gewebeelastizität und biomechanische interaktion vaskulärer komponenten

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Page 1: Gewebeelastizität und biomechanische Interaktion vaskulärer Komponenten

292 C. Hartung 2. f. WerkstoffkundelJ. of Materials Technology 7, 292-297 (1976) a v e r l a g Chemie, GmbH, D-6900 Weinheim, 1976

nitischen Chrom-Nickel Stahlen Teil 11. Werkstatt u. Betrieb

2. C. 0. Bauer: Sicherung von Schraubenverbindungen aus nicht- rostenden Stahlen. Werkstoffe u. Korrosion 21 (1970) 6, S.

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23. W . Schmidt: Der EinfluR einer Kaltverformung auf das Krie- chen bei Raumtemperatur des austenitischen Stahles X 5 CrNi 18/9. Drahtwelt 55 (1969) 11, S. 670-678.

24. W. Schmidt: Der EinfluR von Kaltverformung und Auslagerung auf das Kriechverhalten von X 5 CrNi 18/9 und X 12 CrNi 17/7 bei Raumtemperatur DEW-Techn. Berichte 10. Band 1970, H. 2,

H. 9, S. 19-26.

S. 108-123. 25. J . Schmidt-Salzer: Produzentenhaftung: Anwendung der Grund-

satze iiber die Beweislastumkehr auf verantwortliche Geschafts- leiter. Der Betriebsberater H. 23, 20. August 1975, S. 1031-1033 BGH-Entscheidung vom 3 . Juni 1975 VI, ZR 192/73.

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Anschrift: Dip1.-Ing. C. 0. Bauer, Fa. Carl Bauer GmbH & Co, Solinger StraRe 28, 5600 Wuppertal 12 (Cronenberg).

Gewebeelastizitat und biomechanische lnteraktion vaskularer Komponenten

C. Hartung*)

Mitteilung aus der Abteilung fur Biomedizinische Technik und Krankenhaustechnik der Medizinischen Hochschule Hannover

Viele Beitrage uber das mechanische Verhalten weicher biologischer Gewebe sind bisher erschienen. Relativ klein ist jedoch unser Wissen uber das biomechanische Zusammenspiel ihrer Bausteine. Vaskulare Gewebe zeigen ein hochgradig nichtlineares Last-Deformations-Ver- halten, das passiv mechanisch von ihren drei hauptsachlichen Wand- komponenten abhiingt, n h l i c h elastischen und kollagenen F asern so- wie der Grundsubstanz, einer nichtfibrosen Matrix. Mit zunehmen- dem Druck verlieren n h l i c h Blutgefae ihre Dehnbarkeit, weil sich die elastischen und kollagenen Fasem dann straffen. In diesem Zu- stand bilden sie dann eine starke Wandbewehrung und schutzen so das GefaR vor Aneurysmen bei hoheren Blutdriicken. Urn die Materialeigenschaften der Gefawand und das Zusammen- spiel der vaskularen Komponenten auch qualitativ erfassen zu kon- nen, wird ein kontinuumsmechanisches Model1 vorgestellt. Ausge- hend von thermodynamischen Uberlegungen, die die physiologische Situation sinnvoll erfassen, wird ein Materialgesetz entwickelt, mit dem die Spannungsbeitr%ge der einzelnen Komponenten sowie die

*) 2. 2. Gastprofessor der Fakultat Mechanics, Materials and Measurement Engineering, Arizona State University, Tempe, Arizona 85281, USA.

Tissue Elasticity and Biomechanical Interaction of Vascular Com- ponents. Many contributions have been made on the mechanical behaviour of soft biological tissues. Relatively small, however, is the knowledge of the biomechanical interaction of their components. Vascular tissues show a highly nonlinear load-deformation response which in their passive state depends on the three following, major wall components: elastic and collagen fibres and groundsubstance, a nonfibrous matrix. With increasing pressure, namely, blood vessels lose their distensibility, collagen and elastic fibres becoming straight and form a strong wall reinforcement which keeps the vessel from being blown out at higher intraluminal pressures.

In order to better understand the material properties of the vessel wall and the interaction of these vascular components a continuum mechanical model is developed. Based on thermodynami- cal considerations reasonably approaching the physiological situation, constitutive equations are derived by which the amounts of stresses contributed by these components as well as the deformation energy stored by them, can be determined. Of particular significance, thereby, are the distribution densities and distribution functions of the fibres becoming and having become aligned during the vascular dilatation. These functions were detemined from uniaxial tensile tests performed

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von ihnen gespeicherte Deformationsenergie ermittelt werden kann. Hierbei sind die Verteilungsdichten und -funktionen der wiihrend einer vaskularen Dilatation anspringenden und angesprungenen Fasern von fundamentaler Bedeutung. Diese wurden an histologisch ahn- lichen, quasi reinen Faserstrukturen aus Zugversuchen bestimmt, die mit elektronischen Zugpriifmaschinen durchgefiihrt wurden. Fur die Ermittlung des kollagenen Mechanismus wurden menschliche Sehnen, 6 r die Ermittlung des elastischen Mechanismus Nackenbander von Rindern als Priiflinge verwandt. Die Simulation des Druck-Radien-Verhaltens eines Aortensegmentes auf einem Komputer unter Benutzung dieser experimentellen Ergeb- nisse beweist, daR der Beitrag der elastischen und kollagenen Fasem zum gefamechanischen Verhalten schon bei mittleren physiologi- schen Driicken betrachtlich sein kann und bei hijheren Driicken bei weitem iiberwiegt. Die vorliegenden Untersuchungen sind ein notwendiger Schritt vor- warts in der Biomechanik und Materialkunde der G e f i e und damit schlieRlich in der Kreislaufforschung.

1. Einleitung

Die Hamodynamik des Kreislaufes wird durch biomecha- nische Prozesse in der Gefawand stark beeinflufit. Es ist daher nicht verwunderlich, d& sich beriihmte Wissenschaftler schon vor Jahrhunderten rnit der Mechanik des ,,Rohren- systems Blutkreislauf" beschaftigt haben. Erste quantitative Studien gehen auf Hales (1733) zuriick, der Betrachtungen iiber die arterielle und venose Elastizitat anstellte.

Bereits 1880 fuhrte Roy Zugversuche mit Segmenten von Hunde- und Kaninchenaorten durch. Er stellte fest, daR die Aortenwande ein nicht Hooke'sches Verhalten aufweisen

with electronic tensile testing machines using quasi pure fibre structures histologically corresponding. As specimen human tendons were taken for the evaluation of the collagen and ligaments from the neck of cattle for the evaluation of the elastic fibres' mechanisms. When simulating the pressure-radii response of an aortic segment on a computer using these data the results definitely show that the contribution of elastic and collagen fibres to the vessel mechanics is considerable already at mean physiological pressures and by far pw- vailing at higher ones. The present investigations are a necessary step forward in the biome- chanics and materials research of vessels and, hence finally, in the research of the circulatory system.

diese sich histoanatomisch entlang des arteriellen Baumes je- doch nur allmahlich verandern, ist es ausgesprochen schwer, Angaben daruber zu machen, wo der eine GefaBtyp beginnt oder der andere endet. Zu den elastischen Arterien werden gewohnlich die Aorta, die pulmonalen Arterien, die Art. carot., subclav. und iliac. comm. gezahlt. Zur Klasse der muskularen Arterien gehoren die mehr peripheren Arterien und Arteriolen. Dann folgen die Kapillaren, hauptsachlich aus aus Endothel bestehend. Das Blut wird in den Venen zum Herz zuriickgefiihrt. Diese ahneln bis zu einem gewissen Gra- de den Arterien, jedoch rnit dem entscheidenden Unter- schied, d& die Venen rnit dem perivaskularen Gewebe intim

(Abb. 1). Seit dieser Zeit sind vor allem von medizinischer Seite verwachsen sind, wahrend die Arterien in einem losen Zusam- Seite unzahlige Beitrage zu diesem Thema erschienen. Ganze ,,Physiologic-Schulen" haben in den 20er, 30er, 50er und 60er Jahren dieses Jahrhunderts versucht, mehr Licht in die Mechanik der Gefawand zu bringen. Dennoch ist unsere Kenntnis iiber Vorgange insbesondere in der Gefawand gering. Im Folgenden wollen wir daher dieses alte und kli- nisch wichtige Problem wieder aufgreifen und auf eigenen Experimenten aufbauend ein kontinuumsmechanisches Model1 vorstellen, rnit dem das passiv-mechanische Verhal- ten der Gefawand als solcher sowie die mechanische Inter- aktion passiver, vaskularer Komponenten simuliert werden kann.

Blutgefae unterscheiden sich stark voneinander hin- sichtlich ihres Wandaufbaus und Verhaltens entsprechend ihrer Funktion und Hierarchie im Blutkreislauf. Im wesent- lichen gibt es vier verschiedene GefaRtypen. Auf der arteriel- len Seite sind die elastischen und muskularen Arterien. Da

Deformation

Abb. 1. Typisches Last-Deformations-Verhalten vaskularer Gewebe.

Fig. 1. Typical load-deformation behaviour of vascular tissues.

menhang mit diesem stehen. Die vaskulare Wand besteht im Wesentlichen aus

1. versorgenden Elementen, den Endothel-Zellen, die an der Gef5Xinnenseite sitzen und fur den Stofftransport zwischen Blut und dem Gewebe verantwortlich sind,

2. passiven, mechanischen Elementen, den elastischen und kollagenen Fasern, die in einer nichtfibrosen Matrix, der Grundsubstanz eingebettet sind, und

3. kontraktilen Elementen, den weichen Muskelzellen (Spann- muskeln und Ringmuskeln), die je nach Erregungszustand die Gefastellung und damit den BlutfluB aktiv mechanisch durch Erzeugung einer Vorspannung (vasomotorischer Tonus) regeln konnen. Das passive, mechanische Verhalten der Gefawand wird

daher durch die drei Komponenten Elastin, Kollagen und Grundsubstanz bestimmt. Das extrazellulare Protein Elastin ist ein gummiartiges, hochdehnbares Material, welches bis auf seine zwei- bis dreifache Ausgangslange gedehnt werden kann, jedoch nur etwa 1/25 der Festigkeit von Kollagen be- sitzt. In der GefaPwand bilden die elastischen Fasern kon- zentrische Membranen.

Kollagen ist ein relativ dehnsteifes, fibroses Protein von auRerordentlich hoher Reafestigkeit. Diese hohe ReiBfestig- keit und Zugfestigkeit werden durch die Grundeinheit des Kollagens bedingt, einer aus festen Bindungen bestehenden, langen Trippel-Polypeptid-Kette. Wahrscheinlich werden die kollagenen Molekiile in speziellen Zellen, den Fibrobla- sten, gebildet, die in allen Bindegewebssystemen vorhanden sind. Sie gelangen dann in den extrazellularen Raum, w o sie zu Fibrillen aggregieren. In der GefaRwand bildet das Kolla- gen ein Netzwerk zunachst nicht orientierter Fasern.

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Die Grundsubstanz hat kolloidale Eigenschaften. Sie ist wasserunloslich, kann jedoch Wasser binden. Sie besteht aus den Mucopolysacchariden Chondroitin Sulfat und Hyaluron- saure. Wahrscheinlich klebt das Chondroitin Sulfat die kolla- genen Fasern zusammen, wahrend die Hyaluronsaure als Schmiermittel dient, damit die Fasern, z. B. wahrend einer pulsatilen Dilatation, aneinander vorbeigleiten konnen.

2. Experimentelles Vorgehen und biomechanisches Modell

Um nahere Aussagen uber das mechanische Verhalten Faser Komponenten machen zu konnen, kann man zwei experimentelle Wege beschreiten : 1. Man kann durch Teilverdauung mit Ameisensaure bzw.

Trypsin die elastischen bzw. kollagenen Fasern in der Gefzwand eliminieren und die mechanischen Beitrage dieser Fasern in zwei Druck-Volumen Versuchen isoliert be- stimmen. Diese Methodik hat jedoch einen grogen Nachteil. Man weiR bisher nicht, in wie weit weitere, moglicher- weise fur die GefaBmechanik bedeutungsvolle Kompo- nenten biochemisch beeinflugt werden, und ob dieses experimentelle Vorgehen verfalschte biomechanische Resultate liefert.

2. Man kann an quasi reinen Faserstrukturen das mecha- nische Verhalten der elastischen und kollagenen Fasern studieren und mit diesen Resultaten das Druck-Volumen Verhalten frischer, nicht fixierter GefaRe mittels eines biomechanischen Modells analysieren. Wir wollen daher im Folgenden den zweiten Weg beschrei-

Weiche biologische Gewebe sind nichtlineare, inkompres- ten.

sible, viskoelastische Medien, die unter fortgesetzten Bean- spruchungen, wie sie in situ auftreten konnen, ihre irrever- siblen viskosen Eigenschaften verlieren und einem thermo- dynamischen Gleichgewichtszustand oder ,,steady state" zu- streben, der als reversibel oder elastisch angesehen werden kann, jedoch hochgradig nichtlinear bleibt. In diesem Gleich- gewichtszustand verhalten sich diese Gewebe im Wesent- lichen isotherm, wenigstens so lange, wie dieser thermodyna- mische Gleichgewichtszustand nicht zu starke Storungen er- fahrt, oder anders ausgedriickt, so lange, wie die Last- und Deformationsgeschwindigkeiten hinsichtlich ihrer Fre- quenz und zeitlichen Xnderung im Physiologischen bleiben. Solche Medien gehorchen bekanntlich der konstitutiven Beziehung (Hartung 1974f1975):

Mit bestimmten Farbetechniken, z. B. unter Benutzung von Resorcin-Fuchsin fur die elastischen Fasern und Hema- toxilyn-Picrofuchsin fur die kollagenen Fasern, kann die lnteraktion dieser vaskularen Komponenten optisch be- stimmt werden (Hayashi et al. 1974). Die Zusammenhange zwischen Spannungen und Verzerrungen sowie deren Xn- derungen, die sich im Inneren der Gefzwand abspielen, konnen jedoch mit derartigen Methoden nicht bestimmt werden. Es zeigt sich histologisch, d& sich die elastischen und kollagenen Fasern wahrend der Dilatation hauptsach- lich in Gefzumfangsrichtung parallel ausrichten, dabei ihre Wellenform verlieren und daB das iiberlineare Druck-Volumen Verhalten offensichtlich durch den Mechanismus parallel

geschalteter Fasern verursacht wird, die nacheinander straff gezogen werden und so die Gefasteifigkeit erhohen. Wir spalten daher die mechanische Verzerrungsarbeit w in drei additive Anteile

w = w1 + w2 + w 3

auf, die von der Grundsubstanz (wl ), den elastischen Fasern (w2) und den kollagenen Fasern (w3) geleistet wer- den. Da die Grundsubstanz in guter Naherung als homogen und isotrop angesehen werden kann und die physikalische Nichtlinearitat auch die Ereignisse oder Verteilungsdichten der anspringenden Fasern verursacht wird, linearisieren wir den Arbeitsbeitrag w der Grundsubstanz physikalisch:

(2)

Die geleisteten Arbeitsanteile w2 und w3 hangen damit jeweils von den Verteilungsfunktionen g2 und g, der ange- sprungenen elastischen und kollagenen Fasern ab :

Setzen wir (5) , (4), ( 3 ) und (2) in (1) ein, so erhalten wir die konstitutiven Beziehungen:

Grundsubstanz Elastin Kollagen

In Abb. 2 ist die unserem Modell zugrunde liegende Geometrie eines Aorten-Segmentes, links im undeformier- ten und rechts im dilatierten Zustand unter der Wirkung

Abb. 2. Segmentes, links undeformiert und rechts deformiert. Fig. 2. (left) and deformed (right) states.

Angenommene geometrische Verhaltnisse eines Aorten-

Assumed geometry of the aortic segment in the undeformed

eines intravasalen Druckes pi dargestellt. Da es sich um ein G e f a des arteriellen Kreislaufes (Hochdruckseite) handelt, haben wir den Druck pa, den das perivaskulare Gewebe auf das GefaB ausubt, gegenuber dem intravasalen Druck pi ver- nachlassigt, und die behindernde Wirkung, die das perivas- kulare Gewebe auf geometrische Anderungen in GefaR- langsrichtung ausubt (vascular tethering), durch Einfuh- rung eines ebenen Verzerrungszustandes beriicksichtigt.

die radiale Gleichgewichtsbedingung Durch Einsetzen der konstitutiven Beziehungen (6) in

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do: 1 2 - + - (a; - 02) = 0 dr r

und Integration erhalten wir dann unter Beriicksichtigung der Bedingung, da13 an der Gefainnenseite der intravasale Druck pi ausgeiibt wird, die Spannungen o:, und u; in Radial-, Umfangs- und Langsrichtung des GefaBes:

( 7 )

r2 U: =u: +2Gln- r2 - A2 + 2 71,

Hierin werden die auftretenden grogen, koachsialen Ver- zerrungen des G e f a e s durch den Hencky 'schen logarithmi- schen Verzerrungstensor rk beschrieben, und die Verteilungs- funktionen g2 und g3 der anspringenden elastischen und kollagenen Fasern, den vorhin erwahnten histologischen Studien folgend, als Funktionen der mittleren Dehnung y: (m) in Gefaumfangsrichtung eingefiihrt. Aus der verbleibenden augeren Spannungsrandbedingung u: (la) = 0 erhalten wir:

Die in dieser Beziehung noch auftauchenden, unbekann- ten GroBen, der Schubmodul G der Grundsubstanz sowie die Koeffizienten a, und b, der in Taylor-Reihen entwickel- ten, von den elastischen und kollagenen Fasern gespeicherten Energiedichten w2(g2) und w3 (g3), miissen nun aus den ex- perimentell an GefXsegmenten ermittelten Druck-Volumen- Diagrammen bestimmt werden. Zunachst miissen jedoch die Verteilungsfunktionen g2 und g3 bekannt sein.

Diese haben wir, wie in Abb. 3 qualitativ angedeutet ist, aus Kraft-Langenanderungs-Diagrammen durch Differentia- tion und Normierung gewonnen. Die Zugversuche wurden von uns mit elektronischen ZerreiBmaschinen an frischen, quasi reinen Geweben durchgefiihrt. Aus Abb. 4 ist ersicht- lich, daB wir die Verteilungsfunktionen g2 der elastischen Fasern aus Kraft-Langenanderungs-Diagrammen der Nacken- bander von Rindern und die Verteilungsfunktion g, der kollagenen Fasern aus dem Kraft-Langenanderungs-Dia- gramm der Sehne des M. peroneus tertius eines Patienten ermittelten, die besonders dehnbar ist und erst bei der natiir- lichen Dehnung In l/lo = 0,62 (entspricht einer herkomm- lichen Dehnung A H o = 0,86) riI3. Da jedoch kollagene Fasern in quasi reiner Form nur in Sehnen vorkommen, diese im allgemeinen jedoch nur eine ReiBdehnung von AMo = 10% bis 15% aufweisen, haben wir diesen Umstand

Zugkraft t K- Reinen

Langenanderung A1

Langenanderung A1

Abb. 3. Verteilungsfunktion g und -dichte der angesprungenen und anspringenden Fasern, ausgewertet aus dem Zugversuch. Fig. 3. Evaluation of the distribution function g and of the distribu- tion density of fibres having become and becoming aligned respec- tively from the tensile test.

4 ReiOen

I I I I

0 44.1 69.8 200 *pi [mmHg]

Abb. 4. Verteilungsfunktionen g2 und g3 von Elastin (Lig. nuchae bov.) und Kollagen (Sehne des M. peroneus tertius) in Abhangigkeit von der natiirlichen Dehnung (In I&, = Zugdehnung, y;(,,,) = mitt- lere Umfangsdehnung) und vom intravasalen Druck pi.

Fig. 4. Distribution function g2 and g3 of elastin (Bovine Lig. nuchae) and of collagen (Tendon of the M. peroneus tertius) in

mean circumferential strain) and of the intravascular pressure pi. dependence of the natural strain (In l/lo = tensile strain, 72(,,,) 2 =

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in Kauf genommen und haben bei der Simulation des gef%- mechanischen Verhaltens vorausgesetzt (gestrichelte Linie), daB die kollagenen Fasern nicht re&en,was sie unter diesen Verhaltnissen in der Gefawand ja auch nicht tun. Da die Dicke der GefaBwand mit steigendem intravasalen Druck pi sehr schnell abnimmt, haben wir dann den Zugversuch als Ahwicklung des Druck-Volumen-Versuches in Umfangs- richtung aufgefaBt. Die natiirliche Dehnung In l/lo ist in diesem Fall niimlich ungefahr gleich der mittleren natiirli- chen Dehnung 7; in GefalSumfangsrichtung und kann daher auch durch den intravasalen Druck pi ausgedriickt werden.

3. Ergebnjsse

Die Abb. 5 zeigt das Verhalten des Innenradius ri und der Wandstarke r, - r; einer Kaninchenaorta in Abhangigkeit von intravasalen Druck pi und die Simulation der Wand- starke des G e f a e s unter Venvendung des Schuhmodul G, der Koeffizienten a1 (k = 4) und b, (r = 4) sowie unter Be- nutzung der experimentell ermittelten Verteilungsfunktionen g2 und g,. Die hierfur erforderlichen, umfangreichen Rech- nungen wurden im Rechenzentrum der Arizona State Uni- versity, Tempe, durchgefuhrt. Die gute Ubereinstimmung zwischen Simulation und Experiment zeigt die Brauchhar- keit des Modells. Damit gelang es erstmalig auch quantita- tive Aussagen uber die mechanische Interaktion der passi- ven, vaskularen Komponenten zu machen.

GefaOwandstarke ro -r, [cm]

- m I E E h

2

k

?

Y

< 100

D

- 0

- ; o 8.03 10.0 15.0 20.0

T492.51 Innenradius ri [cm]

Abb. 5. starke ra - ri und des inneren Radius ri einer Kaninchenaorta nach Wolinsky und Glagov und Simulation der Wandstarke. Fig. 5. Intravasal pressure pi in dependence of the vessel thickness ra - ri and the inner radius ri of a rabbit’s aorta after Wolinsky and Glagov and simulation of the wall thickness.

Intravasaler Druck pi in Abhangigkeit von der Gefawand-

Die Abb. 6 ... 9 zeigen die Spannungen u: , uz und u: in Radial-, Umfangs- und Langsrichtung des GefalSes bei verschiedenen Innendriicken pi = 2 5 , 5 0 , 100 und 150 Torr. Wahrend die Radialspannung 0: stets eine Druckspannung ist, sind die Spannungen uz und u: in Umfangs- und Langs- richtung s e t s Zugspannungen. Besonders auffallig ist die hohe Zugspannung u:, die durch den zunehmenden Wider-

Radialspannung 6; [mmHg] r i =10.4.10-2 ra =11.4.10-2

I

Urnfangsspannung G2 2 [mmHg] 6: [rnrnHg]

300

200 20 0

100 1M)

n

Radialspannung G i [mmHg]

Umfangsspannung “22 [mmHg] Langsspannung dz [mmHg]

t t 1000

5oQ

0 ri 2 14.4.10-2 ra ~151 .lo2 ri ~14.4.10-~ ra ~15.1

Radialspannung 6’ [rnmHg] ri =23.7.10-2

1 ra = 24.1 .10 -2

Urnfangsspannung 6; [mmHg] Langsspannung G3[mrnHg] 3 I t

Fasern verursacht wird. In GefaBlangsrichtung herrscht stets ri = 23.7.10-2 r,=241.10-2 ri 223.7.10-2 eine Zugspannung und macht so den EinflulS des perivasku-

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Radialspannung 6: [mrnHg] ri E 2?.6.10-2 ra= 25.0.10-2

0

-150

Umfangsspannung 6: [mmHg] Langsspannung a: LmmHg]

t t

ri = 24 6 .lo-' ra =25.0.10-2 ri =24.6.10-2 ra =25.0.10-2

Abb. 6 ... 9. Wandspannungen in Radial-, Umfangs- und Langs- richtung eines Aorten-Segmentes bei einem intravasalen Druck pi von 25 mmHg (Abb. 6), 50 mmHg (Abb. 7), 100 mmHg (Abb. 8) und l5OmmHg (Abb. 9) sowie Spannungsanteile der Grundsubstanz (grs.), des Elastin (el.) und des Kollagen (col.). Fig. 6 ... 9. Wall stresses in radial, circumferential, and axial direction of the aortic segment at an intravascular pressure pi of 25 mmHg (Fig. 6), 50 mmHg (Fig. 7). 100 mmHg (Fig. 8) and 150 mmHg (Fig. 9) and portion of the stresses contributed by groundsubstance (grs.), elastin (el.), and collagen (col.).

laren Gewebes wahrend des Dilatationsvorganges deutlich. Bei niedrigen Driicken pi dominieren die Spannungsanteile der Grundsubstanz. Mit wachsenden Driicken wird das ge- f5Kmechanische Verhalten jedoch zunehmend durch die Fasern bestimmt, wobei bei sehr hohen Driicken die kolla- genen Fasern die meisten Spannungen aufnehmen und so das GefaB vor dem sog. ,,blow out'' oder Aneurysmen schutzen. Im ubrigen ist die Verschiebung des Tragverhal- tens auch am Verlauf der Verteilungsfunktionen g2 und g, in Abb. 4 deutlich erkennbar.

Da das historheoiogische Verhalten der Gefagwand im Rahmen unseres Modells eindeutig dadurch klassifiziert ist, wie diese unter Belastung Energie speichert bzw. bei Ent- lastung wieder abgibt, ist in Abb. 10 die Energiedichte oder mechanische Verzerrungsarbeit in Abhangigkeit vom mitt- leren Radialverhaltnis des G e f a e s bei gleichem Approxima- tionsgrad (k = 4, r = 4) dargestellt. Ihr exponentiell zuneh- mender Verlauf ist fur das nicht Hooke'sche Verhalten des vaskularen Gewebes charakteristisch. Mit der Datstellung der Energieanteile ist auch das mechanische Verhalten und die Interaktion der parallel geschalteten Komponenten, der Grundsubstanz, des Kollagens und des Elastin, klassifiziert. Hinzu kommt, dal3 mit der Kenntnis der gespeicherten

Gewebeelastizitat und biomechanische lnteraktion 297

mechanische Verzerrungsarbeit w [mmHg]

1000 I

A

500

0 1 2 3 mittlerer Quotient der GefaOradien f-&- r + r '

m

Abb. 10. Mechanische Verzerrungsarbeit in Abhangigkeit vom mittleren Quotienten der Gefaradien und anteilige, geleistete Arbeiten der Grundsubstanz (grs.), des Elastin (el.) und des Kollagen (col.). Fig. 10. Mechanical strain work in dependence of the mean radii quotient of the vessel wall and portions of the work done by groundsubstance (grs.), elastin (el.), and collagen (col.).

uk physikalische Spannungskomponenten

-yk HENCKY'scher logarithmischer Verzerrungsdeviator

Is 2. Invariante des HENCKY'schen logarithmischen Verzerrungs- deviators

G Schubmodul Die Bedeutung aller anderen, hier nicht aufgeahrten Griinen ist aus dem Zusammenhang im Text ersichtlich.

i

Der Autor mochte den Herren Professoren Y. C. B. Fung, Ph. D. , University of California, Sun Diego, USA, und Dr.- Ing. 0. Mahrenholtz, Technische Universitat Hannover, BRD, f i r hilfreiche Diskussionen und positive Kritik seinen auf- richtigen Dank sagen.

Literatur

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Mathematikund fichanik, GOttingen 1975. 56 (1976), Energie und ihres Verlaufes nun auch kompliziertere hamodyna- Wall, ZAMM-Sonderheft der Jahrestagung der Gesellschaft a r Ange- mische Probleme simuliert werden konnen, Untersuchungen, die gegenwartig bei uns durchgefuhrt werden. T 110-112

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Anschrift Privatdozent Dr.-Ing. C. Hartung, Abteilung fiir Biomedizinische

wi mechanische Verzerrungsarbeit oder Energiedichte pro Einheit undeformierten Volumens der i-ten vaskularen Komponente

gi Verteilungsfunktion der Fasern der i-ten vaskularen Komponente i rk Spannungsdeviator Technik und Krankenhaustechnik, Medizinische Hochschule Hannover,

Postfach 610180, 3000 Hannover 61.