gregor kaiser: lizenzen für saatgut
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Vortrag bei der Commons-Sommerschule im Juni 2013TRANSCRIPT
Saatgut- Open Source, Protected Commons
oder wie? -
Gregor Kaiser
Bechstedt, 1. Juli 2013
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Problem I: Verlust der (pflanzen)genetischen Vielfalt
Der TrichtereffektDas genetische Material für die Pflanzenzüchtung wird enger
Züchter bauen ständig auf vergangener Leistung auf
bekannte Lokalsortenund gut angepasste Standardsorten
DNS-Fragmente und einzelne Gene
1850 -1920
1920 -1980
1980 -
Quelle: Renée Vellvé “Lebendige Vielfalt“ 1992
Jahre der Züchtungund ständigenWiederverwendung
bäuerliche Landsorten und einige Exoten
Problem II: Patent und Sortenschutz
Commons Sommerschule
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Anzahl
J a h r
A n m e l d u n g e n a l l e P f l a n z e n
A n m e l d u n g e n G M P f l a n z e n
e r t e i l t e P a t e n t e a l l e P f l a n z e n
Problem III: Marktzulassung
Commons Sommerschule
Saatgutverkehrsgesetz: Zulassung von Saatgut für die Vermarktung• 12 EU-Richtlinien seit 1966 für DUS-Sorten• seit 2008 Erhaltungssortenrichtlinie (Erhaltungs- und Amateursorten)
Derzeit: Reformbestrebungen der EURegistrierung für Unternehmer, des Saatguts, der Mengen
vollständige Kontrolle & hohe Kosten Markteintrittsbarriere
Einschränkung der Erhaltungszüchtung, keine Amateursorten
Details: www.saatgutkampagne.org
Zusammenfassung
• Verlust von Sorten und Eigenschaften• Privatisierung und Monopolisierung der
Züchtung• Trennung zw. Landwirtschaft und Züchtung• Einschränkung bäuerlicher Rechte• Schwierigkeiten in der Öko-Züchtung
Schlussfolgerung:
Eine neue Pflanzenzüchtung und ein neuer politischer Rahmen müssen her!
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Zieloption 1: Open-Source?
• Zugang zu Software frei von Patenten oder anderen geistigen Eigentumsrechten (Free open-source software, FOSS),
• nicht Freeware oder open-access, dem vollkommen freien, ungeregelten Zugang (Public Domain)
• Sondern versehen mit Nutzungsregeln, die Software als Commons erhalten
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Absicherung von Open-Source durch Lizenzen
General Public Licence (GPL)
•die GPL erwirkt ein Urheberrecht zur Durchsetzung des Copyleft Prinzips (rechtlich den AGB gleichgestellt)
•Unterstützung gewährt die Open-Source Initiative OSI;
Materialübertragungsvereinbarung (MTA)
•Auf Grundlage der GPL wird ein rechtlich verbindlicher Vertrag geschlossen, der Nutzer bestätigt die Lizenzvereinbarung
•Im Saatgut-Sektor werden Standard MTA‘s für den multilateralen Saatgutaustausch im Rahmen des ITPGRFA benutzt
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Vier Freiheiten und eine Bedingung- Saatgut -
Freiheiten:
a.Das Saatgut darf für jeden Zweck genutzt werden
b.Der Nutzer/die Nutzerin darf es für seine/ihre Bedürfnisse züchterisch bearbeiten
c.Der Nutzer/die Nutzerin darf das Saatgut an andere weitergeben.
d.Der Nutzer/die Nutzerin darf das Saatgut züchterisch bearbeiten und an andere weitergeben.
Bedingung: Alle Änderungen werden unter den gleichen Lizenz-bedingungen weitergegeben, wie denen des Originals
Commons Sommerschule
Möglichkeit: Gemeingut Lizenz für Saatgut (GPL-PG)
Zieloption 2: Protected Commons?
• Genetische Ressourcen nicht prinzipiell frei• Berücksichtigung bäuerl. und indigener Rechte• Züchtung und Forschung müssen möglich bleiben• Definierte Nutzergruppen; definierte Grenzen• Weitergabe unter gleichen Bedingen• Keine individuellen Eigentumsrechte• Mehr Kooperation zw. BäuerInnen und Züchtern;
Bsp. MASIPAG/Philippinen (Selektionen)
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Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Commons Sommerschule
− Zielsetzung: Saatgut als Gemeingut/protected commons
− Rechtsform: Gemeinnützig (Stiftung, Verein)
− Räumliches Mandat: Deutschland oder Europa?
− Mitglieder: Züchtungsfirmen & -initiativen, Landwirte, Commons-Organisationen, gesellschaftliche Gruppen
− Aufgaben: Kurzfristig Langfristig
• Beratung und Koordination von open-source Initiativen
•Vergabe von Finanzmitteln zur Züchtung
•Entwicklung von Open-Source Lizenzen
•Entscheidung über gesellschaftlich notwendige Forschung und Züchtung
•Rechtliche und finanzielle Unterstützung der Züchter
• Empfänger aller öffentlichen Mitttel für Züchtung
•Schutzrechtsinhaber und –verwalter soweit nötig
•Koordination der Züchtung
•Fund-raising • Schutzrechtsinhaber und –verwalter soweit nötig
Gründung einer neuen Institution
• durch eine Erhöhung der Zuschüsse aus Steuermitteln,
• durch einen sog. Züchtungscent, der den Endprodukten aufgeschlagen wird,
• durch Beiträge der Berufsverbände der Landwirte und Züchter,
• durch Beiträge jedes Einzelnen, ähnlich der GEZ-Rundfunkgebühren,
• durch den Aufkauf von Patenten und Ergebnissen durch gesellschaftliche Institutionen,
• durch den Aufbau eines Stiftungs-/Fondswesens, dessen Mittel explizit der Sortenentwicklung zur Verfügung gestellt werden.
Finanzierungsmöglichkeiten der Züchtung
Commons Sommerschule
Gregor Kaiser und Johannes Kotschi – Open-Source Modelle für Saatgut
Kontakte: Johannes Kotschi, [email protected] Kaiser, [email protected]
Commons Sommerschule
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Fazit
Der Schutz von Landsorten und Neuzüchtungen als Gemeingut ist unerlässlich
Ein Commons-orientierter Schutz von Landsorten und Neuzüchtungen scheint möglich und sollte im praktischen Tun juristisch durchgefochten werden.
Es bedarf einer gemeinsamen Initiative von VertreterInnen, der ökologischen Pflanzenzüchtung, der Commons-Bewegung, AgrarwissenschaftlerInnen, sowie JuristInnen.
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Ähnliche Entwicklungen in anderen Sektoren
Die Creative Commons Lizenzen
für Texte (Literatur & Wissenschaft) Musik, Bilder und Filme (z.B. Wikipedia):
Urheber muss genannt werden
Verkauf ist verboten
Werk darf nicht verändert werden
Veränderungen müssen mit gleicher Lizenz weitergeben werden
Patentierung ...
...biologischer Erfindungen um sie als Gemeingut zu Verfügung zu stellen (CAMBIA)
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Das Prinzip von Open-Source und Copyleft –vier Freiheiten und eine Bedingung
Freiheiten:
a.Das Programm darf für jeden Zweck genutzt werden
b.Der Anwender darf untersuchen, wie das Programm funktioniert und es seinen eigenen Bedürfnissen anpassen
c.Der Anwender darf Kopien des Programms erstellen und es an andere weitergeben
d.Der Anwender darf das Programm verbessern und die Verbesserungen der Allgemeinheit zugänglich machen
Bedingung: Vervielfältigung und Bearbeitung sind erlaubt, aber alle Änderungen werden unter den gleichen Lizenz-bedingungen weitergegeben, wie denen des Originals
Commons Sommerschule
Johannes Kotschi und Gregor Kaiser – Copyleft für Saatgut – Welche Open-Source Ansätze sind denkbar?
Unterschiede Saatgut / Software
Saatgut Software
• Saatgut ist lebendig, der Evolution unterworfen und somit in dauernder Veränderung
• Software ist leblos und verändert sich nicht aus sich selbst heraus
• Genetische Ressourcen sind globalisiert ursprüngliche Entwickler meist nicht mehr bekannt
• Software kann eindeutig einem oder mehrere Entwicklern zugeordnet werden
• Pflanzenzüchtung benötigt lange Zeiträume; meist sind 10 Jahre oder mehr notwendig
• Software-Entwicklung kann sehr schnell erfolgen
• Saatgut basiert auf lokalen Bedingungen und dient lokalen Nutzern
• Software-Entwicklung und –Nutzung kennt keine räumlichen Grenzen
• Saatgut ist existentiell • Software ist nicht existentiell
Allerd
ings:
Commons Sommerschule