friedrich von bruchhausen zum gedächtnis

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e . Pharmazie in unserer Zeit Joachim h a b e Friedrich von Bruchhausen zurn Gedachtnis': Friedrich von Bruchhausen (1886- 1966) Der alte Bau des Marburger Pharmazeuti- schen Instituts, wo F. v. Bruchhausen stu- dierte, promoviert wurde und sich habili- tierte. Anlafllich der Verleihung der Wiirde eines Dr. med. h.c. der Medizinischen Fakultat der Universitat Miinster am 10. November 1954 an Prof. von Bruchhausen fiihrte der amtie- rende Dekan, Prof. Dr. H. H. Inhoffen, selbst ein bedeutender Chemiker, der sich insbeson- dere durch seine Naturstoffarbeiten einen Namen gemacht hat, folgendes aus: ,,Es ist immer wieder reizvoll und lehrreich, denWeg eines bedeutenden Forschers zuriickzuverfol- gen und hierbei Erfahrung und Ansporn fur den eigenen Weg zu erlangen. Dafl sich tief wurzelnde Neigung und Veranlagung zu wis- senschaftlichem Denken und exaktem Expe- rimentieren auch gegen auflere Hemmnisse und Verzogerungen erfolgreich durchzu- setzen vermag, dafiir ist die Laufbahn von Friedrich von Bruchhausen ein ebenso klares wie schones Beispiel." Friedrich von Bruchhausen wurde am 25. September 1886 in SteinadHessen geboren, im gleichen Jahr, in dem Ladenburg die erste "Nach einem Plenarvortrag auf der Haupt- versammlung der Deutschen Pharmazeuti- schen Gesellschaft am 30. August 1975 in Miinchen. Synthese eines Alkaloids, des Coniins, publi- zierte. Am 3. Februar 1966 wurde von Bruchhausen im 80. Lebensjahr in Braun- schweig, seiner letzten Wirkungsstatte, durch den Tod abberufen. Im Jahre 1909 nahm Friedrich von Bruch- hausen nach abgeschlossener Apothekerlehre in Marburg unter Ernst Schmidt das Phar- maziestudium auf. Nach Ablegung der Staats- prufung ging er zunachst in eine offentliche Apotheke, von wo 1914 sein Lehrer Ernst Schmidt den begabten jungen Mann als Assistenten an das Marburger Institut zu- ruckholte. Durch den ersten Weltkrieg wurden die wis- senschaftlichen Arbeiten von Bruchhausens fur langere Zeit unterbrochen. Erst 1919 konnte er im Marburger Institut, nunmehr unter Schmidts Nachfolger, Johannes Gadamer, seine Alkaloidarbeiten wieder aufnehmen, die 1921 mit einer Arbeit uber die Alkaloide Corycavin und Protopin zur Promotion fuhrten. Auf Anraten seines Lehrers Gadamer legte von Bruchhausen, der die Schule mit Primareife verlassen hatte, als Externer das Abitur ab, und schon 1925 erfolgte die Habilitation mit einer Arbeit Pharmazie in unserer Zeit / 6. Jahrg. 1977 / N u . 1 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1977 1

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Pharmazie in unserer Zeit

Joachim h a b e Friedrich von Bruchhausen zurn Gedachtnis':

Friedrich von Bruchhausen (1886- 1966)

Der alte Bau des Marburger Pharmazeuti- schen Instituts, wo F. v. Bruchhausen stu- dierte, promoviert wurde und sich habili- tierte.

Anlafllich der Verleihung der Wiirde eines Dr. med. h.c. der Medizinischen Fakultat der Universitat Miinster am 10. November 1954 an Prof. von Bruchhausen fiihrte der amtie- rende Dekan, Prof. Dr. H. H. Inhoffen, selbst ein bedeutender Chemiker, der sich insbeson- dere durch seine Naturstoffarbeiten einen Namen gemacht hat, folgendes aus: ,,Es ist immer wieder reizvoll und lehrreich, denWeg eines bedeutenden Forschers zuriickzuverfol- gen und hierbei Erfahrung und Ansporn fur den eigenen Weg zu erlangen. Dafl sich tief wurzelnde Neigung und Veranlagung zu wis- senschaftlichem Denken und exaktem Expe- rimentieren auch gegen auflere Hemmnisse und Verzogerungen erfolgreich durchzu- setzen vermag, dafiir ist die Laufbahn von Friedrich von Bruchhausen ein ebenso klares wie schones Beispiel."

Friedrich von Bruchhausen wurde am 25. September 1886 in SteinadHessen geboren, im gleichen Jahr, in dem Ladenburg die erste

"Nach einem Plenarvortrag auf der Haupt- versammlung der Deutschen Pharmazeuti- schen Gesellschaft am 30. August 1975 in Miinchen.

Synthese eines Alkaloids, des Coniins, publi- zierte. Am 3 . Februar 1966 wurde von Bruchhausen im 80. Lebensjahr in Braun- schweig, seiner letzten Wirkungsstatte, durch den Tod abberufen.

Im Jahre 1909 nahm Friedrich von Bruch- hausen nach abgeschlossener Apothekerlehre in Marburg unter Ernst Schmidt das Phar- maziestudium auf. Nach Ablegung der Staats- prufung ging er zunachst in eine offentliche Apotheke, von wo 1914 sein Lehrer Ernst Schmidt den begabten jungen Mann als Assistenten an das Marburger Institut zu- ruckholte.

Durch den ersten Weltkrieg wurden die wis- senschaftlichen Arbeiten von Bruchhausens fur langere Zeit unterbrochen. Erst 1919 konnte er im Marburger Institut, nunmehr unter Schmidts Nachfolger, Johannes Gadamer, seine Alkaloidarbeiten wieder aufnehmen, die 1921 mit einer Arbeit uber die Alkaloide Corycavin und Protopin zur Promotion fuhrten. Auf Anraten seines Lehrers Gadamer legte von Bruchhausen, der die Schule mit Primareife verlassen hatte, als Externer das Abitur ab, und schon 1925 erfolgte die Habilitation mit einer Arbeit

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,,Zur Kenntnis des Corycavidins und Cory- cavamins" . Diese Alkaloidarbeiten machten Friedrich von Bruchhausen auf Anhieb be- kannt und fanden ihre Anerkennung in der bereits ein Jahr nach der Habilitation erfol- genden Berufung als o.Prof. fur Pharmazeu- tische Chemie an die Universitat Munster, wo von Bruchhausen die Pharmazeutische Chemie innerhalb des Chemischen Institutes vertrat. Ein Ruf nach Wurzburg bescherte von Bruchhausen 1931 ein eigenes Institut, an dem er bis 1938 wirkte. Von 1938 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1958 war von Bruchhausen Direktor des Pharmazeutischen Instituts der T. H. Braunschweig.

Die wissenschaftlichen Arbeiten Friedrich von Bruchhausens lassen sich fn drei Arbeits- gebiete einordnen:

1. Alkaloide 2. Andere Naturstoffe 3. Pharmazeutische Analytik.

Die Liebe zur Alkaloidchemie hatte von Bruchhausen von seinen akademischen Leh- rern Ernst Schmidt und Johannes Gadamer iibernommen, die selbst bedeutende Alkaloid- chemiker waren.

Johannes Gadamer, 1867 in Waldenburgl Schlesien geboren, wurde 1895 mit einer Alkaloidarbeit unter Ernst Schmidt promo- viert. Er folgte 1902 einem Ruf als o.Prof. fur Pharmazeutische Chemie an die Univer- sitat Breslau, von wo er 1919 als Direktor des Pharmazeutischen Instituts nach Marburg berufen wurde. Hier wirkte er erfolgreich bis zu seinem Tode im Jahre 1928.

Die wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten Gadamers hatten Abbaureaktionen und die Konstitutionsaufklarung von Alkaloiden zum Inhalt, 2.B. von Scopolamin, Berberin und verschiedenen Corydalisalkaloiden. Aui3erdem wurden einfache, im Apotheken- laboratorium durchfuhrbare Alkaloidbestim- mungsmethoden und Verfahren zur Wert- bestimmung anderer Arzneimittel erarbeitet. Als stickstofffreien Naturstoff hat Gadamer das Cantharidin, den Wirkstoff der spani- schen Fliege, bearbeitet und verschiedene Konstitutionen diskutiert. Im Larchensporn, Corydalis cava, fand Gadamer eine ahnliche Fulle von Alkaloiden vor wie im Opium. Er bewaltigte die schwierige analytische Trennung und erkannte, dai3 es sich dabei um Isochinolinderivate im weiteren Sinne handelte. Schon 1902 teilte er diese Alkaloide in drei Gruppen ein, ,,mehr nach chemischem Taktgefuhl als nach chemischem Verhalten", wie er selbst schrieb, und zwar in die Co- rydalin-, Bulbocapnin- und Corycavin- Gruppe. Den Corydalintyp setzte er in Beziehung zu Papaverin (Formelbild I), den Bulbocapnintyp zu Apomorphin (Formel- bild 2) und den Corycavintyp zu Protopin (Formelbild 3). Er hatte damit - wie die spatere Konstitutionsaufklarung zeigte - intuitiv das Richtige getroffen. Als Friedrich von Bruchhausen seine Untersuchungen auf- nahm, existierten fur Corydalin mehrere verschiedene Strukturformeln. Beim Hof- mann-Abbau wurde eine optisch inaktive Methinbase erhalten. Hieraus schlof3 von Bruchhausen zusammen mit Gadamer auf den Sitz der C-Methylgruppe und auf die richtige Konstitution, die er ein Jahr nach seiner Promotion durch die Synthese von

Johannes Gadamer (1867- 1928), der Dok- torvater F. v. Bruchhausens.

Corydalin aus Palmatin bestatigen konnte. Bulbocapnin farbt sich durch Luftoxidation leicht grun und gibt dann an Pither einen roten Farbstoff ab. Von Bruchhausen er- kannte hierin eine Analogie zur Pellagri- Reaktion des Apomorphins. Nach dieser Bestatigung der Gadamerschen Verwandt- schaftshypothese mit Apomorphin erfolgte rasch die Konstitutionsaufklarung. Vom Corycavin existierte eine falsche Summen- formel, die an der Verwandtschaft zum Protopin Zweifel aufkommen lief3. Von Bruchhausen ermittelte in seiner Doktor- arbeit die richtige Summenformel dieses optisch inaktiven Alkaloides und konnte aufgrund von Reaktionen, die bereits Gadamer und Perkin durchgefuhrt hatten, nachweisen, dai3 es sich bei Corycavin um ein Homologes des Protopins handelt. Durch Abbaureaktionen konnte gezeigt werden, dai3 Corycavin 13-Methylprotopin ist, gleichzeitig wurde durch oxidativen Abbau des Protopins als Modellsubstanz dessen Formel bestatigt.

Gadamer gelang die erste Partialsynthese einer Zehnringbase dieser Reihe aus Berberin. Er erkannte, dai3 Berberinchlorid als Im- moniumsalz vorlag, das rnit Alkalien in die Carbinolbase umgewandelt wurde (Formel- bild 4), nach von Bruchhausen eine der fruchtbarsten Entdeckungen der Berbin- chemie.

In seiner Habilitationsschrift (1925) widmete Friedrich von Bruchhausen den Alkaloiden Corycavamin und Corycavidin seine Auf- merksamkeit. Er erkannte Corycavamin als optisch aktives Corycavin, in das es beim Erhitzen uber den Schmelzpunkt durch Razemisierung umgewandelt wird. Die Kon- stitution des Corycavidins wurde durch Ab- baureaktionen aufgeklart (Formelbild 5). Beim Abbau nach Emde entsteht aus Cory- cavidin der in Formelbild 5 dargestellte Aminoalkohol, der durch Dehydratisierung in ein Aminostilbenderivat verwandelt wer- den kann. Dieses Stilben 1af3t sich ozonoly- tisch in einfache Bruchstucke spalten, aus denen die Formel des Corycavidins abgeleitet wurde. Die Entstehung des Aminoalkohols beim Emde-Abbau ist gleichzeitig ein Beweis fur die Existenz und Lage der mit den ubli- chen Carbonylreagenzien nicht erfagbaren Carbonylgruppe in der Zehnringbase Cory- cavidin.

Zusammen mit Hans Werner Bersch wurde die Konstitution von Chelidonin und San-

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guinarin bearbeitet. Aus Versuchsergebnissen des Gadamerschen Arbeitskreises leitete von Bruchhausen durch scharfsinnige Uberlegun- gen und phylogenetische Betrachtungen intuitiv das neuartige Benzophenanthridin- gerust ab, das diesen beiden Alkaloiden zugrundeliegt. Er ging dabei von der Uber- legung aus, daf? in Chelidonium majus neben- einander Berberin, Protopin und Chelidonin vorkommen und dai3 in der Regel in ein und derselben Pflanze nebeneinander existierende Alkaloidtypen auf eine gemeinsame Bio- genesevorstufe zuriickzufiihren sind.

Wenn man in einem Alkaloid des Berbintyps den Isochinolinring an der in Formelbild 6 unteren punktierten Linie offnet, so gelangt man zu 10-Ridgbasen des Protopintyps, bei oxidativer Offnung an der oberen punktier- ten Linie wiirde ein Aminoalkohol entstehen, der nach Drehung um eine C-C-Bindung und nachfolgendem Ringschluf? das Benzo- phenanthridingrundgeriist mit den Substi- tuenten in den richtigen Positionen ergeben wiirde. Diese kiihne Hypothese mui3te be- wiesen werden. Es war bekannt, dai3 Pro- topin und Chelidonin isomer sind und dai3 sie bei verschiedenen Abbaureaktionen iden- tische Abbauprodukte lieferten. Die ange- nommene Struktur des Chelidonins wurde durch drei gezielte Reaktionen bestatigt. Erstens entstand beim Abbau mit Chlor- ameisensaureathylester ein optisch inaktives Urethan. Zweitens wurde bei zweimaligem Emde-Abbau ein gesattigter stickstofffreier

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Korper erhalten, ein Beweis fur das Vorliegen einer doppelten Benzylaminstruktur. SchlieB- lich wurde bei Oxidation der Methinbase die in Formelbild 7 dargestellte Abbausaure erhalten, deren Struktur durch Synthese ge- sichert wurde. So wurde auf glanzende Weise die Struktur des Chelidonins aufgeklart, quasi als Nebenprodukt fie1 die Struktur des Sanguinarins dabei mit an.

Auf die Veroffentlichung der Chelidonin- formel erfolgte in den Chemischen Berichten ein scharfer Angriff des bekannten Natur- stoffchemikers Ernst Spath, der zu einer anderen Formel gekommen war. In einer Entgegnung erleben wir Friedrich vonBruch- hausen als klug argumentierenden Disputan- ten, der seine Ergebnisse mit Entschiedenheit vertritt und der - wenn notig - auch scharf formuliert.

Mit einer groBeren Zahl von Mitarbeitern bearbeitete von Bruchhausen das Gebiet der Diphenylatheralkaloide. Es handelt sich dabei um zwei 1 -Benzylisochinolineinheiten, die im aromatischen Teil durch Atherbrucken verknupft sind. Zunachst wurden Oxyacan- thin und Berbamin, 2 isomere Alkaloide, untersucht. Auch hier spielten als Ausgangs- punkt biogenetische Oberlegungen eine Rolle, basierend auf einer Theorie von Faltis, da8 die Atherbrucken durch dehydrierende Verknupfung einer phenolischen Gruppe in o-Stellung zu einer Phenolgruppe des ande- ren Molekulteiles zustandekommen. Hier- durch konnte von der groi3en Zahl an Ver- kniipfungsmoglichkeiten der Isochinolin- einheiten eine Menge von vornherein aus- geschlossen werden. Oxyacanthin und Berb-

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amin besitzen die in Formelbild 8 gezeigte Konstitution. Sie wurde aufgeklart durch Hofmann-Abbau zur Bis-Stilbenbase (For- melbild 9) und ozonolytische Spaltung dieses Produktes in saurer Losung in einen stick- stoffhaltigen und einen neutralen Diphenyl- ather und Synthese der erhaltenen Spalt- stiicke. In einer Publikation auflerten die Japaner Kondo und M.Tomita massive Zwei- fel an den erhaltenen Ergebnissen, inzwi- schen sind jedoch diese Formeln Iangst an- erkannt .

Wahrend die Bis-Stilbenbase beim Oxyacan- thin in guter Ausbeute anfallt, betragt die Ausbeute beim Berbamin nur 10 '%, denn der Hofmann-Abbau verlauft bevorzugt in ande- rer Richtung. In meiner Doktorarbeit habe ich deswegen untersucht, ob die Spaltung des Berbamins mit Chlorameisensaureathylester, die nur die Benzylaminbindung offnet, zu besseren Ergebnissen fiihrt. Dies ist jedoch nicht der Fall, ebensowenig wie beim spater von Christoph Schafer versuchten Brom- cyanabbau. Der Grund dafur ist, dai3 sich bei Berbamin aus sterischen Grunden nur auf einer Seite des Molekuls eine koplanare trans- Stilbengruppierung ausbilden kann.

Im Jahre 1929 erhielten von Bruchhausen und H. Schultze beim Eindampfen einer Losung von Oxyacanthinmonohydrogen- chlorid ein neues Alkaloid, das die Ebene des polarisierten Lichtes im Gegensatz zum stark rechtsdrehenden Oxyacanthin nach links drehte. Dieses Alkaloid wurde 1948 von Bick und Todd als Naturstoff in Daphnandra repandula aufgefunden, als optisches Isomer des Oxyacanthins erkannt und Repandin benannt. Die Autoren nahmen nun an, Repandin kame zusammen rnit Oxyacanthin in der Berberitze vor und sei friiher iibersehen worden. Aus phylogeneti- schen Uberlegungen - die Pflanze bevorzugt namlich sterisch einheitliche Produkte - widersprach von Bruchhausen dieser Ansicht und erklarte die Entstehung von Repandin aus Oxyacanthin durch Waldensche Umkehr an dem der freien Aminogruppe benachbar- ten Chiralitatszentrum, hervorgerufen durch intermediare Ringoffnung und Realkylie- rung. Er setzte diese Reaktion in Analogie zur Bildung von Diphenylamin beim Er- hitzen von Anilin mit seinem Hydrochlorid.

Die Bildung von Repandin aus Oxyacanthin unter den von vonBruchhausen und Schultze angewandten Bedingungen wurde inzwi- schen von verschiedenen Arbeitskreisen be-

statigt. Die von Battersby und Bick fest- hydrierten Phaeantharin wurden dabei DL- gelegte Konfiguration zeigt Formelbild 10. N-Methylcoclaurin und DL-Armepavin- Kurz vor Abschlufl meiner Dissertation methylather erhalten, der noch weiter abge- wurde uns von Alfredo C. Santos aus baut wurde (Formelbild 11). Nachdem durch Quezon City (Philippinen), einem Schiiler konduktometrische Titration nachgewiesen von Bruchhausens, in kleiner Menge ein von ihm aus Phaeanthus ebracteolatus isoliertes Alkaloid zur Konstitutionsaufklarung uber- sandt, dem er den Namen Phaeantharin gege- ben hatte. Phaeantharin gibt rnit Alkalien eine intensiv gelbe Fallung. Diese Reaktion und die optische Inaktivitat des Alkaloides lieflen von Bruchhausen einen mitgesandten Strukturvorschlag als bisquartares Tetra- hydroisochinolinderivat sofort verwerfen. In Kombination mit spektroskopischen Me- thoden brachte eine sehr elegante Spaltungs- methode des hydrierten Alkaloids die KB- rung seiner Konstitution. Diese Methode, 1938 von Sowa entwickelt, 1950 von Manske erstmalig auf dem Alkaloidgebiet angewandt und von Tomita auf Diphenylatheralkaloide ubertragen, besteht in der selektiven Spal- tung von Diphenylathern mit metallischem Natrium in fliissigem Ammoniak. Aus dem

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war, dai3 im Phaeantharin zwei Immonium- gruppierungen vorlagen, konnte in Verbin- dung mit den IR- und UV-Spektren die in Formelbild 11 gezeigte Konstitution abge- leitet werden. Phaeantharin ist bis heute das einzige bekannte vollaromatische Diphenyl- atheralkaloid.

1960 gelang zusammen mit Christoph Schafer und Gertrudes Aguilar-Santos die Isolierung eines neuen Alkaloides aus Pycnarrhena manilensis, das den Namen Pycnamin erhielt. Es konnte durch Abbaureaktionen als dia- stereomer mit Berbamin erkannt werden, Formelbild 12 zeigt die Stereochemie. Die Formel wurde noch im gleichen Jahr von I. R. C. Bick aufgrund von NMR-Untersu- chungen bestatigt.

Die Liste der von Friedrich von Bruchhausen erfolgreich bearbeiteten Alkaloide ist statt- lich. Wenn auch in einigen Fallen schon umfangreiche Vorarbeiten geleistet waren, so ist es doch sein Verdienst, durch geistvolle Oberlegungen und wenige gezielte Versuche die endgiiltige Konstitution ermittelt zu haben. Folgende Alkaloide wurden erfolg- reich bearbeitet:

10-Ring-Alkaloide: Corycavin, Corycav- amin, Corycavidin, Protopin.

Benzophenanthridine: Chelidonin, San- guinarin.

Diphenylatheralkaloide : Oxyacanthin, Berb- amin, Repandin, Phaeantharin, Pycnamin.

Das zweite Arbeitsgebiet Friedrich von

Bruchhausens hat stickstofffreie Naturstoffe zum Inhalt. Cantharidin, der Wirkstoff von Lytta vesicatoria, war von Gadamer entgegen den bis dahin bestehenden Formeln als sym- metrisches Saureanhydrid erkannt worden. Von drei moglichen Formeln hat er selbst die richtige postuliert, ohne sie allerdings beweisen zu konnen. Als sich von Bruch-

hausen im Jahre 1928 zusammen mit Hans Werner Bersch dieses Problems annahm, war gerade ein Jahr vorher von Diels und Alder die Diensynthese publiziert worden. Von Bruchhausen und Bersch griffen dieses inter- essante Syntheseverfahren sofort auf und versuchten, damit die Struktur des Canthari- dins durch dessen Synthese zu beweisen.

Die Versuche gelangen jedoch nur bei Proto- cantharidin, dessen Dehydroprodukt aus Furan und Maleinsaureanhydrid erhalten wurde. Bei Einsatz von Dimethylmalein- saureanhydrid versagte das Verfahren. Heute wei8 man, da8 die Diels-Alder-Synthese, falls sie gelungen ware, nicht Cantharidin, sondern das unnatiirliche endo-Produkt ge-

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liefert hatte. Aber eine andere Beobachtung fuhrte zum Ziel. Es wurde namlich gefunden, dai? das aus der Dien-Synthese erhaltene Dehydroprotocantharidin beim Erhitzen in einer Retro-Diels-Alder-Reaktion zu Malein- saureanhydrid und Furan zuruckgespalten wird. Cantharidin ist bis 400°C stabil, bei Behandlung mit Pd/C erfolgt jedoch bei 280" C Dehydrierung zu Dehydrocantharidin und anschlieflend eine analoge Retro-Diels- Alder-Reaktion, die zu Furan und Dimethyl- maleinsaureanhydrid fuhrt (Formelbild 13). Damit war die bereits von Gadamer postu- lierte Struktur des Cantharidins bewiesen.

Zusammen rnit Heinz Hoffmann gelang 1941 die Synthese des Furocumarinderivates Oreo- solon. Die Synthese dieses Umbelliferen- Inhaltsstoffes war schon mehrfach erfolglos versucht worden, unter anderem auch von Ernst Spath (1931/32). Die Schwierigkeiten beginnen schon in der ersten Synthesestufe. Die 7-Hydroxycumarincarbonsaure-(6) lief3 sich nicht in das Saurechlorid verwandeln. Dies gelang jedoch durch den Kunstgriff einer Abfangreaktion durch gleichzeitige Umsetzung mit Thionylchlorid und Pro- pionylchlorid, wobei gleichzeitig Acylierung der Phenolgruppe und Bildung des Saure- chlorids eintrat, das dann mit Diazomethan in das Diazoketon verwandelt wurde (For- melbild 14). Hieraus wurde mit Essigsaure/ HCI das Cumaranon erhalten, das durch Kondensation rnit Aceton und selektive Hydrierung in waf3rigem Pyridin in Oreo- solon verwandelt wurde.

Zusammen mit H. Gerhard wurde 1939 die Konstitution des Asarinins geklart, eines von Huang-Minlon 1937 aus Asarum-Arten isolierten Lignans. Von 3 in Frage kommen- den Formeln (1-111, Formelbild 15) hatte Erdtmann bereits die richtige vorgeschlagen, ohne sie jedoch beweisen zu konnen. Der Strukturbeweis gelang aus den Ergebnissen der katalytischen Hydrierung. Mit Pt in Eis- essig wurden 8 Mol Wasserstoff aufgenom- men, rnit Pd/Kohle dagegen nur 2 Mol. Der Verbrauch von 8 Mol Wasserstoff entspricht der Hydrierung von 2 aromatischen Ringen und der hydrogenolytischen Spaltung von 2 Xthergruppen. Mit Pd/Kohle werden die aromatischen Ringe nicht angegriffen, es wer- den 2 Mol H, fur die Ather-Hydrogenolyse verbraucht, und es mussen demnach zwei Benzylathergruppierungen vorliegen; dabei wird das in Formelbild 15 gezeigte Diol erhalten. Hieraus lai3t sich fur Asarinin die Struktur 111 ableiten. Gleichzeitig ist damit

die Struktur von Sesamin bekannt. Asarinin und Sesamin sind Diastereomere, und zwar ist Asarinin die (-)-trans- und Sesamin die (+)-cis-Verbindung. Weiter ergab sich aus diesen Untersuchen die Struktur von Eudes- min, das im Eucalyptus vorkommt und anstelle der Methylendioxygruppierungen 4 Methoxygruppen besitzt, und die Struktur des in Pinus-Arten vorkommenden Pinore- sinols, in dem neben 2 Methoxy- 2 Phenol- gruppen vorliegen.

Mit Klaus Lingner gelang 1957 die Synthese des Asarinins und des Sesamins auf einem ebenso eleganten wie ungewohnlichen Wege, und zwar durch doppelten anormalen Hof- mann-Abbau des in Formelbild 16 gezeigten bis-Trimethylammoniumdiols, der unter doppeltem Ringschlui? direkt zu den ge- wunschten Produkten fuhrt.

Die analytischen Arbeiten Friedrich von Bruchhausens dienten im wesentlichen der Entwicklung von Analysenmethoden fur das Deutsche Arzneibuch, die auch fur das Apo- thekenlaboratorium geeignet waren. So wurde eine maflanalytische Bestimmung von COz in Carbonaten, eine Bestimmung von Jod und Kaliumjodid in Jodtinktur und eine Gehaltsbestimmung von Sublimat erarbeitet, ferner eine Methode zur Bestimmung von Acetaldehyd in Paraldehyd und eine Mikro- bestimmung von Glycerin auf jodometri- schem Wege. Als Urtiter fur die Acidimetrie wurde Borax vorgeschlagen. Weitere analyti- sche Arbeiten beschaftigen sich mit einer Verfalschung des Santonins, mit einer toxiko- logischen Chrombestimmung und mit der Unterscheidung von PAS von 5-Amino- salicylsaure, die eines Tages im Handel auf- tauchte.

In seinen Arbeiten zeigt sich Friedrich von Bruchhausen als ein Forscher, der aus bereits vorliegenden Ergebnissen und wenigen ge- zielten Versuchen weitreichende Schlusse ziehen konnte. Bei der Versuchsplanung wurden biogenetische Oberlegungen weit- gehend beriicksichtigt, was von vornherein zu einer wesentlichen Einschrankung der an sich moglichen Konstitutionen fuhrte.

Wie das Beispiel des Cantharidins zeigt, machte sich Friedrich von Bruchhausen neueste Forschungsergebnisse umgehend zu eigen und setzte sie bei der Arbeitsplanung ein. Er zeichnete sich aus durch einen Blick fur das Wesentliche, durch schnelles Erfassen der Lage und Scharfsinn in Diskussionen.

Er war daher ein angesehener, manchmal aber auch gefurchteter Diskussionsredner.

Seinen Kollegen imponierte von Bruchhausen durch eine ungewohnlich umfassende Kennt- nis seines Fachgebietes und durch die Aus- gewogenheit seines Urteils. Er war ein steter Forderer der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, von 1950-1963 hat er als Schriftleiter des Archivs der Pharmazie dieser traditionsreichen wissenschaftlichen Zeit- schrift wieder zu Ansehen im In- und Aus- land verholfen.

Vielleicht geht es auf seine eigene kurze Tatigkeit als Offizinapotheker zuruck, dafl sich Friedrich von Bruchhausen sein Leben lang mit der praktischen Pharmazie eng ver- bunden fuhlte. Wegen seiner unbestechlichen Gerechtigkeit, verbunden mit vie1 Sinn fur Humor und fur einen guten Tropfen, war er trotz hoher Anforderungen bei seinen Mit- arbeitern und Studenten ungewohnlich be- liebt. So rundet sich das Bild eines erfolg- reichen Forschers, eines hochangesehenen und verehrten akademischen Lehrers und eines giitigen Menschen, ein Vorbild fur die nachfolgende Generation.

Prof. Dr. Joachim Knabe, geb. am 18. 1.1921 in Wilsdruff/Dresden. Studium der Phar- mazie und der Lebensmittelchemie in Braun- schweig. 1950 pharmazeutische Prufung, 1952 Lebensmittelchemiker-Hauptprufung. 1954 Promotion ,,Ober Diphenylatheralka- loide". 1959 Habilitation in Braunschweig. Seit 1965 Direktor des Instituts fur Phar- mazeutische Chemie der Universitat des Saarlandes.

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