glück bei aristoteles und epikur: eudaimonia und ataraxia

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In dieser Arbeit geht es um den Begriff des Glücks bei Aristoteles und Epikur und wie diese sich ein 'glückliches' und vollendetes Leben vorstellen, welches zur Glückseligkeit (Eudaimonia) führt. Die Eudaimonia ist das höchste Gut und Endziel (Telos) des menschlichen Lebens, alle anderen Güter sind nur Mittel zum Zweck um sie zu erreichen.Hier nun sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Philosophen betreffend ihrer Auffassungen vom Glück herausgearbeitet werden.

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Glck bei Aristoteles und Epikur im Vergleich.1. Glck. .................................................................................................1 2. Aristoteles: Eudaimonia, telos und theoria.........................................2 3. Epikur: Hedone, ataraxia und aponia...............................................11 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede................................................19 5. Literatur............................................................................................22

1. Glck.In dieser Arbeit geht es um den Begriff des Glcks bei Aristoteles und Epikur und wie diese sich ein 'glckliches' und vollendetes Leben vorstellen, welches zur Glckseligkeit (Eudaimonia) fhrt. Die Eudaimonia ist das hchste Gut und Endziel (Telos) des menschlichen Lebens, alle anderen Gter sind nur Mittel zum Zweck um sie zu erreichen. Aristoteles (384 322 v. Chr.) drfte jedem ein Begriff sein als groer griechischer Philosoph und Begrnder zahlreicher Wissenschaftsformen. Fr seinen Begriff der Eudaimonia und was seiner Meinung nach eventuell das Telos sein knnte, wird die Nikomachische Ethik herangezogen. Epikur (341 271/270 v. Chr) lebte eine Generation spter als Aristoteles. Seine Schulausbildung war demokritisch, seine rgsten philosophischen Gegner die Stoa. Bis heute ist umstritten ob er Hedonist oder doch mehr war. Aufgrund plausibler Deutungen und Rekonstruktionen seiner sprlichen Hinterlassenschaften lsst sich aber sehen, dass auch seine Ethik eudmonistisch war. Hier nun sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Philosophen betreffend ihrer Auffassungen vom Glck herausgearbeitet werden.

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2. Aristoteles: Eudaimonia, telos und theoria.Zunchst mal zu dem Begriff Glck. Diese wurde bei den alten Griechen unterteilt in zuflliges, welches dem landlufigen Verstndnis von Glck entspricht, sowie dem Glck eines erfllten Lebens. Dieses wird Eudaimonia genannt, welches ein komplexer Begriff ist, der sich als Menge der notwendigen und zugleich hinreichenden Eigenschaften darstellt, die ntig sind, um ein menschliches Leben als artspezifisch gelungen zu sein1. Speziell fr Aristoteles war klar und wichtig, dass die Eudaimonia erreichbar war durch menschliche Tchtigkeit, bung und Gewhnung sie war fr jedermann erreichbar2. Grundlegende Prmisse nach Aristoteles ist, dass alles (Lebendige) nach dem Guten strebt. Speziell menschliches Tun ist zielorientiert. Manche Handlungen werden um ihrer selbst willen getan, andere als Mittel zum Zweck um ein anderes Ziel zu erreichen. Jede Handlung hat ihr Ziel und Ende, ein Telos. Da menschliches Tun zielorientiert ist heit dies nun, dass der Mensch ein wichtigstes Lebensziel hat, auf das er sich ausrichtet und auch alle seine Handlungen danach ausrichtet. In diesem Lebensziel kommt der Mensch zur Vollendung3. Die Eudaimonia als letztes Telos ist das grte aller erlangbaren Gter. Fr seine Eudaimonia tut der Mensch alles, um sie zu erreichen. Hat er sie, wird er Eudaimon genannt und fhrt als solcher ein lebenswertes Leben. Ob dem so ist kann man aber nur objektiv beurteilen, also von Auen. Das sagt vor allem auch aus, das man ein Leben erst als Ganzes wirklich beurteilen kann4. Es muss nicht zwangslufig ein moralisch gutes Leben sein, damit es das Leben eines Eudaimon ist; moralisch leben kann zuviel oder zuwenig1 2 3 4 Vgl. Forschner, S. 1. Vgl. Forschner, S. 3. Vgl. Forschner, S. 3f. Vgl. Forschner, S. 5.

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sein. Ein moralisch gutes Leben ist nach Aristoteles zu loben, das eines Eudaimon aber gar zu preisen5. Dies impliziert, das ein Eudaimon nicht zwangslufig moralisch sein muss. Die Eudaimonia ist das Teleion Telos, das abschlieende und vollstndige Ziel, das ideale Leben unter menschlichen Bedingungen. Sie ist nichts einfaches, sondern etwas komplexes, das aus Teilbereichen besteht und von zahllosen anderen, niederen Telos gespeist wird. Um wahrhaft Eudaimon werden zu knnen, braucht man mehr als nur das Telos selbst, auch Vermgen (Besitz um frei von weltlichen Belangen sein zu knnen), Gesundheit, Aussehen (um nicht benachteiligt zu werden), Ehre, Vergngungen (seelisch wie krperlich), Freundschaft, Geist und Tchtigkeit sind wichtig, um umgestrt, unbenachteiligt und frei sein zu knnen6. Um Eudaimon zu werden, bedarf der Mensch drei Aspekte, die ihn im Ganzen groartig machen. Zuvorderst muss der Leib groartig sein, denn sonst ist man im Handeln behindert. Weiterhin muss der Verstand groartig sein, der rationale Teil. Schlielich gibt es noch den Charakter, das Irrationale, die Emotionen. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass die Vernunft des Menschen seine Emotionen steuern knnen7. Die Vernunft nun kann der Mensch ben und auch anderen beibringen, weshalb Institutionen (Schulen etc.) wichtig sind8. Viele Trume kann der Mensch haben, doch fr ein bestimmtes Telos muss er sich entscheiden. Das hchste Telos, das sich ein Mensch erwhlen kann, die beste Eudaimonia, ist das einer kontemplativen Theorie (Theoria), bei der ein Mensch forscht und erkennt. An zweiter Stelle folgt das Telos des Politikers, der charakterliche Tchtigkeit und praktische Klugheit (Phronesis) bentigt9. Die Erkenntnis bekam er, nachdem er Evidenz aus der Praxis analysierte und bewertete. Deshalb5 6 7 8 9 Vgl. Forschner, S. 6. Vgl. Forschner, S. 7. Vgl. Forschner, S. 13. Vgl. Forschner, S. 14. Vgl. Forschner, S. 8.

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zog er die Meinungen der Mehrheit und Weiser heran darber, was die Eudaimonia sei. Als Definition kommt er letztlich dazu, dass das Gute fr den Menschen eine ttige Verwirklichung der Seele gem ihrer Tchtigkeit ist. Hat sie mehrere Tchtigkeiten (Talente), dann, wenn sie deren strkstes verwirklicht. Dies sagt aus, dass es nicht allein auf Talent ankommt, sondern dass man es auch nutzt.10 Abstrahiert man dies auf den Menschen im Allgemeinen, so muss man erkennen, was sein spezielles Talent ist; was ihn vom Tier unterscheidet. Aristoteles ist da der klaren Meinung, dass die Vernunft des Menschen dies ist. Da er sie besitzt, muss er sie auch benutzen, um die Eudaimonia zu erreichen. Das Leben hngt von Handlungen ab, und nur der Mensch kann zwischen diesen Handlungen whlen11. Lebt der Mensch nur auf der Suche nach sinnlichen Vergngungen, so ist dies auch ein Telos, auch eine Eudaimonia, jedoch ist er dann wie ein Tier. So sollen die demokratischen Massen sein. Lebt er dagegen mit praktischer Nutzung seiner Vernunft, so muss er die Staatskunst whlen, um die Eudaimonia zu haben. Am hchsten jedoch steht das Leben der theoretischen Forschung. Auch in anderen Belangen ist eine soziale Umgebung wichtig fr den Menschen. Um das zweithchste Telos, die Phronesis, verwirklichen zu knnen, muss der Mensch praktische Vernunft durch bung und Erfahrung schrfen. Aber auch die Sophia, die Weisheit, die zur Theoria fhrt und von ihr kommt, gedeiht nur in der Polis12. Und warum ist die Theoria das hchste Telos? Nach Aristoteles gleicht das Leben der Theoria am ehesten dem des Gottes. Dieser ist der absolute Eudaimon, ein reiner Geist, der nur damit beschftig ist sich selbst zu erkennen13. Der menschliche Geist aber ist nicht losgelst von der Welt, muss immer mit ihr zu tun haben. Dies ist aber nicht zu10 Vgl. Forschner, S. 9. 11 Vgl. Forschner, S. 11. 12 Vgl. Forschner, S. 15. 13 Vgl. Forschner, S. 16.

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schlimm, denn auch hier kann er Dinge erkennen. Durch die Erkenntnis nimmt er sie in sich auf und wird zu dem, was er erkennt. Und wenn er den Gott erkennt und nicht mehr auf weltliche Dinge angewiesen ist, wird er gttlich. Die Sophia ist es, die den Gott erkennt14. Warum also sollte Phronesis an erster Stelle stehen, wenn die Theoria den Menschen gttlich werden lsst? Die Eudaimonia ist ein komplexer Vernunftbegriff. Der Eudaimon ist von einem guten Geist besessen und gelenkt und erkennt so seine Stellung in Kosmos und Gesellschaft, richtet sein Streben an dieser Erkenntnis aus damit er sein Telos erreicht und damit ein gelungenes Leben fhrt15. Damit dies klappt muss er Teil einer natrlichen Ordnung sein, diese erkennen und sich einfgen. Menschliches Glck ist die Ttigkeit der Seele gem vollendeter Tugend. Die sich aus verschiedenen Tugenden ergebene Gesamttugend ist das vollendete Vergngen des menschlichen Lebens. Hchstes Gut ist die Theoria und Erkenntnis gttlicher Dinge. Funktionieren kann dies nur im Rahmen der Polis16. Laut Aristoteles handelt der vollendete Mensch sittlich-politisch aus sittlicher Motivation und gebraucht auermoralische Gter der Praxis willen, vollzieht Theoria als beste menschliche Ttigkeit und findet sie gleichzeitig als Kriterium fr die Wahl auermoralischen Gter. Die vollstndige Tugend ergibt sich aus Teiltugenden, Sophia und sittlichpraktischer Urteilsfhigkeit (Phronesis). Daraus ergibt sich menschliches Glck17. Man kann hiergegen einwerfen, dass Menschen auch andere als die drei von Aristoteles angezeigten Haupttypen als lebenswertes Leben ansehen mgen. Doch dem widerspricht er eigentlich auch nicht direkt,14 Vgl. Forschner, S. 17f. 15 Vgl. Forschner, S. 22. 16 Vgl. Forschner, S. 23. 17 Vgl. Forschner, S. 42.

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sagt ja, man knnte sich vieles als Telos setzen, und kann man so sein grtes Talent zur Entfaltung bringen, gelte es auch als glckseliges Leben. Einige Autoren sind nun aber der Meinung, dass Aristoteles gar keine Meinung in seiner Nikomachischen Ethik vermittelte, dass er sich berhaupt nicht dazu uerte, was seiner Meinung nach das Telos und damit die Eudaimonia wre. Laut Kampert lehnte Aristoteles eine Besitzverteilung (im Sinne eines Sozialismus) ab, da Privateigentum Konflikten am besten vorbeugt 18. Denn Menschen bereitet es Lust, wenn sie etwas als ihr Eigentum betrachten knnen19. bermige Wertschtzung des Eigentums ist aber Habsucht20. Eine normale Ausbildung individuellen Besitzes ist aber grundlegend fr ein individuell gelungenes Leben21. Individuell kann man aber nie allein sein, sondern nur gemeinschaftlich in der Polis, die einen ethischen Erziehungsauftrag hat, da nur in sozialer Interaktion freier Brger sich Tugenden entwickeln knnen, weshalb dies grundlegend fr bestimmte Eudaimonien wre22. Damit die Seele stimmig ist, mssen sich die Handlungen an der Vernunft ausrichten. Hierbei bilden bermiger Reichtum oder Armut charakterliche Fehler aus. Und damit die Brger weniger zu Konflikten neigen muss das Eigentum trotzdem irgendwie gleichmig verteilt sein23. Das Glck eines jeden Brgers ist wichtig fr das ethische Ziel einer Polis24. Die Verfassung ist um so besser, je mehr Menschen das beste Leben leben knnen25. Es knnte aber auch passieren, dass individuelle Eudaimonie gefhrdet wird, z.B. wenn zuwenig Gter zur Verfgung18 Vgl. Kampert, S. 62. 19 Vgl. Kampert, S. 66. 20 Vgl. Kampert, S. 67. 21 Vgl. Kampert, S. 92. 22 Vgl. Kampert, S. 94f. 23 Vgl. Kampert, S. 103f. 24 Vgl. Kampert, S. 115. 25 Vgl. Kampert, S. 128.

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stehen und der Staat in einzelne Besitzverhltnisse eingreifen muss und gezielt umverteilt, zuviel Arbeit fordert oder sich durch groe Koalitionen Minderheiten nicht mehr ausdrcken knnen26. Da die individuellen Eudaimonien hierbei aber an erster Stelle stehen, ist ihre Verwirklichungsmglichkeit wichtiger denn ein stabiler Staat27. Autark zu sein bedeutet, keinen Mangel zu haben. Doch menschliche Eudaimonie ist abhngig von der Auenwelt. Sie braucht krperliche Gesundheit, materielle Gter und gute Erziehung. Diese sind, in einfacher Form, leicht realisierbar und mavoll reichen sie vllig aus28. Der Mensch muss seine eigene Anlagen im gemeinschaftlichen Leben harmonisieren29. Das hchste Telos ist die Theoria, welche den Menschen ber seinesgleichen hinaushebt in den Bereich der ewigen Objekte und damit die lustvollste aller Ttigkeiten ist30. Der Mensch ist aber nicht ohne Fehler. Doch Mittel und Wege, wie man seine Eudaimonie erreicht, sind frei whlbar. Damit ist der Mensch fr sich selbst verantwortlich, doch wird von der realen Welt begrenzt31. Aristoteles schien der Meinung, dass das Leben des Philosophen die Eudaimonia ist, denn das hchste Gut des Menschen ist die Bettigung der theoretischen Vernunft, denn Vernunft ist des Menschen beste Anlage, die Theoria befasst sich mit hheren Objekten, die Gtter betreiben Theoria und wer dies auch tut, wird wie sie. Doch als Mensch kann man das nicht fr Dauer erreichen32. Fr Ackrill blieben zwei Fragen offen: Erstens, was das Kriterium richtiger Handlung und moralischer Tugend ist und zweitens, was denn nun das beste Leben sei, das man fhren kann. Als Antworten kommen26 Vgl. Kampert, S. 131f. 27 Vgl. Kampert, S. 133. 28 Vgl. Kampert, S. 240f. 29 Vgl. Kampert, S. 242. 30 Vgl. Kampert, S. 244. 31 Vgl. Kampert, S. 245f. 32 Vgl. Kampert, S. 250ff.

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fr ihn zwei in Frage: Erstens, die Ethik impliziert, dass Gute Handlung des Menschen bestes Leben ist, auch wenn Buch 10 sagt, nur betrachtende Handlung (Theoria) ist Eudaimonia. Zweitens, dass, wenn Theoria wirklich am wichtigsten ist, rechte Handlungen in der Tugend richtig sind, solange sie die Theoria sttzen33. Das Problem ist, dass man Aristoteles Inkoherenz vorwerfen knnte, da er die Moral der Tugenden anerkennt aber sie nur als Mittel zum Zweck betrachtet. Er sah nur Handlungen die ein Ende (Telos) haben,selbst wenn sie nichts produzieren, also ihr eigenes Telos sind34. Nach Ackrill nahm Aristoteles eine inklusive Eudaimonia an, die zwei oder mehr Gter kombiniert, und nicht etwa eine dominante, bei der ein Gut am strksten ist35. Aktivitten unterteilen sich in solche mit einem Telos und denen, die bereits ihr eigenes Telos sind. Hierbei kann ein Telos subordiniert unter ein anderes Telos sein36. Einige sind also fr sich selbst gut, aber auch fr andere. Weiterhin gibt es viele Telos, doch nicht alle sind telai (final) und nur das hchste von ihnen ist telion37. Eudaimonia ist hierbei aber nicht Resultat eines glcklichen Lebens, sondern bereits das Leben selber. Jedes einzelne Telos, dass Teil davon ist, ist auch fr sich bereits gut. Die Eudaimonia ist final, selbstgengend und Telos38 und enthlt alles andere wnschbare. Man kann nicht die Eudaimonia fr etwas anderes suchen sondern nur etwas anderes fr die Eudaimonia und neben der Eudaimonia kann man nichts hinzu suchen39. Auch wenn man im Leben mehrere Telos sieht, muss eines die Eudaimonia sein40. Die Eudaimonia ist nicht gleich Freude oder Lust

33 Vgl. Ackrill, S. 39. 34 Vgl. Ackrill, S. 40. 35 Vgl. Ackrill, S. 42. 36 Vgl. Ackrill, S. 43. 37 Vgl. Ackrill, S. 46. 38 Vgl. Ackrill, S. 44f. 39 Vgl. Ackrill, S. 47. 40 Vgl. Ackrill, S. 49.

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sondern das beste mgliche Leben. Jeder Mensch such Eudaimonia jedoch, so Ackrill, jeder seine eigene41. Die Eudaimonia ist ein befriedigendes Leben. Aristoteles zeigt Ideen auf von denen andere denken, sie sei Eudaimonia. Laut Ackrill zeigt er hierbei auch seine eigene Meinung: Eudaimonia ist das Ergon eines Menschen. Dies wiederum ist die charakteristische Arbeit einer Person. Wie wir wissen ist das beim Menschen die Benutzung der Vernunft. Ergon ist also ein aktives Leben eines Elementes, das ein rationales Prinzip hat. Rational kann man praktisch und theoretisch leben42. Laut Ackrill 'klingt' es so, als wrde Aristoteles die Theoria als Eudaimonia meinen, deren Tugend die Sophia ist43. Ackrill meint aber, eine Konklusion von Aristoteles sei unsinnig, nach der das Telos der Theoria dominant sei44. In Eudaimonia spielen aber viele Tugenden hinein, nicht nur eine. Eudaimonia ist eine Aktivitt in Verbindung mit der kompletten Tugend45. Eudaimonia besteht aber nicht nur aus Theoria; Buch 10 sagt, das alles, was eine Handlung gut macht, auch der Theoria hilft46. Theoria allein kann nur der Gott haben, denn der Mensch muss auch handeln47. Wie aber knnen sich Theoria und tugendhafte Handlungen verbinden? Eine Mglichkeit wre, dass Theoria maximiert werden muss und man betreffend allem anderen gut handeln muss. Dabei kann man sich so unsterblich machen wie mglich48. Anders wre es nur mglich, dass Theoria am meisten bedeutet und man alles dafr tut, egal ob tugendhaft oder nicht. Das wre die Inkosistenz. Dies ist nur lsbar, wenn man einen Kompromiss zwischen Theoria und den Tugenden

41 Vgl. Ackrill, S. 50. 42 Vgl. Ackrill, S. 53. 43 Vgl. Ackrill, S. 54. 44 Vgl. Ackrill, S. 55. 45 Vgl. Ackrill, S. 56. 46 Vgl. Ackrill, S. 57. 47 Vgl. Ackrill, S. 59. 48 Vgl. Ackrill, S. 60.

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eingeht. Aristoteles selbst sagt das jedoch nicht49. Vielleicht aber glaubte er auch wirklich, dass Theoria am wichtigsten ist und man nicht auf den Rest achten muss50. Ricken erklrte die Aristotelische Lust nher. Nach ihm gbe es zwei Lustbegriffe in der Nikomachischen Ethik. Beide Abhandlungen behaupten jeweils die Lust als Ganzes und im Ganzen zu diskutieren doch definieren sie anders. Grund ist, weil die erste Definition aus Buch VII wohl ursprnglich zur Eudemischen Ethik gehrte51. Aristoteles fragt vor allem nach dem Wert der Lust. Die Bcher vor VII charakterisieren die Lust ebenfalls schon: Nur einige Lustformen seien gut, sie ist integrativer Bestandteil des Glcks, kann aber auch Grund fr sittlich schlechte Handlung sein, da sie tuscht. Lust ist fr den das, was er liebt; sie ist Mastab fr das Handeln; Gutes ist lustvoll52. Buch X fragt nach Wertung und Wesen der Lust. Sie knnte nicht das hchste Gut sei oder nicht jede Lust whlenswert oder nur einige whlenswert. Auf jeden Fall gibt es Lustformen, die sittlich schlecht sind. Deshalb ist die Lust auch nicht das hchste Gut53. Doch Schmerz ist zu meiden und Lust zu whlen, deshalb ist die Lust zu bewerten anhand der Ttigkeit, die man dabei ausbt54. Lust hilft einem, eine Ttigkeit besser auszuben, Gleichzeitig ist sie auch selbst eine Ttigkeit55.

49 Vgl. Ackrill, S. 61. 50 Vgl. Ackrill, S. 62. 51 Vgl. Ricken, S. 207. 52 Vgl. Ricken, S. 208f. 53 Vgl. Ricken, S. 216ff. 54 Vgl. Ricken, S. 222. 55 Vgl. Ricken, S. 225f.

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3. Epikur: Hedone, ataraxia und aponia.Laut Held ist ein wesentlicher Gedanke seiner Ethik, dass das, was Glck verschafft, stets erreichbar sein muss56. Die Ethik ist Lebensphilosophie, nicht Wissenschaft, und eudmonistisch, da sie falsche Gefhle auf falsche Welturteile zurckfhrt und auf Vernunft baut57. Eudaimonia ist fr Epikur die Hedone (Lust). Hedone hat die beiden Formen Ataraxia und Aponia (krperliche Unversertheit). Die Hedone ist weder wie bei Aristipp noch wie im Utilitarismus58. Ein Abwgen von Mglichkeiten ist hier wichtig, nicht nur bloes Quantifizieren der Hedone. Leider ist Epikurs Wortwahl manchmal etwas unglcklich59. Da er die Ataraxia aber als Telos definiert, scheint ein Hedonismus ausgeschlossen zu sein. Stattdessen ist die Ethik ein Erfllungsglck, nicht Empfindungsglck, und damit eudmonistisch60. Irgendwie scheint er Hedonismus und Eudaimonia zu kombinieren, was nicht mglich ist. Deshalb muss man seine Wortwahl klren61. Smtliche seiner berlegungen bezieht Epikur auf die Eudaimonia. Diese ist objektiv und damit evaluierbar62. Seine Prmissen sind aber, dass a) Hedone grundlegendes Handlungsprinzip des Menschen ist (Jeder sucht Lust und vermeidet Schmerz) und b) sich die Hedone in kinetische (bewegt, der Lust)63. Ataraxia ist die seelische katastematische Hedone, Aponia dagegen die krperliche. Die kinetische Lust beschreibt Epikur noch in typisch hedonistischen Paradigmen: Sie ist quantifizierbar, maximierbar, es gibt gute und schlechte. Die katastematische dagegen ist inhaltlich nicht56 Vgl. Held, S. 9. 57 Vgl. Held, S. 12. 58 Vgl. Held, S. 14. 59 Vgl. Held, S. 15. 60 Vgl. Held, S. 16. 61 Vgl. Held, S. 17. 62 Vgl. Held, S. 17. 63 Vgl. Held, S. 18.

prozesshaft,

beseitigt

Schmerz)

und

katastematische

(strungsfrei, Ende der kinetischen, Schmerzfreiheit, Grenze der Gre

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hedonistisch. Der Mensch soll laut Epikur nicht jede Lust nehmen sondern nur die, die seiner Naturanlage entspricht, welches die katastematische ist. Alles Streben und Whlen bezieht sich auf Ataraxia und Aponia64. Die notwendigen Kriterien fr Ataraxia sind eudaimonistische. Es ist ein Telos und Eudaimonia und eine rationale Einstellung der Unerschtterlichkeit65. Da Hedonismus und Eudmonismus nicht vereinbar sind, sollte man auf eine Klassifizierung der Ethik verzichten66. Menschliches Leben und Glckseligkeit macht nach Epikur die Ataraxia aus. Diese als Einstellung unterscheidet Mensch von Tier und ermglicht ihm ein menschliches Leben. Sie ermglicht sich ihm sich von allem zu befreien (ngsten und Schmerzen), was die Tiere nicht knnen67. Laut Olympiodorus nannte Epikur katastematische Hedone kata physin (naturgem)68, was heit, entsprechend unserer Natur leben69. Wir Menschen leben nicht blo um zu berleben, sondern wegen einem guten Leben. Im Gegensatz zu anderen eudmoistischen Ethiken sind Tugenden bei Epikur nur sekundr hinter der Hedone70. Dagegen sind Lust und Schmerz Kriterien des Handelns und Wollens, die als Mastab und Ziel dienen, an denen man sie ausrichtet. Hedone ist damit Naturanlage im Sinne des Ziels wie auch des Mastabs allen Handelns und ein Leben, dass der Hedone folgt, folgt der Natur71. Nun ist nur katastematische Hedone kata physin und Telos72, doch welches Verhltnis haben die Lustarten und hat er sie bernommen?64 Vgl. Held, S. 19. 65 Vgl. Held, S. 20. 66 Vgl. Held, S. 21. 67 Vgl. Held, S. 22. 68 Vgl. Held, S. 36. 69 Vgl. Held, S. 39. 70 Vgl. Held, S. 40f. 71 Vgl. Held, S. 42ff. 72 Vgl. Held, S. 46.

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Schnell sieht man terminologische hnlichkeiten zu Aristoteles (der ruhige und bewegte Lust kannte); noch grer sind die hnlichkeiten zu den Kyrenaikern von Aristipp, welche aber die kinetische Lust die wahre nannten, im Gegensatz zu Epikur73. Aristoteles dagegen bevorzugte wie er die ruhige als wirkliche, gttliche, war allerdings gegen die kinetische, whrend Epikur beide gelten lsst74. Die kinetische Lust ist der Prozess, der zur Schmerzaufhebung fhrt, also zur katastematischen, die man nicht statisch, sondern ungestrt nennen sollte75. Die kinetische Hedone ist also notwendig fr die katastematische. Hemmungslose Lste jedoch sind negativ. Keine Lust haben ist aber auch ein bel (KD8). Kinetische Lste missbrauchen kann nur der Mensch. Da sie intensiver sind und den Schmerz erleichtern, sind sie verlockender, was zu einem Teufelskreis fhren kann. Ist man darin gefangen, kann man nie die katastematische Hedone erreichen76. Schon allein deshalb kann er kein Hedonist im modernen Begriff sein. Ganz ohne kinetische Hedone kann ein Mensch jedoch nicht leben, schon allein aufgrund der Notwendigkeit zur Befriedigung elementarer Bedrfnisse, die Epikur vor allem in KD30 und Men. 127 aufzeigt: Das pure berleben, ein strungsfreier Krper und die Glckseligkeit77. Ein Argument Epikurs ist, dass der Mensch von Geburt an die katastematische Hedone anstrebt (DL X.137). Er hatte sie bis zu seiner Geburt, verlor sie dann aber und will sie wiederhaben78. Als Ungeborener war der Mensch also ungestrt und musste sich keine kinetischen Lste erstreben, da er bereits die katastematische hatte. Die katastematische Hedone ist also Anfang (Arche) und Ende (Telos)79.

73 Vgl. Held, S. 50f. 74 Vgl. Held, S. 52. 75 Vgl. Held, S. 52ff. 76 Vgl. Held, S. 57. 77 Vgl. Held, S. 61f. 78 Vgl. Held, S. 61. 79 Vgl. Held, S. 64.

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Die katastematische Hedone ist nun aber nicht immer gleich. Ihre nderungen sind im Gegensatz zur kinetischen aber nur qualitativ, nicht quantitiv80. Seltsamerweise sagte Cicero aber, dass Epikur widerum meinte, dass nach Erreichen der katastematischen Hedone noch weiter kinetische kommen knnte81. Wie kann man sich das vorstellen? Epikur selbst hatte die Eudaimonia, das Telos, erreicht. Das Telos sind Ataraxia und Aponia, wobei Ataraxia aber die strkere ist. Er sprach davon, dass er trotz Erreichen der katastematischen Hedone noch Chara (Seelenfreude) empfand, welche aber kinetisch ist. Anzunehmen, dass nach der katastematischen noch kinetische Hedone kme, ist aber Unsinn, da erstere ja die Grenze ist82. Kurz vor seinem Ende musste Epikur starke krperliche Schmerzen gehabt haben, doch schrieb er, diese durch den Einsatz von Chara beseitig und so die Aponia aufrecht gehalten zu haben. Er konnte also Lust und Schmerz durch ein psychologisches Mittel (hier: Erinnerung) steuern83. Das beweist erstens, dass Ataraxia wichtiger ist als Aponia und seelischer Schmerz als krperlicher wre. Zweitens aber sagt es aus, dass die kinetische Hedone nur a) die katastematische weiter sttzt und b) von ihr als Mittel zum Zweck eingesetzt werden kann84. Ein Eudaimon im Sinne Epikur ist man also, wenn man alle Schmerzen kontrollieren und ausgleichen kann, ohne in seiner Seelenlage erschttert zu werden. Das heit, er nahm wohl genau wie Aristoteles zwei Seelenteile an; einer leidenschaftslos und rational, der den emotionalen steuern kann85. Nach Diogenes kannte Epikur kinetische und katastematische Hedone in Krper und Seele86. Katastematische sind hierbei Aponia und

80 Vgl. Held, S. 74f. 81 Vgl. Held, S. 76. 82 Vgl. Held, S. 77. 83 Vgl. Held, S. 78. 84 Vgl. Held, S. 79. 85 Vgl. Held, S. 80. 86 Vgl. Held, S. 90.

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Ataraxia, doch die kinetischen? Eigentlich ist es einfach: Kinetische seelische Hedone beseitigen z.B. ngste. Ein Beispiel ist Chara87. Fazit aus Epikurs Praxis ist also, dass Aponia nicht in unserer Macht liegt, Ataraxia dagegen schon. Diese ermglicht es auch auf Aponia verzichten bzw. sie herstellen zu knnen88. Dies heit erstens, dass Ataraxia das eigentliche Telos ist, zweitens, dass Epikur hier hnliche Annahmen machte wie Aristoteles. Einer weitere hnlichkeit ist die Annahme der Energeia. Epikur bezeichnete beide Hedone so, also als aktiv, als Handlung, Aktivitt. hnlich, wie es auch schon Aristoteles getan hatte89. Wie gesagt heit Katastematisch nicht statisch sondern ungestrt. Dagegen ist das Kinetische aufgestrt, beunruhigt. Energeia heit nun nicht unbedingt aktiv sein, sondern eher 'Wirkung entfalten'90. Auch wenn man die Ataraxia richtig beschreibt, wird man hnlichkeiten mit der fast selben Beschreibung der ungestrten Lust des Aristoteles finden. Bei diesem ist Hedone unbeeintrchtigt, unbehindert. Schmerz dagegen ist schlecht und strt91. Wenn man Hedone nicht als Gefhl, sondern als Erlebnis auffasst, das gut, neutral, auch negativ sein, kann man die neutrale Seelenruhe der Ataraxia als Hedone anerkennen, die Energeia ist92. Sie ist als Telos Erfllungs- und nicht Empfindungsglck und hat zwei Bedeutungen: Unerschtterlichkeit und Unerschttert93. Als seelische Heiterkeit, tiefste Ruhe und Ungestrtheit ist sie ein Zustand 94, whrend Seneca sie eher als abgelst und unerschtterlich beschreibt, als den Grund fr den Zustand95. Im Brief an Herodot nutzt Epikur hnliche Worte. Dort87 Vgl. Held, S. 96f. 88 Vgl. Held, S. 101f. 89 Vgl. Held, S. 107f. 90 Vgl. Held, S. 109. 91 Vgl. Held, S. 110f. 92 Vgl. Held, S. 118. 93 Vgl. Held, S. 121. 94 Vgl. Held, S. 129. 95 Vgl. Held, S. 130.

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beschreibt er auch die Natur um den Erkenntnisgewinn davon zu nutzten und damit erst Ataraxia und Glckseligkeit zu ermglichen96. Ataraxia ist somit gleichzeitig ein passives Gefhl als auch eine aktive Haltung97. Neben Aristoteles fr die Hedone kann man auch fr Ataraxia Begriffsvorbilder suchen. So knnte z.B. Demokrits Athambia (Unerschtterlichkeit) ein Vorlufer sein98. Allerdings hatte er noch einen anderen Begriff, der besser passt: Euthymia (Seelenruhe). Demokrit hatte zwei Begriffe, wo Epikur nur einen kannte99. Ein anderer Vorlufer knnte Anaxarchos gewesen sein. Dieser kannte auch zwei Begriffe: Apatheia (Abwesenheit von Leidenschaften) Wenn man die und Adiaphora des (Leidenschaftslose Verfassung). Grenzen

Angemessenen kennt, fhrt dies zu Adiaphora. Durch sie kommt man zur Apatheia. Unangemessenes strt die Apatheia100. hnlich sah das auch Epikur: Durch richtige Erkenntnis und abwgen durch Klugheit kommt man zur Ataraxia (Unerschtterlichkeit). Bei ihm jedoch kann man in diesem Zustand immer noch empfinden, nur halt nicht betroffen werden101. Ein dritter Vorlufer wre vielleicht Pyrrhon. Dieser nahm an, dass Adiaphora zur Ataraxia fhrt. Diese ist das, was das Tier empfindet, da es indifferent ist. So soll sich der Mensch des Menschlichen entledigen um vollkommene Unerschttertheit erlangen zu knnen102. Bei Epikur nun gab es nicht zwei sondern nur einen Begriff: Ataraxia. Diese ist nicht explizit dichotomisch, doch scheint zwei Begriffe zu enthalten, quasi Adiaphora und Ataraxia in einem Ausdruck103. Auch er nahm an, dass man die Natur beobachten und erkennen, Dinge

96 Vgl. Held, S. 132. 97 Vgl. Held, S. 134. 98 Vgl. Held, S. 141. 99 Vgl. Held, S. 142. 100Vgl. Held, S. 146. 101Vgl. Held, S. 147. 102Vgl. Held, S. 150f. 103Vgl. Held, S. 152ff.

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erschlieen muss. Diese fhrt zur Ataraxia. Da das absichtlich geschieht, ist seine Theorie eine eudmonistische104. Epikurs Begriff Ataraxia ist insofern dichotomisch, als dass sie als Unerschtterlichkeit die katastematische Lust Ataraxia, die Unerschttertheit, dem Telos, generiert105. Auch laut Hermach ist die Ataraxia nur ein Beitrag um die Hedone zu erreichen106. Diese Hedone ist die katastematische Hedone, die Ataraxia, welche somit Eudaimonia ist107. Die erste Ataraxia als Erschtterungsfreiheit ist noch graduier- und verlierbar. Hat man aber die strkere Ataraxia erreicht, kann man erstere mittels ethischer Einbung auch rational zustande bringen108. Letztlich unterscheidet Epikur noch zwei Arten von Eudaimonia. Die erste ist die gewhnliche, die jedermann erreichen kann und die sich manchmal zufllig einstellt. Die zweite ist die gottgleiche Eudaimonia109. Beide Arten sah Epikur als fr jedermann erreichbar an110. Die Kritik von Held lautete nun, dass Erkenntnis noch lange nicht zu seelischer Ruhe fhrt. Deshalb knne das Leben nur eine Einbung in die Ataraxia sein, die 'gewhnliche' vielleicht erreichbar. Die Gttliche aber muss ein Ideal sein. Realer wre es anzunehmen dass es um ein Bemhen-Wollen ginge111. Nach Forschner setzt Epikur vollendetes menschliches Glck in eine sthetische Lebensform. Die Seele wird autark und vollendet ihr Glck in heiterer Gelstheit von allem Streben. Umgang mit Gtern und Befolgung der Sitten sind bezogen auf den Naturtrieb, Bedrftigkeit und Verletzbarkeit des Menschen. Um heiteren Lebensgenuss als Telos zu

104Vgl. Held, S. 157f. 105Vgl. Held, S. 162f. 106Vgl. Held, S., 168. 107Vgl. Held, S. 172. 108Vgl. Held, S. 177. 109Vgl. Held, S. 175. 110Vgl. Held, S. 180. 111Vgl. Held, S. 181f.

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erreichen muss der Mensch zu seinem Leben ein naturorientiertes und distanziert-spielerisches Verhltnis haben112. Philosophie ist fr Epikur befreiende Aufklrung, Kunst und Lehre, um mit Argumenten aus Unwissenheit als Quell des Schmerzes hinauszufhren. In vernnftiger Selbstndigkeit soll man sich seines sterblichen Lebens erfreuen. Sie ist damit praktisch und therapeutisch113. Dafr mssen vier Sorgen beseitigt werden: Angst vor Gttern, Angst vor dem Tod, Angst vor Schmerzen, Angst vor Begierden114. Kanonik ist fr ihn Lehre der Mittel, die zu evidenten Erkenntnissen fhrt115. Als Basis dienen sinnliche Erfahrungen der tatschlichen Welt. Das Empfinden von Lust oder Schmerz ist Kriterium fr Wertungen, was man folgen und was meiden soll. Durch Einbung kommt man zu Erkenntnissen. Lust teilt er in krperlich und geistig116. Aufgebaut ist die Welt aus Atomen. Physik fragt nach einem glcklichen Leben, das unter allen mglichen sozialen Umstnden fr jeden erreichbar sein muss117. Das menschliche Dasein ist individuelle Selbstttigkeit und Selbstempfindung118. Die Ethik lehrt die ngste zu beseitigen. Die erste ist die Angst vor Gttern. Diese gibt es laut Epikur119 und knnen vom Menschen wahrgenommen werden. Atomare Ausflsse von ihnen streifen den Menschen. Die Gtter sind menschlich, haben keine Sorgen und leben in Heiterkeit120. Betrachtung und Verehrung des Lebens der Gtter ist hchste menschliche Ttigkeit und vermittelt ihm die Wahrheit ber sich und das Ziel seines Lebens, was den Menschen begrenzt unsterblich macht121. Als zweites die Angst vor Lust und Schmerz. Sie sind jedem112Vgl. Forschner, S. 24. 113Vgl. Forschner, S. 25. 114Vgl. Forschner, S. 26. 115Vgl. Forschner, S. 27. 116Vgl. Forschner, S. 28. 117Vgl. Forschner, S. 29. 118Vgl. Forschner, S. 30. 119Vgl. Forschner, S. 30. 120Vgl. Forschner, S. 31. 121Vgl. Forschner, S. 32.

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Lebewesen zueigen122 und zeigen ihm, was angemessen und was unangemessen ist. Deshalb richten sie ihr Leben nach deren Kriterien aus, weshalb die Lust Ursprung und Ziel glcklichen Lebens ist. Hedone und Schmerz sind sinnlich und geistig123. Den Menschen unterscheidet vom Tier seine Fhigkeit der Vernunft. Der Geist ist frei und steuert, whrend der Krper von der Welt abhngig ist. Der Geist kann den Krper steuern und beruhigen124. Im Streben nach Lust zeigt sich die Abhngigkeit des Menschen vom Naturtrieb. Doch der Mensch kann sich entscheiden. Wichtig sind nur die grundstzlichen Begierden, die leicht zu befriedigen sind. Es gibt natrliche und notwendige, natrliche und nicht-notwendige berhand und Lust nicht-natrliche differenziert und sich in nicht-notwendige kinetisch und Begierden125. Man muss lernen zu entscheiden. Schmerz kann nie nehmen. katastematisch, was hnlich schon Aristoteles kannte. Katastematische Hedone ist die Lust des gesunden Krpers und der harmonischen Seele: Aponia und Ataraxia. Man ist frei von Begierden und Schmerz126. Kinetische dagegen ist ein Prozess, der den Schmerz aufhebt und zur katastematischen fhrt127. Weiter gibt es die Angst vor dem Tod. Dieser aber ist nicht da wenn wir leben und wenn wir tot sind, sind wir nicht mehr128. Verliert man seine Angst vor dem Ende und vor einer Hlle oder Unterwelt danach, wird der Tod bedeutungslos und man kann sein Leben genieen129. Menschliches Glck ist nur mglich, wenn man sich von Tod wie Leben distanziert und eine Freiheit und Gelassenheit gewinnt130. Der Eudaimon ist frei und glcklich durch sich selbst und gottgleich131. Ein heiteres Leben ist aber nicht mglich ohne einem122Vgl. Forschner, S. 32. 123Vgl. Forschner, S. 33. 124Vgl. Forschner, S. 34f. 125Vgl. Forschner, S. 36. 126Vgl. Forschner, S. 37. 127Vgl. Forschner, S. 38. 128Vgl. Forschner, S. 39. 129Vgl. Forschner, S. 40. 130Vgl. Forschner, S. 41. 131Vgl. Forschner, S. 41.

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sittlich guten Leben. Tugenden sind aber nur sekundr und Mittel zum Zweck132. Sie sind Hedone und Ataraxia untergeordnet. Der Eudaimon steht jenseits von Sitte und Recht, verletzt oder achtet sie aber auch nicht gering. Er lebt der Polis enthoben in einem gttlichen Lebens des Forschens und ist der menschlichen Welt nur durch natrlich-notwendige Bedrfnisse verhaftet133. Bei Aristoteles ist die Theoria aber ernst. Bei Epikur sind Theoria und Phronesis aber auch nur Mittel zum Zweck und nicht Telos selbst134.

132Vgl. Forschner, S. 42. 133Vgl. Forschner, S. 43. 134Vgl. Forschner, S. 44.

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4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.Nun wollen wir uns ansehen, was die beiden Philosophen gemeinsam hatten und was nicht. Aristoteles machte sich mehr Mhe, alles bis ins kleinste zu analysieren und definieren, was vor allem fr die Eudaimonia gilt. Daran zeigt sich auch bereits der grte Unterschied zwischen den beiden: Aristoteles war seiner Definition der Eudaimonia folgend vor allem theoretisch veranlagt; Epikur dagegen wollte eher praktisch leben und wirken. Aristoteles definierte zunchst einen Begriff des Telos und eines obersten Telos, das man in Epikurs Fragmenten nur implizit findet. Als oberstes Telos bezeichnet jener die Eudaimonia, das gute Leben und gute Handeln, derweil jener dort die Hedone einsetzte, allerdings eben als eine Eudaimonia, von der er blo nicht (in den Fragementen) sprach. Aristoteles setzte als Telos (fr sich?) die Theoria. Die Eudaimonia muss fr beide nicht zwangslufig moralisch sein, wenngleich Aristoteles Tugenden explizit genug definiert und es als besonders lobenswert empfindet, wenn man ihnen folgt. Fr wichtig, Aristoteles jedoch ist neben das dem Telos auch noch Vermgen, Epikur Gesundheit, ein soziales Umfeld, Lust und Talent fr die Eudaimonia reicht notwendige Mindestma. Auch definierte notwendige elementare Bedrfnisse, die zu erfllen nicht schwer ist, um das berleben sicherzustellen, einen gesunden Leib zu behalten und die Glckseligkeit zu erringen. Aristoteles hob das soziale Umfeld besonders hervor, ohne dass es keine Eudaimonia geben knne (und in der die Eudaimonia jedes Einzelnen gesichert werden soll). Epikur uerte sich dazu kaum, jedoch lebte er stets quasi-sozialistisch mit seinen Schlern und Freunden hob auch Erinnerungen an gute Gesprche als kinetische Lust hervor. Wenn man jedoch nicht gut unter Menschen leben kann, sollte21

man lieber

alleine leben. Im Gegensatz zu Aristoteles jedoch sucht Epikur nach einem glcklichen Leben, das unter allen sozialen Bedingungen realisierbar ist135. Man ist also nicht abhngig von Naturanlagen und dem, was einem die Eltern mitgaben. Fr beide war klar, dass die Vernunft das ist, was den Menschen vom Tier unterscheidet, jedoch bewerteten sie es unterschiedlich. Nach Aristoteles soll ein Wesen die Ttigkeit gem seines Talentes whlen. Der Mensch zeichnet sich gegenber Tier und Pflanzen durch seine Vernunft aus. Der Sinn der Natur soll es sein, die Vernunft zu nutzen und ihr entsprechend zu leben. Das nicht zu tun wre widersinnig. Da der Mensch weiterhin ein zoon politikon ist wre es widersinnig nicht im sozialen Rahmen zu leben. Die Natur (Physis) schaffte uns auf eine bestimmte Art und wir mssen das erkennen. Dann muss man diese Bestimmung als Ziel im Auge behalten und das Streben und Handeln danach ausrichten um das Telos zu erreichen136. Durch die Vernunft erkennt der Mensch und wgt sein Handeln an dieser Erkenntnis sowie an Lust und Schmerz aus. Epikur beginnt hnlich, geht aber anders. Der Mensch besitzt Vernunft und soll gem der Natur leben. Dieses Leben fr den Menschen ist die Ausbung der Vernunft um Ataraxia zu haben, womit er Angst und Schmerz vertreiben kann, was die Tiere nicht knnen. Beide sind sich jedoch wiederum einig darinnen, dass die Vernunft ber dem Gefhl steht und diese steuern kann, was Epikur mit seiner Ataraxia nher beschreibt. Auch sind sie sich darin einig, dass der Mensch durch Betrachtungen (der Natur) zu Erkenntnissen kommt und sein Streben daran (auch) ausrichten soll. Whrend man nach Aristoteles dann aber zu Einsichten kommt, die einen gotthnlich werden lassen, fhrt es bei Epikur zur Ataraxia, womit man frei von Angst und Schmerz ist.135Vgl. Forschner, S. 29. 136Vgl. Held, S. 38.

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Als oberstes Telos definierte Aristoteles die Theoria, die einen Menschen gttlich werden lsst, wenngleich der Mensch dies nicht fr immer einhalten kann, sondern sich auch um weltliche Belange kmmern muss. An zweiter Stelle kommt die Phronesis, die praktische Vernunft, die sich nur um weltliche Belange kmmert. Reine Lust dagegen ist das dritte Telos, das jedoch dem der Tiere gleich ist. Fr Epikur jedoch kommt man durch die ataraxia (als Unerschtterlichkeit) zum Telos, der Hedone, welche Ataraxia als Unerschttertheit ist. Epikur nimmt in seiner Theorie zahlreiche Begriffe dichotomisch an. Hedone besteht aus zwei Arten die zwei Unterarten haben; Ataraxia hat zwei Formen; auch die Eudaimonia kennt gewhnliche und gttliche. Ein groer Unterschied ist natrlich die Lustauffassung. Beide scheinen von denselben Annahmen auszugehen, dass sich die Lust in kinetische und katastematische teilt. Aristoteles jedoch bevorzugt die katastematische als gttliche, als etwas unbeeintrchtigtes. Diese Lust ist Teil der Eudaimonia und Theoria, aber nicht diese selbst. Bei Epikur gelten beide Arten, die sich nochmal in seelisch und krperlich unterteilen. Die kinetischen dienen der Befriedigung, wie auch Aristoteles sagt, jedoch lindern sie damit Schmerzen und fhren zur katastematischen, der ungestrten, die wiederum das Telos ist. Aristoteles und Epikur gehen also von hnlichen Bedingungen aus (eudmonistischer Rahmen, den Epikur um den hedonistischen ergnzt; Eudaimonia muss fr alle erreichbar sein; muss nicht moralisch sein, wenngleich ein sittliches Leben preisenswert ist; die Vernunft ist dem Menschen eigen und kann Gefhle steuern; die Eudaimonia macht den Menschen gttlich; durch Erkenntnisse zusammen mit Lust und Schmerz kommt man an Mastbe an denen man sein Handeln ausrichten kann), kommen aber ber teils unterschiedliche Bewertungen (vor allem bezglich der Lust und sozialer Umstnde) zu unterschiedlichen Zielen (der ernsten Theoria des Aristoteles und der 'glcklich unerschtterten' Hedone bzw. Ataraxia des Epikur): Aristoteles wollte die Welt erkennen;23

Epikur wollte die Furcht vor ihr nehmen und das Umgehen mit ngsten und Schmerz lehren.

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5. Literatur

Ackrill, John L.: Aristotle on Eudaimonia. In: Hffe, Otfried: Die Nikomachische Ethik. Berlin: Akademie Verlag 1995.

Forschner, Maximilian: ber das Glck des Menschen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Auflage.

Held, Katharina: Hedone und Ataraxia bei Epikur. Paderborn: mentis 2007. Kampert, Heinz: Eudaimonie und Autarkie bei Aristoteles. Paderborn: mentis 2003. Ricken, Friedo: Wert und Wesen der Lust. In: Hffe, Otfried: Die Nikomachische Ethik. Berlin: Akademie Verlag 1995.

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