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Freitag, 24. Juli 2015 Schweiz 3 Bild: ky/Ga¨ etan Bally Der gesetzgeberische Eifer schade der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, warnt Avenir Suisse. Bild: ky Andrea Caroni Nationalrat (FDP/AR) Kampfansage an Regulierungswut Die Wirtschaft klagt über den Gesetzgebungseifer in Bundesbern. Bürgerliche wie die FDP möchten den legislatorischen Wildwuchs stoppen. Das ist einfacher gesagt als getan – auch weil Politiker sich nicht an ihre Sonntagsreden halten. TOBIAS GAFAFER BERN. Das Fazit von Avenir Suisse, der Denkfabrik der Wirt- schaft, ist so beeindruckend wie beunruhigend. Jedes Jahr kom- men 7000 Seiten mit neuem Bundesrecht hinzu, pro Woche macht das etwa 140 Seiten – und das bloss auf Bundesebene, ohne Kantone und Gemeinden sowie Behörden wie die Finanzmarkt- aufsicht. Die Regulierungswut sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gefährlich, warnte Avenir Suisse bereits 2014. Die Aufgabe des Euro-Mindestkur- ses Anfang Jahr hat den Druck auf die Wirtschaft verstärkt und den Ruf nach einer Deregulie- rung befeuert. Nun nehmen Na- tionalrat Andrea Caroni und sei- ne Partei, die FDP, den Ball auf. Der Ausserrhoder traf sich jüngst mit Experten von Avenir Suisse und bringt einige der Forderun- gen mit Vorstössen in Bern ein. Regulierungsbremse für Bund Zum einen fordern Caroni und seine Partei ein unabhängi- ges Organ, um die Abschätzung der Folgen von Regulierungen zu überprüfen, welche die Verwal- tung teilweise vornimmt. Die Kosten der Vorlagen des Bundes sollen einheitlich erhoben und offengelegt werden. Die Verfah- ren seien zu kompliziert und dauerten zu lange. Zum anderen verlangt Caroni in Anlehnung an die Schuldenbremse, dass der Bundesrat eine Regulierungs- bremse prüft. Denkbar sei, dass Bern für jede neue Regelung eine bestehende streichen müsse. Die Deregulierung gehört zu den Kernforderungen des Schul- terschlusses der Präsidenten der CVP, FDP und SVP vom März. Trotzdem sind Bürgerliche von Caronis Plänen wenig begeistert: Nationalrat Gerhard Pfister (CVP/ZG) etwa stimmt ihm zwar grundsätzlich zu. «Die Idee, dass eine unabhängige Stelle die Fol- gekosten überprüft, ist gut.» Er fürchtet aber, dass der adminis- trative Aufwand damit bloss noch weiter zunehmen könnte. Und Nationalrat Jean-Fran¸ cois Rime (SVP/FR), Präsident des Gewerbeverbands (SGV), spricht von einem Wahlkampf-Manöver, wenngleich er den Vorschlag be- grüsst. Der SGV vertrete seit län- gerem ähnliche Forderungen. Dessen Vizepräsident, Ständerat Jean-Ren´ e Fournier (CVP/VS), verlangt, dass der Bundesrat un- nötige Regulierungskosten so- fort senkt. Im Juni nahm der Ständerat seinen Vorstoss gegen den Willen der Regierung an. Schneider-Ammann läuft auf Bundesrat Johann Schneider- Ammann hat als Ex-Industrieller zwar Gehör für die Anliegen der Wirtschaft. Doch oft kann er sich nicht durchsetzen. Vor dem Sommer wollte der Magistrat laut «Le Matin Dimanche» der Regierung tatsächlich eine Art Regulierungsbremse vorschla- gen; nach kritischen Mitberich- ten aus anderen Departementen sei er aber zurückgekrebst. Bis- weilen will der Bundesrat gegen den Willen Schneider-Ammanns sogar mehr regulieren, etwa mit Frauenquoten für grosse Firmen. So oder so ist die Deregulie- rung meist nicht einfach um- setzbar. In der Antwort auf Four- niers Vorstoss schreibt der Bun- desrat, dass häufig die Kantone zuständig seien. Relativ kurzfris- tig umsetzbar wären der Ein- heitssatz bei der Mehrwertsteuer und die Aufhebung von Steuer- vergünstigungen. Das lehnte der Nationalrat 2011 ab. Doch auch der Bundesrat tut offenkundig nicht immer, was er könnte. Das Landwirtschaftsamt etwa sam- melte unlängst erst nach Druck aus dem Parlament rund 100 Massnahmen für den Abbau der Bürokratie, bis Ende Jahr soll der Bundesrat entscheiden. Bürgerliche Parlamentarier tragen ebenso ihren Teil zum ge- setzgeberischen Aktivismus bei. Fast in jeder Session stimmen sie Vorlagen zu oder reichen Vor- stösse ein, die gewisse Bereiche stärker regulieren wollen. Zurzeit fordern Politiker der FDP und SVP etwa eine Regelung des Wei- terverkaufs von Konzerttickets. Nicht jedes Problem regeln Gerhard Pfister nimmt denn auch die Politiker in die Pflicht. Nicht für jedes Problem brauche es ein Gesetz. Das gelte auch für Andrea Caroni, der von den Lob- byisten im Bundeshaus mehr Transparenz verlange, sagt Pfis- ter. Caroni sieht dagegen ein Problem bei den vielen Interes- senvertretern im bürgerlichen Lager: «Sie fordern eine freie Wirtschaft, bremsen aber, sobald es um die eigene Branche geht.» Bedingte Geldstrafe für «Vignettenbschiss» URS-PETER INDERBITZIN LAUSANNE. Wer eine Autobahn- vignette auf eine Klarsichtfolie klebt und an der Windschutz- scheibe anbringt, ist wegen Ver- fälschung eines amtlichen Wert- zeichens zu bestrafen, und zwar selbst dann, wenn er (noch) nicht auf der Autobahn gefahren ist. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichts hervor. Auf Folie geklebt Es geht um einen Mann aus Monaco, der im August 2013 von Evian (Frankreich) mit dem Boot nach Lausanne fuhr und dort eine Vignette und Klarsichtfolie kaufte. Zurück in Evian, löste er die Vignette vom Trägerpapier und klebte diese auf die Folie, die er anschliessend entlang den Konturen der Vignette sorgfältig abschnitt. Die so präparierte Vignette brachte er an seinem Auto an und fuhr in Richtung Schweiz. Beim Grenzübertritt wurde der Mann von den Zöll- nern gefilzt und die Manipula- tion der Vignette wurde entdeckt. Das Bundesstrafgericht verurteil- te den Vignettensünder wegen Verfälschung amtlicher Wertzei- chen zu einer bedingten Geld- strafe von zehn Tagen zu je 100 Franken, verzichtete aber im Ge- gensatz zur Bundesanwaltschaft auf eine Busse von 200 Franken. Motiv spielt keine Rolle Das Bundesgericht hat die Verurteilung des Lenkers nun bestätigt. Für die Richter ist klar, dass dieser eine Verfälschung amtlicher Wertzeichen began- gen hat. Eine Autobahnvignette gilt von Gesetzes wegen als ent- wertet, wenn sie nach dem Ent- fernen vom Trägerpapier nicht direkt am Fahrzeug angebracht wird. Die Vignette verliert mit andern Worten ihren Wert, wenn sie auf eine Klarsichtfolie geklebt wird. Mit dem Anbringen der präparierten Vignette auf der Frontscheibe hat der Lenker den falschen Eindruck erweckt, dass es sich um eine gültige Vignette handelt. Keine Rolle spielt laut dem Urteil, ob der Lenker mit seinem Vorgehen nur eine Beschädigung der Windschutz- scheibe beim späteren Abkrat- zen vermeiden wollte oder ob er die Vignette auf einem andern Fahrzeug verwenden oder einem Dritten weiterverkaufen wollte. SVP will Islam-Institut kippen Die SVP des Kantons Freiburg hat eine Verfassungsinitiative gegen das Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität eingereicht. FREIBURG. Mit der Initiative will die Partei die von ihr befürchtete Ausbildung von Imamen verhin- dern. Die Initiative sei mit 9133 Unterschriften eingereicht wor- den, teilte die Freiburger Staats- kanzlei gestern mit. Im Kanton Freiburg sind 6000 gültige Unter- schriften nötig, damit eine Volks- initiative zustande kommt. Kein Gegenvorschlag möglich Die Staatskanzlei prüft nun die eingereichten Unterschrif- ten. Innerhalb von 90 Tagen gibt sie bekannt, ob das Initiativ- begehren zustande gekommen ist. Dann übermittelt der Staats- rat die Initiative dem Kantons- parlament zur Behandlung in einer Session Anfang 2016. Erklärt der Grosse Rat die Initiative für gültig, wird die Vor- lage dem Volk binnen Jahresfrist unterbreitet. Da die Initiative in Form einer allgemeinen Anre- gung vorliegt, kann der Grosse Rat keinen Gegenvorschlag er- arbeiten. Die Initiative verlangt, «dass eine einzufügende Rechts- grundlage untersagt, das geplan- te Zentrum Islam und Gesell- schaft und somit jegliche staat- liche Imam-Ausbildung einzu- führen». Zentrum bereits aktiv Das Freiburger Islamzentrum ist jedoch kein Projekt mehr, sondern besteht bereits. Anfang Jahr nahm das zur Theologi- schen Fakultät der Uni gehören- de Institut seine Arbeit auf. Es wurden im Sommersemester erste Kurse angeboten. Ab Sep- tember wird Serdar Kurnaz neu- er Co-Leiter des Zentrums an der Seite von Hansjörg Schmid. Kürzlich wurde zudem bekannt, dass die Stiftung Mercator das Zentrum in den nächsten sechs Jahren mit 1,4 Mio. Franken unterstützt. Konkret gefördert wird das Doktoratsprogramm des Zentrums. Das Islamzen- trum will sich dem christlich- moslemischen Dialog widmen. Es bietet Weiterbildungen an für Personen, die aus beruflichen Gründen mit Moslems im Kon- takt stehen. Die Freiburger SVP hatte bereits Ende Januar den Entschluss gefasst, mit einer In- itiative gegen das Institut vorzu- gehen. Für eine Verfassungs- initiative entschied sich die Par- tei, weil sie mit einer Initiative auf Gesetzesstufe Gefahr gelau- fen wäre, mit dem Gesetz über die Autonomie der Universität in Konflikt zu geraten. (sda) Beznau 2 bleibt weiter am Netz DÖTTINGEN. Das AKW Beznau 2 in Döttingen im Kanton Aargau muss nicht vorzeitig vom Netz. Das hat die Atomaufsichtsbehör- de Ensi entschieden. Der Reaktor könne bis zum Beginn der Revi- sion Mitte August weiterbetrie- ben werden. Am Reaktordruck- behälter von Beznau 1 waren Materialfehler festgestellt wor- den. Die AKW-Betreiberin Axpo habe plausibel nachweisen kön- nen, dass die Sicherheit ausrei- chend gewährleistet sei − selbst unter der Annahme, dass der Reaktordruckbehälter von Bez- nau 2 ähnliche Materialfehler aufweise wie Beznau 1. Das teilte das Eidgenössische Nuklearsi- cherheitsinspektorat (Ensi) ges- tern auf seiner Website mit. Weil Beznau 2 über relativ grosse Margen bei der Sprödbruchsi- cherheit des Reaktordruckbehäl- ters verfügt, ist laut Ensi die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls für die drei Wochen bis zum ge- planten Revisionsstillstand auch mit den angenommenen Fehlern «äusserst gering». (sda) Weniger Geld in die Forschung BERN. Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung sind 2014 erstmals seit acht Jah- ren gesunken und wieder unter die Schwelle von 2 Milliarden gefallen. Hauptgrund dafür ist die Annahme der Massenein- wanderungs-Initiative der SVP. Nach dem Ja vom 9. Februar 2014 stellte die EU vorüber- gehend ihre Zusammenarbeit im Bereich der Forschung ein. Die Beiträge des Bundes an die EU- Kommission gingen deshalb stark zurück. Von 453 Mio. Fran- ken im Jahr 2012 sanken sie auf 77 Mio., wie das Bundesamt für Statistik (BFS) gestern mitteilte. Insgesamt gab der Bund 2014 für Forschung und Entwicklung 1,966 Milliarden Franken aus. Gegenüber der letzten Erhebung von 2012 bedeutet dies ein Minus von 7 Prozent. Nach einem leichten Taucher im Jahr 2006 waren die Aufwendungen stark angestiegen und hatten 2012 erstmals die 2-Milliarden- Grenze überschritten. (sda) Der Schweiz den Rücken gekehrt BERN. Im letzten Halbjahr sind deutlich mehr Ausländer ausge- wandert. Dadurch stieg die Zahl der in der Schweiz lebenden Ausländer weniger stark als in der Vorjahresperiode. 33 646 Menschen ohne Schweizer Pass zogen zwischen Januar und Juni wieder weg. Das sind 8,3 Prozent mehr als im ers- ten Halbjahr 2014. Mit Abstand die meisten Auswanderer sind deutscher Nationalität. Über 7000 Deutsche haben im letzten Halbjahr die Schweiz verlassen, wie das Staatssekretariat für Migration gestern mitteilte. Viele dürften in ihre Heimat zurück- gekehrt sein. «In Deutschland werden wieder mehr Stellen ge- schaffen. Das erleichtert natür- lich die Rückkehr», sagte Volks- wirtschaftsprofessor Jan-Egbert Sturm von der KOF Konjunktur- forschungsstelle der ETH Zürich. Den Hauptgrund ortet Sturm aber im Gefühl, in der Schweiz weniger willkommen zu sein als auch schon. Die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative sei ein Grund für dieses Gefühl. Gleichzeitig wanderten zwi- schen Januar und Juni insgesamt rund 52 000 Menschen in die Schweiz ein. (sda) Bild: ky/Dominic Steinmann Die Initiative wurde mit über 9000 Unterschriften eingereicht.

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Page 1: Freitag,24.Juli2015 KampfansageanRegulierungswut · 2015-07-25 · Freitag,24.Juli2015 Schweiz 3 Bild: ky/Ga¨etan Bally Der gesetzgeberische Eifer schade der Wettbewerbsfähigkeit

Freitag, 24. Juli 2015 Schweiz 3

Bild: ky/Gaetan Bally

Der gesetzgeberische Eifer schade der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, warnt Avenir Suisse.

Bild: ky

Andrea CaroniNationalrat (FDP/AR)

Kampfansage an RegulierungswutDie Wirtschaft klagt über den Gesetzgebungseifer in Bundesbern. Bürgerliche wie die FDP möchten den legislatorischenWildwuchs stoppen. Das ist einfacher gesagt als getan – auch weil Politiker sich nicht an ihre Sonntagsreden halten.TOBIAS GAFAFER

BERN. Das Fazit von AvenirSuisse, der Denkfabrik der Wirt-schaft, ist so beeindruckend wiebeunruhigend. Jedes Jahr kom-men 7000 Seiten mit neuemBundesrecht hinzu, pro Wochemacht das etwa 140 Seiten – unddas bloss auf Bundesebene, ohneKantone und Gemeinden sowieBehörden wie die Finanzmarkt-aufsicht. Die Regulierungswutsei für die Wettbewerbsfähigkeitder Schweiz gefährlich, warnteAvenir Suisse bereits 2014. DieAufgabe des Euro-Mindestkur-ses Anfang Jahr hat den Druckauf die Wirtschaft verstärkt undden Ruf nach einer Deregulie-rung befeuert. Nun nehmen Na-tionalrat Andrea Caroni und sei-ne Partei, die FDP, den Ball auf.Der Ausserrhoder traf sich jüngstmit Experten von Avenir Suisseund bringt einige der Forderun-gen mit Vorstössen in Bern ein.

Regulierungsbremse für Bund

Zum einen fordern Caroniund seine Partei ein unabhängi-ges Organ, um die Abschätzungder Folgen von Regulierungen zuüberprüfen, welche die Verwal-tung teilweise vornimmt. DieKosten der Vorlagen des Bundessollen einheitlich erhoben undoffengelegt werden. Die Verfah-ren seien zu kompliziert unddauerten zu lange. Zum anderenverlangt Caroni in Anlehnung andie Schuldenbremse, dass derBundesrat eine Regulierungs-bremse prüft. Denkbar sei, dassBern für jede neue Regelung einebestehende streichen müsse.

Die Deregulierung gehört zuden Kernforderungen des Schul-terschlusses der Präsidenten derCVP, FDP und SVP vom März.Trotzdem sind Bürgerliche vonCaronis Plänen wenig begeistert:Nationalrat Gerhard Pfister(CVP/ZG) etwa stimmt ihm zwargrundsätzlich zu. «Die Idee, dasseine unabhängige Stelle die Fol-gekosten überprüft, ist gut.» Erfürchtet aber, dass der adminis-trative Aufwand damit blossnoch weiter zunehmen könnte.Und Nationalrat Jean-Francois

Rime (SVP/FR), Präsident desGewerbeverbands (SGV), sprichtvon einem Wahlkampf-Manöver,wenngleich er den Vorschlag be-grüsst. Der SGV vertrete seit län-gerem ähnliche Forderungen.Dessen Vizepräsident, StänderatJean-Rene Fournier (CVP/VS),verlangt, dass der Bundesrat un-nötige Regulierungskosten so-fort senkt. Im Juni nahm derStänderat seinen Vorstoss gegenden Willen der Regierung an.

Schneider-Ammann läuft auf

Bundesrat Johann Schneider-Ammann hat als Ex-Industriellerzwar Gehör für die Anliegen derWirtschaft. Doch oft kann er sichnicht durchsetzen. Vor demSommer wollte der Magistratlaut «Le Matin Dimanche» der

Regierung tatsächlich eine ArtRegulierungsbremse vorschla-gen; nach kritischen Mitberich-ten aus anderen Departementensei er aber zurückgekrebst. Bis-weilen will der Bundesrat gegenden Willen Schneider-Ammannssogar mehr regulieren, etwa mitFrauenquoten für grosse Firmen.

So oder so ist die Deregulie-rung meist nicht einfach um-setzbar. In der Antwort auf Four-niers Vorstoss schreibt der Bun-desrat, dass häufig die Kantonezuständig seien. Relativ kurzfris-tig umsetzbar wären der Ein-heitssatz bei der Mehrwertsteuerund die Aufhebung von Steuer-vergünstigungen. Das lehnte derNationalrat 2011 ab. Doch auchder Bundesrat tut offenkundignicht immer, was er könnte. DasLandwirtschaftsamt etwa sam-melte unlängst erst nach Druckaus dem Parlament rund 100Massnahmen für den Abbau derBürokratie, bis Ende Jahr soll derBundesrat entscheiden.

Bürgerliche Parlamentariertragen ebenso ihren Teil zum ge-setzgeberischen Aktivismus bei.

Fast in jeder Session stimmen sieVorlagen zu oder reichen Vor-stösse ein, die gewisse Bereichestärker regulieren wollen. Zurzeitfordern Politiker der FDP undSVP etwa eine Regelung des Wei-terverkaufs von Konzerttickets.

Nicht jedes Problem regeln

Gerhard Pfister nimmt dennauch die Politiker in die Pflicht.Nicht für jedes Problem brauchees ein Gesetz. Das gelte auch fürAndrea Caroni, der von den Lob-byisten im Bundeshaus mehrTransparenz verlange, sagt Pfis-ter. Caroni sieht dagegen einProblem bei den vielen Interes-senvertretern im bürgerlichenLager: «Sie fordern eine freieWirtschaft, bremsen aber, sobaldes um die eigene Branche geht.»

Bedingte Geldstrafefür «Vignettenbschiss»URS-PETER INDERBITZIN

LAUSANNE. Wer eine Autobahn-vignette auf eine Klarsichtfolieklebt und an der Windschutz-scheibe anbringt, ist wegen Ver-fälschung eines amtlichen Wert-zeichens zu bestrafen, und zwarselbst dann, wenn er (noch)nicht auf der Autobahn gefahrenist. Dies geht aus einem Urteildes Bundesgerichts hervor.

Auf Folie geklebt

Es geht um einen Mann ausMonaco, der im August 2013 vonEvian (Frankreich) mit dem Bootnach Lausanne fuhr und dorteine Vignette und Klarsichtfoliekaufte. Zurück in Evian, löste erdie Vignette vom Trägerpapierund klebte diese auf die Folie, dieer anschliessend entlang denKonturen der Vignette sorgfältigabschnitt. Die so präparierteVignette brachte er an seinemAuto an und fuhr in RichtungSchweiz. Beim Grenzübertrittwurde der Mann von den Zöll-nern gefilzt und die Manipula-tion der Vignette wurde entdeckt.Das Bundesstrafgericht verurteil-te den Vignettensünder wegenVerfälschung amtlicher Wertzei-

chen zu einer bedingten Geld-strafe von zehn Tagen zu je 100Franken, verzichtete aber im Ge-gensatz zur Bundesanwaltschaftauf eine Busse von 200 Franken.

Motiv spielt keine Rolle

Das Bundesgericht hat dieVerurteilung des Lenkers nunbestätigt. Für die Richter ist klar,dass dieser eine Verfälschungamtlicher Wertzeichen began-gen hat. Eine Autobahnvignettegilt von Gesetzes wegen als ent-wertet, wenn sie nach dem Ent-fernen vom Trägerpapier nichtdirekt am Fahrzeug angebrachtwird. Die Vignette verliert mitandern Worten ihren Wert, wennsie auf eine Klarsichtfolie geklebtwird. Mit dem Anbringen derpräparierten Vignette auf derFrontscheibe hat der Lenker denfalschen Eindruck erweckt, dasses sich um eine gültige Vignettehandelt. Keine Rolle spielt lautdem Urteil, ob der Lenker mitseinem Vorgehen nur eineBeschädigung der Windschutz-scheibe beim späteren Abkrat-zen vermeiden wollte oder ob erdie Vignette auf einem andernFahrzeug verwenden oder einemDritten weiterverkaufen wollte.

SVP will Islam-Institut kippenDie SVP des Kantons Freiburg hat eine Verfassungsinitiative gegendas Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität eingereicht.FREIBURG. Mit der Initiative willdie Partei die von ihr befürchteteAusbildung von Imamen verhin-dern. Die Initiative sei mit 9133Unterschriften eingereicht wor-den, teilte die Freiburger Staats-kanzlei gestern mit. Im KantonFreiburg sind 6000 gültige Unter-schriften nötig, damit eine Volks-initiative zustande kommt.

Kein Gegenvorschlag möglich

Die Staatskanzlei prüft nundie eingereichten Unterschrif-ten. Innerhalb von 90 Tagen gibtsie bekannt, ob das Initiativ-begehren zustande gekommenist. Dann übermittelt der Staats-rat die Initiative dem Kantons-parlament zur Behandlung ineiner Session Anfang 2016.

Erklärt der Grosse Rat dieInitiative für gültig, wird die Vor-lage dem Volk binnen Jahresfristunterbreitet. Da die Initiative inForm einer allgemeinen Anre-gung vorliegt, kann der GrosseRat keinen Gegenvorschlag er-arbeiten. Die Initiative verlangt,«dass eine einzufügende Rechts-grundlage untersagt, das geplan-te Zentrum Islam und Gesell-schaft und somit jegliche staat-

liche Imam-Ausbildung einzu-führen».

Zentrum bereits aktiv

Das Freiburger Islamzentrumist jedoch kein Projekt mehr,sondern besteht bereits. AnfangJahr nahm das zur Theologi-schen Fakultät der Uni gehören-de Institut seine Arbeit auf. Eswurden im Sommersemestererste Kurse angeboten. Ab Sep-tember wird Serdar Kurnaz neu-er Co-Leiter des Zentrums an derSeite von Hansjörg Schmid.Kürzlich wurde zudem bekannt,dass die Stiftung Mercator dasZentrum in den nächsten sechsJahren mit 1,4 Mio. Franken

unterstützt. Konkret gefördertwird das Doktoratsprogrammdes Zentrums. Das Islamzen-trum will sich dem christlich-moslemischen Dialog widmen.Es bietet Weiterbildungen an fürPersonen, die aus beruflichenGründen mit Moslems im Kon-takt stehen. Die Freiburger SVPhatte bereits Ende Januar denEntschluss gefasst, mit einer In-itiative gegen das Institut vorzu-gehen. Für eine Verfassungs-initiative entschied sich die Par-tei, weil sie mit einer Initiativeauf Gesetzesstufe Gefahr gelau-fen wäre, mit dem Gesetz überdie Autonomie der Universität inKonflikt zu geraten. (sda)

Beznau 2 bleibtweiter am NetzDÖTTINGEN. Das AKW Beznau 2 inDöttingen im Kanton Aargaumuss nicht vorzeitig vom Netz.Das hat die Atomaufsichtsbehör-de Ensi entschieden. Der Reaktorkönne bis zum Beginn der Revi-sion Mitte August weiterbetrie-ben werden. Am Reaktordruck-behälter von Beznau 1 warenMaterialfehler festgestellt wor-den. Die AKW-Betreiberin Axpohabe plausibel nachweisen kön-nen, dass die Sicherheit ausrei-chend gewährleistet sei − selbstunter der Annahme, dass derReaktordruckbehälter von Bez-nau 2 ähnliche Materialfehleraufweise wie Beznau 1. Das teiltedas Eidgenössische Nuklearsi-cherheitsinspektorat (Ensi) ges-tern auf seiner Website mit. WeilBeznau 2 über relativ grosseMargen bei der Sprödbruchsi-cherheit des Reaktordruckbehäl-ters verfügt, ist laut Ensi dieWahrscheinlichkeit eines Unfallsfür die drei Wochen bis zum ge-planten Revisionsstillstand auchmit den angenommenen Fehlern«äusserst gering». (sda)

Weniger Geldin die ForschungBERN. Die Ausgaben des Bundesfür Forschung und Entwicklungsind 2014 erstmals seit acht Jah-ren gesunken und wieder unterdie Schwelle von 2 Milliardengefallen. Hauptgrund dafür istdie Annahme der Massenein-wanderungs-Initiative der SVP.Nach dem Ja vom 9. Februar2014 stellte die EU vorüber-gehend ihre Zusammenarbeit imBereich der Forschung ein. DieBeiträge des Bundes an die EU-Kommission gingen deshalbstark zurück. Von 453 Mio. Fran-ken im Jahr 2012 sanken sie auf77 Mio., wie das Bundesamt fürStatistik (BFS) gestern mitteilte.Insgesamt gab der Bund 2014 fürForschung und Entwicklung1,966 Milliarden Franken aus.Gegenüber der letzten Erhebungvon 2012 bedeutet dies einMinus von 7 Prozent. Nacheinem leichten Taucher im Jahr2006 waren die Aufwendungenstark angestiegen und hatten2012 erstmals die 2-Milliarden-Grenze überschritten. (sda)

Der Schweiz denRücken gekehrtBERN. Im letzten Halbjahr sinddeutlich mehr Ausländer ausge-wandert. Dadurch stieg die Zahlder in der Schweiz lebendenAusländer weniger stark als inder Vorjahresperiode.

33 646 Menschen ohneSchweizer Pass zogen zwischenJanuar und Juni wieder weg. Dassind 8,3 Prozent mehr als im ers-ten Halbjahr 2014. Mit Abstanddie meisten Auswanderer sinddeutscher Nationalität. Über7000 Deutsche haben im letztenHalbjahr die Schweiz verlassen,wie das Staatssekretariat fürMigration gestern mitteilte. Vieledürften in ihre Heimat zurück-gekehrt sein. «In Deutschlandwerden wieder mehr Stellen ge-schaffen. Das erleichtert natür-lich die Rückkehr», sagte Volks-wirtschaftsprofessor Jan-EgbertSturm von der KOF Konjunktur-forschungsstelle der ETH Zürich.Den Hauptgrund ortet Sturmaber im Gefühl, in der Schweizweniger willkommen zu sein alsauch schon. Die Annahme derMasseneinwanderungs-Initiativesei ein Grund für dieses Gefühl.

Gleichzeitig wanderten zwi-schen Januar und Juni insgesamtrund 52 000 Menschen in dieSchweiz ein. (sda)

Bild: ky/Dominic Steinmann

Die Initiative wurde mit über 9000 Unterschriften eingereicht.