frühmobilisation auf der intensivstation - lin-arge.de · - vorbereitung des patienten 11-12 - das...
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Frühmobilisation auf
der Intensivstation
- Eine Vernetzung
der Pflegekonzepte -
Eine Arbeit von
Michaela Allard
I&A 2011/13
betreuende Dozenten: H. Wolpert (LiN, Basale Stimulation) und M. Frohs (Kinästhetik)
1
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis 1-2
Vorwort 3
Teil 1: Einführung in das Thema Frühmobilisation 4-9
1.1. Was bedeutet der Aufenthalt auf der Intensivstation für den Patienten 4
1.2. Was versteht man unter Frühmobilisation? 4
- Stufenpläne 5-6
- Mobilisationsschema 6
1.3.die übergeordneten Pflegeziele der einzelnen Phasen 7
1.4. Beginn der Frühmobilisierung 7-8
1.5. Kontraindikationen 9
1.6. Toleranzkriterien der Vitalparameter während der Mobilisation 9
Teil 2 Patientenbeispiele A-C 10-21
2. Patientenbeispiel A.: Stufe 2: Sitzposition im Bett 10-14
- Krankengeschichte 10
- vorherige Mobilisationen 11
- Ziele für den Patienten 11
- Vorbereitung des Patienten 11-12
- das Sitzen im stabilen Sitz nach LiN® 12-13
- Beobachtung während und nach der Mobilisation 13
- Beobachtung über mehrere Tage 13
- Andere Möglichkeiten des Sitzbettes 14
2.Patientenbeispiel B. Stufe 3: freies Sitzen am Bettrand 14-17
- Krankengeschichte 14-15
- vorherige Mobilisationen 15
- Patientenziele für die weitere Mobilisation 15
- Vorbereitung der Mobilisation: 15-17
-- Materialien, Hilfsmittel 15
-- Vorbereitung des Patienten nach Kriterien der Basalen Stimulation 15-16
2
- Mobilisation unter Anwendung von Kinästhetik 16-17
- Beobachtung während und nach der Mobilisation 17
2. Patientenbeispiel C. Stufe 3 assistierter Transfer in den Mobilisationsstuhl 18-22
- Krankengeschichte 18
- bisherige Mobilisationen 19
- Patientenziele für die weitere Mobilisation 19
- Die Mobilisation 19-21
-- Vorbereitung 19
-- Durchführung des assistierten Transfers in den Stuhl 20-21
- Beobachtung während und nach der Mobilisation 21
- Beobachtung über mehrere Tage 21
Teil 3 Evaluation/ Fazit 22-24
3.1. Grenzen auf unserer Intensivstation 22
3.2. Evaluation zur Frühmobilisation 22
3.3. Evaluation zu den Konzepten 23
4. Mein Fazit 24
Literatur- / Quellennachweis 25-26
Eidesstattliche Erklärung 27
3
Vorwort
Im Rahmen meiner Weiterbildung zur Fachkraft für Intensiv- und Anästhesiepflege erhielt ich den
Auftrag eine Facharbeit zu erarbeiten. Somit entschied ich mich für das Thema „Frühmobilisation
auf der Intensivstation - eine Vernetzung der Pflegekonzepte“
Hierbei werde ich mich mit den folgenden drei angewandten Konzepten der interdisziplinären
Intensivstation, des Klinikum Ludwigsburg beschäftigen:
- Basale Stimulation
- Kinästhetik
- LiN1)® (ursprünglich aus dem Bobath Konzept heraus entwickelt)
Mein Ziel ist es das Thema Frühmobilisation und deren Nutzen in den Alltag einer Pflegekraft
einzugliedern und Kollegen näher zu bringen, in dem ich aufzeige, welche Methoden und
Hilfestellungen der einzelnen Konzepte geeignet sein können, um den Patienten vorzubereiten und
schließlich zu mobilisieren.
Des Weiteren zeige ich auf, wo sich die einzelnen Konzepte bei pflegerischen Handlungen
überschneiden, was die einzelnen Komponenten bewirken und wie diese den Patienten positiv
beeinflussen können.
In dieser Arbeit konzentriere ich mich auf die praktische Durchführung anhand von Patienten
Beispielen, um einen Leitfaden für den Alltag zur Hand zu geben sowie neue Denkanstöße und
Ideen zu ermöglichen.
Da „Kinästhetik“ und „Basale Stimulation“ in unserem Haus, besonders auf der Intensivstation,
sehr verbreitet sind und regelmäßige Fortbildungen dazu stattfinden, setze ich die Grundlagen der
Konzepte als bekannt voraus und gehe nur im direkten Bezug innerhalb der Beispielsituationen in
deren Materien ein. Das LiN®1)- Konzept wird innerhalb der Fortbildungen der „Basalen
Stimulation“ mit aufgenommen und vermittelt.
1) LiN® = Lagerung in Neutralstellung
4
1. Einführung in das Thema Frühmobilisation
1.1. Was bedeutet ein Aufenthalt auf der Intensivstation für den Patienten
Intensivpflichtige Patienten haben oftmals eine Kombination aus verschiedenen Problemen:
- sie sind meistens beatmet
- durch die Sedierung oder die jeweilige Diagnose zur Bettruhe gezwungen
- vigilanzgemindert
- Kreislaufdepressiv oder -instabil
Durch diese Kombination verlieren Patienten in erster Linie ihre Selbstständigkeit, Muskelkraft
und büßen einen Großteil ihrer Beweglichkeit ein.
Daraus resultieren Sekundärkomplikationen wie: Pneumonie, Thrombose, Dekubitus,
Kontrakturen, Delir, critical illness Polyneuropathie (CIP), Verlust der Selbstwahrnehmung,
Verdauungsproblematik (Ulkus, Ileus), Blutdruckregulationsschwierigkeiten und viele weiteren.
Die Frühmobilisation kann diese Komplikationen verhindern und dies bedeutet Vorteile für den
Patienten und die Klinik.
Der Patient wird früher mobil und erhält so seine Selbstständigkeit wieder. Dadurch erhöht sich
dessen Compliance, es dient der Prophylaxe vor Sekundärkomplikationen, die Liege- und
Aufenthaltsdauer verkürzt sich und somit kann der Patient früher wieder in seine gewohnte
Umgebung zurückkehren.
Die Kliniken können vor allem durch die geringeren Sekundärkomplikationen und die daraus
resultierende kürzere Aufenthaltsdauer die Kosten senken.2)
1.2. Was versteht man unter Frühmobilisation
Unter dem Begriff der Frühmobilisation wird das frühzeitige Aktivieren des Intensivpatienten
verstanden. Dies kann sich vom passiven Durchbewegen bis hin zum selbstständigen Laufen des
Patienten erstrecken. Hierbei ist weder ein endotrachealer Tubus noch eine Trachealkanüle als
Kontraindikation zu sehen.
Um den Patienten besser einschätzen zu können und seine weiteren Schritte einheitlich und
2) Informationen aus dem Artikel Physiotherapie auf Intensivstationen, Therapiekonzept zur Frühmobilisierung, Müller, Silke
5
Berufsgruppenübergreifend planen zu können,
gibt es einen Stufenplan3), welcher von P. Nydahl.
entwickelt wurde (siehe rechts). Dieser soll als
Hilfestellung dienen und zeigt die einzelnen Schritte
einer Frühmobilisation, wobei das Modell nicht
konkret eingehalten werden muss sondern als
Orientierung dient und jedem Patienten individuell
angepasst werden kann, sodass auch ein
Überspringen einzelner Stufen möglich ist.
Abb. 1 Stufenplan der Frühmobilisation3)
Der oben aufgezeigte Stufenplan kann durch zwei weitere Darstellungen von H. Wolpert 4)(siehe
Abb. 2 und 3) ergänzt bzw. vervollständigt werden. In Abb.2 wird dargestellt welche Teilschritte
der Patient absolvieren kann, um von der zweiten Stufe „Sitzposition im Bett“ des „Stufenplan der
Frühmobilisation“ in die nächst Höhere, dem freien Sitzen an der Bettkante, aufzusteigen.
Abb. 2 Stufenschema zur Frühmobilisation im Bett4)
In Abb. 3 werden die einzelnen Schritte aufgezeigt, welche nötig sein können, um vom Sitz an der
Bettkante zum freien Gehen, zu gelangen.
3) Stufenplan aus dem Algorithmus für Frühmobilisation von P. Nydhal
4) Darstellungen von Harry Wolpert, Praxisanleiter auf der Intensivstation am Klinikum Ludwigsburg
individuelle Ressourcen und
Patientensituation berücksichtigen
Aufrichtung in der Schwerkraft
Stufe 4 Sitz an der Bettkante mit
wenig Unterstützung
Stufe 2 stabiler Sitz im Bett
Stufe 3 bewegen an die Bettkante und Sitz an der Bettkante mit viel Unterstützung
Stufe 1 passives/aktives Bewegen im Bett
Stufe 5 freier Sitz an der
Bettkante
1. Passives Bewegen (Pat. ist Bewusstlos) 2. Sitzposition im Bett (Pat. bei Bewusstsein, kann Fragen beantworten) 3. Freies im Bett sitzen (Bettkante) (Pat. kann Arme gegen Schwerkraft heben) 4. Stehen (Pat. kann Beine gegen Schwerkraft heben) 5. Auf der Stelle treten 6. Aktiver Transfer in Stuhl 7. Gehen
– Passive Transfers in Stuhl sind ab 3. möglich
6
Abb. 3 Stufenschema zur Frühmobilisation vom Sitz an der Bettkante über den Transfer zum Gehen4)
Nicht nur die einzelnen Stufen der Frühmobilisation sind wichtig ebenfalls ist von Bedeutung, dass
festgelegt ist, in welcher Phase der Patient sich befindet und in welcher Weise er Unterstützung
benötigt. Hierzu gibt eine Vielzahl von Einstufungstabellen, wobei die nachstehende Tabelle 1
meiner Ansicht nach die Spezifischste und daher am besten geeignet für eine erste Einschätzung
der Ressourcen des Patienten ist. Dieser Auszug ist aus dem Mobilisationskonzept der
Intensivstation der Universitätsklinik für Innere Medizin Innsbruck.
Tabelle 1: Innsbrucker ICU/CCU Mobilisationskonzept3)
Status Patient Maßnahmen Intensivpflege
Phase 1 Mob. 1 (im Bett)
Kleine Bewegung gegen
Schwerkraft
Passiv
- physiologische Bewegung der Gelenke bei Pflegehandlungen
- passive Rücken-/ Seitenlagerung
- Kopfwärts bewegen (schaukeln)
- Wahrnehmungstraining (Basale Stimulation)
Phase 2 Mob. 2 (bis Sitz an Bettrand)
Bewegung gegen Schwerkraft
möglich
Assistiert
Aktive Bewegungen des Patienten fördern und unterstützen
- Rücken- und Seitenlagerung, Mobilisation bis Sitz an Bettrand
- Wahrnehmungstraining (Basale Stimulation)
Phase 3 Mob. 3 (bis Gehen)
Bewegung gegen Widerstand
möglich
Aktiv
- geringe Unterstützung von Bewegung (anleiten)
- vorwiegend Unterstützung beim Mobilisieren zum Querbett, Stehen
und Gehen.
individuelle Ressourcen und
Patientensituation berücksichtigen
Aufrichtung in der Schwerkraft
Stufe 4 aktiver Transfer vom Stehen
zum unterstützten Gehen
Stufe 2 aktiver tiefer Transfer,
Körperabschnitte sind aufgerichtet
Stufe 3 aktives Aufrichten zum Stand,
Gleichgewicht verlagern
Stufe 1 passiver tiefer Transfer,
Körperabschnitte sind gebeugt
Stufe 5 freies Gehen
7
Anhand dieses Konzeptes lässt sich die richtige Stufe für die Patienten finden, um so die
optimalste Unterstützung zum aktuellen Zeitpunkt zu gewährleisten.
Zur Originaltabelle gehört noch ein Teil für die Aufgaben der Physio- und Atemtherapeuten,
diesen habe ich gezielt weggelassen, da ich mich auf den pflegerischen Teil konzentriere. Die
interdisziplinäre Absprache und Zusammenarbeit ist notwendig für die Fortschritte und
Rehabilitation des Patienten.
Innerhalb dieser Phasen sollte noch gezielter auf individuelle Stärken, Ressourcen und Defizite des
Patienten geachtet werden, dadurch wird die Vorgehensweise für jeden Einzelnen optimal und
individuell gestaltet.
1.3. Die übergeordneten Pflegeziele der einzelnen Phasen sind5):
Phase1:
- Pneunomie-, Dekubitus-, Thrombose- und Kontrakturenprophylaxe
- Vermeidung von Gelenkschäden
- Erhöhung der Bewegungskompetenz
- Förderung der Wahrnehmung
Phase 2 zusätzlich zu den Zielen der Phase 1
- Förderung der Orientierung
- Kraftaufbau
Phase 3:
- neben den bisher genannten Zielen kommt in der letzen Phase noch die Förderung der
Selbstständigkeit hinzu
1.4. Beginn der Frühmobilisierung 6)
Vor jeder Frühmobilisation stehen die Sedierungsreduktion und der Spontanisierungsversuch am
Beatmungsgerät im Vordergrund.
In 80% der Fälle haben Patienten, die über einen längeren Zeitraum sediert waren ein Delir. Dieses
kann durch die frühzeitige Reduktion sedierender Medikamente verkürzt oder vermieden werden.
Zur Unterstützung in der Aufwachphase, kann z.B. Propofol durch Alternativpräparate wie
5) aus dem Innsbrucker ICC/ICU Mobilisationskonzept
6) Informationen aus dem Algorithmus zur Mobilisierung beatmeter Patienten - ein Arbeitsvorschlag
8
beispielsweise Clonidin, Dexdor oder ähnliches ergänzt oder ersetzt werden. Sie haben eine
weniger sedierende Eigenschaft, sorgen für geringeren Stress und senken das Risiko eines Delirs.
Der Grund dieses Vorgehens ist, dass wachere Patienten einfacher zu mobilisieren und zu
aktivieren sind, weil die Medikamente den möglich vorhandenen hypotonen Muskeltonus
verstärken können. Des Weiteren ergeben sich dadurch mehr spezifische Ressourcen. Durch
mögliche eigene Mikrobewegung erhält dieser sich das eigene Körperschema aufrecht, wodurch
wiederum das Rehabilitatationspotenzial erhöht wird.
Zusätzlich wird ein täglicher Spontanisierungs-
versuch am Beatmungsgerät empfohlen, um
mögliche Komplikationen und eine dadurch
verlängerte Beatmung, Bettruhe und Sedierung, mit
möglichen weiteren Komplikationen zu vermeiden.
Diese Aspekte sind im „A-B-C-D-E“- Konzept7) (von
Ely 2010) niedergeschrieben und werden als Grundlage
der Frühmobilisierung gesehen5). (siehe Abb. 4)
Ziel des Konzeptes ist die Mitarbeit und die
Compliance des zu Mobilisierenden zu fördern Abb. 4: abcde Konzept n. W. Ely 2010 7)
und dadurch die Erfolgschancen auf ein besseres Outcome zu erhöhen.
Im Zusammenhang mit dem Weaning der mandatorischen Beatmung wird empfohlen6), zuerst die
Muskelkraft des Patienten für die Mobilisation zu nutzen. Hierbei werden weitere Muskeln
aufgebaut und eine Normalisierung des Tonus erreicht. Beides kann im späteren Weaning von
großem Nutzen sein und somit ein erfolgreiches Entwöhnen bedeuten.
Nicht zu vernachlässigen ist die Schmerzfreiheit während der Mobilisation (vor allem ab Stufe 3
das freie Sitzen an der Bettkante), deshalb sollten Patienten vorher ausreichend mit Analgetika
versorgt werden.
7)
A-B-C-D-E- Konzept von W. Ely, über Internetseite Frühmobilisierung.de
9
1.5. Kontraindikationen6)
Grundsätzlich gilt, dass jede Mobilisation nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen darf. Weitere
Kriterien die eine Frühmobilisierung ausschließen oder gänzlich verbieten sind:
- Hirndruckpatienten mit akuter Hirnblutung oder Apoplex
- Patienten in der Kühlungsphase nach Reanimation
- instabile Frakturen, z.B. der Wirbelsäule oder Becken
- offener Thorax oder Abdomen
- instabiler Kreislauf mit hochdosierter Katecholamintherapie
- sehr invasive Atemunterstützung PEEP über 10 mbar, FiO2 über 0,6
- bei Körpertemperaturen über 39°C oder unter 36°C
- akute cerebrale Krampfanfälle
- bedingt großlumige Zugänge, vor allem in der Femoralarterie/ -vene
z.B. IABP, Shaldon oder ECMO
- innerhalb der kardiologischen Chirurgie immer erst nach der Extubation
Ausnahmen sind möglich, z.B. bei sehr invasiv beatmeten COPD- Patienten. Diese könnten unter
Umständen von einer Mobilisation profitieren und dadurch schneller in Richtung der Extubation
fortschreiten.
1.6. Toleranzkriterien6)`der Vitalparameter während einer Mobilisation
Die empfohlenen Werte sind:
Herzfrequenz : unter 150 Schläge/ Min
Blutdruck: über 90mmHg und unter 200mmHg systolisch
O2- Sättigung über 90% → während der Mobilisation kann der PEEP um 2mbar bzw. FiO2 um
0,2 erhöht werden.
Diese Werte sind Richtwerte und mit dem behandelnden Arzt für jeden Patienten individuell
abzuklären.
In manchen Fällen befindet sich der Blutdruck bei der ersten Mobilisation im Bereich der unteren
Toleranzgrenze. Durch weitere Mobilisationen kann dieser sich wieder in den Normalbereich
bewegen. Der Grund dafür liegt im Stärken der Gefäßmuskulatur und die darauf folgende
Erhöhung der Vorlast.
6) Informationen aus dem Algorithmus zur Mobilisierung beatmeter Patienten - ein Arbeitsvorschlag,
10
2. Fallbeispiele
An dieser Stelle folgen drei Patientenbeispiele in denen die Praxis der Frühmobilisation von mir
erprobt und evaluiert wird. Die erste Stufe, das passive Bewegen im Bett wird routinemäßig
täglich in der Praxis angewandt und deshalb beginne ich mit der Sitzposition im Bett.
2. Beispiel A.: Stufe 2: Sitzposition im Bett
Der ausgesuchte Patient befindet sich in Phase 1 nach dem Innsbrucker ICU/CCU
Mobilisationskonzept.
Krankengeschichte
Hr. H. ist 75 Jahre alt hatte eine Stammganglienblutung mit Hemiparese der rechten Körperhälfte
und eingeschränkter Vigilanz bei GCS8) 5 weshalb er schon vor dem Klinikaufenthalt intubiert
wurde.
Auf der Intensivstation erhielt er initial zwei EVDs, um das Blut abzuleiten und eine lokale
Lysetherapie durchzuführen.
Zu Beginn war er mit Propofol und Sufenta R2-3 9) zur Toleranz des endotrachealen Tubus sediert.
Die darauf folgenden Aufwachversuche wurden durch fokale epileptische Krampfanfälle und
massiven Blutdruckspitzen bis über 200mmHg systolisch abgebrochen. Er bewegte in den
Aufwachversuchen den linken Arm und das linke Bein und öffnete die Augen. In der
medikamentösen Einstellungsphase entwickelte sich eine Ventrikulitis mit Fieberspitzen bis
39,5°C.
Nach der Infektbehandlung, ca. 10 Tage nach Aufnahme, wurde der Patient tracheotomiert, da die
Aufwachversuche an der nicht vorhandenen Wachheit scheiterten. Zu diesem Zeitpunkt war Hr. H.
bereits am Beatmungsgerät spontanisiert und druckunterstützt mit einem PEEP von 5mbar, FiO2
0,4 und einer Unterstützung von 8mbar beatmet.
Nach der Tracheotomie wurde die Sedierung ganz ausgeschaltet, es wurde mit dem Weaning
begonnen. Der Blutdruck und die Krampfanfälle waren medikamentös eingestellt, der Patient blieb
weiterhin komatös.
Der gesamte Muskeltonus ist hypoton, ausgenommen der rechten plegischen Körperhälfte hier
zeigte sich ein hypertoner Muskeltonus.
11
vorherige Mobilisationen
Über die Dauer des bisherigen Aufenthaltes wurde der Patient passiv im Bett bewegt und es
wurden regelmäßige Lagerungswechsel durchgeführt.
Ziele für den Patienten
- normaler Muskeltonus, dadurch kann die Haltemuskulatur besser arbeiten und die Atemzüge sich
vertiefen, da die Atemhilfsmuskulatur wieder ihrer Aufgabe nachkommen kann
- Orientierung im eigenen Körper erfahren
- Vigilanzverbesserung
- eigene Bewegung ermöglichen
- Nachvollziehbarkeit für den Patienten
Vorbereitung des Patienten
Basale Stimulation8)
An erster Stelle steht die Kontaktaufnahme, welche über den Initialkontakt der rechten Schulter
zustande kommt.
Vor der Mobilisation wird die Körperpflege dazu genutzt dem Pat. mit Hilfe einer basalen
Waschung Orientierung innerhalb seines Körpers zu geben, um so seine Eigenwahrnehmung zu
fördern und ihm sein Körpergefühl wieder zu ermöglichen. Diese wurde so weit möglich führend
und von der nicht plegischen Körperhälfte zur betroffenen Seite durchgeführt. Hiermit wird das
Gefühl von der nicht betroffenen Seite zur Betroffenen gebracht.
Anschließend wurde durch das Bewegen der einzelnen Abschnitte seiner Beine der Patient
aktiviert.
Dies bedeutet, dass von den Zehen bis zu der Hüfte die einzelnen Gelenke durchbewegt und
angestellt werden. Zum Ende dieses Abschnittes wird Gewicht. über die Fußsohlen auf die
Matratze abgegeben. Hierbei wird die Muskelpumpe angeregt was einem Blutdruckabfall
vorbeugen kann und dem Patient erneut Orientierung der Beine gibt.
Um den Patienten im Bett kopfwärts zu bewegen und die Lagerungshilfsmittel für die erzielte
Position nach dem LiN- Konzept einzulegen, wurde er kinästhetisch im Bett bewegt.
8) alle Informationen über Basale Stimulation aus Fortbildung „Basisseminar, Basale Stimulation in der Pflege“ und aus
Praktischen Anleitungen im Arbeitsalltag
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Kinästhetik 9)
Zu Beginn wurde das Bett zwischen den im Zimmer befindlichen Haltearmen nach vorne bewegt
um so genügend Platz für die Bewegung der Pflegekräfte und die Mobilisation zu haben, auf diese
Weise ergab sich eine optimale Umgebungsgestaltung.
Der gesamte Ablauf erfolgte durch gleichzeitig gemeinsame Interaktion. Dies bedeutet während
des gesamten Vorgangs wird der taktile Informationsaustausch nicht unterbrochen, jener Prozess
ist dem Kontakt aus der „Basalen Stimulation“ gleichzusetzen und bedeutet für den Empfänger
eine Orientierungs- und Verständnishilfe. Ebenfalls werden mögliche Eigenbewegungen und
Grenzen der Beweglichkeit, vor allem auf der plegischen Seite, berücksichtigt.
Über das Konzept der funktionalen Anatomie wird der Patient bewegt, die Massen werden dazu
genutzt Gewicht auf die Unterlage, hier die Matratze, abzugeben, dass heißt die Beine werden
angestellt und zur Seite gekippt. Hierdurch kommt es zu einer Spiralbewegung, denn die anderen
Massen folgen eine nach der anderen, ohne große Anstrengung für den Patienten oder die
Pflegenden. Auf diese Art kann eine Transportbewegung Richtung Kopfende folgen, in dem die
entlastete Seite an der Schulter und Hüfte vor dem Zurückdrehen gleichzeitig in diese Richtung
bewegt werden. Jener Vorgang wird seitenabwechselnd so oft wiederholt bis Hr. H. sich mit der
Hüfte direkt im Knick des Bettes befindet, so befindet sich im Sitzen der Gewichtsschwerpunkt
auf dem Sitzbein.
Das Sitzen im stabilen Sitz nach LiN® 10)
Lagerungsmittel wurden rechts und links der Länge nach abwechselnd in mehreren Lagen fest an
den Körper modelliert.
Die hypotonen Körperpartien (Brustkorb, linke Schulter, Hüfte und Bein) werden unterstütz und
stabilisiert, um ihre Haltefunktion wieder übernehmen zu können. Die hypertonen Abschnitte
(rechter Arm und Ober- bzw. Unterschenkel) geben durch die Auflage Gewicht ab, um schließlich
wieder die Beweglichkeit der Gelenke herzustellen.
Hohlräume werden ausgefüllt und die Körperabschnitte (z.B. Bein) durchgehend unterstützt, auf
diese Weise passt sich die Lagerung dem Patienten an.
Außerdem werden die Körperabschnitte auf einer Ebene zueinander gebracht, dazu zählen:
Schultern, Becken, Füße, Kopf, Thorax, diese sollten möglichst parallel zu einander liegen. (siehe
Bild 1) Am Schluss wird die Sitzposition mit dem Verstellen des Bettes erreicht.
9) Informationen über Kinästhetik aus Fortbildungen: „Grundkurs Kinästhetik“ und „Aufbaukurs Kinästhetik“
10) Informationen über LiN aus Fortbildungen Basale Stimulation, „therapeutisches Pflegen unter Berücksichtigung des
Bobath- Konzeptes“ und praktischen Anleitungen im Arbeitsalltag
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Bild 1: „Sitzposition im Bett von rechts“ Bild 2:“Sitzposition im Bett von vorne“
Bild 3: „Sitzposition im Bett von links“
Beobachtung während und nach der Mobilisation
Hr. H. saß stabil, der Muskeltonus des rechten Armes und des rechten Beins normalisierte sich, so
konnte eine Bewegung im Knie und im Arm, ohne Widerstand ermöglicht werden.
Die Atemfrequenz verringerte sich (ca. 20 Atemzüge die Minute), die Atmung vertiefte sich und
die Sekretmobilisation war effektiver als zuvor.
Beobachtung über mehrere Tage
- die Vigilanz verbesserte sich nicht
- nach 2 Tagen war der Patient vollständig vom Beatmungsgerät entwöhnt und wurde auf eine
periphere neurochirurgische Station verlegt
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Andere Möglichkeiten des Sitzbettes
Alternativ zum Sitzbett kann der Patient auch im Mobilisationsstuhl „TINA“ in die Sitzposition
gebracht werden, der Transfer erfolgt hier liegend, z.B. passiv mit einem Rollboard. Hierbei ist die
Auflage härter und gibt dadurch ein anderes Sitzgefühl für den Patienten. Des Weiteren ist dies für
die Angehörigen ein größerer sichtbarer Fortschritt als die Sitzposition im Bett, da ihr Verwandter
in einem Stuhl sitzt.
Der positive Effekt, der Frühmobilisation, für den Patienten ist jedoch mit dem der Sitzposition im
Bett gleichzusetzen.
Aufgrund möglicher Komplikationen, vor allem während oder nach der Erstmobilisation,
empfiehlt es sich zuerst das Bett zu nutzen, denn hier besteht die Möglichkeit, dass die betreuende
Pflegefachkraft schneller allein handeln kann, ohne auf eine zweite helfende Person zurückgreifen
zu müssen.
2. Patientenbeispiel B. Stufe 3 freies Sitzen am Bettrand
Die ausgewählte Patientin befindet sich in Phase 2 des Innsbrucker Mobilisationskonzeptes.
Krankengeschichte
Fr. W. musste wegen einer progredierender Pneumonie, die sich bereits seit vier Wochen hinzog,
aufgenommen werden. Bei zunehmender respiratorischer Verschlechterung wurde sie auf die
Intensivstation verlegt, nach zweitägiger nichtinvasiver Beatmung wurde sie aufgrund von
Komplikationen intubationspflichtig und erhielt unmittelbar danach eine ECMO. Ihr Zustand
wurde zunächst innerhalb eines septischen Schocks immer kritischer, sie erlitt ein
Multiorganversagen, dies machte eine Hämofiltration und eine hochdosierte Katecholamintherapie
notwendig. Der Zustand hielt sich ca. zwei Wochen, innerhalb dieses Zeitraumes wurde sie
dilatativ tracheotomiert. In dieser Phase war die Patientin mit Sufenta und Propofol R4 sediert.
Drei Wochen nach der Intubation hatte sich der pulmonale Zustand soweit erholt das die ECMO
entfernt werden konnte.
Im weiteren Verlauf wurde die Sedierung ausgeschaltet und die Patientin am Beatmungsgerät
spontanisiert.
Nach kurzer Zeit war Fr. W. wach und verhielt sich sehr kooperativ. Allerdings befand sie sich
noch in einem Delir, welches sich durch Desorientiertheit und nicht adäquatem Nachkommen von
Aufforderungen äußerte.
Die Beatmungsdrücke wurden reduziert, so dass mit dem Weaning begonnen werden konnte.
Weitere Unterstützung bedurfte der Kreislauf mit 0,8mg Arterenol stündlich. Dies konnte in 24
Stunden auf 0,3mg Arterenol stündlich gesenkt werden.
15
vorherige Mobilisationen3)
Innerhalb der kritischen Phase wurde Fr. W. im Bett passiv bewegt und ein regelmäßiger
Lagerungswechsel durchgeführt.
Nach der Reduktion des Arterenols wurde sie nach ärtzlicher Rücksprache in die Sitzposition im
Bett gebracht. Der anfängliche Blutruckabfall bis auf 85mmHg systolisch durfte toleriert werden,
bereits bei der dritten Mobilisation hielt sich der Blutdruck bei 100mmHg systolisch und die Dosis
des Arterenols war nur noch bei 0,1mg/Std. Aufgrund dessen wurde am dritten Tag, nach dem
ersten Sitzbett, zur nächsten Mobilisationsstufe übergegangen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Fr. W. die vierte Stufe des Weanings erreicht, dies bedeutet sie hatte
zweistündige Spontanatmungsphasen, an der „feuchten Nase“, die von zweistündigen
Erholungsphasen am Beatmungsgerät abgewechselt wurden. Das Delir hatte sich ebenfalls soweit
gebessert, dass sich nur noch Konzentrationsstörungen zeigten.
Patientenziele für die weitere Mobilisation
- Aufbau und Kräftigung der Haltemuskulatur
- weitere Blutdrucknormalisierung
- Kräftigung der Atemmuskulatur, dadurch weiteres Fortschreiten im Weaning
Vorbereitung der Mobilisation
Materialien/ Hilfsmittel/Umgebungsgestaltung
- Steppbrett, um den Kontakt der Beine mit dem Boden zu ermöglichen
- Karton, als mögliche Rückenlehne bei verminderter Rumpfstabilität
- zweite Pflegeperson
- Bett positionieren, um der Patientin und dem Pflegepersonal ausreichend Platz zu gewährleisten
3) nach Stufenplan aus dem Algorithmus für Frühmobilisation von P. Nydhal
16
Vorbereitung des Patienten nach Kriterien der Basalen Stimulation8)
Nach der verbalen Information, an die Patientin über das geplante Vorgehen folgt die Aktivierung
der einzelnen Muskelgruppen. Fr. W. wurde aufgefordert die Füße auf und ab zu bewegen und
kreisen zu lassen. Anschließend sollte sie beide Beine anstellen und Gewicht mit den Fußsohlen
in die Matratze geben. Durch das folgende Wiegen der angestellten Beine von rechts nach links
soll das Gleichgewicht gefördert werden. Um dies weiter zu verbessern sollte Fr. W. den Kopf
langsam von rechts nach links bewegen. Die ganze Vorbereitung geschah mit dem Oberkörper 30°
erhöht, dies dient zur zusätzlichen Orientierung im Raum und ermöglicht ein leichteres
Raussetzen.
Mobilisation unter Anwendung von Kinästhetik9)
Der gesamte Vorgang des Raussetzens wurde nach kinästhetischen Prinzipien durchgeführt, sie
erfolgte als schrittweise Interaktion. Bei erhöhtem Kopfteil wurde die Patientin aufgefordert die
Beine anzuwinkeln, das Gewicht wird so von den Beinen (den Massen) genommen und daraufhin
nach links gekippt. Danach folgt der Oberkörper, als Hilfestellung wurde ihr die Hand gereicht, so
dass der rechte Arm bewegt wurde, um ihr eine Richtung vorzugeben, der sie folgen kann. Die
angewinkelten Beine wurden näher an den Bauch bewegt und knieabwärts über die Bettkante
gebracht, hierbei wird ein Zug auf den Oberkörper durch die
seitliche Bauchmuskulatur ausgelöst. Fr. W. drückte mit
dem rechten Arm ihr Gewicht seitlich nach oben, die erste
Pflegekraft hält sie am Oberkörper, führt diesen leicht nach
vorne rechts, so wird eine spiralförmige Aufrichtung
erzielt. Im selben Moment werden die Beine durch die
zweite Pflegeperson stabilisiert. Das angewandte Bewegen
verringerte die Anstrengung der Patienten und der
Pflegenden.
Am Schluss werden die Beine parallel zueinander gestellt
und die gesamten Fußsohlen haben Bodenkontakt.
Das Gewicht wird hierüber abgegeben, so dass der Ober-
körper freier in seiner Beweglichkeit ist.
Bild 4: „gestützter Sitz an der Bettkante“
8) alle Informationen über Basale Stimulation aus Fortbildung „Basisseminar, Basale Stimulation in der Pflege“ und aus
Praktischen Anleitungen im Arbeitsalltag mit der Pflegeberatung 9) Informationen über Kinästhetik aus Fortbildungen: „Grundkurs Kinästhetik“ und „Aufbaukurs Kinästhetik“
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Zur Ausbalancierung des Gleichgewichts
nutzte die Patientin abwechselnd die Arme.
Zu Beginn wurde sie zusätzlich durch Pflegekraft an den
Schultern gestützt (s. Bild 4) um nach hinten Sicherheit zu
haben.
Das Kopfteil wurde hochgefahren und ein Kissen unter den
linken Arm angebracht, auf diese Weise wird die seitliche
Haltemuskulatur gestützt, außerdem empfand Fr. W. dies
als angenehm. Am Rücken wurden ein Karton und eine
Decke platziert, so erhält die Wirbelsäule eine aufrechte
Position. Durch die Aufrichtung wird die tonische
Muskulatur unterstützt und entlastet, dies gewährleistet einen
stabilen Sitz. (siehe Bild 5 links)
Bild 5: „gestützter Sitz an der Bettkante“
Beobachtung während und nach der Mobilisation
An der Bettkante wirkte Fr. W. erfreut und erleichtert über den geschafften Schritt und auf
Nachfragen gab sie dies auch an. Sie bewegte die Beine gegen die Schwerkraft auf und ab und die
Inspiration vertiefte sich.
Der Blutdruck war zu Beginn des Sitzens bei 90mmHg systolisch, ein Schwindel wurde verneint.
Nach ungefähr zehn Minuten äußerte sie Unwohlsein und der Blutdruck sank bis auf 80mmHg
systolisch. Wieder in der Rückenlage verschwanden die Symptome zügig, der Blutdruck stieg
rasch wieder auf seinen Ausgangswert von 110mmHg systolisch.
Innerhalb der nächsten drei Stunden konnte das Arterenol ausgeschaltet werden. Noch am selben
Tag wurde die Patientin auf eine andere Station verlegt, dort verliefen das Weaning und die
Mobilisation problemlos.
9) Informationen über Kinästhetik aus Fortbildungen: „Grundkurs Kinästhetik“ und „Aufbaukurs Kinästhetik“
18
2. Patientenbeispiel C. Stufe 3 assistierter Transfer in Mobilisationsstuhl
Der folgende Patient befindet sich in der Stufe 3 des Innsbrucker Mobilisationskonzeptes.
Krankengeschichte
Hr. G. ist schwer gestürzt und hatte sich dabei ein schweres offenes Schädel- Hirn- Trauma mit
multiplen Frakturen des Schädels, unter anderem einer Schädelbasisfraktur zugezogen.
Weitere Verletzungen waren eine Subarachnoidalblutung, einer Rippenserien- und Sternumfraktur,
einhergehend mit einem Pneumothorax auf beiden Seiten und einem Mediastinalemphysem.
Zusätzlich zeigte sich in der bildgebenden Diagnostik eine instabile BWK 12 Fraktur und eine
Fraktur der Querfortsätze an dem BWK 2 und LWK 1.
Nach der ersten operativen dorsalen Versorgung der Wirbelsäule kam der Patient intubiert,
beatmet und mit zwei einliegenden Bülaudrainagen auf die Intensivstation. Achsengerechte
Lagerungsmaßnahmen wurden durch die behandelnde Abteilung gestattet.
Im Anschluss legte die neurochirurgische Abteilung eine Hirndrucksonde, um mögliche
Hirndruckanstiege zu erkennen und frühzeitig intervenieren zu können. Bereits nach drei Tagen
ohne pathologische intracerebrale Druckanstiege wurde die Hirndrucksonde wieder entfernt.
Aufgrund der multiplen Verletzungen blieb der Patient sediert und beatmet, hierunter war er
arterenolpflichtig und druckkontrolliert beatmet. Bereits eine Woche nach der Aufnahme wurde er,
bei voraussichtlich langer folgender Beatmungsperiode, dilatativ tracheotomiert. Im Zeitraum
der nächsten drei Aufenthaltswochen erfolgten mehrere Aufwachversuche und die
Spontanisierung am Beatmungsgerät. Innerhalb dieser Zeit entwickelte er eine Pneumonie, welche
antibiotisch behandelt wurde. Nach vorangeschrittener Heilung erfolgte die endgültige ventrale
Stabilisierung der Wirbelsäulenverletzung. Im Zuge dessen konnte, von Seiten der Chirurgie, mit
der Mobilisation begonnen werden
Unmittelbar danach wurde die Sedierung ausgeschaltet und der Patient erneut am Beatmungsgerät
spontanisiert. Hierbei zeigte sich ein Delir, Hr. G. war wach aber nicht kontaktfähig, kam keinen
Aufforderungen nach, blickte apathisch und zeigte eine ausgeprägte motorische Unruhe. Es wurde
versucht dies mit verschiedenen Medikamenten, unter anderem einem Clonidinperfusor,
abzuschwächen, der gewünschte Effekt stellte sich jedoch nicht ein.
Einen Tag nach der letzten Operation erfolgte der erste Weaningversuch, er begann mit
Spontanatmungsphasen, von 15 Min. an der „feuchten Nase“, mit einer Erholungspause von drei
Stunden am Beatmungsgerät. Aufgrund der auch vorhandenen Tachypnoe am Beatmungsgerät,
wurde von ärtzlicher Seite entschieden das Weaning zu forcieren, dies bedeutet tagsüber mehrere
Stunden Beatmungsfreie Intervalle zu ermöglichen.
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bisherige Mobilisationen
In der Anfangszeit erfolgte der passive achsengerechte Lagewechsel3).
Während und nach der Aufwachphase erfolgte der Lagewechsel weiterhin passiv, da der Patient
ein assistiertes Vorgehen, durch aktives Drücken in die entgegengesetzte Richtung erschwerte.
Die Sitzposition im Bett3) erfolgte bereits am zweiten Tag nach der zweiten Wirbelsäulen-
operation, diese sollte ihm vor allem Orientierung im Raum geben und die Wahrnehmung
fördern. Hierbei änderte sich die Kontaktfähigkeit nicht und die motorische Unruhe blieb weiter
bestehen, allerdings bewegte Hr. G. sich gezielt an den Bettrand.
Aufgrund dessen wurde gleich zur nächsten Stufe übergegangen.
An der Bettkante zeigten sich eine gute Rumpfstabilität und eine Gewichtsabgabe über die
Fußsohlen an den Boden. In dieser Situation entstand zum ersten Mal der Eindruck, dass ein
Blickkontakt zustande kam, die Unruhe hatte nachgelassen, war jedoch weiterhin vorhanden. Aus
diesem Grund konnte der Patient nicht lange an der Bettkante sitzen und es wurden
Vorbereitungen getroffen, ihn in einen Mobilisationsstuhl assistiert zu mobilisieren.
Patientenziele für die weitere Mobilisation
- Besserung der Vigilanz mit Erweiterung der Kontaktfähigkeit
- Eigenwahrnehmung des Patienten verbessern um Orientierung zu geben
- Kräftigung der Halte- und Atemmuskulatur
Die Mobilisation
Vorbereitung
- eine Pflegekraft holt einen Mobilisationsstuhl mit Tisch während die Zweite den Patienten stützt
und beaufsichtigt
- ausreichend Platz schaffen um als Helfer und dem Hilfsempfänger genügend Raum für
Bewegung zu gewährleisten
3) nach Stufenplan aus dem Algorithmus für Frühmobilisation von P. Nydhal und H.Wolpert
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Durchführung des assistierten Transfers in den Stuhl
Kinästhetik 9)
Aufgrund der motorischen Unruhe wird dieser Transfer, sowie die zuvor erfolgte Mobilisation an
die Bettkante, mit zwei Pflegekräften durchgeführt. Der gesamte Vorgang verläuft in einer
schrittweisen Interaktion.
Der Mobilisationsstuhl wurde rechts von Hr. G. und am Kopfteil des Bettes platziert.
Durch die zweite Pflegekraft wurde auf die Knie gedrückt, um mitzuteilen, dass das Gewicht nach
unten organisiert wird. Zusätzlich werden die Knie von vorne durch die Knie des Pflegepersonals
gestützt, um die Haltungsbewegung zu fördern. Der Patient wurde informiert und zusätzlich wurde
eine Richtungsangabe zur Orientierung mit seinem rechten Arm gegeben, in dem er ihn auf die
Sitzfläche des Mobilisationsstuhles legte.
Dadurch kommt es zu einer Neigung des Oberkörpers nach vorne, dies führt zu einer
Gewichtsverlagerung auf die Beine zusätzlich richtet sich der Mobilisierende mit seinem Körper
auf und verstärkt diese Entlastung, nun ist das Gesäß frei für eine Transportbewegung in
Richtung des Stuhls.
Das Gewicht wird wieder auf das Gesäß gebracht, jetzt sind die Beine frei und können reposi-
tioniert werden.
Danach erfolgten die Bewegung und die Unterstützung dreimal, bis der Patient die gewünschte
Position im Stuhl eingenommen hat.
Im Stuhl werden die Lagerungsmaterialien (hier eine Decke, s. Bild 6 ) so positioniert das eine
Aufrichtung der Wirbelsäule erfolgt, Hohlräume werden gefüllt (nach LiN® 10)) Auf diese Weise
wird die tonische Muskulatur optimal unterstützt. Dies hat einen positiven Effekt auf die Atmung
und es wird eine Bewegung der Arme ermöglicht, da keine zusätzlichen Ausgleichsbewegungen
stattfinden müssen, um im Gleichgewicht zu bleiben. Die Füße haben Bodenkontakt, geben
dadurch weitere Stabilität und verhindern ein Abrutschen im Stuhl. Um diesen Kontakt besser zu
ermöglichen muss der Oberschenkel Kontakt mit der Sitzfläche haben, dies verhindert einerseits
das Rutschen und andererseits entspannt sich die Muskulatur.
Weiterhin wird vor dem Patienten ein Tisch als zusätzlicher Schutz vor dem Aufstehen
angebracht. Das gibt dem Sitzenden die Möglichkeit sich nach vorne auf- oder abzustützen, und
9) Informationen über Kinästhetik aus Fortbildungen: „Grundkurs Kinästhetik“ und „Aufbaukurs Kinästhetik“
10) Informationen über LiN aus Fortbildungen Basale Stimulation, „therapeutisches Pflegen unter Berücksichtigung des
Bobath- Konzeptes“ und praktischen Anleitungen im Arbeitsalltag
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weiteres Gewicht über die Arme abzugeben,
auf die Weise kann der Rücken oder das Gesäß
kurzzeitig entlastet werden.
Dies fordert und fördert das Kinästhetische
Sinnessystem, welches unter anderem
die Orientierung im Körper, die Körper
spannung, das Eigengewicht und die Tiefen-
sensibilität ermöglicht. Zusätzlich spricht es
das Feedback- Kontrollsystem an, dies ist für
Anpassungsbewegungen zuständig.
Das Endergebnis der Mobilisation ist auf dem
nebenstehendem Bild (Bild 6) zu sehen.
Bild 6: „Sitz in Mobilisationsstuhl von vorne“
Beobachtung während und nach der Mobilisation
Hr. G. half beim Umsetzen mit, indem er die Bewegung des Oberkörpers gleichzeitig nach vorne
und oben durchführte und mit dem rechten Arm nach dem Stuhl, in die Zielrichtung, griff.
Im Stuhl ließ die motorische Unruhe nach, er legte die Hände ruhig auf den Tisch, bei Ansprache
erfolgte Blickkontakt und er drehte den Kopf in die Richtung des ihn Ansprechenden.
Der Rücktransfer war ebenso gut möglich und verlief in die entgegengesetzte Richtung auf die
gleiche Weise wie zuvor der Transfer in den Stuhl. Zurück im Bett war der Patient ruhiger und die
Atemfrequenz hatte sich um zehn Atemzüge in der Minute reduziert. Nach ca. zwei Stunden im
Bett kehrte die Unruhe wieder.
Beobachtung über mehrere Tage
- das Weaning schritt weiter vorwärts, die Tachypnoe legte sich langsam
- die motorische Unruhe ließ langsam nach und er blieb auch im Sitzbett sitzen, das Gleiche
gilt für die Bettkante
- der Blickkontakt wurde von Hr. G. auch im Liegen gehalten und er drückte zeitweise auf
Aufforderung die Hände
Eine Woche nach der Mobilisation in den Stuhl wurde er in eine Rehabilitationsklinik verlegt.
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3. Evaluation
3.1. Grenzen auf unserer Intensivstation 3A
Um das Laufen mit einem intubierten Patienten auf der Intensivstation in Ludwigsburg zu
ermöglichen, ist eine zusätzliche kleinere Transporteinheit, welche die notwendigen
Überwachungsgeräte transportieren kann, erforderlich.
Des Weiteren ist der Arbeitsaufwand sehr hoch, es sind mindestens drei, teilweise bis zu vier
Pflegekräfte notwendig, um mit einem Intubierten sicher über den Gang laufen zu können.
Ein bis zwei Pflegekräfte unterstützen den Patienten beim Laufen, eine Pflegekraft schiebt und
überwacht die Transporteinheit und die Dritte bzw. Vierte ist anwesend, diese kann bei möglichen
Komplikationen das nötige Zubehör (z.B. Stuhl bei Schwäche, Tubus bei Extubation….) besorgen.
Heutzutage ist dies selbst in der gut besetzten Überlappungszeit sehr schwierig zu ermöglichen,
denn der Zeitaufwand beträgt ca. eine Stunde pro Patient, dazu müsste der Personalschlüssel mit
einer eins zu zwei Betreuung umgesetzt werden.
Viele unserer Patienten werden noch bevor sie das Laufen wieder erlernen, auf eine periphere
Station oder in eine Rehabilitationsklinik verlegt.
3.2. Evaluation Frühmobilisation
Meine Erfahrung mit der Frühmobilisation während und nach der praktischen Umsetzung meiner
Facharbeit, ist durchgehend positiv und ich erachte sie als einen sehr wichtigen Teil der ganz-
heitlichen therapeutisch-aktivierenden Pflege.
In vielen Situationen stellt sich der gewünschte Effekt nicht sofort ein. Oft sind jedoch kleine
Fortschritte zu erkennen und diese sind als ebenso wichtig anzuerkennen wie die Erreichung der
nächsten Mobilisationsstufe.
Ich habe in zwei Beispielen erkannt und aufgezeigt, dass der Anfang (Stufe eins und zwei) die
schwierigste und langwierigste Rehabilitationsphase ist, denn sobald die Patienten frei oder auch
mit Unterstützung an der Bettkante sitzen können, ist der weitere Weg meist zügiger vorange-
schritten.
Den Stufenplan, nach P. Nydhal halte ich für eine gute Grundlage der Frühmobilisation, allerdings
ergibt sich für mich, vor allem ab der dritten Stufe, die Notwendigkeit davon
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abzuweichen und jedem Patienten ein individuelles Vorgehen innerhalb seiner Ressourcen zu
ermöglichen. Aus diesem Grund führte ich zwei weitere Darstellungen, nach H. Wolpert, auf um
die Fortschritte innerhalb der einzelnen Stufen noch differenzierter aufzuzeigen.
Meiner Ansicht nach ist es für eine Sitzposition im Bett nicht notwendig das ein Patient Fragen
beantworten kann. Menschen im Wachkoma oder mit gestörter Vigilanz können ebenfalls von der
Frühmobilisation profitieren, wie in Patientenbeispiel C zu sehen ist.
Des Weiteren bin ich der Meinung, um einen aktiven Transfer in den Stuhl durchzuführen muss
nicht zuvor der „Stand“ oder das „auf der Stelle treten“ absolviert werden. Dies ist z.B. bei
Patienten mit Tetraparese der Fall, sie führen allein oder mit Unterstützung einen aktiven tiefen
Transfer durch, ohne vorher in den Stand zu kommen.
3.3. Evaluation der Konzepte
Jedes genannte Konzept, sehe ich als wichtig an und meiner Meinung nach erhält man durch die
individuelle Kombination dieser drei unterschiedlichen Ansatzpunkte das optimalste Ergebnis für
jeden Intensivpatienten.
Jede Pflegekraft sollte für sich entscheiden, welches Konzept für sie und den Patienten geeignet
ist, wobei Kinästhetik und basale Stimulation sich in verschiedenen Aspekten überschneiden
können.
z.B. Interaktion - Kommunikation
Umgebung - Umgebungsgestaltung
Das LiN- bzw. das Bobath- Konzept haben sich vor allem auf die neurologischen Erkrankungen
spezialisiert, hierbei geht es vor allem um die Normalisierung eines hypertonen (Spastiken) oder
hypotonen (Paresen) Muskeltonus und die Lagerung der Gelenke in einer physiologischen
Stellung, um auf diese Weise Schäden zu minimieren oder zu vermeiden.
Dies kann auch bei Patienten angewandt werden die einen künstlichen Hypotonus haben, z.B.
sedierte und relaxierte Patienten. Das LiN-Konzept bietet eine gute Grundlage um später im
Bobath-Konzept oder in der Kinästhetik therapeutisch-aktivierend pflegen zu können.
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4. Mein Fazit
Letztlich profitiert der Pflegebedürftige von jedem der Pflegekonzepte, dabei spielt es keine Rolle
welche Kombination zur Anwendung kommt denn alle haben dasselbe Ziel:
DIE KÖRPERLICHEN FUNKTIONEN PHYSIOLOGISCH UND
INDIVIDUELL ZU ERHALTEN
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Literatur-/ Quellennachweis
- Asmussen Maren: im Gespräch: „ich musste alle Wahrnehmungen wieder neu ordnen“,
Interview in lebensqualität 04/2011, Seite 20-24
-Fortbildung: Heisterhagen, Ute, Kinästhetik Grundkurs
07./08.11.2005 und 16.03.2006, Bürgerhospital,Klinikum Stuttgart
-Heisterhagen, Ute, Kinästhetik Aufbaukurs
29./30.09. und 27./28.10.2008, Bürgerhospital, Klinikum Stuttgart
-Fortbildung: Bätz, Anja, Basisseminar, basale Stimulation in der Pflege
vom 04.04.2011 bis 28.10.2011 über 24 Stunden, Klinikum Ludwigsburg
-Fortbildung: Darnbusch- Schäfer, R. Rückenschonendes therapeutisches Pflegen unter
Berücksichtigung des Bobath- Konzeptes
vom 26.- 29.01.2009, Krankenhaus Bad- Cannstatt, Klinikum Stuttgart
- Friedhoff, Schieberle: 2007: Praxis des Bobath- Konzeptes, Grundlagen- Handlings-
Fallbeispiele, Thieme Verlag
-Frohs Manuela, Peer Tutorin in Kinästhetik, Fachkrankenpflegerin für Anästhesie und
Intensivmedizin Anleitungen mit der praktischen Durchführung von Mobilisationen nach
kinästhetischen Prinzipien und persönliches Gespräch 10.07.2012 und 20.08.2012 in
Ludwigsburg
-Frühmobilisierung.de Stand: 16.11.2012
- Brunner Bianka, Kaupp-Woznica Heidi, , Nessizius Stefan, Oberthaler Regina;
Stadlmayr Gudrun 24.04.2012 Innsbrucker Mobilisationskonzept zur interdisziplinärer
Behandlung internistischer Intensivpatienten
- Ely Wesley , A-B-C-D-E - Konzept, Theoretische Konzept, 2010
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- Flohr Hans Jürgen, Nydhal Peter, Rothaug Oliver (2010): Algorithmus zur
Mobilisierung beatmeter Patienten - ein Arbeitsvorschlag, Gehen mit beatmeten
Patienten, Pflege Intensiv 1: 21-25
- Müller Silke , UKGM, Standort Marburg, Physiotherapie auf Intensivstationen,
Therapiekonzept zur Frühmobilisierung
- Schuchardt Danny: Toleranzkriterien zur Frühmobilisierung kritisch Kranker
- Keller Ina Ree, Wolpert Harry , Lagerung in Neutralstellung - LiN, Artikel in Intensivpflege
2007; 15 Seite 230- 233
-Wolpert Harry praktische Anleitungen mit der praktischen Durchführung von Mobilisationen
nach basalen Kriterien und Lagerung in Neutralstellung, persönliche Gespräche und
Supervision
Bildernachweis: alle gedruckten Bilder wurden von Michaela Allard auf der Intensivstation
Ludwigsburg, mit Einverständnis der Patienten oder deren Angehörigen, erstellt.
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Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit zum Thema
„ Frühmobilisation auf der Intensivstation- eine Vernetzung der Pflegekonzepte“
selbstständig verfasst habe. Quellen und Materialien sind als solche gekennzeichnet und
nachgewiesen.
Ich habe keine anderen Materialien als die angegebenen Hilfsmittel benutzt.
Stuttgart den, 08.01.2013