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Aus dem Bereich Hand- und funktionelle Mikrochirurgie
(Leitung: Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Eisenschenk)
der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie
und Rehabilitative Medizin (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Axel Ekkernkamp)
der Universitätsmedizin der Universität Greifswald
Eine biomechanische Vergleichsstudie der Fingermittelgelenks-arthrodese mit einem Gewindedraht und der intraossären Drahtnaht
nach Lister
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des akademischen
Grades
Doktor der Medizin
(Dr. med.)
der
Universitätsmedizin
der
Universität Greifswald
2019
vorgelegt von:
Hans Christoph Vonderlind, geb. Knapp
geb. am: 23. Mai 1987
in: Hamburg
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2
Dekan: Univ.-Prof. Dr. med. Karlhans Endlich
1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Eisenschenk
2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Windolf
Ort, Raum: Universitätsmedizin Greifswald, Raum J02.16 (DZ 7)
Tag der Disputation: 08.04.2020
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Den Vermächtnisgebern der Universität Greifswald
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Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG 10
1.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG 10
1.2 ARTHRODESE DES FINGERMITTELGELENKES 11
1.2.1 INDIKATIONEN FÜR DIE ARTHRODESE DES FINGERMITTELGELENKES 11
1.2.2 OPERATIVE ZUGANGSWEGE FÜR DIE ARTHRODESE DES FINGERMITTEL-
GELENKES 13
1.2.3 PRÄPARATION DER GELENKFLÄCHEN 14
PRÄPARATIONSTECHNIKEN OHNE ERHALT DER ANATOMISCHEN KONTUREN 15
1.2.3.1.1 GERADE RESEKTION 15
PRÄPARATIONSTECHNIKEN UNTER ERHALT DER ANATOMISCHEN KONTUREN 16
1.2.3.2.1 CUP-AND-CONE-TECHNIK 16
1.2.3.2.2 PEPPER-POT-TECHNIK 17
1.2.4 ARTHRODESEWINKEL 18
1.2.5 ARTHRODESETECHNIKEN AM FINGERMITTELGELENK 21
ARTHRODESETECHNIKEN OHNE KOMPRESSION 22
ARTHRODESETECHNIKEN MIT KOMPRESSION 24
1.2.5.2.1 ZUGGURTUNGSARTHRODESE 24
1.2.5.2.2 SCHRAUBENARTHRODESE 27
1.2.5.2.3 DORSALE PLATTENARTHRODESE 29
1.2.5.2.4 ARTHRODESE MIT FIXATEUR EXTERNE 30
1.2.6 DIE INTRAOSSÄRE DRAHTNAHT 32
1.3 DER KOMPRESSIONSDRAHT 38
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5
1.3.1 ZIEL DER ENTWICKLUNG 38
1.3.2 AUFBAU DES KOMPRESSIONSDRAHTES 39
1.3.3 INDIKATIONEN UND KONTRAINDIKATIONEN 41
1.3.4 ANWENDUNGSTECHNISCHE VORTEILE DES KOMPRESSIONSDRAHTES 41
1.3.5 OPERATIVE ANWENDUNG BEI DER VERSORGUNG VON GRUND- UND
MITTELPHALANXFRAKTUREN 42
1.3.6 KLINISCHE STUDIEN ZUM KOMPRESSIONSDRAHT 43
1.4 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN 44
1.4.1 HYPOTHESEN DER CROSS-OVER-VERSUCHE 46
1.4.2 HYPOTHESEN DER BRUCHVERSUCHE 47
2 MATERIAL UND METHODEN 48
2.1 VORVERSUCHE 48
2.2 CROSS-OVER-DESIGN 48
2.3 STUDIENDESIGN DER BRUCHVERSUCHE 53
2.4 BERECHNUNG DER BELASTUNGSSCHRITTE FÜR DAS CROSS-OVER-DESIGN 53
2.5 VERMÄCHTNISGABE 62
2.6 ANATOMISCHE PRÄPARATION DER FINGERPRÄPARATE 63
2.7 OSTEODENSITOMETRIE 66
2.8 EINBETTUNG DER PRÄPARATE 67
2.9 EINBAU DER IMPLANTATMATERIALIEN 70
2.9.1 TECHNIK DER PIP-ARTHRODESE MIT DER INTRAOSSÄREN DRAHTNAHT
UND SCHRÄGEM KIRSCHNERDRAHT NACH LISTER 71
2.9.2 TECHNIK DER PIP-ARTHRODESE MIT EINEM EINZELNEN SCHRÄGEN
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6
KOMPRESSIONSDRAHT 72
2.9.3 TECHNIK DER PIP-ARTHRODESE MIT KREUZENDEN KOMPRESSIONSDRÄHTEN 74
2.9.4 TECHNIK DER PIP-ARTHRODESEN IM GEGENLÄUFIGEN BELASTUNGSVERSUCH 75
2.10 PROBLEME BEIM EIN- UND AUSBAU DER OSTEOSYNTHESEMATERIALIEN 76
2.11 BELASTUNGSRICHTUNG, ENDPUNKTE UND AUFLAGE 79
2.11.1 BELASTUNGSRICHTUNG UND ENDPUNKTE 79
2.11.2 4-PUNKT-BIEGEVERSUCH 80
2.12 KRAFTAPPLIKATOR UND FIXIERUNGSEINRICHTUNG 81
2.13 ZWICK Z050® MATERIALPRÜFMASCHINE 83
2.14 ABLAUF EINER MESSUNG 85
2.15 STATISTISCHE ANALYSE 87
3 ERGEBNISSE 90
3.1 VORVERSUCHE 90
3.2 CROSS-OVER-VERSUCHE 92
3.2.1 FLEXIONSBELASTUNG 92
3.2.2 EXTENSIONSBELASTUNG 94
3.2.3 EINFLUSS DER KNOCHENDICHTE 95
3.3 BRUCHVERSUCHE 96
3.3.1 EINFLUSS DER KNOCHENDICHTE 98
3.3.2 BEOBACHTUNGEN WÄHREND DER MESSUNGEN 100
4 DISKUSSION 103
4.1 VERGLEICH DER ERZIELTEN ERGEBNISSE MIT DENEN DER LITERATUR 103
4.1.1 CROSS-OVER-VERSUCHE 103
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7
4.1.2 BRUCHVERSUCHE 105
4.1.2.1 ANALYSE DER VERSAGENSMUSTER DER BRUCHVERSUCHE IM VERGLEICH
MIT DER LITERATUR 109
4.1.3 ANALYSE DES VERSUCHSAUFBAUS IM VERGLEICH MIT DER LITERATUR 111
4.1.3.1 ANALYSE DER GEWÄHLTEN BELASTUNGSGRENZEN IM VERGLEICH MIT DER
LITERATUR 111
4.1.3.2 ANALYSE DES 4-PUNKT-BIEGEVERSUCHS UND DER EINBETTUNG IM VERGLEICH
MIT DER LITERATUR 113
4.1.3.3 ANALYSE DES STICHPROBENUMFANGS IM VERGLEICH MIT DER LITERATUR 115
4.1.3.4 ANALYSE DER OSTEODENSITOMETRIE IM VERGLEICH MIT DER LITERATUR 116
4.1.3.5 ANALYSE DER PRÄPARATEART UND DES EINFLUSSES DER KONSERVIER-
UNGSART DER PRÄPARATE IM VERGLEICH MIT DER LITERATUR 117
4.1.3.5.1 SYNTHETISCHES KNOCHENMATERIAL 118
4.1.3.5.2 MENSCHLICHES KNOCHENMATERIAL 119
4.1.3.5.2.1 FRISCHPRÄPARATE 120
4.1.3.5.2.1.1 ALKOHOLFIXIERUNG 120
4.1.3.5.2.1.2 KÄLTEKONSERVIERUNG 123
4.2 INDIKATIONSENTWICKLUNG UND ANFORDERUNGEN FÜR DIE ARTHRODESE MIT
DEM KOMPRESSIONSDRAHT 125
4.3 KRITISCHE BEWERTUNG DER ERGEBNISSE DER VORLIEGENDEN ARBEIT 127
4.4 FOLGERUNG FÜR DIE KLINISCHE PRAXIS 130
4.4.1 PERSPEKTIVE DER PERKUTANEN ARTHRODESE DES FINGERMITTELGELENKES
UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER PRÄPARATION
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8
DER GELENKFLÄCHEN 131
4.4.2 PERSPEKTIVE DES KOMPRESSIONSDRAHTES 133
4.5 ABSCHLIEßENDE BEANTWORTUNG DER ENTWICKELTEN HYPOTHESEN
UND FRAGESTELLUNG 134
4.5.1 PRIMÄRE HYPOTHESEN 134
4.5.1.1 CROSS-OVER-VERSUCHE 134
4.5.1.2 BRUCHVERSUCHE 134
4.5.2 SEKUNDÄRE HYPOTHESEN 135
4.5.2.1 CROSS-OVER-VERSUCHE 135
4.5.2.2 BRUCHVERSUCHE 135
4.5.3 IST DER KOMPRESSIONSDRAHT FÜR DIE ARTHRODESE DES FINGERMITTEL-
GELENKES GEEIGNET? 135
5 ZUSAMMENFASSUNG 136
6 ANHANG 138
7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 153
8 TABELLENVERZEICHNIS 160
9 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 164
10 LITERATUR 166
11 PUBLIKATIONS- UND VORTRAGSLISTE 185
11.1 PUBLIKATIONEN 185
11.2 VORTRÄGE 185
11.3 POSTER 186
12 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG 187
-
9
13 DANKSAGUNG 188
-
10
1 Einleitung
1.1 Allgemeine Einführung
Gegenwärtig steht eine beträchtliche Anzahl an verschiedenen Operationstechniken
zur Arthrodese des proximalen Interphalangealgelenkes (PIP-Gelenk) eines Fingers
zur Verfügung. Diese reichen von der einfachen Fixierung mittels Kirschnerdrähten
und dazu optionalen Drahtcerclagen über die Klammer-, Span- sowie Bolzungs- und
Zuggurtungsarthrodesen bis hin zu den Platten- und Schraubenarthrodesen. Die ge-
nannten Techniken erzielen sämtlich, bei korrekter Indikationsstellung und Ausfüh-
rung, wie in der Literatur gezeigt, gute Ergebnisse. Dennoch hat jedes Verfahren seine
spezifischen Vor- und Nachteile. Gleichzeitig zeigt die Vielfalt verfügbarer und entwi-
ckelter Techniken, dass das optimale Verfahren für die Fingermittelgelenksarthrodese
noch nicht beschrieben wurde [1-3].
Die Definition von Moberg und Henrikson einer gelungenen Arthrodese eines Finger-
gelenks aus dem Jahr 1960 ist die schmerzfreie, stabile, in einer absehbaren Zeit kon-
solidierte Versteifung in guter funktioneller Stellung [4]. Trotz ihrer auch heute noch
unbestreitbaren Relevanz sollten heutzutage obige Kriterien noch um eine maximale
knöcherne Kontaktfläche, Kompression sowie die ausreichende Übungsstabilität für
eine frühfunktionelle Therapie erweitert werden [5-7].
Die Weiterentwicklungen der vergangenen Dekaden hatten das Ziel, Implantate mit
der Möglichkeit einer frühfunktionellen Nachbehandlung bei gleichzeitiger atraumati-
scher und anwenderfreundlicher OP-Technik zu schaffen. Seitz et al. weisen darauf
hin, dass dies im Vergleich zu den bereits guten Konsolidierungsraten der etablierten
Verfahren unter Berücksichtigung ökonomischer Faktoren bewertet werden muss [8-
11]. Weiterhin nicht abschließend beantwortet wurde die Frage, wieviel primäre Kom-
pression und Stabilität für eine zeitgerechte Konsolidierung der Arthrodese notwendig
ist [5,12,13].
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der biomechanischen Testung der Stabilität, genauer
genommen bzw. aus physikalischer Sicht der Steifigkeit, eines neuartigen Implantates
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zur Arthrodese des Fingermittelgelenkes, das alle genannten Anforderungen erfüllen
soll [14]. Dabei handelt es sich um einen Gewindedraht der Firma Königsee Implantate
(Allendorf, Deutschland), dessen gängige Bezeichnung Kompressionsdraht lautet.
Dieser Kompressionsdraht stellt eine Weiterentwicklung des Kirschnerdrahtes dar und
besitzt diesem gegenüber eine Reihe von klinischen und operationstechnischen Vor-
teilen, auf die in einem eigenen Abschnitt dieser Arbeit eingegangen werden soll.
Auch wenn die Arthrodese ein seit Jahrzehnten bewährtes Verfahren in der Therapie
der sie indizierenden Erkrankungen ist, muss betont werden, dass es sich um einen
palliativen Eingriff handelt. Die Indikationsstellung hat durch die exponierte Stellung
der Hand in Arbeit und Beruf, Kommunikation, Ästhetik, Körperpflege sowie Nahrungs-
aufnahme und Freizeitaktivitäten gewissenhaft zu geschehen [15]. Auch deshalb soll-
ten vor der Durchführung einer Arthrodese alle sonstigen konservativen und gegeben-
falls auch operativen Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Trotz Weiterent-
wicklungen sind beispielweise im Bereich des operativen Fingergelenkersatzes die Er-
gebnisse immer noch unbefriedigend und mit hohen Versagensquoten verbunden, so-
dass die Arthrodese weiterhin heute noch, aufgrund der Vielzahl der sie indizierenden
Erkrankungen, einen hohen Stellenwert besitzt [16-18].
1.2 Arthrodese des Fingermittelgelenkes
1.2.1 Indikationen für die Arthrodese des Fingermittelgelenkes
Die Arthrodese ist der letzte Schritt eines Behandlungsstranges der konservativen als
auch operativen Therapie der folgenden Indikationen. Zunächst sollten in Abhängigkeit
von der indizierenden Erkrankung konservative und operative Therapieoptionen wie
die medikamentöse Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), Interleukin-
1-Rezeptorantagonisten (IL-1-Antagonisten), Tumornekrosefaktor-α-Blocker (TNF-α-
Blocker), physikalische Therapie, Schienenbehandlung, Resektionsarthroplastik, En-
doprothesenversorgung oder vaskularisierter Gelenktransfer ausgereizt bzw. zumin-
dest diskutiert werden [8,19-22]. Durch eine Arthrodese in Funktionsstellung kann die
Gesamtfunktionalität der Hand verbessert und die durch die Arthrodese bedingte Be-
wegungseinschränkung unter anderem durch die zurückgewonnene bzw. gesteigerte
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12
Funktionsfähigkeit, Schmerzlinderung und der damit verbundenen besseren Belast-
barkeit kompensiert werden [8,23]. Nur bei intakter Sensibilität oder ausreichender
Restsensibilität des betroffenen Fingers und beweglichen Nachbargelenken sollte die
Arthrodese als OP-Verfahren angewendet werden [3]. Gleichwohl kann es auch Indi-
kationen für primäre Arthrodesen am Unfalltag geben, dies sind akute Traumata, die
mit einem Verlust von Knochensubstanz, Sehnen- oder Weichteilstrukturen oder einer
anderweitig nicht rekonstruierbaren Gelenksdestruktion einhergehen [24]. Der konse-
kutive Bewegungsverlust muss durch die proximalen bzw. distalen Gelenke kompen-
siert werden, also beim Mittelgelenk eines Langfingers folglich durch das Grund- und
Endgelenk [17,25]. Diese Mehrbeanspruchung kann aber die sekundäre Degeneration
in diesen Gelenken begünstigen [26].
Die in der Literatur angegebenen Indikationen für die Arthrodese der
Fingermittelgelenke entsprechen grundsätzlich denen anderer Gelenke, jedoch gibt es
auch einige fingergelenksspezifische Indikationen.
Indikationen für Gelenkversteifungen beinhalten allgemein degenerative, traumatische
oder inflammatorische Veränderungen der Gelenke und der umliegenden Strukturen
mit charakteristischen Folgezuständen wie beispielsweise:
• akute Gelenkverletzungen wie intraartikuläre und oder gelenknahe Frakturen
und dadurch induzierte posttraumatische Arthrosen [27];
• chronische Schmerzzustände bei primären Arthrosen, beispielsweise die für
das Fingermittelgelenk typische Bouchard-Arthrose [6,28];
• Gelenkinstabilitäten nach Verletzungen des Kapsel-Band-Apparates [29];
• chirurgisch nicht rekonstruierbare Defektverletzungen der an der
Gelenkbewegung beteiligten Muskeln und Sehnen [30];
• neurologische Ausfälle durch Läsionen der peripheren Nerven oder zentraler
neuronaler Strukturen und dadurch verursachte Paresen [31];
• kontraindizierte oder gescheiterte Endoprothesenversorgung [26].
Spezielle Indikationen im Bereich der Fingergelenke beinhalten:
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• diverse Arthritiden wie septische Arthritis oder Affektion von Fingergelenken
beim M. Bechterew [32];
• Erkrankungen des rheumatischen Formkreises, unter anderem rheumatoide
Arthritis und dadurch bedingte Knorpelschäden, die Psoriasisarthritis oder der
Lupus erythematodes [5];
• Kontrakturen unterschiedlicher Genese, durch beispielsweise systemische
Sklerose, Morbus Dupuytren in höheren Stadien nach Tubiana, thermische
Verletzungen, Infektionen oder überschießende Narbenformation [33-36];
• hereditäre Deformitäten und Dysplasien [37];
• im Rahmen von Replantationen [38].
Teilweise zeigen diese Erkrankungen eine epidemiologisch durchaus bedeutsame
Prävalenz bzw. Inzidenz in der Gesamtbevölkerung und besitzen damit auch eine nicht
zu vernachlässigende sozioökonomische Relevanz:
• rheumatoide Arthritis: 0,5-1%, die jährlichen Therapiekosten der rheumatoiden
Arthritis belaufen sich in den Vereinigten Staaten auf ca. 9 Milliarden US-Dollar
[39];
• ankolysierende Spondylarthritis: 0,5% [40]:
• Bouchard-Arthrose: 18% [41];
• Osteoarthritis der Hand: ca. 60–70% der über 65-Jährigen [19].
1.2.2 Operative Zugangswege für die Arthrodese des Fingermittelgelenkes
Bei der Arthrodese des Fingermittelgelenkes ist die Wahl des Zugangsweges von Be-
deutung. Der Zugangsweg sollte auf Grundlage folgender Überlegungen gewählt wer-
den:
• größtmögliche Übersicht;
• Protektion des Gefäß-Nerven-Bündels sowie der Extensorensehnen;
• Vermeidung postoperativer Verklebungen [42,43].
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14
Im Falle der Fingermittelgelenksarthrodese ähneln sich alle Zugangswege dahinge-
hend, dass der Zugang stets von dorsal erfolgt. Laterale oder palmare Zugangswege,
wie sie zum Beispiel bei Arthroplastiken oder der Frakturosteosynthese genutzt wer-
den, sind für die Arthrodese nicht beschrieben [44].
Die drei häufigsten in der Literatur beschriebenen Zugangswege zum Fingermittelge-
lenk sind:
• eine longitudinale dorso-mediale Schnittführung [45];
• eine bogenförmige dorsale Schnittführung [46];
• eine dorsale S- oder Z-förmige Schnittführung [1].
Weiterhin werden sporadisch noch H- oder U-förmige Zugänge erwähnt [3,47]. Eine
verfahrensspezifische Zuordnung der verschiedenen Zugangswege besteht nicht, sie
können also in Abhängigkeit von der individuellen Weichteilsituation am zu operieren-
den Finger bzw. entsprechend den Präferenzen des Operateurs gewählt werden.
1.2.3 Präparation der Gelenkflächen
Wie auch für die Arthrodese selbst stehen zur erforderlichen Resektion bzw. Präpara-
tion der Gelenkflächen eine Reihe verschiedener Verfahren zur Auswahl. Außer einer
möglichst übungsstabilen Fixierung sowie Kompression des Arthrodesespaltes durch
die Osteosynthesematerialien in einer funktionalen Stellung ist auch eine maximale
spongiöse Kontaktfläche zwischen den artikulierenden Knochen ein bedeutender Fak-
tor bei der Versteifung eines Gelenkes [48,49]. Auf Präparationstechniken wie die Zap-
fen-Arthrodese, die Step-Cut-Osteotomie sowie Techniken unter Einbringung größerer
Knochenzylinder wird nicht eingegangen, da sie, trotz ihrer hohen intrinsischen biome-
chanischen Stabilität, aufgrund des hohen Zeitaufwandes, der flachen chirurgischen
Lernkurve sowie der Entwicklung der kompressionserzeugenden Arthrodesetechniken
an Bedeutung verloren haben [46,50,51].
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der durch Resektion bedingte Längenverlust des zu
versteifenden Fingers. Leibovic bemisst diesen sogar bei Präparationstechniken, bei
denen nur eine Resektion des Gelenkknorpels sowie des subchondralen Knochens
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15
vorgenommen wird, auf mindestens 0,4 – 0,5 cm [8]. Büchler äußert sich dahingehend,
dass die Anforderungen an die Länge eines zu versteifenden Fingers von drei wesent-
lichen Faktoren abhängen:
• der Anforderung einer funktionell möglichst guten Rekonstruktion, insbeson-
dere im Falle multidigitaler Verletzungen;
• der Größe präformierter Weichteilteildefekte und damit einhergehender Proble-
men beim Wund- bzw. Hautverschluss;
• der Ausprägung von möglichen Verletzungen des Gefäß-Nerven-Bündels [52].
Aus diesen Gründen ist es nicht zwingend erforderlich, die ursprüngliche Länge zu
rekonstruieren, eine exzessive Verkürzung sollte aufgrund der Beeinträchtigung des
funktionellen und ästhetischen Ergebnisses jedoch vermieden werden [52,53]. Pieper
merkt diesbezüglich an, dass viele Patienten zur Wahrung der äußeren Integrität ihrer
Hand eine partielle Funktionseinschränkung akzeptieren würden [54].
Auch wenn das Ziel dieser Studie die Testung des Kompressionsdrahtes als perkutan
applizierbares Implantat verfolgt, soll dennoch auf die drei gängigsten Techniken der
Gelenkpräparationen eingegangen werden, da der Kompressionsdraht auch als Ver-
fahren für die offene Arthrodese in Frage kommt. Die Bedeutung der Gelenkflächen-
präparation bei der perkutanen Arthrodese wird in der Diskussion behandelt.
Präparationstechniken ohne Erhalt der anatomischen Konturen
1.2.3.1.1 Gerade Resektion Die gerade Resektion der Gelenkflächen mit einer dem gewünschten Arthrodesewin-
kel entsprechenden Anschrägung mittels einer oszillierenden Säge wurde bereits von
Bunnell 1948 beschrieben und kommt auch heute noch zur Anwendung, zum Beispiel
bei ausgedehnten ossären Defekten oder Deformitäten, wenn Techniken unter Erhalt
der anatomischen Form nicht in Frage kommen [2,55]. Hierbei werden nach dem dor-
salen Hautschnitt die Gelenkkapsel eröffnet, die Kollateralbänder sowie, falls notwen-
dig, auch die palmare Platte durchtrennt. Anschließend wird mit einer Säge an den
gelenkbildenden Knochen die Knochensubstanz gleichmäßig reseziert, sodass zwei
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ebene Flächen mit möglichst großer Oberfläche an spongiösem Knochen aufeinander
stehen. Bei der Resektion kann so vorgegangen werden, dass entweder an der Grund-
phalanx im entsprechenden Winkel Knochen entfernt, während an der Mittelphalanx
gerade gesägt wird, oder es wird an beiden gelenkbildenden Knochen jeweils die
Hälfte der endgültig angestrebten Gradzahl reseziert, sodass nach dem Zusammenfü-
gen der Knochen die Summe beider Winkel den angestrebten Arthrodesewinkel ergibt
[24,42].
Grundlegender Nachteil dieser Technik ist, dass aufgrund der Resektion der gelenk-
bildenden Knochenanteile eine Verkürzung des zu versteifenden Fingers entsteht
[31,48]. Es muss darauf geachtet werden, dass die Resektion bereits beim ersten Ver-
such im gewünschten Winkel erfolgt, da jede Nachresektion bzw. Korrektur des Flexi-
onswinkels mit einer weiteren Verkürzung einhergeht [8,24]. Weiterhin kann sich die
aus der Resektion resultierende Verkürzung nachteilig auf die postoperative Beweg-
lichkeit der Nachbargelenke auswirken, da der Längenverlust eine Störung des Seh-
nengleichgewichts verursachen kann [56].
Präparationstechniken unter Erhalt der anatomischen Konturen
1.2.3.2.1 Cup-and-Cone-Technik
Die Entwicklung von Verfahren unter Erhalt der anatomischen Konturen, also der Kon-
vexität des proximalen und der Konkavität des distalen Knochenendes, begann mit der
von Carroll et al. beschriebenen Spike-and-Cone-Technik und der ähnlichen Concave-
Convex-Technik von Watson et al. [57,58]. Diese Techniken unterscheiden sich darin,
dass bei der Spike-and-Cone-Variante an der Grundphalanx sowohl Gelenkknorpel,
subchondraler Knochen als auch die Kondylen entfernt werden, um am proximalen
Knochenende anschließend einen abgerundeten Kegel zu formen, während eine der
Form des Kegels entsprechende Konkavität an der Basis der Mittelphalanx geschaffen
wird, die Letzteren, nach dem Zusammenführen beider Knochenenden, aufnimmt. Da-
gegen wird bei der Concave-Convex-Technik lediglich der Gelenkknorpel und der un-
mittelbar darunterliegende subchondrale Knochen abgetragen und alsdann eine kon-
zentrische-konvexe Form unter Erhalt der Kondylen erzeugt. Zur Vermeidung einer
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unnötigen Verkürzung des betreffenden Fingers wird zentral am Scheitelpunkt der er-
zeugten Rundung am wenigsten Knochen abgetragen. Auch an der Mittelphalanx wer-
den ebenfalls nur der Gelenkknorpel und die subchondrale Kortikalis zur Schaffung
einer konkaven Passform reseziert.
McGlynn et al. schlagen vor, zusätzlich noch die Ursprungspunkte der Kollateralbän-
der und die palmaren Anteile der Kondylen zu resezieren sowie die Konkavität an der
Basis der Mittelphalanx tiefer zu gestalten als die Konvexität der Grundphalanx, um
die Einstellung des gewünschten Arthrodesewinkels zu erleichtern [31].
Die beschriebenen Präparationstechniken besitzen eine Reihe von Vorteilen gegen-
über der geraden Resektion:
• simple Einstellung und nachträgliche Veränderbarkeit des angestrebten Arthro-
desewinkels in der Transversalebene sowie der Stellung in der Frontal- und
Sagittalebene [8,31]. Nachteil dieser Beweglichkeit ist jedoch die Gefahr des
Auftretens von Achsenfehlstellungen [53];
• die Schaffung einer größeren spongiösen Knochenoberfläche als bei der gera-
den Resektion, welche für eine rasche knöcherne Konsolidierung nötig ist
[31,58];
• ein geringerer Längenverlust, da lediglich der Gelenkknorpel und der darunter-
liegende subchondrale Knochen entfernt werden [31,58]. In neueren Beschrei-
bungen dieser Technik wird lediglich eine Entknorpelung vorgenommen [24,59].
1.2.3.2.2 Pepper-Pot-Technik Vor dem Hintergrund, dass sämtliche bis dahin beschriebene Präparationstechniken
über verschiedene Nachteile wie
• eine Verkürzung des betroffenen Fingers,
• eine anspruchsvolle und zeitaufwendige Durchführung
• und Problemen, in verschiedenen Arthrodesewinkeln eine maximale knöcherne
Kontaktfläche zu erzielen,
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verfügen, entwickelten Shanker et al. ein weiteres Verfahren. Bei diesem wird lediglich
der Gelenkknorpel an Grund- und Mittelphalanx abgetragen, die geometrische Form
des subchondral gelegenen Knochens aber nicht verändert. Anschließend werden mit
einem Kirschnerdraht mehrere transversale Bohrungen getätigt, um eine Verbindung
zum Markraum zu kreieren. Das aus dem Markraum austretende Hämatom wird im Arthrodesespalt belassen [48]. Lauge-Pedersen et al. konnten im Tiermodell nachwei-
sen, dass durch solche Bohrungen einsickernde Knochenmarkszellen in Kombination
mit einer stabilen Fixierung die knöcherne Durchbauung beschleunigen [60].
Die Autoren sehen dabei folgende Vorteile gegenüber anderen Präparationstechniken:
• eine einfache Anwendung;
• eine große knöcherne Kontaktfläche;
• eine nur minimale Verkürzung;
• eine gute Einstellbarkeit des Arthrodesewinkels mit der Möglichkeit der Korrek-
tur auch noch während der Insertion der Osteosynthesematerialien vor der de-
finitiven Fixierung ohne die Notwendigkeit einer Nachresektion;
• ein Erhalt der anatomischen Kongruenz der Knochenoberflächen.
Kontraindikationen zur Anwendung dieses Verfahrens und auch der anderen nur mit
einer sparsamen Resektion verbundenen Verfahren sind mit einem Verlust der anato-
mischen konkav-konvexen Form des Fingermittelgelenkes einhergehende Deformitä-
ten oder traumatische Gelenkzerstörung mit ausgeprägtem Verlust von Knochensub-
stanz [2,48].
Abschließend muss erwähnt werden, dass bei sämtlichen Präparationstechniken keine
verfahrensspezifische Zuordnung zu bestimmten Arthrodesetechniken besteht. Die
meisten Autoren heben diesbezüglich hervor, dass die Präparation nach der vom Ope-
rateur bevorzugten Methode erfolgen soll [28,61].
1.2.4 Arthrodesewinkel Die Wahl des Arthrodesewinkels des Fingermittelgelenkes wird in der Literatur kontro-
vers diskutiert. Beeinflusst wird er von:
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• dem betroffenen Finger und seiner funktionalen Position bei Fein- oder Grob-
griff;
• den anatomischen Voraussetzungen, wie dem Verhältnis der Länge des Dau-
mens zu den Langfingern;
• der Ruheposition des Gelenkes sowie der Beweglichkeit der benachbarten Ge-
lenke bei Flexion bzw. Extension;
• der Streckfähigkeit der MCP- und DIP-Gelenke;
• den individuellen Bedürfnissen bei beruflichen oder rekreativen Tätigkeiten des
Behandelten;
• den ästhetischen Ansprüchen bzw. Wünschen des Behandelten.
Generell nimmt der Arthrodesewinkel des PIP-Gelenkes, welches stets in Beugestel-
lung versteift wird, von radial nach ulnar um ca. 5 – 10° pro Fingerstrahl zu [56].
Die Versteifung sollte in Funktionsstellung erfolgen, die wiederum von obigen Punkten
abhängig ist. Pieper beschreibt die Funktionsstellung eines Fingers und seiner Ge-
lenke so, dass er bei Fein- und Grobgriff seine anatomischen Funktion erfüllt, ohne die
der übrigen Finger einzuschränken. Grundsätzliche Voraussetzung ist, dass der Finger
in eine Flexionsstellung gebracht werden kann, sodass er mit dem Daumen opponiert
[54]. Andere Autoren definieren eine solche funktionale Position dagegen als jene Stel-
lung, die die Fingergelenke bei entspannten Muskeln einnehmen [24,62]. Zur Ermitt-
lung des individuell präferierten Arthrodesewinkels schlägt zum Beispiel Leibovic
präoperativ die Testung mit Fingerorthesen verschiedener Winkel durch den Patienten
vor, um den Entscheidungsfindungsprozess zu erleichtern [42].
Die untenstehende Tabelle zeigt einen Überblick über einige in der Literatur empfoh-
lene Arthrodesewinkel des PIP-Gelenkes. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich
in zahlreichen Publikationen keine Angaben bezüglich der Arthrodesewinkel befinden
oder lediglich angegeben wird, dass die Arthrodese in einem geeigneten bzw. ange-
strebten Winkel durchgeführt wurde.
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20
Tabelle 1: Übersicht über die in der Literatur für das PIP-Gelenk angegebenen Arthrodesewinkel der Finger II-V. Aus Vonderlind et al. [63].
Autor/en und Jahr Arthrodesewinkel PIP-Gelenk [°]
D 2 D 3 D 4 D 5 Uhl und Schneider, 1992 [64] 30 - 40 35 - 45 40 - 50 45 - 55
Bishop, 1993 [28] 40 - 55
Divelbiss und Baratz, 1999 [24] 40 45 50 55
Martini, 2004 [40] 20 - 40
Leibovic, 2007 [42] 15 - 30 30 - 45
Towfigh et al., 2011 [65] 40 45 50 55
Daecke, 2015 [66] 40 45 50 55
Murray, 2017 [67] 30-40 50-60
Wie der Tabelle zu entnehmen ist, variieren die vorgeschlagenen Arthrodesewinkel
teilweise erheblich. Pieper gibt jedoch zu bedenken, dass der Grad der Flexion so
gering wie möglich gehalten werden sollte, um bei geöffneter Hand ein eventuell be-
hinderndes Vorstehen des jeweiligen Fingers zu vermeiden [54].
Woodworth et al. untersuchten an gesunden Probanden den Einfluss einer simulierten
Versteifung der PIP-Gelenke aller vier Langfinger bei einem Arthrodesewinkel von 40°,
deren Kompensation durch die Fingergrund- oder Metacarpophalangealgelenke
(MCP-Gelenk) sowie die Auswirkungen der Arthrodese auf die Anforderungen des All-
tags. Hierbei zeigten sich weder bei der Durchführung des Jebsen Hand Function
Tests (JHFT) noch in der Flexions- bzw. Abduktionsfähigkeit der MCP-Gelenke bei
Tätigkeiten unter Einsatz des Grobgriffs statistisch signifikante Unterschiede zwischen
der Versuchs- und Kontrollgruppe. Der mit einer erhöhten Flexion des PIP-Gelenkes
verbundene Feingriff war dagegen mit einem größeren Grad der Flexion der MCP-
Gelenke assoziiert und wurde von den Probanden auch subjektiv als anspruchsvoller
beschrieben [25].
Eine ähnliche Beeinträchtigung des Feingriffs beschreiben auch Domalain et al. in ei-
ner Studie, in der die Fingermittelgelenksarthrodese des Zeigefingers ebenfalls mittels
-
21
Schienen simuliert wurde, und kommen dabei zu dem Urteil, dass ein Arthrodesewin-
kel von 40 - 50° am ehesten der natürlichen Stellung des PIP-Gelenkes während des
Feingriffs entspricht, andererseits jedoch mit einer Reduktion der Handöffnung und der
Feingriffspräzision verbunden ist [17].
1.2.5 Arthrodesetechniken am Fingermittelgelenk Das Ziel einer Arthrodese definierten Moberg und Henrikson, wie einleitend bereits
erwähnt, als eine in einem vertrebaren Zeitraum erlangte schmerzfreie und stabile Ver-
steifung in einer funktionalen Position [4].
Derzeit stehen eine Vielzahl verschiedener Operationsverfahren zur Fingermittelge-
lenksarthrodese zur Verfügung, mit denen sich bei korrekter Indikationsstellung,
Durchführung und entsprechender Nachbehandlung gute bis sehr gute funktionelle
Resultate erreichen lassen. In der Literatur werden verfahrensunabhängig Konsolidie-
rungsraten von 80 - 100 % angegeben (vgl. Tabelle 21 im Anhang) [8,11]. Dennoch ist
ein Vergleich verschiedener Operationstechniken auf der Grundlage der vorhandenen
klinischen Studien durch verschiedene Indikationen, inhomogene Patientenkollektive,
die angewandten Beurteilungskriterien sowie Follow-up-Zeiträume bzw. -Intervalle nur
eingeschränkt möglich [3,6].
Die unterschiedlichen Operationstechniken zur Fingergelenksarthrodese besitzen
spezifische Vor- und Nachteile, unter anderem in Hinblick auf:
• die Konsolidierungs- und Komplikationsrate;
• die Komplexität und Diffizilität des Operationsverfahrens;
• die geeignete Indikation;
• die Präparation der Gelenkflächen, inklusive eventueller Verkürzung der proxi-
malen und distalen Phalanx durch Resektion der Gelenkflächen.
Wie bei allen operativen Eingriffen ist auch die Fingergelenksarthrodese mit möglichen
Komplikationen vergesellschaftet. Hierbei kann zwischen allgemeinen Komplikationen
-
22
und spezifischen Komplikationen der verschiedenen Operationsverfahren unterschie-
den werden. Allgemeine Komplikationen sind beispielsweise Wundheilungsstörungen
bis hin zur Osteomyelitis und dadurch bedingte Lockerung der Implantatmaterialien,
verzögerte knöcherne Durchbauung, Weichteilirritation und -nekrosen durch Implan-
tatmaterialien oder Hämatome [3,56]. Auf die spezifischen Komplikationen wird im
Rahmen der Beschreibung der verschiedenen Verfahren eingegangen.
Die für die jeweilige Indikation geeignete Arthrodesetechnik wird zunächst davon be-
stimmt, ob eine primäre oder sekundäre Arthrodese vorgenommen werden soll. Bei
primären Arthrodesen sind vor allem die Begleitverletzungen an Weich- und Knochen-
strukturen zu bedenken. Bei sekundären Arthrodesen sind die Knochenqualität, die
Beschaffenheit des Weichteilmantels, das zu versteifende Gelenk sowie die zugrun-
deliegende Indikation die Verfahrensauswahl zu beachten [8,9,56]. Divelbiss und Ba-
ratz empfehlen, die primären Arthrodese bei einem Trauma eher zu vermeiden und
diese erst bei Auftreten einer sekundären Arthrose und anderer posttraumatischer Fol-
gezustände durchzuführen [24].
Grundsätzlich erscheint eine Unterscheidung der verschiedenen Techniken zur Arth-
rodese der Fingergelenke in solche mit und ohne Kompression sinnvoll. Kompression
bedeutet dabei, dass die gelenkbildenden Knochen auf verschiedenste Weisen anei-
nander gepresst werden, wodurch, wie auch durch die stabile Fixierung, anerkannter-
maßen die knöcherne Durchbauung beschleunigt werden kann [42].
Arthrodesetechniken ohne Kompression
Auf die früher gängigen Verfahren ohne Kompression soll nur kurz eingegangen wer-
den, da sie seit der Erstbeschreibung der Relevanz der Kompression im Rahmen der
Frakturheilung durch Chamley sowie der interfragmentären Kompression für operative
Versteifungen der Fingergelenke, der dadurch bedingten Entwicklung kompressions-
erzeugender Operationsverfahren bzw. Osteosynthesematerialien an Stellenwert ein-
gebüßt haben – wenngleich auch für Operationsverfahren ohne Kompression hohe
Konsolidierungsraten beschrieben sind. [8,68,69].
Beispielhaft für Operationstechniken ohne Kompression seien hier genannt:
-
23
• die Versteifung mit einem einzelnen oder mehreren Kirschnerdrähten;
• Span- und Bolzungsarthrodesen, welche optional mit Kirschnerdrähten kombi-
niert werden können. Mit Hilfe des Knocheninterponats kann dabei zum einen
die Förderung der knöchernen Durchbauung und zum anderen, in Abhängigkeit
von seiner geometrischen Form, auch die Erhöhung der Rotationsstabilität er-
zielt werden [4,54,70].
Diese Verfahren weisen folgende Vorteile auf:
• eine unkomplizierte Durchführung und Einsetzbarkeit bei mit einer fortschrei-
tenden Gelenkdestruktion einhergehenden Pathologien oder pathologisch ver-
minderter Knochendichte [8,23,24,56];
• eine gute Anwendbarkeit bei primären Arthrodesen im Rahmen akuter Trau-
mata und Replantationen [3].
Die wesentlichen Nachteile sind dabei:
• Die niedrige biomechanische Belastbarkeit sowie langsame knöcherne Konso-
lidierung erfordern eine längere postoperative Ruhigstellung [28,45,56].
• Weiterhin kann die lange postoperative Ruhigstellung zu einer Bewegungs- und
Funktionseinschränkung der angrenzenden Gelenke führen [8,9,23,64]. Adams
et al. beschreiben dies vor allem bei Mehrfachverletzungen an einer Extremität
als nachteilig [71]. Trotzdem gibt es auch Autoren, die angeben, bei bestimmten
Indikationen auch bei alleiniger Kirschnerdrahtfixierung auf eine postoperative
Ruhigstellung verzichtet zu haben [31].
• Eine geringe Rotationsstabilität bei Verwendung eines einzelnen Drahtes, wäh-
rend das Kombinieren von zwei oder mehreren Kirschnerdrähten das Risiko
birgt, dass es zur Distraktion der einander zu fixierenden Knochenenden kommt
und so eine knöcherne Durchbauung verhindert wird [3,8,72]. Deshalb sollte die
Implantation immer bei manueller Vorkompression der zu versteifenden bzw.
aneinander zu fixierenden Knochen durchgeführt werden [62,73].
• Das Auftreten von Reizungen des Weichteilmantels durch das Knochenniveau
überragende, scharfkantige Drahtenden [8,72].
-
24
• Die Gefahr der Lockerung, Dislokation und Auswanderung des Drahtes durch
unzureichenden kortikalen Halt [72].
• Eine zusätzliche Operationsmortalität an der Entnahmestelle für das Knochen-
interponat, sofern dieses nicht, wie von Potenza vorgeschlagen, aus der Grund-
phalanx entnommen wird, wobei auch hierfür der Zugang deutlich vergrößert
werden muss [46,54,70].
Arthrodesetechniken mit Kompression
Die grundlegende Überlegenheit der Kompressionsarthrodesen ist unter anderem:
• eine schnellere knöcherne Konsolidierung, dadurch frühere Belastbarkeit und,
im Falle Berufstätiger, zügigere Rückkehr an den Arbeitsplatz durch überlegene
Stabilität und Kompression [10,28,56];
• eine zum Teil, multifaktoriell beeinflusste, unmittelbar postoperativ gegebene
Übungsstabilität mit nur kurzer oder ohne Notwendigkeit einer postoperativen
Ruhigstellung und damit geringe Beeinträchtigung der angrenzenden Gelenke
[8,56,74].
Zu den Kompressionsarthrodesen zählen:
• Draht- und Fadenzuggurtungsarthrodesen;
• Schraubenarthrodesen;
• Plattenarthrodesen;
• Arthrodese mittels externer Fixatoren;
• intraossäre Drahtnähte mit oder ohne Antirotationsdrähten.
1.2.5.2.1 Zuggurtungsarthrodese Die Zuggurtungsarthrodese ist eines der Standardverfahren zur operativen Versteifung
der Fingergelenke [11,75]. Benötigt werden hierfür zwei Kirschnerdrähte sowie ein
Cerclagedraht, der wahlweise in Form einer einfachen Schlaufe oder in 8er-Konfigu-
-
25
ration eingesetzt werden kann [64,76,77]. Das biomechanische Prinzip ist die Absorp-
tion und Transformation von Zug- bzw. Distraktionskräften in Druck- bzw. Kompressi-
onskräfte, welche von der Kontaktfläche zwischen Grund- und Mittelglied aufgenom-
men werden [78]. Anatomisch-biomechanische Voraussetzung – und damit die An-
wendung limitierend – ist jedoch, dass am Fingermittelgelenk, aber auch den anderen
Anwendungsbereichen der Zuggurtungsosteosynthese, die Flexions- die Extensions-
kräfte übersteigen [64,79]. Dieses Ungleichgewicht führt am Fingermittelgelenk dazu,
dass die stärkere Flexionskraft eine dorsalseitige Distraktionskraft bewirkt, die die Kno-
chenenden auseinanderzieht, wodurch palmar eine Kompressionskraft entsteht [76].
Die beiden Kirschnerdrähte werden dorso-palmar der Längsachse folgend in das Köpf-
chen der Grundphalanx durch den Schaft der Mittelphalanx eingebracht. Hierbei ist
wichtig, dass eine stabile Verankerung in der palmaren Kortikalis erreicht wird, ohne
diese zu penetrieren, und ein paralleler Verlauf der beiden Drähte beachtet wird, um
eine maximale Kompression sowie Rotationsstabilität zu erzielen [8,10,76]. Von der
Anwendung sich kreuzender anstatt paralleler Kirschnerdrähte rät Leibovic aufgrund
der geringeren Rotationsstabilität und der bereits beschriebenen Gefahr einer Kno-
chendistraktion ausdrücklich ab [8].
Anschließend wird durch eine transversale Bohrung an der Mittelphalanx der Cercla-
gedraht gefädelt, um die Enden der Kirschnerdrähte gelegt und verdrillt, bis eine aus-
reichende Kompression erzeugt ist. Die Funktion des Cerclagedrahtes besteht in der
Neutralisation bzw. Absorption der Distraktionskräfte der Flexoren und deren Um-
wandlung in Kompressionskräfte [10,76,79]. Wie bereits erwähnt, kann der Cerclage-
draht als einzelne Schlaufe oder als Doppelschlaufe wie eine Acht um den Knochen
gelegt werden. Uhl und Schneider merken an, dass die in Form einer Acht gelegte
Cerclage eine ausgeglichener verteilte und höhere dorsalseitige Kompression erzeugt,
aber ein höheres Risiko für Reizungen der dorsalen Weichteile birgt und deshalb eine
einfache Schlaufe verwendet werden sollte [64]. Es ist jedoch darauf hinzuweisen,
dass sowohl Uhl in einer späteren Publikation als auch in weiteren Publikationen an-
derer Autoren zur Drahtzuggurtungarthrodese ausnahmslos von der Verwendung ei-
ner 8er-Form berichtet wird [10,78,80].
-
26
Vorteile der Zuggurtungsarthrodese sind:
• erprobtes, verlässliches und in vielen Studien etabliertes Verfahren [8,10];
• hohe Stabilität – auch in der Rotationsebene – und hohe Durchbauungsraten
sowie rasche knöcherne Konsolidierung bei früher Belastbarkeit mit nur kurzer
oder ohne Notwendigkeit einer postoperativen Ruhigstellung [76,80,81];
• Eine kosteneffektive sowie schnelle als auch einfache Durchführbarkeit [10,78].
Uhl und Schneider geben jedoch trotzdem zu bedenken, dass das parallele Ein-
bringen der beiden Kirschnerdrähte und deren feste Verankerung in der palma-
ren Kortikalis anspruchsvoll ist, da jede Neuplatzierung mit einer weiteren Schä-
digung des Knochens verbunden ist und auch Ijsselstein et al. beschreiben die
Zuggurtungsarthrodese als eher zeitaufwendiges und mit einer größeren zu-
sätzlichen Gewebetraumatisierung verbundenes Verfahren [64,80]. Weiterhin
merken Bleyer et al. an, dass, auch wenn die Materialkosten gering sind, beim
Vergleich mit den Kosten anderer Verfahren auch die mit einem Zweiteingriff
zur Materialentfernung verbundenen Kosten berücksichtig werden müssen,
was die Kosteneffektivität der Zuggurtung schmälert [11];
• Einsetzbarkeit bei pathologisch reduziertem Kalkksalzgehalt des Knochens, bei
sekundärer Arthrodese nach frustraner Endoprothesenversorgung, Pseudarth-
rosen oder Weichteildefekten, wenn andere Verfahren kontraindiziert sind
[3,16]. Allende und Engelem beschreiben dagegen gerade die schwere Osteo-
porose sowie traumatische Gelenkzerstörung als Kontraindikationen für die
Zuggurtungsarthrodese und auch Martin beschreibt das Risiko des Cutting-out
des Cerclagedrahtes beim Festziehen als mögliche Komplikation [56,79].
Mögliche Nachteile sowie Komplikationen sind:
• eine Schädigung bzw. Irritation des Tractus intermedius und des Hautmantels
durch die Drahtschlinge oder die Antirotationsdrähte mit daraus resultierenden
Bewegungseinschränkungen der Nachbargelenke [3,23,76];
• bei versehentlichem Durchbohren der palmaren Kortikalis der Mittelphalanx und
einem Hervorstehen der Kirschnerdrähte kann es zu Irritationen der Beugeseh-
nen kommen, was in der Folge eine vorzeitige Materialentfernung notwendig
machen kann [10,76];
-
27
• eine Materialentfernung ist nicht als generell notwendig beschrieben, wird aber
von Ijsselstein et al. zumindest für jüngere Patienten empfohlen [11,80]. Mittel-
meier et al. schlagen zur unkomplizierteren und gewebeschonenderen Materi-
alentfernung die Zuggurtung mittels resorbierbarer PDS-Fäden vor, sodass le-
diglich die beiden Kirschnerdrähte entfernt werden müssen [59,82].
Trotz der hier aufgeführten Nachteile merken Ijsselstein et al. an, dass diese deutlich
durch ihre Vorteile aufgewogen werden [80].
1.2.5.2.2 Schraubenarthrodese Für dieses Arthrodeseverfahren stehen eine Reihe verschiedener Schraubenmodelle
zur Verfügung. So ist es möglich, Spongiosa-, Kortikalis-, Zug- oder auch unterschied-
liche Modelle kopfloser Kompressionsschrauben einzusetzen, jedoch wird in Abhän-
gigkeit vom verwendeten Schraubentyp unter Umständen spezielles Instrumentarium
für die Implantation benötigt [11,42,83]. Die Auswahl des Schraubentyps, deren Länge
und Durchmesser werden durch die Dimension und vor allem den Durchmesser von
Grund- und Mittelglied vorgegeben [2,56]. Auch Technik und Ebene der Schraubenim-
plantation sind verschieden. Es sind dorsal-antregrade, dorso-palmare sowie radio-
ulnare bzw. ulna-radiale Insertionsrichtungen möglich [2,5,51].
Aufgrund eines technisch hohen Schwierigkeitsgrades ist eine entsprechend gründli-
che Vorbereitung und akkurate Durchführung nötig, um die Vorteile der Schrauben-
arthrodese zu nutzen [8,11,83]. Besonders der Insertionspunkt muss dabei weit genug
vom Arthrodesespalt entfernt liegen, damit eine gelenkwärts gerichtete Frakturierung
der dorsalen Knochenbrücke vermieden wird [5,12,84]. Weiterhin erfordert beispiels-
weise die Herbert-Schraube das Vorbohren des Bohrkanals mittels Kirschnerdrähten
und spezieller Bohrer zunehmenden Durchmessers. Auch der vollständigen Versen-
kung des proximalen Gewindes bzw. bei anderen Schraubenmodellen des Schrau-
benkopfes muss besondere Beachtung geschenkt werden, um Weichteilirritationen
vorzubeugen. Hierfür muss das dorsale Eintrittsloch der Schraube gegebenenfalls ma-
nuell entsprechend erweitert werden [5,12]. Der Schraubendurchmesser sollte unter
Berücksichtigung des Durchmessers des Markraumes, beispielsweise anhand von
-
28
präoperativen Röntgenbildern, gewählt werden. Ist dieser zu gering, besteht die Ge-
fahr, dass das Gewinde keine ausreichende distale Verankerung erzielt, während ein
zu großer mit einem erhöhten Risiko einer Schädigung des Knochens verbunden ist
[3,42,71]. Ein zu gering gewählter Schraubendurchmesser kann gerade bei mit einer
Erweiterung der Markhöhle vergesellschafteten Pathologien bereits in der frühposto-
perativen Phase zu Instabilitäten führen. [69].
Werden diese operationstechnischen Besonderheiten berücksichtigt, ist die Schrau-
benarthrodese ein zuverlässiges Verfahren, das sich auszeichnet durch:
• eine hohe Kompression des Arthrodesespaltes sowie hohe Stabilität [2,56];
• eine kurze Konsolidierungszeit und hohe Durchbauungsraten [12,56];
• eine sofortige Bewegunsstabilität ohne Notwendigkeit einer postoperativen Ru-
higstellung, trotzdem beschreiben viele Autoren zumindest für den unmittelbar
postoperativen Zeitraum eine Ruhigstellung [42,73,85];
• die Möglichkeit der finalen Einstellung bzw. Korrektur in der Rotationsebene
auch nach erfolgter dorso-antegrader Schraubeninsertion [42,83];
• keine generelle Notwendigkeit einer Materialentfernung [83,85,86].
Als Nachteile der Schraubenarthrodese sind beschrieben:
• Ist die Distanz zwischen dem Arthrodesespalt und dem Punkt der Schraube-
ninsertion zu gering, kann es beim Einbringen der Schraube zu einem Richtung
Arthrodesespalt verlaufendem Bruch des Knochens kommen [5,12,56];
• die Gefahr von Problemen beim Hautverschluss, Weichteilirritationen oder -nek-
rosen bei unvollständiger Versenkung des Schraubenkopfes bzw. des proxima-
len Gewindes bei kopflosen Kompressionsschrauben und vorbestehender
Schädigung des Weichteilmantels [3,42,56];
• ein geringer Spielraum für Korrekturen bei Fehlplatzierung und, je nach Inserti-
onsrichtung, auch von Rotationsfehlstellungen der Schraube [5,72,83];
• Eine sichere Schraubenverankerung kann bei reduzierter Knochendichte, ge-
schädigter kortikaler Integrität, langstreckigen ossären Defektzonen, Revisions-
eingriffen nach Endoprothesenimplantation oder Pseudarthrosen erschwert
bzw. nicht möglich sein [12,56,83];
-
29
• keine Eignung bei bereits bestehender Infektion aufgrund der für die Implanta-
tion nötigen großflächigen Eröffnung des Markraumes sowie der Gefahr der os-
teolytischen Schraubenlockerung [56,83];
• eine schwierige Implantation bei flachem Arthrodesewinkel [56,83];
• im Vergleich mit anderen Verfahren hohe Materialkosten [11].
Bezüglich des Schwierigkeitsgrades der Operation finden sich in der Literatur verschie-
dene Einschätzungen, wobei hierbei berücksichtigt werden muss, dass diese auch auf
die unterschiedlichen verwendeten Schraubenmodelle und Insertionsebenen zurück-
zuführen sein können [2,12,83].
1.2.5.2.3 Dorsale Plattenarthrodese Auch bei der Arthrodese mittels Aufbringung einer dorsalen Platte ist der Einsatz un-
terschiedlicher Plattentypen beschrieben [52,74].
Vorteile der Arthrodese mittels einer dorsal fixierten Platte sind:
• schnelle und hohe Konsoliderungsraten bei direkt postoperativ gegebener Be-
wegungsstabilität, auch eine postoperative Ruhigstellung ist nicht zwingend er-
forderlich [52,72,74];
• eine gute Eignung bei langstreckigen ossären Defektzonen in Kombination mit,
in ihrer Länge in Abhängigkeit von der Defektlänge gewählten, autologen oder
homologen Knochentransplantaten [12,52];
• Büchler und Aiken sowie Leibovic beschreiben eine gute Eignung zur primären
Arthrodese im Rahmen von Komplexverletzungen mit begleitendem Gewebe-
verlust – Towfigh et al. sehen jedoch gerade diese als Kontraindikation
[52,65,72]. Die Plattenarthrodese kann jedoch auch zur sekundären Arthrodese
bei Pseudarthrosen oder nach misslungener Endoprothesenimplantation einge-
setzt werden [8];
• ein geringerer Längenverlust der gelenkbildenden Knochen, vor allem bei Kom-
bination mit autologem oder homologem Knochenmaterial, wodurch eine
Strecksehnenraffung häufig nicht erforderlich ist [52]; • die Möglichkeit einer winkelstabilen Schraubenverankerung bei neueren Plat-
tenmodellen [87].
-
30
Zu den Nachteilen der Plattenarthrodesen gehören:
• Die Durchführung ist technisch anspruchsvoll und zeitaufwendig [2,72];
• Weichteilkomplikationen in Form einer Schädigung des Hautmantels oder des
Strecksehnenmittelzügels mit resultierenden Streckdefiziten können durch die
oberflächig-subkutane Plattenlage verursacht werden. Dies kann einen Zweit-
eingriff zur Materialentfernung notwendig machen, obwohl diese nicht grund-
sätzlich vorgesehen ist;
• eine Irritation benachbarter Gelenke, im Falle einer Arthrodese des PIP-Gelen-
kes ist dies hauptsächlich für das DIP-Gelenk beschrieben [52,74];
• eine geringe Stabilität gegenüber Extensionsbelastungen bei dorsaler Platten-
lage.
1.2.5.2.4 Arthrodese mit Fixateur externe Nachdem sich Verfahren der externen Fixation in der Frakturosteosynthese der langen
Röhrenknochen und der Arthrodese derer Gelenke bewährt hatten, wurde diese Tech-
nik auf die kleinen Röhrenknochen und Gelenke des Handskeletts übertragen
[9,68,88]. Auch für die Fingerknochen stehen verschiedene Fixateursysteme zur Ver-
fügung. Die Konsolidierungszeiten und -quoten unterscheiden sich dabei nicht von de-
nen anderer Techniken. [28]. Beispiele sind Kleinknochen-Fixateur externe, wie sie
beispielsweise von Seitz et al., Leonard et al. oder Bishop beschrieben werden, oder
verschiedenene, auf Kirschnerdrähten basierende Systeme, die auf vielfältige Weisen,
beispielsweise mit Gummibändern oder Verdrillung, aneinander fixiert werden können,
um kompressionserzeugende Konstrukte zu schaffen [1,9,28]. Beispielhaft seien hier
die Arbeiten von Braun und Rhoades, Wexler et al., Hoffmann und Rossak sowie
Watson et al. genannt [88-91].
Vorteile der externen Fixatoren gegenüber anderen Verfahren sind zum Beispiel:
• simple Durchführung [89,92];
• Variabilität der erzeugten Kompression und in Abhängigkeit vom verwendeten
System die Möglichkeit eines späteren Nachjustierens [9,28];
-
31
• eine gute Anwendbarkeit bei höhergradigen offenen Frakturen gemäß der Klas-
sifikation nach Anderson und Gustillo sowie Knochen- und Gelenkinfektionen
oder Reoperationen nach gescheiterter Arthrodese mittels anderer Verfahren
[9,28,61];
• die Möglichkeit der schrittweisen und mehrzeitigen Behandlung bzw. Wieder-
herstellung verschiedener Gewebe bei Komplexverletzungen, wenn andere
Verfahren kontraindiziert sind, da keine Osteosynthesematerialien in den ei-
gentlichen Defekt eingebracht werden [28,92]; • eine besondere Eignung bei Patienten mit systemischen Grunderkrankungen
und einem damit verbundenen erhöhten Risiko von Wundheilungsstörungen
[61,93]; • die Möglichkeit des Ausgleichs von Längenverlust und Achsfehlstellungen – so-
gar noch nach Insertion der Pins [89,94]; • eine hohe biomechanische Stabilität ohne die Notwendigkeit einer Ruhigstel-
lung, sofortige Übungsstabilität und Erhalt der Beweglichkeit der angrenzenden
Gelenke [28,89]; • gewebeschonender als andere Techniken aufgrund minimalinvasiver Applika-
tion sowie unkomplizierte, ambulant durchführbare Materialentfernung
[89,92,95]; • Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten in der Anwendung bezüglich der An-
zahl der eingesetzten Pins, des Pindurchmessers sowie deren Abstand vonei-
nander und zum Arthrodesespalt [28,92]; • ein geringes Risiko von Strecksehnenverletzungen bzw. irritationen [9];
• je nach Art des gewählten Fixateursystems geringe Kosten [28,92]. Mögliche Nachteile des Fixateurs sind dagegen:
• Aufgrund der Größe und der damit einhergehenden Einschränkungen für den
Patienten bedarf der Einsatz des Fixateur externe einer sorgfältigen Indikati-
onsstellung und Patientenauswahl sowie deren Schulung in der Pflege des Fi-
xateurs [9,28,61,92]. Trotzdem wird die Akzeptanz des Fixateurs bei den Pati-
enten als hoch beschrieben [9,89]. In unkomplizierten Fällen sollte dennoch
vom Einsatz eines Fixateur zur Arthrodese abgesehen werden [28];
-
32
• Irritation benachbarter Finger bei radial- und ulnarseitig zu platzierenden Fixa-
teuren [28];
• die Gefahr von Verletzungen von Sehnen und neurovaskulären Strukturen bei
der Pinimplantation [9,28,92];
• Infektionen, da eine direkte Verbindung zwischen Umwelt und Knochen besteht
[92]. Bei gewebeschonender OP-Technik und regelmäßiger antiseptischer Pin-
pflege gilt das Infektionsrisiko dagegen als niedrig [9,88];
• Lockerung oder Brechen der Pins [92].
1.2.6 Die intraossäre Drahtnaht Die erste Beschreibung der intraossären Drahtnaht wird D. C. Robertson in einem Ar-
tikel im Canadian Journal of Surgery vom Oktober 1964 zugeschrieben [45]. Robertson
bemerkte, dass
• Arthrodesen der Interphalangealgelenke häufig sehr schlecht durchgeführt wur-
den,
• es hohe Misserfolgsraten gab und
• das postoperative Ergebnis oft noch schlechter war als der präoperative Zu-
stand.
Die Hauptkritikpunkte Robertsons an den damals verwendeten Verfahren waren:
• häufige Entwicklung einer postoperativen Arthritis aufgrund ausbleibender knö-
cherner Konsolidierung;
• Weichteildefekte bis hin zur Atrophie durch eingebrachtes Implantatmaterial;
• Versteifung in ungünstigem Winkel aufgrund nicht sorgfältig durchgeführter Re-
sektion der Gelenkflächen oder mangelhafter Fixierung.
Aus diesen Gründen entwickelte er ein neues Arthrodeseverfahren, mit dem er
64 Interphalangealgelenke, die meisten davon distale und proximale, an 52 Patienten
erfolgreich versteifte. Die Hauptindikationen waren dabei Beuge- und Strecksehnen-
defekte sowie posttraumatische Arthritiden.
-
33
Robertson sah vor allem in zwei Schritten die Schlüssel zum Erzielen einer stabilen
Arthrodese:
• eine adäquate dorsale Darstellung des Operationssitus und
• die präzise, passgenaue Resektion der Gelenkflächen im gewünschten Winkel.
Für den Einsatz einer Cerclage entschied er sich, da die Fixierung mittels gekreuzter
Kirschnerdrähte seiner Erfahrung nach zwei entscheidende Nachteile besaß:
• nur einseitige Rotationsstabilität;
• fehlende Kompression.
Zum Einbringen der Cerclage wurden zunächst jeweils zwei vertikale Kanäle in die
beiden artikulierenden Knochen gebohrt, anschließend die Cerclagedrähte durchgefä-
delt und die Enden dorsal verdrillt, wodurch die, die knöcherne Durchbauung för-
dernde, Kompression erzielt wurde. Anschließend wurden die verdrillten Drähte nach
lateral umgebogen, um Irritationen des Strecksehnenapparates vorzubeugen. Posto-
perativ empfahl er die Ruhigstellung des operierten Fingers für sechs Wochen.
Da sich in seinem Patientenkollektiv im Bereich des geplanten Hautschnittes häufig
ausgedehnte Narben befanden, welche er zunächst exzidierte und anschließend mit
Spalthaut deckte, modifizierte Robertson seine Technik, um einer Schädigung des
Spalthauttransplantates durch das Implantatmaterial vorzubeugen. Es resultierte die
heute gebräuchlichen Variante, bei der lediglich jeweils ein transversaler Kanal in die
artikulierenden Knochen gebohrt wird, durch die dann der Cerclagedraht gefädelt wer-
den kann. Auch auf diese Weise konnte Robertson noch eine ausreichende Fixierung
erreichen, wenngleich diese aber nicht der der zwei vertikalen Drahtschlaufen ent-
sprach. Eine Erwähnung des Einsatzes eines Kirschnerdrahtes zur Erhöhung der Ro-
tationsstabilität findet sich jedoch nicht.
Aufgrund der schon angesprochenen hohen Fehlschlagsrate mit verschiedenen ande-
ren Arthrodeseverfahren sprach Robertson abschließend eine Empfehlung für seine
neuentwickelte Technik aus, da diese
-
34
• präzise und
• anwenderfreundlich ist sowie
• exzellente Operationsergebnisse
liefert [47].
1978 beschrieb Graham Lister die Anwendung zweier verschiedener Konfigurationen
der intraossären Drahtnaht im Rahmen einer umfangreichen Studie zur Frakturosteo-
synthese und Arthrodese der Fingerknochen und -gelenke [45]:
• Typ A: für die Arthrodese, im Rahmen von Replantationen, und zur Osteosyn-
these diaphysärer und transversaler metaphysärer Frakturen. Hierbei wurde
eine transversale, zum Gelenk- bzw. Frakturspalt parallel verlaufende, Bohrung
durchgeführt, durch die anschließend der Cerclagedraht gefädelt und auf Höhe
des Gelenk- oder Frakturspaltes verdrillt wurde. Zur Erhöhung der axialen und
Rotationsstabilität sowie der Übungsstabilität wurde ein schräger oder longitu-
dinaler Kirschnerdraht eingebracht. Eine ausbleibende Druckdolenz diente als
Indikator für die vollständige knöcherne Durchbauung und zur Entfernung des
schrägen Kirschnerdrahtes. Bei Arthrodesen, bei denen ein Knochenspaninter-
ponat eingesetzt wurde, wurde auf den Antirotationsdraht verzichtet.
• Typ B: für intraartikuläre Frakturen. Hierbei werden nach erfolgter Reposition
der Fraktur zwei Bohrungen im 90° Winkel zum Frakturspalt und durch diesen
hindurch in der Transversalebene getätigt. Durch diese wurde alsdann der
Cerclagedraht geführt, um das Fragment geführt und dieses somit refixiert.
Auch Lister brachte seine Unzufriedenheit mit den zur damaligen Zeit zur Anwendung
gekommenen Verfahren der Osteosynthese von Frakturen der Fingerknochen und den
eigenen Operationsergebnissen zum Ausdruck, obwohl die Anforderungen an eine er-
folgreiche Versorgung derartiger Verletzungen wie
• anatomische Reposition,
• stabile interne Fixierung und Kompression der Frakturenden sowie
-
35
• frühzeitige Mobilisierung
schon bekannt waren. Er beschrieb ähnliche Komplikation wie Robertson, nämlich:
• ausbleibende knöcherne Konsolidierung;
• Bewegungseinschränkung;
• Arthrose;
• Weichteilirritationen.
Gleichzeitig sah er sich vor das Problem gestellt, dass auch von der ASIF (Association
for the Study of Internal Fixation) empfohlene Osteosyntheseverfahren aufgrund der
geringen Größe der Knochenfragmente entweder nicht einsetzbar waren und dass die
alleinige Fixierung mittels Kirschnerdrähten keine ausreichende Stabilität gewährleis-
tet. Daher wurde vom ihm ein, dem Verfahren der intraossären Drahtnaht zur Osteo-
synthese von mandibulären Frakturen und der von Robertson beschriebenen Methode
ähnliches, Verfahren zur Osteosynthese von Frakturen und zur Arthrodese entwickelt.
Lister verzichtete dabei jedoch auf die zwei vertikalen Cerclagen zugunsten der, von
Robertson nur in Ausnahmefällen durchgeführten, einzelnen transversalen Cerclage.
Lister begründete seine Modifizierung der von Robertson vorgeschlagenen Technik
folgendermaßen:
• Der zusätzliche Kirschnerdraht ermöglicht eine frühere Beübung und verkürzt
die Dauer der postoperativen Ruhigstellung, da er das Lockern der Cerclage
sowie deren Einschneiden in den Knochen verhindert.
• Die transversale Cerclage ist operationstechnisch weniger aufwendig und erfor-
dert keine ausgedehnte Manipulation palmarer Gelenkanteile.
• Die transversale Cerclage mit Kirschnerdraht bietet eine höhere Stabilität ge-
genüber axialen und longitudinal wirkenden Biegebelastungen.
Lister sah dabei entscheidende Vorteile der intraossären Drahtnaht gegenüber Arthro-
deseverfahren mittels Kirschnerdrähten (mit oder ohne Knochenspan):
• eine höhere Kompression als bei anderen Techniken;
• eine leichtere Durchführbarkeit und operationstechnisch weniger anspruchsvoll;
• eine geringe Dauer der postoperativen Ruhigstellung und frühere Beübbarkeit;
-
36
• bessere funktionelle Ergebnisse aufgrund der Übungsstabilität [45].
Ausgehend von diesen grundlegenden Beschreibungen wurden seitdem diverse An-
passungen und Weiterentwicklungen der intraossären Drahtnaht beschrieben:
• Zur Vereinfachung der Einbringung des Cerlcagedrahtes schlugen Høgh und
Jensen vor, die transversalen Bohrungen für die Cerclage manuell mit einer
Kanüle durchzuführen, durch die der Cerclagedraht anschließend durchgefä-
delt wurde [96].
• Wüstner et al. beschrieben die Kombination einer intraossären Drahtnaht mit
einem einzelnen oder mehreren resorbierbaren PDS-Splinten anstelle eines
Kirschnerdrahtes für die Frakturosteosynthese, Arthrodese sowie Replantatio-
nen glatt abgetrennter Amputate. Als Vorteil sahen die Autoren dabei an, dass
zum einen mit dem Kirschnerdraht assoziierte Komplikationen wie Bewegungs-
defizit, Hautperforation und Infektionen und zum anderen ein Zweiteingriff zur
Entfernung vermieden werden können und gleichzeitig früher mit der postope-
rativen Beübung begonnen werden könne. Die Autoren erzielten dabei gute
funktionelle Ergebnisse [97].
• Brüser et al. wiederum verwendeten in einer klinischen Studie zwar auch die
von Lister vorgeschlagenen transversalen Bohrungen, benutzten dabei jedoch
zwei Cerclagedrähte, die gleichzeitig auf beiden Seiten des Gelenkspaltes an-
gezogen wurden. Als Kriterium für eine ausreichende Festigkeit der Cerclage
wurde ein drohendes Einschneiden der Cerclagedrähte an den Bohrlöchern an-
gesehen. Je nach Lokalisation und Knochenqualität wurde zusätzlich noch ein
axialer oder longitudinaler Kirschnerdraht eingesetzt [6]. Belusa sah in der An-
wendung von zwei Cerclagen mit beidseitiger Verdrillung neben einer erhöhten
Rotationsstabilität den Vorteil, dass eine stärkere, aber vor allem gleichmäßi-
gere Kompression erzielt werden könne als mit einem Cerclagedraht, bei der
die Kompression knotenseitig am stärksten ist und über den Arthrodesespalt
abnimmt [23].
• Zimmerman und Weiland beschrieben wie auch schon Robertson den Einsatz
von zwei Cerclagen, diese stehen jedoch im 90° Winkel zueinander. Bezeichnet
-
37
wird diese Methode als „ninety-ninety intraosseous wiring“ [98]. Vanik et al. hat-
ten zuvor diese Art der intraossären Drahtnaht auf ihre biomechanische Stabi-
lität bei der Frakturosteosynthese von Mittelhandknochen untersucht [99].
• Weitere Variationen der intraossären Drahtnaht mit oder ohne Kirschnerdräh-
ten, beispielsweise zwei Cerclagen in pyramidaler Konfiguration zueinander o-
der zwei Cerclagen, von denen eine dorsal, die andere palmar verzwirlt wird,
wurden für die Frakturosteosynthese der Mittelhand- und Fingerknochen be-
schrieben und biomechanisch untersucht, ihre Verwendung für die Arthrodese
bislang jedoch nicht beschrieben [99-102].
Die in entsprechenden Publikationen beschriebenen Vorzüge der intraossären Draht-
naht bzw. ihrer verschiedenen Variationen sind:
• eine einfache, schnelle und sichere Anwendbarkeit, dadurch auch gut für die
primäre Arthrodese im Rahmen von Replantationen oder anderer Traumata ge-
eignet, da mit der Cerclage auch gut kleinere Knochenfragmente gefasst und
fixiert werden können [3,45,98,103];
• das benötigte Osteosynthesematerial ist universell verfügbar, kostengünstig in
fast jeder operativen Abteilung vorhanden und es wird kein spezielles Instru-
mentarium benötigt [72,104];
• gewebeschonender als andere Arthrodeseverfahren, da kaum Osteosynthese-
material implantiert wird, sowie aufgrund der lateralen Lage des Cerclagekno-
tens seltener auftretende Reizungen und Verwachsungen der dorsal gelegenen
Strukturen, gute Einsetzbarkeit bei vorbestehender Schädigung der Letzteren
und außerdem ein geringeres Operationstrauma als bei Platten- und Schrau-
benarthrodesen, da eine geringere Freilegung des Operationssitus erforderlich
ist [3,56,98];
• geringere periostale Devaskularisation des Knochens durch das Implantatma-
terial als bei der Plattenosteosynthese [98];
• hohe postoperative Stabilität und Belastbarkeit bzw. Übungsstabilität – teilweise
wird beschrieben, dass auf eine postoperative Ruhigstellung verzichtet wurde
[23,96];
• rasche und sichere knöcherne Konsolidierung durch Kompression [3,23].
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Mögliche Nachteile dagegen sind:
• Bei Verwendung eines zusätzlichen Kirschnerdrahtes besteht die Gefahr, dass
dieser durch ein Hervorstehen Schmerzen verursacht, zu Hautverletzungen und
Infektionen führt oder die funktionelle Nachbehandlung erschwert [3,97];
• Beim Festziehen des Cerclagedrahtes auftretendes Cutting-out oder Zerreißen
der Cerclage bzw. Frakturierung des Knochens während des Festziehens mit
resultierendem Kompressionsverlust, was eine Neuanlage der Cerclage erfor-
derlich macht. Dies wird durch eine Vorschädigung des Knochens durch Oste-
oporose begünstigt [3,6,72].
• Lageänderung und Lösen der Cerclage bzw. der Verdrillung bei Krafteinwirkung
unter Beanspruchung [6,72].
1.3 Der Kompressionsdraht
1.3.1 Ziel der Entwicklung Beim Kompressionsdraht handelt es sich um ein in Kooperation von Herrn Dr. med.
Alexander Zach und der Firma Königsee Implantate GmbH (Allendorf, Deutschland)
entwickeltes Implantat.
Ziel der Entwicklung war es, ein Implantat für die Versorgung von queren und kurzen
schrägen Schaftfrakturen des Grund- und Mittelgliedes der Langfinger zu konzipieren,
welches eine feste kortikale Verankerung und Kompression des Frakturspaltes bei mi-
nimalem Weichteiltrauma erlaubt. Der Vorteil im Gegensatz zur perkutanen Kirschner-
drahtosteosynthese ist die Möglichkeit der sofortigen frühfunktionellen Beübung [105].
Abbildung 1: Abbildung eines Kompressionsdrahtes mit einem Gewindeabstand von 1,0 cm. Man beachte den von distal nach proximal zunehmenden Durchmesser. Rechte bei und verwendet mit freundlicher Genehmigung
von Königsee Implantate GmbH (Allendorf, Deutschland) sowie aus Millrose et al. (2019) mit freundlicher Geneh-
migung von Springer Nature Customer Service Center GmbH, Tiergartenstr. 15-17, 69121 Heidelberg, Deutsch-
land, Lizenznummer: 4633520150414 [117].
-
39
Zu diesem Zweck verfügt der Kompressionsdraht, dem Prinzip der 1984 entwickelten
und ursprünglich zur Versorgung von Skaphoidfrakturen konzipierten Herbert-
Schraube folgend, über zwei Gewinde unterschiedlichen Durchmessers und unter-
schiedlicher Gewindesteigung [85,86,106].
Wie auch bei den Kompressionschrauben hängt die über den Arthrodesespalt er-
zeugte Kompression zum einen von der unterschiedlichen Gewindesteigung der bei-
den Gewinde und zum anderen von der Anzahl der Umdrehungen des proximalen
Gewindes nach dessen Eintritt in den proximalen Knochen sowie der Anzahl verwen-
deter Drähte ab [106,107].
1.3.2 Aufbau des Kompressionsdrahtes Der Aufbau des Kompressionsdrahts lässt sich in fünf Abschnitte unterteilen [108]. Aus
didaktischen Gründen wird diese Unterteilung hier übernommen.
• Abschnitt 1: Der erste Abschnitt ist vorne spitz, gewindelos, verfügt über einen Durchmesser von 1 mm und dient als Führungsdraht. Gleichzeitig ermöglicht er
während der Bohrung eine Richtungskorrektur. Die Länge dieses Abschnitts
beträgt 50 mm.
• Abschnitt 2: In diesem Abschnitt befindet sich das stumpfe distale Gewinde mit einem äußeren Durchmesser von 1,2 mm und einem Kerndurchmesser von
1,0 mm bei einer Länge von 15 mm. Der Kompressionsdraht wird so einge-
bracht, dass dieses Gewinde in der Gegenkortikalis platziert ist.
•
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• Abschnitt 3: Darauf folgt ein weiterer gewindefreier Abschnitt, der einen Durch-messer von 1,2 mm besitzt. Die verschiedenen Konfigurationen des Kompres-
sionsdrahtes (drei Versionen kommerziell erhältlich) unterscheiden sich ledig-
lich im Abstand, in dem diese beiden Gewinde zueinander stehen:
• 5 mm
• 10 mm
• 15 mm
Der Durchmesser der Gewinde und die Gesamtlänge des Kompressionsdrah-
tes sind hingegen identisch. Die Auswahl für den jeweiligen Gewindeabstand
erfolgt anhand präoperativer Röntgenbilder und, wenn möglich, digitaler Mes-
sung des zu versteifenden Gelenkes bzw. des entsprechenden Gelenkes der
Nachbarfinger.
Im Rahmen der vorliegenden Dissertation kam das Modell mit einer Länge des
gewindelosen Abschnittes von 10 mm zum Einsatz.
Abbildung 3: Darstellung der beiden Gewinde des Kompressionsdrahtes. Deutlich zu sehen ist die unter-schiedliche Gewindesteigung sowie der, die beiden Gewinde trennende, gewindefreie Abschnitt.
• Abschnitt 4: Hier befindet sich das selbstschneidende proximale Gewinde, dessen äußerer Durchmesser 1,8 mm bei einem Kerndurchmesser von 1,2 mm
und einer Länge von 10 mm beträgt. Das Einbringen des zweiten Gewindes in
die Kortikalis erzeugt die Kompression des Fraktur- bzw. Gelenkspaltes durch
Abbildung 2: Detailansicht des distalen Gewindes mit einem Kerndurchmesser von 1,0 mm und einem äußeren Durchmesser von 1,2 mm. Man beachte die geringe Gewindesteigung sowie die beiden gewin-
defreien Abschnitte proximal und distal des Gewindes sowie den nach proximal zunehmenden Durch-
messer.
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eine Annährung der Fraktur- bzw. Knochenenden zueinander von 0,33 mm pro
Umdrehung [108].
Abbildung 4: Detailansicht des proximalen Gewindes mit einem Kerndurchmesser von 1,2 mm und einem äußeren Durchmesser von 1,8 mm. Man beachte die deutlich größere Gewindesteigung sowie den deut-
lichen Kalibersprung distal und proximal des Gewindes.
• Abschnitt 5: Den letzten Teil des Drahtes bildet ein weiterer gewindefreier Ab-schnitt mit einem Durchmesser von 1,8 mm und einer Länge von 65 mm. Er
dient dem Einspannen des Drahtes in die Bohrmaschine.
Die Gesamtlänge des Kompressionsdrahtes beläuft sich somit auf 150 mm.
1.3.3 Indikationen und Kontraindikationen Entsprechend dem Entwicklungshintergrund sind die derzeitigen zugelassenen Indi-
kationen für den Einsatz des Kompressionsdrahtes
• einfache Querfrakturen und
• kurze Schrägfrakturen
von Fingergrund- und -mittelgliedern. Entsprechende Kontraindikationen stellen Mehr-
fragmentfrakturen sowie eine Allergie gegen die verwendete Metalllegierung dar.
1.3.4 Anwendungstechnische Vorteile des Kompressionsdrahtes Der Hersteller beschreibt folgende anwendungstechnische Vorteile des Kompressi-
onsdrahtes:
• Schonung des Weichteilmantels durch die perkutane Implantation;
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42
• eine stabile, von der Bohrdauer unabhängige kortikale Verankerung durch die
in Kortikalis und Gegenkortikalis platzierten Gewinde. Die Unabhängigkeit von
der Bohrdauer wird durch den von proximal nach distal zunehmenden Durch-
messer erreicht, da bei durchschnittlicher Bohrdauer der unmittelbare Hitze-
schaden ca. 0,2 mm beträgt. Bei einem Durchmesser des distalen Gewindes
(Abschnitt 2) von 1,2 mm bzw. 1,8 mm des proximalen Gewindes (Abschnitt 4)
kann davon ausgegangen werden, dass der Durchmesser des proximalen Ge-
windes einen größeren Querschnitt besitzt als die Addition von Bohrloch und
hitzebedingter Nekrosezone [109];
• Frakturkompression;
• die Möglichkeit der sofortigen frühfunktionellen Nachbehandlung;
• keine Notwendigkeit einer postoperativen Ruhigstellung;
• einfache Materialentfernung.
1.3.5 Operative Anwendung bei der Versorgung von Grund- und Mittelpha-lanxfrakturen
Im Rahmen der operativen Frakturversorgung
erfolgt die perkutane Implantation nach ge-
schlossener Reposition von antegrad-proximal
unter Röntgenkontrolle. Der Eintrittspunkt am
proximalen Grund- bzw. Mittelglied sowie die
Bohrrichtung werden individuell in Abhängigkeit
von der Frakturlokalisation gewählt, eine Verlet-
zung der Gelenkfläche des MCP-Gelenkes sollte
jedoch unbedingt vermieden werden. Die Präpa-
ration der Weichgewebe auf den Knochen erfolgt
stumpf, anschließend wird der Draht parallel zur
Längsachse des Schaftes mit der Bohrmaschine
bis zum Frakturspalt eingebracht. Nach Reposi-
tion der Fraktur wird der Kompressionsdraht bis
zur Gegenkortikalis vorgeschoben und diese, um
ein Abrutschen an der Innenseite zu vermeiden,
Abbildung 5: Röntgenaufnahme des Kom-pressionsdrahtes nach Osteosynthese einer
queren Grundgliedschaftfraktur unmittelbar
nach der Frakturversorgung.
Abbildung 6: Röntgenaufnahme des Kom-pressionsdrahtes nach Osteosynthese einer
queren Grundgliedschaftfraktur nach knöcher-
ner Konsolidierung.
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unter geringer Drehzahl und Berücksichtigung der Anatomie der Seitenzügel des
Strecksehnenapparates durchbohrt. Die Bohrung wird in antegrade Richtung fortge-
setzt, bis das proximale, selbstschneidende Gewinde den proximalen Eintrittspunkt an
der Haut erreicht. Je nach Weite des Frakturspaltes wird das proximale Gewinde ca.
3 mm vor dem Eintrittspunkt in die Haut abgekniffen. Nach dem Einkürzen des proxi-
malen Endes wird die Bohrmaschine umgesetzt, das spitze, distale Ende des Drahtes
eingespannt und die Bohrung so lange antegrad fortgesetzt, bis das proximale Ge-
winde kurz vor dem Eintritt in die Kortikalis steht. Anschließend wird das distale Ende
umgebogen und manuell mittels einer Zange oder per Hand die Bohrung unter Bild-
wandlerkontrolle fortgesetzt, bis das proximale Gewinde vollständig in der Kortikalis
versenkt ist. Abschließend erfolgt das Einkürzen, Umbiegen und subkutane Versenken
des distalen Endes am Knochen.
Sollte ein Kompressionsdraht keine ausreichende Rotationsstabilität erzeugen, kann
ein zweiter, den ersten von kontralateral kreuzender Kompressionsdraht eingebracht
werden.
Die Materialentfernung erfolgt nach sechs Wochen ebenfalls von antegrad.
1.3.6 Klinische Studien zum Kompressionsdraht
Bisher beschäftigt sich nur eine Publikation wissenschaftlich mit dem Kompressions-
draht. In einer an der Universitätsmedizin Greifswald durchgeführten klinischen Studie
wurden elf Patienten mit queren und kurzen schrägen Schaftfrakturen des Grundglie-
des mit dem Kompressionsdraht versorgt. In neun Fällen kam ein einzelner Kompres-
sionsdraht zum Einsatz, in zwei Fällen war aufgrund von fortgeschrittener Osteoporose
und zusätzlicher Basisfraktur die Kombination von zwei gekreuzten Kompressions-
drähten nötig. In allen Fällen wurde eine stabile kortikale Verankerung sowie eine ana-
tomische Reposition erreicht. Mit der aktiven belastungsfreien Beübung wurde am ers-
ten postoperativen Tag begonnen, die TAM (Total Active Motion) betrug bei zehn Pa-
tienten innerhalb von zwei Wochen > 240°, bei einem Patienten 230° [108]. Langzeit-
ergebnisse wurden bisher noch nicht publiziert.
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44
In einer 2014 erschienen Publikation wurde zudem der Einsatz des Kompressions-
drahtes für die Osteosynthese der Skaphoidfraktur beschrieben [110].
1.4 Entwicklung der Fragestellung und Hypothesen In den bislang publizierten biomechanischen Studien zur Arthrodese des Fingermittel-
gelenkes wurden verschiedene Ziele definiert, die nachfolgend exemplarisch in chro-
nologischer Reihenfolge kurz beschrieben werden sollen:
• Hort untersuchte die durch verschiedene, zum Zeitpunkt der Publikation gän-
gige, Verfahren zur Fingermittelgelenksarthrodese (gekreuzte Kirschnerdrähte,
Drahtzuggurtung, Zugschraube, eine dorsal aufgebrachte Kleinfragmentosteo-
syntheseplatte sowie die Mondprofilplatte nach Mittelmeier) erzeugte interfrag-
mentäre Kompression in Abhängigkeit von in Flexions- und Extensionsrichtung
erzeugten Biegemomenten bei Maximalbelastungsversuchen [69].
• Kovach et al. untersuchten die in ihrer Abteilung üblicherweise verwendeten
Arthrodesetechniken (zwei gekreuzte Kirschnerdrähte, zwei verschiedene For-
men der intraossären Drahtnaht sowie die Drahtzuggurtung) auf ihre biome-
chanische Stabilität im Rahmen von Maximalbelastungsversuchen [111].
• Ayres et al. verglichen nach positiven Resultaten der Fingermittelgelenksarth-
rodese mit der Herbert-Schraube deren maximale biomechanische Stabilität im
Vergleich zur Drahtzuggurtung [5].
• Ritt und Bos untersuchten, ob zwei verschiedene Stärken druckluftgetrieben
implantierbarer Klammern eine vergleichbare maximale Stabilität besitzen wie
die etablierte Drahtzuggurtung [77].
• Mittelmeier et al. analysierten die maximale biomechanische Stabilität einer
Zuggurtungsarthrodese mit resorbierbaren PDS-Fäden im Vergleich zur Draht-
zuggurtung. Weiterhin wurde mittels Druckmessfolien die erzeugte Kompres-
sion gemessen [59].
• Mittelmeier et al. testeten in einer weiteren Studie das für eine Flexion von ma-
ximal 10° erforderliche Biegemoment der Faden- und Drahtzuggurtung vergli-
chen mit der intraossären Drahtnaht unter Berücksichtigung der Auswirkung
verschiedener Resektionstechniken, Insertionswinkel der Kirschnerdrähte so-
wie Arthrodesewinkel. Auch hier wurde, wieder unter Verwendung von Druck-
messfolien, die erzeugte Kompression erfasst [82].
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45
• Capo et al. unterzogen fünf verschiedene Verfahren einer biomechanischen
Testung der Stabilität in Extensions- und Flexionsrichtung sowie radial und ul-
nar gerichteten Belastungen. Diese fünf Verfahren waren: die intraossäre
Drahtnaht, die Drahtzuggurtung, eine dorsale aufgebrachte Platte, das soge-
nannte „ninety-ninety intraosseous wiring“ nach Zimmerman (zwei, im 90° Win-
kel zueinander stehende Drahtcerclagen) und ein neues Implantat, im Engli-
schen als „intramedullary linked screw“ (Herstellerbezeichnung Apex IP Fusion
Device®, Extremity Medical, Parsippany, USA) bezeichnet [13].
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die bisherigen biomechani-
schen Studien der Testung neuartiger Arthrodesetechniken bzw. aus etablierten Ver-
fahren weiterentwickelter Techniken oder der Validierung solcher nach bereits erfolg-
tem klinischen Einsatz dienten.
Nach positiven Erfahrungen mit dem Kompressionsdraht bei der perkutanen Osteo-
synthese verschiedener Frakturen der Grund- und Mittelglieder wurde geprüft, ob die-
ses Implantat auch für weitere Indikationen geeignet sein könnte [108]. Hierbei wurde
die Verwendung zur Arthrodese des Fingermittelgelenkes in Betracht gezogen, deren
klinischer Anwendung eine biomechanisch-theoretische Machbarkeitsstudie vorge-
schaltet werden sollte. Somit waren mit der Durchführung der Messungen der vorlie-
genden Arbeit folgende zwei Ziele verbunden:
• Der Nachweis der biomechanischen Eignung verschiedener Konfigurationen
des perkutan implantierbaren Kompressionsdrahtes zur Arthrodese des Finger-
mittelgelenkes bei Biegebelastungen in Flexions- und Extensionsrichtung bis
10° sowie Maximalbelastungsversuchen im Kadavermodell. Die zu testenden
Konfigurationen des Kompressionsdrahtes sind dabei:
o ein einzelner schräger Kompressionsdraht;
o zwei gekreuzte Kompressionsdrähte.
• Eine Bewertung der biomechanischen Stabilität der verschiedenen Konfigurati-
onen des Kompressionsdrahtes im Verhältnis zu einem etablierten Arthrodese-
verfahren. Der Vergleich zielte dabei darauf ab, ob das bewährte Verfahren aus
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biomechanischer Sicht vorteilhaft durch ein theoretisch perkutan implantierba-
res Implantat ersetzt werden kann.
Aufgrund der umfangreichen Dokumentation der intraossären Drahtnaht und ihrer ver-
schiedenen Abwandlungen aus klinischen und biomechanischen Studien wurde diese
Arthrodesetechnik als Referenz- bzw. Kontrollverfahren ausgewählt [3,6,13,45].
Vor der Durchführung der Hauptversuche wurde eine begrenzte Anzahl von Vorversu-
chen durchgeführt. Es wurden folgende Hypothesen für die Vorversuche entwickelt:
• Nullhypothese: Es besteht kein Unterschied in der biomechanischen Stabilität zwischen intraossärer Drahtnaht und einem einzelnen Kompressionsdraht so-
wie zwischen einem einzelnen und zwei gekreuzten Kompressiondrähten.
• Alternativhypothese: Die biomechanische Stabilität der verschiedenen Tech-niken nimmt in der Reihenfolge intraossäre Drahtnaht, ein einzelner Kompres-
sionsdraht, zwei gekreuzte Kompressionsdrähte zu.
Infolge der Ergebnisse der statistischen Auswertung der Vorversuche, siehe hierzu
Abschnitt 2.1 bzw. 2.15, war eine Anpassung der primären Hypothese für die Haupt-
versuche erforderlich.
1.4.1 Hypothesen der Cross-over-Versuche
• Nullhypothese: Der einfache schräge Kompressionsdraht ist, respektive die gekreuzten Kompressionsdrähte sind, der intraossären Drahtnaht in ihrer bio-
mechanischen Stabilität bei der Fingermittelgelenksarthrodese bei Biegebelas-
tungen in Extensions- und Flexionsrichtung von max. 10° nicht überlegen.
• Alternativhypothese: Der einfache schräge Kompressionsdraht ist, respektive die gekreuzten Kompressionsdrähte sind, der intraossären Drahtnaht in ihrer
biomechanischen Stabilität bei der Fingermittelgelenksarthrodese bei Biegebe-
lastungen in Extensions- und Flexionsrichtung von max. 10° überlegen.
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47
• Sekundäre Hypothese: Es besteht eine Korrelation zwischen der Extensions- und Flexionsstabilität der drei Arthrodesetechniken und der Knochendichte der
Präparate.
1.4.2 Hypothesen der Bruchversuche
• Nullhypothese: Der einzelne schräge Kompressionsdraht ist der intraossären Drahtnaht mit schrägem Antirotationsdraht nach Lister in seiner maximalen Ex-
tensionsstabilität nicht überlegen.
• Alternativhypothese: Der einzelne schräge Kompressionsdraht ist der intra-ossären Drahtnaht mit schrägem Antirotationsdraht nach Lister in seiner maxi-
malen Extensionsstabilität überlegen.
• Sekundäre Hypothese: Es besteht eine Korrelation zwischen der maximalen Extensionsstabilität beider Arthrodesetechniken und der Knochendichte der
Präparate.
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2 Material und Methoden
2.1 Vorversuche
Nach dem positiven Votum der Ethikkommission der Universitätsmedizin Greifswald
(Referenznumer: BB 130/13) wurden Vorversuche durchgeführt. Die Vorversuche un-terschieden sich in verschiedenen Punkten von denen der Cross-over-Studie:
• Insgesamt wurden pro Präparat nur drei Messungen durchgeführt. Dabei wur-
den in der Reihenfolge – intraossäre Drahtnaht, ein schräger Kompressions-
draht und zwei gekreuzte Kompressionsdrähte – getestet;
• die Belastung erfolgte ausschließlich in Flexionsrichtung;
• die maximale Flexionsbelastung betrug 20 °;
• der Einbau der Osteosynthesematerialien erfolgte in einem größeren Abstand
(> 8 mm) zum Gelenkspalt, da aufgrund des anzunehmenden Alters der Ver-
mächtnisgeber ein zum Gelenkspalt hin gerichtetes Ausreißen befürchtet
wurde.
Davon abgesehen entsprach das Vorgehen bezüglich des Einbaus der Implantatma-
terialien und der Durchführung der Messungen den in Abschnitt 2.9 beschriebenen
Schritten.
2.2 Cross-over-Design
Basierend auf den Ergebnissen der Vorversuche wurde ein Modell zur Durchführung
der Belastungsversuche im Rahmen eines Cross-over-Designs, auch als Überkreu-
zungsdesign bezeichnet, entwickelt. Die Verwendung dieses Studiendesigns ermög-
licht es, an einem Präparat alle drei Arthrodeseverfahren in jeweils beide Belastungs-
richtungen, Extension und Flexion, zu testen.