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Geometrie und Lineare Algebra ur das Lehramt Franz Hofbauer Juni 2018

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Page 1: Geometrie - univie.ac.atfh/geometrie.pdf · 2 Elementargeometrie g S Seien gund hzwei Gerade, die einander in einem Punkt S h schneiden. Dann sind einander gegenub erliegende Winkel,

Geometrieund

Lineare Algebra

fur das Lehramt

Franz Hofbauer

Juni 2018

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Vorwort

Mit Mathematik kommt man fruhzeitig in Beruhrung. Kinder lernen Zahlen und Rech-nen durch bestandiges Wiederholen. Ebenso lernen sie geometrische Figuren kennen, diesie in ihrer Umgebung wahrnehmen. Spater werden durch einfache Konstruktionsubungengeometrische Grundkenntnisse erworben. Es wird dann selbstverstandlich, dass man durchzwei Punkte eine Gerade legen kann, dass es zu einer Gerade genau eine Parallele undgenau eine Senkrechte durch einen vorgegebenen Punkt gibt, dass zwei nicht parallele Ge-rade einander in genau einem Punkt schneiden, und dergleichen mehr. Darauf baut derweiterfuhrende Geometrieunterricht auf. Es sind dann auch schon sehr einfache Beweisemoglich, zum Beispiel fur die Winkelsumme im Dreieck und fur den Satz von Pythagoras.

Die Lehramtsausbildung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich an der Berufs-realitat der Lehrer orientiert. Deshalb werden in diesem Skriptum die durch Einubenerworbenen geometrischen Grundkenntnisse ebenfalls als bekannt vorausgesetzt.

In der Geometrie werden verschiedenste Beweismethoden verwendet. Dieses Skriptumkonzentriert sich hauptsachlich auf die fur die Schule relevanten Methoden. Die damitbewiesenen Satze gehen jedoch uber den ublichen Schulstoff hinaus. Ein entsprechendesHintergrundwissen ist ja auch wichtig.

Der erste Teil bringt die Elementargeometrie (synthetische Geometrie), die hauptsachlichmit dem Strahlensatz, mit dem Satz von Pythagoras und mit dem Peripheriewinkelsatzarbeitet. Der zweite Teil bringt die Trigonometrie, wo naturlich Sinus- und Cosinussatz diewichtigsten Werkzeuge sind. Dort wird auch gezeigt, wie man mit Hilfe komplexer ZahlenGeometrie betreiben kann. Im dritten Teil wird dann im Koordinatensystem gearbeitet,insbesondere mit Vektoren, Geradengleichungen und Determinanten (analytische Geome-trie). Mit den jeweiligen Methoden werden Satze der ebenen Geometrie bewiesen. Unteranderem findet man die Satze von Menelaos und Ceva, den Sehnen- und Sekantensatz, denSudpolsatz, die Formeln von Heron und Stewart, die Satze von Napoleon und Morley, dieSteinerschen Geraden und den Satz von Feuerbach. Die besonderen Punkte des Dreieckswerden in allen drei Teilen behandelt.

Im vierten Teil wird Lineare Algebra im R2 betrieben. Es werden lineare Abbildungen,Matrizen, Eigenwerte und Eigenvektoren eingefuhrt und Isometrien der Ebene (Drehungen,Spiegelungen, Translationen) untersucht. Dann kommen Kegelschnitte, Tangentenkon-struktion, Tangentengleichung, und die Hauptachsentransformation. Um das raumlicheVorstellungsvermogen zu uben, werden auch die Flachen zweiter Ordnung besprochen.

Schließlich wird noch in einem funften Teil das systematische Losen von linearen Glei-chungssystemen mit Hilfe des Gaußschen Eliminationsverfahrens behandelt. Auf theoreti-sche Resultate aus der Linearen Algebra wird weitgehend verzichtet. Statt dessen wird eineVorgangsweise gewahlt, die fur den Schulunterricht taugliches Hintergrundwissen darstellt.

Literatur: Zwei Lehrbucher der ElementargeometrieJohnson: Advanced Euclidean GeometryCoxeter, Greitzer: Geometry revisited

Das Buch von Johnson kann man als Standardlehrbuch der Elementargeometrie bezeich-nen. Es wird ublicherweise zitiert, wenn man einen einfuhrenden Text zitieren will. DerInhalt des Buches geht naturlich weit uber eine Lehramtsvorlesung hinaus.

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I. Elementargeometrie

1. Einleitung

Punkte bezeichnen wir mit Großbuchstaben, Geraden und Kreise mit Kleinbuchstabenund Winkel mit griechischen Buchstaben. Fur Langen, zum Beispiel Seitenlangen einesDreiecks, verwenden wir meistens Kleinbuchstaben und fur Flachen Großbuchstaben. Wirfuhren folgende Abkurzungen ein:ℓ(A,B) Gerade durch die Punkte A und BAB Strecke zwischen den Punkten A und B−→AB Vektor vom Punkt A zum Punkt B|AB| Abstand der Punkte A und BAB orientierter Abstand vom Punkt A zum Punkt B△ABC Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C]ABC Winkel bei B im Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C#ABC Flache des Dreiecks mit den Eckpunkten A, B und CDen orientierten Abstand AB erhalt man, indem man die Gerade g durch A und B mitder Zahlengerade R identifiziert und die Koordinate von A von der von B subtrahiert. Esgilt daher AB = −BA. Liegen drei Punkte A, B und C auf einer Geraden g, ganz egal inwelcher Reihenfolge, dann gilt immer AB +BC = AC.

Der orientierte Abstand AB hangt davon ab, wie man g orientiert, das heißt welcheRichtung die positive ist. Dreht man die Orientierung um, dann andert AB das Vorzeichen.Wir werden jedoch den orientierten Abstand immer nur in Verhaltnissen und Produktenverwenden: Seien zum Beispiel P , Q und R drei voneinander verschiedene Punkte aufeiner Geraden g. Dann ist das Verhaltnis PQ

PR eindeutig bestimmt, unabhangig davon, wie

man die Gerade g orientiert, da bei Anderung der Orientierung beide Abstande PQ undPR das Vorzeichen andern. Liegt P nicht zwischen Q und R, dann haben PQ und PR

gleiches Vorzeichen, sodass PQPR > 0 und PQ

PR = |PQ||PR| gilt. Liegt P zwischen Q und R, dann

haben PQ und PR verschiedenes Vorzeichen, sodass PQPR < 0 gilt und wegen QP = −PQ

auch −PQPR = QP

PR = |QP ||PR| =

|PQ||PR| . Ahnliches gilt auch fur Produkte PQ · PR.

Bemerkung: Wir benotigen sowohl den ublichen, nicht orientierten Abstand als auchden orientierten Abstand, den wir mit AB bezeichnen (wenn die Punkte A und B heißen).Der ubliche Abstand ist der Betrag der Zahl AB, daher bezeichnen wir ihn mit |AB|.

b

c

a

A B

C

α β

γδ

Fur Dreiecke verwenden wir die Standardbezeichnung. DieEckpunkte bezeichnen wir mit A, B und C, die Langen derDreieckseiten mit den Kleinbuchstaben a, b und c, entspre-chend dem der Seite gegenuberliegenden Eckpunkt, und den(Innen)Winkel bei jedem Eckpunkt mit dem entsprechendengriechischen Buchstaben α, β oder γ. Der Winkel δ ist einAußenwinkel. Bei jedem Eckpunkt gibt es zwei Außenwinkel.

Als Beweismethode werden wir oft kongruente Figuren verwenden. Zwei Figuren heißenkongruent, wenn sich die eine durch Verschieben, Drehen, Spiegeln in die andere uberfuhrenlasst. Bei kongruenten Figuren stimmen einander entsprechende Seitenlangen, Winkel undFlachen uberein.

Diese Methode verwenden wir jetzt, um zuerst Aussagen uber die Gleichheit vonWinkelnzu finden, und dann zum Berechnen von Flachen.

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2 Elementargeometrie

g

αSβ

hSeien g und h zwei Gerade, die einander in einem Punkt Sschneiden. Dann sind einander gegenuberliegende Winkel,die von den beiden Geraden eingeschlossen werden, gleichgroß. In der Zeichnung sind zwei solche Winkel mit α undβ bezeichnet. Dreht man die gesamte Figur um den PunktS um 1800, dann gehen die Geraden g und h in sich selbstuber. Der Winkel β kommt dann auf dem Winkel α zu liegen. Somit sind die beidenWinkel gleich groß. (Scheitelwinkel)

S αg1

h

Rg2 γβ

Zwei parallele Geraden g1 und g2 werden voneiner dritten Geraden h geschnitten. Der Schnitt-punkt von g1 mit h sei S und der Schnittpunkt vong2 mit h sei R. Dann sind die in der Zeichnung mitα und β bezeichneten Winkel gleich groß. Durchdie Parallelverschiebung, die den Punkt S in denPunkt R uberfuhrt, wird ja g1 auf g2 abgebildetund h auf sich selbst. Der Winkel α liegt dann aufdem Winkel β, womit die Gleichheit dieser Win-kel gezeigt ist (Stufenwinkel). Aus obigem Resultatfolgt dann, dass auch der mit γ bezeichnete Winkel gleich α ist (Wechselwinkel).

g

h

S

u

v

u

β

α

P

Seien g und h zwei Gerade, die einander in einemPunkt S schneiden und den Winkel α einschließen.Sei u eine senkrechte Gerade auf g und v eine senk-rechte Gerade auf h. Der von u und v eingeschlos-seneWinkel β ist dann gleich α (Orthogonalwinkel).Das sieht man so: Wir drehen die Geraden u und vum ihren Schnittpunkt P um 900 und erhalten dieGeraden u und v, die dann ebenfalls den Winkel βeinschließen. Da u parallel zu g liegt und v parallelzu h, muss β = α gelten. Durch die Parallelver-schiebung, die P in S uberfuhrt, wird ja u auf gund v auf h abgebildet, sodass der Winkel β dann auf dem Winkel α liegt.

Wir wenden das auf das Dreieck an.

Satz 1: Die Summe der (Innen)Winkel eines Dreiecks betragt 1800.

A B

C

α β

εgγ δ

Beweis: Die Eckpunkte und Winkel des Dreieckswerden wie ublich bezeichnet. Wir zeichnen diezur Dreieckseite AB parallele Gerade g durch denEckpunkt C des Dreiecks. Diese bildet mit derDreieckseite AC einen Winkel ε und mit der Drei-eckseite BC einen Winkel δ, die beide außerhalbdes Dreicks liegen. Nach dem obigen Resultatuber Wechselwinkel gilt ε = α und δ = β, da dieGerade g parallel zur Seite AB liegt. Klarerweise gilt ε + γ + δ = 1800. Damit ist auchα+ γ + β = 1800 gezeigt.

Bemerkung: Aus diesem Satz folgt, dass die beiden Außenwinkel bei einem Eckpunkteines Dreiecks gleich sind der Summe der Innenwinkel bei den anderen beiden Eckpunkten.

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Wie kann man die Flache einer ebenen Figur, zum Beispiel eines Rechtecks, bestimmen?Dazu legen wir eine geeignete Einheitsflache fest. Wir mussen ja von irgendwo ausgehen.Wir konnen die Einheitsflache in gleich große Teile zerlegen, deren Flache wir dann kennen,und versuchen, das Rechteck damit moglichst gut auszufullen.

Als Einheitsflache wird ublicherweise das Quadrat mit Seitenlange 1 gewahlt. Wir nen-nen es Einheitsquadrat. Die Flache des Einheitsquadrats wird mit 1 festgelegt.

Sei n eine naturliche Zahl. Wir bestimmen die Flachedes Quadrats mit Seitenlange 1

n . Dazu teilen wir die Seitendes Einheitsquadrats in n gleich lange Teile. Durch dieseUnterteilungspunkte zeichnen wir senkrechte Geraden aufdie jeweilige Seite des Einheitsquadrats. Dadurch wird dasEinheitsquadrat in kleine Quadrate unterteilt, deren Anzahlgleich n2 ist. Diese kleinen Quadrate haben alle Seitenlange1n und sind zueinander kongruent. Sie haben daher auch diegleiche Flache, die wir G nennen. Da diese Quadrate dasEinheitsquadrat vollstandig ausfullen, muss n2G = 1 gelten.Es folgt G = 1

n2 . Damit ist die Flache des Quadrats mit Seitenlange 1n berechnet.

Seien a und b positive reelle Zahlen. Wir bestim-men die Flache F des Rechtecks mit Seitenlangena und b. Wir wahlen k und m in N so, dass

(∗) kn ≤ a < k+1

n und mn ≤ b < m+1

n

gilt. Beginnend im linken Endpunkt zeichnen wirauf einer Rechteckseite der Lange a Unterteilungs-punkte, die zueinander Abstand 1

n haben. Der k-teUnterteilungspunkt liegt noch auf der Rechteck-seite, der k + 1-te bereits auf deren Verlangerung.Durch diese Unterteilungspunkte zeichnen wir Senkrechte auf die Rechteckseite. Ebensozeichnen wir auf einer Rechteckseite der Lange b Unterteilungspunkte, die zueinander Ab-stand 1

n haben. Derm-te Unterteilungspunkt liegt noch auf der Rechteckseite, derm+1-tebereits auf deren Verlangerung. Durch diese Unterteilungspunkte zeichnen wir ebenfallsSenkrechte auf die Rechteckseite. Dadurch erhalten wir wieder Quadrate, deren Seiten-lange gleich 1

n ist. Die Anzahl dieser Quadrate ist (k + 1)(m + 1). Sie uberdecken das

Rechteck. Es gilt daher F ≤ (k + 1)(m+ 1) 1n2 . Aus (∗) folgt ab ≥ km

n2 . Wir erhalten

F − ab ≤ (k+1)(m+1)n2 − km

n2 = k+m+1n2

Die Anzahl der Quadrate, die ganz im Rechteck liegen, ist km. Es gilt daher F ≥ km 1n2 .

Aus (∗) folgt auch ab ≤ (k+1)(m+1)n2 . Wir erhalten

ab− F ≤ (k+1)(m+1)n2 − km

n2 = k+m+1n2

Da |F − ab| entweder gleich F − ab oder gleich ab−F ist, folgt aus diesen Umgleichungen,dass |F − ab| ≤ k+m+1

n2 gilt. Mit Hilfe von (∗) erhalten wir schließlich

|F − ab| ≤ an + b

n + 1n

Da n beliebig groß gewahlt werden kann, muss |F − ab| = 0 gelten. (Ware |F − ab| nichtnull, dann wurde n ≤ a+b+1

|F−ab| fur alle n ∈ N gelten.) Damit ist F = ab gezeigt.

Mit Hilfe dieser Formel fur die Flache des Rechtecks konnen wir auch die Parallelogramm-und die Dreiecksflache bestimmen.

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4 Elementargeometrie

Satz 2: Sei ABCD ein Paralellogramm. Sei c die Lange der Seiten AB und CD und hdie Lange der Hohe des Parallelogramms (Normalabstand der Seiten AB und CD). DieFlache des Parallelogramms ist dann c · h. Sei △ABC ein Dreieck. Sei c die Lange derSeite AB und h die Lange der Hohe durch C. Die Dreiecksflache ist dann c·h

2 .

A B VU

D CBeweis: Sei V der Fußpunkt des Lots von C undU der des Lots von D auf die Gerade ℓ(A,B). Wirgehen vom ViereckAV CD aus. Die beiden Dreiecke△BV C und △AUD sind kongruent (das eine gehtdurch eine Parallelverschiebung in das andere uber)und daher flachengleich. Schneidet man aus demViereck AV CD das Dreieck △BV C heraus, dannbleibt das Parallelogramm ABCD. Schneidet manaus dem Viereck AV CD das Dreieck △AUD heraus, dann bleibt das Rechteck UV CD.Die beiden verbleibenden Figuren haben gleiche Flache. Das Parallelogramm ABCD hatdieselbe Flache wie das Rechteck UV CD. Diese ist gleich c · h.Wenn der Winkel bei A stumpf ist, dann muss man vom Viereck UBCD ausgehen.

A B

CDDas Dreieck △ABC erganzen wir zu einem Parallel-ogramm ABCD, indem wir fur D den Schnittpunktder Parallele zu ℓ(A,B) durch C und der Parallelezu ℓ(B,C) durch A wahlen. Die Dreiecke △ABCund △ADC sind dann kongruent (die Drehung um1800 um den Mittelpunkt der Strecke AC fuhrt daseine in das andere uber) und daher auch flachengleich.Somit ist die Flache des Dreiecks △ABC gleich derHalfte der Flache des Paralellogramms ABCD. Wiewir gesehen haben, ist c · h die Paralellogrammflache. Daher ist c·h

2 die Dreiecksflache.

2. Der Strahlensatz

Der Strahlensatz macht Aussagen uber die Verhaltnisse von gewissen orientierten Abstandenin der folgenden Situation:

SA C

B

D

u

v

g

h

S

B

A

C

D

u

v

g

h

Zwei Gerade g und h schneiden einander in einem Punkt S. Eine weitere Gerade uschneidet die Geraden g und h in den Punkten A und B, die ungleich S sind. Eine zu uparallele Gerade v schneidet g und h in den Punkten C und D, die ebenfalls ungleich Ssind. Dadurch entstehen die beiden Dreiecke △SAB und △SCD. Es konnen zwei Falleauftreten. Entweder die beiden parallelen Geraden u und v liegen auf derselben Seite vonS, wie es in der linken Zeichnung dargestellt ist, oder sie liegen auf verschiedenen Seitenvon S, wie es in der rechten Zeichnung dargestellt ist.

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Satz 3 (Strahlensatz) In der oben beschriebenen Situation gilt SASC = SB

SD = ABCD .

Beweis: Wir nehmen an, dass die Geraden u und v auf derselben Seite von S liegen. Dasist der oben links dargestellte Fall. In diesem Fall gilt SA

SC > 0, SBSD > 0 und ABCD > 0.

Wir arbeiten mit den Dreiecksflachen U = #SAB, V = #ABC und W = #ABD. Es giltU+V = #SCB und U +W = #SDA. Sei d der Abstand der parallelen Geraden u und v.

S

v

g

h

u

AC

B

DWeiters sei a der Normalabstand des Punk-tes A von der Geraden h und b der desPunktes B von der Geraden g. Es giltSASC = |SA|

|SC| =|SA| b2|SC| b2

= #SAB#SCB = U

U+V und

SBSD = |SB|

|SD| =|SB| a2|SD| a2

= #SBA#SDA = U

U+W .

Die Dreiecke △ABC und △ABD habenGrundlinie AB und Hohe gleicher Lange d.Daher haben sie auch gleiche Flache, alsogilt V = W . Damit ist SA

SC = SBSD , der

erste Teil des Satzes, bereits bewiesen.

Um auch SASC = AB

CD zu beweisen, arbeiten wir mit den Dreiecksflachen R = #SCD undT = #BCD. Ist c der Normalabstand des Punktes S von der Geraden u, dann giltR = c+d

2 · |CD| und T = d2 · |CD|, woraus R − T = c

2 · |CD| folgt. Wegen U = c2 · |AB|

erhalten wir ABCD = |AB|

|CD| =U

R−T . Da sowohl U +V als auch R−T die Flache des Dreiecks

△SBC ergeben, gilt U + V = R− T . Somit ist auch ABCD = U

U+V = SASC bewiesen.

Der Satz ist gezeigt, wenn die parallelen Geraden auf derselben Seite des Punktes S liegen.Den Fall, wo die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten von S liegen, kann man aufdiesen zuruckfuhren, indem man die links von S liegende Gerade am Punkt S spiegelt. Esist zu beachten, dass dabei die Zahlen SA, SB und AB ihr Vorzeichen andern.

Bemerkung: Der Beweis des Strahlensatzes besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teilwird die Gleichung SA

SC = SBSD bewiesen, im zweiten die Gleichung SA

SC = ABCD . Anstatt

einen eigenen Beweis fur die zweite Gleichung zu geben, kann man sie auch auf die erste

S

v

g

h

u

S∗

B∗

AC=A∗

B

Dzuruckfuhren. Dazu verschieben wir dasDreieck △SAB so, dass der Punkt A aufdem Punkt C zu liegen kommt. Dabeiwird der Punkt S in einen Punkt S∗ aufder Gerade g verschoben und der PunktB in einen Punkt B∗ auf der Gerade v,da ja u parallel zu v liegt und somit beimVerschieben in v ubergeht. Es gilt dannSA = S∗C und AB = CB∗, da SA beimVerschieben in S∗C ubergeht und AB inCB∗. Weiters sind die Geraden ℓ(S,B)und ℓ(S∗, B∗) zueinander parallel. Wenn wir jetzt die im ersten Teil bewiesene Gleichung

anwenden, dann ergibt sich CS∗

CS = CB∗

CD . Wegen SA = S∗C erhalten wir SASC = S∗CSC = CS∗

CS .

Wegen AB = CB∗ erhalten wir ABCD = CB∗

CD . Damit ist dann SASC = AB

CD bewiesen.

Wir geben einen zweiten Beweis des Strahlensatzes. In diesem Beweis wird der Strah-lensatz zuerst fur rationale Verhaltnisse bewiesen. Durch Approximation erhalt man dannden allgemeinen Fall.

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6 Elementargeometrie

S

vhu

AC

B

DZweiter Beweis: Wir nehmen wieder an,dass die beiden parallelen Geraden u undv auf derselben Seite von S liegen. Wir be-handeln zuerst den Fall, dass SA

SC rationalist. Es existieren Zahlen k und n in N mitSASC = |SA|

|SC| =kn . Wir setzen q = |SC|

n . Es

gilt |SC| = nq und |SA| = |SC| kn = kq.

Wir teilen die Strecke SC in n gleich langeTeile der Lange q und zeichnen durch dieseUnterteilungspunkte Geraden, die parallelzur Gerade v liegen. Ebenso zeichnen wir durch diese Unterteilungspunkte Geraden, dieparallel zur Gerade h liegen. Dadurch entstehen zueinander kongruente Parallelogramme.Sie sind kongruent, da sie durch geeignete Parallelverschiebungen ineinander ubergehen.

Die an der Srecke SD anliegenden Parallelogramme teilen diese Strecke in n gleich langeTeile, deren Lange wir mit r bezeichnen. Der k-te der so entstehenden Unterteilungspunktefallt mit B zusammen, da ja wegen |SA| = kq die k-te der zu v parallelen Geraden mit u

zusammenfallt. Somit gilt |SD| = nr und |SB| = kr. Es folgt SBSD = |SB|

|SD| =kn .

Die an der Strecke CD anliegenden Parallelogramme teilen diese Strecke in n gleich langeTeile, deren Lange wir mit s bezeichnen. Die Strecke AB wird durch die an sie anliegendenParallelogramme ebenfalls in gleich lange Teile der Lange s unterteilt. Wegen |SA| = kq istk die Anzahl dieser Teile. Es gilt also |CD| = ns und |AB| = ks. Es folgt AB

CD = |AB||CD| =

kn .

Fur den Fall, dass SASC rational ist, haben wir SA

SC = SBSD = AB

CD bewiesen.

SAA1 A2 C

BB1

B2

D

v

g

h

Um den Beweis zu fuhren, wenn SASC nicht

rational ist, teilen wir wie oben die Strecke

SC in n gleiche Teile der Lange q = |SC|n

und zeichnen parallele Geraden zu v bzw.zu h, die SD in n gleiche Teile der Langer und CD in n gleiche Teile der Lange steilen. Die Punkte A und B liegen jetztnicht auf einem Unterteilungspunkt. SeienA1 und A2 die Unterteilungspunkte auf derStrecke SC, zwischen denen A liegt. SeienB1 und B2 die Unterteilungspunkte auf derStrecke SD, zwischen denen B liegt. Die Strecken A1B1 und A2B2 liegen dann parallelzur Strecke AB. Und da es sich bei den Punkten A1, A2, B1, B2 um Unterteilungspunkte

handelt, erhalten wir |SA1||SC| = |SB1|

|SD| = |A1B1||CD| und |SA2|

|SC| = |SB2||SD| = |A2B2|

|CD| aus dem ersten

Teil des Beweises.

Es gilt |SA| < |SA2| und |SB1| < |SB|. Wegen |SA2| = |SA1|+ q folgt |SA| − q < |SA1|und |SA|−q

|SC| < |SA1||SC| = |SB1|

|SD| <|SB||SD| . Setzt man fur q ein, so erhalt man |SA|

|SC| −1n <

|SB||SD| .

Es gilt |SA| > |SA1| und |SB2| > |SB|. Wegen |SA1| = |SA2| − q folgt |SA|+ q > |SA2|und |SA|+q

|SC| > |SA2||SC| = |SB2|

|SD| >|SB||SD| . Setzt man fur q ein, so erhalt man |SA|

|SC| +1n >

|SB||SD| .

Wir haben somit |SA||SC| −

1n < |SB|

|SD| <|SA||SC| +

1n gezeigt. Das gilt fur alle n ∈ N. Daraus

ergibt sich die Gleichheit |SA||SC| =

|SB||SD| , das heißt

SASC = SB

SD .

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Franz Hofbauer 7

Da aber auch |A1B1| < |AB| und |A2B2| > |AB| gelten, kann man diesen Beweisschrittauch mit |A1B1| statt |SB1|, mit |A2B2| statt |SB2|, mit |AB| statt |SB| und mit |CD|statt |SD| durchfuhren und erhalt |SA|

|SC| −1n < |AB|

|CD| <|SA||SC| +

1n . Da dies fur alle n ∈ N

gilt, ist auch |SA||SC| =

|AB||CD| gezeigt, das heißt

SASC = AB

CD .

Der Fall, in dem die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten von S liegen, lasst sichwie im ersten Beweis behandeln.

Wenn die oben vorausgesetzte Situation vorliegt mit zwei einander schneidenden Gera-den g und h, die von zwei parallelen Geraden u und v geschnitten werden, dann verwendetman die in Satz 3 formulierte Version des Strahlensatzes mit orientierten Verhaltnissen.

Oft wendet man den Strahlensatz auch auf ahnliche Dreiecke an. Zwei Dreiecke nenntman ahnlich, wenn sie gleiche Winkel haben. Zwei zueinander ahnliche Dreiecke △ABCund △DEF schreiben wir immer so auf, dass die Winkel bei den erstgenannten Eckpunk-ten ubereinstimmen, (hier sind das A und D), ebenso die bei den zweitgenannten (hierB und E), und daher auch die bei den drittgenannten (hier C und F ). Wir konnen dieDreiecke so ubereinanderlegen, dass der Punkt A auf D liegt, die Seite AB auf DE unddie Seite AC auf DF . Dann sind BC und EF parallel. Aus dem Strahlensatz folgt

|AB||DE| =

|AC||DF | =

|BC||EF | .

In diesem Fall arbeiten wir mit nichtorientierten Abstanden, da die Dreiecke △ABC und△DEF ja irgendwie liegen konnen und man daher nicht von gleicher oder entgegengeset-zter Orientierung der Abstande sprechen kann. Man kann auch drei getrennte Gleichungenaufschreiben und diese ein wenig umformen. Dann erhalt man

|AB||AC| =

|DE||DF | ,

|AB||BC| =

|DE||EF | und |AC|

|BC| =|DF ||EF | .

Wir werden den Strahlensatz oft in dieser Form verwenden.

Wir beweisen noch eine Umkehrung des Strahlensatzes und zuvor einen Hilfssatz.

Hilfssatz A: Wenn die Punkte P , Q und S auf einer Geraden liegen und PS = QS gilt,dann sind P und Q identisch. Wenn die Punkte P , Q, R und S auf einer Geraden liegenund PR

PS = QRQS gilt, dann sind P und Q identisch.

Beweis: Da P , Q und S auf einer Geraden liegen und PS = QS gilt, haben die PunkteP und Q denselben Abstand von S und liegen auch auf der selben Seite von S, da dieAbstande in einer Richtung positives und in der anderen Richtung negatives Vorzeichenhaben. Also sind P und Q identisch und die erste Aussage ist gezeigt.

Jetzt zur zweiten Aussage. Da die Punkte P , Q, R und S auf einer Gerade liegen, giltauch PR = PS+SR und QR = QS+SR. Setzt man das in PR

PS = QRQS ein, so erhalt man

1+ SRPS = 1+ SR

QS . Also gilt PS = QS. Nach der ersten Aussage sind P und Q identisch.

Satz 4 (Umkehrung des Strahlensatzes) Seien g und h zwei Gerade, die einander im PunktS schneiden. Seien A und C Punkte auf g und B und D Punkte auf h, die alle ungleich Ssind. Wenn SA

SC = SBSD gilt, dann liegt die Gerade ℓ(A,B) parallel zur Geraden ℓ(C,D).

Beweis: Sei u die Gerade durch den Punkt A, die parallel zu ℓ(C,D) liegt. Sei B∗ derSchnittpunkt von u mit h. Man beachte, dass ℓ(C,D) und damit auch u nicht parallel zu h

liegen kann. Aus Satz 3 folgt dann SASC = SB∗

SD . Wegen SASC = SB

SD erhalten wir SB∗ = SB.Daraus folgt B∗ = B nach Hilfssatz A, da S, B und B∗ alle auf der Geraden h liegen.Daraus folgt wieder, dass ℓ(A,B) mit der Geraden u zusammenfallt, womit bewiesen ist,dass ℓ(A,B) parallel zu ℓ(C,D) liegt.

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8 Elementargeometrie

Wir kommen zu den Anwendungen des Strahlensatzes. Die Satze von Menelaos und Cevamachen Aussagen uber drei Punkte, die auf den Tragergeraden der Seiten eines Dreiecksliegen. Der Satz von Menelaos gibt eine Bedingung dafur, dass die drei Punkte auf einerGerade liegen. Der Satz von Ceva gibt eine Bedingung dafur, dass die Verbindungsgeradender drei Punkte mit den gegenuberliegenden Eckpunkten durch einen Punkt gehen.

Satz 5 (Satz von Menelaos) Sei △ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A,B), seiE auf der Geraden ℓ(B,C) und sei F auf der Geraden ℓ(C,A) so gewahlt, dass die PunkteD, E und F keine Eckpunkte des Dreiecks sind und alle auf einer Gerade g liegen. Danngilt DA

DB · EBEC · FCFA = 1 (oft auch als ADDB · BEEC · CFFA = −1 geschrieben).

A BD

C∗

A∗

E

F

B∗

C

g

Beweis: Sei A∗ der Fußpunkt desLots vom Punkt A auf die Gerade g,sei B∗ der Fußpunkt des Lots vomPunkt B auf die Gerade g und sei C∗

der Fußpunkt des Lots vom Punkt Cauf die Gerade g. Da die Geradenℓ(A,A∗) und ℓ(B,B∗) parallel liegen,

folgt DADB = AA∗

BB∗ aus dem Strahlen-

satz. Ebenso folgt EBEC = BB∗

CC∗ , daℓ(B,B∗) und ℓ(C,C∗) parallel liegen,

und auch FCFA = CC∗

AA∗ , da ℓ(A,A∗) und

ℓ(C,C∗) parallel liegen. Damit ergibt sich DADB · EBEC · FCFA = AA∗

BB∗ · BB∗

CC∗ · CC∗

AA∗ = 1.

Es gibt eine Umkehrung des Satzes von Menelaos, die wir nicht behandeln.

Satz 6 (Satz von Ceva) Sei △ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A,B), sei Eauf der Geraden ℓ(B,C) und sei F auf der Geraden ℓ(C,A) so gewahlt, dass diese Punktekeine Eckpunkte des Dreiecks sind und dass die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D)durch einen gemeinsamen Punkt P gehen. Dann gilt DA

DB · EBEC · FCFA = −1 (oft auch alsADDB · BEEC · CFFA = 1 geschrieben).

Beweis: Sei g die Gerade durch C parallel zu ℓ(A,B). Da E kein Eckpunkt ist, ex-istiert der Schnittpunkt U der Geraden g mit ℓ(A,E) und ist = C. Da F kein Eckpunktist, existiert der Schnittpunkt V der Geraden g mit ℓ(B,F ) und ist = C. In der linkenZeichnung liegt der Punkt P im Dreieck, in der rechten Zeichnung liegt P außerhalb. Aus

A B

C

D

F

P

E

V Ug

A B

C

F

E

D

P

UVg

dem Strahlensatz folgt PDPC = DA

CU und PDPC = DB

CV . Es gilt also DADB = CU

CV . Ebenfalls aus

dem Strahlensatz erhalten wir EBEC = BA

CU und FCFA = CV

AB . Multiplikation der letzten drei

Gleichungen ergibt DADB · EBEC · FCFA = BA

AB . Wegen BA = −AB folgt DADB · EBEC · FCFA = −1.

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Franz Hofbauer 9

Es gibt auch eine Version des Satzes von Ceva fur parallele Geraden.

Satz 7: Sei △ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A,B), sei E auf der Geradenℓ(B,C) und sei F auf der Geraden ℓ(C,A) so gewahlt, dass diese Punkte keine Eckpunktedes Dreiecks sind und dass die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D) parallel liegen. Danngilt DA

DB · EBEC · FCFA = −1 (was man wieder als ADDB · BEEC · CFFA = 1 schreiben kann).

F

D A B

E

C U VgBeweis: Wir gehen vor wie im letztenBeweis. Sei g die Gerade parallel zuℓ(A,B) durch C. Da E kein Eckpunktist, existiert der Schnittpunkt U der Ge-raden g mit ℓ(A,E) und ist = C. Da Fkein Eckpunkt ist, existiert der Schnitt-punkt V der Geraden g mit ℓ(B,F ) undist = C. Aus dem Strahlensatz folgtdann EB

EC = BACU und FA

FC = ABCV . Da

auch die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) undℓ(C,D) zueinander parallel liegen, er-halten wir CU = DA und CV = DB.Es gilt also EB

EC = BADA und FC

FA = DBAB .

Wir multiplizieren diese Gleichungen und berucksichtigen, dass AB = −BA gilt. Wirerhalten EB

EC · FCFA = −DBDA . Daraus folgt dann DA

DB · EBEC · FCFA = −1.

Wir beweisen noch folgende Umkehrung des Satzes von Ceva.

Satz 8: Sei △ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A,B), sei E auf der Geradenℓ(B,C) und sei F auf der Geraden ℓ(C,A) so gewahlt, dass DA

DB · EBEC · FCFA = −1 gilt.Dann liegen die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D) entweder parallel oder sie schneideneinander in einem Punkt.

Beweis: Liegen die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D) parallel, dann ist nichts zuzeigen. Nehmen wir also an, dass zwei von ihnen, sagen wir ℓ(A,E) und ℓ(C,D), einan-der in einem Punkt P schneiden. Angenommen die Geraden ℓ(B,P ) und ℓ(A,C) warenparallel. Diese Situation sieht man in der Zeichnung links. Aus Satz 3 folgt dann DB

DA = BPAC

und EBEC = BP

CA . Mit Hilfe der Voraussetzung DADB · EBEC · FCFA = −1 erhalten wir FC

FA = 1 und

A B

C

D

PE

A B

C

E

D

P

F ∗

somit FC = FA. Es folgt C = A wegen Hilfssatz A, da C, A und F alle auf der Geradenℓ(A,C) liegen. Dieser Widerspruch zeigt, dass die Geraden ℓ(B,P ) und ℓ(A,C) nichtparallel sein konnen. Sei F ∗ ihr Schnittpunkt. Das ist in der rechten Zeichnung dargestellt.Aus Satz 6 folgt DA

DB · EBEC · F∗C

F∗A = −1. Mit Hilfe der Voraussetzung erhalten wir F∗C

F∗A = FCFA .

Wegen Hilfssatz A folgt F ∗ = F , da die Punkte A, C, F und F ∗ alle auf der Geradeℓ(A,C) liegen. Damit ist gezeigt, dass der Punkt F auf der Gerade ℓ(B,P ) liegt, oderanders ausgedruckt, dass auch die Gerade ℓ(B,F ) durch den Punkt P geht.

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10 Elementargeometrie

3. Der Satz von Pythagoras

C

b ha

A q cH p B

Wir legen die Bezeichnung fur ein rechtwinkeliges Dreieck fest. Den Eckpunkt beimrechten Winkel nennen wir C, die anderen beiden A und B. Die dem rechten Winkelgegenuberliegende Seite heißt Hypotenuse, ihreLange ist c, die anderen beiden Seiten heißenKatheten, ihre Langen sind a und b. Die Winkelheißen wie ublich α, β und γ mit γ = 900. DieHohe durch den Eckpunkt C hat Lange h undFußpunkt H. Die Hypothenuse AB wird durchH in zwei Teile geteilt, deren Langen wir q undp nennen, sodass c = p+ q gilt.

Satz 9: Fur ein rechtwinkeliges Dreieck mit den oben eingefuhrten Bezeichnungen gilt

c2 = a2 + b2 Satz von Pythagoras

a2 = pc und b2 = qc Kathetensatz

h2 = pq Hohensatz

Erster Beweis: Die Dreiecke △AHC und △ACB sind ahnlich, da sie beim Eckpunkt Adenselben Winkel haben, und das erste Dreieck bei H und das zweite bei C einen rechten

Winkel hat. Aus dem Strahlensatz folgt qb = bc und

hb = a

c , das heißt b2 = qc und h2 = a2b2

c2 .

Ebenso sind die Dreiecke △BHC und △BCA ahnlich, woraus pa = a

c und damit a2 = pcfolgt. Somit ist der Kathetensatz bereits bewiesen.

Addiert man a2 = pc und b2 = qc, die beiden Gleichungen aus dem Kathetensatz, so folgta2 + b2 = (p+ q)c = c2, der Satz von Pythagoras. Setzt man die beiden Gleichungen aus

dem Kathetensatz in h2 = a2b2

c2 ein, so folgt h2 = pqc2

c2 = pq, der Hohensatz.

Zweiter Beweis: Wir zeichnen zwei Quadrate Q1 und Q2 mit Seitenlange a + b. Ausjedem der beiden Quadrate schneiden wir vier Mal das Dreieck heraus, wie es in der Zeich-nung zu sehen ist. Vom Quadrat Q1 bleiben zweiQuadrate, das eine mit Seitenlange a, das andere mitSeitenlange b. Vom QuadratQ2 bleibt ein Quadrat mitSeitenlange c. Es ist ein Quadrat, da jeder der Win-kel dieses Vierecks aus einem Winkel von 1800 durchWegnahme von α und β entsteht und α+β = 900 gilt.Da die verbleibende Flache in beiden Fallen gleich sein muss, ist a2 + b2 = c2 gezeigt.

a

h

p

a

h

p

bh

q

bh

q

Die Hohe teilt das rechtwinkelige Dreieck in zwei kleinere rechtwinkelige Dreiecke ∆1 mitSeitenlangen h, p, a und ∆2 mit Seitenlangen h, q, b. Sei ∆das Dreieck mit den Seitenlangen p+ h, q + h und a+ b. Inder linken Zeichnung werden ∆1 und ∆2 aus dem Dreieck∆ so herausgeschnitten, dass ein Quadrat mit Seitenlange hubrigbleibt. In der rechten Zeichnung werden ∆1 und ∆2

aus dem Dreieck ∆ so herausgeschnitten, dass ein Rechteckmit Seitenlangen p und q ubrigbleibt. Die Rechteckflache istsomit gleich der Quadratflache. Es gilt pq = h2. Damit istder Hohensatz bewiesen. Der Kathetensatz folgt aus demSatz von Pythagoras angewandt auf ∆1 und ∆2 und demHohensatz. Wir erhalten a2 = p2 +h2 = p2 + pq = pc und b2 = q2 +h2 = q2 + pq = cq.

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Franz Hofbauer 11

Wir kommen zu den Anwendungen des Satzes von Pythagoras. Der folgende Satz ist derSatz von Carnot. Man kann ihn als Gegenstuck zum Satz von Ceva auffassen. Sind E, Fund D Punkte auf den Tragergeraden der drei Seiten eines Dreiecks △ABC, dann gibt derSatz von Ceva eine Bedingung dafur an, dass die Verbindungsgeraden dieser Punkte mitdem jeweils gegenuberliegenden Eckpunkt des Dreiecks einander in einem Punkt schneiden.Der Satz von Carnot hingegen gibt eine Bedingung dafur an, dass die Senkrechten durchdiese drei Punkte auf die jeweilige Tragergerade einander in einem Punkt schneiden. Esfolgt der Satz von Carnot und dann seine Umkehrung.

Satz 10: Sei△ABC ein Dreieck. SeiD ein Punkt auf ℓ(A,B), sei E ein Punkt auf ℓ(B,C)und F ein Punkt auf ℓ(C,A), sodass die Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A,B), die Geradedurch E senkrecht auf ℓ(B,C) und die Gerade durch F senkrecht auf ℓ(C,A) einander ineinem Punkt P schneiden. Dann gilt |AD|2−|DB|2+ |BE|2−|EC|2+ |CF |2−|FA|2 = 0.

Beweis: Wir zeichnen die Lote vom Punkt P auf die (Verlangerungen der) drei Dreieck-seiten, das sind die Strecken von P nachD, von P nach E und von P nach F . Weiters zeich-

A B

C

D

P

F

E

nen wir die Strecken vom Punkt P zu den dreiEckpunkten A, B und C. Dadurch entstehensechs rechtwinkelige Dreiecke, wobei die rechtenWinkel jeweils bei den PunktenD, E und F liegen.Wir wenden den Satz von Pythagoras auf diesesechs Dreiecke an und erhalten die Gleichungen:|AD|2 = |AP |2 − |DP |2, |DB|2 = |BP |2 − |DP |2,|BE|2 = |BP |2 − |EP |2, |EC|2 = |CP |2 − |EP |2,|CF |2 = |CP |2 − |FP |2, |FA|2 = |AP |2 − |FP |2.Das alles gilt auch, wenn der Punkt P außerhalbdes Dreiecks liegt. Die Lage dieser rechtwinke-ligen Dreiecke ist dann nur etwas komplizierter.Subtrahiert man die ersten beiden Gleichungen, die darauffolgenden beiden Gleichun-gen und die letzten beiden Gleichungen, so hat man |AD|2 − |DB|2 = |AP |2 − |BP |2,|BE|2 − |EC|2 = |BP |2 − |CP |2 und |CF |2 − |FA|2 = |CP |2 − |AP |2. Addiert man diesedrei Gleichungen, so folgt schließlich |AD|2−|DB|2+ |BE|2−|EC|2+ |CF |2−|FA|2 = 0.Das ist bereits das gewunschte Resultat.

Satz 11: Sei△ABC ein Dreieck. SeiD ein Punkt auf ℓ(A,B), sei E ein Punkt auf ℓ(B,C)und sei F ein Punkt auf ℓ(C,A), sodass |AD|2−|DB|2+|BE|2−|EC|2+|CF |2−|FA|2 = 0gilt. Die Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A,B), die Gerade durch E senkrecht auf ℓ(B,C)und die Gerade durch F senkrecht auf ℓ(C,A) schneiden dann einander in einem Punkt.

Beweis: Sei ga die Gerade durch den Punkt E senkrecht auf ℓ(B,C) und gb die Geradedurch den Punkt F senkrecht auf ℓ(C,A). Sei P der Schnittpunkt der Geraden ga und gb.Weiters sei D∗ der Fußpunkt des Lots vom Punkt P auf die Gerade ℓ(A,B). Aus Satz 10erhalten wir |AD∗|2 − |D∗B|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |FA|2 = 0. Nach Vorassetzunggilt |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |FA|2 = 0. Es folgt |AD∗|2 − |D∗B|2 =|AD|2−|DB|2. Setzt man x = DD∗, dann gilt AD∗ = AD+x und x+D∗B = DB. Setztman das ein, so folgt |AD|2 + 2AD · x+ x2 − |DB|2 + 2DB · x− x2 = |AD|2 − |DB|2, dasheißt 2AD · x + 2DB · x = 0. Wegen AD +DB = AB = 0 folgt AB · x = 0 und darausx = 0. Damit ist DD∗ = 0 gezeigt, also D∗ = D. Das Lot von P auf die Gerade ℓ(A,B)geht durch D. Somit liegt P auch auf der Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A,B).

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12 Elementargeometrie

Wir beschaftigen uns noch ein wenig mit dem Kreis.

Satz 12: Sei k ein Kreis mit MittelpunktM und Radius r. Sei P ein Punkt auf k und g eineGerade durch P . Wenn g senkrecht auf die Strecke MP steht, dann liegen alle Punkte derGeraden g mit Ausnahme von P außerhalb des Kreises (g ist eine Tangente an den Kreisk und P ist der Beruhrpunkt). Wenn g nicht senkrecht auf die Strecke MP steht, dannhat g neben P einen zweiten Schnittpunkt Q mit dem Kreis k, die Punkte auf g zwischenP und Q liegen innerhalb des Kreises und alle anderen Punkte auf g liegen außerhalb desKreises (g ist eine Sekante und die Strecke PQ ist eine Sehne des Kreises k).

Beweis: Wir nehmen an, dass g senkrecht auf MP steht. Ist R ein Punkt = P auf g,dann gilt ]MPR = 900 und |MR|2 = |MP |2 + |PR|2 nach dem Satz von Pythagoras. Esfolgt |MR| > |MP | = r. Alle Punkte R auf g, die = P sind, liegen außerhalb des Kreises.

Wir nehmen an, dass g nicht senkrecht auf MP steht. Sei F der Fußpunkt des Lots vonM auf g. Wir spiegeln P an F und erhalten den Punkt Q. Wegen |FQ| = |FP | folgt|MQ|2 = |MF |2 + |FQ|2 = |MF |2 + |FP |2 = |MP |2 = r2 aus dem Satz von Pythagoras.Somit liegt auch Q auf dem Kreis. Ist R ein Punkt auf g zwischen P und Q, dann gilt|FR| < |FP | und es folgt |MR|2 < r2 wie oben. Somit liegt R im Kreis. Ist R ein Punktauf g außerhalb der Strecke PQ, dann gilt |FR| > |FP | und es folgt |MR|2 > r2. Somitliegt R außerhalb des Kreises.

Bemerkung: Zwei Kreise mit MittelpunktenM1 undM2 und Radien r1 und r2 beruhreneinander im Punkt P , wenn sie dort eine gemeinsame Tangente g haben. Die Senkrechteauf g durch P geht dann durch M1 und M2. Es gilt |M1M2| = r1 + r2, wenn sie einandervon außen beruhren, und |M1M2| = |r1 − r2|, wenn einer den anderen von innen beruhrt.

Wir wenden das auf den Arbelos an. Sei AB eine Strecke, auf der ein Punkt C gewahltwird. Uber der Strecke AB als Durchmesser errichten wir einen Halbkreis k. Aus diesemHalbkreis schneiden wir den Halbkreis k1 mit Durchmesser AC und den Halbkreis k2 mitDurchmesser CB heraus. Die verbleibende Figur ist der Arbelos (Archimedes). Seien r,r1 und r2 die Radien und M , M1 und M2 die Mittelpunkte der Halbkreise k, k1 und k2.Es gilt |AB| = 2r, |AC| = 2r1 und |CB| = 2r2. Wegen |AB| = |AC| + |CB| erhaltenwir r = r1 + r2. Weiters berechnen wir |MM1| = |MA| − |M1A| = r − r1 = r2 und|MM2| = |MB| − |M2B| = r − r2 = r1. Ein Arbelos hat einen Inkreis. Es ist der Kreis,der den Halbkreis k von innen und die beiden Halbkreise k1 und k2 von außen beruhrt.

Satz 13: Fur den Radius ϱ des Inkreises gilt ϱ = r1r2(r1+r2)r21+r1r2+r

22.

A FC BM1 M M2

k

k2

k1I

Beweis: Sei I der Mittelpunkt des Inkreisesund F der Fußpunkt des Lots von I auf AB.Wir setzen d = |MF | und h = |IF |. Wirverwenden den Satz von Pythagoras. Es gilt(r − ϱ)2 = |IM |2 = d2 + h2, da der Inkreisden Halbkreis k von innen beruhrt. Es gilt(r1 + ϱ)2 = |IM1|2 = (r2 + d)2 + h2 und(r2 + ϱ)2 = |IM2|2 = (r1 − d)2 + h2, da derInkreis die Halbkreise k1 und k2 von außenberuhrt. Wir losen diese drei Gleichungen. Subtraktion der ersten Gleichung von denbeiden anderen gibt r21 +2r1ϱ− r2+2rϱ = r22 +2r2d und r22 +2r2ϱ− r2+2rϱ = r21 +2r1d.Aus diesen beiden Gleichungen eliminieren wir d und setzen r = r1 + r2 ein. Dadurcherhalten wir dann ϱ = r1r2(r1+r2)

r21+r1r2+r22.

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Franz Hofbauer 13

Satz 14: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r. Eine Gerade g schneide k inden Punkten A und B. Sei P ein weiterer Punkt auf g. Dann gilt PA ·PB = |MP |2 − r2.

Beweis: Sei h die Lange des Lots von M auf g und F dessen Fußpunkt. Wenn g durch Mgeht, dann gilt h = 0 und F =M . Sei a = PA und b = PB. Aus den Rechenregeln fur denorientierten Abstand folgt AB = AP + PB = PB − PA = b− a und AF = 1

2AB = b−a2 .

Damit ergibt sich PF = PA + AF = a + b−a2 = a+b

2 . Setzt man c = |MP | dann folgen

A B A BP PF F

M M

T

c2 = h2 + (a+b2 )2 und r2 = h2 + ( b−a2 )2 aus dem Satz von Pythagoras. Subtrahiert man

diese Gleichungen, dann erhalt man c2 − r2 = ab, das heißt |MP |2 − r2 = PA · PB.

Satz 14 heißt Sehnensatz, wenn P auf der Sehne AB liegt (linke Zeichnung). In diesemFall gilt |PA| · |PB| = r2 − |MP |2, da PA und PB verschiedene Vorzeichen haben. LiegtP außerhalb des Kreises auf der Sekante durch A und B, dann heißt Satz 14 Sekantensatz(rechte Zeichnung). In diesem Fall gilt |PA| · |PB| = |MP |2 − r2, da PA und PB gleichesVorzeichen haben. Ist T der Beruhrpunkt einer Tangente an den Kreis und P ein Punktauf dieser Tangente, dann folgt |PT |2 = |MP |2 − r2 aus dem Satz von Pythagoras. DerSekantensatz gilt auch, wenn A und B in einem Punkt T zusammenfallen und P auf derTangente durch diesen Punkt liegt.

Wir beweisen noch eine andere Version des Sehnen-Sekanten-Satzes.

Satz 15: Seien g und h Gerade, die einander in einem Punkt P schneiden. Seien A und BPunkte auf g und C und D Punkte auf h, die alle ungleich P sind. Dann sind aquivalent(a) es gilt PA · PB = PC · PD(b) die Punkte A, B, C und D liegen auf einem KreisFallen zwei Punkte, die auf einer Gerade liegen, zusammen, dann bedeutet die Aussage“die Punkte liegen auf einem Kreis”, dass der Kreis die Gerade in diesem Punkt beruhrt.

Beweis: Es gelte (b). Sei M der Mittelpunkt und r der Radius des Kreises. Nach Satz 14gilt PA · PB = |MP |2 − r2 und PC · PD = |MP |2 − r2. Daraus erhalten wir (a).

Es gelte (a). Sei k der Kreis durch die Punkte A, B und C. Da C ungleich P ist undsomit nicht auf g liegt, existiert dieser Kreis. (Im Fall A = B ist k der Umkreis desDreiecks △ABC. Im Fall A = B ist k der Kreis durch C, der g im Punkt A beruhrt; seinMittelpunkt ist der Schnittpunkt der Symmetrale der Strecke AC und der Senkrechtendurch A auf g – hier werden auch Resultate aus dem nachsten Kapitel verwendet). DieGerade h ist entweder Sekante oder Tangente des Kreises k. Im ersten Fall sei D∗ derSchnittpunkt = C von h und k. Im zweiten Fall sei D∗ gleich C. Aus dem ersten Teildieses Beweises folgt dann PA ·PB = PC ·PD∗. Da wir PA ·PB = PC ·PD voraussetzen,ergibt sich PD = PD∗ (wegen P = C gilt ja PC = 0). Da P , D und D∗ auf der Geradeh liegen, muss D = D∗ nach Hilfssatz A gelten. Damit ist (b) gezeigt.

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14 Elementargeometrie

4. Das Dreieck

Zwei Dreiecke heißen kongruent, wenn sich das eine durch Verschieben, Drehen, Spiegelnin das andere uberfuhren lasst. Zwei zueinander kongruente Dreiecke △ABC und △PQRschreiben wir immer so auf, dass die erstgenannten Eckpunkte einander entsprechen (hiersind das A und P ), ebenso die zweitgenannten (hier B und Q), und daher dann auch diedrittgenannten (hier C und R). Sind zwei Dreiecke kongruent, dann sind die einanderentsprechenden Seiten gleich lang und die einander entsprechenden Winkel gleich groß.Kongruente Dreiecke haben naturlich auch gleiche Flache und so weiter. Um festzustellen,ob zwei Dreiecke kongruent sind, verwendet man folgenden Kongruenzsatz.

Satz 16: Zwei Dreiecke sind kongruent, wenn folgende Großen ubereinstimmen(a) die Langen der drei Seiten(b) die Langen zweier Seiten und der von diesen eingeschlossene Winkel(c) die Langen zweier Seiten und der der langeren Seite gegenuberliegende Winkel(d) die Lange einer Seite und die beiden daran anliegenden Winkel

Der Beweis ergibt sich aus der Tatsache, dass man in allen vier Fallen das Dreieck ausden angegebenen Großen eindeutig konstruieren kann. In (c) ist es wichtig, dass der derlangeren Seite gegenuberliegende Winkel ubereinstimmt. Gibt man zwei Seiten vor undden der kurzeren Seite gegenuberliegenden Winkel, dann kann es passieren, dass man ausdiesen Angaben zwei Dreiecke konstruieren kann, die nicht kongruent sind.

Hat man zwei rechtwinkelige Dreiecke, dann sind diese nach (b) kongruent, wenn dieLangen der beiden Katheten ubereinstimmen. Stimmen die Langen der Hypotenuse undeiner Kathete uberein, dann sind sie nach (c) kongruent, da die Hypotenuse dem rechtenWinkel gegenuber liegt und langer als die Kathete ist.

Wir behandeln die besonderen Punkte des Dreiecks. Wir beginnen mit dem Schwerpunktund dem Hohenschnittpunkt, da wir dafur den Strahlensatz verwenden. Fur Umkreis- undInkreismittelpunkt verweden wir dann den Kongruenzsatz. Die Schwerlinien verbinden dieMittelpunkte der Dreieckseiten mit dem jeweils gegenuberliegenden Eckpunkt.

Satz 17: Die drei Schwerlinien eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt S, demsogenannten Schwerpunkt, der jede Schwerlinie im Verhaltnis 1 : 2 teilt.

A BMc

S

MaMb

CBeweis: Sei Ma der Mittelpunkt der Seite BC,sei Mb der Mittelpunkt der Seite CA und sei Mc

der Mittelpunkt der Seite AB. Der Schnittpunktder Geraden ℓ(C,Mc) und ℓ(B,Mb) sei S. WegenAMb

AC = 12 = AMc

AB folgt aus Satz 4, dass die Ge-raden ℓ(Mc,Mb) und ℓ(B,C) parallel liegen. AusSatz 3 folgt jetzt 1

2 = AMc

AB = McMb

BC . Wieder mit

Satz 3 ergibt sich SMc

SC = McMb

CB = −McMb

BC = − 12

und SMb

SB = MbMc

BC = −McMb

BC = − 12 .

Ist T der Schnittpunkt der Geraden ℓ(C,Mc) undℓ(A,Ma), dann folgt analog TMc

TC = McMa

CA = − 12

und TMa

TA = MaMc

AC = − 12 . Da die Punkte C, S, T

und Mc auf der Geraden ℓ(C,Mc) liegen und SMc

SC = TMc

TC gilt, erhalten wir S = T aus

Hilfssatz A. Die Schwerlinien schneiden einander im Punkt S. Da SMc

SC = − 12 ,

SMb

SB = − 12

und SMa

SA = − 12 gilt, teilt der Schwerpunkt S jede Schwerlinie im Verhaltnis 1 : 2.

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Franz Hofbauer 15

Die Hohen gehen durch die Eckpunkte des Dreiecks und stehen senkrecht auf die jeweilsgegenuberliegende Dreieckseite.

Satz 18: Die drei Hohen eines Dreiecks △ABC schneiden einander in einem Punkt H,dem sogenannten Hohenschnittpunkt.

G

D

C

A B

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dannwahlen wir die Bezeichnungen so, dass γ der Winkel≥ 900 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz.Sei D der Fußpunkt der Hohe durch C. Er liegt zwi-schen A und B, da die Winkel α und β spitz sind.Weiters sei G der Schnittpunkt der Hohe durch denEckpunkt C mit der durch den Eckpunkt A. DieDreiecke △ADG und △CDB sind ahnlich. BeideDreiecke haben bei D einen rechten Winkel und derWinkel bei G im ersten stimmt mit dem Winkel βbei B im zweiten Dreieck uberein, da die Hohen senkrecht auf den Seiten stehen (Orthogo-

nalwinkel). Aus dem Strahlensatz folgt |AD||DG| =

|CD||DB| , das heißt |DG| · |CD| = |AD| · |DB|.

Ist jetzt H der Schnittpunkt der Hohe durch den Eckpunkt C mit der durch den EckpunktB, dann zeigt ein analoger Beweis, dass auch |DH| · |CD| = |BD| · |DA| gilt. Es folgt|DG| = |DH|. Da die Punkte D, G und H alle auf einer Geraden, der Hohe durch C,liegen und G und H auch auf derselben Seite von D wie C (α und β sind ja spitze Winkel),erhalten wir G = H. Somit schneiden die Hohen eines Dreiecks einander in einem Punkt.

Wir kommen zum Umkreis- und Inkreismittelpunkt.

Seien U und V zwei Punkte. Die Symmetrale der Strecke UV ist die Gerade s, diesenkrecht auf die Strecke UV steht und durch deren Mittelpunkt M geht.

Zu jedem Dreieck △ABC kann man das Seitenmittendreieck zeichnen, das ist das Drei-eck, dessen Eckpunkte die Mittelpunkte der Seiten des urspruglichen Dreiecks sind. DieSymmetralen der Seiten des ursprunglichen Dreiecks △ABC sind die Hohen des Seiten-mittendreiecks. Daher folgt bereits aus Satz 18, dass diese Symmetralen einander in einemPunkt schneiden. Wir werden das aber noch auf andere Art beweisen. Dazu zeigen wir

Satz 19: Seien U und V zwei Punkte und s die Symmetrale der Strecke UV . Ein PunktP liegt genau dann auf s, wenn er von U und V gleichen Abstand hat.

U M V

s

P

Beweis: Sei M der Mittelpunkt der Strecke UV . Weiters sei P ein beliebiger Punkt.Liegt P auf s, dann sind die Dreiecke △PMUund △PMV kongruent, da sie die Seite PMgemeinsam haben, da MU und MV gleich langsind, und da wegen P auf s die Winkel ]PMUund ]PMV beide 900 sind. Es folgt, dass PUund PV gleich lang sind. Somit hat der PunktP gleichen Abstand von den Punkten U und V .Hat P gleichen Abstand von U und von V , dann sind die Dreiecke △PMU und △PMVkongruent, da sie die Seite PM gemeinsam haben, die Strecken MU und MV gleich langsind, und ebenso die Strecken PU und PV . Es folgt, dass die Winkel ]PMU und ]PMVgleich groß sind, also beide gleich 900. Somit liegt P auf der Streckensymmetrale s.

Aus Satz 19 folgt, dass der Mittelpunkt M eines Kreises k auf der Streckensymmetralejeder Sehne des Kreises k liegt, da deren Endpunkte gleichen Abstand von M haben.

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16 Elementargeometrie

Die Streckensymmetralen der Seiten eines Dreiecks nennen wir die Seitensymmetralen.

Satz 20: Die drei Seitensymmetralen eines Dreiecks △ABC schneiden einander in einemPunkt U , dem Mittelpunkt des Umkreises.

A

sasb

U

B

CBeweis: Sei U der Schnittpunkt der Seitensym-metrale sa der Seite BC mit der Seitensymmetralesb der Seite CA. Da U sowohl auf sa als auch aufsb liegt, ergibt sich |UB| = |UC| und |UA| = |UC|aus Satz 19. Es folgt |UA| = |UB|. Wegen Satz 19liegt U dann auch auf der Seitensymmetrale scder Seite AB. Das zeigt, dass die drei Seiten-symmetralen einander im Punkt U schneiden. DaU gleichen Abstand r von den Eckpunkten A, Bund C hat, geht der Kreis mit Mittelpunkt U undRadius r durch die Eckpunkte A, B und C.

Ein Winkel wird von zwei Halbgeraden, den Schenkeln des Winkels, gebildet. Sie gehenvon einem Punkt, dem Scheitel des Winkels, aus und schließen einen Winkel < 1800 ein.Das von den Schenkeln begrenzte Gebiet nennen wir Winkelfeld. Die Winkelsymmetraleist dann ebenfalls eine Halbgerade, die vom Scheitel ausgeht und den Winkel halbiert.

Satz 21: Seien g und h die Schenkel eines Winkels mit Scheitel S und P ein Punkt imWinkelfeld zwischen g und h. Der Punkt P liegt genau dann auf der Winkelsymmetrale w,wenn er von g und h gleichen Normalabstand hat. In diesem Fall hat auch der Scheitel Sgleichen Abstand von den Fußpunkten der Lote von P auf die Schenkel g und h.

PH

GP H

G

S

h

g

w

Beweis: Seien G und H die Fußpunkte der Lote vonP auf die Halbgeraden g und h, die auch auf derenVerlangerungen liegen konnen (siehe Zeichnung).Wir nehmen zuerst an, dass P auf w liegt. Da derWinkel zwischen den Schenkeln g und h kleiner als1800 ist, ist der Winkel zwischen w und jedem derbeiden Schenkel kleiner als 900. Die Fußpunkte G undH der Lote von P auf g und h liegen daher auf diesenHalbgeraden und nicht auf deren Verlangerungen. DieDreiecke △PSG und △PSH sind kongruent, da siedie Seite PS gemeinsam haben, da die Winkel ]SGP und ]SHP beide gleich 900 sind,und da P auf w liegt und somit ]PSG = ]PSH gilt. Es folgt, dass die Strecken PGund PH gleich lang sind. Somit hat der Punkt P gleichen Normalabstand von g und h.

Wir nehmen an, dass P gleichen Normalabstand von g und h hat. Dann sind die Dreiecke△PSG und △PSH kongruent, da sie die Seite PS gemeinsam haben, die Winkel ]SGPund ]SHP beide gleich 900 sind, und da |PG| = |PH| gilt. Es folgt ]PSG = ]PSH.Die Dreiecke △PSG und △PSH konnen nicht auf derselben Seite von PS liegen (sieheZeichnung), sonst wurden die beiden Schenkel g und h wegen ]PSG = ]PSH auf einerGerade liegen. Sie wurden dann einen Winkel von 1800 einschließen, was wir oben aus-geschlossen haben. Somit mussen die Dreiecke △PSG und △PSH auf verschiedenenSeiten von PS liegen. Wegen ]PSG = ]PSH liegt dann der Punkt P auf w.

Aus der Kongruenz der Dreiecke △PSG und △PSH folgt auch, dass SG und SH gleichlang sind. Der Punkt S hat gleichen Abstand von den Fußpunkten der beiden Lote.

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Franz Hofbauer 17

Bemerkung: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und S ein Punkt außerhalb des Kreises.Seien g und h die Tangenten vom Punkt S an den Kreis k und G und H die Beruhrpunkte.Dann sind MG und MH die Lote vom Mittelpunkt M auf die Tangenten g und h. Siehaben gleiche Lange, da sie ja Radien des Kreises sind. Aus Satz 21 folgt dann, dass derMittelpunkt M auf der Symmetrale des Winkels, der von den Tangenten g und h gebildetwird, liegt. Weiters gilt |SG| = |SH|, das heißt die Abschnitte der Tangenten von S biszu den Beruhrpunkten sind gleich lang.

Satz 22: Die drei Symmetralen der Innenwinkel eines Dreiecks△ABC schneiden einanderin einem Punkt I, dem Mittelpunkt des Inkreises.

A B

C

I

wβwα

Beweis: Sei I der Schnittpunkt der Winkelsymmetralewα durch den Eckpunkt A mit der Winkelsymmetralewβ durch den Eckpunkt B. Er liegt im Durchschnitt derWinkelfelder der Winkel α und β und somit innerhalbdes Dreiecks. Da I auf wα liegt, hat I nach Satz 21 dengleichen Normalabstand von den Seiten AB und AC.Da I auf wβ liegt, hat I den gleichen Normalabstand

von den Seiten BA und BC. Es folgt, dass I den glei-chen Normalabstand von den Seiten CA und CB hat. Wegen Satz 21 liegt I auch auf derWinkelsymmetrale wγ durch den Eckpunkt C. Somit schneiden die drei Winkelsymmetra-len einander im Punkt I. Da I den gleichen Normalabstand ϱ von allen drei Dreicksseitenhat, beruhrt der Kreis mit Mittelpunkt I und Radius ϱ alle drei Seiten des Dreiecks.

Satz 23: Sei △ABC ein beliebiges Dreieck. Wir wahlen eine Seite des Dreiecks undden dieser Seite gegenuberliegneden Eckpunkt. Die Symmetralen der beiden Außenwinkel,die an die gewahlte Seite anliegen, und die Symmetrale des Innenwinkels beim gewahltenEckpunkt schneiden einander in einem Punkt, dem Mittelpunkt eines Ankreises.

A B

C

Ia

g

hwγ

Beweis: Wir fuhren den Beweis nur fur die Seite BCund den dieser Seite gegenuberliegenden Eckpunkt A.Sei Ia der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale wβ des

an der Seite BC anliegenden Außenwinkels beim Eck-punktB mit der Winkelsymmetralen wγ des an der Seite

BC anliegenden Außenwinkels beim Eckpunkt C. Seig die Halbgerade, die man erhalt, wenn man die SeiteAB uber B hinaus verlangert, und h die Halbgerade,die man erhalt, wenn man die Seite AC uber C hinausverlangert. Der Schnittpunkt Ia liegt im Durchschnittder Winkelfelder der beiden Außenwinkel und somit imWinkelfeld des Innenwinkels bei A, dessen Schenkel g und h sind. Da Ia auf wβ liegt, hat

Ia nach Satz 21 den gleichen Normalabstand von g und der Seite BC. Da Ia auf wγ liegt,

hat Ia nach Satz 21 den gleichen Normalabstand von h und der Seite BC. Es folgt, dassIa den gleichen Normalabstand von g und h hat. Wegen Satz 21 liegt Ia auch auf derSymmetrale wα des Innenwinkels beim Eckpunkt A. Somit schneiden die drei Winkelsym-metralen wβ , wγ und wα einander im Punkt Ia. Da Ia den gleichen Normalabstand ϱavon g, h und der Dreieckseite BC hat, beruhrt der Kreis mit Mittelpunkt Ia und Radiusϱa die Dreieckseite BC und die Verlangerungen der beiden anderen Seiten.

Mit ahnlichen Methoden wie Satz 19 und Satz 21 beweisen wir auch den folgenden Satz.

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18 Elementargeometrie

Satz 24: Sei △ABC ein Dreieck. Dann ist |AC| = |BC| aquivalent zu ]BAC = ]ABC.Beweis: Sei F der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit der Seite AB.

Es gelte |AC| = |BC|. Die Dreiecke △AFC und △BFC sind kongruent, da sie die SeiteCF gemeinsam haben, da ]ACF = ]BCF gilt und da AC und BC gleich lang sind. Esfolgt ]FAC = ]FBC, das heißt ]BAC = ]ABC, da F ja zwischen A und B liegt.

Es gelte ]BAC = ]ABC. Die Dreiecke △AFC und △BFC sind kongruent, da sie dieSeite CF gemeinsam haben und da ]ACF = ]BCF und ]BAC = ]ABC gilt. Esfolgt, dass die Seiten AC und BC gleich lang sind, also |AC| = |BC| gilt.

5. Die besonderen Punkte mit Ceva und Carnot

Wir beweisen die Satze uber die besonderen Punkte eines Dreiecks △ABC mit Hilfeder Umkehrung des Satzes von Ceva (Satz 8) oder der des Satzes von Carnot (Satz 11).

Wir beginnen mit den Schwerlinien und den Seitensymmetralen. Sei D der Mittelpunktder Dreieckseite AB, sei E der der Dreieckseite BC und F der der Dreieckseite CA. Danngilt DB = −DA, EC = −EB und FA = −FC. Es folgt DA

DB · EBEC · FCFA = −1. AusSatz 8 ergibt sich daher, dass die drei Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D), das sind diedrei Schwerlinien, einander in einem Punkt schneiden. Die Schwerlinien konnen ja nichtparallel liegen. Weiters erhalten wir |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |FA|2 = 0.Aus Satz 11 folgt daher, dass die drei Senkrechten durch D, E und F auf die jeweiligeDreieckseite, das sind die drei Seitensymmetralen, einander in einem Punkt schneiden.

Fur die Winkelsymmetralen verwenden wir die Umkehrung des Satzes von Ceva. AlsVorbereitung beweisen wir folgenden Satz.

Satz 25: Sei △ABC ein Dreieck. Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch Cmit AB, E der der Winkelsymmetrale durch A mit BC und F der der Winkelsymmetrale

durch B mit AC. Dann gilt ADDB = |AC|

|BC| ,BEEC = |BA|

|CA| undCFFA = |CB|

|AB| .

G

D

C

A B

F E

γ2

γ2

Beweis: Wir fuhren den Beweis nur fur die Win-kelsymmetrale durch C. Ihr Schnittpunkt mit derSeite AB wurde mit D bezeichnet. Wir zeichnendie Parallele zur Seite AC durch den EckpunktB. Sie schneidet die Winkelsymmetrale durch C ineinem Punkt, den wir G nennen. Aus dem Strah-lensatz folgt DA

DB = ACBG . Da D immer zwischen A

und B liegt, hat DADB negatives Vorzeichen. Es folgt

ADDB = |DA|

|DB| =|AC||BG| . Da BG parallel zu AC liegt,

erhalten wir ]BGD = ]ACD = γ2 . Da auch

]BCD = γ2 gilt, ist das Dreieck △CBG gleich-

schenkelig (Satz 24). Es gilt |BG| = |BC|. Damit

ist ADDB = |AC|

|BC| gezeigt. Die beiden anderen Glei-

chungen beweist man ganz analog.

Sind D, E und F die Schnittpunkte der Winkelsymmetralen mit den gegenuberliegendenSeiten, wie sie in Satz 25 eingefuhrt wurden, dann ergibt sich aus diesem Satz sofort, dassDADB · EBEC · FCFA = −|AC|

|BC| · −|BA||CA| · −|CB|

|AB| = −1 gilt. Aus Satz 8 erhalten wir dann, dass die drei

Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D), das sind die drei Winkelsymmetralen, einander ineinem Punkt schneiden. Die Winkelsymmetralen konnen ja nicht parallel liegen.

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Franz Hofbauer 19

Fur die Hohen konnen wir beide Satze verwenden. Wir verwenden die Umkehrung desSatzes von Carnot. Als Vorbereitung beweisen wir folgenden Satz.

Satz 26: Sei△ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c. SeiD der Fußpunkt der Hohedurch C, sei E der Fußpunkt der Hohe durch A und sei F der Fußpunkt der Hohe durch B.Dann gilt |AD|2−|DB|2 = b2−a2, |BE|2−|EC|2 = c2− b2 und |CF |2−|FA|2 = a2− c2.

Beweis: Die Hohe durch C mit Fußpunkt D teilt das Dreieck △ABC in zwei rechtwinke-lige Dreiecke, fur die |AD|2 + |DC|2 = b2 und |BD|2 + |DC|2 = a2 nach dem Satz vonPythagoras gilt. Subtrahieren wir die zweite von der ersten Gleichung, so ergibt sich|AD|2 − |DB|2 = b2 − a2. Die anderen beiden Gleichungen beweist man analog.

Sind D, E und F die Hohenfußpunkte, wie sie in Satz 26 eingefuhrt wurden, dann folgt|AD|2−|DB|2+ |BE|2−|EC|2+ |CF |2−|FA|2 = b2−a2+ c2− b2+a2− c2 = 0 aus ebendiesem Satz. Aus Satz 11 erhalten wir dann, dass die drei Senkrechten durch D, E und Fauf die jeweilige Dreieckseite, das sind die drei Hohen, einander in einem Punkt schneiden.

Neben den vier besonderen Punkten, die wir hier behandelt haben, gibt es noch vieleweitere Punkte, die ebenfalls als besondere Punkte des Dreiecks bezeichnet werden. Imfolgenden Satz behandeln wir einen dieser Punkte, den sogenannten Gergonnepunkt.

Satz 27: Sei △ABC ein Dreieck. Sei D der Punkt, in dem der Inkreis die Seite ABberuhrt, E der Punkt, in dem der Inkreis die Seite BC beruhrt und F der Punkt, in demder Inkreis die Seite AC beruhrt. Dann schneiden die drei Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) undℓ(C,D) einander in einem Punkt. Dieser Punkt heißt Gergonnepunkt des Dreiecks.

Beweis: Es gilt |AD| = |AF |, da D und F die Beruhrpunkte der Tangenten von A an denInkreis sind. Ebenso gilt |BD| = |BE| und |CE| = |CF |. Da D immer zwischen A und

B liegt und DA und DB daher entgegengesetzt orientiert sind, ergibt sich DADB = − |AD|

|BD| .

Ebenso folgt EBEC = − |BE|

|CE| und FCFA = − |CF |

|AF | . Wir erhalten damit DADB · EBEC · FCFA = −1.

Aus Satz 8 folgt, dass die Geraden ℓ(A,E), ℓ(B,F ) und ℓ(C,D) einander in einem Punktschneiden. Sie konnen ja nicht parallel liegen.

6. Eulergerade, Neunpunktkreis und zentrische Streckungen

Sei c ∈ R\{0, 1} und Z ein beliebiger Punkt in der Ebene. Wir definieren eine Abbildungφ der Ebene in sich selbst. Ist P ein Punkt in der Ebene, aber ungleich Z, dann sei φ(P )der eindeutig bestimmte Punkt V auf der Geraden ℓ(Z,P ), fur den ZV

ZP = c gilt. Weiterssei φ(Z) = Z. Durch diese Abbildung wird die Ebene vom Punkt Z aus um den Faktorc gestreckt. (Ist |c| < 1, dann wird sie gestaucht.) Bei negativem c wird außerdem amPunkt Z gespiegelt. Man nennt diese Abbildung die zentrische Streckung mit Zentrum Zund Streckungsfaktor c. Zuerst beweisen wir Eigenschaften dieser zentrischen Streckung.

Hilfssatz B: Sei φ die zentrische Streckung mit Zentrum Z und Streckungsfaktor c. SeienP und Q Punkte, die ungleich Z sind. Sei V = φ(P ) und W = φ(Q). Dann liegt ℓ(P,Q)parallel zu ℓ(V,W ) und es gilt |VW | = |c| · |PQ|.

Beweis: Wenn Z auf der Gerade ℓ(P,Q) liegt, dann tun das auch V und W , da nachDefinition von φ ja V auf ℓ(Z,P ) und W auf ℓ(Z,Q) liegt. Es gilt also ℓ(P,Q) = ℓ(V,W ).Weiters gilt VW = V Z + ZW = c · PZ + c · ZQ = c · (PZ + ZQ) = c · PQ. Setzt manBetrage, so ergibt sich |VW | = |c| · |PQ|.

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20 Elementargeometrie

Es bleibt der Fall, dass Z nicht auf ℓ(P,Q) liegt. Nach Definition von φ haben wir zweiGerade g und h, die einander im Punkt Z schneiden, mit P und V auf der Geraden g undmit Q und W auf der Geraden h, sodass ZV

ZP = c und ZWZQ = c gilt. Aus Satz 4 folgt, dass

die Geraden ℓ(P,Q) und ℓ(V,W ) parallel zueinander liegen. Aus Satz 3 folgt jetzt, dassVWPQ = ZV

ZP , alsoVWPQ = c gilt. Daraus ergibt sich |VW | = |c| · |PQ|.

Damit konnen wir die Eulergerade und den Neunpunktkreis behandeln.

Satz 28: In einem Dreieck △ABC liegen der Hohenschnittpunkt H, der Schwerpunkt Sund der Umkreismittelpunkt U auf einer Geraden und es gilt SU

SH = − 12 . Die Gerade durch

diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade.

A BMc

U

MaMb

S

H

CBeweis: Sei φ die zentrische Streck-ung mit Streckungsfaktor c = − 1

2 , dieden Schwerpunkt S des Dreiecks alsZentrum hat. Sei Mc der Mittelpunktder SeiteAB undMa der der SeiteBC.Nach Satz 17 liegen die Punkte S, Mc

und C auf einer Schwerlinie und es giltSMc

SC = − 12 , woraus φ(C) = Mc folgt.

Sei G = φ(H). Nach Hilfssatz B liegtℓ(G,Mc) parallel zur Gerade ℓ(H,C),die senkrecht auf ℓ(A,B) steht. Alsosteht auch ℓ(G,Mc) senkrecht auf ℓ(A,B) und ist daher die Symmetrale der DreieckseiteAB. Analog zeigt man, dass φ(A) =Ma gilt und ℓ(G,Ma) die Symmetrale der DreieckseiteBC ist. Also liegt der Punkt G sowohl auf der Symmetrale der Dreieckseite AB als auchauf der Symmetrale der Dreieckseite BC und ist somit der Umkreismittelpunkt U . Wirhaben φ(H) = U gezeigt. Das bedeutet, dass die Punkte U , S und H auf einer Geradenliegen und dass SU

SH = − 12 gilt.

Sei △ABC ein Dreieck mit Hohenschnittpunkt H, Umkreismittelpunkt U und Umkreis-radius r. Sei N der Mittelpunkt der StreckeHU . Der Kreis mit Mittelpunkt N und Radiusr2 heißt Neunpunktkreis. Er wird auch Feuerbachkreis oder Eulerkreis genannt.

Satz 29: Seien Ha, Hb und Hc die Hohenfußpunkte undMa,Mb undMc die Seitenmitteneines Dreiecks △ABC. Sei H der Hohenschnittpunkt und Ra, Rb und Rc die Mittelpunkteder Strecken HA, HB und HC. (Diese werden manchmal Eulerpunkte genannt.) Dannliegen die neun Punkte Ha, Hb, Hc, Ma, Mb, Mc, Ra, Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis.

Beweis: Sei ψ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = 12 , die den Hohen-

schnittpunkt H als Zentrum hat. Fur einen beliebigen Punkt P = H gilt dann, dassψ(P ) der Mittelpunkt der Strecke HP ist. Daraus folgt, dass ψ(A) = Ra, ψ(B) = Rb,ψ(C) = Rc und ψ(U) = N gilt. Aus Hilfssatz B folgt |NRa| = 1

2 |UA|, |NRb| =12 |UB|

und |NRc| = 12 |UC|. Da die Eckpunkte A, B und C des Dreiecks auf dem Umkreis liegen,

erhalten wir |UA| = r, |UB| = r und |UC| = r. Das ergibt |NRa| = r2 , |NRb| =

r2 und

|NRc| = r2 . Somit liegen die Punkte Ra, Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis.

Sei φ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = − 12 , die den Schwerpunkt S des

Dreiecks als Zentrum hat. Das ist die selbe, die wir im letzten Beweis verwendet haben.Dort wurde gezeigt, dass φ(C) =Mc gilt. Analog zeigt man φ(A) =Ma und φ(B) =Mb.Wir uberlegen uns, dass auch φ(U) = N gilt.

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Franz Hofbauer 21

Sei G = φ(U). Im letzten Beweis wurde φ(H) = U gezeigt. Die vier Punkte U , S, G undH liegen dann auf einer Gerade, das ist die oben eingefuhrte Eulergerade (Zeichnung linksunten). Wegen SU = − 1

2SH und SG = − 12SU gilt SH = 2US und US = 2SG. Es folgt

UG = US + SG = 2SG+ SG = 3SG und

GH = GS + SH = GS + 2US = −SG+ 4SG = 3SG

Es gilt also UG = GH. Somit ist G der Mittelpunkt der Strecke HU , das heißt G = N .Wir haben φ(U) = N gezeigt.

Wie oben folgt jetzt |NMa| = 12 |UA| =

r2 , |NMb| = 1

2 |UB| = r2 und |NMc| = 1

2 |UC| =r2 .

Damit ist gezeigt, dass auch die Punkte Ma, Mb und Mc auf dem Neunpunktkreis liegen.

G

S

H

U

A Mc B

Mb Ma

C

NH

U

P Q

FA Hc Mc B

C

Wir zeigen, dass die Punkte Ha, Hb und Hc auf dem Neunpunktkreis liegen (Zeichnungrechts). Sei F der Fußpunkt des Lotes von N auf ℓ(A,B). Wir zeichnen die Parallele durchN zur Seite AB. Sie schneidet die Hohe durch C im Punkt P und die Symmetrale der SeiteAB im Punkt Q. Da die Hohe durch C, das Lot von N auf ℓ(A,B) und die Symmetraleder Seite AB parallel sind, gilt einerseits |NP | = |FHc| und |NQ| = |FMc|, andererseitsfolgt NP

NQ = NHNU aus dem Strahlensatz. Da N die Strecke HU halbiert, gilt NH

NU = −1

und daher auch NPNQ = −1. Es folgt |NP | = |NQ|, also auch |FHc| = |FMc|. Somit ist

ℓ(F,N) die Symmetrale der Strecke HcMc. Da N auf dieser Symmetrale liegt, erhaltenwir |NHc| = |NMc| aus Satz 19. Oben wurde |NMc| = r

2 gezeigt. Es folgt |NHc| = r2 .

Somit liegt auch Hc auf dem Neunpunktkreis.

Analog zeigt man, dass auch die beiden anderen Hohenfußpunkte Ha und Hb auf demNeunpunktkreis liegen.

7. Der Peripheriewinkelsatz

Seien A und B Punkte auf einem Kreis k, sodass AB eine Sehne des Kreises k ist.Ist C ein weiterer Punkt auf dem Kreis k, dann nennt man den Winkel ]ACB denPeripheriewinkel des Punktes C uber der Sehne AB. Ist M der Mittelpunkt des Kreisesk, dann nennt man den Winkel ]AMB den Zentriwinkel uber der Sehne AB.

Satz 30 (Peripheriewinkelsatz) Sei AB eine Sehne des Kreises k, dessen Mittelpunkt MZentriwinkel α uber der Sehne AB habe. Sei C ein Punkt auf dem Kreis k, der jedochweder A noch B ist. Sei γ der Peripheriewinkel des Punktes C uber der Sehne AB. LiegtM auf der selben Seite von AB wie C oder auf AB, dann gilt γ = 1

2α. Liegt M auf der

anderen Seite von AB als C oder auf AB, dann gilt γ = 1800 − 12α.

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22 Elementargeometrie

Beweis: Die Punkte A, B und C liegen auf dem Kreis k, der Mittelpunkt M hat. DenWinkel ]MCA bezeichnen wir mit γ1 und den Winkel ]MCB mit γ2. (Es kann auchγ1 = 00 oder γ2 = 00 gelten. Das ist der Fall, wenn M auf AC oder auf BC liegt.)

Das Dreieck △AMC ist gleichschenkelig. Die Schenkel MA und MC dieses Dreiecks sindja Radien des Kreises k. Mit Satz 24 erhalten wir ]MAC = ]MCA = γ1. Da DreieckeWinkelsumme 1800 haben, ergibt sich ]AMC = 1800 −]MAC −]MCA = 1800 − 2γ1.

Ebenso ist das Dreieck △BMC gleichschenkelig. Die Schenkel MB und MC sind jawieder Radien des Kreises k. Mit Satz 24 erhalten wir wieder ]MBC = ]MCB = γ2und daraus dann ]BMC = 1800 − ]MBC − ]MCB = 1800 − 2γ2.

Diese Gleichungen gelten auch, wenn M auf AC oder auf BC liegt. In einem dieser gleich-schenkeligen Dreiecke ist dann ein Winkel gleich 1800 und die beiden andern sind gleich 00.

Wir unterscheiden drei Falle. Wir behandeln zuerst den Fall, in demM im Dreieck△ABCliegt oder auf einer Seite dieses Dreiecks. Dieser Fall ist in der linken Zeichnung dargestellt.

A B A B A B

C

C

C

γ

γ

γ

α α αM M M

Es gilt γ = ]MCA+]MCB = γ1 + γ2 und α = 3600 −]AMC −]BMC = 2γ1 + 2γ2,wobei obige Resultate verwendet wurden. Man sieht, dass 2γ = α gilt.

Der Fall, in dem M auf der selben Seite von AB wie C liegt, aber außerhalb des Dreiecks△ABC, ist in der mittleren Zeichnung dargestellt. Es gilt γ = ]MCB−]MCA = γ2−γ1und α = ]AMC − ]BMC = −2γ1 + 2γ2. Es folgt wieder 2γ = α. (Wenn C auf deranderen Seite des Kreises in der Nahe von A liegt, ist der Beweis ein wenig zu modifizieren.)

Der Fall, in demM und C auf verschiedenen Seiten der Sehne AB liegen, ist in der drittenZeichnung dargestellt. In diesem Fall erhalten wir γ = ]MCA+ ]MCB = γ1 + γ2 undα = ]AMC + ]BMC = 3600 − 2γ1 − 2γ2. Man sieht, dass 2γ = 3600 − α gilt.

Bemerkung: Oft wird Satz 30, der Peripheriewinkelsatz, so verwendet: Ist AB eineSehne des Kreises k und sind P und Q Punkte auf k, dann gilt ]APB = ]AQB, wennP und Q auf derselben Seite der Sehne AB liegen, und ]APB = 1800 −]AQB, wenn Pund Q auf verschiedenen Seiten der Sehne AB liegen. Das folgt unmittelbar aus Satz 30.

Der Spezialfall von Satz 30, in dem die Sehne durch den Mittelpunkt des Kreises geht,heißt Satz von Thales. Der Zentriwinkel ist dann 1800 und der Peripheriwinkel somit 900.

Satz 31 (Satz von Thales) Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M . Sei AB eine Sehne desKreises k, die durch M geht. Dann hat jeder Punkt C auf dem Kreis, der ungleich A undB ist, einen rechten Winkel als Peripheriewinkel uber der Sehne AB.

Wandert der Punkt C den Kreis entlang in den Punkt A, dann wird aus dem Periphe-riewinkel ein Tangentenwinkel. Dieser Grenzfall wird im folgenden Satz behandelt.

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Franz Hofbauer 23

Satz 32 (Tangentenwinkelsatz) Sei AB eine Sehne des Kreises k, dessen Mittelpunkt MZentriwinkel α uber der Sehne AB habe. Sei t die Tangente an den Kreis k im Punkt Aund γ der Winkel zwischen AB und t, der auf der anderen Seite der Sehne AB liegt alsM (oder M liegt auf AB). Dann gilt γ = 1

2α.

γ

α

t

k

A B

MBeweis: Die Strecke MA vom Mittelpunkt desKreises k zum Beruhrpunkt A steht senkrecht aufdie Tangente t. Es folgt ]MAB = 900 − γ. DasDreieck △AMB ist gleichschenkelig, da dessenSchenkelMA undMB Radien des Kreises k sind.Aus Satz 24 folgt ]MBA = ]MAB = 900 − γ.Die Winkelsumme im Dreieck △AMB ist 1800.Wir erhalten daher 900 − γ + 900 − γ + α = 1800. Daraus folgt dann γ = 1

2α.

A B

t

Satz 32 besagt, dass die Winkel zwischen einer Sehne AB einesKreises k und der Tangente t im Punkt A an k gleich α

2 und

1800 − α2 sind, wobei α der Zentriwinkel des Mittelpunktes des

Kreises uber der Sehne AB ist. Aus dem Peripheriewinkelsatzfolgt dann, dass der Peripheriewinkel eines Punktes auf k gleichist dem Winkel zwischen der Sehne AB und der Tangente t,wobei dieser Winkel jedoch auf der anderen Seite der Sehne ABliegt als der Peripheriewinkel. Nebenstehendes Bild zeigt zweiPeripheriewinkel und die jeweils gleich großen Tangentenwinkel.

Es gilt auch eine Umkehrung des Peripheriewinkelsatzes. Wir formulieren sie so

Satz 33: Sei AB eine Sehne des Kreises k. Sei C ein weiterer Punkt auf k und γ = ]ACB.Die Gerade ℓ(A,B) teilt die Ebene in zwei Halbebenen (die ℓ(A,B) nicht enthalten). SeiH1 die Halbebene in der C liegt und H2 die andere.(a) Fur einen Punkt P in H1 gilt: P liegt auf k ⇐⇒ ]APB = γ(b) Fur einen Punkt P in H2 gilt: P liegt auf k ⇐⇒ ]APB = 1800 − γ

A BH2

H1

γ

g

t

C

γ Q

γ

PBeweis: Wir beweisen (a). Der Punkt P liegt in H1.Sei g die Halbgerade, die von A aus durch P geht.Wegen Satz 32 ist der Winkel in H1, den die Tangentet im Punkt A an den Kreis k mit der Sehne AB ein-schließt, gleich 1800−γ. Wir unterscheiden zwei Falle.

Fall 1: Es gelte ]BAP ≥ 1800 − γ. Die Halbgerade gschneidet den Kreis k nur in A. Also liegt P nicht auf k.Da die Winkelsumme eines Dreiecks 1800 betragt, gilt]BAP + ]APB < 1800, woraus ]APB < γ folgt.Im Fall 1 liegt weder P auf k noch gilt ]APB = γ.

Fall 2: Es gelte ]BAP < 1800 − γ. Jetzt hat g einen Schnittpunkt Q = A mit k. AusSatz 30 folgt ]AQB = γ, da Q auf derselben Seite der Sehne AB liegt wie C. Liegt Pauf k, dann muss P = Q gelten und somit auch ]APB = γ. Gilt umgekehrt ]APB = γ,dann sind die Dreiecke△ABP und△ABQ kongruent, da sie die Seite AB und den Winkelbei A gemeinsam haben und da ]APB = ]AQB gilt. Es folgt |AP | = |AQ| und somitP = Q. Das bedeutet, dass P auf k liegt. Damit ist gezeigt, dass im Fall 2 der Punkt Pgenau dann auf k liegt, wenn ]APB = γ gilt. Die Aussage (a) ist vollstandig bewiesen.

Der Beweis von (b) ist ganz analog. Statt in H1 sind wir jetzt in H2. Im obigen Beweisist nur γ durch 1800 − γ zu ersetzen und 1800 − γ durch γ.

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24 Elementargeometrie

Wir kommen zu den Anwendungen des Peripheriewinkelsatzes und seiner Umkehrung.

Satz 34 (Sudpolsatz) Im Dreieck △ABC sei P der Schnittpunkt = C der Winkelsym-metrale durch den Eckpunkt C mit dem Umkreis. Dann hat P gleiche Abstande von denEckpunkten A und B und vom Inkreismittelpunkt I.

A B

C

P

γ2

γ2

I

Beweis: Wir wenden den Peripheriewinkelsatz aufdie Sehnen BP und AP des Umkreises an. Es folgt]BAP = ]BCP = γ

2 und ]ABP = ]ACP = γ2 .

Das Dreieck △ABP ist gleichschenkelig (Satz 24).Der Punkt P hat gleich große Abstande von denEckpunkten A und B. Es bleibt zu zeigen, dass derPunkt P den selben Abstand vom InkreismittelpunktI und vom Eckpunkt A hat. Es gilt ]BAP = γ

2und ]BAI = α

2 , da I auf der Winkelsymmetrale

durch A liegt. Daraus folgt ]PAI = α+γ2 . Der Win-

kel ]PIA ist der Außenwinkel des Dreiecks △ACIbeim Eckpunkt I und daher gleich der Summe derbeiden Innenwinkel bei den Eckpunkten A und C.Da die Seiten AI und CI auf den Winkelsymmetralen liegen, erhalten wir ]CAI = α

2 und

]ACI = γ2 . Es folgt ]PIA = α+γ

2 . Das Dreieck △API ist gleichschenkelig (Satz 24).Der Punkt P hat den selben Abstand vom Inkreismittelpunkt I und vom Eckpunkt A.

Satz 35: Spiegelt man den Hohenschnittpunkt H eines Dreiecks △ABC an den (Verlan-gerungen der) drei Seiten, dann liegen die gespiegelten Punkte auf dem Umkreis.

A B

C

G

H

F

ε

εε

Beweis: Wir beweisen den Satz fur die Spiegelungdes Hohenschnittpunkts H an der Seite AB. Wirkonnen annehmen, dass ]ABC kleiner als 900 ist.Sei G der Schnittpunkt = C des Umkreises mit (derVerlangerung) der Hohe durch C und F ihr Fuß-punkt. Den Winkel ]FCB bezeichnen wir mit ε.Die Winkel ]HAF und ]FCB sind gleich groß,da die Schenkel AH und AF des einen Winkelssenkrecht auf den Schenkeln CB und CF des ande-ren Winkels stehen (Orthogonalwinkel). Damit ist]HAF = ε gezeigt. Unten zeigen wir, dass auch]GAF = ε gilt. Es folgt, dass die Dreiecke △AGFund △AHF kongruent sind, da sie die Seite AFgemeinsam haben, und da beide Dreiecke bei A denWinkel ε und bei F einen rechten Winkel haben. Es folgt |FH| = |FG|. Somit ist G deran der Seite AB gespiegelte Hohenschnittpunkt H. Und G liegt auf dem Umkreis.Um ]GAF = ε zu zeigen, unterscheiden wir drei Falle und wenden jedes Mal den Peri-pheriewinkelsatz auf die Sehne GB im Umkreis an. Ist α < 900 (Zeichnung), dann gilt]GAF = ]GAB = ]GCB = ε. Ist α > 900, dann liegt H unterhalb und G oberhalb derGerade ℓ(A,B). Liegt C oberhalb von G, dann gilt ]GAF = 1800−]GAB = ]GCB = ε(A und C auf verschiedenen Seiten der Sehne GB). Liegt C unterhalb von G, dann gilt]GAF = 1800 −]GAB = 1800 −]GCB = ε. Im Grenzfall G = C ist die Hohe durch CTangente des Umkreises. Mit dem Tangentenwinkelsatz folgt ]GAF =1800−]GAB= ε.Im Fall α = 900 gilt H = A und die Aussage des Satzes ist offensichtlich richtig.

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Franz Hofbauer 25

Die folgenden vier Satze sind nicht wichtig. Es gibt viele derartige Satze. Es wurdenvier ausgewahlt, um weitere Anwendungsbeispiele fur den Peripheriewinkelsatz zu haben.Die Beweise werden auch nur fur spitzwinkelige Dreiecke gegeben. Sie mussen meistensein wenig modifiziert werden, um die Beweise fur stumpfwinkelige Dreiecke zu erhalten,wie wir das ja bereits im vorhergehenden Bewies gesehen haben.

Satz 36: Sei △ABC ein Dreieck und t die Tangente im Eckpunkt C an den Umkreis. SeiP ein Punkt auf t und U und V die Fußpunkte der Lote von P auf ℓ(A,C) und ℓ(B,C).Dann steht ℓ(U, V ) senkrecht auf ℓ(A,B).

A B

C

P

U

V

D

t

Beweis: Wir fuhren den Beweis fur ein spitzwinke-liges Dreieck. Wir nehmen an, dass P auf der an-deren Seite der Geraden ℓ(B,C) liegt als A.Aus dem Tangentenwinkelsatz fur die Sehne BC desUmkreises folgt ]PCB = α. Daraus ergibt sich

]UCP = 1800 − ]PCB − γ = 1800 − α− γ = β.

Sei k der Kreis durch die Punkte C, P und U . Nungilt ]CUP = 900 und ]CV P = 900. Daher liegtnach Satz 33 auch V auf dem Kreis k. Aus demPeripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne UPdes Kreises k folgt ]PV U = ]PCU = β. Wegen]CV P = 900 ergibt sich ]CV U = 900 − β.Sei D der Schnittpunkt der Geraden ℓ(U, V ) undℓ(A,B). Dann gilt ]BVD = ]CV U = 900 − β(Scheitelwinkel). Wegen ]DBV = β und da die Winkelsumme im Dreieck △DBV gleich1800 ist, muss der Winkel ]V DB gleich 900 sein.

Satz 37 (Archimedes) Sei △ABC ein Dreieck mit Hohenschnittpunkt H. Sei k der Kreismit Durchmesser AB. Sei P der Schnittpunkt = B des Kreises k mit der Geraden ℓ(B,C)undQ der Schnittpunkt = A des Kreises k mit der Geraden ℓ(A,C). Sei T der Schnittpunktder beiden Tangenten an den Kreis k in den Punkten P und Q. Dann liegt der Punkt Tauf der Hohe durch C und hat gleichen Abstand von den Punkten C, H, P und Q.

A B

C

H

γ

α β

α

β P

Q

T

k

Beweis: Wir beweisen den Satz fur ein spitz-winkeliges Dreieck. Da AB ein Durchmesserdes Kreises k ist und P und Q auf k liegen,folgt ]APB = 900 und ]AQB = 900 aus demSatz von Thales. Somit ist AP die Hohe durchA und BQ die Hohe durch B. Ihr Schnittpunktist der Hohenschnittpunkt H.Die Winkelsumme in einem Viereck ist 3600,da man es sich aus zwei Dreiecken zusammen-gesetzt denken kann. Das Viereck PCQH hatbei P und Q rechte Winkel und bei C den Win-kel γ. Es folgt ]QHP = 1800 − γ.Der Tangentenwinkelsatz fur die Sehne QB desKreises k ergibt ]TQB = ]QAB = α. Furdie Sehne PA ergibt er ]TPA = ]PBA = β.Das Viereck QHPT hat daher bei Q und P die Winkel α und β und bei H den Winkel1800 − γ. Es folgt ]PTQ = 3600 −α− β − (1800 − γ) = 2γ, da ja 1800 −α− β = γ gilt.

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26 Elementargeometrie

Es gilt |TP | = |TQ|, da P und Q die Beruhrpunkte der Tangenten von T aus an denKreis k sind. Sei l der Kreis mit Mittelpunkt T durch P und Q. Der Zentriwinkel desMittelpunkts T uber der Sehne PQ ist 2γ. Ein Punkt auf l auf derselben Seite der SehnePQ wie T hat Peripheriewinkel γ nach Satz 30. Da C auf derselben Seite der Sehne PQliegt wie T und ]PCQ = γ gilt, liegt C nach Satz 33 auf dem Kreis l. Ebenso ergibt sich,dass auch H auf dem Kreis l liegt, da H auf der anderen Seite der Sehne PQ liegt als Tund ]QHP = 1800 − γ gilt. Damit ist |TP | = |TQ| = |TC| = |TH| gezeigt.Nun ist CH eine Sehne des Kreises l und P ist ein Punkt auf dem Kreis l mit Peripherie-winkel 900 uber der Sehne CH. Der Zentriwinkel des Mittelpunkts T uber der Sehne CHist daher 1800 nach Satz 30, das heißt T liegt auf CH und somit auch auf der Hohe durchC, da H ja der Hohenschnittpunkt ist.

Satz 38: Sei △ABC ein Dreieck mit Hohenschnittpunkt H. Sei M der Mittelpunkt derSeite AB. Sei k der Kreis mit Durchmesser HC und P der Schnittpunkt = C von k mitdem Umkreis. Dann liegen die Punkte P , H und M auf einer Gerade.

A B

C

sc

k

GE

H

M

P

F

Beweis: Wir fuhren den Beweis fur ein spitz-winkeliges Dreieck und nehmen an, dass P aufdem Bogen des Umkreises zwischen C undB liegt. Wir fuhren einige Hilfspunkte ein.Sei G der an der Seite AB gespiegelte Ho-henschnittpunkt H. Nach Satz 35 liegt Gauf dem Umkreis. Sei E der an der Sym-metrale sc der Seite AB gespiegelte PunktG. Da der Umkreis bei dieser Spiegelung insich selbst ubergeht, liegt E ebenfalls auf demUmkreis. Da die beiden SpiegelungsachsenAB und sc aufeinander senkrecht stehen, giltauch ]EGH = 900 und der SchnittpunktM der beiden Achsen ist der Mittelpunkt derStrecke EH. Es genugt daher zu zeigen, dassP , H und E auf einer Gerade liegen.

Sei F der Fußpunkt der Hohe durchA und φ = ]FCP = ]BCP . DaHC ein Durchmesserdes Kreises k ist, der Zentriwinkel also 1800 betragt, und ]HFC = 900 gilt, folgt mit Hilfevon Satz 30 und Satz 33, dass F auf k liegt. Aus dem Peripheriewinkelsatz angewendet aufdie Sehne FP des Kreises k folgt ]FHP = ]FCP = φ. Aus dem Peripheriewinkelsatzangewendet auf die Sehne BP des Umkreises erhalten wir ]BEP = ]BCP = φ. Ausdem Peripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne EC des Umkreises folgt schließlich]EBC = ]EGC = ]EGH = 900. Da F der Fußpunkt der Hohe durch A ist und daherauch ]AFC = 900 gilt, liegen die Strecken AF und EB parallel zueinander. Es folgt]AHE = ]BEH = ]BEP = φ (Wechselwinkel).

Wir haben ]FHP = φ = ]AHE gezeigt. Da die Punkte A, H und F auf einer Geradenliegen, namlich auf der Hohe durch A, liegen die Punkte P , H und E ebenfalls auf einerGeraden.

Satz 39: Sei △ABC ein Dreieck mit Hohenschnittpunkt H. Es gelte β = α. Sei S derSchnittpunkt der Winkelsymmetrale wc durch C mit dem Umkreis (Sudpol) und R der ander Seite AB gespiegelte Punkt S. Dann steht RH senkrecht auf wc.

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Franz Hofbauer 27

A B

C

wc

HR

GS

Beweis: Sei G der an der Seite AB gespiegelteHohenschnittpunkt H. Nach Satz 35 liegt er aufdem Umkreis. Wir fuhren den Beweis fur ein spitz-winkeliges Dreieck und nehmen an, dass β > α gilt.Es folgt ]ACH = 900 − α > 900 − β = ]BCH.Daher liegen die Punkte S, G und B in dieser Rei-henfolge auf dem Umkreis.Im Beweis von Satz 34 wurde ]SBA = γ

2 gezeigt.Es folgt ]SBC = β + γ

2 . Aus dem Peripheriewin-

kelsatz angewendet auf die Sehne SC des Umkreisesfolgt ]SGC = ]SBC = β + γ

2 . Da R und H die

Spiegelbilder von S undG an der Seite AB sind, giltauch ]RHG = ]SGH = ]SGC = β+ γ

2 . Es folgt

]RHC = 1800−]RHG = 1800−β− γ2 = α+ γ

2 .

Wegen ]HCA = 900−α und ]SCA = γ2 erhalten

wir ]HCS = ]HCA−]SCA = 900 − α− γ2 . Wegen ]HCS +]RHC = 900 muss der

Winkel zwischen den Strecken RH und CS ebenfalls 900 betragen.

8. Umkreis, Inkreis, Ankreise und Flache

Wir berechnen zuerst die Radien des Umkreises, des Inkreises und der Ankreise. Dannbeweisen wir die Heronsche Formel fur die Flache eines Dreiecks.

Satz 40: Seien a, b und c die Langen der Seiten eines Dreiecks und sei F seine Flache.Ist r der Umkreisradius, dann gilt r = abc

4F .

A B

C

G

U

D

Beweis: Wir konnen die Bezeichnung immer so wahlen,dass ]BAC < 900 gilt. Sei G der Schnittpunkt = Cdes Umkreises mit der Geraden ℓ(C,U). Sei h die Langeder Hohe durch den Eckpunkt C und D ihr Fußpunkt.Der Winkel ]ADC ist ein rechter, da CD als Hohe aufAB senkrecht steht. Der Winkel ]GBC ist ebenfalls einrechter nach dem Satz von Thales angewendet auf denUmkreis, da CG eine Sehne des Umkreises ist, die durchdessen Mittelpunkt geht. (Daraus folgt auch, dass ]BGCein spitzer Winkel ist.) Die Dreieckseite BC ist eine Sehnedes Umkreises und die Punkte A und G liegen auf demUmkreis auf der selben Seite dieser Sehne, da die Winkel ]BAC und ]BGC beide spitzeWinkel sind. Aus dem Peripheriewinkelsatz folgt ]BAC = ]BGC.Wir haben gezeigt, dass die Dreiecke △GBC und △ADC ahnlich sind. Aus dem Strah-

lensatz folgt jetzt |CG||CB| =

|CA||CD| , das heißt 2r

a = bh . Es gilt auch 2F = ch. Multiplikation

dieser beiden Gleichungen ergibt 4rFa = cb, also r = abc

4F .

Satz 41: Seien a, b und c die Langen der Seiten eines Dreiecks △ABC, sei F seine Flacheund s = 1

2 (a+ b+ c) sein halber Umfang. Ist ϱ der Inkreisradius, dann gilt ϱ = Fs .

Beweis: Sei I der Inkreismittelpunkt. Das Dreieck △ABC lasst sich in die drei Dreiecke△AIB, △AIC und △BIC zerlegen. Diese drei Dreiecke haben Hohen der Lange ϱ. IhreFlachen sind daher 1

2cϱ,12bϱ und 1

2aϱ. Es folgt F = 12aϱ+

12bϱ+

12cϱ = sϱ, also ϱ = F

s .

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28 Elementargeometrie

Satz 42: Seien a, b und c die Langen der Seiten eines Dreiecks △ABC, sei F seine Flacheund s = 1

2 (a+ b+ c) sein halber Umfang. Sind ϱa, ϱb und ϱc die Radien der Ankreise an

die drei Seiten, dann gilt ϱa = Fs−a , ϱb =

Fs−b und ϱc =

Fs−c .

Beweis: Wir beweisen die erste der drei Formeln. Sei P der Mittelpunkt des Ankreises andie Seite BC. Die Flachen der drei Dreiecke △APB, △APC und △BPC sind dann 1

2cϱa,12bϱa und 1

2aϱa. Die beiden Dreiecke △ABC und △BPC uberdecken dieselbe Flache wie

die beiden Dreiecke △APB und △APC. Daher gilt F + 12aϱa = 1

2cϱa +12bϱa. Es folgt

F = 12 (b+ c− a)ϱa = (s− a)ϱa und daraus dann ϱa = F

s−a .

Satz 43 (Heronsche Formel) Sei △ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c und

s = a+b+c2 sein halber Umfang. Sei F seine Flache. Dann gilt F =

√s(s− a)(s− b)(s− c) .

Beweis: Wir konnen annehmen, dass der Winkel ]BAC spitz ist. Dann liegt der Eck-punkt B auf derselben Seite des Eckpunkts A wie der Fußpunkt D der Hohe durch denEckpunkt C. Sei h = |CD| und p = |AD|. Der Satz von Pythagoras angewendet auf△ACD und △BCD ergibt b2 = h2 + p2 und a2 = h2 + (c − p)2. Subtrahiert man diesebeiden Gleichungen, so hat man a2 − b2 = c2 − 2cp. Es folgt 4c2p2 = (a2 − b2 − c2)2. MitHilfe obiger Gleichungen ergibt sich 16F 2 = 4c2h2 = 4c2b2−4c2p2 = 4b2c2−(a2−b2−c2)2.Durch wiederholtes Anwenden der Formel u2 − v2 = (u+ v)(u− v) erhalt man

16F 2 = 4b2c2 − (a2 − b2 − c2)2 = (2bc− a2 + b2 + c2)(2bc+ a2 − b2 − c2)

= ((b+ c)2 − a2)(a2 − (b− c)2) = (b+ c+ a)(b+ c− a)(a+ b− c)(a− b+ c)

= 2s(2s− 2a)(2s− 2c)(2s− 2b)

Daraus folgt dann F 2 = s(s− a)(s− b)(s− c).

Um die Abstande der Eckpunkte eines Dreiecks zu den Beruhrpunkten des Inkreisesund der Ankreise zu berechnen, verwenden wir die Bemerkung nach Satz 21. Legt mandie beiden Tangenten von einem Punkt S an einen Kreis, dann sind die Abschnitte von Sbis zu den Beruhrpunkten gleich lang.

Satz 44: Sei △ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c und s = a+b+c2 . Der Inkreis

beruhre die Seite BC im Punkt Pa, die Seite AC im Punkt Pb und die Seite AB im PunktPc. Dann gilt |APb| = |APc| = s− a, |BPa| = |BPc| = s− b und |CPa| = |CPb| = s− c.

Beweis: Es gilt |APb| = |APc|, |BPa| = |BPc| und |CPa| = |CPb| nach der erwahntenBemerkung. Wir bezeichnen diese Abstande der Reihe nach mit x, y und z. Dann habenwir x+ y = |APc|+ |BPc| = c, x+ z = |APb|+ |CPb| = b, und y+ z = |BPa|+ |CPa| = a.Es folgt 2x = b+ c−a = 2s− 2a, 2y = a+ c− b = 2s− 2b und 2z = a+ b− c = 2s− 2c.

Satz 45: Sei △ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c und s = a+b+c2 . Der Ankreis

an die Seite BC beruhre diese im Punkt Ra, die Verlangerung der Seite AC im PunktRb und die Verlangerung der Seite AB im Punkt Rc. Dann gilt |ARb| = |ARc| = s,|BRa| = |BRc| = s− c und |CRa| = |CRb| = s− b.

Beweis: Wie im letzten Beweis gilt |ARb| = |ARc|, |BRa| = |BRc| und |CRa| = |CRb|.Wir bezeichnen diese Abstande der Reihe nach mit x, y und z. Damit erhalten wir dannx− y = |ARc| − |BRc| = c, x− z = |ARb| − |CRb| = b, und y + z = |BRa|+ |CRa| = a.Es folgt 2x = a+ b+ c = 2s, 2y = a+ b− c = 2s− 2c und 2z = a+ c− b = 2s− 2b.

Analoge Resultate gelten naturlich auch fur die Ankreise an die Seiten AB und AC.

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II. Trigonometrie

1. Trigonometrische Funktionen

In der Dreiecksgeometrie hat man es mit Winkeln im Bereich von 00 bis 1800 zu tun.Wir erweitern jetzt diesen Bereich und lassen sowohl Winkel > 1800 als auch Winkel < 00

(negatives Vorzeichen) zu. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Winkel, die sich um einVielfaches von 3600 unterscheiden, identifiziert werden mussen.

Der Einheitskreis ist der Kreis im Koordinatensystem, der Mittelpunkt (0, 0) und Ra-dius 1 hat. Um sinα und cosα zu definieren, zeichnen wir vom Punkt (0, 0) aus eine Halb-gerade, die mit der x-Achse den Winkel α einschließt (fur α > 0 im Gegenuhrzeigersinn, furα < 0 im Uhrzeigersinn). Die Koordinaten des Schnittpunktes dieser Halbgerade mit demEinheitskreis sind dann cosα und sinα. Da man fur die Winkel α und α+3600 den selbenPunkt am Einheitskreis erhalt, ergibt sich sin(α+3600) = sinα und cos(α+3600) = cosα.

Weiters definiert man tanα = sinαcosα und cotα = 1

tanα = cosαsinα .

Satz 46: Fur sin und cos gelten folgende Gleichungen(a) sin2 α+ cos2 α = 1(b) sin 00 = sin 1800 = 0, sin 900 = 1, cos 00 = 1, cos 1800 = −1, cos 900 = 0(c) sin(−α) = − sinα, cos(−α) = cosα(d) sin(α+ 900) = cosα, cos(α+ 900) = − sinα(e) sin(α+ 1800) = − sinα, cos(α+ 1800) = − cosα

Beweis: Es gilt (a), da der Punkt mit den Koordinaten cosα und sinα auf dem Ein-heitskreis liegt. Auch (b) folgt sofort aus der Definition, indem man die Koordinaten derPunkte abliest, die man fur die Winkel 0, 900 und 1800 erhalt. Da die Punkte auf demEinheitskreis, die man fur die Winkel α und −α erhalt, symmetrisch zur x-Achse liegen,

folgt (c). Den Vektor(cos(α+900)sin(α+900)

)erhalt man, indem man den Vektor ( cosαsinα ) um 900 im

Gegenuhrzeigersinn um den Nullpunkt dreht. Daraus folgt (d). Den Vektor(cos(α+1800)sin(α+1800)

)erhalt man, indem man den Vektor ( cosαsinα ) am Nullpunkt spiegelt. Daraus folgt (e).

Ist α ein Winkel in einem rechtwinkeligen Dreieck, der nicht der rechte ist, dann heißtdie am Winkel α anliegende Kathete die Ankathete und die nicht anliegende Kathete heißtdie Gegenkathete. Aus dem Strahlensatz folgt dann

sinα =|Gegenkathete||Hypotenuse|

cosα =|Ankathete||Hypotenuse|

und tanα =|Gegenkathete||Ankathete|

Satz 47 (Summensatze) Fur beliebige Winkel α und β gelten die beiden Formeln

(a) sin(α+ β) = sinα cosβ + cosα sinβ (b) cos(α+ β) = cosα cosβ − sinα sinβ

Beweis: Misst man von der x-Achse aus am Einheitskreis im Gegenuhrzeigersinn denWinkel α, so kommt man zum Punkt (cosα, sinα). Misst man von der x-Achse aus amEinheitskreis im Uhrzeigersinn den Winkel β, so kommt man zum Punkt (cosβ,− sinβ).Der Winkel zwischen den Halbgeraden zu diesen Punkten ist α+ β. Der Winkel zwischenden Halbgeraden zu den Punkten (1, 0) und (cos(α + β), sin(α + β)) ist ebenfalls α + β.Daher ist auch der Abstand vom Punkt (cosα, sinα) zum Punkt (cosβ,− sinβ) gleich demAbstand vom Punkt (1, 0) zum Punkt (cos(α+ β), sin(α+ β)). Das heißt√

(cosα− cosβ)2 + (sinα+ sinβ)2 =√

(1− cos(α+ β))2 + (sin(α+ β))2

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30 Trigonometrie

Man kann die Wurzeln auf beiden Seiten weglassen. Quadriert man aus, so erhalt man

cos2 α− 2 cosα cosβ + cos2 β + sin2 α+ 2 sinα sinβ + sin2 β

= 1− 2 cos(α+ β) + cos2(α+ β) + sin2(α+ β)

An drei verschiedenen Stellen kann man die Formel sin2 φ + cos2 φ = 1 anwenden, underhalt 1 − 2 cosα cosβ + 1 + 2 sinα sinβ = 1 − 2 cos(α + β) + 1. Damit sind wir bei derFormel cos(α+ β) = cosα cosβ − sinα sinβ angelangt und (b) ist gezeigt.

Wir ersetzen in dieser soeben gezeigten Formel β durch β + 900. Es gilt

cos(α+ β + 900) = − sin(α+ β), cos(β + 900) = − sinβ und sin(β + 900) = cosβ

Setzt man das ein, so hat man − sin(α+ β) = cosα(− sinβ)− sinα cosβ. Das ist (a).

Wir geben auch noch einen geometrischen Beweis der Summensatze. Wir nehmen zuerstan, dass die Winkel α und β zwischen 00 und 900 liegen. Wir messen die entsprechendenWinkel am Einheitskreis und erhalten den Punkt A, der dem Winkel α, und den Punkt B,der dem Winkel α+ β entspricht. In der Zeichnung unten links ist der Fall dargestellt, indem α+ β < 900 gilt, die Zeichnung rechts unten zeigt den Fall, in dem α+ β > 900 gilt.

M F E

A

B

CD

MF E

AB

CD

Sei C der Fußpunkt des Lots vom Punkt B auf die Strecke MA. Wegen ]CMB = βund ]BCM = 900 erhalten wir |MC| = cosβ und |BC| = sinβ. Sei E der Fußpunktdes Lots von C auf die x-Achse. Wegen ]EMC = α und ]CEM = 900 erhalten wirdann |CE| = |MC| sinα = cosβ sinα und |ME| = |MC| cosα = cosβ cosα. Sei F derFußpunkt des Lots von B auf die x-Achse und D der Fußpunkt des Lots von C auf dieStrecke BF . Es gilt ]DBC = ]EMC = α, da BD senkrecht auf ME und BC senkrechtauf MC steht (Orthogonalwinkel). Damit erhalten wir |CD| = |BC| sinα = sinβ sinαund |BD| = |BC| cosα = sinβ cosα. Nun folgt wegen ]BME = α+ β

sin(α+ β) = |BF | = |DF |+ |BD| = |CE|+ |BD| = cosβ sinα+ sinβ cosα

cos(α+ β) = |MF | = |ME| − |EF | = |ME| − |CD| = cosβ cosα− sinβ sinα

(im zweiten Fall −|MF | statt |MF |). Damit sind die Summensatze fur Winkel α und βvon 00 bis 900 bewiesen. Mit den Formeln aus Satz 46 (d) erhalt man sie fur alle Winkel.

Es folgen Sinus- und Cosinussatz.

Satz 48 (Sinussatz) In einem beliebigen Dreieck △ABC mit Flache F , mit Umkreisradiusr und den ublichen Bezeichnungen gilt 2r = abc

2F = asinα = b

sin β = csin γ .

Beweis: Sei h die Lange der Hohe durch C. Dann gilt 2F = ch. Weiters gilt sinα = hb

(wegen sin(1800−α) = sinα gilt das auch, wenn α stumpf ist und daher die Hohe außerhalbdes Dreiecks liegt). Daraus folgt abc

2F = abh = ab

b sinα = asinα . Analog zeigt man abc

2F = bsin β

und abc2F = c

sin γ . Die Gleichung 2r = abc2F wurde in Satz 40 bewiesen.

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Franz Hofbauer 31

Satz 49 (Cosinussatz) In einem Dreieck △ABC mit den ublichen Bezeichnungen gilta2 = b2 + c2 − 2bc cosα, b2 = a2 + c2 − 2ac cosβ und c2 = a2 + b2 − 2ab cos γ.

Beweis: Wir zeigen die erste der drei Gleichungen. Sei D der Fußpunkt der Hohe durchden Eckpunkt C und h deren Lange. Wir nehmen zuerst an, dass α ≤ 900 gilt. Sei pder Abstand von D zum Eckpunkt A. Es gilt dann cosα = p

b , das heißt p = b cosα. Aus

dem Satz von Pythagoras folgt a2 = h2 + (c − p)2 und b2 = h2 + p2. Durch Subtraktiondieser Gleichungen ergibt sich a2 − b2 = (c− p)2 − p2 = c2 − 2pc. Wir setzen fur p ein underhalten a2 − b2 = c2 − 2bc cosα, das heißt a2 = b2 + c2 − 2bc cosα.

Wir nehmen jetzt an, dass α > 900 gilt. Sei p wieder der Abstand von D zum Eckpunkt A.Nun gilt aber cos(1800 − α) = p

b , da die Hohe durch den Eckpunkt C außerhalb des

Dreiecks liegt. Wegen cos(1800 − α) = − cosα erhalten wir p = −b cosα. Aus dem Satzvon Pythagoras folgt a2 = h2 + (c + p)2 und b2 = h2 + p2. Durch Subtraktion dieserGleichungen ergibt sich a2 − b2 = (c + p)2 − p2 = c2 + 2pc. Wir setzen fur p ein underhalten a2 − b2 = c2 − 2bc cosα, das heißt a2 = b2 + c2 − 2bc cosα.

Die anderen beiden Gleichungen beweist man analog.

Der Cosinussatz gilt auch fur ein Dreieck, dessen Eckpunkte auf einer Gerade liegen.Die Winkel sind dann 00 und 1800. Der Sinussatz ist in diesem Grenzfall sinnlos.

Mit Hilfe des Cosinussatzes beweisen wir die nachsten beiden Satze.

Satz 50 (Dreiecksungleichung) Sind a, b und c die Langen der Seiten eines Dreiecks, danngilt a ≤ b + c, b ≤ a + c und c ≤ a + b. Gleichheit gilt genau dann, wenn der der linksstehenden Seite gegenuberligende Winkel 1800 betragt (der der links stehenden Seite gegen-uberliegende Eckpunkt liegt auf der Strecke zwischen den beiden anderen Eckpunkten).

Beweis: Da − cos γ ≤ 1 gilt, erhalten wir c2 ≤ a2+b2+2ab = (a+b)2 aus dem Cosinussatz.Es folgt c ≤ a + b. Gleichheit gilt genau dann, wenn cos γ = −1 gilt, das heißt γ = 1800.Analog zeigt man die anderen Ungleichungen.

Satz 51 (Stewarts Formel) Sei △ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c. Sei D ein

Punkt auf AB. Sei p = |DB|, q = |AD| und m = |CD|. Dann gilt a2

cp + b2

cq −m2

pq = 1.

Beweis: Sei φ = ]CDB und ψ = ]CDA. Es gilt ψ = 1800 − φ, woraus cosψ = − cosφfolgt. Wir wenden den Cosinussatz auf die Dreiecke △CDB und △CDA an

a2 = m2 + p2 − 2mp cosφ

b2 = m2 + q2 − 2mq cosψ = m2 + q2 + 2mq cosφ

Wir multiplizieren die erste Gleichung mit q und die zweite mit p. Durch Addition derGleichungen erhalten wir a2q + b2p = m2q + m2p + p2q + q2p. Wegen q + p = c folgt

a2q + b2p = m2c+ pqc. Division durch pqc ergibt a2

cp + b2

cq = m2

pq + 1.

Wir geben noch eine Anwendung von Stewarts Formel.

Satz 52: Sei △ABC ein Dreieck mit Seitenlangen a, b und c. Sei w die Lange derWinkelsymmetrale durch den Eckpunkt C. Dann gilt w2 = ab(1− ( c

a+b )2).

Beweis: Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit der Seite AB. Wir

setzen p = |DB| und q = |AD|. Aus Satz 51 folgt a2

cp + b2

cq −w2

pq = 1. Satz 25 besagt, dassqp = b

a gilt. Klarerweise gilt auch q + p = c. Es folgt p = aa+bc und q =

ba+bc. Wir setzen

ein und erhalten a(a+b)c2 + b(a+b)

c2 − w2(a+b)2

abc2 = 1. Das ergibt w2 = ab(1− ( ca+b )

2).

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32 Trigonometrie

2. Die besonderen Punkte des Dreiecks

Abgesehen vom Schwerpunkt, kann man die besonderen Punkte des Dreiecks auch mittrigonometrischen Methoden behandeln.

Satz 53: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Hohen einander in einem Punkt,dem Hohenschnittpunkt H.

A D Bu

C

Hb

β

β

x

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig,dann wahlen wir die Bezeichnungen so, dassγ der Winkel ≥ 900 ist. Die Winkel α undβ sind jedenfalls spitz. Sei D der Fußpunktder Hohe durch den Eckpunkt C und H derSchnittpunkt der Hohen durch die EckpunkteC und A. Da die Winkel α und β spitz sind,liegt H oberhalb von D und D rechts von A.Sei x der Abstand der Punkte D und H. Seiu der Abstand der Punkte A und D. Es gilt]ADC = 900 und ]DHA = ]ABC = β,da die Hohe durch A senkrecht auf BC unddie Hohe durch C senkrecht auf AB steht (Orthogonalwinkel). Es folgt u = b cosα undtanβ = u

x . Daraus ergibt sich x = utan β = b cosα

tan β .

Sei jetzt G der Schnittpunkt der Hohen durch die Eckpunkte C und B und y der Abstandder Punkte D und G. Wie oben erhalt man, dass G oberhalb von D liegt und y = a cos β

tanαgilt. Aus dem Sinussatz folgt b sinα = a sinβ, das heißt b cosα tanα = a cosβ tanβ. Damitist x = y gezeigt. Somit gilt G = H. Die drei Hohen schneiden einander im Punkt H.

Satz 54: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Winkelsymmetralen einander ineinem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I.

A BD

I

C

u

x

b

γ2

α2

β+γ2

Beweis: SeiD der Schnittpunkt der Winkel-symmetrale durch den Eckpunkt C mit derSeite AB und I der Schnittpunkt der Win-kelsymmetralen durch die Eckpunkte C undA. Sei x der Abstand der Punkte D und Iund u der Abstand der Punkte A undD. Wirwenden den Sinussatz im Dreieck△ADC an.Wegen ]ADC = 1800 − α− γ

2 = β + γ2 und

]ACD = γ2 gilt u

sin γ2

= bsin(β+ γ

2 ), woraus

u = bsin γ

2

sin(β+ γ2 )

folgt. Wir wenden noch ein-

mal den Sinussatz an und zwar jetzt im Drei-eck △ADI. Wegen ]AID = 900 − β

2 und]DAI = α

2 gilt u

sin(900− β2 )

= xsin α

2, woraus

x = usin α

2

sin(900− β2 )

= usin α

2

cos β2

folgt. Setzt man

fur u ein, so hat man x = bsin α

2 sin γ2

cos β2 sin(β+ γ

2 ).

Sei jetzt J der Schnittpunkt der Winkelsymmetralen durch die Eckpunkte C und B und

y der Abstand der Punkte D und J . Wie oben erhalt man, dass y = asin β

2 sin γ2

cos α2 sin(α+ γ

2 )gilt.

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Franz Hofbauer 33

Aus dem Sinussatz folgt b sinα = a sinβ und daraus dann 2b sin α2 cos α2 = 2a sin β

2 cos β2mit Hilfe des Summensatzes. Die Summe der beiden Winkel α + γ

2 und β + γ2 ist 1800.

Daher gilt sin(α + γ2 ) = sin(β + γ

2 ). Mit Hilfe dieser beiden Gleichungen erhalten wir

dann bsin α

2

cos β2 sin(β+ γ

2 )= a

sin β2

cos α2 sin(α+ γ

2 ). Damit ist x = y gezeigt, das heißt J = I. Die drei

Winkelsymmetralen schneiden einander im Punkt I.

Fur den nachsten Satz zeigen wir zuerst einen Hilfssatz.

Hilfssatz C: Fur jedes Dreieck △ABC mit den ublichen Bezeichnungen gelten die Glei-chungen a2 − ac cosβ = b2 − bc cosα und (a− c cosβ) sinα = (b− c cosα) sinβ.

Beweis: Der Cosinussatz besagt a2 = b2 + c2 − 2bc cosα und b2 = a2 + c2 − 2ac cosβ.Subtraktion dieser Gleichungen ergibt a2 − b2 = b2 − a2 − 2bc cosα + 2ac cosβ, das heißt2a2 − 2ac cosβ = 2b2 − 2bc cosα. Division durch 2 ergibt die erste Gleichung.

Es gilt sinαa = sin β

b nach dem Sinussatz. Es folgt (a2 − ac cosβ) sinαa = (b2 − bc cosα) sin βb .Kurzt man links durch a und rechts durch b, dann erhalt man die zweite Gleichung.

Satz 55: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Seitensymmetralen einander ineinem Punkt, dem Umkreismittelpunkt U .

A D G Buc2

C

U

F

x

b2

α

α

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann wahlen wir die Bezeichnungen so, dassγ der Winkel ≥ 900 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz. Sei U der Schnitt-punkt der Symmetralen der Seiten AB und AC. Sei D der Mittelpunkt der Seite AB undF der der Seite AC. Sei x der Abstand derPunkte D und U , wobei x negativ ist, wenn Uunterhalb der Seite AB liegt. Weiters sei G derSchnittpunkt der (Verlangerung der) Seite ABmit der Symmetralen der Seite AC und u derAbstand der Punkte D und G, wobei u negativist, wenn G links von D liegt.Wegen ]AFG = 900 und ]GAF = α ergibt

sich cosα =b2

c2+u

. Es folgt u = b2 cosα − c

2 . We-

gen ]UDG = 900 und ]GUD = α erhaltenwir cotα = x

u . Es folgt x = u cotα = b−c cosα2 sinα .

(Ist γ > 900, dann sind u und x negativ. Istγ = 900, dann gilt u = x = 0.)

Sei jetzt V der Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC. Sei y der Abstandder Punkte D und V , wobei y negativ ist, wenn V unterhalb der Seite AB liegt. Eineanaloge Rechnung wie oben ergibt, dass y = a−c cos β

2 sin β gilt. In Hilfssatz C wurde die

Gleichung (a − c cosβ) sinα = (b − c cosα) sinβ gezeigt. Daraus folgt y = x. Damit istV = U gezeigt. Die drei Seitensymmetralen schneiden einander im Punkt U .

3. Die Satze von Napoleon und Morley

Diese beiden Satze machen Aussagen uber Dreiecke, die auf die Seiten eines vorgegebenenDreiecks aufgesetzt werden. Wir beweisen sie mit trigonometrischen Methoden.

Satz 56 (Satz von Napoleon) Setzt man auf die drei Seiten eines beliebigen Dreiecksgleichschenkelige Dreiecke mit Basiswinkel 300, dann bilden die Spitzen dieser drei Dreieckeein gleichseitiges Dreieck.

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34 Trigonometrie

A B

C

D

E

F

α β

γ

a√3

a√3

b√3

b√3

c√3

c√3

x y

z

Beweis: Sei D die Spitze des uber der Seite AB als Basis errichteten gleichschenkeligenDreiecks, sei E die Spitze des uber der Seite BC als Basis errichteten gleichschenkeligenDreiecks und sei F die Spitze des uber derSeite CA als Basis errichteten gleichschenke-ligen Dreiecks. Sei x = |DF |, y = |DE|und z = |EF |. Zu zeigen ist x = y = z.Wir zeigen nur x = y. Da die Winkel bei Aund B im Dreieck △ABD gleich 300 sind,folgt |BD| = |AD| = c√

3. Ebenso hat man

|BE| = |CE| = a√3und |CF | = |AF | = b√

3.

Wegen ]DAF = α+600 folgt aus dem Cosi-nussatz angewandt auf das Dreieck △ADF ,

dass x2 = b2

3 + c2

3 − 2bc3 cos(α + 600) gilt.

Wegen 2 cos(α + 600) = cosα −√3 sinα

ergibt sich x2 = b2

3 + c2

3 − bc3 cosα+ bc√

3sinα.

(Ist α großer als 1200, dann muss man dieGleichung cos(3600 − φ) = cosφ beachten.)

Ganz analog erhalt man die Gleichung y2 = a2

3 + c2

3 − ac3 cosβ + ac√

3sinβ . Es bleibt nur

noch zu uberprufen, dass y = x gilt.

Nach Hilfssatz C gilt a2 − ac cosβ = b2 − bc cosα. Weiters gilt√3ac sinβ =

√3bc sinα

nach dem Sinussatz. Wir erhalten a2 − ac cosβ +√3ac sinβ = b2 − bc cosα +

√3bc sinα

durch Addition dieser Gleichungen. Daraus ergibt sich y2 = x2 und somit auch y = x.

Bemerkung: Satz 56 gilt auch, wenn man die drei gleichschenkeligen Dreiecke nichtaußen, sondern innen auf die drei Dreieckseiten aufsetzt.

Fur den nachsten Satz, den Satz von Morley, zeigen wir zwei Hilfssatze.

Hilfssatz D: In jedem Dreieck gilt sin2 γ = sin2 α+ sin2 β − 2 sinα sinβ cos γ.

Beweis: Ist q = abc2F , so folgen a = q sinα, b = q sinβ und c = q sin γ aus dem Sinussatz.

Man setzt das in den Cosinussatz c2 = a2 + b2 − 2ab cos γ ein und kurzt durch q2.

Hilfssatz E: Es gilt sin 3ψ = 4 sinψ sin(600 + ψ) sin(600 − ψ).

Beweis: Wegen sin 600 =√32 und cos 600 = 1

2 gilt sin(600 + ψ) =√32 cosψ + 1

2 sinψ

und sin(600 − ψ) =√32 cosψ − 1

2 sinψ nach dem Summensatz fur den Sinus. Daraus

ergibt sich dann 4 sinψ sin(600 + ψ) sin(600 − ψ) = 3 sinψ cos2 ψ − sin3 ψ.

Ebenso aus den Summensatzen folgt sin 2ψ = 2 sinψ cosψ und cos 2ψ = cos2 ψ − sin2 ψ,und damit sin 3ψ = sin(2ψ + ψ) = sin 2ψ cosψ + cos 2ψ sinψ = 3 sinψ cos2 ψ − sin3 ψ.

Satz 57 (Satz von Morley) Sei △ABC ein Dreieck, dessen Winkel mit α, β und γ bezeich-

net werden. Ins Innere dieses Dreiecks werden folgende drei Dreiecke gezeichnet: Uber derSeite AB als Basis wird ein Dreieck mit Winkel α3 bei A und β

3 bei B errichtet. Sei P die

Spitze dieses Dreiecks. Uber der Seite BC als Basis wird ein Dreieck mit Winkel β3 bei B

und γ3 bei C errichtet. Sei Q die Spitze dieses Dreiecks. Uber der Seite CA als Basis wird

ein Dreieck mit Winkel γ3 bei C und α3 bei A errichtet. Sei R die Spitze dieses Dreiecks.

Das Dreieck △PQR ist dann gleichseitig.

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Franz Hofbauer 35

A B

C

P

QRa

b

c

u

vx

Beweis: Es sei x = |PR|, u = |AP | undv = |AR|. Insbesondere ist x die Langeder Seite PR des Dreiecks △PQR, von demgezeigt werden soll, dass es gleichseitig ist.Sei µ = α

3 , ν = β3 und σ = γ

3 . Weiters seiφ = ]APB. Da µ, ν und φ die Winkel imDreieck △APB sind, gilt µ+ ν + φ = 1800.Wegen µ + ν + σ = α+β+γ

3 = 600 erhalt

man φ = 1200 + σ. Daraus ergibt sich dannsinφ = sin(1800−φ) = sin(600−σ). Der Si-nussatz angewendet auf das Dreieck △APBliefert u

sin ν = csinφ oder u = c sin ν

sin(600−σ) . Ist

r der Umkreisradius, dann gilt c = 2r sin γwieder nach dem Sinussatz. Damit ergibt sich u = 2r sin γ sin ν

sin(600−σ) und aus Hilfssatz E erhalt

man sin γ = sin 3σ = 4 sinσ sin(600 + σ) sin(600 − σ). Setzt man das ein, so hat manu = 8r sinσ sin(600 + σ) sin ν. Ganz analog erhalt man v = 8r sin ν sin(600 + ν) sinσ.

Der Cosinussatz angewendet auf das Dreieck △APR ergibt x2 = u2 + v2 − 2uv cosµ, alsox2 = 64r2 sin2 ν sin2 σ

(sin2(600+σ)+ sin2(600+ ν)−2 sin(600+σ) sin(600+ ν) cosµ

). Da

sich 600+σ, 600+ν und µ zu 1800 addieren und somit die Winkel eines Dreiecks sind, folgtsin2(600+σ)+sin2(600+ν)−2 sin(600+σ) sin(600+ν) cosµ = sin2 µ aus Hilfssatz D. Damitist x2 = 64r2 sin2 ν sin2 σ sin2 µ gezeigt, das heißt x = 8r sin ν sinσ sinµ. Die Langen deranderen Seiten des Dreiecks △PQR erhalt man durch dieselbe Rechnung, wobei aber a,b und c ihre Platze vertauschen und ebenso ν, σ und µ. Dadurch andert sich jedoch dasErgebnis nicht. Das zeigt, dass alle drei Seiten des Dreiecks △PQR gleich x sind.

Bemerkung: Satz 57 gilt auch, wenn die Dreiecke außen sitzen, wobei der Winkel α3

durch 600 − α3 , der Winkel β3 durch 600 − β

3 und der Winkel γ3 durch 600 − γ3 ersetzt wird.

4. Komplexe Zahlen

Rechnet man mit reellen Zahlen, dann hat man das Problem, dass nicht jedes Polynomeine Nullstelle hat. Das Polynom x2 + 1 hat zum Beispiel keine. Um dieses Problem zubeseitigen, fuhrt man die komplexen Zahlen C = {x+ yi : x ∈ R, y ∈ R} ein. Wir fassen ieinfach als neues Symbol auf. Es heißt imaginare Einheit. Es wird festgelegt, dass i2 = −1gilt. Bezeichnet man die komplexe Zahl x+ yi mit z, dann nennt man x den Realteil vonz und y den Imaginarteil von z.

Die Addition zweier komplexer Zahlen ist wie fur Vektoren definiert

(x+ yi) + (p+ qi) = x+ p+ (y + q)i

Die Multiplikation wird in naheliegender Weise definiert, wobei man i2 = −1 verwendet

(x+ yi)(p+ qi) = xp+ xqi+ ypi+ yqi2 = xp− yq + (xq + yp)i

Zu jeder komplexen Zahl x+ yi = 0 existiert die inverse Zahl bezuglich der Multiplikation1

x+yi =x−yi

(x+yi)(x−yi) =x−yi

x2−xyi+xyi−y2i2 = x−yix2+y2 = x

x2+y2 + −yx2+y2 i

Man erhalt sie, indem man den Bruch 1x+yi mit x− yi erweitert.

Man pruft leicht nach, dass die Addition und die Multiplikation komplexer Zahlen as-soziativ und kommutativ sind und dass das Distributivgesetz gilt. Man kann also mit

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36 Trigonometrie

komplexen Zahlen genauso rechnen wie in allen anderen Zahlenbereichen. Die additiveInverse zur komplexen Zahl x + yi ist −x − yi. Die multiplikative Inverse zur komplexenZahl x + yi ist die oben berechnete Zahl x

x2+y2 + −yx2+y2 i. Somit bildet die Menge C der

komplexen Zahlen mit der Addition und der Multiplikation einen Korper.

Bezeichnet man die komplexe Zahl x+yimit z, dann nennt man x−yi die zu z konjugiertkomplexe Zahl, die man mit z bezeichnet. Den Betrag |z| der komplexen Zahl z definiert

man durch√x2 + y2. Das entspricht der Lange des Vektors ( xy ).

Satz 58: Aus jeder komplexen Zahl p+ qi lasst sich die Wurzel ziehen. Ist die Zahl reell,das heißt q = 0, dann sind ±√

p im Fall p ≥ 0 und ±√−p i im Fall p < 0 Wurzeln der

Zahl p + qi. Ist q = 0, dann sind x + yi und −x − yi Wurzeln der Zahl p + qi, wobei

x =√

p2 + 1

2

√p2 + q2 und y = q

2x zu setzen sind.

Beweis: Ist q = 0 und p ≥ 0, dann sind ±√p Wurzeln von p, da (±√

p)2 = p gilt. Ist

q = 0 und p < 0, dann sind ±√−p i Wurzeln von p, da (±

√−p i)2 = −p i2 = p gilt.

Wir nehmen jetzt q = 0 an und berechnen die Wurzel aus p+ qi, das heißt wir losendie Gleichung (x + yi)2 = p + qi. Es folgt x2 − y2 + 2xyi = p + qi. Diese Gleichunggilt genau dann, wenn die auf den beiden Seiten der Gleichung stehenden komplexenZahlen gleichen Real- und gleichen Imaginarteil haben. Es muss also x2 − y2 = p und2xy = q gelten. Wir quadrieren die beiden Gleichungen und addieren sie dann. Das ergibt

x4 + y4 + 2x2y2 = p2 + q2. Zieht man die Wurzel, dann hat man x2 + y2 =√p2 + q2.

Addiert man die Gleichung x2 − y2 = p, so erhalt man 2x2 = p +√p2 + q2. Damit ist

x = ±√

p2 + 1

2

√p2 + q2 bereits berechnet. Wegen q = 0 gilt −p ≤ |p| <

√p2 + q2, woraus

p2 + 1

2

√p2 + q2 > 0 und somit auch x = 0 folgt.

Fur x haben wir zwei Losungen erhalten, die sich nur durch das Vorzeichen voneinderunterscheiden. Das jeweils zugehorige y ergibt sich aus der Gleichung 2xy = q. Wahltman x als die positive Losung und berechnet damit y = q

2x , dann sind x+ yi und −x− yidie Wurzeln der Zahl p+ qi.

Beispiel: Um die Wurzel aus 3− 4i zu ziehen, konnen wir die Gleichung x2− y2+2xyi =3−4i, das heißt x2−y2 = 3 und 2xy = −4, losen oder in die Formeln aus Satz 58 einsetzen.Wir erhalten x2 = 3

2 + 12

√9 + 16 = 4, also x = 2, und y = −4

2x = −1. Die Wurzeln aus3− 4i sind daher 2− i und −2 + i.

Man kann ein viel starkeres Resultat zeigen als Satz 58. Der Fundamentalsatz der Alge-bra besagt, dass jedes Polynom mit komplexen Koeffizienten eine Nullstelle in C besitzt.

5. Polarkoordinaten

In der Ebene legt man einen Punkt P ublicherweise durch seine kartesischen Koordinatenx und y fest. Man kann den Punkt P aber auch dadurch festlegen, dass man seinenAbstand r vom Nullpunkt angibt und den Winkel φ, den man erhalt, wenn man von derpositiven x-Achse im Gegenuhrzeigersinn bis zum Ortsvektor des Punktes P wandert. DieKoordinaten des Punktes sind dann r und φ. Man nennt sie Polarkoordinaten. Da diePunkte (0, 0), (x, 0) und (x, y) die Ecken eines rechtwinkeligen Dreiecks bilden, erhaltenwir x = r cosφ und y = r sinφ. Diese Formeln geben den Zusammenhang zwischenkartesischen Koordinaten und Polarkoordinaten an. Eine Ausnahme bildet der Punkt(0, 0). Fur diesen kann man naturlich keinen Winkel φ festlegen.

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Franz Hofbauer 37

x

yr

φ

Man kann komplexe Zahlen x + iy graphisch alsPunkte (x, y) im Koordinatensystem darstellen. DieAddition der komplexen Zahlen entspricht dann derAddition der zugehorigen Ortsvektoren. Um auchdie Multiplikation geometrisch zu deuten, fuhren wirdie oben beschriebene Polarkoordinatendarstellungfur komplexe Zahlen ein.

Dazu sei r =√x2 + y2 wieder der Abstand des

Punktes (x, y) vom Nullpunkt (der Betrag der kom-plexen Zahl x + iy) und φ wieder der Winkel zwi-schen der positiven x-Achse und dem Ortsvektorzum Punkt (x, y). Dieser Winkel φ wird das Argument der komplexen Zahl z = x + iygenannt und mit arg z bezeichnet. Es gilt dann x+ iy = r(cosφ+ i sinφ). Es ist nutzlich,eine Kurzschreibweise fur den Ausdruck in der Klammer einzufuhren.

Fur einen Winkel α definieren wir die komplexe Zahl eiα durch

eiα = cosα+ i sinα (Eulersche Formel)

Dann lasst sich die Polarkoordinatendarstellung schreiben als x+ iy = reiφ. Warum mandie komplexe Zahl cosα+ i sinα mit eiα bezeichnet, wird aus dem nachsten Satz klar. Esgelten Rechenregeln wie fur die Exponentialfunktion.

Satz 59: Fur Winkel α und β gilt ei(α+β) = eiαeiβ .

Beweis: Das folgt aus den Summensatzen fur die trigonometrischen Funktionen. Es giltei(α+β) = cos(α+β)+ i sin(α+β) = cosα cosβ−sinα sinβ+ i sinα cosβ+ i cosα sinβ undeiαeiβ = (cosα+i sinα)(cosβ+i sinβ) = cosα cosβ+i sinα cosβ+i cosα sinβ−sinα sinβ.Daraus erkennt man die gesuchte Gleichung.

Nun kann man auch die Multiplikation von zwei komplexen Zahlen geometrisch deuten.Wir schreiben sie in Polarkoordinatendarstellung als r1e

iφ1 und r2eiφ2 . Mit Hilfe von

Satz 59 folgt r1eiφ1 · r2eiφ2 = r1r2e

i(φ1+φ2). Das Produkt zweier komplexer Zahlen erhaltman also, indem man die Betrage der beiden Zahlen multipliziert und die Winkel addiert.

Daraus ergibt sich auch, dass√reiφ/2 und −

√reiφ/2 die beiden Wurzeln der komplexen

Zahl reiφ sind. Die Wurzel (abgesehen vom Vorzeichen) erhalt man, indem man die Wurzelaus dem Betrag zieht und den Winkel halbiert.

Das Rechnen mit trigonometrischen Funktionen erweist sich manchmal als schwierig.Mit Hilfe der Eulerformel konnen wir den Sinus und den Cosinus durch die komplexeExponentialfunktion ausdrucken. Auf diese Weise lassen sich Produkte und Potenzen vontrigonometrischen Funktionen in Summen umwandeln.

Die Eulerformel besagt eiα = cosα + i sinα. Setzt man −α statt α ein, so hat mane−iα = cos(−α) + i sin(−α) = cosα − i sinα. Durch Addition dieser beiden Gleichungenergibt sich eiα + e−iα = 2 cosα und daraus folgt

cosα = 12 (e

iα + e−iα)

Ebenso erhalten wir eiα − e−iα = 2i sinα und daraus

sinα = 12i (e

iα − e−iα)

Die folgenden Beispiele zeigen, wie man diese Darstellung von sinα und cosα verwendenkann, um Potenzen und Produkte von trigonometrischen Funktionen auszurechnen.

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38 Trigonometrie

Beispiel: Es soll sin2 α sin 2α als Summe von trigonometrischen Funktionen geschrieben

werden. Durch Einsetzen obiger Formeln erhalt man sin2 α sin 2α = e2iα−2+e−2iα

−4e2iα−e−2iα

2i .

Multiplikation dieser beiden Bruche ergibt e4iα−2e2iα+2e−2iα−e−4iα

−8i . Diesen Bruch konnenwir zerteilen, sodass wir wieder trigonometrische Funktionen einsetzen konnen. Wir erhal-

ten e4iα−e−4iα

−8i + 2e2iα−2e−2iα

8i = − 14 sin 4α+ 1

2 sin 2α. Das ist die gewunschte Summe.

Beispiel: Wir zeigen sin 2α + sin 2β + sin 2γ = 4 sinα sinβ sin γ fur die Winkel einesDreiecks, also unter der Bedingung α+ β + γ = 1800. Wir beginnen mit 4 sinα sinβ sin γund setzen sinφ = 1

2i (eiφ − e−iφ) ein. Durch Ausmultiplizieren ergibt sich

− 12i (e

i(α+β+γ) − ei(α+β−γ) − ei(α−β+γ) + ei(α−β−γ)

− ei(−α+β+γ) + ei(−α+β−γ) + ei(−α−β+γ) − ei(−α−β−γ))

Fasst man diese Ausdrucke entsprechend zusammen, so erhalt man

− sin(α+ β + γ) + sin(α+ β − γ) + sin(α− β + γ) + sin(−α+ β + γ)

Wegen α+ β + γ = 1800 und sin(1800 − φ) = sinφ ergibt sich sin 2α+ sin 2β + sin 2γ.

6. Beweisen mit Hilfe komplexer Zahlen

Wir beweisen weitere Eigenschaften komplexer Zahlen, und zwar fur die konjugiert kom-plexe Zahl z, fur den Betrag |z| und das Argument arg z einer komplexen Zahl z.

Satz 60: Seien w und z in C. Dann gilt |z|2 = zz, z = z, |z| = |z| und z + z ≤ 2|z|.Weiters gilt w + z = w + z, w − z = w − z und w · z = w · z. Ist q = w

z , dann gilt q = wz .

Beweis: Sei w = p+ qi und z = x+ yi. Dann haben wir w = p− qi und z = x− yi.

Es folgt |z|2 = x2+y2 = x2−y2i2 = (x+yi)(x−yi) = zz und z = x− (−y)i = x+yi = z.Ebenso folgt |z|2 = x2 + (−y)2 = x2 + y2 = |z|2, woraus wir |z| = |z| erhalten. Schließlichfolgt auch z + z = x+ yi+ x− yi = 2x ≤ 2|x| ≤ 2

√x2 + y2 = 2|z|.

Wegen w+ z = (p+ x) + (q+ y)i erhalten wir w + z = (p+ x)− (q+ y)i = p− qi+ x− yi.Man sieht, dass w + z = w + z gilt. Ebenso ergibt sich w − z = w − z.

Es gilt w · z = px− qy+(py+ qx)i und w · z = px− qy+(−py− qx)i. Es folgt w · z = w · z.Ist q = w

z , dann gilt q · z = w, woraus q · z = w und daher auch q = wz folgt.

Der nachste Satz behandelt den Betrag eines Produkts und einer Summe. Wir erhalteneine Dreiecksungleichung fur koplexe Zahlen.

Satz 61: Seien w und z in C. Dann gilt |w · z| = |w| · |z| und |w + z| ≤ |w|+ |z|.Beweis: Wir berechnen |w · z|2 = w · z · w · z = w · z · w · z = w · w · z · z = |w|2 · |z|2 mitHilfe der Resultate aus Satz 60. Damit ist |w · z| = |w| · |z| gezeigt.Ahnlich gehen wir vor, um die Dreiecksungleichung zu beweisen. Es gilt

|w+ z|2 = (w+ z)(w + z) = (w+ z)(w+ z) = ww+wz+ zw+ zz = |w|2 +wz+ zw+ |z|2

Setzt man u = wz, dann hat man u = w z = w z. Wegen u + u ≤ 2|u| ergibt sichwz + zw ≤ 2|wz| = 2|w| · |z| = 2|w| · |z|. Damit erhalten wir

|w + z|2 = |w|2 + wz + zw + |z|2 ≤ |w|2 + 2|w| · |z|+ |z|2 = (|w|+ |z|)2

Somit ist |w + z| ≤ |w|+ |z| gezeigt.

Im folgenden Satz ist zu beachten, dass ein Winkel, der nicht im Bereich von 00 bis 3600

liegt, mit dem entsprechenden Winkel in diesem Bereich zu identifizieren ist.

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Franz Hofbauer 39

Satz 62: Fur w und z in C \ {0} gilt argw · z = argw+arg z und arg wz = argw− arg z.

Beweis: Das sieht man sofort aus der Polarkoordinatendarstellung. Gilt w = reiφ undz = seiψ, dann folgt w · z = rsei(φ+ψ). Wegen argw = φ, arg z = ψ und argw · z = φ+ ψist argw · z = argw + arg z gezeigt.

Setzen wir in diese Gleichung wz anstelle von w ein, so erhalten wir argw = arg w

z + arg z,das heißt arg w

z = argw − arg z.

Eine komplexe Zahlen z = x+yi kann man als Punkt (x, y) auffassen oder als Vektor ( xy ).Die Addition komplexer Zahlen ist ja dieselbe wie die fur Vektoren. Man kann auch dieMultiplikation geometrisch deuten und damit Satze aus der Geometrie beweisen.

Sei r > 0 und 00 ≤ φ < 3600. Sei v ∈ C. Wir stellen uns v als Punkt in der Ebene vor.Das Produkt r ·v ergibt dann den Punkt, den man durch die zentrische Streckung mit demFaktor r und dem Nullpunkt als Zentrum erhalt. Multipliziert man noch mit eiφ, dannwird der Punkt zusatzlich noch um den Nullpunkt im Gegenuhrzeigersinn um den Winkelφ gedreht. Der Punkt, der der komplexen Zahl reiφ · v entspricht, geht somit aus demursprunglichen Punkt v durch eine Drehstreckung mit dem Faktor r und dem Drehwinkelφ hervor, die den Nullpunkt als Zentrum hat.

Setzt man z = reiφ, dann entspricht die Multiplikation mit z einer Drehstreckung mitFaktor |z| und Drehwinkel arg z, deren Zentrum der Nullpunkt ist.

Satz 63: Sei r > 0 und 00 ≤ φ < 3600. Seien u und v in C. Sei w = u+(v−u)·reiφ. Dannentspricht w dem Punkt, der durch eine Drehstreckung mit dem Punkt u als Zentrum ausdem Punkt v hervorgeht, wobei der Drehwinkel (im Gegenuhrzeigersinn) gleich φ und derStreckungsfaktor gleich r ist.

Beweis: Die Abbildung v 7→ u+ (v− u) · reiφ ist die Hintereinanderausfuhrung folgenderdrei Abbildungen:(a) Subtraktion von u: verschiebt den Punkt u in den Punkt 0(b) Multiplikation mit reiφ: Drehstreckung mit dem Nullpunkt als Zentrum(c) Addition von u: verschiebt den Punkt 0 in den Punkt u zuruckDie Zusammensetzung ergibt eine Drehstreckung mit u als Zentrum, wobei der Drehwinkelgleich φ und der Streckungsfaktor gleich r ist.

Auf die Strecke vom Punkt (0, 0) zum Punkt (1, 0) als Basis setzen wir ein gleich-schenkeliges Dreieck mit Basiswinkel φ. Die Spitze W hat die Koordinaten ( 12 ,

tanφ2 ).

Dieser Punkt entspricht der komplexen Zahl w = 12 + i tanφ2 . Den Punkt W erhalt man

aus dem Punkt (1, 0) durch eine Drehstreckung mit Zentrum (0, 0). Gedreht wird um den

Winkel φ, gestreckt (oder gestaucht) wird mit dem Faktor |w| = 12

√1 + tan2 φ. Diese

Drehstreckung entspricht der Multiplikation mit der komplexen Zahl w.

Seien u und v in C. Auf die Strecke von u nach v als Basis setzen wir ein gleichschenke-liges Dreieck mit Basiswinkel φ. Wie oben geht der Punkt v durch eine Drehstreckung, dieder Multiplikation mit der komplexen Zahl w entspricht, in die Spitze des Dreiecks uber,wobei jetzt u das Zentrum der Drehstreckung ist. Diese Drehstreckung ist v 7→ u+(v−u)·wnach Satz 63. Wir stehen im Punkt u und schauen zum Punkt v. Ist w = 1

2 + i tanφ2 , dann

liegt das aufgesetzte Dreieck links. Ist w = 12 + i tan(−φ)2 = 1

2 − i tanφ2 , dann liegt es rechts.

Damit konnen wir Satze aus der Geometrie beweisen. Diese Satze handeln von gleich-schenkeligen Dreiecken, die auf den Seiten eines vorgegebenen Dreiecks aufgesetzt werden.Insbesondere erhalten wir einen einfachen Beweis fur den Satz von Napoleon.

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40 Trigonometrie

Satz 64 (Satz von Napoleon) Setzt man außen auf die drei Seiten eines beliebigen Dreiecksgleichschenkelige Dreiecke mit Basiswinkel 300, dann bilden die Spitzen dieser drei Dreieckeein gleichseitiges Dreieck.

a b

c

d

e

f

α β

γBeweis: Wir fassen die Eckpunkte des vorgegebenenDreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf. Die Spitzender uber den Dreieckseiten errichteten gleichschenkeli-gen Dreiecke entsprechen ebenfalls komplexen Zahlen,die wir mit d, e und f bezeichnen. Wegen tan 300 = 1√

3gilt nach obigen Uberlegungen:

d = a+ (b− a)( 12 − i 12√3) = a( 12 + i 1

2√3) + b( 12 − i 1

2√3)

e = b+ (c− b)( 12 − i 12√3) = b( 12 + i 1

2√3) + c( 12 − i 1

2√3)

f = a+ (c− a)( 12 + i 12√3) = c( 12 + i 1

2√3) + a( 12 − i 1

2√3)

Daraus berechnen wir die Differenzen

d−f = a ·i 1√3+b( 12 −i

12√3)−c( 12 +i

12√3) und e−f = −a( 12 −i

12√3)+b( 12 +i

12√3)−c ·i 1√

3

Es folgt e − f = (d − f)( 12 + i√32 ), das heißt e = f + (d − f)( 12 + i tan 600

2 ). Somit ist e

der Punkt, den man erhalt, wenn man den Punkt d um den Punkt f um 600 dreht, und

zwar vom Punkt f aus gesehen nach links (die komplexe Zahl 12 + i

√32 hat Betrag 1, daher

keine Streckung). Damit ist bewiesen, dass das Dreieck, dessen Eckpunkte den komplexenZahlen d, e und f entsprechen, gleichseitig ist.

Satz 65: Uber jeder Seite eines beliebigen Dreiecks wird außen ein gleichschenkeligesDreieck mit Basiswinkel 450 errichtet. Wir zeichnen die Strecke zwischen den Spitzenvon zweien dieser Dreiecke, und die Strecke von der Spitze des dritten Dreiecks zumgegenuberliegenden Eckpunkt des vorgegebenen Dreiecks. Diese beiden Strecken sindgleich lang und stehen senkrecht aufeinander.

a b

c

d

ef

Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des vorgegebe-nen Dreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf.Die Spitzen der uber den Dreieckseiten errichtetengleichschenkeligen Dreiecke entsprechen komplexenZahlen, die wir mit d, e und f bezeichnen. Wegentan 450 = 1 erhalten wir wie im vorherigen Beweis

d = a+ (b− a)( 12 − i 12 ) = a( 12 + i 12 ) + b( 12 − i 12 )

e = b+ (c− b)( 12 − i 12 ) = b( 12 + i 12 ) + c( 12 − i 12 )

f = a+ (c− a)( 12 + i 12 ) = c( 12 + i 12 ) + a( 12 − i 12 )

Daraus ergibt sich d−c = a( 12 + i12 )+b(

12 − i

12 )−c

und e − f = −a( 12 − i 12 ) + b( 12 + i 12 ) − ci. Manrechnet e − f = (d − c)i nach. Das bedeutet: Dreht man den Vektor, der von c nach dfuhrt, um 900 im Gegenuhrzeigersinn, dann erhalt man den Vektor von f nach e. Damitist gezeigt, dass die beiden Vektoren gleich lang sind und aufeinander senkrecht stehen.

In den vorhergehenden Beweisen wurde die Multiplikation mit einer komplexen Zahlals Drehstreckung gedeutet. Wir beweisen noch einen Satz uber Vierecke, wobei jetzt dieEigenschaften des Betrags und des Arguments eine wesentliche Rolle spielen.

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Franz Hofbauer 41

A B

C

D

a

b

c

de f

α β

γ

δ

Fur ein Viereck fuhren wir folgende Standard-bezeichnungen ein. Die Eckpunkte bezeichnenwir mit den Großbuchstaben A, B, C und D.Den Winkel bei jedem Eckpunkt bezeichnen wirmit dem entsprechenden griechischen Buchstabenα, β, γ und δ. Weiters seien a = |AB|, b = |BC|,c = |CD| und d = |DA| die Langen der Viereck-seiten, und e = |AC| und f = |BD| die Langender beiden Diagonalen.

Ein Viereck heißt konvex, wenn die Diagonalen innerhalb des Vierecks liegen, das heißtA und C liegen auf verschiedenen Seiten der Diagonale BD, und B und D auf verschiede-nen Seiten der Diagonale AC. Die Winkelsumme in einem konvexen Viereck betragt 3600,da man es aus zwei Dreiecken zusammensetzen kann. Ein konvexes Viereck heißt Sehnen-viereck, wenn es einen Umkreis hat. Es gilt dann

Satz 66: Ein konvexes Viereck ABCD mit Winkel α, β, γ und δ ist genau dann einSehnenviereck, wenn α+ γ = 1800 gilt. Es gilt dann auch β + δ = 1800.

Beweis: Sei k der Umkreis des Dreiecks △ABD. Es gilt ]BAD = α. Weiters liegenA und C auf verschiedenen Seiten der Sehne BD des Kreises k. Das Viereck ist einSehnenviereck genau dann, wenn C auf k liegt. Nach Satz 33 ist das aquivalent dazu, dass]BCD = 1800 − α gilt, das heißt α + γ = 1800. Es gilt dann auch β + δ = 1800, da dieWinkelsumme in einem konvexen Viereck 3600 betragt.

Mit Hilfe komplexer Zahlen beweisen wir einen Cosinussatz fur Vierecke. Als Folgerungdaraus erhalten wir dann den Satz von Ptolemaus.

Satz 67: Sei ABCD ein konvexes Viereck. Mit den oben eingefuhrten Standardbezeich-nungen gilt dann e2f2 = a2c2 + b2d2 − 2abcd cos(α+ γ).

Beweis: Wir fassen die Eckpunkte A, B, C und D des Vierecks als komplexe Zahlen u,v, w und z auf. Die Differenzen v − u, v − w, z − w und z − u entsprechen Vektoren,die auf den Seiten des Vierecks liegen. Die Langen der Seiten und Diagonalen sind danna = |v − u|, b = |v − w|, c = |z − w|, d = |z − u|, e = |w − u| und f = |v − z|.Sei t = (w−u)(v− z), p = (v−u)(z−w) und q = (v−w)(z−u). Dann gilt t = q− p, wieman leicht nachrechnet. Die komplexen Zahlen p, q und t entsprechen Vektoren, die aufden Seiten eines Dreiecks liegen. Sei φ der Winkel zwischen den Vektoren p und q. DerCosinussatz fur dieses Dreieck ergibt dann |t|2 = |p|2 + |q|2 − 2|p| · |q| cosφ. Setzen wir furt, p und q ein, so ergibt sich e2f2 = a2c2 + b2d2 − 2abcd cosφ mit Hilfe von Satz 61.

Wir erhalten arg q − arg p = arg(v − w) + arg(z − u) − arg(v − u) − arg(z − w) mit Hilfevon Satz 62. Weiters gilt α = arg(z − u) − arg(v − u) und γ = arg(v − w) − arg(z − w).Es folgt arg q− arg p = α+ γ. Bei diesen Rechnungen muss man Winkel, die sich um 3600

unterscheiden, identifizieren. Da α+ γ ohnehin zwischen 00 und 3600 liegt, ist der Winkelφ zwischen den Vektoren p und q entweder gleich α + γ oder gleich 3600 − (α + γ). Dadiese beiden Winkel denselben cos haben, konnen wir α+ γ fur φ einsetzen. Damit ist derSatz bewiesen.

Satz 68 (Satz von Ptolemaus) Seien a, b, c und d die Langen der Seiten eines konvexenVierecks und e und f die Langen der Diagonalen. Dann gilt ef ≤ ac+ bd. Gleichheit giltgenau dann, wenn das Viereck ein Sehnenviereck ist.

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42 Trigonometrie

Beweis: Wegen cos(α+ γ) ≥ −1 folgt e2f2 ≤ a2c2 + b2d2 + 2abcd aus Satz 67, das heißte2f2 ≤ (ac + bd)2 oder ef ≤ ac + bd. Gleichheit gilt genau dann, wenn cos(α + γ) = −1gilt. Das ist genau dann der Fall, wenn α+ γ = 1800 gilt, also fur ein Sehnenviereck.

Lineal und Winkelmesser: Die Zahlengerade, auf der jedem Punkt eine reelle Zahlzugeordnet wird, verwenden wir als Lineal, um den Abstand zweier Punkte A und B zumessen. Wir legen die Zahlengerade durch die Punkte A und B und lesen die Koordinatender beiden Punkte ab. Den orientierten Abstand AB erhalten wir, indem wir die Koor-dinate von A von der Koordinate von B subtrahieren. Den ublichen, nicht orientiertenAbstand erhalten wir, indem wir die kleinere von der großeren Koordinate subtrahieren.

Anstatt reeller Zahlen konnen wir den Punkten auf der Zahlengerade auch Winkel zuord-nen, indem wir Winkel > 1800 und negative Winkel zulassen. Wir wickeln diese Zahlen-gerade im Gegenuhrzeigersinn um den Einheitskreis herum, sodass 3600, −3600 und alleVielfachen davon mit 00 zusammenfallen. Dadurch werden den Punkten auf dem Einheit-skreis wie ublich die Winkel von 00 bis 3600 zugeordnet. Die anderen Winkel werden sozugeordnet, dass Winkel, die sich um ein Vielfaches von 3600 voneinander unterscheiden,demselben Punkt auf dem Einheitskreis entsprechen. Diesen Einheitskreis verwenden wirals Winkelmesser.

Sind A, S und B drei voneinander verschiedene Punkte, dann liegt der Winkel ]ASB imBereich von 00 bis 1800. Die Grenzfalle 00 und 1800 treten auf, wenn A, S und B auf einerGerade liegen.

Um den Winkel ]ASB zu messen, legen wir den Einheitskreis so auf den Winkel, dasssein Mittelpunkt im Scheitel S liegt. Wenn wir vom Scheitel S ins Winkelfeld schauen,dann liegt ein Schenkel des Winkels links, der andere rechts. Wir lesen am Einheitskreisden Winkel φ ab, der dem Punkt zugeordnet ist, durch den der linke Schenkel geht, undden Winkel ψ, der dem Punkt zugeordnet ist, durch den der rechte Schenkel geht. DerWinkel ]ASB ist dann gleich φ−ψ. Er liegt im Bereich von 00 bis 1800, außer der Punktdes Einheitskreises, dem der Winkel 00 zugeordnet ist, liegt im Winkelfeld. Dann ist φ−ψnegativ. In diesem Fall mussen wir φ+3600 statt φ ablesen. Das entspricht ja demselbenPunkt am Einheitskreis. (Oder wir lesen ψ−3600 statt ψ ab.) So erreichen wir, dass dannφ+ 3600 − ψ im Bereich von 00 bis 1800 liegt und gleich ist dem Winkel ]ASB.

Mit dieser Methode konnten wir auch orientierte Winkel einfuhren, analog zu orientiertenAbstanden. Wir tun das jedoch nicht, da wir sie nicht brauchen.

Diese Art, Winkel zu messen, ist insbesondere wichtig, wenn Geometrie mit Hilfe komplexerZahlen betrieben wird. In diesem Fall ist ein Koordinatensystem und damit auch derEinheitskreis vorgegeben. Es soll der Winkel ]ASB gemessen werden. Seien a, s und b diekomplexen Zahlen, die den Punkten A, S und B entsprechen. Wir bilden die Differenzena− s und b− s und verschieben dadurch den Winkel so, dass sein Scheitel im Mittelpunktdes Einheitskreises (Nullpunkt des Koordinatensystems) liegt. Die komplexen Zahlen a−sund b − s liegen auf den Schenkeln des verschobenen Winkels. Den Punkten auf demEinheitskreis, durch die diese Schenkel gehen, sind dann die Winkel arg(a−s) und arg(b−s)zugeordnet. Wenn a− s auf dem linken Schenkel liegt, dann ist der Winkel ]ASB gleicharg(a − s) − arg(b − s). Wenn b − s auf dem linken Schenkel liegt, dann ist der Winkel]ASB gleich arg(b− s)− arg(a− s). Sollte ein negativer Winkel auftreten, dann mussenwir wie oben 3600 addieren.

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III. Koordinaten und Vektoren

Wir betreiben Geometrie mit Hilfe der Vektorrechnung. Wir legen in der Ebene einKoordinatensystem fest und identifizieren sie dadurch mit dem R2. Die Koordinaten einesVektors a im R2 werden wir immer mit a1, a2 bezeichnen, das heißt a = ( a1a2 ). Dasselbegilt naturlich auch fur andere Buchstaben anstelle von a. Genauso identifizieren wir dendreidimensionalen Raum mit dem R3 und bezeichnen die Koordinaten eines Vektors a imR3 immer mit a1, a2, a3. Wir schreiben d fur die Dimension, das heißt d = 2 oder d = 3.

Im Rd sind die Addition von Vektoren und die Multiplikation eines Vektors mit einerZahl definiert.

1. Inneres Produkt und Vektorprodukt

Das innere Produkt zweier Vektoren a und b wird definiert durch ⟨a,b⟩ =∑dj=1 ajbj .

Aus dem Satz von Pythagoras folgt, dass durch ∥a∥ :=√

⟨a,a⟩ die Lange des Vektors agegeben ist. Das innere Produkt hat folgende Eigenschaften:

Satz 69: Fur a, b, c in Rd und λ ∈ R gilt ⟨a,b⟩ = ⟨b,a⟩, ⟨λa,b⟩ = ⟨a, λb⟩ = λ⟨a,b⟩,⟨a+ b, c⟩ = ⟨a, c⟩+ ⟨b, c⟩ und ⟨a,b+ c⟩ = ⟨a,b⟩+ ⟨a, c⟩. Weiters gilt ∥λa∥ = |λ| · ∥a∥.Beweis: Diese Gleichungen folgen direkt aus der Definition des inneren Produkts.

Satz 70: Seien a und b zwei Vektoren in Rd \ {0} und γ der von ihnen eingeschlosseneWinkel. Dann gilt ⟨a,b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ.Beweis: Bilden die beiden Vektoren a und b zwei Seiten eines Dreiecks, dann bildeta − b die dritte Seite des Dreiecks. Daher sind ∥a− b∥, ∥a∥ und ∥b∥ die Langen derDreieckseiten und γ ist der der Seite a−b gegenuberliegende Winkel. Aus dem Cosinussatzfolgt ∥a− b∥2 = ∥a∥2 + ∥b∥2 − 2∥a∥ · ∥b∥ cos γ. Das gilt auch fur γ = 00 und γ = 1800.Wegen ∥a− b∥2 = ⟨a− b,a− b⟩ = ⟨a,a⟩ − 2⟨a,b⟩+ ⟨b,b⟩ = ∥a∥2 + ∥b∥2 − 2⟨a,b⟩ folgtdaraus ⟨a,b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ.

Bemerkung: Fur a und b in Rd \ {0} folgt aus Satz 70, dass ⟨a,b⟩ = 0 genau dann gilt,wenn cos γ = 0 ist, das heißt wenn die Vektoren a und b senkrecht aufeinander stehen.

Mit Hilfe von Satz 70 beweisen wir

Satz 71 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und Dreiecksungleichung) Fur a und b in Rdgilt ⟨a,b⟩ ≤ ∥a∥ ·∥b∥ und ∥a+ b∥ ≤ ∥a∥+∥b∥. Gleichheit gilt nur dann, wenn ein Vektorder Nullvektor ist oder der von den Vektoren eingeschlossene Winkel gleich 00 ist.

Beweis: Ist einer der Vektoren der Nullvektor, dann ist leicht nachzuprufen, dass ⟨a,b⟩ =∥a∥ · ∥b∥ und ∥a+ b∥ = ∥a∥+ ∥b∥ gilt. Sei also keiner der Vektoren der Nullvektor.

Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Wegen cos γ ≤ 1 folgt⟨a,b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ aus Satz 70. Um die zweite Ungleichung zu beweisen, berechnen wir∥a+ b∥2 = ⟨a + b,a + b⟩ = ⟨a,a⟩ + 2⟨a,b⟩ + ⟨b,b⟩ = ∥a∥2 + ∥b∥2 + 2⟨a,b⟩. Wegen⟨a,b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ ergibt sich daraus ∥a+ b∥2 ≤ ∥a∥2 + ∥b∥2 + 2∥a∥∥b∥ = (∥a∥+ ∥b∥)2.Damit ist ∥a+ b∥ ≤ ∥a∥+∥b∥ gezeigt. In beiden Ungleichungen gilt Gleichheit nur dann,wenn cos γ = 1 ist. Das ist genau dann der Fall, wenn γ = 00 gilt.

Die Dreiecksungleichung in Satz 71 hangt mit der in Satz 50 zusammen. Seien A, B

und C die Ecken eines Dreiecks im Rd. Ist a =−→AB und b =

−→BC, dann gilt a+ b =

−→AC.

Satz 71 besagt dann, dass |AC| ≤ |AB| + |BC| gilt. Das ist die Dreiecksungleichung ausSatz 50. Die Dreiecksungleichung in Satz 61 ist mit der in Satz 71 identisch.

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44 Koordinaten und Vektoren

Satz 72: Seien a und b zwei Vektoren im Rd. Sei F die Flache des von a und b aufgespan-nten Parallelogramms. Dann gilt F 2 = ∥a∥2∥b∥2 − ⟨a,b⟩2. Im R2 gilt F = |a1b2 − a2b1|.Beweis: Ist einer der Vektoren der Nullvektor, dann gelten diese Formeln trivialerweise.Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Die Hohe des Paral-lelogramms auf die Seite der Lange ∥a∥ hat die Lange ∥b∥ sin γ. Fur die Flache erhalten

wir daher F = ∥a∥∥b∥ sin γ. Aus Satz 70 folgt sin2 γ = 1 − cos2 γ = 1 − ⟨a,b⟩2∥a∥2∥b∥2 . Setzt

man das ein, dann ergibt sich F 2 = ∥a∥2∥b∥2 − ⟨a,b⟩2.Im R2 gilt ∥a∥2 = a21 + a22, ∥b∥2 = b21 + b22 und ⟨a,b⟩ = a1b1 + a2b2. Damit ergibt sichF 2 = a21b

22 + a22b

21 − 2a1b1a2b2 = (a1b2 − a2b1)

2, das heißt F = |a1b2 − a2b1|.

Seien a und b Vektoren im R3. Das Vektorprodukt wird durch

a× b =(a2b3−a3b2a3b1−a1b3a1b2−a2b1

)definiert. Daraus ergibt sich sofort

Satz 73: Fur drei Vektoren a, b und c im R3 gilt

⟨a× b, c⟩ = a2b3c1 − a3b2c1 + a3b1c2 − a1b3c2 + a1b2c3 − a2b1c3.

Ausgehend vom Einheitswurfel kann man die Formel V = abc fur des Volumen einesQuaders mit Seitenlangen a, b und c genauso herleiten, wie wir es fur die Rechtecksflachegetan haben. Daraus erhalt man dann die Formel fur das Volumen eines Parallelepipeds.Dieses Volumen ist das Produkt einer Grundflache und der Lange der zugehorigen Hohe.Fur einen Quader, dessen Grundflache ein Parallelogramm ist, erhalt man diese Volums-formel, indem man mit der Grundflache genauso verfahrt wie mit dem Parallelogramm inSatz 2. Dann kann man sich uberlegen, dass sich das Volumen eines Parallelepipeds nichtandert, wenn man das Parallelogramm, das die Deckflache bildet, in Richtung einer seinerSeiten verschiebt. So kommt man schließlich zur oben formulierten Volumsformel fur dasParallelepiped. Diese verwenden wir im folgenden Satz.

Satz 74: Seien a, b und c Vektoren in R3 \ {0}. Die Flache des von den Vektoren a undb aufgespannten Parallelogramms ist dann ∥a × b∥. Wenn die Vektoren a und b nichtparallel liegen, dann ist der Vektor a× b nicht der Nullvektor und steht senkrecht auf diebeiden Vektoren a und b. Weiters gilt V = |⟨a × b, c⟩| fur das Volumen V des von denVektoren a, b und c aufgespannten Parallelepipeds.

Beweis: Sei F die Flache des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms.Satz 72 liefert F 2 = ∥a∥2∥b∥2−⟨a,b⟩2 = (a21+a

22+a

23)(b

21+b

22+b

23)−(a1b1+a2b2+a3b3)

2.Das ist gleich (a2b3 − a3b2)

2 + (a3b1 − a1b3)2 + (a1b2 − a2b1)

2 = ∥a× b∥2, wie man durchAusmultiplizieren und Vergleichen leicht erkennt. Damit ist F = ∥a× b∥ gezeigt.

Sind a und b parallel, dann gilt 0 = F = ∥a×b∥, also a×b = 0 und V = 0 = |⟨a×b, c⟩|.Sind a und b nicht parallel, dann gilt F = 0. Es folgt ∥a× b∥ = 0 und a× b kann nichtder Nullvektor sein. Aus Satz 73 folgt ⟨a× b,a⟩ = 0 und ⟨a× b,b⟩ = 0. Somit steht derVektor a × b senkrecht auf a und auf b. Sei h die Lange der Hohe des Parallelepipedsauf die Grundflache, die von den Vektoren a und b aufgespannt wird. Das Volumen Vdes Parallelepipeds ist dann F · h. Sei γ der Winkel zwischen dem Vektor c und demNormalvektor a× b auf die Grundflache. Dann gilt h = ∥c∥ · cos γ, wenn γ spitz ist, undh = ∥c∥ · cos(1800 − γ), wenn γ stumpf ist. Im ersten Fall gilt cos γ ≥ 0, im zweiten Fallgilt cos(1800 − γ) = − cos γ = | cos γ|. Wir erhalten h = ∥c∥ · | cos γ| in beiden Fallen. Aus

Satz 70 folgt cos γ = ⟨a×b,c⟩∥a×b∥·∥c∥ . Damit ergibt sich h = |⟨a×b,c⟩|

∥a×b∥ und V = |⟨a× b, c⟩|.

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Franz Hofbauer 45

2. Determinante und Geraden

Seien a = ( a1a2 ) und b = ( b1b2 ) zwei Vektoren im R2. Wir definieren det(a,b) = a1b2−a2b1als die Determinante dieser beiden Vektoren. Man bezeichnet sie auch mit

∣∣ a1a2

b1b2

∣∣.Bemerkung: Nach Satz 72 ist |det(a,b)| die Flache des von den Vektoren a und b auf-gespannten Parallelogramms. Das gilt auch, wenn ein Vektor (oder beide) der Nullvektorist. Man kann die Determinante daher als orientierte Parallelogrammflache interpretieren.

Satz 75: Fur a, b und c in R2 und λ in R gilt(a) det(a+ c,b) = det(a,b) + det(c,b) und det(a,b+ c) = det(a,b) + det(a, c)(b) det(λa,b) = λ det(a,b) und det(a, λb) = λ det(a,b)(c) det(b,a) = −det(a,b)

Beweis: Diese Rechenregeln folgen unmittelbar aus der Definition.

Wir behandeln Geradengleichungen und zwar die Normalvektorform.

Satz 76: Sei (p, q) ein Punkt auf einer Gerade, die ( ab ) als Normalvektor hat. Dann ist

ax+ by = c mit c = ap+ bq

die Gleichung dieser Geraden.

Beweis: Ein Punkt (x, y) liegt genau dann auf der Gerade, wenn ( xy )− ( pq ) senkrecht auf

( ab ) steht, das heißt genau dann, wenn ⟨( xy ) − ( pq ), (ab )⟩ = 0 gilt. Das aber ist aquivalent

zu ax+ by = ap+ bq, womit die Gleichung der Gerade gefunden ist.

Wir werden diese Gleichung auch oft in der Form (x− p)a+ (y − q)b = 0 schreiben.

Beispiel: Seien (3, 1) und (5,−2) zwei Punkte in der Ebene. Die Gerade g durch diese

beiden Punkte hat Richtungsvektor ( 2−3 ) und Parameterdarstellung ( 31 ) + t( 2

−3 ). Ein

Normalvektor ist ( 32 ). Die Gleichung der Gerade g ist daher 3(x−3)+2(y−1) = 0. DurchUmformen ergibt sich 3x+ 2y = 11.

Wir untersuchen die Lage zweier Geraden zueinander. Die Gleichungen dieser Geradenseien a1x+ b1y = c1 und a2x+ b2y = c2. Sei L1 = {(x, y) : a1x+ b1y = c1} die Menge allerPunkte auf der ersten und L2 = {(x, y) : a2x+b2y = c2} die auf der zweiten Geraden. DerDurchschnitt L = L1 ∩ L2 ist die Menge aller Punkte, die auf beiden Geraden liegen. Oftfasst man die beiden Geradengleichungen zu einem linearen Gleichungssystem zusammen:

(1)a1x+ b1y = c1

a2x+ b2y = c2

Man nennt dann L auch die Losungsmenge des Gleichungssystems. Die verschiedenenFalle, die dabei auftreten konnen, behandeln wir in den nachsten beiden Satzen.

Satz 77: Sei∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0. Dann hat das Gleichungssystem (1) genau eine Losung, namlich

x =∣∣ c1c2

b1b2

∣∣/∣∣ a1a2 b1b2

∣∣ = c1b2−c2b1a1b2−a2b1 y =

∣∣ a1a2

c1c2

∣∣/∣∣ a1a2 b1b2

∣∣ = a1c2−a2c1a1b2−a2b1

das heißt L = {(c1b2−c2b1a1b2−a2b1 ,

a1c2−a2c1a1b2−a2b1

)} ist die Losungsmenge des Gleichungssystems.

Beweis: Wir nehmen zuerst an, dass a1 = 0 gilt. Wir multiplizieren die erste Gleichungin (1) mit a2

a1und subtrahieren sie von der zweiten. Wir erhalten (wobei wir die erste

Gleichung unverandert ubernehmen)

a1x+ b1y = c1 (b2 − a2b1a1

)y = c2 − a2c1a1

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46 Koordinaten und Vektoren

Diese beiden Gleichungen sind aquivalent zum Gleichungssystem (1). Indem wir dasa2a1−fache der ersten Gleichung zur zweiten addieren, konnen wir ja zum ursprunglichen

Gleichungssystem (1) zuruckkehren. Wegen a1b2 − a2b1 =∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0 erhalten wir jetzt

y = a1c2−a2c1a1b2−a2b1 aus der zweiten Gleichung. Aus der ersten Gleichung ergibt sich dann

a1x = c1 − b1y = c1 − b1a1c2−a2c1a1b2−a2b1 = c1a1b2−b1a1c2

a1b2−a2b1 und daraus x = c1b2−c2b1a1b2−a2b1 . Damit haben

wir das Gleichungssystem (1) gelost und genau eine Losung gefunden.

Ist a1 = 0, dann muss a2 = 0 gelten, sonst ware∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ gleich Null. Wir vertauschen diebeiden Gleichungen. Dann konnen wir so vorgehen wie oben.

Satz 78: Sei∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0 und keine der Zeilen dieser Determinante enthalte nur Nullen.

Dann gilt L = ∅ oder L = L1 = L2 fur die Losungsmenge L des Gleichungssystems (1).

Beweis: Wir nehmen zuerst a1 = 0 an. Ware a2 = 0, dann hatten wir b2 = 0 (sonst ent-

hielte die zweite Zeile der Determinante nur Nullen) und∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = a1b2−a2b1 = a1b2 = 0.

Also muss auch a2 = 0 gelten. Das Gleichungssystem (1) ist aquivalent zu

x+ b1a1y = c1

a1x+ b2

a2y = c2

a2

Wegen a1b2 − a2b1 =∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0 gilt auch b1a1

= b2a2. Die linken Seiten der beiden

Gleichungen stimmen uberein. Gilt jetzt c1a1

= c2a2, dann gibt es keine Losung. In diesem

Fall haben wir L = ∅. Gilt hingegen c1a1

= c2a2, dann sind die beiden Gleichungen identisch.

Wir haben L1 = L2 und somit auch L = L1 = L2.

Sei jetzt a1 = 0. Dann gilt b1 = 0. Wegen 0 =∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = a1b2 − a2b1 = −a2b1 folgt a2 = 0

und daraus dann b2 = 0. Das Gleichungssystem (1) ist aquivalent zu

y = c1b1

y = c2b2

Wie oben ergibt sich L = ∅ im Fall c1b1 = c2b2

und L = L1 = L2 im Fall c1b1 = c2b2.

Geometrische Interpretation: Normalvektoren der beiden Geraden a1x + b1y = c1und a2x+ b2y = c2 sind ( a1b1 ) und ( a2b2 ). Die Geraden sind parallel genau dann, wenn dieNormalvektoren parallel sind, das heißt, wenn das von ihnen aufgespannte ParallelogrammFlache null hat und somit

∣∣ a1b1

a2b2

∣∣ = 0 gilt. Wegen∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = a1b2 − a2b1 =∣∣ a1b1

a2b2

∣∣ sinddie Geraden a1x+ b1y = c1 und a2x+ b2y = c2 genau dann parallel, wenn

∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0 gilt.

Das sehen wir auch in den obigen Satzen. Gilt∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0, dann haben die beiden

Geraden genau einen Schnittpunkt. Sie sind nicht parallel. Gilt hingegen∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0,dann haben die beiden Geraden entweder keinen Schnittpunkt oder sie fallen zusammen.In beiden Fallen sind sie parallel.

Wir behandeln noch homogene lineare Gleichungssysteme, da diese spater fur die Berech-nung von Eigenvektoren wichtig sind. Das lineare Gleichungssystem (1) heißt homogen,wenn die rechte Seite null ist, das heißt wenn c1 = 0 und c2 = 0 gilt. Wir erhalten

(2)a1x+ b1y = 0

a2x+ b2y = 0

Die Menge L1 = {t( b1−a1 ) : t ∈ R} gibt die Punkte an, die auf der Geraden a1x+ b1y = 0

liegen, wobei L1 jetzt nicht die Punkte selbst, sondern die Ortsvektoren zu diesen Punktenenthalt (man geht oft von Punkten zu deren Ortsvektoren uber, da man Vektoren addierenund mit einer Zahl multiplizieren kann). Das ist auch die Losungsmenge der ersten Glei-chung in (2). Ebenso ist L2 = {t( b2

−a2 ) : t ∈ R} die Losungsmenge der zweiten Gleichung

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Franz Hofbauer 47

in (2). Dabei wird vorausgesetzt, dass a1 oder b1 oder beide ungleich null sind, und ebenso,dass a2 oder b2 oder beide ungleich null sind (sonst wird eine Gleichung in (2) zu 0 = 0).

Die Losungsmenge L = L1 ∩ L2 des homogenen linearen Gleichungssystems (2) behan-deln wir im folgenden Satz, der spater nutzlich sein wird.

Satz 79: Wir nehmen an, dass nicht alle vier Koeffizienten a1, b1, a2 und b2 in (2)

gleich null sind. Die Losungsmenge von (2) ist L = {( 00 )}, wenn∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0 gilt. Gilt∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0, dann ist L = {tv : t ∈ R} die Losungsmenge, wobei v gleich ( b1−a1 ) oder (

b2−a2 )

gewahlt werden kann (Normalvektor auf eine der Zeilen der Determinante), jedoch darf vnicht der Nullvektor sein.

Beweis: Gilt∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0, dann folgt L = {( 00 )} aus Satz 77 mit c1 = 0 und c2 = 0.

Sei∣∣ a1a2

b1b2

∣∣ = 0. Enthalt keine der beiden Zeilen der Determinante nur Nullen, dann giltL = L1 = L2 nach Satz 78. Da sowohl L1 als auch L2 den Nullvektor enthalt, ist L = ∅ janicht moglich. Die Losungsmenge L besteht somit aus allen Vielfachen des Vektors ( b1

−a1 )

oder des Vektors ( b2−a2 ), was die gleiche Menge ergibt.

Gilt a1 = 0 und b1 = 0, dann ist 0 = 0 die erste Gleichung in (2). Sie gilt immer. Esfolgt L = L2. Die Losungsmenge L besteht aus allen Vielfachen des Vektors ( b2

−a2 ). Gilta2 = 0 und b2 = 0, dann folgt L = L1. Die Losungsmenge L besteht aus allen Vielfachendes Vektors ( b1

−a1 ).

Wir gehen noch kurz auf den R3 ein. Seien a =(a1a2a3

), b =

(b1b2b3

)und c =

(c1c2c3

)drei

Vektoren im R3. Als Determinante dieser drei Vektoren definiert man

det(a,b, c) = a1b2c3 + a2b3c1 + a3b1c2 − a3b2c1 − a1b3c2 − a2b1c3

Diese Determinante wird auch mit∣∣∣ a1a2a3

b1b2b3

c1c2c3

∣∣∣ bezeichnet.Bemerkung: Nach Satz 73 und Satz 74 ist |det(a,b, c)| das Volumen des von den Vek-toren a, b und c aufgespannten Parallelepipeds. Man kann diese Determinante daher alsorientiertes Volumen des Parallelepipeds interpretieren.

Fur die Determinante im R3 gelten analoge Rechenregeln wie fur die im R2. Der Beweisdieser Rechenregeln ergibt sich wieder unmittelbar aus der Definition.

Satz 80: Fur a, b, c und d in R3 und λ in R gilt(a) det(a+d,b, c) = det(a,b, c)+det(d,b, c), det(a,b+d, c) = det(a,b, c)+det(a,d, c),

det(a,b, c+d) = det(a,b, c)+det(a,b,d)(b) det(λa,b, c) = det(a, λb, c) = det(a,b, λc) = λ det(a,b, c)(c) det(b,a, c) = −det(a,b, c), det(c,b,a) = −det(a,b, c), det(a, c,b) = −det(a,b, c),

det(b, c,a) = det(a,b, c), det(c,a,b) = det(a,b, c)

Jetzt behandeln wir Ebenengleichungen und zwar wieder die Normalvektorform.

Satz 81: Sei (p, q, r) ein Punkt in einer Ebene, die(abc

)als Normalvektor hat. Dann ist

ax+ by + cz = d mit d = ap+ bq + cr

die Gleichung dieser Ebene.

Beweis: Ein Punkt (x, y, z) liegt genau dann in der Ebene, wenn(xyz

)−(pqr

)senkrecht

auf(abc

)steht, das heißt genau dann, wenn

⟨( xyz

)−(pqr

),(abc

)⟩= 0 gilt. Das ist aquivalent

zu ax+ by + cz = ap+ bq + cr, womit die Gleichung der Ebene gefunden ist.

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48 Koordinaten und Vektoren

Beispiel: Seien (−3, 1, 0), (1, 4, 2) und (−1, 2, 2) drei Punkte im Raum. Die Ebene durch

diese drei Punkte hat Richtungsvektoren(

142

)−(−3

10

)=

(432

)und

(−122

)−(−3

10

)=

(212

).

Sie hat Parameterdarstellung(

142

)+ t

(432

)+ s

(212

)und

(432

(212

)=

(4−4−2

)ist ein

Normalvektor. Die Gleichung der Ebene ist daher 4(x+1)− 4(y− 2)− 2(z− 2) = 0, oder4x− 4y − 2z = −16. Man kann noch kurzen und erhalt 2x− 2y − z = −8.

Sucht man einen Schnittpunkt dreier Ebenen, so fuhrt das zum Gleichungssystem

a1x+ b1y + c1z = d1

a2x+ b2y + c2z = d2

a3x+ b3y + c3z = d3

Es konnen folgende Falle eintreten: Die drei Ebenen sind parallel. Dann haben sie keinenSchnittpunkt, außer die drei Ebenen sind identisch, dann ist die ganze Ebene Schnittmengeund somit Losungsmenge des Gleichungssystems.

Zwei der drei Ebenen sind nicht parallel. Sie haben eine Gerade g als Schnittmenge. Istdie dritte Ebene parallel zu g, dann haben die drei Ebenen keinen gemeinsamen Schnitt-punkt, außer die Gerade g liegt auch in der dritten Ebene, dann ist die Gerade g dieSchnittmenge und somit Losungsmenge des Gleichungssystems. Ist die dritte Ebene nichtparallel zu g, dann hat sie genau einen Schnittpunkt mit g. Das ist dann auch der eindeutigbestimmte Schnittpunkt der drei Ebenen und die einzige Losung des Gleichungssystems.

Daraus erkennt man auch, dass das Gleichungssystem genau dann eindeutig losbar ist,wenn die Normalvektoren der drei Ebenen nicht in einer Ebene liegen, das heißt, wenndas Volumen des von den Normalvektoren aufgespannten Parellelepipeds = 0 ist, also∣∣∣ a1b1c1

a2b2c2

a3b3c3

∣∣∣ = 0 gilt. Wegen∣∣∣ a1a2a3

b1b2b3

c1c2c3

∣∣∣ = ∣∣∣ a1b1c1

a2b2c2

a3b3c3

∣∣∣ ist das aquivalent zu ∣∣∣ a1a2a3

b1b2b3

c1c2c3

∣∣∣ = 0.

Bemerkung: In der linearen Algebra, die ja auch in hoherdimensionalen Raumen arbeitet,kommt man mit der hier verwendeten geometrischen Sprechweise nicht mehr aus. Manhat es ublicherweise nicht mit zwei oder drei Vektoren zu tun, sondern allgemeiner mit nVoktoren, fur die man dann die Indexschreibweise verwendet, zum Beispiel v1,v2, . . . ,vn.Wir gehen kurz auf die entsprechenden Definitionen aus der linearen Algebra ein.

Sind v1,v2, . . . ,vn Vektoren, dann nennt man die Summe

λ1v1 + λ2v2 + · · ·+ λnvn mit λ1, λ2, . . . , λn ∈ Reine Linearkombination dieser Vektoren. Hat man zum Beispiel zwei Vektoren v und w imR3, dann bildet die Menge aller Linearkombinationen {λ1v+λ2w : λ1, λ2 ∈ R} eine Ebenedurch den Nullpunkt. Man sagt, die Ebene wird von den Vektoren v und w aufgespannt.

Eine weitere wichtige Definition ist die folgende: Die Vektoren v1,v2, . . . ,vn nennt manlinear abhangig, wenn λ1, λ2, . . . , λn ∈ R existieren, die nicht alle gleich 0 sind, sodass

λ1v1 + λ2v2 + · · ·+ λnvn = 0

gilt. Sie heißen linear unabhangig, wenn sie nicht linear abhangig sind, das heißt wennλ1v1 + λ2v2 + · · ·+ λnvn = 0 nur fur λ1 = λ2 = · · · = λn = 0 gilt.

Zwei Vektoren a und b im R2 sind linear abhangig, wenn λ1a+λ2b = 0 gilt fur λ1, λ2 ∈ R,die nicht beide null sind. Das ist genau dann der Fall, wenn ein Vektor ein Vielfaches desanderen ist (a = −λ2

λ1b oder b = −λ1

λ2a), was wieder aquivalent zu det(a,b) = 0 ist.

Genauso kann man sich uberlegen, dass drei Vektoren a, b und c im R3 genau dann linearabhangig sind, wenn sie in einer Ebene liegen, was aquivalent zu det(a,b, c) = 0 ist.

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Franz Hofbauer 49

3. Die besonderen Punkte des Dreiecks

Der besseren Ubersicht halber verwenden wir auch die Schreibweise ( | ) anstelle von( , ) fur Punkte im R2. Ein beliebiges Dreieck konnen wir so in ein Koordinatensystemlegen, dass der Eckpunkt A die Koordinaten (u|0), der Eckpunkt B die Koordinaten (v|0)und der Eckpunkt C die Koordinaten (0|w) hat. Die Eckpunkte A und B liegen auf derx-Achse und der Eckpunkt C liegt auf der y-Achse. Damit A links von B liegt, nehmenwir immer u < v an. Außerdem konnen wir auch immer w > 0 annehmen. Wir setzena =

√v2 + w2, b =

√u2 + w2 und c = v − u, das sind die Langen der drei Seiten des

Dreiecks. Weiters ist s = 12 (a+ b+ c) der halbe Umfang des Dreiecks.

Liegt ein Dreieck so wie oben beschrieben im Koordinatensystem, dann sagen wir, dasses Standardlage hat. Alles, was wir fur ein Dreieck in Standardlage beweisen, gilt fur jedesDreieck, da wir ja jedes Dreieck in Standardlage bringen konnen.

Satz 82: Die drei Hohen eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt, dem Hohen-schnittpunkt H. Hat das Dreieck Standardlage, dann ist H der Punkt (0| − uv

w ).

Beweis: Wir legen das Dreieck in Standardlage ins Koordinatensystem. Die Gleichungder Hohe durch den Eckpunkt A ist (x − u)v − yw = 0, da sie durch den Punkt (u|0)und senkrecht zu ( v

−w ), dem Vektor entlang der Seite BC, verlauft. Die Hohe durch denEckpunkt C liegt auf der y-Achse und hat daher die Gleichung x = 0. Der Schnittpunktdieser beiden Hohen ist (0|− uv

w ). Den Schnittpunkt der Hohen durch B und C erhalt mandadurch, dass man in dieser Rechnung u und v vertauscht, also (0| − vu

w ). Es ist derselbePunkt. Die drei Hohen schneiden einander in diesem Punkt, dem HohenschnittpunktH.

Satz 83: Die drei Seitensymmetralen eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt,dem Umkreismittelpunkt U . Liegt das Dreieck in Standardlage im Koordinatensystem,dann ist U der Punkt (u+v2 |w2 + uv

2w ) undab2w ist der Umkreisradius r.

Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Die Symmetrale der Seite AC hat die Gleichung(x− u

2 )u− (y − w2 )w = 0, da sie durch den Mittelpunkt (u2 |

w2 ) der Seite AC und sekrecht

zu ( u−w ), dem Vektor entlang der Seite AC, verlauft. Die Symmetrale der Seite AB hat

die Gleichung x = u+v2 , da sie senkrecht zur x-Achse durch den Mittelpunkt (u+v2 |0) der

Seite AB verlauft. Der Schnittpunkt dieser beiden Symmetralen ist (u+v2 |w2 + uv2w ). Den

Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC erhalt man dadurch, dass man indieser Rechnung u und v vertauscht, also ( v+u2 |w2 + vu

2w ). Es ist derselbe Punkt. Alle dreiSeitensymmetralen schneiden einander in diesem Punkt, dem Umkreismittelpunkt U .

Der quadrierte Abstand von U nach C ist (u+v2 )2+(w2 −uv2w )

2 = u2w2+v2w2+w4+u2v2

4w2 = a2b2

4w2 .Das gilt auch fur die Eckpunkte A und B. Die Wurzel daraus ist der Umkreisradius r.

Satz 84: Die drei Schwerlinien eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt, demSchwerpunkt S. Hat das Dreieck Standardlage, dann ist S der Punkt (u+v3 |w3 ).Beweis: Wir legen das Dreieck in Standardlage ins Koordinatensystem. Die Gleichungder Schwerlinie durch den Eckpunkt A ist (x − u)w − y(v − 2u) = 0, da sie durch die

Punkte (u|0) und (v2 |w2 ) geht und somit Richtungsvektor 1

2 (v−2uw ) hat. Die Gleichung der

Schwerlinie durch den Eckpunkt C ist 2xw + (y − w)(u+ v) = 0, da sie durch die Punkte(0|w) und (u+v2 |0) geht und somit Richtungsvektor 1

2 (u+v2w ) hat. Der Schnittpunkt dieser

beiden Schwerlinien ist (u+v3 |w3 ). Den Schnittpunkt der Schwerlinien durch B und C erhalt

man durch Vertauschen von u und v in dieser Rechnung, also ( v+u3 |w3 ). Es ist derselbePunkt. Die drei Schwerlinien schneiden einander in diesem Punkt, dem Schwerpunkt S.

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50 Koordinaten und Vektoren

Satz 85: Die drei Winkelsymmetralen eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt,dem Inkreismittelpunkt I. Liegt das Dreieck in Standardlage im Koordinatensystem, dannist I der Punkt (ua+vb2s |wc2s ) und

wc2s ist der Inkreisradius ϱ.

Beweis: Wir legen das Dreieck in Standardlage ins Koordinatensystem. Die Einheitsvek-toren in Richtung der Seiten BA und BC sind (−1

0 ) und 1a (

−vw ). Ihre Summe (−1

0 )+ 1a (

−vw )

ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch B. Daher ist (x−v)wa +y(1+ va ) = 0

die Gleichung dieser Winkelsymmetrale. Ganz analog behandeln wir die Winkelsymme-trale durch A. Sie hat die Gleichung (x− u)wb + y(−1 + u

b ) = 0.

Wir multiplizieren die erste Gleichung mit a, die zweite mit b, bilden die Differenz underhalten y(v − u + a + b) = (v − u)w. Wegen v − u = c und c + a + b = 2s folgt y = wc

2s .

Aus einer der obigen Gleichungen ergibt sich dann x = ua+vb2s . Der Schnittpunkt der

Winkelsymmetralen durch A und durch B ist daher (ua+vb2s |wc2s ).Die Einheitsvektoren in Richtung der Seiten CA und CB sind 1

b (u

−w ) und 1a (

v−w ). Ihre

Summe 1b (

u−w ) + 1

a (v

−w ) ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch den Eck-punkt C. Daher ist x(wb + w

a ) + (y − w)(ub + va ) = 0 die Gleichung dieser Winkelsymme-

trale. Da diese Gleichung die Summe der beiden obigen Gleichungen ist, liegt der Punkt(ua+vb2s |wc2s ) auch auf der Winkelsymmetrale durch C. Alle drei Winkelsymmetralen schnei-den einander in diesem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I.

Der Inkreisradius ϱ ist der Normalabstand des Punktes I zur Seite AB, also zur x-Achse.Dieser ist gleich der y-Koordinate wc

2s des Inkreismittelpunktes I. Man kann nachrechnen,

dass der Normalabstand von I zu den Seiten AC und BC ebenfalls gleich wc2s ist.

Satz 86: In jedem Dreieck liegen der Hohenschnittpunkt H, der Schwerpunkt S und derUmkreismittelpunkt U auf einer Geraden und S teilt die Strecke UH im Verhaltnis 1 : 2.Die Gerade durch diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade.

Beweis: Wir konnen annehmen, dass das Dreieck in Standardlage im Koordinatensystem

liegt. Wir verwenden obige Satze. Es folgt−→SH = − 1

3w

( uw+vw3uv+w2

)und

−→SU = 1

6w

( uw+vw3uv+w2

).

Daraus erkennt man, dass 2−→SU = −−→

SH gilt. Die drei Punkte U , S und H liegen auf einerGerade und S teilt die Strecke UH im Verhaltnis 1 : 2.

Fur ein Dreieck mit Hohenschnittpunkt H und Umkreismittelpunkt U definieren wirden Neunpunktkreis als den Kreis, dessen Mittelpunkt N der Mittelpunkt der Strecke UHund dessen Radius σ der halbe Umkreisradius ist.

Satz 87: SeienMa,Mb undMc die Seitenmitten und Ha, Hb und Hc die Hohenfußpunkteeines Dreiecks △ABC. Sei H der Hohenschnittpunkt und Ra, Rb und Rc die Mittelpunkteder Strecken HA, HB und HC. Dann liegen die neun Punkte Ha, Hb, Hc, Ma, Mb, Mc,Ra, Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis.

Beweis: Es genugt, diesen Satz fur ein Dreieck in Standardlage zu zeigen und fur diePunkte Mc, Hc und Rc. Wir konnen ja bei einem beliebigen Dreieck jede der drei Seitenauswahlen und das Dreieck so in Standardlage ins Koordinatensystem legen, dass dieausgewahlte Seite auf der x-Achse liegt.

Fur ein Dreieck in Standardlage ist (0|− uvw ) der Hohenschnittpunkt H und (u+v2 |w2 + uv

2w )der Umkreismittelpunkt U wie in Satz 82 und Satz 83 gezeigt wurde. Der Mittelpunkt derStrecke UH ist daher (u+v4 |w4 − uv

4w ). Der halbe Umkreisradius ist ab4w nach Satz 83. Das

sind Mittelpunkt N und Radius σ des Neunpunktkreises fur ein Dreieck in Standardlage.

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Franz Hofbauer 51

Der Mittelpunkt Mc der Seite AB ist (u+v2 |0). Es folgt −−−→NMc =14w

(w(u+v)uv−w2

)und

|NMc|2 = ∥−−−→NMc∥2 = w2(u+v)2+(uv−w2)2

16w2 = u2w2+v2w2+u2v2+w4

16w2 = a2b2

16w2 = ( ab4w )2 = σ2

Der FußpunktHc der Hohe durch C ist (0|0). Der Mittelpunkt Rc des HohenabschnittsHC

ist (0|w2 − uv2w ). Es folgt

−−→NHc =

14w

(−w(u+v)uv−w2

)und

−−→NRc =

14w

( −w(u+v)−(uv−w2)

). Die Vektoren

−−→NHc,

−−→NRc und

−−−→NMc unterscheiden sich nur durch die Vorzeichen ihrer Komponenten.

Daher haben sie gleiche Lange. Es folgt |NHc| = |NRc| = |NMc| = σ. Damit ist gezeigt,dass Hc, Rc und Mc auf dem Neunpunktkreis liegen.

4. Die Steinerschen Geraden

Satz 88: Projiziert man den Punkt (p|q) auf die Gerade g mit der Gleichungmx+ny = h,

dann erhalt man (n2p−mnq+mhm2+n2 |m

2q−mnp+nhm2+n2 ). Spiegelt man den Punkt (p|q) an dieser

Gerade g, dann erhalt man (−2mnq+n2p+2mh−m2pm2+n2 |m

2q−2mnp+2nh−n2qm2+n2 ).

Beweis: Die Gerade durch (p|q) senkrecht auf g hat die Gleichung n(x−p)−m(y−q) = 0.

Ihr Schnittpunkt mit der Gerade g ist (n2p−mnq+mhm2+n2 |m

2q−mnp+nhm2+n2 ), das ist die Projektion

des Punktes (p|q) auf die Gerade g. Ist v der Ortsvektor dieses Schnittpunkts, dann ist

v− (( pq )− v) = 2v− ( pq ) =2

m2+n2

(n2p−mnq+mhm2q−mnp+nh

)−( pq

)= 1

m2+n2

(n2p−2mnq+2mh−m2pm2q−2mnp+2nh−n2q

)der Ortsvektor zum gespiegelten Punkt.

Mit Hilfe der in Satz 88 gefundenen Formel beweisen wir folgenden Satz.

Satz 89: Sei △ABC ein Dreieck und H sein Hohenschnittpunkt. Sei P ein Punkt undPa, Pb, Pc die Punkte, die man erhalt, wenn man P an den (Verlangerungen der) dreiSeiten des Dreiecks spiegelt. Dann sind aquivalent(a) P liegt auf dem Umkreis des Dreiecks(b) drei der vier Punkte Pa, Pb, Pc und H liegen auf einer Gerade(c) alle vier Punkte Pa, Pb, Pc und H liegen auf einer Gerade

Diese Gerade heißt zweite Steinersche Gerade.

Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Seien (x|y) die Koordinaten des Punktes P .Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, sind (x| − y) die Koordinaten des Punktes Pc.Die Tragergerade der Seite BC hat Normalvektor (mn ) = (wv ) und in ihrer Gleichung

auf der rechten Seite die Konstante h = ⟨(mn ), ( v0 )⟩ = vw. Setzt man in die Formel aus

Satz 88 ein, so ergibt sich ( v2x−2vwy+2vw2−w2x

v2+w2 |w2y−2vwx+2v2w−v2y

v2+w2 ) fur den Punkt Pa. Der

Hohenschnittpunkt H ist (0| − uvw ) nach Satz 82.

Es folgt−−→HPc =

1w

( wxuv−wy

)und

−−→PaPc =

2wv2+w2

( vy−vw+wxvx−wy−v2

). Die drei Punkte Pc, Pa und

H liegen genau dann auf einer Gerade, wenn die Determinante mit den Vektoren−−→HPc und−−→

PaPc als Spalten gleich null ist, das heißt wenn∣∣∣∣ wx vy − vw + wxuv − wy vx− wy − v2

∣∣∣∣ = 0

gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kurzt und dividiert durch v, so erhalt man

wx2 − vwx− uvy + uvw − uwx+ wy2 − w2y = 0

Dividiert man noch durch w und erganzt zu vollstandigen Quadraten, so ergibt sich

x2− (u+ v)x+ (u+v)2

4 + y2− (uvw +w)y+( uv2w + w2 )

2 = u2

4 + uv2 + v2

4 + u2v2

4w2 + uv2 + w2

4 −uv

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52 Koordinaten und Vektoren

Fasst man zusammen, dann hat man schließlich

(x− u+v2 )2 + (y − ( uv2w + w

2 ))2 = (u2+w2)(v2+w2)

4w2 = a2b2

4w2

Nach Satz 83 ist das die Gleichung des Umkreises. Wir haben somit gezeigt, dass die dreiPunkte Pc, Pa und H genau dann auf einer Gerade liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt.Dasselbe Resultat gilt naturlich auch fur die drei Punkte Pc, Pb und H und fur die PunktePa, Pb und H. Man muss ja nur jeweils eine andere Dreieckseite auf die x-Achse legen.

Es bleibt zu zeigen, dass die drei Punkte Pa, Pb und Pc genau dann auf einer Geraden

liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt. Oben wurde−−→PaPc = 2w

v2+w2

( vy−vw+wxvx−wy−v2

)gezeigt.

Wenn man dieselbe Rechnung wie oben mit der Dreieckseite AC statt mit BC, das heißt

mit u statt mit v, durchfuhrt, dann erhalt man−−→PbPc = 2w

u2+w2

( uy−uw+wxux−wy−u2

). Die drei

Punkte Pc, Pa und Pb liegen genau dann auf einer Geraden, wenn die Determinante mit

den Vektoren−−→PaPc und

−−→PbPc als Spalten gleich null ist, das heißt wenn∣∣∣∣ vy − vw + wx uy − uw + wx

vx− wy − v2 ux− wy − u2

∣∣∣∣ = 0

gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kurzt und fasst zusammen, so erhalt man

(u− v)wx2 − (u2 − v2)wx+ (u− v)wy2 − (u− v)(w2 + uv)y + (u− v)uvw = 0

Dividiert man durch u− v, dann hat man schließlich

wx2 − uwx− vwx+ wy2 − w2y − uvy + uvw = 0

Wir haben bereits gesehen, dass das die Gleichung des Umkreises ist. Damit ist auchgezeigt, dass die drei Punkte Pa, Pb und Pc genau dann auf einer Geraden liegen, wenn Pauf dem Umkreis liegt. Die Aquivalenz von (a) und (b) ist vollstandig bewiesen.

Aus (c) folgt klarerweise (b). Es bleibt zu zeigen, dass (c) aus (a) folgt. Wenn (a) gilt,dann liegen die drei Punkte Pc, Pb und H auf einer Geraden g und die drei Punkte Pa, Pbund Pc auf einer Geraden h, wie oben gezeigt wurde. Da Pb und Pc sowohl auf g als auchauf h liegen, mussen diese beiden Geraden ubereinstimmen. Somit liegen alle vier PunktePa, Pb, Pc und H auf einer Geraden.

Die Gerade im folgenden Satz ist die erste Steinersche Gerade. Wir behandeln nur dieerste Steinersche Gerade durch den Eckpunkt C. Es gibt jedoch auch je eine durch dieEckpunkte A und B.

Satz 90: Sei P ein Punkt auf dem Umkreis eines Dreiecks △ABC. Sei Qc der Schnitt-punkt = P des Umkreises mit der Senkrechten durch P auf die Seite AB. Jedoch sei Qcgleich P , wenn die Senkrechte eine Tangente an den Umkreis ist. Wenn Qc nicht gleichdem Eckpunkt C ist, dann liegt die Gerade durch Qc und C, das ist die erste SteinerscheGerade durch den Eckpunkt C, parallel zur zweiten Steinerschen Geraden.

Beweis: Wir legen das Dreieck in Standardlage ins Koordinatensystem. Der Punkt Phabe die Koordinaten (x|y). Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, liegt die Senkrechtedurch P auf AB parallel zur y-Achse. Der Umkreismittelpunkt U hat nach Satz 82 dieKoordinaten (u+v2 |w2 + uv

2w ). Sei g die Gerade durch U parallel zur x-Achse. Den PunktQc erhalten wir, indem wir P an g spiegeln, da bei dieser Spiegelung der Umkreis ja in

sich selbst ubergeht. Daher hat Qc die Koordinaten (x|2(w2 + uv2w )− y). Der Vektor

−−→CQc

ist somit 1w

( wxuv−wy

). Er ist gleich dem Vektor

−−→HPc aus dem letzten Beweis. Die erste und

die zweite Steinersche Gerade haben denselben Richtungsvektor. Sie sind parallel.

Auch Satz 35 lasst sich gut mit dieser Methode beweisen.

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Franz Hofbauer 53

5. Der Satz von Feuerbach

Ein weiterer prominenter Satz uber das Dreieck ist der Satz von Feuerbach. Er besagt,dass der Inkreis den Neunpunktkreis beruhrt. Wir formulieren ihn so

Satz 91 (Satz von Feuerbach) Seien I und N die Mittelpunkte des Inkreises und desNeunpunktkreises und ϱ und σ deren Radien. Dann gilt |IN | = |σ − ϱ|.Beweis: Wir legen das Dreieck in Standardlage ins Koordinatensystem. Nach Satz 85

gilt I = (ua+vb2s |ϱ) und ϱ = wc2s . Im Beweis von Satz 87 wird N = (u+v4 |w

2−uv4w ) berechnet.

Weiters gilt σ = r2 , wobei r =

ab2w der Umkreisradius ist (siehe Satz 83). Wir erhalten

|IN |2 = (ua+vb2s − u+v4 )2 + (w

2−uv4w − ϱ)2

= (ua+vb)2

4s2 − (ua+vb)(u+v)4s + (u+v4 )2 + (w

2−uv4w )2 − ϱw

2−uv2w + ϱ2

Es gilt c = v − u, a2 = v2 + w2 und b2 = u2 + w2. Es folgt b2 − a2 = u2 − v2 und damit

2s(b− a+ u+ v) = b2 − a2 + bu+ bv+ au+ av+ vb− va− ub+ ua+ v2 − u2 = 2ua+ 2vb

woraus sich (ua+vb)2

4s2 − (ua+vb)(u+v)4s = (ua+vb)(b−a)

4s ergibt. Im Beweis von Satz 83 wird

r2 = (u+v2 )2+(w2−uv2w )2 gezeigt. Es gilt ϱ = wc

2s . Mit Hilfe dieser Gleichungen erhalten wir

|IN |2 = (ua+vb)(b−a)4s + ( r2 )

2 − cw2−cuv4s + ϱ2

Mit Hilfe von a2 = v2 + w2, b2 = u2 + w2 und c = v − u berechnen wir auch

(ua+vb)(b−a) = ab(u−v)+b2v2−a2u2 = −abc+u2v+w2v−v2u−w2u = −abc−cuv+cw2

Wir setzen das ein und beachten, dass rϱ = ab2w

wc2s = abc

4s und σ = r2 gilt. Es ergibt sich

|IN |2 = −abc−cuv+cw2

4s +( r2 )2− cw2−cuv

4s +ϱ2 = −abc4s +( r2 )

2+ϱ2 = −2σϱ+σ2+ϱ2 = (σ−ϱ)2

Wir ziehen die Wurzel und erhalten |IN | = |σ − ϱ|.

Satz 91 besagt, dass der Abstand der Mittelpunkte des Inkreises und des Neunpunkt-kreises gleich der Differenz der Radien dieser Kreise ist. Es folgt, dass einer der Kreiseden anderen von innen beruhrt. (Auf der Gerade g durch die Mittelpunkte I und Ndieser Kreise existiert ein Punkt P mit |IP | = ϱ und |NP | = σ, wenn I = N gilt. DieSenkrechte durch P auf g ist dann eine Tangente sowohl an den Inkreis als auch an denNeunpunktkreis. Gilt I = N , dann gilt auch σ = ϱ und die beiden Kreise sind identisch.)

Welcher der beiden Kreise innerhalb des anderen liegt, geht aus Satz 91 jedoch nichthervor. Ist das Dreieck gleichseitig, dann sind die beiden Kreise identisch (beide gehendurch die Mittelpunkte der drei Dreieckseiten). Ansonsten gibt es eine Dreieckseite, mitder der Neunpunktkreis zwei Schnittpunkte hat (Seitenmittelpunkt und Hohenfußpunkt).Da der Inkreis ganz im Dreieck liegt, kann der Neunpunktkreis nicht innerhalb des Inkreisesliegen. Damit ist klar, dass der Inkreis innerhalb des Neunpunktkreises liegt und diesenvon innen beruhrt. Es muss dann auch ϱ ≤ σ gelten, das heißt 2ϱ ≤ r.

Mit einer analogen Rechnung kann man auch folgenden Satz beweisen, der ebenfalls vonFeuerbach stammt: Seien Ic und N die Mittelpunkte des Ankreises an die Seite AB unddes Neunpunktkreises und ϱc und σ deren Radien. Dann gilt |IcN | = σ + ϱc. Es folgt,dass der Ankreis an die Seite AB den Neunpunktkreis von außen beruhrt. Naturlich giltdas auch fur die beiden anderen Ankreise.

Mit einer etwas aufwandigeren Rechnung kann man auch zeigen, dass |UI|2 = r2 − 2rϱgilt, wobei U der Umkreismittelpunkt ist. Ebenso gilt |UIc|2 = r2 + 2rϱc. AnalogeGleichungen gelten auch fur die anderen Ankreise. Diese Formeln stammen von Euler.

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IV. Isometrien und Kegelschnitte

1. Lineare Abbildungen

Wir behandeln lineare Abbildungen vom R2 in den R2.

Definition: Eine Abbildung φ : R2 → R2 heißt linear, wenn sie folgende zwei Eigen-schaften erfullt(a) φ(x+ y) = φ(x) + φ(y) fur alle Vektoren x und y in R2

(b) φ(λx) = λφ(x) fur alle Vektoren x ∈ R2 und alle Zahlen λ ∈ R

Beispiel: Sei φ : R2 → R2 definiert durch φ(x) = x1(21 )+x2(

52 ) = ( 2x1+5x2

x1+2x2). Es ist leicht

nachzuprufen, dass (a) und (b) aus der Definition einer linearen Abbildung erfullt sind.

Wir zeigen, dass alle linearen Abbildungen von dieser Art sind. Dazu fuhren wir dieEinheitsvektoren i = ( 10 ) und j = ( 01 ) ein.

Satz 92: Sei φ : R2 → R2 eine lineare Abbildung. Seien ( ab ) und ( cd ) die Bilder der

Einheitsvektoren i und j unter φ, das heißt φ(i) = ( ab ) und φ(j) = ( cd ). Fur alle x = ( x1x2

)

in R2 gilt dann φ(x) = x1(ab ) + x2(

cd ) = ( ax1+cx2

bx1+dx2).

Beweis: Sei x = ( x1x2

) in R2. Es gilt x = x1(10 ) + x2(

01 ) = x1i+ x2j . Aus der Definition

einer linearen Abbildung erhalten wir dann

φ(x) = φ(x1i+ x2j) = φ(x1i) + φ(x2j) = x1φ(i) + x2φ(j) = x1(ab ) + x2(

cd )

Aus den Rechenregeln fur Vektoren folgt x1(ab ) + x2(

cd ) = ( ax1

bx1) + ( cx2

dx2) = ( ax1+cx2

bx1+dx2).

Dieser Satz zeigt, dass eine lineare Abbildung φ : R2 → R2 bereits durch die Bilder ( ab )

und ( cd ) der Einheitsvektoren i und j bestimmt ist.

Um dieses Ergebnis besser aufschreiben zu konnen, fuhren wir Matrizen und die Ma-trixmultiplikation ein. Eine m× n-Matrix ist eine rechteckige Anordnung von Zahlen, dieaus m Zeilen und n Spalten besteht. Einen Vektor x ∈ R2 kann man als 2 × 1-Matrixauffassen. Eine 2 × 2-Matrix hat zwei Vektoren des R2 als Spalten, zum Beispiel

(23

57

).

Eine 1× 2-Matrix ist ein Zeilenvektor, zum Beispiel (3 7).

Das Produkt C = AB einer m × k-Matrix A und einer k × n-Matrix B bestimmt manso: Man bildet das innere Produkt der ersten Zeile der Matrix A mit den Spalten derMatrix B. Die Ergebnisse, die man erhalt, schreibt man in die erste Zeile der Matrix C.Dann bildet man das innere Produkt der zweiten Zeile der Matrix A mit den Spalten derMatrix B. Die Ergebnisse, die man erhalt, schreibt man in die zweite Zeile der Matrix C.Hat die Matrix A mehr als zwei Zeilen, dann macht man so weiter. (Hat die Matrix A nureine Zeile, dann ist man nach dieser einen Zeile bereits fertig.)

Ist zum Beispiel A =(23

57

)und B =

(prqs

), dann erhalten wir

AB =(23

57

)(prqs

)=

(2p+5r3p+7r

2q+5s3q+7s

)und BA =

(prqs

)(23

57

)=

(2p+3q2r+3s

5p+7q5r+7s

)Hier sieht man auch, dass die Multiplikation von zwei Matrizen nicht kommutativ ist. Mankann jedoch nachrechnen, dass (AB)C = A(BC) gilt. Die Multiplikation von Matrizen istassoziativ. Man darf daher ABC schreiben, ohne Klammern zu setzen, da es keinen Un-terschied macht, welche Matrixmultiplikation man zuerst ausfuhrt. Man darf die Matrizenjedoch nicht vertauschen.

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Franz Hofbauer 55

Genauso funktioniert die Multiplikation einer Matrix mit einem Vektor. Man fasst denVektor einfach als 2× 1-Matrix auf. Ist A =

(23

57

)und B = x = ( x1

x2), dann erhalten wir

AB = Ax =(23

57

)( x1x2

) = ( 2x1+5x23x1+7x2

)

Ebenso kann man großere Matrizen multiplizieren. Damit man das Matrixprodukt ABbilden kann, muss A eine m × k-Matrix und B eine k × n-Matrix sein. Die Zeilen von Amussen so lang sein wie die Spalten von B. Das Produkt AB ist eine m× n-Matrix.

Wir kommen zu Satz 92 zuruck. Seien ( ab ) und ( cd ) die Bilder der Einheitsvektoren i

und j unter der linearen Abbildung φ. SeiM =(abcd

)die Matrix, die diese Bilder ( ab ) und

( cd ) als Spalten hat. Aus der Definition der Matrixmultiplikation und aus Satz 92 folgt

Mx =(abcd

)( x1x2

) = ( ax1+cx2bx1+dx2

) = ( ab )x1 + ( cd )x2 = φ(x)

Es gilt also φ(x) = Mx fur alle x ∈ R2. Man nennt M =(abcd

)die Matrix der linearen

Abbildung φ. Zu jeder lineare Abbildung φ : R2 → R2 findet man eine 2× 2-Matrix.

Man kann zwei Matrizen der gleichen Große auch addieren. Das macht man so wie furVektoren, die ja 2×1-Matrizen sind. Sind A =

(abcd

)und B =

(rsuv

)zwei 2×2-Matrizen,

dann definiert man A+B =(a+rb+s

c+ud+v

). Ist x ∈ R2, dann gilt (A+B)x = Ax+Bx. (Das

gilt auch fur eine 2× 2-Matrix C anstelle von x.)

Auch die Multiplikation mit einer Zahl definiert man fur Matrizen genauso wie furVektoren. Ist A =

(abcd

)eine Matrix und t ∈ R, dann definiert man tA =

(tatb

tctd

). Fur t

und s in R und 2×2-Matrizen A und B gilt dann (s+t)A = sA+tA und t(A+B) = tA+tB.

Satz 93: Seien φ : R2 → R2 und ψ : R2 → R2 linear. Dann ist ψ ◦ φ : R2 → R2 ebenfallslinear. Ist A die Matrix der linearen Abbildung φ und B die Matrix der linearen Abbildungψ, dann ist das Matrixprodukt BA die Matrix der linearen Abbildung ψ ◦ φ.

Beweis: Seien x und y in R2 und λ ∈ R. Da ψ und φ linear sind, erhalten wir

ψ(φ(x+y)) = ψ(φ(x)+φ(y)) = ψ(φ(x))+ψ(φ(y)) und ψ(φ(λx)) = ψ(λφ(x)) = λψ(φ(x))

Das zeigt, dass auch ψ ◦ φ eine lineare Abbildung ist.

Sei φ(i) = ( ab ) und φ(j) = ( cd ). Es gilt dann A =(abcd

). Ist B =

(rsuv

), dann folgt

ψ(φ(i)) = B( ab ) =(rsuv

)( ab ) = ( ra+ubsa+vb ) und ψ(φ(j)) = B( cd ) =

(rsuv

)( cd ) = ( rc+udsc+vd )

Die Matrix der linearen Abbildung ψ ◦ φ ist daher(ra+ubsa+vb

rc+udsc+vd

). Das ist BA.

Die Matrix I2 =(10

01

)heißt Einheitsmatrix. Es gilt ja I2x = x fur alle x in R2.

Lineare Gleichungssysteme kann man ebenfalls mit Hilfe von Matrizen aufschreiben.Liegt das lineare Gleichungssystem

a1x+ b1y = c1

a2x+ b2y = c2

vor, dann setzt man M =(a1a2

b1b2

)und c = ( c1c2 ). Das Gleichungssystem wird dann zu

Mx = c, wobei x fur den Vektor ( xy ) steht. Man schreibt dann auch detM anstelle

von∣∣ a1a2

b1b2

∣∣. Gilt detM = 0, dann hat das Gleichungssystem nach Satz 77 genau eineLosung. Gilt detM = 0, dann hat das Gleichungssystem nach Satz 78 entweder keineLosung oder beide Gleichungen haben dieselbe Losungsmenge, die auch Losungsmengedes Gleichungssystems ist.

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56 Isometrien und Kegelschnitte

2. Eigenwerte und Eigenvektoren

Wir behandeln Eigenwerte und Eigenvektoren von Matrizen. Wir beschranken unswieder auf den R2. Analoge Resultate gelten aber auch in hoheren Dimensionen.

Definition: Sei A eine 2× 2-Matrix. Ein Vektor v = 0 heißt Eigenvektor der Matrix A,wenn Av = λv fur eine Zahl λ gilt. Die Zahl λ nennt man Eigenwert der Matrix A.

Ist A = rI2 mit r ∈ R, dann gilt Av = rv fur alle v ∈ R2. Jeder Vektor = 0 ist somit einEigenvektor zum Eigenwert r. Wir nehmen daher im Folgenden an, dass A kein Vielfachesder Einheitsmatrix I2 ist.

Wie finden wir Eigenwerte und Eigenvektoren? Nach den Rechenregeln fur Matrizenkonnen wir Ax = λx auch schreiben als (A − λI2)x = 0. Das ist das homogene lineareGleichungssystemMx = 0mitM = A−λI2. Wenn detM = 0 gilt, dann ist 0 nach Satz 79die einzige Losung. Da Eigenvektoren ungleich 0 sind, erhalten wir keinen Eigenvektorund λ ist auch kein Eigenwert. Ist hingegen detM = 0, dann folgt aus Satz 79, dassL = {tv : t ∈ R} die Losungsmenge des Gleichungssystems Mx = 0 ist, wobei wir v alsNormalvektor auf eine der beiden Zeilen der Matrix M wahlen konnen, die nicht nur ausNullen besteht. (Es gilt ja M =

(00

00

), sonst ware A ein Vielfaches von I2.) Es existiert

ein Vektor v ∈ R2 \ {0} mit Mv = 0, das heißt Av = λv. Somit ist λ ein Eigenwertund v ein Eigenvektor der Matrix A. Es kann allerdings auch der Fall eintreten, dass dieEigenwerte komplexe Zahlen sind. Dann sind auch die Eigenvektoren in C2.

Wir haben gezeigt, dass die Eigenwerte einer Matrix A gerade diejenigen Zahlen λ sind,fur die det(A−λI2) = 0 gilt. Ist A =

(abcd

), dann erhalten wir A−λI2 =

(a−λb

cd−λ

)und

det(A− λI2) = (a− λ)(d− λ)− bc = λ2 − (a+ d)λ+ ad− bc

Das ist ein Polynom in der Variablen λ. Man nennt es das charakteristische Polynomder Matrix A. Die Eigenwerte der Matrix A sind dann die Losungen der quadratischenGleichung λ2 − (a+ d)λ+ ad− bc = 0. Die Eigenwerte sind also

(∗) λ1,2 = 12 (a+ d)±

√14 (a+ d)2 − ad+ bc = 1

2 (a+ d)±√

14 (a− d)2 + bc

Es gibt drei mogliche Falle, entweder zwei verschiedene reelle Eigenwerte, oder einenzweifachen reellen Eigenwert, oder zwei zueinander konjugiert komplexe Eigenwerte.

Sucht man einen Eigenvektor zum Eigenwert λ dann bildet man die MatrixM = A−λI2und lost das lineare GleichungssystemMv = 0. Eine Losung v erhalt man als Normalvek-tor auf eine Zeile der Matrix M , die nicht nur aus Nullen besteht. Jedes Vielfache diesesVektors v, außer dem Nullvektor, ist ein Eigenvektor. Das funktioniert auch, wenn dieEigenwerte komplex sind. In diesem Fall sind auch die Eigenvektoren in C2.

Beispiel: Sei A =(53

13

). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.

Wir bilden A − λI2 =(5−λ3

13−λ

)und berechnen die Determinante (5 − λ)(3 − λ) − 3 =

λ2 − 8λ + 12. Das ist das charakteristische Polynom der Matrix A. Die Nullstellen sindλ1 = 6 und λ2 = 2. Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden.

Wir berechnen A−λ1I2 =(−1

31−3

). Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ1 = 6 erhalten

wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix(−1

31−3

), zum Beispiel u = ( 11 ).

Ebenso berechnen wir A − λ2I2 =(33

11

). Einen Eigenvektor v zum Eigenwert λ2 = 2

erhalten wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix(33

11

), zum Beispiel v = (−1

3 ).

Jedes Vielfache = 0 eines Eigenvektors ist ebenfalls Eigenvektor zum selben Eigenwert.

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Franz Hofbauer 57

Beispiel: Sei A =(45

−22

). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.

Wir bilden A− λI2 =(4−λ5

−22−λ

)und berechnen die Determinante (4− λ)(2− λ) + 10 =

λ2 − 6λ + 18. Das ist das charakteristische Polynom der Matrix A. Die Nullstellen sindλ1 = 3 + 3i und λ2 = 3− 3i. Die Eigenwerte der Matrix A sind konjugiert komplex.

Wir berechnen A−λ1I2 =(1−3i5

−2−1−3i

). Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ1 erhalten

wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix(1−3i5

−2−1−3i

), zum Beispiel u = ( 2

1−3i ).

(Wir konnen nachrechnen, dass u auch ein Normalvektor der zweiten Zeile ist.)

Wegen A−λ2I2 =(1+3i5

−2−1+3i

)ist v = ( 2

1+3i ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ2 = 3−3i.

Jedes Vielfache = 0 eines Eigenvektors ist ebenfalls Eigenvektor zum selben Eigenwert.

Beispiel: Sei A =(

5−1

41

). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.

Wir bilden A − λI2 =(5−λ−1

41−λ

)und berechnen (5 − λ)(1 − λ) + 4 = λ2 − 6λ + 9,

das charakteristische Polynom. Es hat λ = 3 als zweifache Nullstelle. Das ist der einzigeEigenwert der Matrix A. Wir berechnen A−λI2 =

(2−1

4−2

). Ein Eigenvektor ist u = ( 2

−1 ).

3. Symmetrische Matrizen

Ist w = (w1w2

) ein Spaltenvektor, dann ist der transponierte Vektor wt der entsprechende

Zeilenvektor (w1 w2). Fur eine Matrix A =(abcd

)definiert man die Transponierte At

durch At =(acbd

), das ist die an der Diagonale gespiegelte Matrix.

Satz 94: Fur 2× 2-Matrizen A und B und fur Vektoren u und v in R2 gilt(a) (At)t = A(b) (Au)t = utAt und (AB)t = BtAt

(c) ⟨u,v⟩ = utv und ⟨Au,v⟩ = ⟨u, Atv⟩Beweis: Wir erhalten (a) sofort aus der Definition.

Mit A =(abcd

)gilt (Au)t = ( au1+cu2

bu1+du2)t = (au1 + cu2 bu1 + du2) = (u1 u2)

(acbd

)= utAt.

Das ist die erste Gleichung von (b). Setzt man A =(abcd

)und B =

(pqrs

), dann erhalt

man (AB)t =(ap+cqbp+dq

ar+csbr+ds

)t=

(ap+cqar+cs

bp+dqbr+ds

)=

(prqs

)(acbd

)= BtAt und (b) ist gezeigt.

Es gilt ⟨u,v⟩ = u1v1 + u2v2 = (u1 u2)(v1v2) = utv. Das ergibt die erste Gleichung von (c).

Damit und mit (b) erhalten wir ⟨Au,v⟩ = (Au)tv = (utAt)v = ut(Atv) = ⟨u, Atv⟩, diezweite Gleichung von (c).

Definition: Eine Matrix A =(abcd

)nennt man symmetrisch, wenn At = A gilt. Das ist

gleichbedeutend damit, dass b = c gilt.

Satz 95: Sei A =(abcd

)symmetrisch, aber nicht gleich rI2 fur ein r ∈ R. Dann hat A

zwei verschiedene reelle Eigenwerte λ1 und λ2. Ist u ein Eigenvektor zu λ1 und v einer zuλ2, dann gilt ⟨u,v⟩ = 0, das heißt u und v sind orthogonal.

Beweis: Aus (∗) folgt λ1,2 = 12 (a + d) ±

√14 (a− d)2 + b2 wegen c = b. Wegen A = rI2

fur alle r ∈ R gilt entweder a = d oder b = 0 oder beides. Es folgt 14 (a − d)2 + b2 > 0.

Somit sind λ1 und λ2 reell und verschieden.

Es gilt Au = λ1u, Av = λ2v und At = A. Mit Hilfe der Rechenregeln fur das innereProdukt und fur die Transponierte (Satz 94) erhalten wir

λ1⟨u,v⟩ = ⟨λ1u,v⟩ = ⟨Au,v⟩ = ⟨u, Atv⟩ = ⟨u, Av⟩ = ⟨u, λ2v⟩ = λ2⟨u,v⟩Wegen λ1 = λ2 muss ⟨u,v⟩ = 0 gelten.

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58 Isometrien und Kegelschnitte

4. Isometrien der Ebene

Wir untersuchen Abbildungen der Ebene in sich, wobei wir die Ebene als R2 auffassen.Und wir arbeiten nicht mit Punkten, sondern mit deren Ortsvektoren.

Definition: Eine Abbildung f : R2 → R2 heißt Isometrie, wenn ∥f(x)− f(y)∥ = ∥x− y∥fur alle Vektoren x und y in R2 gilt.

Beispiel: Sei a ∈ R2 fest. Die Abbildung (Translation) h(x) = x + a ist eine Isometrie.Es gilt ja h(x)− h(y) = x−y und daher auch ∥h(x)− h(y)∥ = ∥x−y∥ fur alle x,y ∈ R2.

Ist f : R2 → R2 eine Isometrie, dann ist g : R2 → R2 definiert durch g(x) = f(x)− f(0)eine Isometrie mit g(0) = 0. Es gilt ja ∥g(x)− g(y)∥ = ∥f(x)− f(y)∥ = ∥x− y∥ fur allex und y in R2 und g(0) = f(0)− f(0) = 0. Insbesondere gilt auch ∥g(x)∥ = ∥x∥ fur allex in R2 (Das folgt aus ∥g(x)− g(y)∥ = ∥x− y∥ mit y = 0).

Satz 96: Eine Isometrie g : R2 → R2 mit mit g(0) = 0 ist eine lineare Abbildung.

g(λx)

g(x)

λx

x

k1

k20

Beweis: Zuerst zeigen wir g(λx) = λg(x) fur alle x ∈ R2 und alle λ ∈ R. Wegen g(0) = 0gilt diese Gleichung fur λ = 0. Wir konnen λ = 0 annehmen.Sei k1 der Kreis mit Mittelpunkt 0 und Radius r1 = ∥x∥ undk2 der mit Mittelpunkt 0 und Radius r2 = ∥λx∥ = |λ| · ∥x∥.Dann liegt x auf k1 und wegen ∥g(x)∥ = ∥x∥ auch g(x).Ebenso liegt λx auf k2 und wegen ∥g(λx)∥ = ∥λx∥ auchg(λx). Nun gilt ∥g(λx)− g(x)∥ = ∥λx− x∥ = |λ− 1| · ∥x∥.Ist λ > 0, dann gilt ∥g(λx)− g(x)∥ = |r1 − r2|, sodass g(λx)der Punkt auf k2 ist, der g(x) am nachsten liegt (Zeichnung).Ist λ < 0, dann gilt ∥g(λx) − g(x)∥ = r1 + r2, sodass g(λx)der Punkt auf k2 ist, der den großten Abstand von g(x) hat.In beiden Fallen liegt g(λx) auf der Gerade durch 0 und g(x) und es gilt g(λx) = λg(x).

Wir zeigen g(x+ y) = g(x) + g(y) fur alle x und y in R2. Ist x = 0 oder y = 0, dann giltdiese Gleichung. Ist y = λx fur ein λ ∈ R, dann folgt sie aus der oben gezeigten Gleichung:

g(x+ y) = g((1 + λ)x) = (1 + λ)g(x) = g(x) + λg(x) = g(x) + g(λx) = g(x) + g(y)

Ansonsten bilden die Punkte 0, x, y und x+y ein Parallelogramm. Die Punkte g(0) = 0,g(x), g(y) und g(x+y) bilden ein kongruentes Parallelogramm, da die Abstande zwischenden vier Punkten bei der Abbildung unverandert bleiben. Es folgt g(x+y) = g(x)+ g(y).

Somit ist g eine lineare Abbildung, da die Eigenschaften aus der Definition erfullt sind.

Zweiter Beweis: Es gilt 2⟨x,y⟩ = ∥x∥2 + ∥y∥2 − ∥x − y∥2. Setzt man g(x) fur x undg(y) fur y ein, so erhalt man 2⟨g(x), g(y)⟩ = ∥g(x)∥2 + ∥g(y)∥2 − ∥g(x)− g(y)∥2. Fur dieIsometrie g mit g(0) = 0 gilt ∥g(x)∥ = ∥x∥, ∥g(y)∥ = ∥y∥ und ∥g(x) − g(y)∥ = ∥x − y∥.Damit erhalten wir, dass ⟨g(x), g(y)⟩ = ⟨x,y⟩ fur alle x und y in R2 gilt.

Jetzt zu Satz 96. Seien x und y in R2. Wir setzen u = g(x), v = g(y) und w = g(x+ y).Aus obiger Gleichung folgt ⟨u,u⟩ = ⟨x,x⟩, ⟨v,v⟩ = ⟨y,y⟩, ⟨w,w⟩ = ⟨x + y,x + y⟩,⟨u,v⟩ = ⟨x,y⟩, ⟨w,u⟩ = ⟨x+ y,x⟩ und ⟨w,v⟩ = ⟨x+ y,y⟩. Damit erhalten wir

∥w− u− v∥2 = ⟨w− u− v ,w− u− v⟩= ⟨w,w⟩+ ⟨u,u⟩+ ⟨v,v⟩ − 2⟨w,u⟩ − 2⟨w,v⟩+ 2⟨u,v⟩= ⟨x+ y,x+ y⟩+ ⟨x,x⟩+ ⟨y,y⟩ − 2⟨x+ y,x⟩ − 2⟨x+ y,y⟩+ 2⟨x,y⟩= ⟨x,x⟩+ 2⟨x,y⟩+ ⟨y,y⟩+ ⟨x,x⟩+ ⟨y,y⟩ − 2⟨x,x⟩ − 4⟨x,y⟩ − 2⟨y,y⟩+ 2⟨x,y⟩ = 0

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Franz Hofbauer 59

Somit gilt ∥w − u − v∥ = 0. Es folgt w − u − v = 0, das heißt w = u + v. Damit istg(x+ y) = g(x) + g(x) gezeigt.

Sei x ∈ R2 und λ ∈ R. Wir setzen u = g(x) und v = g(λx). Wie oben folgt

∥v− λu∥2 = ⟨v− λu ,v− λu⟩ = ⟨v,v⟩ − 2λ⟨v,u⟩+ λ2⟨u,u⟩= ⟨λx, λx⟩ − 2λ⟨λx,x⟩+ λ2⟨x,x⟩ = λ2⟨x,x⟩ − 2λ2⟨x,x⟩+ λ2⟨x,x⟩ = 0

Somit gilt ∥v− λu∥ = 0, also v− λu = 0. Es folgt v = λu, das heißt g(λx) = λg(x).

Wir haben gezeigt, dass die Eigenschaften aus der Definition einer linearen Abbildungerfullt sind. Somit ist g eine lineare Abbildung.

Sei W = {α : 00 ≤ α < 3600}, das sind die Winkel entlang des Einheitskreises.

Satz 97: Sei g eine Isometrie mit g(0) = 0. Dann existiert ein Winkel α ∈ W, sodass die

Matrix der linearen Abbildung g entwederRα =(cosαsinα

− sinαcosα

)oder Sα =

(cosαsinα

sinα− cosα

)ist.

Beweis: Sei M =(abcd

)die Matrix der linearen Abbildung g. Da g eine Isometrie mit

g(0) = 0 ist, gilt ∥g(x)∥2 = ∥x∥2, das heißt (ax1 + cx2)2 + (bx1 + dx2)

2 = x21 + x22 oder(a2 + b2)x21 + (c2 + d2)x22 +2(ac+ bd)x1x2 = x21 + x22. Das gilt fur alle x1, x2 ∈ R. Es folgt

a2 + b2 = 1, c2 + d2 = 1 und ac+ bd = 0

Der Vektor ( ab ) hat Lange 1 und ist daher der Ortsvektor eines Punktes am Einheitskreis.

Es existiert ein α ∈ W mit a = cosα und b = sinα. Weiters gilt ⟨( ab ), (cd )⟩ = ac+ bd = 0

und ∥( cd )∥ =√c2 + d2 = 1. Der Vektor ( cd ) steht senkrecht auf ( ab ) und hat ebenfalls

Lange 1. Daraus folgt, dass entweder ( cd ) = (− sinαcosα ) oder ( cd ) = ( sinα

− cosα ) gilt.

Satz 98: Die Abbildung mit Matrix Rα ist eine Drehung (Rotation) um den Nullpunktmit Drehwinkel α (im Gegenuhrzeigersinn).

α

x

RαxBeweis: Es giltRαx = ( cosαsinα )x1+(− sinα

cosα )x2. Die

Vektoren ( cosαsinα ) und (− sinαcosα ) haben Lange 1 und

stehen senkrecht aufeinander. Sie sind die Ein-heitsvektoren fur ein um den Winkel α verdrehtesKoordinatensystem. Daher erhalt man Rαx, wennman den Vektor x = ( x1

x2) ins gedrehte Koordi-

natensystem zeichnet. Somit ist Rαx der um denNullpunkt mit Winkel α gedrehte Vektor x.

Satz 99: Die Abbildung mit Matrix Sα ist die Spiegelung an der Gerade g, die durch den

Nullpunkt geht und Richtungsvektor( cos α

2sin α

2

)hat.

α2

x

Sαx

ab

−b

gBeweis: Sei a =

( cos α2

sin α2

)und b =

(− sin α2

cos α2

). Der

Vektor b steht senkrecht auf a. Matrixmultiplika-tion und die Summensatze fur sin und cos zeigen,dass Sαa = a und Sαb = −b gilt. Da a und bsenkrecht aufeinander stehen, existieren fur jedesx ∈ R2 reelle Zahlen p und q mit x = pa+ qb. Esfolgt Sαx = pSαa + qSαb = pa − qb. Das zeigt,dass Sαx der an der Gerade g gespiegelte Vektorx ist, da g ja die Gerade durch den Nullpunkt mitRichtungsvektor a ist.

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60 Isometrien und Kegelschnitte

Die linearen Abbildungen mit den Matrizen Rα und Sα sind alle Isometrien, die 0 auf 0abbilden. Ist f irgendeine Isometrie und u = f(0), dann ist g(x) = f(x)−u eine Isometriemit g(0) = 0. Es existiert somit ein α ∈ W mit f(x) = Rα(x) +u oder f(x) = Sα(x) +u.Fur α ∈ W und fur u ∈ R2 definieren wir Rα,u : R2 → R2 und Sα,u : R2 → R2 durch

Rα,u(x) = Rαx+ u und Sα,u(x) = Sαx+ u

Das sind dann alle moglichen Isometrien des R2.

Satz 100: Ist α = 00, dann ist Rα,u die Translation (Parallelverschiebung) mit demVektor u. Ist α = 00, dann ist Rα,u die Drehung mit Drehwinkel α, die den Punkt W mitOrtsvektor w als Drehzentrum hat, wobei (I2 −Rα)w = u gilt.

Beweis: Fur α = 00 gilt Rα = I2 und Rα,u(x) = x+ u.

Fur α = 00 gilt∣∣ 1−cosα− sinα

sinα1−cosα

∣∣ = (1 − cosα)2 + sin2 α = 2 − 2 cosα = 0, das heißt

det(I2−Rα) = 0. Daher hat (I2−Rα)w = u genau eine Losung, das heißt w ist eindeutigbestimmt. Es folgt u = w−Rαw und Rα,u(x) = Rα(x−w)+w. Die Abbildung Rα,u istdie Hintereinanderausfuhrung folgender drei Abbildungen:(a) Translation mit dem Vektor −w: der Punkt W wird in den Nullpunkt verschoben(b) Drehung um den Nullpunkt mit Drehwinkel α(c) Translation mit dem Vektor w: der Nullpunkt wird in den Punkt W verschoben

Die Zusammensetzung ergibt die Drehung um den Punkt W mit Drehwinkel α.

Satz 101: Die Abbildung Sα,u ist eine Schubspiegelung (Gleitspiegelung), und zwar dieHintereinanderausfuhrung der Spiegelung an der Geraden, die durch den Punkt Q mit

Ortsvektor 12u geht und Richtungsvektor

( cos α2

sin α2

)hat, und der Translation mit dem Vektor

w = 12 (u+ Sαu). Der Vektor w hat die Richtung der Spiegelungsgeraden.

Beweis: Es gilt Sα,u(x) = Sα(x− 12u) +

12u+w. Die Abbildung x 7→ Sα(x− 1

2u) +12u

ist die Hintereinanderausfuhrung folgender drei Abbildungen:(a) Translation mit dem Vektor − 1

2u: der Punkt Q wird in den Nullpunkt verschoben

(b) Spiegelung an der Geraden durch den Nullpunkt mit Richtungsvektor( cos α

2sin α

2

)(c) Translation mit dem Vektor 1

2u: der Nullpunkt wird in den Punkt Q verschoben

Die Zusammensetzung dieser Abbildungen ergibt die Spiegelung an der Geraden durch den

Punkt Q, die Richtungsvektor( cos α

2sin α

2

)hat. Dazu kommt noch die Translation mit dem

Vektor w. Das ergibt dann die Abbildung Sα,u.

Wir bestimmen die Richtung des Vektors w. Den Vektor Sαu erhalt man, indem man denVektor u an einer Gerade durch den Nullpunkt spiegelt. Daraus folgt, dassw = 1

2 (u+Sαu)dieselbe Richtung hat wie diese Spiegelungsgerade.

Wir haben alle moglichen Isometrien der Ebene gefunden. Es sind Translationen,Drehungen und Schubspiegelungen. Wir uberlegen uns noch, was sich bei Hintereinan-derausfuhrung dieser Isometrien ergibt.

Satz 102: Es gilt RαRβ = Rα+β , RαSβ = Sα+β , SαRβ = Sα−β und SαSβ = Rα−β .

Beweis: Wir rechnen die erste Gleichung mit Hilfe der Summensatze nach

RαRβ =(cosαsinα

− sinαcosα

)(cos βsin β

− sin βcos β

)=

(cosα cos β−sinα sin βsinα cos β+cosα sin β

− cosα sin β−sinα cos β− sinα sin β+cosα cos β

)=

(cos(α+β)sin(α+β)

− sin(α+β)cos(α+β)

)= Rα+β

Die anderen Gleichungen erhalt man analog, wobei − sinβ = sin(−β) zu beachten ist.

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Franz Hofbauer 61

Es gilt RαRβ = Rα+β . Die Hintereinanderausfuhrung von zwei Drehungen um denselbenPunkt ergibt wieder eine Drehung um diesen Punkt, wobei sich die Drehwinkel addieren.

Es gilt auch SαSβ = Rα−β . Die Hintereinanderausfuhrung von zwei Spiegelungen ergibteine Drehung um den Schnittpunkt der beiden Spiegelungsgeraden, wobei der Drehwinkelder doppelte Winkel zwischen den Spiegelungsgeraden ist.

Die beiden anderen Gleichungen besagen, dass man eine Spiegelung erhalt, wenn maneine Spiegelung mit einer Drehung um einen Punkt auf der Spiegelungsgerade verknupft.

Der obige Satz lasst sich leicht verallgemeinern.

Satz 103: Es gilt Rα,u ◦ Rβ,v = Rα+β,Rαv+u, Rα,u ◦ Sβ,v = Sα+β,Rαv+u, Sα,u ◦ Rβ,v =Sα−β,Sαv+u und Sα,u ◦ Sβ,v = Rα−β,Sαv+u.

Beweis: Wir rechnen nur die erste Gleichung mit Hilfe von Satz 102 nach

Rα,u(Rβ,v(x)) = Rα,u(Rβx+v) = Rα(Rβx+v)+u = Rα+βx+Rαv+u = Rα+β,Rαv+u(x)

Das beweist Rα,u ◦Rβ,v = Rα+β,Rαv+u. Die anderen Gleichungen erhalt man analog.

5. Kegelschnitte

Wir berechnen die Gleichungen der Kegelschnitte in Hauptlage. Damit ist gemeint, dassdie Koordinatenachsen auch die Achsen der Kegelschnitte sind.

F1 F2

PEllipse: Wir suchen die Gleichung der Ellipse mit Brenn-punkten F1(−e, 0) und F2(e, 0) und mit großer Halbachseder Lange a, wobei e < a gilt. Sie ist die Menge allerPunkte P = (x, y), deren Abstandssumme von den beidenBrennpunkten gleich 2a ist, das heißt |PF1|+ |PF2| = 2a.Die Gleichung dieser Ellipse ist daher

(1)√

(x+ e)2 + y2 +√(x− e)2 + y2 = 2a

Quadriert man diese Gleichung, fasst zusammen und dividiert durch 2, so hat man

(2) x2 + e2 + y2 +√

(x+ e)2 + y2√

(x− e)2 + y2 = 2a2

Unter der ersten Wurzel steht e2+x2+ y2+2ex und e2+x2+ y2− 2ex unter der zweiten.Das Produkt ist (e2 + x2 + y2)2 − 4e2x2. Setzt man das ein und formt um, so erhalt man

(3)√

(e2 + x2 + y2)2 − 4e2x2 = 2a2 − (e2 + x2 + y2)

Quadriert man, so fallt (e2 + x2 + y2)2 weg. Man kann durch 4 dividieren und es bleibt

(4) −e2x2 = a4 − a2(e2 + x2 + y2)

Durch Ausmultiplizieren und Umformen ergibt sich jetzt

(5) x2

a2 + y2

a2−e2 = 1 oder x2

a2 + y2

b2 = 1 wenn man b2 = a2 − e2 setzt.

Damit ist die Gleichung der Ellipse mit Brennpunkten F1(−e, 0) und F2(e, 0) und mitgroßer Halbachse der Lange a gefunden.

Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfullen die Ellipsengleichung und liegen daherauf der Ellipse. Sie heißen Hauptscheitel. Die Strecke dazwischen heißt Hauptachse derEllipse. Auf ihr liegen die beiden Brennpunkte. Sie wird durch den Mittelpunkt (0, 0)der Ellipse in die beiden großen Halbachsen der Lange a unterteilt. Die beiden Punkte(0,−b) und (0, b), die ebenfalls auf der Ellipse liegen, heißen Nebenscheitel. Die Streckedazwischen heißt Nebenachse der Ellipse. Sie wird durch den Mittelpunkt der Ellipse indie beiden kleinen Halbachsen der Lange b unterteilt.

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62 Isometrien und Kegelschnitte

Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhalt man die an der Diagonale gespiegelte

Ellipse mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat die Gleichung x2

b2 + y2

a2 = 1.

F1 F2

P

Hyperbel: Analog lasst sich die Gleichung der Hyperbelmit Brennpunkten F1(−e, 0) und F2(e, 0) und mit Halb-achse der Lange a finden, wobei aber jetzt e > a gilt. Sieist die Menge aller Punkte P = (x, y), deren Abstands-differenz von den beiden Brennpunkten gleich 2a ist, dasheißt |PF1| − |PF2| = 2a oder |PF2| − |PF1| = 2a, wobeidie erste dieser beiden Gleichungen den rechten Ast derHyperbel darstellt und die zweite den linken Ast. DieseHyperbel hat daher ebenfalls die Gleichung (1), wobei aber eine der Wurzeln als die nega-tive Wurzel aufzufassen ist. Fuhrt man dieselbe Rechnung durch wie oben, so verschwindendie Vorzeichen der Wurzeln beim Quadrieren und man erhalt wieder die Gleichung

(5) x2

a2 + y2

a2−e2 = 1 oder x2

a2 − y2

b2 = 1 wenn man b2 = e2 − a2 setzt.

Damit ist die Gleichung der Hyperbel mit Brennpunkten F1(−e, 0) und F2(e, 0) und mitHalbachse der Lange a gefunden.

Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfullen die Hyperbelgleichung. Es sind die Scheitelder Hyperbel. Die Strecke dazwischen wird durch den Mittelpunkt (0, 0) der Hyperbel indie beiden Halbachsen der Lange a unterteilt.

Die Hyperbel besitzt zwei Asymptoten. Eine Asymptote ist eine Gerade, der sich eineKurve, in diesem Fall die Hyperbel, im Unendlichen immer mehr annahert. Die Gleichung

der Hyperbel lasst sich schreiben als y = ± bax

√1− a2

x2 . Wenn x gegen +∞ oder −∞ geht,

dann geht a2

x2 gegen 0 und die Hyperbel nahert sich immer mehr der Gerade y = bax oder

der Gerade y = − bax. Somit sind diese beiden Geraden Asymptoten der Hyperbel.

Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhalt man die an der Diagonale gespiegelte

Hyperbel mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat die Gleichung −x2

b2 + y2

a2 = 1.

Bemerkung: Oben wurde (1)⇒ (5) gezeigt, das heißt jeder Punkt, der auf der Ellipsebzw. Hyperbel liegt, erfullt die Gleichung (5). Es gilt auch die Umkehrung. Jeder Punkt,der (5) erfullt, liegt auf der Ellipse bzw. Hyperbel. Dazu mussen wir (5)⇒ (1) zeigen.

Gilt y = 0 (Punkt P = (x, y) auf der x-Achse), dann ist sowohl (1) als auch (5) aquivalentzur Gleichung |x| = a. Es gilt also (1)⇔ (5). Wir konnen y = 0 (Punkt nicht auf derx-Achse) annehmen. In diesem Fall zeigen wir (5)⇒ (1) durch einen indirekten Beweis.

Wir nehmen an, dass (1) nicht gilt. Es gilt also√(x+ e)2 + y2+

√(x− e)2 + y2 = 2a fur

ein a = a. Im Fall der Ellipse haben beide Wurzeln positives Vorzeichen und mit der Drei-ecksungleichung folgt 2e = |F1F2| < |PF1|+ |PF2| = 2a, also e < a. Im Fall der Hyperbelhat eine Wurzel positives, die andere negatives Vorzeichen und mit der Dreiecksunglei-chung folgt 2e = |F1F2| > |PF1| − |PF2| = 2a oder 2e = |F1F2| > |PF2| − |PF1| = 2a,

also e > a. Wir fuhren jetzt obige Rechnung durch und erhalten, dass x2

a2 +y2

a2−e2 = 1 gilt.

Fur a < a gelten x2

a2 ≥ x2

a2 und y2

a2−e2 >y2

a2−e2 , also folgt x2

a2 + y2

a2−e2 <x2

a2 + y2

a2−e2 = 1.

Fur a > a gelten x2

a2 ≤ x2

a2 und y2

a2−e2 <y2

a2−e2 , also folgt x2

a2 + y2

a2−e2 >x2

a2 + y2

a2−e2 = 1.

Dabei ist zu beachten, dass a2− e2 und a2− e2 entweder beide positiv (Ellipse) oder beide

negativ (Hyperbel) sind. In jedem Fall ergibt sich x2

a2 +y2

a2−e2 = 1, ein Widerspruch zu (5).

Damit ist (5)⇒ (1) bewiesen.

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Franz Hofbauer 63

F

l

Parabel: Schließlich bestimmen wir die Gleichung der Parabel mitBrennpunkt F (p2 , 0) und Leitlinie l, die die Gleichung x = −p

2 habe.Die Parabel ist die Menge aller Punkte (x, y), die von Brennpunkt Fund Leitlinie l gleichen Abstand haben. Ihre Gleichung ist daher√

(x− p2 )

2 + y2 = x+ p2

Quadriert man diese Gleichung und kurzt, so erhalt man y2 = 2px.Das ist die Gleichung der Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l.Ist p > 0, dann konnen nur Punkte rechts von l gleichen Abstand vonF und l haben. Die Parabel liegt rechts von der Leitlinie l und istnach rechts offen, wie in der Zeichnung. Ist p < 0, dann hat man eine Parabel, die linksvon der Leitlinie l liegt und nach links offen ist (die Zeichnung an der y-Achse gespiegelt).Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhalt man die an der Diagonale gespiegelteParabel mit der Gleichung x2 = 2py. Sie ist entweder nach oben oder nach unten offen.

Der Punkt (0, 0) erfullt die Parabelgleichung. Man nennt ihn den Scheitel der Parabel.

Bemerkung: Zum Abschluss dieses Kapitels stellen wir noch einige Uberlegungen an, diewir im nachsten Kapitel uber die Tangentenkonstruktion verwenden werden. Es geht umUngleichungen, die fur die Punkte gelten, die nicht auf dem Kegelschnitt liegen.

Liegt P auf der Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2 und großer Halbachse der Lange a,dann gilt |F1P | + |PF2| = 2a. Wir beweisen: Liegt Q im Innern dieser Ellipse, dann gilt|F1Q|+ |QF2| < 2a. Liegt Q außerhalb dieser Ellipse, dann gilt |F1Q|+ |QF2| > 2a.

Sei P der Schnittpunkt der Ellipse mit der Halbgerade von F1 durch Q (wenn Q = F1,dann beliebige Halbgerade von F1 aus). Fur einen Punkt Q im Innern der Ellipse erhaltenwir |F1Q| + |QF2| < |F1Q| + |QP | + |PF2| = |F1P | + |PF2| = 2a mit Hilfe der Drei-ecksungleichung. Fur einen Punkt Q außerhalb der Ellipse erhalten wir |F1Q| + |QF2| =|F1P |+ |PQ|+ |QF2| > |F1P |+ |PF2| = 2a wieder mit Hilfe der Dreiecksungleichung.

Fur eine Hyperbel mit Brennpunkten F1 und F2 und Halbachsenlange a liegt P auf demrechten Hyperbelast genau dann, wenn |F1P | − |PF2| = 2a gilt. Wir beweisen: Liegt Qrechts vom rechten Hyperbelast, dann gilt |F1Q| − |QF2| > 2a. Liegt Q links vom rechtenHyperbelast, dann gilt |F1Q| − |QF2| < 2a.

Liegt Q rechts vom rechten Hyperbelast, dann sei P der Schnittpunkt des rechten Hy-perbelastes mit der Halbgerade von F1 durch Q. Es gilt |QF2| < |PQ| + |PF2| nach derDreiecksungleichung. Es folgt |F1Q|−|QF2| = |F1P |+ |PQ|−|QF2| > |F1P |−|PF2| = 2a.

Liegt Q links vom rechten Hyperbelast, dann sei P der Schnittpunkt des rechten Hy-perbelastes mit der Halbgerade von F2 durch Q. Es gilt |F1Q| < |F1P | + |QP | nach derDreiecksungleichung. Es folgt |F1Q|−|QF2| = |F1Q|−|QP |−|PF2| < |F1P |−|PF2| = 2a.

Liegt P auf der Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l, dann gilt |PF | = d(P, l), wobeid(P, l) den Normalabstand von P zur Geraden l bezeichnet. Wir beweisen: Liegt Q imInnern dieser Parabel (dort wo der Brennpunkt liegt), dann gilt |QF | < d(Q, l). Liegt Qaußerhalb dieser Parabel, dann gilt |QF | > d(Q, l).

Sei P der Schnittpunkt der Parabel mit der Senkrechten auf l durch Q. Fur einen Punkt Qim Innern der Parabel ergibt sich |QF |< |QP |+|PF |= |QP |+d(P, l) = d(Q, l) mit Hilfe derDreiecksungleichung. Fur einen Punkt Q außerhalb der Parabel gilt |PQ| + |QF |> |PF |nach der Dreiecksungleichung und somit |QF | > |PF | − |PQ| = d(P, l)− |PQ| = d(Q, l).Liegt Q auf der anderen Seite der Leitlinie l als F , dann ist |QF | > d(Q, l) offensichtlich.

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64 Isometrien und Kegelschnitte

6. Tangentenkonstruktion

Zwei Gerade, die einander in einem Punkt S schneiden, bilden vier Winkel. Man erhaltzwei Paare von einander gegenuberliegenden Winkeln (Scheitelwinkel), die gleich großsind und eine gemeinsame Winkelsymmetrale haben, wenn man die Winkelsymmetraleals eine durch den Schnittpunkt S hindurchgehende Gerade auffasst. Jedes Winkelpaarhat also eine Winkelsymmetrale und diese beiden Winkelsymmetralen stehen senkrechtaufeinander. Wir nennen sie die Winkelsymmetralen der einander schneidenden Geraden.

Gegeben ist ein Punkt P auf einem Kegelschnitt. Gesucht ist die Tangente im PunktP an den Kegelschnitt. Die folgenden Satze geben eine Methode zur Konstruktion dieserTangente.

Satz 104: Sei P ein Punkt auf einer Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2. Sei g dieWinkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P ), die die Strecke F1F2 nicht schneidet.Dann ist g eine Tangente an die Ellipse im Punkt P .

P

g

F ∗1

F2F1

Beweis: Sei a die Lange der großen Halbachse. Sei F ∗1 der

an der Gerade g gespiegelte Punkt F1. Da P auf g liegt,erhalten wir |F ∗

1 P | = |F1P |. Da g eine Winkelsymmetraleder Geraden ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P ) ist, liegt F

∗1 auf ℓ(F2, P ).

Da F ∗1 auf der anderen Seite von g liegt als F2, liegen die

Punkte F ∗1 , P und F2 in dieser Reihenfolge auf ℓ(F2, P ).

Da weiters P auf der Ellipse liegt, erhalten wir

|F ∗1 F2| = |F ∗

1 P |+ |PF2| = |F1P |+ |PF2| = 2a

Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Ausder Dreiecksungleichung folgt |F ∗

1Q| + |QF2| > |F ∗1 F2| = 2a, da Q nicht auf der Geraden

durch F ∗1 und F2 liegt. Da Q auf g liegt und F ∗

1 der an g gespiegelte Punkt F1 ist, giltauch |F1Q| = |F ∗

1Q|. Es folgt |F1Q|+ |QF2| > 2a, das heißt Q liegt außerhalb der Ellipse.Da alle Punkte der Gerade g außer P außerhalb der Ellipse liegen, ist g eine Tangente.

Die Tangentenkonstruktion fur die Hyperbel ist sehr ahnlich.

Satz 105: Sei P ein Punkt auf einer Hyperbel mit Brennpunkten F1 und F2. Sei gdie Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P ), die die Strecke F1F2 schneidet.Dann ist g eine Tangente an die Hyperbel im Punkt P .

P

g F ∗1

F2F1

Beweis: Wir nehmen an, dass P auf dem rechten Ast derHyperbel liegt. Dann gilt |F1P | − |PF2| = 2a, wobei a dieLange der Halbachse ist. Sei F ∗

1 der an g gespiegelte PunktF1. Da P auf g liegt, erhalten wir |F1P | = |F ∗

1 P |. Da geine Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P )ist, liegt F ∗

1 auf ℓ(F2, P ), und zwar auf der anderen Seitevon g als F1 und somit auf derselben Seite von g wie F2.Wegen |F1P | − |PF2| = 2a gilt auch |F ∗

1 P | − |PF2| = 2a.Damit erhalten wir schließlich |F ∗

1 F2| = 2a.

Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Aus der Dreiecksungleichung folgt|F ∗

1 F2| + |QF2| > |F ∗1Q|, da Q nicht auf der Geraden durch F ∗

1 und F2 liegt. Da Q aufg liegt und F ∗

1 der an g gespiegelte Punkt F1 ist, gilt auch |F1Q| = |F ∗1Q|. Wir erhalten

|F1Q|−|QF2| < |F ∗1 F2| = 2a. Somit liegt Q links vom rechten Hyperbelast. Da alle Punkte

der Gerade g außer P links vom rechten Hyperbelast liegen, ist g eine Tangente.

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Franz Hofbauer 65

Schließlich kommen wir zur Parabel.

Satz 106: Sei P ein Punkt auf einer Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l. Sei h dieSenkrechte auf l durch P und E ihr Schnittpunkt mit l. Sei g die Winkelsymmetrale derGeraden ℓ(F, P ) und h, die die Strecke FE schneidet. Dann ist g eine Tangente an dieParabel im Punkt P .

P

g

E

F

l

h

Beweis: Es gilt |FP | = |EP |, da P auf der Parabel liegt.Da weiters g die Symmetrale des Winkels ]FPE ist, ist Eder an g gespiegelte Punkt F . Sei jetzt Q irgendein Punktauf der Gerade g, der ungleich P ist. Sei D der Fußpunktdes Lotes von Q auf die Leitlinie l. Wegen Q = P giltD = E und daher auch |DQ| < |EQ|. Da E der an derGerade g gespiegelte Punkt F ist und Q auf g liegt, giltauch |FQ| = |EQ|. Wir erhalten daher |DQ| < |FQ|. Daszeigt, dass der Normalabstand von Q zur Leitlinie l kleinerist als der Abstand von Q zum Brennpunkt F . Somit liegtQ außerhalb der Parabel, das heißt auf der Seite der Parabel, auf der sich die Leitlinie lbefindet. Da alle Punkte der Gerade g außer P auf dieser Seite der Parabel liegen, ist geine Tangente an die Parabel.

Diese Tangentenkonstruktion hat praktische Anwendungen. Ein Lichtstrahl, der vomBrennpunkt F1 einer Ellipse ausgeht, die Ellipse im Punkt P trifft und an dieser gespiegeltwird, geht dann durch den Brennpunkt F2. Der einfallende Lichtstrahl schließt ja mit derTangente im Punkt P denselben Winkel ein wie der ausfallende Lichtstrahl. Da die Tan-gente die Winkelsymmetrale der Gerade durch F1 und P , das ist die Bahn des einfallendenLichtstrahls, und der Gerade durch F2 und P ist, muss der ausfallende Lichtstrahl entlangdieser zweiten Geraden verlaufen und somit auch durch F2. Lichtstrahlen einer Lampe imBrennpunkt F1 werden im Brennpunkt F2 gebundelt.

Ahnliches gilt fur die Hyperbel. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F1 einer Hyperbelausgeht, die Hyperbel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verlauft dann so alsob er aus dem Brennpunkt F2 kommen wurde. Lichtstrahlen einer Lampe im BrennpunktF1 werden gestreut.

Eine Parabel erzeugt parallele Lichtstrahlen. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt Feiner Parabel ausgeht, die Parabel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verlauftdann senkrecht zur Leitlinie l. Die Tangente im Punkt P ist ja die Winkelsymmetrale derGerade durch F und P und der Senkrechten auf die Leitlinie l durch P . Lichtstrahlen einerLampe im Brennpunkt F werden an der Parabel so reflektiert, dass sie dann senkrecht zurLeitlinie, also parallel zueinander laufen.

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66 Isometrien und Kegelschnitte

7. Tangentengleichung

Wir suchen die Gleichung der Tangente im Punkt (x0, y0) an einen Kegelschnitt inHauptlage.

Satz 107: Sei (x0, y0) ein Punkt auf der Ellipse, deren Gleichung x2

a2 + y2

b2 = 1 ist. DieGleichung der Tangente in diesem Punkt ist dann xx0

a2 + yy0b2 = 1.

Beweis: Sei u der Vektor vom Punkt (x0, y0) zum Brennpunkt (−e, 0) und v der Vektorvom Punkt (x0, y0) zum Brennpunkt (e, 0). Die Tangente ist die Winkelsymmetrale derbeiden Geraden durch den Punkt (x0, y0) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwardie, die nicht in dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist 1

∥u∥u+ 1∥v∥v

ein Normalvektor der Tangente.

Es gilt u = (−e−x0−y0 ) und v = ( e−x0

−y0 ). Da das die Vektoren von einem Punkt auf derEllipse zu den beiden Brennpunkten sind, muss ∥u∥+ ∥v∥ = 2a gelten. Um ∥u∥ − ∥v∥ zuberechnen, berechnen wir zuerst ∥u∥2 − ∥v∥2 = (e + x0)

2 + y20 − (e − x0)2 − y20 = 4x0e.

Dividiert man links durch ∥u∥ + ∥v∥ und rechts durch 2a, was ja das gleiche ist, dannerhalt man ∥u∥ − ∥v∥ = 2x0e

a .

Wir haben bereits oben herausgefunden, dass 1∥u∥u+ 1

∥v∥v ein Normalvektor der Tangente

im Punkt (x0, y0) an die Ellipse ist. Unter Verwendung obiger Resultate ist dieser gleich

1∥u∥·∥v∥

( (−e−x0)∥v∥+(e−x0)∥u∥−y0∥v∥−y0∥u∥

)= −1

∥u∥·∥v∥( x0(∥u∥+∥v∥)−e(∥u∥−∥v∥)

y0(∥u∥+∥v∥))= −2

a∥u∥·∥v∥(a2x0−e2x0

a2y0

)Berucksichtigt man noch, dass a2 − e2 = b2 gilt, dann erhalt man, dass auch ( b

2x0a2y0

)

ein Normalvektor der Tangente ist. Da die Tangente durch den Punkt (x0, y0) geht, ist

(x−x0)b2x0+(y−y0)a2y0 = 0 ihre Gleichung. Umformen ergibt xx0

a2 + yy0b2 =

x20

a2 +y20b2 . Da

(x0, y0) ein Punkt auf der Ellipse ist, gilt auchx20

a2 +y20b2 = 1. Damit erhalt man xx0

a2 + yy0b2 = 1

als Gleichung der Tangente.

Ein analoges Resultat gilt fur die Hyperbel.

Satz 108: Sei (x0, y0) ein Punkt auf der Hyperbel, deren Gleichung x2

a2 − y2

b2 = 1 ist. DieGleichung der Tangente in diesem Punkt ist dann xx0

a2 − yy0b2 = 1.

Beweis: Der Beweis verlauft so wie fur den vorigen Satz. Nur ist jetzt 1∥u∥u − 1

∥v∥v ein

Normalvektor der Tangente und es gilt ∥u∥ − ∥v∥ = 2a und ∥u∥ + ∥v∥ = 2x0ea . (Am

anderen Ast der Hyperbel muss man a durch −a ersetzen.)

Die Tangentengleichung fur die Parabel ist einfacher zu berechnen.

Satz 109: Sei (x0, y0) ein Punkt auf der Parabel, deren Gleichung y2 = 2px ist. DieGleichung der Tangente in diesem Punkt ist dann yy0 = px+ px0.

Beweis: Sei u der Vektor vom Punkt (x0, y0) zum Brennpunkt (p2 , 0) und v der Vektorvom Punkt (x0, y0) normal zur Leitlinie und bis zu dieser. Da (x0, y0) auf der Parabel liegt,sind diese beiden Vektoren gleich lang. Die Tangente ist die Winkelsymmetrale der beidenGeraden durch den Punkt (x0, y0) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwar die, diein dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist u − v ein Normalvektorder Tangente. Wegen u = 1

2 (p−2x0−2y0

) und v = 12 (

−p−2x00 ) erhalten wir u− v = ( p

−y0 ). Da

die Tangente durch den Punkt (x0, y0) geht, ist p(x− x0)− y0(y− y0) = 0 ihre Gleichung.Wegen y20 = 2px0 wird diese Gleichung zu yy0 = px+ px0.

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Franz Hofbauer 67

Beruhrbedingungen: Gegeben ist ein Kegelschnitt und eine Gerade. Gesucht ist eineBedingung dafur, dass die Gerade Tangente an den Kegelschnitt ist. Die Geradengleichungschreiben wir in der Form ux + vy = w mit u, v, w ∈ R. Eine Gerade, die durch denNullpunkt geht, kann nicht Tangente einer Ellipse oder Hyperbel in Hauptlage sein, daxx0

a2 ± yy0b2 = 1 die Tangentengleichung ist. Daher konnen wir in diesen Fallen w = 0

annehmen und die Geradengleichung in der Form ux+ vy = 1 schreiben.

Satz 110: Die Ellipse mit der Gleichung x2

a2 + y2

b2 = 1 hat die Gerade ux + vy = 1 als

Tangente genau dann, wenn u2a2 + v2b2 = 1 gilt.

Beweis: Wir nehmen an, dass die Gerade ux+ vy = 1 eine Tangente ist. Sei (x0, y0) der

Beruhrpunkt. Da er auf der Ellipse liegt, giltx20

a2 +y20b2 = 1. Die Gleichung dieser Tangente

ist dann xx0

a2 + yy0b2 = 1. Diese Gleichung und ux + vy = 1 sind Gleichungen derselben

Gerade. Es gilt daher u = x0

a2 und v = y0b2 . Es folgt x0 = a2u und y0 = b2v. Setzt man das

in die Ellipsengleichung ein, so hat man a4u2

a2 + b4v2

b2 = 1, das heißt u2a2 + v2b2 = 1.

Wir nehmen an, dass u2a2 + v2b2 = 1 gilt. Sei x0 = a2u und y0 = b2v. Dann liegt derPunkt (x0, y0) auf der Ellipse, da ja u2a2 + v2b2 = 1 gilt. Die Gleichung der Tangente indiesem Punkt ist xx0

a2 + yy0b2 = 1. Einsetzen von x0 und y0 und Kurzen ergibt ux+ vy = 1.

Damit ist gezeigt, dass die Gerade mit dieser Gleichung Tangente ist.

Satz 111: Die Hyperbel mit der Gleichung x2

a2 − y2

b2 = 1 hat die Gerade ux + vy = 1 als

Tangente genau dann, wenn u2a2 − v2b2 = 1 gilt.

Beweis: Man muss im vorhergehenden Beweis nur b2 durch −b2 ersetzen.

Satz 112: Die Parabel mit der Gleichung y2 = 2px hat die Gerade ux + vy = w alsTangente genau dann, wenn v2p = −2uw gilt.

Beweis: Die Gerade ux + vy = w sei eine Tangente. Sei (x0, y0) der Beruhrpunkt. Daer auf der Parabel liegt, gilt y20 = 2px0. Die Tangentengleichung −px + yy0 = px0 stelltebenfalls die Gerade ux+ vy = w dar. Es gilt daher u = −λp, v = λy0 und w = λpx0 furein λ ∈ R \ {0}. Es folgt u = 0 und λ = −u

p und daraus x0 = −wu und y0 = −pv

u . Setzt

man das in die Parabelgleichung ein, so hat man p2v2

u2 = − 2pwu , das heißt v2p = −2uw.

Wir nehmen an, dass v2p = −2uw gilt. Es muss u = 0 gelten, sonst ware auch v nullund wir hatten keine Geradengleichung mehr. Sei x0 = −w

u und y0 = −pvu . Dann liegt

der Punkt (x0, y0) auf der Parabel, da ja v2p = −2uw gilt. Die Gleichung der Tangentein diesem Punkt ist yy0 = px+ px0. Setzt man x0 und y0 ein und formt um, dann erhaltman ux+ vy = w. Daher ist die Gerade mit dieser Gleichung eine Tangente.

Beispiel: Gesucht ist eine Ellipse in Hauptlage, die durch den Punkt (4, 65 ) geht und dieGerade 3x+ 10y = 25 als Tangente hat.

Die Gleichung der Ellipse ist x2

a2 +y2

b2 = 1. Es gilt also 16a2 +

3625b2 = 1. Die Beruhrbedingung

ist u2a2 + v2b2 = 1. Da die Gerade 325x+

25y = 1 Tangente ist, gilt auch 9

625a2 + 4

25b2 = 1,

das heißt 25b2 = 6254 − 9

4a2. Setzt man das in die Gleichung 16

a2 + 3625b2 = 1 ein und formt

um, so ergibt sich 9a4 − 625a2 + 10000 = 0. Lost man diese quadratische Gleichung, soerhalt man a2 = 25 und a2 = 400

9 als Losungen. Aus der Gleichung 25b2 = 6254 − 9

4a2 folgt

dann b2 = 4 im ersten und b2 = 94 im zweiten Fall.

Wir erhalten die Ellipsen mit Gleichungen x2

25 + y2

4 = 1 und 9x2

400 + 4y2

9 = 1 als Losungen.

Beide gehen durch den Punkt (4, 65 ) und haben die Gerade 3x+ 10y = 25 als Tangente.

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68 Isometrien und Kegelschnitte

8. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt

Gegeben ist eine Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2, deren große Halbachse Lange ahat. Sei P ein Punkt, der außerhalb der Ellipse liegt. Die Tangenten vom Punkt P an dieEllipse sind zu konstruieren.

F1

P

F2

H

G

Wir nehmen die im Beweis von Satz 104verwendete Methode zu Hilfe. Wir konstru-ieren zuerst den Punkt F ∗

1 . Er hat Abstand2a von F2 und von jedem Punkt der Tangentedenselben Abstand wie F1, da die Tangente jadie Symmetrale der Strecke F1F ∗

1 ist. Somitliegt F ∗

1 auf dem Kreis mit Mittelpunkt F2

und Radius 2a und auf dem Kreis mit Mit-telpunkt P durch F1. Diese beiden Kreisehaben zwei Schnittpunkte G und H. Sie spie-len die Rolle des Punktes F ∗

1 . Die Symme-tralen der Strecken F1G und F1H sind danndie beiden Tangenten durch P an die Ellipse.Die Beruhrpunkte dieser beiden Tangenten sind die Schnittpunkte der Ellipse mit denGeraden ℓ(F2, G) und ℓ(F2,H).

Fur die Hyperbel funktioniert dieselbe Konstruktion, da auch in diesem Fall der PunktF ∗1 Abstand 2a von F2 hat und von jedem Punkt der Tangente denselben Abstand wie F1.

F

P

l

H

G

Im Fall der Parabel muss man ein weniganders vorgehen. Spiegelt man den Brenn-punkt F an einer Tangente, dann erhalt maneinen Punkt E, der auf der Leitlinie l liegt.Das wird im Beweis von Satz 106 gezeigt. Ins-besondere hat E von jedem Punkt der Tan-gente denselben Abstand wie F . Wir zeichnenden Kreis mit Mittelpunkt P durch F . Dannmuss E auf diesem Kreis und auf der Leitlinieliegen. Dieser Kreis hat zwei SchnittpunkteG und H mit der Leitlinie l. Sie spielen dieRolle des Punktes E. Daher sind die Symme-tralen der Strecken FG und FH die beidenTangenten durch P an die Parabel. Die Beruhrpunkte dieser beiden Tangenten sind dieSchnittpunkte der Parabel mit den Senkrechten auf l durch G und H.

Polare: Um die Gleichungen der Tangenten von einem Punkt (r, s) an einen Kegelschnittzu berechnen, verwendet man eine Gerade, die Polare zum Punkt (r, s) genannt wird. IhreGleichung ist dieselbe wie die der Tangente, nur setzt man anstelle des Beruhrpunktes(x0, y0) den Punkt (r, s) ein. Wir erhalten daher:

Fur die Ellipse x2

a2 + y2

b2 = 1 ist xra2 + ys

b2 = 1 die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s).

Fur die Hyperbel x2

a2 − y2

b2 = 1 ist xra2 − ys

b2 = 1 die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s).

Fur die Parabel y2 = 2px ist ys = px+ pr die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s).

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Franz Hofbauer 69

Wir haben dann folgenden Satz

Satz 113: Sei (r, s) ein Punkt, der nicht auf dem Kegelschnitt liegt. Die Schnittpunkte derPolare zum Punkt (r, s) mit dem Kegelschnitt sind dann die Beruhrpunkte der Tangentenvom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt. Hat die Polare keinen Schnittpunkt mit demKegelschnitt, dann existieren keine Tangenten vom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt.

Beweis: Wir fuhren den Beweis nur fur die Ellipse. Diese hat die Gleichung x2

a2 + y2

b2 = 1.Die Gleichung der Polaren zum Punkt (r, s) ist xr

a2 + ysb2 = 1. Ist (x0, y0) ein Schnittpunkt

dieser Polare mit der Ellipse, dann gilt x0ra2 + y0s

b2 = 1. Damit ist bereits gezeigt, dass derPunkt (r, s) auf der Tangente der Ellipse liegt, die Beruhrpunkt (x0, y0) hat.

Es existiere eine Tangente vom Punkt (r, s) aus an die Ellipse. Ist (x0, y0) ihr Beruhrpunkt,dann hat sie die Gleichung xx0

a2 + yy0b2 = 1. Da (r, s) auf der Tangente liegt, gilt rx0

a2 + sy0b2 = 1.

Das aber heißt, dass (x0, y0) ein Schnittpunkt der Polare mit der Ellipse ist.

Beispiel: Gesucht sind die beiden Tangenten vom Punkt (1, 2) an die Ellipse mit der

Gleichung x2

3 + 2y2

3 = 1. Die Gleichung der Polaren zum Punkt (r, s) ist xr3 + 2ys

3 = 1. Fur

den Punkt (1, 2) erhalt man x3 + 4y

3 = 1 oder x = 3− 4y als Polarengleichung. Setzt man

das in die Ellipsengleichung ein, so hat man (3 − 4y)2 + 2y2 = 3 oder y2 − 43y +

13 = 0.

Die Losungen sind y1 = 1 und y2 = 13 , woraus x1 = −1 und x2 = 5

3 aus der Gleichung der

Polaren folgt. Die Schnittpunkte der Polaren mit der Ellipse sind (−1, 1) und ( 53 ,13 ).

Die Gleichungen der Tangenten in diesen Punkten sind dann −x3 +

2y3 = 1 und 5x

9 + 2y9 = 1.

Beide Tangenten gehen durch den Punkt (1, 2).

Eindeutigkeit der Tangente: Es soll noch erwahnt werden, dass die Tangente in einemPunkt P an einen Kegelschnitt eindeutig ist. Neben der oben gefundenen Winkelsymme-trale gibt es keine andere Tangente durch den Punkt P . Wir zeigen das fur die Ellipse.

PF ∗1

F1 F2

Q

gSei P ein Punkt auf der Ellipse mit Brenn-punkten F1 und F2, deren große Halb-achse Lange a hat. Sei g eine Geradedurch P , die nicht Winkelsymmetrale derGeraden ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P ) ist. Wirkonnen annehmen, dass die Gerade g dieStrecke F1F2 nicht schneidet, denn sonstgeht g ja durch das Innere der Ellipse undkann keine Tangente sein. Sei F ∗

1 der ang gespiegelte Punkt F1. Dieser liegt aufder anderen Seite der Gerade g als F2. Die Geraden g und ℓ(F2, F

∗1 ) haben einen Schnitt-

punkt Q. Da g nicht Winkelsymmetrale von ℓ(F1, P ) und ℓ(F2, P ) ist, liegt F∗1 nicht auf

ℓ(F2, P ). Es gilt |F ∗1 F2| < |F ∗

1 P |+ |PF2| nach der Dreiecksungleichung. Da P und Q aufg liegen, erhalten wir |F ∗

1Q| = |F1Q| und |F ∗1 P | = |F1P |. Damit ergibt sich

|F1Q|+ |QF2| = |F ∗1Q|+ |QF2| = |F ∗

1 F2| < |F ∗1 P |+ |PF2| = |F1P |+ |PF2| = 2a

Das aber bedeutet, dass Q im Innern der Ellipse liegt. Da Q auch auf g liegt, kann g keineTangente sein.

Mit einem ahnlichen Beweis kann man auch zeigen, dass nur eine Tangente in einemPunkt P an eine Hyperbel oder Parabel existiert.

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70 Isometrien und Kegelschnitte

9. Hauptachsentransformation

Wir untersuchen Kegelschnitte, die nicht in Hauptlage liegen. Sie sollen durch eineDrehung und eine Translation in Hauptlage gebracht werden.

Um die Vektorschreibweise verwenden zu konnen, schreiben wir jetzt x1 und x2 anstellevon x und y und bezeichnen den Vektor ( x1

x2) mit x.

Kurven in der Ebene stellt man allgemein durch Gleichungen f(x) = 0 dar, wobei f

eine Funktion von R2 nach R ist. Fur f(x1, x2) =x21

a2 +x22

b2 − 1 ist die Kurve eine Ellipse

und fur f(x1, x2) = x22 − px1 ist sie eine Parabel. Wir uberlegen uns zuerst, wie sich dieGleichung einer Kurve verandert, wenn wir auf die Kurve eine Isometrie L anwenden.

Satz 114: Sei f : R2 → R eine Funktion. Die Menge K = {x ∈ R2 : f(x) = 0} stellen wiruns als Kurve im R2 vor. Sei L : R2 → R2 eine Isometrie und g = f ◦ L. Fur die KurveK = {x ∈ R2 : g(x) = 0} gilt dann L(K) = K. Die Isometrie L fuhrt die neu gebildete

Kurve K in die vorgegebene Kurve K zuruck.

Beweis: Es gilt x ∈ K ⇐⇒ g(x) = 0 ⇐⇒ f(L(x)) = 0 ⇐⇒ L(x) ∈ K. Damit ist

x ∈ K ⇐⇒ L(x) ∈ K gezeigt, das heißt L(K) = K.

Wir untersuchen Kurven, die durch eine Gleichung f(x) = 0 gegeben sind, wobei f(x)ein Polynom in zwei Variablen vom Grad 2 ist, das heißt

f(x1, x2) = a1x21 + a2x

22 + 2a3x1x2 + b1x1 + b2x2 + c

mit rellen Koeffizienten a1, a2, a3, b1, b2 und c. Der Faktor 2 beim Koeffizienten a3 dientder bequemeren Darstellung. Mit Hilfe der Methode aus Satz 114 wollen wir herausfinden,welche Kurven das sind.

Zuvor bringen wir dieses Polynom mit Hilfe von Matrizen in eine bequemere Form. Wirsetzen A =

(a1a3

a3a2

)und b = ( b1b2 ). Dann gilt btx = (b1 b2)(

x1x2

) = b1x1 + b2x2 und

xtAx = (x1 x2)(a1a3

a3a2

)( x1x2

) = (x1 x2)(a1x1+a3x2a3x1+a2x2

) = a1x21 + a3x1x2 + a3x2x1 + a2x

22 =

a1x21 + a2x

22 + 2a3x1x2. Damit erhalten wir

f(x) = xtAx+ btx+ c

Indem wir Satz 114 mit einer geeigneten Drehung anwenden, versuchen wir, den Koef-fizienten von x1x2 in der Gleichung f(x) = 0 zum Verschwinden zu bringen. Wir nehmendaher an, dass a3 = 0 gilt, sonst ist ja nichts zu tun. Eine Drehung um den Nullpunkthat eine Matrix R =

(u1u2

v1v2

), wobei u und v Vektoren der Lange 1 mit ⟨u,v⟩ = 0 sind.

Nach Satz 114 ist f(Rx) = 0 die Gleichung der Kurve, die durch die Drehung um denNullpunkt, deren Matrix R ist, in die vorliegende Kurve, die die Gleichung f(x) = 0 hat,ubergeht. Wegen (Rx)t = xtRt erhalten wir

(∗) f(Rx) = xtRtARx+ btRx+ c

Wir versuchen R so zu bestimmen, dass RtAR =(λ10

0λ2

)gilt, wobei λ1 und λ2 reelle

Zahlen sind. Damit erhalten wir dann xtRtARx = λ1x21 + λ2x

22. Wir haben erreicht, dass

x1x2 nicht mehr vorkommt.

Die Matrix R hat die Spaltenvektoren u und v. Die Matrix Rt hat daher die Vektoren u

und v als Zeilen. Aus der Definition der Matrixmultiplikation folgt RtAR =(utAuvtAu

utAvvtAv

).

Insbesondere hat die Matrix RtAR Eintragung vtAu links unten und utAv rechts oben.Es muss also vtAu = 0 und utAv = 0 gelten, das heißt ⟨v, Au⟩ = 0 und ⟨u, Av⟩ = 0.Wegen ⟨u,v⟩ = 0 stehen Au und u senkrecht auf v, das heißt Au = λ1u fur ein λ1 ∈ R.

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Franz Hofbauer 71

Ebenso stehen Av und v senkrecht auf u, das heißt Av = λ2v fur ein λ2 ∈ R. Somit sindλ1 und λ2 Eigenwerte der Matrix A und u und v sind zugehorige Eigenvektoren.

Da A symmetrisch ist und a3 = 0 gilt, sind λ1 und λ2 nach Satz 95 reell und verschiedenund die Eigenvektoren u und v sind orthogonal. Da jedes Vielfache von u ebenfalls Eigen-vektor zum Eigenwert λ1 ist, konnen wir den Vektor u so wahlen, dass er Lange 1 hat. Esexistiert ein Winkel α ∈ W mit u = ( cosαsinα ). Da v senkrecht auf den Vektor u steht, ist der

Vektor w = (− sinαcosα ) ein Vielfaches von v. Da aber jedes Vielfache von v ebenfalls Eigen-

vektor zum Eigenwert λ2 ist, konnen wir v = w wahlen. Wir erhalten R =(cosαsinα

− sinαcosα

).

Da auch utAu = utλ1u = λ1utu = λ1 und vtAv = vtλ2v = λ2v

tv = λ2 gilt, ergibt sichRtAR =

(λ10

0λ2

). Wir setzen D =

(λ10

0λ2

). Diese Matrix R verwenden wir in (∗).

Sei g(x) = f(Rx). Um herauszufinden, welche Kurve durch die Gleichung f(x) = 0gegeben ist, genugt es, die neue Kurve, die die Gleichung g(x) = 0 hat, zu untersuchen.Nach (∗) gilt g(x) = xtRtARx+ btRx+ c. Wir haben RtAR bereits berechnet. Weitersist btR ein Zeilenvektor, den wir mit dt bezeichnen. Setzen wir das ein, dann erhalten wir

g(x) = xtDx+ dtx+ c = λ1x21 + λ2x

22 + d1x1 + d2x2 + c

Wir haben x1x2 zum Verschwinden gebracht.

Um die Gleichung g(x) = 0 in eine bekannte Form zu bringen, wenden wir eine Transla-tion an. Wir behandeln zuerst den Fall λ1 = 0 und λ2 = 0. Um auf vollstandige Quadratezu erganzen, setzen wir r = d1

2λ1, s = d2

2λ2und e = λ1r

2 + λ2s2 − c. Damit erhalten wir

g(x) = λ1(x21 + 2rx1 + r2) + λ2(x

22 + 2sx2 + s2)− e = λ1(x1 + r)2 + λ2(x2 + s)2 − e

Sei h(x) = λ1x21+λ2x

22−e und T (x) = x−( rs ). Es gilt g(T (x)) = h(x). Die Translation T

fuhrt die Kurve mit der Gleichung h(x) = 0 uber in die Kurve mit der Gleichung g(x) = 0.Die ursprungliche Kurve, die Gleichung f(x) = 0 hat, erhalt man durch eine Translationund eine Drehung aus der Kurve mit der Gleichung h(x) = 0. Diese Gleichung ist

λ1x21 + λ2x

22 = e oder λ1

e x21 +

λ2

e x22 = 1

Sind λ1

e und λ2

e beide > 0, dann haben wir eine Ellipse. Ist eine dieser Zahlen positiv, dieandere negativ, dann haben wir eine Hyperbel. Sind beide negativ, dann ist die Kurve dieleere Menge. Ist e = 0, dann konnen wir gar nicht durch e dividieren. Haben in diesem Fallλ1 und λ2 gleiches Vorzeichen, dann besteht die Kurve nur aus einem Punkt. Haben sieverschiedene Vorzeichen, dann besteht die Kurve aus zwei einander schneidenen Geraden.

Wir behandeln noch den Fall, dass λ1 oder λ2 gleich 0 ist, sagen wir es sei λ2. Es seiaber λ1 = 0, sonst ist g(x) = 0 ja nur eine Geradengleichung. Außerdem sei d2 = 0, sonstkommt ja x2 gar nicht mehr vor. Dann wurde die Kurve aus zwei oder einer zur x-Achsesenkrechten Geraden bestehen oder die leere Menge sein. Wir haben dann

g(x) = λ1x21 + d1x1 + d2x2 + c

Wir setzen r = d12λ1

, e = c−λ1r2 und s = ed2

und erganzen auf ein vollstandiges Quadrat

g(x) = λ1(x21 + 2rx1 + r2) + d2x2 + e = λ1(x1 + r)2 + d2(x2 + s)

Sei h(x) = λ1x21+d2x2 und T (x) = x− ( rs ). Dann gilt g(T (x)) = h(x). Die Translation T

fuhrt die Kurve mit der Gleichung h(x) = 0 uber in die Kurve mit der Gleichung g(x) = 0.Die ursprungliche Kurve, die Gleichung f(x) = 0 hat, erhalt man durch eine Translationund eine Drehung aus der Kurve mit der Gleichung h(x) = 0. Diese Gleichung ist

x21 = −d2λ1x2

Das ist die Gleichung einer Parabel.

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72 Isometrien und Kegelschnitte

Es folgen Beispiele fur Hauptachsentransformationen. Wir kehren wieder zur gewohntenSchreibweise zuruck und schreiben x und y anstelle von x1 und x2.

Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die Gleichung

6xy + 8y2 − 24x− 52y + 71 = 0

dargestellt? Wir bringen ihn mit der oben beschriebenen Methode in Hauptlage.

Wir haben A =(03

38

)und bt = (−24 − 52). Das charakteristische Polynom der Matrix A

ist∣∣−λ

33

8−λ∣∣ = −λ(8−λ)−9 = λ2−8λ−9. Die Eigenwerte sind λ1,2 = 4±

√25, das heißt

λ1 = 9 und λ2 = −1. Zugehorige Eigenvektoren sind Losungen der Gleichungssysteme(−93

3−1

)u = 0 und

(13

39

)v = 0. Wir erhalten u = ( 13 ) und v = (−3

1 ). Eigenvektoren der

Lange 1 sind 1√10( 13 ) und 1√

10(−3

1 ). Diese Vektoren sind die Spalten der Matrix R, also

R = 1√10

(13

−31

). Wir berechnen dt = btR = (−24 − 52) 1√

10

(13

−31

)= (−18

√10 2

√10).

Wir erhalten den Kegelschnitt mit der Gleichung

9x2 − y2 − 18√10x+ 2

√10y + 71 = 0

der durch die Rotation mit Matrix R in den vorgegebenen Kegelschnitt ubergefuhrt wird.

In dieser Gleichung mussen wir auf vollstandige Quadrate erganzen. Das fuhrt zu

9(x2−2√10x+10)−(y2−2

√10y+10)−80+71 = 0 oder 9(x−

√10)2−(y−

√10)2 = 9

Wir erhalten die Gleichung x2 − 19y

2 = 1 eines Kegelschnitts, der durch die Translation

mit dem Vektor√10 ( 11 ) in den Kegelschnitt mit der vorherigen Gleichung ubergeht. Wir

haben eine Hyperbel in Hauptlage mit a = 1 und b = 3 erhalten.

Beispiel: Wir andern im letzten Beispiel nur die Konstante 71 auf 80. Das ergibt dieGleichung 6xy + 8y2 − 24x− 52y + 80 = 0. Dieselbe Rechnung wie oben fuhrt dann zu

9(x2−2√10x+10)−(y2−2

√10y+10)−80+80 = 0 oder 9(x−

√10)2−(y−

√10)2 = 0

und schließlich zu 9x2 − y2 = 0. Das ist aquivalent zu (3x − y)(3x + y) = 0. Das ist dieGleichung der Kurve, die aus den beiden Geraden 3x− y = 0 und 3x+ y = 0 besteht. Dieursprungliche Kurve besteht daher ebenfalls aus zwei Geraden, die einander schneiden.

Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die folgende Gleichung gegeben

x2 + 2xy + y2 + 6x+ 2y = 0

Wir haben A =(11

11

)und bt = (6 2). Das charakteristische Polynom der Matrix A ist∣∣ 1−λ

11

1−λ∣∣ = (1 − λ)2 − 1 = λ2 − 2λ. Die Eigenwerte sind λ1 = 0 und λ2 = 2. Die

Eigenvektoren sind Losungen der Gleichungssysteme(11

11

)u = 0 und

(−11

1−1

)v = 0,

also u = ( 1−1 ) und v = ( 11 ). Eigenvektoren der Lange 1 sind 1√

2( 1−1 ) und 1√

2( 11 ). Sie

sind die Spalten der Matrix R, das heißt R = 1√2

(1−1

11

). Wir berechnen dt = btR =

(6 2) 1√2

(1−1

11

)= (2

√2 4

√2). Wir erhalten den Kegelschnitt mit der Gleichung

2y2 + 2√2x+ 4

√2y = 0 oder y2 +

√2x+ 2

√2y = 0

der durch die Rotation mit Matrix R in den gegebenen Kegelschnitt ubergefuhrt wird.

In dieser Gleichung mussen wir auf ein vollstandiges Quadrat erganzen. Das fuhrt zu

(y2 + 2√2y + 2) +

√2x− 2 = 0 oder (y +

√2)2 +

√2(x−

√2) = 0

Schließlich erhalten wir die Gleichung y2 +√2x = 0 eines Kegelschnitts, der durch die

Translation mit dem Vektor√2 (−1

1 ) in den Kegelschnitt mit der vorherigen Gleichung

ubergeht. Wir haben eine Parabel in Hauptlage mit p = − 1√2erhalten.

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Franz Hofbauer 73

10. Leitlinie und Polarkoordinaten

Ublicherweise werden die Kegelschnitte unterschiedlich definiert. Wahrend Ellipse undHyperbel mit Hilfe von zwei Brennpunkten definiert werden, wird fur die Parabel einBrennpunkt und eine Leitlinie verwendet. Man kann jedoch die Kegelschnitte auch ein-heitlich mit Hilfe eines Brennpunktes und einer Leitlinie definieren.

Seien c und d reelle Zahlen. Sei (c, 0) der Brennpunkt F und die Senkrechte zur x-Achsedurch (d, 0) sei die Leitlinie l. Sei weiters v > 0. Wir suchen die Menge aller Punkte (x, y),deren Abstand zum Brennpunkt F das v-fache ihres Normalabstandes zur Leitlinie l ist.Der Abstand von (x, y) zum Brennpunkt (c, 0) ist

√(x− c)2 + y2. Der Normalabstand

von (x, y) zur Leitlinie l ist |x− d|. Wir erhalten daher die Gleichung√(x− c)2 + y2 = v|x− d| oder (x− c)2 + y2 = v2(x− d)2

Ausquadrieren und Zusammenfassen ergibt

(∗) x2(1− v2) + 2x(v2d− c) + c2 − v2d2 + y2 = 0

Wir unterscheiden die Falle v = 1 und v = 1.

Parabel: Im Fall v = 1 ist der Abstand des Punktes (x, y) zum Brennpunkt und zurLeitlinie gleich groß. Das ist die Definition der Parabel, die wir schon fruher hatten. Setztman v = 1 in die Gleichung (∗) ein, so ergibt sich

2x(d− c) + c2 − d2 + y2 = 0 oder y2 = 2(c− d)(x− c+d2 )

Hier sieht man ebenfalls, dass eine Parabel vorliegt, die durch eine Translation in Hauptlageubergefuhrt werden kann. Man hat dann die Gleichung y2 = 2(c− d)x.

Ellipse und Hyperbel: Sei jetzt v = 1. In diesem Fall kann man die Gleichung (∗)weiter umformen. Erganzen auf ein vollstandiges Quadrat ergibt

(1− v2)(x2 + 2xv2d−c1−v2 + ( v

2d−c1−v2 )2) + y2 = v2d2 − c2 + (v2d−c)2

1−v2

Rechnet man die rechte Seite aus und fasst zusammen, so erhalt man

(1− v2)(x+ v2d−c1−v2 )2 + y2 = v2(d−c)2

1−v2

Dividiert man noch durch die rechte Seite, so hat man(1−v2)2v2(d−c)2 (x+ v2d−c

1−v2 )2 + 1−v2v2(d−c)2 y

2 = 1

Durch eine entsprechende Translation kann man den Kegelschnitt in Hauptlage bringen(1−v2)2v2(d−c)2 x

2 + 1−v2v2(d−c)2 y

2 = 1

Man sieht, dass der Koeffizient von x2 immer großer als Null ist, der Koeffizient von y2

kann beide Vorzeichen haben.

Gilt 0 < v < 1, dann ist auch der Koeffizient von y2 positiv. Es liegt eine Ellipse vor

mit a2 = v2(d−c)2(1−v2)2 und b2 = v2(d−c)2

1−v2 . Es folgt b2

a2 = 1 − v2 und daraus v2 = a2−b2a2 = e2

a2 ,

also v = ea . Weiters folgt (d− c)2 = b2 1−v2

v2 = b4

e2 , das heißt |d− c| = b2

e . Wir sehen, dass

der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich b2

e ist und das Verhaltnis v gleich ea .

Gilt v > 1, dann ist der Koeffizient von y2 negativ. Es liegt eine Hyperbel vor mit

a2 = v2(d−c)2(1−v2)2 und b2 = v2(d−c)2

v2−1 . Es folgt b2

a2 = v2 − 1 und daraus v2 = a2+b2

a2 = e2

a2 , also

wieder v = ea . Weiters folgt (d − c)2 = b2 v

2−1v2 = b4

e2 , das heißt |d − c| = b2

e . Wir sehen,

dass der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich b2

e ist und das Verhaltnis v gleich ea ,

genauso wie bei der Ellipse. Nur ist ea im Gegensatz zur Ellipse jetzt großer als 1.

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74 Isometrien und Kegelschnitte

Bei einer Ellipse zeichnen wir links vom linken Brennpunkt F1 und rechts vom rechten

Brennpunkt F2 jeweils im Abstand b2

e senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Ellipseist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F1 das e

a -fache desAbstandes zur Leitlinie l1 betragt. Genau dieselbe Aussage gilt auch fur F2 und l2.

l1

F2

l2

F1

F1 F2

l2l1

Bei einer Hyperbel zeichnen wir rechts vom linken Brennpunkt F1 und links vom rechten

Brennpunkt F2 jeweils im Abstand b2

e senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Hy-perbel ist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F1 das e

a -fachedes Abstandes zur Leitlinie l1 betragt. Genau dieselbe Aussage gilt auch fur F2 und l2.

Polarkoordinaten: Anstatt durch die kartesischen Koordinaten x und y wird ein PunktP dargestellt durch seinen Abstand r vom Nullpunkt O und durch den Winkel φ zwischen

der positiven x-Achse und dem Vektor−→OP . Die Umrechnung erfolgt durch die Formeln

x = r cosφ und y = r sinφ. Es soll eine Polarkoordinatendarstellung der Kegelschnittegefunden werden, bei der ein Brennpunkt im Nullpunkt O liegt.

Wir nehmen an, dass d > 0 gilt und die Leitlinie senkrecht zur x-Achse durch (d, 0)verlauft. Der Brennpunkt O liegt links von der Leitlinie. Wir wissen bereits, dass dann imFall einer Ellipse oder Parabel die gesamte Kurve, im Fall einer Hyperbel jedoch nur derlinke Ast links von der Leitlinie liegt. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat undlinks von der Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt, der ja im Nullpunkt liegt,und Abstand d − r cosφ von der Leitlinie. Ein Punkt liegt auf dem Kegelschnitt, wenndiese Abstande Verhaltnis v haben. Die Kegelschnittgleichung ist daher

r = v(d− r cosφ) oder r = vd1+v cosφ

Fur 0 < v < 1 stellt diese Gleichung eine Ellipse dar, fur v = 1 eine Parabel und fur v > 1den linken Ast einer Hyperbel. (Bei der Hyperbel lauft φ nur in dem Intervall fur dascosφ > − 1

v gilt, das ist das Intervall (− arccos(− 1v ), arccos(−

1v )), sonst ist r negativ.)

Will man den rechten Ast der Hyperbel darstellen, dann muss man Punkte rechts vonder Leitlinie betrachten. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat und rechtsvon der Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt und Abstand r cosφ − d von derLeitlinie. Die Kegelschnittgleichung ist daher

r = v(r cosφ− d) oder r = vdv cosφ−1

Fur v ≤ 1 gibt es keinen Punkt, der diese Gleichung erfullt, da r ja großer als 0 seinmuss. (Ellipse und Parabel liegen zur Ganze links von der Leitlinie.) Fur v > 1 stellt dieseGleichung den rechten Ast einer Hyperbel dar. (Dabei lauft φ nur in dem Intervall fur dascosφ > 1

v gilt, das ist das Intervall (− arccos 1v , arccos

1v ), sonst ist r negativ.)

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Franz Hofbauer 75

11. Flachen zweiter Ordnung

Eine Kurve im R2 kann man durch eine Gleichung g(x, y) = 0 darstellen, wobei g eineFunktion von R2 nach R ist. Eine Kurve zweiter Ordnung erhalt man, wenn g(x, y) einPolynom zweiten Grades in zwei Variablen ist. Diese hat dann eine Gleichung der Form

a1x2 + a2y

2 + 2a3xy + b1x+ b2y + c = 0

mit rellen Koeffizienten a1, a2, a3, b1, b2 und c. Wir wissen bereits, dass diese Kurven,abgesehen von Grenzfallen, Kegelschnitte sind.

Eine Flache im R3 kann man durch eine Gleichung f(x, y, z) = 0 darstellen, wobei feine Funktion von R3 nach R ist. Fur f(x, y, z) = 3x+2y−6z+3 hat man eine Ebene undfur f(x, y, z) = x2 + y2 + z2 − 1 die Oberflache einer Kugel. Eine Flache zweiter Ordnungerhalt man, wenn f(x, y, z) ein Polynom zweiten Grades in drei Variablen ist. Ein Beispieldafur ist die Kugeloberflache. Eine Flache zweiter Ordnung hat eine Gleichung der Form

a1x2 + a2y

2 + 2a3xy + a4z2 + 2a5xz + 2a6yz + b1x+ b2y + b3z + c = 0

mit rellen Koeffizienten a1, a2, a3, a4, a5, a6, b1, b2, b3 und c. Um herauszufinden, wieFlachen zweiter Ordnung aussehen, kann man genauso wie fur Kurven zweiter Ordnungeine Hauptachsentransformation durchfuhren. Dadurch bringt man die Flache in Haupt-lage. Abgesehen von Grenzfallen (ein Punkt, eine Gerade, eine Ebene, ein Ebenenpaar,die Mantelflache eines elliptischen, hyperbolischen oder parabolischen Zylinders, die Man-telflache eines elliptischen Doppelkegels) konnen dabei funf verschiedene Arten von Flachenauftreten. Diese werden im Folgenden besprochen. Um eine Vorstellung zu bekommen,wie diese Flachen aussehen, werden wir sie aus Kegelschnitten erzeugen.

Hat man eine Kurve K im R2, dann kann man diese um die x-Achse rotieren. Dadurchentsteht eine Rotationsflache F . Ist g(x, y) = 0 eine Gleichung der Kurve K, dann gilt

(x, y, z) ∈ F ⇐⇒ (x,√y2 + z2) ∈ K oder (x,−

√y2 + z2) ∈ K

⇐⇒ g(x,√y2 + z2) = 0 oder g(x,−

√y2 + z2) = 0

Wir werden Rotationsflachen fur Kegelschnitte bilden. Da in den Gleichungen der Kegel-schnitte y ohnehin nur als y2 vorkommt, ist das Vorzeichen der zweiten Variable in g

unerheblich. Die Gleichung fur die Rotationsflache ist dann g(x,√y2 + z2) = 0.

Wir uben eine Streckung mit Faktor u in Richtung der z-Achse auf eine Flache F mitder Gleichung f(x, y, z) = 0 aus. Der Punkt (x, y, z) erfullt die Gleichung f(x, y, z) = 0genau dann, wenn der Punkt (x, y, uz) die Gleichung f(x, y, zu ) = 0 erfullt. Somit istf(x, y, zu ) = 0 die Gleichung der in z-Richtung um den Faktor u gestreckten Flache F .

Diese beiden Operationen, die Rotation um die x-Achse und die Streckung der so er-haltenen Flache in z-Richtung, wenden wir auf Kegelschnitte an. Man kann sich dann gutvorstellen, wie die Flache aussieht, die man dadurch erhalt.

Eine andere Moglichkeit, sich eine Vorstellung von einer Flache zu machen, sind Hohen-schichtlinien. Das sind die Kurven, die man erhalt, wenn man die Flache mit den Ebe-nen senkrecht zur z-Achse schneidet. Da diese Ebenen Gleichungen der Form z = dmit d ∈ R haben, sind Hohenschichtlinien leicht zu bestimmen. (Das entspricht denHohenschichtlinien, die in einer Landkarte eingezeichnet sind.) Man kann aber genausodie Schnittkurven der Flache mit Ebenen senkrecht zur x-Achse oder senkrecht zur y-Achseberechnen.

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76 Isometrien und Kegelschnitte

Ellipsoid: Die Gleichung einer Ellipse in Hauptlage istx2

a2 + y2

b2 = 1. Das ist g(x, y) = 0 mit g(x, y) = x2

a2 + y2

b2 − 1.Die Ellipse rotiert um die x-Achse. Die Rotationsflache hat

die Gleichung g(x,√y2 + z2) = 0, das ist x

2

a2 +y2

b2 +z2

b2 = 1.Die Schnitte dieser Rotationsflache senkrecht zur x-Achsesind Kreise. Um das zu andern, uben wir eine Streckungmit Faktor u in Richtung der z-Achse auf diese Flache aus.

Das ergibt die Flache mit der Gleichung x2

a2 + y2

b2 + z2

u2b2 = 1. Mit c = ub ergibt sich

x2

a2 + y2

b2 + z2

c2 = 1

Diese Flache nennt man ein Ellipsoid. Die Langen der Halbachsen sind a, b und c.

Wir bestimmen noch die Hohenschichtlinien. Wir schneiden mit Ebenen senkrecht zurz-Achse. Die Gleichung so einer Ebene ist z = d mit d ∈ R. Die Schnittkurve hat die

Gleichung x2

a2 + y2

b2 = 1− d2

c2 . Fur |d| < c ist das eine Ellipse, fur |d| = c besteht die Kurvenur aus einem Punkt, und fur |d| > c ist die Schnittmenge leer. Die Schnitte senkrecht zurx-Achse und senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Ellipsen.

Zweischaliges Hyperboloid: Die Gleichung einer Hyper-

bel in Hauptlage ist x2

a2 − y2

b2 = 1. Das ist g(x, y) = 0 mit

g(x, y) = x2

a2 − y2

b2 − 1. Die Hyperbel rotiert um die x-Achse.

Die Rotationsflache hat die Gleichung g(x,√y2 + z2) = 0,

das ist x2

a2 −y2

b2 −z2

b2 = 1. Wir uben eine Streckung mit Faktoru in Richtung der z-Achse auf die Rotationsflache aus und

erhalten die Flache mit Gleichung x2

a2 − y2

b2 − z2

u2b2 = 1. Setzen wir c = ub, dann ergibt sich

x2

a2 − y2

b2 − z2

c2 = 1

Diese Flache nennt man ein zweischaliges Hyperboloid.

Wir schneiden mit Ebenen senkrecht zur z-Achse. Die Gleichung so einer Ebene ist z = d

mit d ∈ R. Die Schnittkurve hat die Gleichung x2

a2 − y2

b2 = 1 + d2

c2 . Das ist eine Hyperbel.Schnitte senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Hyperbeln. Schneiden wir jedoch miteiner Ebene senkrecht zur x-Achse, die ja die Gleichung x = d hat, dann erhalten wir eine

Schnittkurve mit der Gleichung y2

b2 + z2

c2 = d2

a2 − 1. Fur |d| > a ist das eine Ellipse, fur|d| = a besteht die Kurve nur aus einem Punkt, und fur |d| < a ist die Schnittmenge leer.

Einschaliges Hyperboloid: Liegen die Brennpunkte der

Hyperbel auf der y-Achse, dann ist −x2

a2 + y2

b2 = 1 ihreGleichung. Wir rotieren diese Hyperbel um die x-Achse.

Die Rotationsflache hat die Gleichung −x2

a2 + y2

b2 + z2

b2 = 1.Eine Streckung in Richtung der z-Achse fuhrt zur Gleichung

−x2

a2 + y2

b2 + z2

c2 = 1

Diese Flache nennt man ein einschaliges Hyperboloid.

Schneiden wir diese Flache senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit

der Gleichung −x2

a2 + y2

b2 = 1 − d2

c2 . Das ist eine Hyperbel (fur |d| = c ein Geradenpaar).Schnitte senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Hyperbeln. Schneiden wir senkrecht zur

x-Achse dann ist y2

b2 + z2

c2 = d2

a2 + 1 die Gleichung der Schnittkurve. Das ist eine Ellipse.

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Franz Hofbauer 77

Elliptisches Paraboloid: Die Parabelgleichung in Haupt-lage ist y2 = 2px. Das ist g(x, y) = 0 mit g(x, y) = y2 − 2px.Die Parabel rotiert um die x-Achse. Die Rotationsflache hatdie Gleichung g(x,

√y2 + z2) = 0, das ist y2+ z2 = 2px. Wir

wenden wieder eine Streckung mit Faktor u in Richtung der

z-Achse an und erhalten die Gleichung y2+ z2

u2 = 2px. Setzenwir a =

√p und b = u

√p, dann ergibt sich die Gleichung

y2

a2 + z2

b2 = 2x

Diese Flache nennt man ein elliptisches Paraboloid.

Schneiden wir diese Flache senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit

der Gleichung y2 = 2a2(x − d2

2b2 ). Das ist eine Parabel. Schnitte senkrecht zur y-Achseergeben ebenfalls Parabeln. Schneiden wir mit einer Ebene senkrecht zur x-Achse dann

erhalten wir y2

a2 + z2

b2 = 2d als Gleichung der Schnittkurve. Fur d > 0 ist das eine Ellipse,fur d = 0 besteht die Kurve nur aus einem Punkt, und fur d < 0 ist die Schnittmenge leer.

Hyperbolisches Paraboloid: Diese Flache kann man nicht durch Rotation erzeugen. Siehat die Gleichung (bei einem elliptischen Paraboloid stimmt die linke Seite der Gleichungmit der einer Ellipse uberein, bei einem hyperbolischen Paraboloid mit der einer Hyperbel)

y2

a2 − z2

b2 = 2x

Man kann sich an Hand der Hohenschichtlinien eine Vorstellung bilden, wie diese Flacheaussieht. Schneiden wir sie senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit der

Gleichung y2 = 2a2(x + d2

2b2 ). Das ist eine Parabel. Ein Schnitt senkrecht zur y-Achse

ergibt eine Schnittkurve mit der Gleichung z2 = −2b2(x − d2

2a2 ). Das ist ebenfalls eineParabel. Schneiden wir jedoch mit einer Ebene senkrecht zur x-Achse dann erhalten wir

eine Schnittkurve mit der Gleichung y2

a2 − z2

b2 = 2d. Das ist eine Hyperbel (fur d = 0 einGeradenpaar). Die Flache hat die Form eines Sattels. (Man schaut auf den Sattel, wennman von einem Punkt der x-Achse in Richtung Nullpunkt blickt.)

Im letzten Kapitel haben wir die Menge aller Punkte im R2 bestimmt, deren Abstandezu einem vorgegebenen Punkt und zu einer vorgegebenen Gerade in einem festen Verhaltniszueinender stehen. Wir versuchen jetzt, solche Mengen im R3 zu bestimmen. Da gibt esnaturlich mehr Moglichkeiten.

Zwei Punkte: Wir wahlen A = (1, 0, 0) und B = (−1, 0, 0). Sei v ∈ (0, 1) ∪ (1,∞)

vorgegeben. Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), fur die |PA||PB| = v gilt.

Wegen |PA|2 = (x − 1)2 + y2 + z2 und |PB|2 = (x + 1)2 + y2 + z2 erfullen diese Punktedie Gleichung (x− 1)2 + y2 + z2 = v2((x+ 1)2 + y2 + z2). Durch Umformen erhalten wir

(x− 1+v2

1−v2 )2 + y2 + z2 = 4v2

(1−v2)2

Das ist die Gleichung einer Kugel, deren Mittelpunkt auf der x-Achse liegt. Die gesuchtePunktmenge ist somit die Oberflache einer Kugel.

Im Folgenden bezeichnet d(P, g) den Normalabstand des Punktes P von der Gerade gund d(P, ε) den Normalabstand des Punktes P von der Ebene ε.

Punkt und Gerade: Wir wahlen den Punkt A = (0, 1, 0) und als Gerade g die x-Achse.

Sei v ∈ (0,∞). Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), fur die |PA|d(P,g) = v gilt.

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78 Isometrien und Kegelschnitte

Wegen |PA|2 = x2+(y−1)2+z2 und d(P, g)2 = y2+z2 erfullen diese Punkte die Gleichung

x2 + (y − 1)2 + z2 = v2(y2 + z2)

Fur v = 1 erhalten wir x2 = 2y− 1. Das ist die Gleichung einer Parabel in der x-y-Ebene.Die gesuchte Menge besteht aus allen Punkten, die uber dieser Parabel liegen. Das ist einparabolischer Zylinder. Fur v = 1 erhalten wir durch Umformen der obigen Gleichung

(∗) 1−v2v2 x2 + (1−v2)2

v2 (y − 11−v2 )

2 + (1−v2)2v2 z2 = 1

Eine Translation bringt diese Flache in Hauptlage 1−v2v2 x2 + (1−v2)2

v2 y2 + (1−v2)2v2 z2 = 1.

Nun gilt (1−v2)2v2 > 0. Im Fall v < 1 gilt auch 1−v2

v2 > 0. Die Flache ist ein Ellipsoid, das

durch Rotation um die x-Achse aus der Ellipse 1−v2v2 x2 + (1−v2)2

v2 y2 = 1 entsteht. Im Fall

v > 1 gilt 1−v2v2 < 0. Die Flache ist ein einschaliges Hyperboloid, das durch Rotation um

die x-Achse aus der Hyperbel − v2−1v2 x2 + (1−v2)2

v2 y2 = 1 entsteht. Sowohl die Ellipse als

auch die Hyperbel hat Brennweite v2

1−v2 . Es folgt, dass der Kegelschnitt, den man erhalt,

wenn man die Flache (∗) mit der x-y-Ebene schneidet, den Punkt A als Brennpunkt hat.

Zwei Geraden: Wir nehmen an, dass die beiden Geraden keinen Schnittpunkt haben,jedoch zueinander senkrecht stehen. Wir legen sie so ins Koordinatensystem, dass g die

Parameterdarstellung(

100

)+ t

(001

)und h die Parameterdarstellung

(−100

)+ t

(010

)hat.

Sei v ∈ (0,∞). Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), fur die d(P,g)d(P,h) = v gilt.

Wegen d(P, g)2 = (x− 1)2 + y2 und d(P, h)2 = (x+ 1)2 + z2 erhalten wir die Gleichung

(x− 1)2 + y2 = v2((x+ 1)2 + z2)

Fur v = 1 ergibt sich die Gleichung y2 − z2 = 4x. Das ist ein hyperbolisches Paraboloid.Fur v = 1 erhalten wir durch entsprechnde Umformungen der obigen Gleichung

(1−v2)24v2 (x− 1+v2

1−v2 )2 + 1−v2

4v2 y2 − 1−v2

4 z2 = 1

Eine Translation bringt diese Flache in Hauptlage (1−v2)24v2 x2 + 1−v2

4v2 y2 − 1−v2

4 z2 = 1. Nun

gilt (1−v2)24v2 > 0. Im Fall v < 1 ist der Koeffizient von y2 positiv und der von z2 negativ.

Im Fall v > 1 ist es umgekehrt. In beiden Fallen haben wir ein einschaliges Hyperboloid.

Im Fall v < 1 entsteht es durch Rotation der Hyperbel (1−v2)24v2 x2 − 1−v2

4 z2 = 1 um diez-Achse und anschließender Streckung in Richtung y-Achse. Im Fall v > 1 entsteht es

durch Rotation der Hyperbel (1−v2)24v2 x2 − v2−1

4v2 y2 = 1 um die y-Achse und anschließender

Streckung in Richtung z-Achse.

Gerade und Ebene: Wir nehmen an, dass die Gerade und die Ebene nicht parallelliegen. Wir legen sie so ins Koordinatensystem, dass der Nullpunkt ihr Schnittpunkt ist,

dass die Ebene ε Normalvektor(ab0

)hat und dass die Gerade g in der x-y-Ebene liegt und

dort Normalvektor ( ba ) hat. Wir nehmen a > b > 0 und a2 + b2 = 1 an. Wir suchen dieMenge aller Punkte P = (x, y, z), fur die d(P, ε) = d(P, g) gilt. Wegen d(P, ε) = |ax+ by|und d(P, g)2 = (bx+ ay)2 + z2 erhalten wir die Gleichung

(ax+ by)2 = (bx+ ay)2 + z2 oder x2 − y2 − z2

a2−b2 = 0

Die Gleichung x2−y2 = 0 stellt ein Geradenpaar dar, namlich die beiden Diagonalen in derx-y-Ebene. Rotation um die x-Achse und anschließende Streckung in z-Richtung fuhren

zu x2 − y2 − z2

a2−b2 = 0. Diese Gleichung stellt somit einen elliptischen Doppelkegel dar.

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V. Lineare Gleichungssysteme

1. Das Gaußsche Eliminationsverfahren

Lineare Gleichungssysteme mit zwei Gleichungen und zwei Variablen sind leicht losbar.Hat man mehr als zwei Variable, dann ist es besser, ein systematisches Losungsverfahrenanzuwenden, namlich das sogenannte Gaußsche Eliminationsverfahren. Durch Aquivalenz-umformungen (das sind Umformungen, die die Losungsmenge nicht andern) wird das Glei-chungssystem in eine Form gebracht, die eine direkte Auflosung zulasst.

Grundlegend fur das Gaußsche Eliminationsverfahren ist folgende Aquivalenzumformung:

Das a-fache einer Gleichung, wobei a eine relle

Zahl ist, wird zu einer anderen Gleichung addiert.

Das ist eine Aquivalenzumformung. Die Gleichung, deren a-faches man zu einer anderenGleichung addiert hat, ist ja immer noch vorhanden. Daher kann man das a-fache dieserGleichung auch wieder von der anderen Gleichung subtrahieren und so zum ursprunglichenGleichungssystem zuruckkehren. Das zeigt, dass sich die Losungsmenge des linearen Glei-chungssystems durch solche Umformungen nicht andert.

Durch systematisches Anwenden dieser Aquivalenzumformung wird die erste Variableaus allen Gleichungen eliminiert, außer der ersten, und die zweite Variable aus allen Glei-chungen außer den ersten beiden. Je nach Anzahl der Gleichungen und Variablen setztman das Verfahren fort. Wir bleiben vorlaufig bei drei Variablen und drei Gleichungenund fuhren dieses Verfahren fur folgendes Beispiel durch.

2x1 − 2x2 − 3x3 =−2

−4x1 + 6x2 + 5x3 = 0

4x1 + 2x2 − x3 = 0

Die erste Variable soll aus der zweiten und dritten Gleichung durch Addition geeigneterVielfachen der ersten Gleichung eliminiert werden. Damit die erste Variable aus der zweitenGleichung verschwindet, addieren wir das 2-fache der ersten Gleichung zur zweiten. Damitdie erste Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−2)-fache derersten Gleichung zur dritten. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem

2x1 − 2x2 − 3x3 =−2

2x2 − x3 =−4

6x2 + 5x3 = 4

Jetzt lassen wir die erste Gleichung aus dem Spiel. Damit die zweite Variable aus derdritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−3)-fache der zweiten Gleichung zurdritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem

2x2 − 2x2 − 3x3 =−2

2x2 − x3 =−4

8x3 = 16

Damit ist der erste Teil des Gaußschen Eliminationsverfahrens abgeschlossen. Wir habendas Gleichungssystem in Dreiecksgestalt gebracht.

Der zweite Teil des Verfahrens besteht nun darin, dieses Gleichungssystem schrittweisevon unten nach oben zu losen. Die dritte Gleichung ist 8x3 = 16, woraus x3 = 2 folgt.

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80 Lineare Gleichungssysteme

Die zweite Gleichung ist 2x2 − x3 = −4, woraus 2x2 = −4+ x3 = −2 und dann x2 = −1folgt. Die erste Gleichung ist 2x1 − 2x2 − 3x3 = −2, woraus 2x1 = −2 + 2x2 + 3x3 = 2und dann x1 = 1 folgt. Es gibt eine eindeutige Losung. Die Losungsmenge ehthalt nurein Element, namlich (1,−1, 2).

Geometrische Interpretation: Die Gleichungen des ursprunglichen Gleichungssystemskann man als Gleichungen dreier Ebenen auffassen. Diese drei Ebenen haben genau einenPunkt gemeinsam.

Wir versuchen ein weiteres Beispiel mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren zu losen.

− x2 + x3 = 2

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

2x1 + 3x2 + 7x3 = 10

Wir konnen nicht beginnen, da x1 in der ersten Gleichung nicht vorkommt. In so einemFall vertauscht man zwei Gleichungen, um eine Gleichung, in der x1 vorkommt in die ersteZeile zu bringen. Wir vertauschen die ersten beiden Gleichungen und erhalten

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

2x1 + 3x2 + 7x3 = 10

Jetzt konnen wir mit dem Eliminationsverfahren beginnen. Die erste Variable kommt inder zweiten Gleichung nicht vor, daher mussen wir sie nicht mehr eliminieren. Damit dieerste Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−2)-fache derersten Gleichung zur dritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

− 3x2 + 3x3 = 6

Jetzt lassen wir die erste Gleichung aus dem Spiel. Damit die zweite Variable aus derdritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−3)-fache der zweiten Gleichung zurdritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

0x3 = 0

Die letzte Gleichung ist immer erfullt. Wir konnen sie weglassen und erhalten

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

Damit ist der erste Teil des Gaußschen Eliminationsverfahrens abgeschlossen. Wir habendas Gleichungssystem wieder in Dreiecksgestalt gebracht, der aber eine Gleichung fehlt.In so einem Fall spricht man von Stufenform.

Bei dieser Stufenform hat man jedoch weniger Gleichungen als Variable. Wir habeneine Gleichung weniger, daher konnen wir eine Variable frei wahlen. Wir fuhren einenParameter t ∈ R ein und setzen x3 = t. Die zweite Gleichung ist −x2 + x3 = 2, worauswir x2 = x3 − 2 = t − 2 erhalten. Die erste Gleichung ist x1 + 3x2 + 2x3 = 2, worauswirx1 = 2−3x2−2x3 = 2−3t+6−2t = −5t+8 erhalten. Die Losung ist nicht eindeutig.Die Losungsmenge ist {(−5t+ 8, t− 2, t) : t ∈ R}.

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Franz Hofbauer 81

Geometrische Interpretation: Die Gleichungen des ursprunglichen Gleichungssystemskann man als Gleichungen dreier Ebenen auffassen. Diese drei Ebenen haben die Gerade

mit Parameterdarstellung(

8−20

)+ t

(−511

)gemeinsam.

Wir andern das Gleichungssystem im letzten Beispiel ein wenig ab. Wir andern nur dierechte Seite der dritten Gleichung und versuchen das Gleichungssystem zu losen

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

2x1 + 3x2 + 7x3 = 7

Fuhrt man das Gaußsche Eliminationsverfahren wie oben durch, so erhalt man

x1 + 3x2 + 2x3 = 2

− x2 + x3 = 2

0x3 =−3

Die dritte Gleichung ist nicht erfullbar. Sie ist ein Widerspruch. Das Gleichungssystemhat keine Losung. Die Losungsmenge ist leer.

Fur ein lineares Gleichungssystem gibt es verschiedene Moglichkeiten: eine eindeutigeLosung, keine Losung, unendlich viele Losungen.

Das Eliminationsverfahren wird durchgefuhrt. Erhalt man am Ende einen Widerspruch,dann existiert keine Losung. Erhalt man keinen Widerspruch, dann gilt folgendes: Ist dieAnzahl der verbleibenden Gleichungen gleich der Anzahl der Variablen, dann ist die Losungeindeutig. Ist die Anzahl der verbleibenden Gleichungen um k geringer als die Anzahl derVariablen, dann hat man eine Losungsmenge mit k Parametern.

Im vorletzten Beispiel hatten wir drei Variable und zwei verbleibende Gleichungen. Da-her ergab sich eine Losungsmenge mit einem Parameter.

Zusatzlich zu der bisher verwendeten Aquivalenzumformung kann man Gleichungen miteiner Zahl = 0 multplizieren oder durch eine Zahl = 0 dividieren. Das andert nichts ander Losungsmenge des Gleichungssystems und kann das Rechnen vereinfachen. Zur Ubunglosen wir folgendes lineare Gleichungssystem mit vier Variablen.

4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4

−2x1 + 32 x2 − x3 + 3

2 x4 = 5

−4x1 + 7x2 + 43 x3 − 5x4 = 12

2x1 + 32 x2 + 7

2 x4 = 8

Wir addieren das 12 -fache der ersten Gleichung zur zweiten, die erste Gleichung zur dritten

und das (− 12 )-fache der ersten Gleichung zur vierten. Das ergibt das links unten stehende

Gleichungssystem.

4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4 4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4

x3 + 2x4 = 7 x2 + 43 x3 − x4 = 4

4x2 + 163 x3 − 4x4 = 16 x3 + 2x4 = 7

3x2 − 2x3 + 3x4 = 6 3x2 − 2x3 + 3x4 = 6

Die dritte Gleichung wurde durch 4 dividiert und die zweite und dritte Gleichung ver-tauscht. Das ergibt das rechts oben stehende Gleichungssystem. Jetzt konnen wir mit dem

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82 Lineare Gleichungssysteme

Eliminationsverfahren fortfahren. Wir addieren das (−3)-fache der zweiten Gleichung zurvierten und erhalten das links unten stehende Gleichungssystem. Wir addieren das 6-facheder dritten Gleichung zur vierten und erhalten das rechts unten stehende Gleichungssystem

4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4 4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4

x2 + 43 x3 − x4 = 4 x2 + 4

3 x3 − x4 = 4

x3 + 2x4 = 7 x3 + 2x4 = 7

− 6x3 + 6x4 =−6 18x4 = 36

Die Losung ist jetzt wieder einfach zu berechnen. Aus 18x4 = 36 erhalten wir x4 = 2 undaus x3 + 2x4 = 7 folgt dann x3 = 3. Aus x2 +

43 x3 − x4 = 4 ergibt sich x2 = 2 und aus

4x1 − 3x2 + 4x3 + x4 = 4 schließlich x1 = −1.

Hier ist noch ein Beispiel, dessen Losung nicht eindeutig ist.

2x1 + x2 − x3 + 3x4 = 6

− 2x2 − 3x3 + x4 = 6

4x1 − 2x2 − 8x3 = 8

2x1 + 3x2 + 2x3 + 4x4 = 4

Wir fuhren das Eliminationsverfahren durch. Wir addieren das (−2)-fache der ersten Zeilezur dritten und das (−1)-fache der ersten Zeile zur vierten. Wir erhalten

2x1 + x2 − x3 + 3x4 = 6

− 2x2 − 3x3 + x4 = 6

− 4x2 − 6x3 − 6x4 = −4

2x2 + 3x3 + x4 = −2

Wir addieren das (−2)-fache der zweiten Gleichung zur dritten und die zweite Gleichungzur vierten. Das ergibt

2x1 + x2 − x3 + 3x4 = 6

− 2x2 − 3x3 + x4 = 6

− 8x4 = −16

2x2 = 4

Wir addieren noch das (− 14 )-fache der dritten Gleichung zur vierten. Die vierte Gleichung

wird dadurch zu 0x4 = 0 und kann daher weggelassen werden. Es bleibt

2x1 + x2 − x3 + 3x4 = 6

− 2x2 − 3x3 + x4 = 6

− 8x4 = −16

Das Gleichungssystem ist jetzt in Stufenform. Da wir drei Gleichungen und vier Variablehaben, werden wir einen Parameter einfuhren. Die dritte Gleichung ist −8x4 = −16,woraus x4 = 2 folgt. Die zweite Gleichung ist −2x2−3x3+ x4 = 6, woraus x2 = −2− 3

2 x3folgt. Wir konnen x3 beliebig wahlen. Wir wahlen einen Parameter t ∈ R und setzenx3 = t. Dann erhalten wir x2 = −2− 3

2 t. Aus der ersten Gleichung 2x1+ x2− x3+3x4 = 6

folgt dann x1 = 1 + 54 t. Wir haben eine einparametrige Losungsmenge erhalten.

Man kann das Gaußsche Eliminationsverfahren auf beliebig viele Variablen ausdehnen.Auch die Anzahl der Gleichungen muss nicht gleich der Anzahl der Variablen sein.

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Franz Hofbauer 83

Wir rechnen dazu ein Beispiel mit sechs Variablen und vier Gleichungen.

2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5

2x1 − 5x2 + 7x3 − 4x4 + 5x5 + 2x6 = 11

2x1 + x2 + x3 + x4 − 3x5 + x6 = 6

4x1 + 2x2 + 2x3 + 2x4 − 6x5 + 4x6 = 16

Wir addieren das (−1)-fache der ersten Gleichung zur zweiten und zur dritten Gleichungund das (−2)-fache der ersten Gleichung zur vierten. Wir erhalten

2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5

− 4x2 + 4x3 − 2x4 + 8x5 = 6

2x2 − 2x3 + 3x4 − x6 = 1

4x2 − 4x3 + 6x4 = 6

Wir addieren das 12 -fache der zweiten Gleichung zur dritten Gleichung und die zweite

Gleichung zur vierten. Wir erhalten

2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5

− 4x2 + 4x3 − 2x4 + 8x5 = 6

2x4 + 4x5 − x6 = 4

4x4 + 8x5 = 12

Schließlich addieren wir das (−2)-fache der dritten Gleichung zur vierten und erhalten

2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5

− 4x2 + 4x3 − 2x4 + 8x5 = 6

2x4 + 4x5 − x6 = 4

2x6 = 4

Damit haben wir das lineare Gleichungssystem in eine Stufenform gebracht, die wir losenkonnen. Wir haben sechs Variable und es sind vier Gleichungen geblieben. Daher werdenwir zwei Parameter einfuhren mussen.

Aus der vierten Gleichung folgt x6 = 2. Die dritte Gleichung ist 2x4 + 4x5 − x6 = 4,woraus x4 + 2x5 = 3 folgt. Wir konnen eine Variable beliebig wahlen. Wir setzen x5 = tund erhalten x4 = −2t+ 3. Die zweite Gleichung ist −4x2 + 4x3 − 2x4 + 8x5 = 6, woraus−4x2+4x3 = 2x4−8x5+6 = −12t+12 und dann x2−x3 = 3t−3 folgt. Eine Variable istbeliebig wahlbar. Wir setzen x3 = s und erhalten x2 = s+3t−3. Aus der ersten Gleichung2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5 folgt dann 2x1 = x2 − 3x3 + 2x4 + 3x5 − 2x6 + 5 =s + 3t − 3 − 3s − 4t + 6 + 3t − 4 + 5 = −2s + 2t + 4 und daraus x1 = −s + t + 2. DieLosungsmenge ist {(−s+t+2, s+3t−3, s, −2t+3, t, 2) : s, t ∈ R}. Sie ist zweiparametrig.

2. Eigenvektoren fur 3× 3-Matrizen

Eigenvektoren kann man naturlich auch fur eine d × d-Matrix A mit d ≥ 3 definieren.Ein Vektor v ∈ Rd \ {0} heißt Eigenvektor der Matrix A, wenn Av = λv fur eine Zahl λgilt. Die Zahl λ nennt man Eigenwert der Matrix A.

Zu losen ist das lineare Gleichungssystem Mx = 0 mit M = A− λId. Wir tun das nurfur d = 3. (Fur d > 3 haben wir die Determinante ja gar nicht definiert.) Wie wir unsfruher bereits uberlegt haben, ist Mx = 0 genau dann eindeutig losbar, wenn detM = 0gilt. In diesem Fall ist 0 die einzige Losung. Wenn detM = 0 gilt, dann existieren

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84 Lineare Gleichungssysteme

unendlich viele Losungen und somit eine Losung x = 0. Da 0 immer eine Losung ist, kanndie Losungsmenge ja nicht leer sein. Weiters ist detM = det(A − λId) ein Polynom inλ vom Grad 3. Es ist das charakterischte Polynom der Matrix A, dessen Nullstellen dieEigenwerte der Matrix A sind. Zu einem Eigenwert λ findet man dann Eigenvektoren alsLosungen des linearen Gleichungssystems (A− λId)x = 0. Wir rechnen dazu ein Beispiel.

Sei A =(

112

31−4

222

). Das charakteristische Polynom dieser Matrix ist

∣∣∣ 1−λ12

31−λ−4

22

2−λ

∣∣∣ =(1 − λ)2(2 − λ) − 8 + 12 + 8(1 − λ) − 4(1 − λ) − 3(2 − λ) = −λ3 + 4λ2 − 6λ + 4. DieEigenwerte sind die Losungen der Gleichung λ3 − 4λ2 + 6λ − 4 = 0. Eine Losung findenwir durch Probieren. Wir finden λ1 = 2. Dividiert man das Polynom λ3 − 4λ2 + 6λ − 4durch λ− 2, so bleibt λ2 − 2λ+2. Man erhalt die beiden weiteren Nullstellen λ2,3 = 1± i.Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden.

Um einen Eigenvektor zum Eigenwert λ1 = 2 zu finden, mussen wir das lineare Glei-

chungssystem Mx = 0 mit M = A − λ1I3 =(−1

12

3−1−4

220

)losen. Es hat eine Losung = 0.

Alle Vielfachen dieser Losung sind ebenfalls Losungen. Das lineare Gleichungssystem ist

− x1 + 3x2 + 2x3 = 0

x1 − x2 + 2x3 = 0

2x1 − 4x2 = 0

Wir fuhren das Gaußsche Eliminationsverfahren durch. Addiert man die erste Gleichungzur zweiten und das 2-fache der ersten Gleichung zur dritten, so erhalt man

− x1 + 3x2 + 2x3 = 0

2x2 + 4x3 = 0

2x2 + 4x3 = 0

Man kann die dritte Gleichung weglassen, da sie mit der zweiten ubereinstimmt. Diezweite Gleichung ist 2x2 + 4x3 = 0. Wir wahlen x3 = 1. Es genugt ja, eine Losungzu finden. Nun folgt x2 = −2. Die erste Gleichung ist −x1 + 3x2 + 2x3 = 0, woraus

x1 = 3x2 + 2x3 = −4 folgt. Wir erhalten(−4

−21

)als Eigenvektor.

Um einen Eigenvektor zum Eigenwert λ2 = 1 − i zu finden, mussen wir das lineare

Gleichungssystem Mx = 0 mit M = A − λ2I3 =(i12

3i

−4

22

1+i

)losen. Das ergibt das

folgende lineare Gleichungssystem, das auch komplexe Koeffizienten enthalt. Man kann esaber mit dem Eliminationsverfahren losen, genauso wie fur reelle Koeffizienten.

ix1 + 3x2 + 2x3 = 0

x1 + ix2 + 2x3 = 0

2x1 − 4x2 + (1 + i)x3 = 0

Addiert man das i-fache der ersten Gleichung zur zweiten und das 2i-fache der erstenGleichung zur dritten, so erhalt man

ix1 + 3x2 + 2x3 = 0

− 4ix2 + (2− 2i)x3 = 0

− (4 + 6i)x2 + (1− 5i)x3 = 0

Jetzt ist die zweite Gleichung mit 4+6i−4i = 4i−6

4 = − 32 + i zu multiplizieren und zur dritten

Gleichung zu addieren. Dabei wird der Koeffizient von x2 in der dritten Gleichung nullund der Koeffizient von x3 wird zu 1− 5i+(2− 2i)(− 3

2 + i) = 1− 5i− 3+ 3i+2i+2 = 0.

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Franz Hofbauer 85

Die dritte Gleichung wird zu 0x3 = 0. Die zweite Gleichung ist −4i x2 + (2 − 2i)x3 = 0.Wir setzen x3 = 1. Es genugt ja, eine Losung zu finden. Es folgt x2 = 2−2i

4i = − 12 − 1

2 i.

Die erste Gleichung ist i x1 + 3x2 + 2x3 = 0, woraus x1 = 3i x2 + 2i x3 = 32 + 1

2 i folgt.

Wir erhalten 12

(3+i−1−i

2

)als Eigenvektor. Daher ist

(3+i−1−i

2

)ebenfalls ein Eigenvektor.

3. Kegelschnitt durch funf Punkte

Wir legen zuerst eine Gerade durch zwei Punkte. Die Gleichung einer Gerade kann manschreiben als ax + by + c = 0. Wir versuchen, die beiden Punkte, durch die die Geradegehen soll, einzusetzen und a, b und c aus den sich ergebenden Gleichungen zu bestimmen.

Wir tun das an einem Beispiel. Wir suchen die Gerade durch die Punkte (2,−2) und(4, 3). Setzen wir diese Punkte in die Geradengleichung ax+ by + c = 0 ein, so haben wir

2a − 2b + c = 0

4a + 3b + c = 0

Die Variablen sind jetzt a, b und c. Wir fuhren das Gaußsche Eliminationsverfahren durch.Wir addieren das (−2)-fache der ersten Gleichung zur zweiten und erhalten

2a − 2b + c = 0

7b − c = 0

Wir konnten c wahlen. Das tun wir aber erst spater. Aus der zweiten Gleichung folgt b = c7 .

Aus der ersten Gleichung folgt a = b− c2 = − 5c

14 . Das ergibt die Gerade − 5c14x+

c7y+c = 0.

Wie wir c auch wahlen, es andert nichts an der Gerade. Wir wahlen c = −14, damit dieBruche verschwinden, und erhalten dadurch 5x − 2y − 14 = 0. Das ist die Gleichung derGerade durch die Punkte (2,−2) und (4, 3).

Die Geradengleichung ist eine lineare Gleichung in zwei Variablen. Eine quadratischeGleichung in zwei Variablen sieht so aus: ax2 + bxy + cy2 + dx+ ey + f = 0. Wir wissen,dass das Gleichungen von Kegelschnitten sind. Da wir einen der sechs Koeffizienten freiwahlen konnen, mussen wir funf Punkte kennen, durch die der Kegelschnitt hindurchgeht,um seine Gleichung zu bestimmen. Wir probieren das an einem Beispiel aus.

Wir suchen den Kegelschnitt durch die Punkte (1, 1), (−1,−3), (1,−4), (3, 2) und (4, 2).Wir setzen diese Punkte in die Gleichung ax2 + bxy + cy2 + dx+ ey + f = 0 ein

a + b + c + d + e + f = 0

a + 3b + 9c − d − 3e + f = 0

a − 4b +16c+ d − 4e + f = 0

9a + 6b + 4c + 3d + 2e + f = 0

16a + 8b + 4c + 4d + 2e + f = 0

Wir fuhren das Gaußsche Eliminationsverfahren durch. Wir addieren das (−1)-fache derersten Gleichung zur zweiten und zur dritten Gleichung, das (−9)-fache der ersten Glei-chung zur vierten und das (−16)-fache der ersten Gleichung zur funften. Wir erhalten

a + b + c + d + e + f = 0

2b + 8c − 2d − 4e = 0

− 5b +15c − 5e = 0

− 3b − 5c − 6d − 7e − 8f = 0

− 8b −12c−12d−14e−15f = 0

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86 Lineare Gleichungssysteme

Bevor wir weitertun, dividieren wir die zweite Gleichung durch 2 und die dritte durch 5

a + b + c + d + e + f = 0

b + 4c − d − 2e = 0

− b + 3c − e = 0

− 3b − 5c − 6d − 7e − 8f = 0

− 8b −12c−12d−14e−15f = 0

Wir addieren die zweite Gleichung zur dritten, das 3-fache der zweiten Gleichung zurvierten und das 8-fache der zweiten Gleichung zur funften. Wir erhalten

a + b + c + d + e + f = 0

b + 4c − d − 2e = 0

7c − d − 3e = 0

7c − 9d −13e− 8f = 0

20c −20d−30e−15f = 0

Wir addieren das (−1)-fache der dritten Gleichung zur vierten. Wir multiplizieren diefunfte Gleichung mit − 7

20 und addieren die dritte Gleichung dazu. Wir erhalten

a + b + c + d + e + f = 0

b + 4c − d − 2e = 0

7c − d − 3e = 0

− 8d −10e− 8f = 0

6d + 152 e+

214 f = 0

Schließlich addieren wir das 34 -fache der vierten Gleichung zur funften

a + b + c + d + e + f = 0

b + 4c − d − 2e = 0

7c − d − 3e = 0

− 8d −10e− 8f = 0

− 34 f = 0

Jetzt konnen wir die Gleichungen losen. Aus der funften Gleichung folgt f = 0. EineVariable konnen wir frei wahlen. Wir wahlen e = 1. Aus der vierten Gleichung erhaltenwir dann d = − 5

4 . Die dritte Gleichung ergibt c = 17d+

37e =

14 . Die zweite Gleichung ergibt

b = −4c+d+2e = − 14 . Schließlich folgt aus der ersten Gleichung a = −b−c−d−e−f = 1

4 .Die Gleichung des Kegelschnitts durch die funf Punkte (1, 1), (−1,−3), (1,−4), (3, 2) und(4, 2) ist somit 1

4x2 − 1

4xy +14y

2 − 54x+ y = 0 oder x2 − xy + y2 − 5x+ 4y = 0.

Hat man ein homogenes Gleichungssystem, bei dem die Anzahl der Variablen um einsgroßer ist als die Anzahl der Gleichungen, dann weiß man, dass die Losung zumindest ein-parametrig ist. Ist man nur an irgendeiner Losung interessiert, wie das in obigen Beispielender Fall ist, dann ist man versucht, eine der Variablen zu Beginn irgendwie ungleich null zuwahlen. Dadurch wird die Rechnung einfacher. Allerdings kann das zu Problemen fuhren.Hatten wir im letzten Beispiel zu Beginn f = 1 gewahlt, dann hatten wir keine Losunggefunden, da f ja gleich null ist. Welche Variablen man frei wahlen kann, sieht man erst,wenn man das Gleichungssystem in Stufenform gebracht hat.

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Franz Hofbauer 87

4. Inverse Matrix

Lineare Abbildungen kann man nicht nur auf dem R2 definieren, sondern auch in hoherenDimensionen. Die Definition ist dieselbe.

Definition: Seien d und c naturliche Zahlen ≥ 1. Eine Abbildung φ : Rd → Rc heißtlinear, wenn sie folgende zwei Eigenschaften erfullt(a) φ(x+ y) = φ(x) + φ(y) fur alle Vektoren x und y in Rd(b) φ(λx) = λφ(x) fur alle Vektoren x ∈ Rd und alle Zahlen λ ∈ R

Durch wiederholtes Anwenden von (a) und (b) zeigt man, dass die Gleichung

φ(∑ki=1 λiui) =

∑ki=1 λiφ(ui) fur k ≥ 1 und fur λ1, . . . , λk ∈ R und u1, . . . ,uk ∈ Rd

von jeder linearen Abbildung φ : Rd → Rc erfullt wird.Zu jeder linearen Abbildung φ : Rd → Rc kann man die zugehorige Matrix definieren.

Fur 1 ≤ j ≤ d sei ej der j-te Einheitsvektor in Rd. Das ist der Vektor, dessen j-teKomponente 1 ist, alle anderen Komponenten sind 0. Weiters sei aj das Bild von ej unterφ, das heißt φ(ej) = aj . Diese Bilder liegen in Rc. Fur alle Vektoren x ∈ Rd gilt dann

φ(x) = φ(∑dj=1 xjej) =

∑dj=1 xjφ(ej) =

∑dj=1 xjaj

Sei A die Matrix, deren Spalten die Vektoren a1, a2, . . . , ad sind. Da diese Vektoren inRc liegen, ist A eine c × d-Matrix. Sie hat c Zeilen und d Spalten. Wenn wir noch darandenken, wie die Matrixmultiplikation funktioniert, dann erhalten wir

φ(x) =∑dj=1 xjaj = Ax fur alle x ∈ Rd

Wir sehen, dass sich jede lineare Abbildung φ : Rd → Rc mit Hilfe der Matrix A, derenSpalten die Bilder der Einheitsvektoren sind, aufschreiben lasst. Da A eine c×d-Matrix ist,kann man Ax fur jeden Vektor x ∈ Rd bilden und das Ergebnis dieser Matrixmultiplikationist ein Vektor in Rc.

Will man die Matrix aufschreiben, dann muss man Doppelindices verwenden. Mit aijbezeichnen wir die i-te Komponente des Vektors aj . Dann gilt

aj =

a1ja2ja3j...acj

fur 1 ≤ j ≤ d und A =

a11 a12 a13 . . . a1da21 a22 a23 . . . a2da31 a32 a33 . . . a3d...

......

. . ....

ac1 ac2 ac3 . . . acd

Man sieht, dass aij die Eintragung der Matrix an der Stelle (i, j) ist. Sie steht in der i-tenZeile und in der j-ten Spalte. Jetzt konnen wir auch die Matrixmultiplikation hinschreiben

Ax =

a11 a12 . . . a1da21 a22 . . . a2d...

.... . .

...ac1 ac2 . . . acd

x1x2...xd

=

a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1dxda21x1 + a22x2 + · · ·+ a2dxd

...ac1x1 + ac2x2 + · · ·+ acdxd

=

d∑j=1

xjaj

Damit haben wir die bereits oben verwendete Gleichung uberpruft.

Jetzt fragen wir nach der Umkehrabbildung der linearen Abbildung φ : Rd → Rc.Sei A die zugehorige c × d-Matrix. Bekanntlich hat eine Abbildung genau dann eineUmkehrabbildung, wenn sie bijektiv ist. Und φ : Rd → Rc ist bijektiv, wenn fur jedenVektor v ∈ Rc genau ein Vektor x ∈ Rd existiert mit φ(x) = v, das heißt, wenn Ax = vfur alle v ∈ Rc eindeutig losbar ist.

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88 Lineare Gleichungssysteme

Nun ist Ax = v ein lineares Gleichungssystem mit c Gleichungen und d Variablen. Giltc < d, dann hat man weniger Gleichungen als Variable. Das Eliminationsverfahren fuhrtentweder zu einem Widerspruch oder zu einer Losung mit Parametern. Das Gleichungssys-tem Ax = v hat also keine oder unendlich viele Losungen. Gilt c > d, dann hat man mehrGleichungen als Variable. Bei der Durchfuhrung des Eliminationsverfahren ergeben sichGleichungen, bei denen links vom Gleichheitszeichen Null steht. Man kann die rechte Seitev des Gleichungssystems so wahlen, dass keine Losung existiert. Es gibt somit Vektorenv ∈ Rc, fur die Ax = v nicht losbar ist. Damit ist gezeigt, dass φ : Rd → Rc nicht bijektivsein kann, wenn c = d gilt. Wir nehmen daher an, dass c = d gilt.

Sei also φ : Rd → Rd eine lineare Abbildung und A die zugehorige d × d-Matrix. Wirnehmen an, dass φ bijektiv ist, das heißt das lineare Gleichungssystem Ax = v ist fur allev ∈ Rd eindeutig losbar. (Wir haben bereits an Beipielen gesehen, dass das nicht immerder Fall sein muss.) Sei ψ : Rd → Rd die Umkehrabbildung zu φ. Es gilt ψ(φ(u)) = u undφ(ψ(u)) = u fur alle u ∈ Rd. Fur 1 ≤ j ≤ d sei bj die eindeutige Losung von Ax = ej .Dann gilt Abj = ej und somit φ(bj) = ej . Fur alle Vektoren x ∈ Rd erhalten wir

x =∑dj=1 xjej =

∑dj=1 xjφ(bj) = φ(

∑dj=1 xjbj)

Da ψ(φ(u)) = u fur alle u ∈ Rd gilt, folgt dann

ψ(x) = ψ(φ(

∑dj=1 xjbj)

)=

∑dj=1 xjbj fur alle x ∈ Rd

Sei B die Matrix, deren Spalten die Vektoren b1, b2, . . . , bd sind. Da diese Vektoren inRd liegen, ist B eine d× d-Matrix. Wie oben erhalten wir

ψ(x) =∑dj=1 xjbj = Bx fur alle x ∈ Rd

Wir sehen, dass die Umkehrabbildung ψ : Rd → Rd ebenfalls eine lineare Abbildungist. Ihre Matrix ist die d × d-Matrix B, deren Spalten die eindeutigen Losungen derGleichungssysteme Ax = ej fur 1 ≤ j ≤ d sind.

Es gilt ψ(φ(u)) = u und φ(ψ(u)) = u fur alle u ∈ Rd. Da φ(x) = Ax und ψ(x) = Bxfur alle x ∈ Rd gilt, ergibt sich BAu = u und ABu = u fur alle u ∈ Rd. Setzt man u = ejein, so erhalt man, dass die j-te Spalte der Matrix BA gleich ej sein muss. Das gilt auchfur die Matrix AB. Daher muss sowohl BA = Id als auch AB = Id gelten, wobei Id died× d-Einheitsmatrix ist, deren Spalten ja die Einheitsvektoren sind. Man nennt daher Bauch die inverse Matrix zur Matrix A und bezeichnet sie mit A−1. Um A−1 zu berechnen,mussen wir die linearen Gleichungssysteme Ax = ej fur 1 ≤ j ≤ d losen.

Wir tun das fur die untenstehende Matrix A. Um nicht immer die Variablen schreibenzu mussen, schreiben wir nur die Matrix auf und rechts vom senkrechten Strich die rechteSeite des Gleichungssystems, das ist zuerst einmal der Vektor e1. Wir erweitern die Matrix.Diese erweiterte Matrix stellt jetzt das lineare Gleichungssystem dar.

A =

2 1 −44 3 −62 0 −4

2 1 −4∣∣ 1

4 3 −6∣∣ 0

2 0 −4∣∣ 0

Auch die Umformungen der Gleichungen, jetzt sind es einfach Operationen mit den Zeilen,schreiben wir nur mehr symbolisch auf. Wir bezeichnen die Zeilen mit romischen ZahlenI, II, III und so weiter. Wir fuhren die Zeilenoperationen II− 2I → II und III− I → IIIdurch. Das (−2)-fache der ersten Zeile wird zur zweiten addiert, das Ergebnis kommt indie zweite Zeile. Das (−1)-fache der ersten Zeile wird zur dritten addiert, das Ergebnis

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Franz Hofbauer 89

kommt in die dritte Zeile. Wir erhalten die erweiterte Matrix, die links steht.

2 1 −4∣∣ 1

0 1 2∣∣ −2

0 −1 0∣∣ −1

2 1 −4∣∣ 1

0 1 2∣∣ −2

0 0 2∣∣ −3

Anschließend fuhren wir die Zeilenoperation III + II → III durch und erhalten die erwei-terte Matrix, die rechts steht.

Wir konnten das Gleichungssystem jetzt schrittweise auflosen. Statt dessen fahren wirmit Zeilenoperationen fort und versuchen, links vom senkrechten Strich die Einheitsmatrixzu erhalten. Durch 1

2 I → I und 12 III → III ergibt sich die erweiterte Matrix, die links

unten steht. Wir haben erreicht, dass Einser in der Diagonale stehen.

1 12 −2

∣∣ 12

0 1 2∣∣ −2

0 0 1∣∣ − 3

2

1 12 0

∣∣ − 52

0 1 0∣∣ 1

0 0 1∣∣ − 3

2

1 0 0∣∣ −3

0 1 0∣∣ 1

0 0 1∣∣ − 3

2

Durch I+2III → I und II− 2III → II erhalten wir die erweiterte Matrix, die in der Mittesteht, und durch I− 1

2 II → I die erweiterte Matrix, die rechts steht.

Schreibt man diese erweiterte Matrix wieder als Gleichungssystem, dann erhalt manx1 = −3, x2 = 1 und x3 = − 3

2 . Der rechts vom senkrechten Strich stehende Vektor istdie Losung des Gleichungssystems. Die erste Spalte der inversen Matrix ist gefunden.

Dieses lineare Gleichungssystem ist noch mit den Vektoren e2 und e3 auf der rechtenSeite zu losen. Wir tun das auf einmal, indem wir alle drei Vektoren rechts hinschreiben.

2 1 −4∣∣ 1 0 0

4 3 −6∣∣ 0 1 0

2 0 −4∣∣ 0 0 1

Durch II− 2I → II und III− I → III erhalten wir die erweiterte Matrix, die links steht.

2 1 −4∣∣ 1 0 0

0 1 2∣∣ −2 1 0

0 −1 0∣∣ −1 0 1

2 1 −4∣∣ 1 0 0

0 1 2∣∣ −2 1 0

0 0 2∣∣ −3 1 1

Anschließend fuhren wir die Zeilenoperation III + II → III durch und erhalten die erwei-terte Matrix, die rechts steht.

Durch 12 I → I und 1

2 III → III ergibt sich die links unten stehende erweiterte Matrix mitEinsern in der Diagonale und dann durch I+2III → I und II−2III → II die in der Mitte.

1 12 −2

∣∣ 12 0 0

0 1 2∣∣ −2 1 0

0 0 1∣∣ − 3

212

12

1 12 0

∣∣ − 52 1 1

0 1 0∣∣ 1 0 −1

0 0 1∣∣ − 3

212

12

1 0 0∣∣ −3 1 3

2

0 1 0∣∣ 1 0 −1

0 0 1∣∣ − 3

212

12

Schließlich ergibt sich durch I − 12 II → I die rechts stehende erweiterte Matrix mit der

Einheitsmatrix links vom senkrechten Strich. Rechts vom senkrechten Strich stehen jetztdie Losungen der Gleichungssysteme Ax = e1, Ax = e2 und Ax = e3. Diese Losungensind die Spalten der inversen Matrix. Das bedeutet, dass rechts vom senkrechten Strichbereits die inverse Matrix A−1 steht.

Wir machen die Probe und uberprufen, ob wir richtig gerechnet haben. Es gilt

AA−1 =

2 1 −44 3 −62 0 −4

−3 1 32

1 0 −1− 3

212

12

=

1 0 00 1 00 0 1

= I3

wie es sein muss. Genauso kann man A−1A = I3 nachprufen.

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90 Lineare Gleichungssysteme

Zur Ubung berechnen wir noch die Inverse der links unten stehenden 4 × 4-Matrix A.Rechts sieht man die Matrix A mit angefugter Einheitsmatrix I4.

A =

0 2 1 0−2 6 −4 −20 −4 −2 12 −3 5 1

0 2 1 0

∣∣ 1 0 0 0−2 6 −4 −2

∣∣ 0 1 0 00 −4 −2 1

∣∣ 0 0 1 02 −3 5 1

∣∣ 0 0 0 1

Durch Zeilenoperationen soll aus der links vom senkrechten Strich stehenden Matrix dieEinheitsmatrix gemacht werden. Wir versuchen das in einem Durchgang zu erreichen. Imersten Schritt soll aus der ersten Spalte der Einheitsvektor e1 werden. Dort steht eine Nullin der ersten Zeile. Daher addieren wir Vielfache der zweiten Zeile. Die ZeilenoperationenI → II, − 1

2 II → I und IV + II → IV machen aus der ersten Spalte den Einheitsvektor e1und ergeben die links unten stehende erweiterte Matrix. Wir kommen zur zweiten Spalte.Dort steht 2 in der zweiten Zeile, daher addieren wir Vielfache der zweiten Zeile. DieZeilenoperationen I + 3

2 II → I, 12 II → II, III + 2II → III und IV − 3

2 II → IV machenaus der zweiten Spalte den Einheitsvektor e2 und ergeben die rechtsstehende erweiterteMatrix. Die erste Spalte wird dabei nicht mehr verandert.

1 −3 2 1∣∣ 0 − 1

2 0 00 2 1 0

∣∣ 1 0 0 00 −4 −2 1

∣∣ 0 0 1 00 3 1 −1

∣∣ 0 1 0 1

1 0 72 1

∣∣ 32 − 1

2 0 00 1 1

2 0∣∣ 1

2 0 0 00 0 0 1

∣∣ 2 0 1 00 0 − 1

2 −1∣∣ − 3

2 1 0 1

Jetzt zur dritten Spalte. Dort steht 0 in der dritten Zeile. Daher addieren wir Vielfache dervierten Zeile. Die Zeilenoperationen I+7IV → I, II+ IV → II, −2IV → III und III → IVmachen aus der dritten Spalte den Einheitsvektor e3 und ergeben die links unten stehendeerweiterte Matrix. Die ersten beiden Spalten haben sich dabei nicht verandert. Es bleibtschließlich noch die vierte Spalte. Die Zeilenoperationen I + 6IV → I, II + IV → IIund III − 2IV → III machen die vierte Spalte zum Einheitsvektor e4 und ergeben dierechtsstehende erweiterte Matrix. Die ersten drei Spalten haben sich dabei nicht verandert.

1 0 0 −6∣∣ −9 13

2 0 70 1 0 −1

∣∣ −1 1 0 10 0 1 2

∣∣ 3 −2 0 −20 0 0 1

∣∣ 2 0 1 0

1 0 0 0∣∣ 3 13

2 6 70 1 0 0

∣∣ 1 1 1 10 0 1 0

∣∣ −1 −2 −2 −20 0 0 1

∣∣ 2 0 1 0

Rechts vom senkrechten Strich ist die Inverse A−1 der Matrix A entstanden. Wir machendie Probe und uberprufen, ob wir richtig gerechnet haben. Es gilt

AA−1 =

0 2 1 0−2 6 −4 −20 −4 −2 12 −3 5 1

3 132 6 7

1 1 1 1−1 −2 −2 −22 0 1 0

=

1 0 0 00 1 0 00 0 1 00 0 0 1

= I4

wie es sein muss. Genauso kann man A−1A = I4 nachprufen.

Wenn dieses Verfahren nicht funktioniert, das heißt wenn sich die Matrix, die links vomsenkrechten Strich steht, nicht in die Einheitsmatrix verwandeln lasst, dann existiert dieinverse Matrix nicht.

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Inhaltsverzeichnis

I. Elementargeometrie 1

1. Einleitung 12. Der Strahlensatz 43. Der Satz von Pythagoras 104. Das Dreieck 145. Die besonderen Punkte mit Ceva und Carnot 186. Eulergerade, Neunpunktkreis und zentrische Streckungen 197. Der Peripheriewinkelsatz 218. Umkreis, Inkreis, Ankreise und Flache 27

II. Trigonometrie 29

1. Trigonometrische Funktionen 292. Die besonderen Punkte des Dreiecks 323. Die Satze von Napoleon und Morley 334. Komplexe Zahlen 355. Polarkoordinaten 366. Beweisen mit Hilfe komplexer Zahlen 38

III. Koordinaten und Vektoren 43

1. Inneres Produkt und Vektorprodukt 432. Determinante und Geraden 453. Die besonderen Punkte des Dreiecks 494. Die Steinerschen Geraden 515. Der Satz von Feuerbach 53

IV. Isometrien und Kegelschnitte 54

1. Lineare Abbildungen 542. Eigenwerte und Eigenvektoren 563. Symmetrische Matrizen 574. Isometrien der Ebene 585. Kegelschnitte 616. Tangentenkonstruktion 647. Tangentengleichung 668. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt 689. Hauptachsentransformation 7010. Leitlinie und Polarkoordinaten 7311. Flachen zweiter Ordnung 75

V. Lineare Gleichungssysteme 79

1. Das Gaußsche Eliminationsverfahren 792. Eigenvektoren fur 3× 3-Matrizen 833. Kegelschnitt durch funf Punkte 854. Inverse Matrix 87