – Tragödie eines Luxusliners 5

EinführungEs war ein Schock, der die Welt erschütterte: die Versenkung des britischen Passagierdampfers Lusitania am 7. Mai 1915 durch ein deutsches U­Boot. In nur 18 Minuten versank das gigantische Schiff mitten am Tag vor der Südküste Irlands. 1198 Menschen ertranken, weit mehr als die Hälfte der Besatzung und der Passagiere – Frauen, Männer, Kinder. Es war ein Ereignis, das den weiteren Verlauf des Ersten Weltkriegs nachhaltig beeinflusste und mit zum Kriegs­eintritt der USA führte.

Der Film „Der Untergang der Lusitania“ ist eine große in­ternationale Koproduktion des NDR mit der BBC, Discovery Channel, M6 und Channel 4 International. Sie zeigt die letzte Fahrt des Luxusliners und seine Versenkung als histo­risches Dokudrama in Spielfilmqualität aus drei Perspekti­ven: aus Sicht der Menschen auf der Lusitania, aus Sicht der Besatzung des deutschen U­Boots und aus Sicht der britischen Admiralität, die alles andere als unbeteiligt war. Das Kalkül der Militärs und die Schicksale der Betroffenen stehen in dem Film von Sarah Williams im Vordergrund. Der Untergang selbst wird in Echtzeit dargestellt. Szenen und Dialoge wurden weitgehend aus vorhandenen Doku­menten rekonstruiert, die handelnden Personen sind realen nachempfunden, gespielt von deutschen und britischen Schauspielern. Die dramatisierte Dokumentation ist so packend und wirklichkeitsnah wie James Camerons Ver­filmung des Untergangs der Titanic.

Die Geschichte: Der Luxusdampfer Lusitania war Anfang des 20. Jahrhunderts der ganze Stolz der britischen Cunard­Line. Seit 1907 legte das schnellste und glanzvollste Passagier­schiff seiner Zeit die Fahrt von New York nach Liverpool in nur viereinhalb Tagen zurück. Der Linienverkehr wurde auch nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs aufrecht erhalten. Die 101. Reise der Lusitania führte zur Katastrophe. Das welt­weite Entsetzen nach der Versenkung der Lusitania zwang die deutsche Marineführung, den U­Boot­Krieg einzuschrän­ken. Doch Empörung und Wut blieben – vor allem in den USA. Unter den Opfern befanden sich nämlich auch 124 Ame ­rikaner. In seinem Zorn nannte der amerikanische Präsident Wilson die Tat „den schlimmsten Akt von Seeräuberei in der Geschichte der Menschheit“. Zwei Jahre später traten die USA in den Krieg ein.

Doch war es kaltblütiger Mord auf Befehl eines deutschen U­Boot­Kommandanten? Spätere Theorien besagen, dass eine von zwei fürchterlichen Explosionen an Bord der Lusitania von der Detonation der Munition ausging, die das Schiff an Bord hatte. Und damit wäre der Angriff eine legi­time Kriegshandlung gewesen. Andere Theorien besagen, dass der damalige erste Lord der britischen Admiralität, Winston Churchill, den Luxusliner absichtlich geopfert habe, um Amerika in den Krieg zu zwingen. Die Lusitania wurde als bewaffneter Hilfskreuzer der Royal Navy geführt. Es gibt gefälschte Ladepapiere, Pläne für die Bewaffnung des Schiffes, unterdrückte Zeugenaussagen und undurchsichtige Aktivitäten des britischen Marinegeheimdienstes.

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6 | Der Untergang der Lusitania – Tragödie eines Luxusliners 7

StabBuchSarah WilliamsProduktion DesignRichard BullockMusikBen BartlettSound DesignLisa McMahonDigitale EffekteRed Vision, Mike WoodruffArchiv RecherchePaul GardnerFachberatungJürgen BrühnsHannes EwerthArne SoderlundAufnahmeleitungAbigail WattsTonmischungGeorge FoulghamSchnittColin GoudieBen HardingConnan McStayKameraRob GoldieProduzentJohann InsanallyProducerJulian WareTom BrisleyProduktionsleitungUlla StreibRegieChristopher SpencerDeutsche BearbeitungThomas CreceliusAlexander von SallwitzSynchronStudio Hamburg SynchronRedaktionAlexander von Sallwitz (NDR)

BesetzungProfessor Ian HolbournJohn HannahAvis DolphinMadeleine GarroodCaptain TurnerKenneth CranhamAndersonGraham HopkinsVanderbiltKevin OttoDorothyKaren HaackeCaptain HobbsMichael FeastChurchillMartin Le MaitreWindridgeDean McCoubreyLord MerseyRonald FranceKapitänleutnant Walther SchwiegerFlorian PanznerLanzPeter BenedictVögeleAdrian TopolStabsoffizier Admiralität Berlin Erich Krieg

Produktionsteam SüdafrikaSzenenbildDarryl HammerBühne / AusstattungClive PollickKostüme / GarderobeJayne ForbesDiana CilliersLichtGilles BoisacqTonArthur KoundorisProduktionsleitungAlex Duncan

Produktionsteam DeutschlandSzenenbildMaximilian LangeBühne / Technik U­BootBoris RanetsbergerChristian FingerKostüme / GarderobeVerena SapperConstanze KruseInes Köhler-HoffmannLichtChristian SchobertTilo UlrichTonReiner PlabstChristian HegnerProduktionsleitungSandra Haag

Drehzeit5 WochenRecherche und Buchherstellung20 WochenDrehorteKapstadt/Südafrika und München/BayernLänge90 Minuten

Eine Koproduktion von Darlow Smithson Productions und dem NDR im Auftrag von BBC 1, Discovery Channel, M6 und Channel 4 International.

Christopher Spencer Regie

Christopher Spencer (*18. Dezember 1954 in Brighton, England) hat etliche Filme, Doku-Dramen und Dokumen-tationen für die BBC, Channel 4, Time-Warner, Discovery Channel, HBO, PBS, National Geographic, TLC und den NDR gedreht. Dabei arbeitete er u.a. mit John Malkovitch, Lord Robert Winston, Sir Chris Patten und Robert Hughes. Zu seinen wichtigen Werken zählen „The Human Body“, „Seven Wonders of the Industrial World“ und „Revolution“ für die BBC sowie „Space Race“ („Wettlauf zum Mond“) für die BBC und den NDR .

Spencers Arbeit ist mit zahlreichen Preisen und Nominie­rungen gewürdigt worden, z.B. Prix Italia, Originality and Best Factual BAFTAs, Royal Television Society, John Grierson Nomination, International Monitor Award, San Fransisco Golden Gate Silver Spire Winner, Glaxo Welcome Best Science Documentary.

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„Es war mir besonders wichtig, die schreckliche Tragödie von beiden Seiten zu zeigen - ohne irgendwelche Vorurteile“

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Interview mit Christopher Spencer

Mr. Spencer, in „Der Untergang der Lusitania” geht es um eines der schrecklichsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts, zugleich so faszinierend wie die „Titanic“-Geschichte. Als man Sie gebeten hat, den Stoff zu inszenieren, haben Sie da „Titanic“-Regisseur James Cameron angerufen?Ich gebe zu, ich habe mir Camerons „Titanic“ noch mal an­gesehen. Und es war schon ein kribbeliges Gefühl, als uns klar wurde, dass wir weniger als zwei Prozent seines Budgets hatten, um einen ähnlich spektakulären Schiffsuntergang zu zeigen. Dabei ist unsere Geschichte viel aufregender und relevanter. Der Untergang der „Titanic“ ist eine Parabel über menschlichen Größenwahn: „Unsinkbares Schiff knallt gegen Eisberg und sinkt“. Bei uns geht es um politische Intrigen, um Verrat, Tapferkeit und Standfestigkeit. Als die Passagiere an Bord gingen, waren sie sich der U­Boot­Gefahr bewusst – und die britische Admiralität wusste sehr genau, wie ein U­Boot­Angriff aussehen könnte ...

Haben Sie auch selbst recherchiert?Es gehört zu dem besonderen Reiz als Regisseur von Doku­dramen, dass ich selbst recherchieren kann. Man muss so tief wie möglich in Details, Abläufe und Zusammenhänge einsteigen. Das ist enorm wichtig, wenn man ein realisti­sches Szenario schaffen will. Auf diese Weise nähert man sich so weit wie möglich der historischen Wahrheit. Auch wenn es keine absolute Wahrheit gibt und man sich ständig des modernen Filters bewusst sein muss, durch den man zurückliegende Ereignisse sieht. Für mich persönlich ist die Reise auf dem Weg zur Wahrheit in diesem Filmgenre von grundlegender Bedeutung.

Die Dreharbeiten an Bord der Lusitania fanden in Südafrika statt, einer warmen und sonnigen Gegend. Warum wurde dieser Drehort für ein Ereignis gewählt, das sich tatsächlich vor der irischen Südküste abgespielt hat?Der Dreh war für den Herbst angesetzt. In den Maitagen, als das Schiff sank, ist die irische See extrem kalt. Wir konn­ten es unseren Darstellern nicht zumuten, tagelang unter solch frostigen Bedingungen zu drehen. Nach langer Suche kamen wir auf Südafrika. Vorher hatten wir auch die techni­schen Möglichkeiten auf Malta und in Mexiko, wo Cameron „Titanic“ gedreht hat, in Betracht gezogen. Aber Kapstadt war nicht nur wegen des Wetters ideal, sondern auch wegen seiner kolonialen Architektur. Dort ließ sich fast der ganze Film drehen, auch die Szenen im Hafen von New York,

ohne dass wir mehr als eine halbe Stunde herumfahren mussten. Nur die U­Boot­Szenen haben wir später in der BAVARIA­Filmstadt bei München gedreht.

Die Lusitania gilt als eines der luxuriösesten Passagierschiffe aller Zeiten. Keine leichte Aufgabe, den Glamour ihrer Innenausstattung nachzustellen. Wo haben Sie das gedreht?Aus dieser Zeit sind ja keine echten Schiff erhalten. Für die Außenaufnahmen musste unser Production Designer Richard Bullock eine hydraulische Bühne bauen, die sich neigt und schwankt. Die Inneneinrichtung war ein größeres Problem. Sie war im Original einfach zu aufwändig und zu luxuriös, um sie nachzubauen. Es traf sich gut, dass Kapstadt einer der Häfen war, die von der Cunard Line, der die Lusi­tania gehörte, regelmäßig angelaufen wurde. Die Reederei hatte dort ein großes und berühmtes Hotel gebaut, das „Mount Nelson“. Innen war es den Räumlichkeiten eines Passagierdampfers nachempfunden, damit sich die Gäste wie zu Hause fühlen konnten – oder besser wie auf See. Ideal für unsere Szenen im Speisesaal. Der Kesselraum und die Kabinen der Dritten Klasse waren in Wirklichkeit ein ungenutztes Schlachthaus – etwas bizarr, wie ich zugeben muss, aber so kann’s gehen beim Film.

Den Untergang selbst zeigen Sie in Echtzeit. Wie haben Sie das so realistisch abbilden können und wie viele Menschen haben dabei mitgewirkt?Die Szenen vom Untergang haben wir auf verschiedene Weise gedreht und anschließend zusammengemischt. Zunächst mal hatten wir die hydraulische Bühne in einem flachen Wasserbecken. Die schwankte hin und her und un­sere Stunts fielen dabei in spezielle Tauchpools. Gleichzeitig schwammen Komparsen im Wasser, das in Wirklichkeit nur einen Meter tief war. Es war immer wieder lustig, wenn ich „Cut“ rief und alle standen einfach aus der „Irischen See“ auf. Dann haben wir mit Hilfe von Computer­Grafik den Weitwinkel­Eindruck erzeugt. Wasser realistisch zu simu­lieren ist selbst für Computer ziemlich schwierig, weil es sich auf so verschiedenartige Weise bewegt. Für die Luft­aufnahmen haben wir echte Luftbilder von einem Öltanker genommen und ein 3­D­Modell der Lusitania draufkopiert. Wir hatten also ein echtes Meer, und die Computer mussten nur das Schiff mit seinen rauchenden Schornsteinen simulieren.

„Es war mir besonders wichtig, die schreckliche Tragödie von beiden Seiten zu zeigen – ohne irgendwelche Vorurteile“Christopher Spencer

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Eine der Hauptfiguren neben Professor Holborn (gespielt von John Hannah) auf der Lusitania ist die kleine Avis Dolphin. War es nicht riskant, eine so schreckliche Geschichte mit einem zwölf Jahre alten Mädchen nachzuerzählen?Gerade Holborn und Avis haben mich als Figuren besonders fasziniert, als ich die Berichte der Überlebenden las. Das ist sehr genau überliefert. Die kleine Madeleine Garrood, die Avis spielte, ist außerordentlich talentiert und für ein Mäd­chen in dem Alter erstaunlich professionell. Sie stellte oft Fragen nach ihrer psychologischen Motivation. Aber ich habe natürlich sehr darauf geachtet, wieviel von den fürch­terlichen Details sie erfahren muss – sogar die älteren Mitwirkenden hat die Geschichte ziemlich verstört.

Walther Schwieger, der deutsche U-Boot-Kommandant, wird oft als kaltschnäuzig beschrieben, als ein Mann, der über den Tod so vieler Menschen einfach hinwegging. Wie wollten Sie ihn zeigen?Für mich ist Kapitänleutnant Schwieger die spannendste Figur. Zu Anfang habe ich mich gefragt, ob wir den Film überhaupt aus seiner Perspektive, also eingesperrt in einem U­Boot, machen können. Denn wir wissen nur wenig dar­über, was sich dort tatsächlich abgespielt hat. Was für ein Mensch war er? Für mich steckte Schwieger in dem höchst dramatischen moralischen Dilemma, ob er seine Pflicht erfüllen oder seinem Gewissen folgen soll. Vielleicht hat er gar nicht damit gerechnet, dass sein Torpedo ein Schiff von der Größe der Lusitania mit so vielen Menschen an Bord versenken würde. Andererseits traf er seine Entscheidung vor dem Hintergrund, dass Tausende seiner Landsleute wegen der rechtswidrigen britischen Blockade deutscher Häfen hungern mussten. Kriegshandlungen lassen sich nun mal nicht moralisch eindeutig einordnen, und es ist wohl­feil, Schwieger im Nachhinein mit heutiger Sensibilität zu beurteilen. Es mag uns kaltschnäuzig erscheinen, aber was hätte es für seine Besatzung bedeutet, wenn er zusammen­gebrochen wäre, nachdem er das ganze Ausmaß seiner Handlungsweise erkannte? Nach dem Angriff war sein Boot besonders gefährdet, denn jetzt war seine Position bekannt. Er wusste ja nicht, dass die Briten der Lusitania keinen bewaffneten Geleitschutz gegeben hatten. Also war sein erster Gedanke, seine Leute in Sicherheit zu bringen. Und das hat er getan. Die klare Trennung zwischen den guten und den bösen Jungs zieht man nur in Hollywood. Im rich­tigen Leben liegt die Wahrheit immer irgendwo dazwischen.

Florian Panzner hat Schwiegers Dilemma übrigens sehr überzeugend herausgearbeitet.

„Der Untergang der Lusitania” war die erste britisch-deut-sche Fernseh-Koproduktion dieser Größenordnung. Wie war es für Sie und Ihren Kameramann Rob Goldie, mit einem deutschen Team und deutschen Darstellern in München zusammenzuarbeiten?Die Arbeit mit den deutschen Schauspielern und Technikern gehört zu meinen besten professionellen Erfahrungen über­haupt. Alle waren mit enormer Begeisterung und Hingabe bei der Sache. Und es hat mich sehr beeindruckt, wie Dar­steller und Produktionsteam Hand in Hand arbeiteten. Bei uns in England erleben wir öfter eine ineffiziente Tren­nung zwischen denen, die vor, und denen, die hinter der Kamera agieren. Ich bin ein großer Fan des deutschen Films, besonders von den neueren Produktionen wie „Der Unter­gang“ oder „Das Leben der Anderen“. Nachdem ich mit einem deutschen Team gearbeitet habe, verstehe ich, warum deutsche Produktionen ein so hohes künstlerisches Niveau erreichen.

Sehen Sie einen besonderen Vorteil darin, Filme mit deut-schen Themen oder Bezügen, die für ein britisches oder amerikanisches Publikum realisiert werden, mit deutschen Schauspielern zu drehen?Oh ja! Ich kann es nicht ausstehen, wenn englische Dar­steller mit gespieltem, deutschem Akzent sprechen. Und es war mir besonders wichtig, die schreckliche Tragödie von beiden Seiten zu zeigen – ohne irgendwelche Vorurteile. Der Einsatz deutscher Schauspieler dürfte dabei geholfen haben, dem Film eine Authentizität und Tiefe zu geben, die wir sonst nicht erreicht hätten, frei von nationalen Kli­schees. Und außerdem finde ich, dass die deutschen Dar­steller extrem natürlich und glaubwürdig gespielt haben.

In dem BAVARIA-Set wurde eine Kino-Legende produziert. Haben Sie Wolfgang Petersens „Das Boot” noch einmal angesehen, bevor Sie nach München gefahren sind? Und was war anders, als sie die Szenen in U 20 drehten?„Das Boot“ ist einer meiner Lieblingsfilme. Ich fühlte mich geehrt, genau in diesem U­Boot­Set drehen zu können. Natürlich habe ich mir den Film noch einmal sehr genau angesehen. Der Set ist hervorragend gebaut und man bekommt ein Gefühl, wie es wirklich war, sich in der be­

klemmenden Enge eines U­Bootes bewegen zu müssen. Wir mussten nur ein paar Änderungen bei den Instrumen­ten und der technischen Ausstattung vornehmen. Zum Beispiel bei der Funkanlage. Die deutschen U­Boote waren im Ersten Weltkrieg technisch schon sehr ausgereift und abgesehen von den Schotten gab es keine bedeutsamen Unterschiede zu den späteren U­Booten. Unser Berater Hannes Ewerth, der frühere Chef der U­Boot­Flotille der Deutschen Bundesmarine, hat uns sehr geholfen. Sein Vater, selbst U­Boot­Kommandant im Zweiten Weltkrieg, hatte ihn mit auf eine Reise genommen, als er sieben Jahre alt war. Er achtete beim Dreh auf jedes Detail, bis auf den Winkel, mit dem die Mütze auf dem Kopf des Kommandanten saß. Die Darsteller und Komparsen trugen beim Dreh Original­uniformen aus jener Zeit, und ich war glücklich, als Hannes Ewerth uns sagte, dass wir beim Tauchen und beim Torpedo­angriff die U­Boot­Athmosphäre genau getroffen haben.

Würden Sie gerne weitere Produktionen zusammen mit einem deutschen Partner machen?Sehr gern. Viele Fernsehproduktionen sind heutzutage in­haltlich eher schwach, voller leerer Übertreibungen und von purer Sensationslust getrieben. Die NDR­Redaktion hatte da einen anderen Ansatz. Wo es allzu oft um rein unter­haltende Programme geht, erkannte sie zu Recht, dass das Interesse des Publikums an einem Dokudrama wächst, je glaubwürdiger historische Abläufe dargestellt werden. Genauigkeit und Authentizität sind dabei besonders wich­tig, und der NDR hat sich sehr bemüht, das zu erreichen.

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John Hannah spielt Professor Ian Holbourn

John Hannah (*23. April 1962 in East Kilbride, Schottland) besuchte die Claremont High School in East Kilbride, dann arbeitete er vier Jahre als Elektriker. Später studierte er an der Royal Scottish Academy of Music and Drama in Glasgow. Ende der 80er-Jahre war Hannah in einigen Fernsehfilmen zu sehen.

In der Filmkomödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ spiel ­te er neben Hugh Grant und Andie MacDowell den homo­sexuellen Matthew. Für diese Rolle wurde er im Jahr 1995 für den BAFTA Award nominiert. Im Filmdrama „Sie liebt ihn – sie liebt ihn nicht“ stellte er neben Gwyneth Paltrow den gutmütigen James Hammerton dar. Für seine Rolle im Abenteuerfilm „Die Mumie“ wurde er 2000 für den Block­buster Entertainment Award nominiert. Hannah spielte von 1995 bis 1998 die Titelrolle in der Fernsehserie „McCallum“.

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Filmografie (Auswahl)

2008Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers (The Mummy: Tomb of the Dragon Emperor)

2007Die letzte Legion (The Last Legion)

2003I Accuse (J’accuse)

2002Alle lieben Lucy (I’m with Lucy)Dr. Jekyll & Mr. Hyde (Dr. Jekyll & Mr. Hyde)

2001Die Mumie kehrt zurück (The Mummy returns)

2000Circus (Circus)

1999Die Mumie (The Mummy)Hurricane (The Hurricane)

1998Sie liebt ihn – sie liebt ihn nicht (Sliding Doors)Resurrection Man

1997Die James Gang (The James Gang)

1995–1998McCallum

1995The Final Cut – Tödliches Risiko (The Final Cut)

1993Vier Hochzeiten und ein Todesfall (Four Weddings and a Funeral)

1990Harbour Beat

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„Bewegte Bilder sind einfacher zu konsumieren als Geschichtsbücher“

„Bewegte Bilder sind einfacher zu konsumieren als Geschichtsbücher“Florian Panzner

Florian Panzner spielt U­Boot­Kommandant Kapitänleutnant Walther Schwieger

Panzner (*20 Juli 1976 in Bielefeld) studierte an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam und spielte im Jahr 2000 im Theater unterm Dach unter Regie von Peter Zimmermann.

Für seine Rolle als Hagen im Diplomfilm „Weiße Stille“ von Philipp Haucke aus dem Jahr 2004 wurde er ein Jahr später auf dem ungarischen Cinefest International Festival of Young Filmmakers als „Bester männlicher Hauptdarsteller“ ausgezeichnet.

Filmografie (Auswahl)

2008Walküre

2007Commissario Laurenti – Der Tod wirft lange SchattenCommissario Laurenti – Tod auf der WartelisteAn die GrenzeTrust.WohltatPINKDie Wölfe

2006Commissario Laurenti – Die Toten vom KarstCommissario Laurenti – Gib jedem seinen eigenen Tod

2005Falscher Bekenner

2004Weiße Stille

2003Luther Unterwegs Kleinruppin forever

2002WolfsburgTattoo

2001Die Wannseekonferenz (Conspiracy)Der Tunnel

2000Die Stille nach dem Schuss

1999Wege in die Nacht

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Interview mit Florian Panzner

U-Boot-Fahren ist nichts für Klaustrophobiker. Und die Dekoration, in der gedreht wurde, ist ein originalgetreuer Nachbau eines U-Bootes. Wie haben Sie sich darin gefühlt?Gut. Es ist immer positiv, wenn die Ausstattung und die Motive, wie in unserem Fall, die Situation unterstützen.

Kapitänleutnant Walther Schwieger, Ihre Rolle, ist nicht unumstritten. Seine Versenkung der „Lusitania“ wurde als Heldenstück und als Kriegsverbrechen angesehen. Wie sehen Sie selbst diese Figur?Es gab den Befehl, die Lusitania zu versenken. Schwieger wurde hochgejubelt und dann, als man das Ausmaß und die Folgen erkannte, fallengelassen. Ein Bauernopfer?

Kurz vor dem Abschuss des tödlichen Torpedos kommt es zu einer kleinen Meuterei im U-Boot. Aus Ihrer Sicht berechtigt?Wenn ich an die vielen zivilen Opfer auf der Lusitania denke, ja.

In der Kulisse „Ihres“ U-Bootes wurde ein Kinoklassiker ge-dreht: Petersens „Das Boot“. Der Kommandant in diesem Film, gespielt von Jürgen Prochnow, wirkt wie ein desillusio -nierter Zyniker, nicht frei von Skrupeln. War das für Sie eine Art Vorbild, als Sie sich mit Ihrer Rolle beschäftigt haben?Ich habe mir den Film „Das Boot“ vorher nochmals ange­schaut. Jürgen Prochnow ist großartig und inspirierend in dem Film.

„Der Untergang der Lusitania“ ist eine deutsch-britische Koproduktion. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit einem englischen Regisseur und einem englischen Kamera-mann erlebt?Sehr positiv. Es war eine gute Zusammenarbei mit Chris Spencer. Wir haben immer noch Kontakt.

Würden Sie gerne an weiteren internationalen Produktionen mitwirken?Ich habe danach bei „Valkyrie“ mitgewirkt, der Film wird voraussichtlich im Januar in die Kinos kommen. Es ist immer eine tolle Erfahrung, mit Kollegen aus dem Ausland zu drehen. Ich hoffe, dass ich dazu auch in Zukunft Gelegen­heit bekomme.

Historische Stoffe als Drama oder Dokudrama zu inszenieren kommt immer mehr in Mode und findet zunehmend inter-essierte Publika. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?Das Format Dokudrama/Dokufiction bietet die Möglichkeit, gewisse Aspekte von historischen Ereignissen unterhaltsam zu erfahren. Bewegte Bilder sind einfacher zu konsumieren als Geschichtsbücher.

Ist es für einen Schauspieler reizvoller, Personen darzu-stellen, die wirklich gelebt haben, über die es mehr oder weniger klare Vorstellungen gibt, als rein fiktive Charaktere?Reale Personen wie fiktive Figuren stellen unterschiedliche Anforderungen an mich als Schauspieler in der Rollenarbeit. Ich finde beides spannend.

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Madeleine Garrood spielt Avis Dolphin

„Der Untergang der Lusitania“ ist der zweite große Fernseh-film, in dem Madeleine Garrood (*17.04.1994) mitwirkt.

Erste schauspielerische Erfahrungen sammelte sie schon in ihrer Schule, der Muswell Hill Primary School in London, beim Schülertheater. Madeleine vertieft ihre schauspieleri­sche Ausbildung am Young Actors Theatre in London.

Filmografie (Auswahl)

The Peter Serafinowicz ShowPerfect ParentsLusitania – Murder on the Atlantic (Der Untergang der Lusitania)

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Schwimmende Paläste waren sie, die gigantischen Trans­atlantikliner, die vor dem Ersten Weltkrieg Amerika und Europa miteinander verbanden. Sie fuhren unter den Flag­gen aller bedeutenden seefahrenden Nationen. Die RMS „Lusitania“ der britischen Cunard Line gehörte zu den größten und schnellsten Passagierdampfern jener Zeit. Ein Schiff, das mehr als 2000 Reisende befördern konnte und eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Knoten erreichte, gut 46 Stundenkilometer. Es galt als unsinkbar und uner­reichbar für deutsche U­Boote, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Gewässer um die Britischen Inseln für jedes Schiff zur Gefahrenzone machten. U­Boote waren zwar unsichtbar, aber langsam. So kam niemand auf die Idee, den Transatlantikverkehr mit schnellen Passagierschiffen einzustellen, zumal die britische Admiralität für deren Sicherheit garantierte.

Und doch kam es am 7. Mai 1915 zur Katastrophe. Die Passa­giere der „Lusitania“ waren gewarnt worden – durch New Yorker Zeitungsinserate, die von der Kaiserlichen Deutschen Botschaft in den USA unterschrieben waren. Nicht wenige hatten die Reise storniert, das Schiff war nicht ausgebucht, die Gefahr war sehr real. Auf Grund eines Geheimabkom­mens zwischen der britischen Admiralität und der Cunard Line hatte sich die Admiralität an den Baukosten beteiligt und das Schiff als bewaffneten Hilfskreuzer in das Flotten­register aufgenommen. Zwar konnte eine Bewaffnung nicht nachgewiesen werden, doch ist es eine Tatsache, dass die Lusitania auf ihrer letzten Reise nicht nur Passagiere beförderte, sondern auch Munition. Und so war sie für die Kaiserliche Deutsche Kriegsmarine ein legitimes Ziel.

Hintergrund

Die RMS „Lusitania“: einer der größten und schnellsten Passagierdampfer jener Zeit

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Nach einer ruhigen Überfahrt erreichte der Liner früh am 7. Mai die irische Südküste. Es war ein nebliger Morgen und Captain William Turner wollte so dicht wie möglich in Ufer­nähe fahren, um durch eine Peilung der Landmarken die genaue Position seines Schiffes festzustellen. Kurz zuvor hatte sein Funker Telegramme der britischen Admiralität empfangen, die vor der allgemeinen U­Boot­Gefahr warn­ten – nicht jedoch vor U 20, das unter dem Kommando von Kapitänleutnant Walther Schwieger unweit der Position der Lusitania am Tage davor zwei britische Schiffe versenkt hatte. Ohne es zu wissen, lief Turner Schwieger direkt vor den Bug.

Deutschland hatte unter dem Druck der britischen See­blockade den uneingeschränkten U­Boot­Krieg erklärt. Er setzte die bislang geltenden Regeln außer Kraft, denen zufolge ein U­Boot gegnerische Handelsschiffe vor der Versenkung zu stoppen hatte und der Besatzung die Mög­lichkeit geben musste, von Bord zu gehen. Diese Regeln

brachten angreifende U­Boote selbst in Gefahr, denn die Briten waren dazu übergegangen, Handelsschiffe zu bewaffnen, damit diese auftauchende U­Boote ihrerseits angreifen konnten.

U 20 hatte am 7. Mai fast alle seine Torpedos verschossen. Dennoch entschloss Schwieger sich zum Angriff, als die Lusitania in eine günstige Schussposition wendete. Mit einem einzigen Torpedo wäre bei einem so großen Ziel nicht viel Schaden anzurichten gewesen. Doch dieser eine Torpedo traf, und kurz darauf erschütterte eine weitere Explosion den schwimmenden Giganten. Das Unvorstell­bare war Wirklichkeit geworden. Schnell legte die Lusitania sich auf die Seite und sank nach nur 18 Minuten. Zu schnell, um bei der rasch um sich greifenden Panik Rettungsboote zu Wasser zu lassen. Noch vor Einsetzen der Dunkelheit waren 1198 Menschen in dem eiskalten Wasser der irischen See zu Tode gekommen. U 20 konnte sich vor der Ankunft der Rettungsschiffe absetzen.

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Die Katastrophe löste weltweit Abscheu und Entsetzen aus, auch in den USA, denn unter den Toten befanden sich 124 Amerikaner. Nur eine Woche später schränkte Deutschland den U­Boot­Krieg ein. Kapitänleutnant Schwieger erhielt eine Abfuhr der Berliner Admiralität, die den politischen Schaden, den die Versenkung der Lusitania ausgelöst hatte, eindämmen wollte. In Großbritannien kam es zu einer Untersuchung, bei der die Admiralität versuchte, jede schuldhafte Beteiligung von sich abzuwenden und Kapitän Turner für die Katastrophe verantwortlich zu machen. Ob die Admiralität durch unklare Warnungen, fehlenden Geleitschutz und widersprüchliche Navigationsanweisun­gen die Versenkung der Lusitania bewusst in Kauf nahm, um so einen Kriegseintritt der USA zu provozieren, ist bis heute nicht restlos geklärt. Auch die Ursache für die zweite Explosion bleibt ein Rätsel. Die Akten sind noch unter Ver­schluss. Tauchgänge zum Wrack der Lusitania brachten kein Licht in das Dunkel. Winston Churchill, damals Erster Lord der Britischen Admiralität, bezeichnete es in einem Brief im Februar 1915 als günstig für die Sache der Alliierten, wenn auch Schiffe neutraler Nationen in den Konflikt mit dem Deutschen Reich hineingezogen würden. Die Lade­papiere der Lusitania wurden mit dem Vermerk „Nur vom Präsidenten der Vereinigten Staaten zu öffnen“ im Archiv des US­Schatzamtes unter Verschluss genommen. Erst ein Vierteljahrhundert später, im Januar 1940, ließ Präsident Roosevelt sich dieses Dokument vorlegen.

Captain William Turner wurde in dem offiziellen Untersu­chungsverfahren rehabilitiert und erneut als Schiffskom­mandant eingesetzt. Doch die Schuldfrage wurde nie ganz geklärt. Turner starb 1933 verbittert in England. Kapitän­leutnant Walther Schwieger wurde von den Alliierten auf die Liste der Kriegsverbrecher gesetzt. Wegen seines Gesamterfolgs im U­Boot­Kampf erhielt er im September 1917 den höchsten Deutschen Orden „Pour le Merite“. Kurz danach starb er bei seinem letzten Kampfeinsatz.

Alexander von Sallwitz

RMS Lusitania Stapellauf: 7. Juni 1906 Raumgröße: 31.550 BRT Länge: 239,3 m Breite: 26,75 m Antrieb: 4 DampfturbinenGeschwindigkeit: 25 KnotenPassagiere: 2165 (max) Besatzung: 802

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25 Jahre nach Wolfgang Petersens legendärem Kinoklassiker kommt „Das Boot“ noch einmal zum Einsatz

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„Roll sound – Ton ab”! Mit trägem Ticken setzen sich die beiden schweren Sechszylinder­Diesel in Bewegung. „And action!“ Seestiefel knallen über die feuchten Flur­platten, Zischen, Scheppern, dumpfes Dröhnen hallt durch die dunkle Stahlröhre. Man spricht englisch und deutsch. Draußen heult der Wind ohrenbetäubend, es zieht durch sämtliche Ritzen. Doch das ist kein Atlantik­Sturm, sondern Kyrill, der schwere Orkan, der in diesen Januartagen über München hinwegfegt. Drinnen, in der Filmkulisse, ist es sicher – wie in einem richtigen U­Boot. In dem BOOT, Geiselgasteig, BAVARIA­Filmstadt. 25 Jahre nach Wolfgang Petersens legendärem Kinoklassiker kommt es noch einmal zum Einsatz: für den großen Fernsehfilm „Der Untergang der Lusitania“, angesiedelt im Jahr 1915. Jetzt sind wir mit­ten im Ersten Weltkrieg, dicht vor der irischen Südküste. Und warten auf den größten, elegantesten und schnellsten Passagierdampfer, den die Welt je gesehen hat.

Eng ist es im Boot, feucht und kalt, wie in der Realität. Die Mannschaft ist deutsch/englisch: Zwei Dutzend Kom­parsen und ein 20­köpfiges Team der BAVARIA; aus England kommen Regisseur, Kameramann, Assistent, Producerin und Production­Designer. Arbeitssprache ist englisch, Dia­logsprache deutsch. „It’s really a pleasure to work with the Germans” sagt Regisseur Chris Spencer und grinst ausseinem grobgestrickten Pullover ­ ihm macht es Spaß, mit einem deutschen Team zu arbeiten. Kameramann Rob Goldie nickt, nur zu eng ist es ihm hier, viel zu eng für seine sperrige Kamera.

„Wenn der Befehl zum Tauchen erteilt ist, heißt es ‚fluuuten!‘“ – mit ganz langem U, damit alle es verstehen. Danach stürzt die gesamte Besatzung nach vorne in den Torpedoraum. So geht das also – Fahrschule für U­Boot­Anfänger. Geduldig lassen sich Chris Spencer und die Schauspieler die techni­schen Abläufe vom U­Boot­Experten Hannes Ewerth er­klären, der aus Kiel angereist ist. Früher war er Chef der U­Boot­Flotille der Bundesmarine. Alles soll so realistisch wie möglich sein, bis zu den Uniformen, die Kostümbera­terin Verena Sapper zum Teil aus Tschechien beschafft hat. Die U­Boot­Besatzung ist rein deutsch. Für den NDR war das eine Bedingung, um sich an diesem internationalen Großprojekt zu beteiligen: keine britischen Schauspieler, die nachträglich mit deutschen Synchronstimmen aus­gestattet werden müssen.

Florian Panzner ist nervös – gleich wird er einen Ozeanriesen versenken. Panzner hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem ech­ten Kapitänleutnant Walter Schwieger, ist fast in dessen Alter. Eine heikle Rolle, bei der es am Ende darum geht, mit einem einzigen Torpedoschuss das Leben von 1200 Zivilisten zu beenden. Und fast so, als ob es gar keine Rolle wäre, ist Panzner bei den Dreharbeiten ständig angespannt, ganz konzentriert. Niemand weiß genau, was Schwieger durch den Kopf ging, als er am Nachmittag des 7. Mai 1915 den Befehl gab, den tödlichen Torpedo auf die „Lusitania“ ab­zufeuern. Florian Panzner ist das Dilemma deutlich an­zusehen und die Zweifel, ob es richtig war, so zu handeln – befehlsgemäß, wie Schwieger meinte.

Ganz anders sein Maat Charles Vögele, gespielt von Adrian Topol. Er weigert sich, den Feuerbefehl des Kommandanten in den Torpedoraum weiterzugeben, Frauen und Kinder in den Tod zu schicken. Einen Augenblick lang halten alle den Atem an, auch beim Dreh. Für Adrian Topol ist dies der wichtigste Moment, voller Empörung, Hilflosigkeit, Angst. Die Anspannung entlädt sich erst am späten Abend, nach Drehschluss, als Topol zum Abschied alle umarmt. Auf den echten Charles Vögle wartete zu Hause das Kriegsgericht. Auf das Team bei der BAVARIA das Taxi ins Hotel.

Daten und Fakten zur genutzten U-Boot-Kulisse:„Der Untergang der Lusitania“ ist die erste internationale Produktion, die die U­Boot­Kulisse nutzt, die 1981 für Wolf­gang Petersens Film „Das Boot“ gebaut wurde. Mit erhebli­chem Bauaufwand und etlichen Special Effects konnte sie mit fachlicher Unterstützung eines Historikers in ein authen­tisches U­Boot des Ersten Weltkrieges verwandelt werden. Dafür mussten unter anderem Kanonen beweglich gemacht, die Rückwände des Bootes ausgebaut, der Turm neu ge­strichen und eine Greenscreen Fläche errichtet werden.

Das Innenmodell ist ein originalgetreuer Nachbau des U­Boot­Typs VII C, der damals unter der Federführung von Szenenbildner Rolf Zehetbauer erbaut wurde. Das gesamte Modell ist 55 Meter lang. Im Modell fehlen die beiden Endspitzen, die nicht begehbar waren und somit keine Relevanz für die Innenaufnahmen hatten.

Die Kulisse besteht aus drei Segmenten. Allein die Zentrale des U­Boots wiegt 33 Tonnen.

Ein Drehbericht

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ImpressumHerausgeber: NDR Presse und InformationRedaktion: Iris Bents Bildredaktion: Lara Louwien Bildnachweis: © NDR/Darlow Smithson Productions, Bavaria FilmFotos: www.ard­foto.deInterviews und Drehbericht: Alexander von SallwitzMitarbeit: Andreas RehmannGrafik­Design: Klasse 3b, HamburgDruck: Eggers Druckerei und Verlag GmbHPressekontakt: NDR Presse und Information Iris Bents, Tel. 040/41 56­23 00, Fax 040/41 56­21 99, [email protected], www.ndr.de/presse