förderung in der deutschen sprache als aufgabe des ... · 1 ziel der empfehlungen „die...

91
Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern Empfehlungen

Upload: others

Post on 15-Oct-2019

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Förderung in der deutschen Spracheals Aufgabe des Unterrichtsin allen Fächern

Empfehlungen

Page 2: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

ISBN 3–89314–587–7

Heft 5008

Herausgegeben vom Ministerium für Schule, Jugend und Kinder

des Landes Nordrhein-WestfalenVölklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf

Copyright by Ritterbach Verlag GmbH, Frechen

Druck und Verlag: Ritterbach VerlagRudolf-Diesel-Straße 5–7, 50226 Frechen

Telefon (0 22 34) 18 66-0, Fax (0 22 34) 18 66 90www.ritterbach.de

1. Auflage 1999unveränderter Nachdruck 2002

Page 3: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Auszug aus dem Amtsblattdes Ministeriums für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung

des Landes Nordrhein-WestfalenTeil 1 Nr. 9/99

Förderung in der deutschen Spracheals Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern

RdErl. d. Ministeriumsfür Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung

v. 24. 6. 1999 – 731.36–22/0–279/99

Bezug: Verordnung über die Ausbildung in der Sekundarstufe I (AO-S I) vom21. Ok to ber 1998 (BASS 13 – 21 Nr. 1.1)

Zur Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe aller Fächer sind Empfehlun-gen entwickelt worden, die Hilfen bei der Anwendung des § 7 Abs. 4 der AO-S I sowie Hinweise zum systematischen Aufbau des sprachlichen Lernens geben.

Die Schulen werden gebeten, die Empfehlungen in den Fachkonferenzen und denübrigen Schulmitwirkungsgremien zu behandeln und entsprechende Konzepte zuentwickeln.

Die vom Verlag übersandten Hefte sind in die Schulbibliothek einzustellen und dortu.a. für die Mitwirkungsberechtigten zur Einsichtnahme bzw. zur Ausleihe verfügbarzu halten.

Zur Weiterentwicklung des Konzeptes der sprachlichen Förderung soll ein Netzwerkvon Schulen eingerichtet werden. Interessierte Schulen werden gebeten, sich beim

Landesinstitut für Schule und WeiterbildungParadieser Weg 6459494 Soest

zu melden.

Page 4: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser
Page 5: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

InhaltSeite

1 Ziel der Empfehlungen 7

2 Förderung des sprachlichen Lernens als Aufgabe desUnterrichts in allen Fächern 8

2.1 Die Mitverantwortung aller Fächer 8

2.2 Grundsätze der sprachlich-fachlichen Förderung 9

3 Bereiche sprachlichen Handelns und Lernens 14

3.1 Sprechen 14

3.2 Schreiben, einschließlich Rechtschreiben 17

3.3 Exkurs: Richtiges Abschreiben 22

3.4 Umgang mit Texten und Medien 25

3.5 Sprache und Sprachgebrauch reflektieren 29

4 Tragfähige Grundlagen aus der Grundschule 32

4.1 Bereiche und Aufgabenschwerpunkte des Lernbereichs Sprachein der Grundschule 32

4.2 Tragfähige Grundlagen aus der Grundschule im Schreiben vonTexten und im Rechtschreiben 33

5 Wege der sprachlichen Förderung in den Fächern derSekundarstufe I 35

5.1 Sprechen am Beispiel des Faches Biologie 35

5.2 Schreiben, einschließlich Rechtschreiben, am Beispiel desReligionsunterrichts 41

5.3 Schreiben am Beispiel naturwissenschaftlicher Fächer 45

5.4 Umgang mit Texten am Beispiel von Quellen im Geschichtsunterricht 50

5.5 Umgang mit Texten und Medien in den Gesellschaftswissenschaften 58

5.6 Sprachliche Förderung im Fach Kunst 64

5.7 Sprachliche Förderung im Mathematikunterricht 70

6 Aspekte der Bewertung sprachlicher Leistungen 76

6.1 Leistungsbewertung 76

6.2 „Sprachliche Richtigkeit“ 77

6.3 „Häufige Verstöße“ und ihre „angemessene Berücksichtigung“ 79

6.4 Weitere Lernförderung 81

6.5 Beispiele für sprachliche Leistungen in schriftlichen Schülerarbeiten 82

Page 6: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser
Page 7: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

1 Ziel der Empfehlungen„Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser Satz aus § 7 Abs. 4 der AO-S I istso selbstverständlich wie bedeutungsvoll.

Selbstverständlich daran ist die Tatsache, dass wir in nahezu je-dem Unterricht die deutsche Sprache benutzen, um uns zu ver-ständigen und um zu lernen. Jede angemessene Nutzung vonSprache im Unterricht erweitert auch die sprachlichen Fähigkei-ten der Kinder und Jugendlichen.

Bedeutsam sind die damit verbundenen Aufgaben,

� die Sprache bewusster zu nutzen

� die sprachlichen Fähigkeiten intensiver in jedem Unterricht zufördern

� durch eine solche intensivierte sprachliche Förderung dieMög lichkeiten intensiveren fachlichen Lernens zu erkennenund zu nutzen.

Hierfür ist es sinnvoll, gemeinsam mit den Deutschkolleginnenund -kollegen an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder undJugendlichen und damit auch an der sprachlichen Richtigkeit zuarbeiten. Das verlangt von den Fachkolleginnen und -kollegen,durch Absprachen und einheitliches Vorgehen das sprachlicheLernen der Kinder und Jugendlichen zu koordinieren und zu ent-wickeln.

Die Perspektiven sind:

� mit besserem Deutsch zu besserem Lernen

� mit besserem Lernen zu besserem Deutsch.

Die Aufgaben sind:

� aufmerksamer werden und aufmerksam machen auf Spra-che und sprachliche Richtigkeit

� sprachliche Fähigkeiten weiterentwickeln

� auf die Rolle der Sprache beim fachlichen Lernen achtenund bei den Schülerinnen und Schülern Bewusstsein dafürerzeugen

� wirkungsvolle Methoden sprachlicher Arbeit für fachlichesLernen nutzen

� alle Fächer in die sprachliche Arbeit einbeziehen.

7

Page 8: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

2 Förderung des sprachlichen Lernens alsAufgabe des Unterrichts in allen Fächern

Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen ha-ben großen Einfluss auf deren Erfolg beim Lernen in der Schuleund über schulisches Lernen hinaus. Sprache, Lernen, Denken,Verstehen hängen eng zusammen.

Die Sprache ist das Medium, in dem sich das Lernen überwie-gend vollzieht. Denken, Handeln und Verstehen sind von Spra-che begleitet und beeinflusst und entwickeln sich im Schulalter inWechselwirkung mit der sprachlichen Entwicklung der Lernen-den.

Sprachliches Lernen im Schulalter ist eng mit der sozialen undkognitiven Entwicklung der Kinder und Jugendlichen verknüpft.Es baut auf vorhandenem Wissen und Können auf. Es aktiviertbeim Verstehen wie beim Formulieren dieses Wissen und Kön-nen und erweitert es dabei.

2.1 Die Mitverantwortung aller Fächer

Gewiss hat hauptsächlich der Deutschunterricht die Aufgabe, dieKompetenzen der Kinder und Jugendlichen zum Gespräch, zuplanvollen Redebeiträgen, zum Schreiben und Lesen und zurReflexion über Sprache und Sprachgebrauch möglichst weitge-hend zu fördern und auszubilden. Aber der Deutschunterricht hatdiese Aufgabe nicht allein.

Die Mitverantwortung aller Fächer für die Sprechkompetenzen,die Schreib- und Lesekompetenzen sowie die Kompetenzen zurReflexion über Sprache und Sprachgebrauch ist mehrfach be-gründet:

� Die genannten Kompetenzen sind komplexe sprachlich-geis -tige Fähigkeiten.

� Sie sind grundlegende und über fachliche Gegenstandsberei-che hinausgreifende Fähigkeiten und Ziele des Unterrichtsüberhaupt.

� Sie gehören zugleich zu den wichtigsten methodischen Mittelnund Verfahren des Unterrichts. Unterrichten und Lernen sindauf sprachlich-gedankliche Verfahren, Aktivitäten und Interak-tionen angewiesen.

� Sie können nicht in vereinzelten und „geschlossenen“ Kursenbzw. Lehrgängen erworben werden; sie sind vielmehr aufzahlreiche Gelegenheiten, auf vielfältige Zugänge und auf ge-danklich-sprachliche Erfahrungen aus unterschiedlicher the-matischer Arbeit angewiesen.

8

Sprache istMedium desLernens

Die sprachlichenFähigkeiten fördern

Page 9: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Mit-Verantwortung aller Fächer ergibt sich auch aus den Auf-gaben und Zielen des fachlichen Lernens selbst. Jeder Unterrichtist Sachwalter der zu seinem Sachgebiet gehörigen Gegen-stände, also auch der zugehörigen Texte, Redeformen, Schreib-formen, Sprachformen, Begriffe. Er hat

� das Verstehen fachlicher Texte und fachlicher Redeformen zuschulen

� die fachlichen Begriffe sprachlich bewusst aufzubauen

� den Gebrauch der im Fach adäquaten mündlichen und schrift-lichen Formen einzuüben und auch zu pflegen, z. B. die For-men aufzubauen, wie Aussagen zu interpretieren sind,Schlüsse zu ziehen, Vorstellungen und Urteile zu bilden, Gel-tungsansprüche und Überzeugungen zu prüfen sind

� dabei die mitgebrachte Sprache der Kinder und Jugendlichenzur weiteren Entwicklung herauszufordern.

Es ist notwendig und lohnend, den sprachlichen Aspekt beimfachlichen Lernen stärker zu beachten. Das kann allerdings nichtauf direkt instruierende Weise geschehen, sondern eher als be-ständiges Mit-Üben und als immer wiederkehrendes Aufmerk-sam-Machen auf Sprachliches im Laufe der gesamten Lernzeit inder Sekundarstufe I. Wenn alle Fächer und Lernbereiche dieseAufgabe um des fachlichen Lernens willen als ihre eigene be-achten, wird daraus für alle Lernenden ein Gewinn an sprach -licher Fähigkeit entstehen können.

2.2 Grundsätze der sprachlich-fachlichen Förderung

Die Lernenden denken ihre Gedanken in ihrer Mutterspracheoder – falls sie zweisprachig sind – in der für sie dominantenSprache. Gedanken sind nicht „irgendwie schon da“ und werdennicht „einfach nur“ zusätzlich noch in Sprache „gekleidet“. Sie be-dürfen in der Regel der sprachlichen Ausarbeitung. SprachlicheArbeit ist demgemäß unmittelbar gedankliche Arbeit undnicht ein nachgeordnetes Verfahren.

Der Unterricht sollte so gestaltet sein, dass unterschiedlicheWeisen des sprachlichen Arbeitens miteinander verbundensind und einander planvoll abwechseln:

� das Sprechen mit dem Zuhören

� das Lesen und Umgehen mit Texten und Medien mit demSchreiben und Sprechen

� das Schreiben mit dem Lesen und Reden

� das Sprechen, Schreiben und Lesen mit dem Nachdenkenüber Sprache und Sprachgebrauch.

9

Mitverantwortungfür sprachlicheEntwicklung über-nehmen

Den sprachlichenAspekt beim fach -lichen Lernen stärker beachten

Denken, Spracheund Lernen ge -hören zusammen

Page 10: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Vielfalt der sprachlichen Möglichkeiten sollte genutzt und essollte geübt werden, wie etwas zur Sprache gebracht werdenkann. So können

� Sachverhalte, Handlungen anderer und ihre Äußerungen er-fragt, mitgeteilt, verständlich gemacht, aufgeklärt, bezweifelt,verteidigt, begründet, bekräftigt, bewertet, kritisiert, anerkanntund in die eigenen Erfahrungen integriert werden

� eigene Handlungen sprachlich-gedanklich vorweggenommen,geordnet, begleitet, koordiniert, reguliert werden

� Gefühle, Bedürfnisse, Einstellungen, Interessen, Anerken-nung vermittelt werden

� soziale Beziehungen gestiftet, aufrechterhalten, wiederherge-stellt werden

� die Art und Weise, wie etwas zur Sprache kommt, thematisiertwerden

� die „Stärken“ und „Schwächen“ von Ausdrucksweisen undDar stellungsformen und ihre Eignung für den jeweiligenZweck eingeschätzt werden.

Der Unterricht sollte im Besonderen die Möglichkeiten und Be-dingungen des schriftlichen Sprachgebrauchs nutzen undfördern, weil er besondere Leistungen ermöglicht und fordert:

� Die Schriftsprachlichkeit treibt die Imagination, das Denkenund die Sprachentwicklung an.

� Schriftsprache zwingt dazu, Sachverhalte und Gedanken weit-gehend zu entwickeln und auszuarbeiten. SchriftsprachlicheTexte müssen mit all dem „versorgt“ sein, was nötig ist, damitsie von möglichen Leserinnen und Lesern situationsunabhän-gig verstanden werden können.

� Das schriftliche Formulieren erfordert die Verlangsamung dergeistigen und sprachlichen Verfahren, verlangt viel Konzen-tration und das Verknüpfen von Elementen zu einem Zusam-menhang.

� Schließlich spielen beim schriftlichen Verfassen von Textensprachliche Angemessenheit und sprachliche Richtigkeit einebesondere Rolle, weil sie Prüfstein für logische Genauigkeitund gedankliche Präzision sind.

Nur wenn Lernende die Chance haben, sprachlich-gedanklicheAnknüpfungspunkte für neues Verstehen zu finden, werdensie von hier aus neues Wissen aufbauen und vorhandenes Wis-sen umbauen können. Diese Punkte befinden sich anfangs zu-meist in der alltäglichen Sprache und Anschauung.

Die Vielfalt dersprachlichen Mög-lichkeiten nutzen

Durch SchreibenSprachentwicklungund fachliches Lernen fördern

10

Page 11: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� Deshalb muss die Sprache in Phasen der Erarbeitung eine all-tägliche und redundante, entfaltete und kontextreiche Sprachesein und in der alltäglichen Anschauung wurzeln.

� Deshalb müssen Lernende die Sachverhalte in der ihnen ei-genen Sprache, d.h. zumeist in der Umgangssprache bzw.Gemeinsprache, herausarbeiten können, so dass sie für sieverständlich werden.

� Erst dann kann das Verstandene mit dem Ziel der Allgemein-gültigkeit präzisiert und begrifflich exakt gefasst werden.

Neue Begriffe entwickeln sich, wenn schon verstandene Sach-verhalte bzw. Begriffe zu neuen und komplexeren Beziehungenverknüpft werden. Dazu müssen die Lernenden sprachlich han-deln und praktische Erfahrungen machen können. Alle grundle-genden sprachlich-geistigen Tätigkeiten sind dabei verlangt, z.B.das Vergleichen, Abstrahieren, Klassifizieren, Generalisieren,Konkretisieren.

Das Verständnis von Sachverhalten entwickelt sich Hand inHand mit ihrer sprachlichen Formulierung und Darstellung. Erstin der Klarheit der sprachlichen Darstellung erweist sich dasklare Verstehen des Sachverhalts.� Deshalb muss das Lernen so angelegt werden, dass es sich

als eine sprachlich aktive und konstruktive geistige Tätigkeitvollziehen kann.

� Deshalb ist die Anstrengung um die sprachliche Ausarbeitungdes Wissens und Könnens so wichtig.

� Deshalb ist die sprachliche Form der Darstellung der Lern -ergebnisse für die Leistungsbewertung so bedeutsam.

Im Unterricht müssen Sprache und sprachliche Verfahren immerdann ausdrücklich thematisiert werden, wenn Verstehens-schwierigkeiten auftreten, wenn das Reden, Schreiben und Le-sen ins Stocken geraten und Gemeintes nicht klar verstandenund herausgearbeitet werden kann. � Gerade solche Situationen sind geeignet, die Ausdrucksfähig-

keit der Schülerinnen und Schüler zu erweitern und zu diffe-renzieren, die Lern- und Verstehensfähigkeit zu verbessern,Vorverständnisse zu ordnen, Begriffe verständlich zu ent-wickeln und eine fachlich angemessene Sprache aufzubauen,die als Werkzeug des weiteren fachlichen Arbeitens gebrauchtwird.

� Solche Situationen sind Anlässe und auch Chancen für dasLernen und Verstehen, für Verständigung und Interaktion, fürdie Verwendung sprachlicher Verfahren und für das Einübenin Arbeitstechniken, bei denen sprachliche Verfahren vielfacheine große Rolle spielen.

In der Alltags -sprache lernen

Durch Begreifenzum Begriff kommen

Sprachliche Klar-heit zeigt klaresVerstehen

Verstehens -schwierigkeiten bearbeiten

11

Page 12: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die sprachlichen Entwicklungen von Kindern und Jugendlichenverlaufen unterschiedlich und sind von verschiedenen Faktorenabhängig, nicht zuletzt vom sprachlichen Anregungsreichtum ih-rer Lebenswelt und von ihrer Muttersprache sowie vom Besuchdes Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts. Sprachlich inho-mogene Lerngruppen sind nicht selten und die Unterschiede inder sprachlichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen müs-sen berücksichtigt werden. Denn die einzelnen Schülerinnen undSchüler brauchen ein sie sowohl stützendes als auch jeweils he -rausforderndes sprachliches Niveau des Unterrichts.

Kinder und Jugendliche mit eingeschränkten Fähigkeiten imSprechen, Lesen und Schreiben des Deutschen bedürfen be-sonderer Förderung:

� Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Problemen imErlernen des Lesens und Schreibens ist häufig ein spezifi-scher Förderunterricht vor allem in den unteren Jahrgängenerforderlich (vgl. LRS-Erlass, BASS 14–01 Nr. 1).

� Schülerinnen und Schüler mit anderer Muttersprache und un-zureichenden Deutschkenntnissen, die ihnen noch kein Ler-nen in der deutschen Sprache erlauben, erhalten in Vorberei-tungsklassen Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Wennsie danach in Regelklassen übergehen, ist oft noch ein spezi-fischer Förderunterricht in Deutsch als Zweitsprache erforder-lich (vgl. Unterricht für ausländische Schülerinnen undSchüler, BASS 13–63 Nr. 3).

� Im Deutschunterricht werden Schülerinnen und Schüler miteingeschränkten sprachlichen Fähigkeiten im Rahmen innererDifferenzierung besonders gefördert.

Aber erst wenn auch der übrige Fachunterricht ihre Schwierig-keiten berücksichtigt und ihre sprachlichen Fähigkeiten gezieltentwickelt, werden die Möglichkeiten der Förderung für dieseKinder und Jugendlichen im notwendigen Umfang ausgeschöpft.Ein Ziel ist dabei selbstverständlich ein grammatisch und ortho-graphisch korrekter Sprachgebrauch. Darüber hinaus bietet derFachunterricht aber durch die enge Verschränkung von sprachli-chem und fachlichem Lernen besondere Entwicklungschancenfür sprachliche Fähigkeiten.

Wenn die sprachlichen Fähigkeiten von Jugendlichen nicht hin-reichend entwickelt werden, um selbstständiges fachliches Ler-nen zu unterstützen, sind sie auf ihrem weiteren Bildungswegentscheidend benachteiligt. Deshalb gilt es mit Blick auf den Ab-schluss der Sekundarstufe I

� in den oberen Jahrgängen auch im Fachunterricht besondereAnstrengungen in der sprachlichen Förderung zu unterneh-men

Die Unterschiedein der sprachlichenEntwicklungberücksichtigen

Blick auf den Abschluss der S I

12

Page 13: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� gleichzeitig besondere Lernanstrengungen der Jugendlicheneinzufordern

� die Lernergebnisse aller Schülerinnen und Schüler auch imSprachlichen an dem erforderlichen einheitlichen, abschluss -bezogenen Standard zu messen.

Die Entwicklungsaufgaben sind:

� gemeinsam Verantwortung für die sprachliche Entwicklungder Kinder und Jugendlichen übernehmen

� Sprache als Medium des Lernens gezielt weiterentwickeln� die formale Seite der Sprache, insbesondere der Schrift-

sprache, stärker in den Blick nehmen� Kinder und Jugendliche mit eingeschränkten sprachlichen

Fähigkeiten besonders fördern.

Die Mitwirkungsgremien sollten erörtern, wie diese Aufgabenumgesetzt und konkretisiert werden sollen, und ggf. dazu Be-schlüsse fassen.

13

Page 14: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

3 Bereiche sprachlichen Handelns und Lernens

3.1 Sprechen

Sprechen bereitet den Kindern und Jugendlichen im alltäglichenUmgang miteinander in der Regel wenig Mühe. Es gelingt abernicht immer, dieses spontane Sprechen auch für das Lernen undden Unterricht in der Schule zu aktivieren.

Miteinander sprechen und einander zuhören

Miteinander zu sprechen und einander zuzuhören sind vonein-ander untrennbare Aspekte jedes Unterrichtsgesprächs.

Es scheint unter dem Einfluss einer zunehmend von Bildern ge-prägten Umwelt für die Kinder schwieriger zu werden, entspanntoder konzentriert längere Zeit zuzuhören. Im Unterrichtsgesprächmuss die Fähigkeit des Zuhörens deshalb weiterentwi ckelt wer-den. Es ist z.B. erforderlich – und gar nicht so einfach – zu lernen,

� die eigenen spontanen Reaktionen zunächst zurückzustellen(oder aufzuschreiben) und weiter hinzuhören

� zu unterscheiden, zwischen dem, was gesagt wird und wie esgesagt wird

� sich mit den eigenen Beiträgen explizit auf andere zu beziehenund direkt auf sie einzugehen.

In diesem Zusammenhang sollte das Vorlesen zur Geltung kom-men

� von der Lehrperson oder von Mitschülerinnen und -schülern,die das gut beherrschen (Kein Lesestress für Kinder mit Hem-mungen und Schwierigkeiten beim Lesen!)

� von unterhaltenden genauso wie von informierenden Texten

� mit, vor allem aber auch ohne Unterstützung durch den schrift-lichen Text vor Augen

� zum Zuhören mit geschlossenen Augen und frei fließenderFantasie genauso wie zum Zweck der Information mit Stift inder Hand und Stichwörtern auf dem Papier.

Auch das Vorspielen von Tonträgern kann diesem Zweck dienen.

Gesprächsformen einüben

Das Miteinander-Sprechen im Unterricht ist auf Regeln und Rou-tinen angewiesen. Sie beziehen sich auf

� das geregelte Nacheinander der Beiträge

� das Rückbeziehen auf andere Personen, auf schon Gesagtes,auf das Thema, auf das Ziel des Gesprächs

Zuhören üben

Mehr vorlesen imUnterricht

Gesprächsregelneinhalten

14

Page 15: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� das Einfordern fairen und verabredeten Gespächsverhaltens

� die Nutzung fester Gesprächsformen für die verschiedenenZwecke wie Kreisgespräch zum Erzählen und Sammeln, Ver-handlung bei Konflikten, verschiedene Formen der Diskussionmit unterschiedlicher, klarer Rollenverteilung usw.

� das kooperative Verhalten in Gruppengesprächen.

Die Routinen des „normalen“ Unterrichtsgesprächs (z.B. beimsog. fragend-entwickelnden Verfahren) und seine Rollenvertei-lung sollten kritisch daraufhin befragt werden,

� wie der Redeanteil der Schülerinnen und Schüler gemäß derBedeutung ihres Sprechens für ihr Lernen erhöht werden kann

� welche Lernziele besser in Form eines gemeinsamen Lernge-sprächs als in der Form eines Lehrvortrages zu erreichen sind

� an welchen Stellen die Übernahme der Gesprächsleitung und-strukturierung durch die Lernenden möglich und notwendigist.

Eine Erhöhung des Rede- und Gesprächsanteils der Lernendenist häufig nur durch eine Rollenveränderung seitens der Lehren-den erreichbar. Diese Mühe wird allerdings dadurch belohnt,dass dann auch die fachlichen Lernprozesse der Schülerinnenund Schüler vertieft werden.

Allerdings muss die Lehrperson immer wieder sicherstellen – undzu diesem Zweck ggf. in die Gespräche eingreifen – dass die Ge-sprächsform der Zielrichtung des Lernens entspricht, dass dasZiel im Auge behalten wird und dass die Gesprächsergebnissegesichert werden.

Die Lernenden sollen zunehmend in der Lage sein,

� Gesprächsformen zweckentsprechend zu wählen und durch-zuhalten

� Gesprächsregeln zu befolgen und ihre Befolgung einzufordern

� Gesprächsergebnisse zu sichern.

Dann werden sie auch fähig, in wechselnden Lerngruppen erfol-greich fachlich zu arbeiten.

Sachbezogen sprechen

Den größten Unterschied zwischen ihrem alltäglichen Sprechenund dem in der Schule erforderlichen nehmen die Kinderzunächst bei den Anforderungen des sachbezogenen Sprechenswahr. Darstellen, Beschreiben und Erklären von Sachverhaltenstellt zusammen mit dem Argumentieren die am häufigsten ge-forderte Form des Sprechens im Fachunterricht dar.

Mehr Redezeit fürdie Lernenden ein-räumen

SachbezogenesSprechen will gelernt sein

15

Page 16: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schrittweise müssen die Schülerinnen und Schüler zu einer ge-ordneten und zusammenfassenden Formulierung eines Sach-verhaltes, einer Erkenntnis oder einer Gesetzmäßigkeit hinge-führt werden.

Der Unterrichtsverlauf verlangt von den Lernenden in verschie-denen Phasen mündliche Beiträge unterschiedlichen Um-fangs und unterschiedlichen Grades an sprachlicher Ausar-beitung:

� Manchmal genügt als Antwort auf eine Lehrerfrage ein einzi-ges Wort. Dann wieder fordert die Wiedergabe eines Sach-verhaltes notwendig die Repräsentation der logischen Bezügein vollständigen Sätzen. Zur Weiterentwicklung der sprachli-chen Fähigkeiten ist es deshalb erforderlich, den Schülerinnenund Schülern Aufgaben zu stellen, die ihnen zunehmend län-gere und stärker ausgearbeitete mündliche Beiträge abverlan-gen und deren Lösung zunehmend eine Kooperation in derLerngruppe nötig macht.

� Die Formulierung einer Gesetzmäßigkeit bedarf eines ande-ren Grades an sprachlicher Ausarbeitung als die einer diffe-renzierten Sinneswahrnehmung: hier logische Stringenz, dortbildhafte Vielfalt. Beides muss entwickelt und geübt werden.

Sachbezogenes Sprechen aus der bloßen Erinnerung heraus isthäufig sehr schwer und überfordert uns schnell. Deshalb bedür-fen vor allem Lernende in unterschiedlichem Grad der Unter-stützung durch schriftliches und bildliches Material:

� Verbalisieren von Abbildungen, Formeln, Diagrammen, Statis -tiken usw.

� Wiedergabe einfacher Sachverhalte auf der Basis gemeinsamoder selbstständig vorbereiteter Stichwörter

� Illustrierung vorgegebener Gesetzmäßigkeiten, Erkenntnisse,Aussagen durch Beispiele

� Verbalisieren von Lösungen und Lösungswegen

� Wiedergabe komplexer Sachverhalte gestützt auf Kategorien,Relationen und komplexe Gliederungen, z. B. im Rahmen vonReferaten.

Sachbezogenes Sprechen ist schließlich ein wichtiger Teil derumfassenden Fähigkeit, Arbeitsergebnisse zu präsentieren undsich dabei der modernen Präsentationstechniken zu bedienen:Flipchart, Tageslichtprojektor, ggf. Computer und Beamer.

SachbezogenesSprechen erfordertkomplexe Sprache

Längere und kom-plexere mündlicheBeiträge einfordern

SachbezogenesSprechen auf Mate-rial stützen

Arbeitsergebnissemündlich präsen-tieren

16

Page 17: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Ausdrucksvoll sprechen

Sprechen hat auch einen körperlichen Aspekt: Um wirkungs-voll zu sprechen, ist es erforderlich, die Lautstärke, die Sprech-geschwindigkeit, die Deutlichkeit der Artikulation und die Körper-sprache an die Situation anzupassen. Viele Kinder und Jugend-liche sind dazu spontan in der Lage. Aber manche brauchen vieleund vorsichtig anspruchsvoller werdende Lerngelegenheiten, bissie frei vor einer Klasse reden können.

Auswendiges Vortragen von Texten und gestaltendes Sprechenvon Texten sind wichtige Methoden auf dem Weg zum freienSprechen.

Die Entwicklungsaufgaben im Bereich Sprechen sind u.a.:

� mehr Sprechanlässe für die Lernenden schaffen

� lautes Lesen und gestaltendes Vortragen üben lassen

� das Unterrichtsgespräch als gemeinsame Gestaltungsauf-gabe entwickeln

� verstärkt Anlässe für sachbezogenes Sprechen im Zusam-menhang geben.

Die Fachkonferenzen sollten mit Unterstützung der Deutschkol-leginnen und -kollegen erörtern, welche Lernsituationen hierfürbesonders geeignet sind, wie sie entwickelt werden können, undggf. hierzu Beschlüsse fassen.

3.2 Schreiben, einschließlich Rechtschreiben

Im Unterschied zum Sprechen ist Schreiben eine Fähigkeit, dieim Wesentlichen erst in der Schule erlernt wird und für deren Er-werb und Weiterentwicklung die Schule und damit jeder Unter-richt in besonderer Weise verantwortlich ist. Gleichzeitig istSchreiben eine sprachliche Fähigkeit, die die fachlichen Lernpro-zesse in besonderer Weise unterstützt. Aus beidem ergibt sichdie große Bedeutung, die dem Schreiben in der Schule zukommt.

Schreibenlernen ist ein komplexer und lang andauernder Pro-zess. Er kostet die meisten Kinder viel Mühe und bedarf ständi-ger Übung. Kinder und Jugendliche müssen deshalb in jedemUnterricht in der Sekundarstufe I

� ihre Schreibmotorik weiter entwickeln

� ihre Rechtschreibfähigkeiten sichern und erweitern

� lernen, das Verfassen von Texten als Prozess zu verstehen,der durch das Zusammenspiel von Planen, Formulieren undÜberarbeiten gekennzeichnet ist

� lernen, fachliche Texte zu schreiben.

AusdrucksvollesSprechen üben

Schreiben bedarfständiger Übung

17

Page 18: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schreibmotorik weiterentwickeln

Die Fähigkeit, flüssig mit der Hand zu schreiben, behält auch an-gesichts des zunehmenden Gebrauchs von Rechner und Text-verarbeitung ihre Bedeutung. Sie wird in der Grundschule aufge-baut und in der Sekundarstufe I durch ständigen Gebrauch im-mer weiter geübt. Kinder, die hier noch größere Schwierigkeitenhaben, bedürfen der besonderen Förderung außerhalb desFach unterrichts. Sie sollten für ihre häuslichen Schreibarbeitenggf. den Rechner benutzen dürfen, damit ihre Schreibmotivationerhalten bleibt.

Rechtschreibnormen beachten

Wer etwas für andere aufschreibt, möchte verstanden werdenund muss deshalb auch Rechtschreibnormen beachten. Der Auf-bau einer grundlegenden Rechtschreibfähigkeit und die Erarbei-tung der hierfür erforderlichen Kenntnisse sind Aufgaben desDeutschunterrichts. Aber der Fachunterricht muss die Kinder undJugendlichen dabei unterstützen, bis zum Ende der Sekundar-stufe I kompetente Rechtschreiber zu werden.

Dies wird möglich, wenn

� die Kontrolle der Rechtschreibung eine immer mitlaufendeRoutine für alle Kolleginnen und Kollegen wird

� die Schülerinnen und Schüler grundsätzlich zur Korrektur ihrerTexte angehalten werden

� die richtige Schreibung des Fachwortschatzes im Fachunter-richt selbst gesichert und angemessen geübt wird.

Die grundlegende Technik bei der Weiterentwicklung der Recht-schreibfähigkeiten in der Sekundarstufe I ist das Abschreiben(s. Kap. 3.3). Gerade schwächere Schülerinnen und Schülermüssen sinnvolles Abschreiben als Technik erst erwerben bzw.wieder erlernen. Dafür brauchen sie Aufmerksamkeit, Ruhe undZeit.

Die ständige Kontrolle der Rechtschreibung der Schülertextesoll selbstverständlich, das heißt aber auch, mit Gelassenheit ge-handhabt werden: Nicht unnachsichtige Fehlersuche ist gefragt,sondern eine beständige ruhige Aufmerksamkeit für die Recht-schreibung und für die Schwierigkeiten der einzelnen Schülerin-nen und Schüler.

Dabei ist es wichtig, im Gedächtnis zu behalten, dass falscheSchreibungen oft auf grundsätzlich „richtigen“ Annahmen beru-hen. So ist es z. B. vernünftig, ein unvertrautes Wort zunächst einmal so zu schreiben, wie man es hört, obwohl viele Wörter

Rechtschreiben injedem Fachunter-richt beachten

Richtiges Abschrei-ben üben und dafürZeit geben

Rechtschreibungkontrollieren

18

Page 19: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

nicht völlig lauttreu geschrieben werden. Schreibenlernen be-ginnt mit der grundlegenden Erkenntnis, dass Buchstaben fürLaute stehen. Erst in weiteren Entwicklungsschritten lernen dieKinder die Abweichungen von dieser Eins-zu-eins-Zuordnungkennen und beherrschen.

Kinder und Jugendliche mit anderer Muttersprache, die zunächstin dieser Sprache lesen und schreiben gelernt haben, werden an-fangs im Deutschen oft „merkwürdige“ Fehler machen. Sie habeneine andere Zuordnung von Lauten und Buchstaben und andereVerschriftungsregeln gelernt und müssen für das Deutsche „um-lernen“. Sie benötigen Hilfe für die lautliche Durchgliederung undihre „Problemstellen“ im Deutschen.

Bei Kindern und Jugendlichen, die besondere Schwierigkeiten imRechtschreiben haben, muss zusammen mit der Deutschlehrerinbzw. dem Deutschlehrer überlegt werden, wie ihre Rechtschreib-fähigkeit verbessert werden kann, ohne dass sie durch ständigesMonieren ihrer Fehler demotiviert werden. Hier gelten die Rege-lungen, die pädagogischen Grundsätze und die didaktisch-me-thodischen Hinweise des LRS-Erlasses auch für den Fachunter-richt.

Bei Kindern, die wenige Fehler machen, ist die Verbesserung je-des einzelnen Fehlers selbstverständlich und problemlos. Wer-den viele Fehler gemacht, ist es sinnvoll, den Überarbeitungs-auftrag auf bestimmte Teile des Textes zu beschränken, damit dieAufgabe für die Schülerinnen und Schüler übersichtlich bleibt.Auch hier gilt der Grundsatz: Weniger Text produzieren, dafürgründlicher überarbeiten und korrigieren!

Alle Texte sollen auf Rechtschreibung hin kontrolliert und soweit wie pädagogisch sinnvoll verbessert werden. Das gilt auchfür Hausaufgaben. Aber nicht alle Texte müssen am Ende völligohne Fehler sauber im Heft stehen. Dies wäre für viele Schüle-rinnen und Schüler eine Überforderung, würde für manche zumAbsterben jeglicher Schreibmotivation führen und würde den Fachunterricht auch zeitlich überfordern.

Es gibt allerdings immer wieder Anlässe, wo eine völlige Fehler-freiheit nötig ist, und diese sollten auch im Fachunterricht genutztwerden, z.B. die Gestaltung eines Plakats, die Beschriftung vonGegenständen, d.h. generell die Gestaltung von Texten, dieveröffentlicht werden.

Bei Wörtern, die für den Fachunterricht besonders wichtig sind,sowie bei den Fachwörtern im engeren Sinn, muss die rich-tige Schreibung im Fachunterricht selbst thematisiert undgeübt und muss der Wortschatz gesichert werden. Das heißt,die Fachlehrerin bzw. der Fachlehrer muss darauf achten,

Einen Förderplanbei besonderenSchwierigkeitenaufstellen

Verbesserungeneinfordern, aberbegrenzen

VeröffentlichteTexte müssen fehlerfrei sein

Fachwortschatzrechtschriftlichüben und sichern

19

Page 20: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� dass diese Wörter an der Tafel klar präsentiert werden� dass schreibschwierige Stellen in den Wörtern erörtert und

ggf. markiert werden� dass sie sauber und richtig abgeschrieben werden � dass sie von den Schülerinnen und Schülern gesammelt wer-

den und ihnen verfügbar bleiben z.B. durch Aushängen in derKlasse, in Wörterlisten und Glossaren oder in Karteien.

Häufig arbeitet die Fachterminologie mit bestimmten Verfahrender Zusammensetzung und Ableitung von Wörtern, z.B. bei denBezeichnungen für die Stoffe in der Chemie, oder bedient sichvieler Fremdwörter bestimmten Ursprungs wie die Mathematik.Hier lässt sich die inhaltliche Thematisierung des Fachwort -schatzes immer auch mit der Beachtung der Schreibung verbin-den.

Dies alles sind Aufgaben, die der Fachunterricht ansatzweiseschon immer wahrgenommen hat. Es wirkt sich aber auch für diefachliche Begriffsbildung und für das Fachverständnis der Schü-lerinnen und Schüler insgesamt positiv aus, wenn sie mehr insZentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden.

Die Rechtschreibleistung wird bei der Bewertung sprachlicherRichtigkeit berücksichtigt und in Kap. 6.3 erörtert.

Schreiben als Prozess gestalten und Fachtexte schreibenlernen

Das Verfassen von Texten ist auch für den versierten Schreiber,ja selbst für professionelle Autoren oft ein Prozess mit zahlrei-chen Überarbeitungen. Erst an dessen Ende steht der fertigeText.

Für das Verfassen eines Textes ist es deshalb hilfreich,

� Schreibvorbereitungen zu treffen; dazu gehört z.B. die Samm-lung und Bereitstellung von sprachlichem Material, d.h. vonWörtern, Wendungen und Satzbaumustern, die Entwicklungeines Schreibplans bei längeren Texten, der Vereinbarungenüber die Absicht und die Form enthält

� Textüberarbeitungen einzufordern, dafür Hilfen zu geben undpunktuell auch einmal gemeinsam vorzunehmen

� für besonders wichtige Texte auch eine fehlerfreie Reinschriftzu fordern.

Für Kinder und Jugendliche ist es nicht immer einfach, denSchreibprozess mit seinen notwendigen Phasen durch- und aus-zuhalten. Deshalb ist es auch für den Fachunterricht wichtig,

� dem Schreiben im Unterricht Zeit einzuräumen

� den Verlauf des Schreibens zu unterstützen und

Schreiben auch imFachunterrichtüben

20

Page 21: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� den Leistungsanspruch richtig einzuschätzen, der mit der Ab-fassung eines Textes und dem Durchhalten von Überarbei-tungsprozessen verbunden ist.

Wenn die Schülerinnen und Schüler diesen Prozess beherr-schen, verläuft vieles automatisch und braucht nicht mehr the-matisiert zu werden. Doch am Beginn des Lernens tut der Fach-unterricht gut daran, die Fähigkeit der Lernenden zur Gestaltungihres Schreibprozesses nicht in voll entwickelter Form vorauszu-setzen. Das gilt für die kurze Versuchsbeschreibung als Haus-aufgabe im naturwissenschaftlichen Unterricht in Klasse 5 ge-nauso wie für den umfangreichen Bericht über das Betriebsprak-tikum in Klasse 9.

Auch hier bleibt festzustellen, dass der Aufwand für die Förde-rung der sprachlichen Fähigkeiten, zweckentsprechende Textegut zu schreiben, sich für den Fachunterricht als größere ge-dankliche Klarheit in der Sache und höherer Nutzwert der Textefür das fachliche Lernen auszahlt.

Schreibanforderungen klären

Der Fachunterricht verlangt von den Kindern und Jugendlichenteilweise die Abfassung von Texten, deren inhaltliche und formaleAnforderungen fachspezifisch sind bzw. die fächerspezifisch va-riieren. Es ist selbstverständlich, aber nicht immer in seinen Kon-sequenzen klar, dass der Fachunterricht diese fachspezifischenTextsorten bzw. ihre fachspezifischen Varianten selbst erarbeitenund üben muss.

Deshalb sollten sich die Fachkonferenzen in regelmäßigen Ab-ständen Klarheit darüber verschaffen, wie in ihrem Fach z.B.

� Fragen gestellt und Hypothesen formuliert

� Gegenstände und Vorgänge beschrieben

� Sachverhalte formuliert

� Arbeitsergebnisse für sich selbst festgehalten und für andereaufbereitet

� Gesetzmäßigkeiten und Erkenntnisse formuliert

� (und schließlich, besonders wichtig) Leistungen schriftlichüber prüft und nachgewiesen werden sollen.

Besonders für Klassenarbeiten müssen die geforderten Textfor-men mit ihren sprachlichen Ansprüchen klar und geübt sein, ge-nauso wie Gliederungsvorgaben, Schreibformate, die Gestaltungvon Graphen usw.

Fachtexte schrei-ben lernen und ihreAbfassung üben

21

Page 22: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Es ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler beispielsweisewissen,

� wie sie ihr Heft führen

� was sie als Arbeitsergebnis auf welche Weise festhalten

� was sie z.B. in einem Versuchsprotokoll beachten

� wie sie Daten, Fakten, Zahlen präsentieren

� wie sie in einer Klassenarbeit einen Beweis führen

� wie sie ein fachliches Referat halten sollen.

Dies muss zunächst innerhalb der Fächer bearbeitet, dann aberzwischen den Fächern und gemeinsam mit dem Deutschunter-richt abgesprochen werden. Die Lernenden werden solche Vor-gaben und Erwartungen auch über die Fachgrenzen hinausumso eher einhalten und beachten, wenn die Absprachen klarund deutlich sind und ihre Einhaltung fachübergreifend ein-gefordert wird. Spätestens am Ende der Sekundarstufe I müs-sen die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, solche allge-meinen Fähigkeiten zwischen den Fächern selbstständig zutransferieren bzw. fachunabhängig einzusetzen.

Die Entwicklungsaufgaben im Bereich Schreiben sind u.a.:

� den Fachwortschatz sichten und die Form der rechtschrift-lichen Sicherung verabreden

� die Aufmerksamkeit für Rechtschreibung und Zeichenset-zung verstärken durch kontinuierliche, aber begrenzte Kon-trolle und Korrektur

� die formalen und inhaltlichen Eigenschaften von fachlichenSchülertexten und ihre Sicherung im Heft klären, verabre-den und mit den Lernenden erarbeiten und üben

� Förderkonzepte – ggf. individuell – für Kinder und Jugend-liche mit Schwierigkeiten im Schreiben verabreden unddurchführen.

Die Fachkonferenzen sollten mit Unterstützung der Deutschkol-leginnen und -kollegen geeignete Maßnahmen erörtern und ggf.beschließen.

3.3 Exkurs: Richtiges Abschreiben

In der Regel erhalten die Kinder und Jugendlichen im Fachunter-richt genügend Gelegenheit zum Abschreiben, weil häufig gegenEnde der Unterrichtsstunde manches von der Tafel oder von derFolie ins Heft hinein abgeschrieben werden muss. Allerdings

Absprachen auchzwischen denFächern treffen

22

Page 23: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

übersteigt oft der Umfang des zu Kopierenden in der zur Verfü-gung stehenden Zeit die Fähigkeiten der Schülerinnen undSchüler. Hier gilt: Weniger, aber gründlicher!

Wir wissen, dass das richtige Abschreiben sowohl ein Ziel alsauch eine wichtige Methode im Rechtschreiblernprozess ist. Daim Unterricht häufig abgeschrieben wird, muss das richtige Ab-schreiben unbedingt Beachtung finden, weil so letztlich sprachli-che Förderung am wirkungsvollsten unterstützt werden kann. DieSchritte hin zum richtigen Abschreiben – also den Abschreibpro-zess grundzulegen – ist sicher Aufgabe des Deutschunterrichtsschon in der Grundschule. Es kommt nun darauf an, dass der Fachunterricht im Wissen darum seinerseits den Abschreibpro-zess nicht ignoriert, sondern fördert. Und dies wird nicht nur dersprachlichen Förderung zugute kommen, sondern auch den In-halten des Faches. Beispielsweise hat ein Unterrichtsgesprächergeben, dass bestimmte Einsichten auch zukünftig Bedeutunghaben werden und dass damit eine schriftliche Fixierung als Er-gebnissicherung sinnvoll ist. Die Lehrperson wird in einer sol-chen Situation entweder selbst einen Text verfassen (oder aberals Auftrag an die Schülerinnen bzw. Schüler geben), der jene Er-kenntnisse präsentiert, und ihn – natürlich in einer vorbildlichenSchrift – an die Tafel schreiben.

Im Einzelnen bedeutet dies, dass der Text an der Tafel oder aufeiner Folie durch Schrägstriche in 1 bis 3 Wörter umfassendeEinheiten gegliedert sein muss, damit die folgenden Punkte zumAbschreiben umgesetzt werden können.

1. Den Text langsam und sorgfältig lesen – auch halblaut.

2. Die Wörter bis zum Schrägstrich genau einprägen.

3. Die Wörter auswendig, langsam und ordentlich aufschreiben.

4. Wort für Wort kontrollieren und eventuell verbessern.

Ein solches Abschreiben ist Viel-Kanal-Lernen, denn dabei wer-den Sprache, Inhalte und Wortbilder über mehrere Kanäle visu-ell, motorisch, auch akustisch durch unterschiedliche Tätigkeiten– lesen, schreiben, sprechen, kontrollieren – aufgenommen undeingeprägt.

Selbstverständlich ist es nötig, genügend Zeit zu geben, damitder Abschreibprozess gelingen kann und ein lesbarer, fehler-freier Text entsteht. Es kommt letztlich darauf an, dass ein sol-ches Abschreiben für die Schülerinnen und Schüler bedeutungs-voll wird, und dabei spielen das pädagogische Geschick und dieSachautorität der Unterrichtenden als treibende Kraft eine be-sondere Rolle.

Richtiges Abschrei-ben heißt Recht-schreiben lernen

Schritte des Ab-schreibens

23

Page 24: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Schülerinnen und Schüler müssen das Gefühl haben, dassdie Bedeutung des abzuschreibenden Textes so groß ist, dassein Abschreiben „eben mal so“ nicht ausreicht. Das ist nur er-reichbar, wenn sie tatsächliches Interesse am Abschreibtext ha-ben und auch die Unterrichtenden dies durch Kontrolle deutlichzeigen.

Dieses Kontrollieren führt eventuell zur Verbesserung einzelnerWörter und ggf. auch dazu, dass der Text noch einmal zu schrei-ben ist. Denn nur dann, wenn die Lehrperson den Anspruch,dass die Schülerin bzw. der Schüler einen lesbaren und fehler-freien Text zu schreiben hat, auch kontrollierend umsetzt, wirdauf Seiten der Schüler wahrgenommen, dass der nicht umge-setzte Anspruch Konsequenzen hat.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine solche Forderung in-dividuell abgestimmt sein muss, weil die Schülerinnen undSchüler in ihren Fähigkeiten unterschiedliche Schreibniveauspräsentieren. Dies hängt mit der Erkenntnis zusammen, dassKinder in ihrem Schriftspracherwerbsprozess verschiedene Stu-fen durchlaufen, auf denen sie unterschiedlich lang verweilen.Zwar machen alle Kinder Fortschritte, allerdings immer ihrem in-dividuellen Entwicklungsstand entsprechend.

Daraus folgt, dass es pädagogisch nicht angemessen ist, Schü-lerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Erler-nen des Lesens und Rechtschreibens (LRS) durch zu hohe An-sprüche an die Richtigkeit ihres Schreibens zu überfordern undsie damit letztlich zu entmutigen.

Dies gilt in gleicher Weise für Schülerinnen und Schüler mit eineranderen Muttersprache, die Deutsch als Zweitsprache erlernen.

Das Schriftbild

Gelungenes Abschreiben wird u. a. sichtbar durch die einwand-freie Lesbarkeit des Textes. Förderung der Lesbarkeit und damitArbeit an der Verbesserung des Schriftbildes gehören im Zu-sammenhang mit dem richtigen Abschreiben, aber auch generellim Zusammenhang der Förderung der deutschen Sprache mitzur Aufgabe der Unterrichtenden.

Förderung besteht hier auch zunächst darin, Schülertexte, die of-fensichtlich oberflächlich geschrieben worden sind, nicht zu ak-zeptieren. Gradmesser in diesem Zusammenhang ist das Wis-sen der Lehrperson, dass die Schülerin bzw. der Schüler tat -sächlich fähig ist, eine lesbarere Schrift zu produzieren. Dieslässt sich einfach dadurch feststellen, dass man die Schülerdurch die Frage, ob das ihre „Sonntagsschrift“ ist, herausfordertund im Falle einer Verneinung schlicht und einfach zum neuenSchreiben auffordert. Das Lob, das hinsichtlich einer wirklichen

Interesse am Texterzeugen

Individuelle Lern-fortschritte beach-ten

Wichtiges wird in„Sonntagsschrift“geschrieben

24

Page 25: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Verbesserung der Lesbarkeit ausgesprochen werden muss, führtdazu, dass die Schüler stolz sind, denn sie erleben sichtbar – undnun seitens der Lehrperson akzeptiert – eine Qualitätsverbesse-rung.

Wichtig ist, dass die Lehrperson innerlich bereit ist, diese Forde-rung zum neuen Schreiben zu stellen – nicht im Sinne einer Be-strafung, sondern um den eigenen Anspruch der Schüler im Blickauf ihre Schrift zu steigern. Selbstverständlich darf in diesem Zu-sammenhang nur das gefordert werden, was auch auf Seiten derLernenden in ihrem individuellen Schreibentwicklungsprozessleistbar ist. Dass dabei auch Hilfestellungen nötig sind – bei-spielsweise in Klasse 5/6 der Hinweis, die Buchstabengröße zwi-schen kleinen und großen Buchstaben genauer zu beachten, dieSchreiblinien nach unten nicht zu überschreiben oder die Unter-scheidung zwischen den Buchstaben u und n und m zu verbes-sern – ist im Sinne der Förderung selbstverständlich.

Klar ist, dass nur dann von den Schülerinnen und Schülern etwasgefordert werden kann, wenn gleichzeitig alles getan wird, um siein den Stand zu setzen, der Forderung auch entsprechen zu kön-nen.

Wenn dies geschehen ist, muss – unter entsprechender Berück-sichtigung von Ausbildungsstand, Muttersprache, rechtschriftli-chem Entwicklungsstand – bei nach wie vor bestehenden großenMängeln den Lernenden durch eine angemessene Absenkungder Note deutlich gemacht werden, dass ein weiteres Akzeptie-ren nicht mehr möglich ist. Im Blick auf die Bewertung – bei-spielsweise des Heftes als Ganzes – bedeutet dies schließlich,dass die formale Seite der Lesbarkeit eben auch bedeutungsvollist, wenn es um die Zensur geht.

3.4 Umgang mit Texten und Medien

Wie das Schreiben, so ist auch das Lesen eine sprachlicheFähigkeit der Kinder und Jugendlichen, die überwiegend in derSchule vermittelt wird. Gleichzeitig dreht es sich nicht nur umeine grundlegende Fähigkeit der Verständigung, sondern auchum eine Basis des Lernens:

� Alles Wissen ist in Texten verfügbar.

� In fast allen Fächern gehören Lern-Texte im Lehrbuch oder aufArbeitsblättern zum schulischen Lehren und Lernen dazu.

� Späteres Lernen ist fast ausschließlich textgestützt.

Es ist Aufgabe des Deutschunterrichts der Sekundarstufe I, dieFähigkeit des Lesens auszubauen, Freude an unterhaltendenund literarischen Texten zu vermitteln, Neugier auf Bücher, Zei-tungen, Zeitschriften, Textsammlungen, Medien zu wecken so-wie Arbeitstechniken zu vermitteln, die Texte verstehen helfen.

Textverstehen alsBasis des Lernensbegreifen

25

Page 26: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Diese Fähigkeiten des Umgangs mit Texten werden aber auch injedem Fachunterricht gebraucht und weiter geübt. Deshalb mussauch der Fachunterricht

� die allgemeinen Techniken und Methoden des Textverstehensnutzen und bei ihrem weiteren Ausbau mithelfen

� die besonderen Verstehensbedingungen fachspezifischerTexte, Darstellungsformen und Medien selbst in den Blick neh-men und bearbeiten

� die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Lernen mit Hilfe vonTexten und Medien unterstützen.

Methoden der Texterschließung nutzen und ausbauen

Texte reden nicht von selbst, sie müssen erst zum Reden ge-bracht werden.

Wichtige Techniken der Texterschließung sind in diesem Zu-sammenhang u.a.:

� Texte langsam und genau, ggf. laut lesen (aber: Man kannauch laut und betont lesen ohne tieferes Verständnis!)

� sich einen Überblick über den Text verschaffen, z.B. durchMarkieren wichtiger Stellen, durch eine Gliederung, durch Zwi-schenüberschriften, durch Randglossen

� am Text entlang Fragen stellen und Antworten geben

� Schlüsselbegriffe heraussuchen

� verständnisschwierige Stellen ausmachen und zum Ent-schlüsseln den Kontext, aber auch Hilfsmittel heranziehen wieGlossare, Wörterbücher, Nachschlagewerke

� Wichtiges herausschreiben (exzerpieren, zitieren)

� ggf. Zusammenhänge zwischen Text und Bildelementen, Ab-bildungen, Illustrationen usw. feststellen.

Die Wiedergabe eines Textes mit eigenen Worten ist bereitsder Prüfstein für ein vertieftes Verständnis und kann deshalb beiTexten mit deutlichem Lesewiderstand bzw. mit hoher Informati-onsdichte nicht am Anfang stehen. Hier müssen zunächst engeram Text entlang führende Paraphrasen formuliert werden, bevorman sich vom Text distanzieren und ihn zusammenfassend refe-rieren kann.

Eine sachliche, zusammenfassende Textwiedergabe ist eine an-spruchsvolle Tätigkeit, die im Deutschunterricht, aber auch imFachunterricht immer wieder intensiv geübt werden muss.

Textverstehen heißtSinn konstruktion

Textverstehendurch Arbeiten amText

Texte wiedergeben

26

Page 27: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Im Fachunterricht sollte neben dem genauen Textverstehen auchgeübt werden,

� Texte und Medien gemäß dem eigenen Informationsinteresseglobal auf Brauchbarkeit hin zu prüfen

� Texte und Medien nach bestimmten Informationen zu durch-suchen

� sich einen groben Überblick über Texte und Medien zu ver-schaffen, um festzustellen, was sie leisten, wovon sie handeln,was ihr Thema ist und wie sie aufgebaut sind.

Fachspezifische Texte, Darstellungsformen und Medien ver-stehen lernen

Es ist Aufgabe des Fachunterrichts, die Schülerinnen undSchüler mit den fachspezifischen Text- und Darstellungsformenund mit den Medien der fachlichen Arbeit und Verständigungselbst vertraut zu machen.

Dies gilt insbesondere

� für das Lehrbuch, die schulischen Fachtexte und ggf. für dieFormen und Medien wissenschaftlicher Verständigung imFach

� für authentische Texte im Sinne von Quellen

� für das Lernen mit Texten.

Das Lehrbuch ist in der Regel ein Kompendium verschiedenerfachlicher Texte, das Quellentexte, Beschreibungen und Be-richte, Lehrtexte, Aufgabenstellungen, Illustrationen, Bilder,Schemata, Diagramme, Statistiken usw. enthält und oft er-schließende Hilfen wie eine ausführliche Gliederung, Stichwort-verzeichnis, Namensregister, Regel- und Formelsammlung, Zeit-leisten u.Ä. anbietet.

Obwohl nicht alle Lehrbücher hierfür besonders geeignet sind,sollten die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, das Lehr-buch auch als Lernbuch zu benutzen. Deshalb müssen sie mitdem Informationsangebot ihres Lehrbuchs vertraut gemacht wer-den und lernen damit umzugehen. D.h. sie müssen die verschie-denen Textsorten verstehen und die Hilfsmittel nutzen lernen.

Besondere Formen schulischer Fachtexte, z.B. Versuchs -beschreibungen in den Naturwissenschaften, Statistiken im Poli-tikunterricht, oder besondere Aufgabenformen wie die Textauf -gaben im Mathematikunterricht müssen die Schülerinnen undSchüler erst „lesen“, d. h. verstehen lernen. In den höheren Klas-senstufen der Sekundarstufe I sollten die Schülerinnen und

Kursorischen Umgang mit Textenüben

Das Lernen mitdem Lehrbuch lernen

FachspezifischeTextformen lesenlernen

27

Page 28: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schüler auch schon ansatzweise die Formen der wissenschaft -lichen Verständigung in Büchern, Aufsätzen und im Netz kennenlernen, auch um sie selbst für eigene kleine Untersuchungen undfachliche Arbeiten zu nutzen.

Für den Umgang mit authentischen Texten im Sinne von Quel-len, z.B. im Geschichtsunterricht, oder mit Dokumenten, z.B.his torischen Karten im Erdkundeunterricht, gelten besondereVerstehensbedingungen bzw. -hindernisse, für die der Fachun-terricht die erforderlichen Verstehenstechniken und Umgangsfor-men natürlich selbst entwickeln und üben muss (s.Kap. 5.4).

Lernen mit Texten und Medien

Die Schülerinnen und Schüler kommen im Laufe der Sekundar-stufe I immer häufiger in die Situation, dass sie Informationen ausTexten zum Zweck des Lernens für sich rekonstruieren müssen.Die hierfür erforderlichen bzw. hilfreichen Techniken sollten siein jedem Unterricht erwerben und üben können.

Dazu gehören insbesondere:

� den Text zur Orientierung überfliegen

� Fragen stellen und aufschreiben, deren Beantwortung sie vomText erwarteten

� den Text genau lesen (vgl. die o.a. Techniken des Verstehens)

� die gestellten Fragen schriftlich beantworten

� den Text zusammenfassen und die Zusammenfassung nacheiniger Zeit überprüfen.

Besonders hilfreich für das „Lernen des Lernens“ sind Ge-spräche darüber, wie die Einzelnen lernen, welche Technikensie für sich selbst als wirksam erfahren haben, welche Erfahrun-gen sie mit bestimmten Lernaufgaben gemacht haben.

Der Umgang mit den neuen Medien des Lernens, wie CD-ROMsund die Netze, wird immer wichtiger und es ist selbstverständlich,dass der Fachunterricht hier den Schülerinnen und Schülern allewesentlichen Informationsquellen zugänglich macht und ihnenOrientierung in der Welt der Medien vermittelt.

Fachtexte, wie sie sich in Lehrbüchern oder in anderen Materia-lien finden, die für den Unterricht herangezogen werden, sindhäufig Texte mit hoher Informationsdichte und -komplexität. DieSchülerinnen und Schüler müssen in der Lage sein, solche Textezu verstehen und darüber hinaus selbst solche Texte zu verfas-sen und dabei diese Formen der Informationsverdichtung und-strukturierung zu nutzen.

Quellen lesen ler-nen

Lerntechniken fürTexte erarbeitenund üben

28

Page 29: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Auch der Fachunterricht sollte punktuell und exemplarisch mitHilfe der o.a. Operationen und grundlegenden Verfahren, z.B.durch Paraphrasieren und Umformulieren, mit den Schülerinnenund Schülern sprachliche Methoden nutzen und einüben, umTexte verständlicher zu machen. Er sichert dann nicht nur dasVerständnis des jeweiligen Textes, sondern auch die Instrumentefür künftiges Verstehen von Fachtexten.

In gleicher Weise sollte gemeinsam mit den Kindern und Ju-gendlichen immer wieder einmal auch die sprachliche Formulie-rung einer komplexen Aussage in ihren einzelnen Schritten ex-plizit geübt werden, z.B. bei einer Beobachtung, einer Definition,einer Gesetzmäßigkeit. Die Erfahrung und Reflexion des Zusam-menspiels von gedanklicher und sprachlicher Arbeit hilft denSchülerinnen und Schülern sowohl in ihren sprachlichen als auchin ihren fachlichen Fähigkeiten weiter.

Entwicklungsaufgaben im Bereich Umgang mit Texten und Me-dien sind u.a.:

� die Arbeit an Texten verstärken

� Methoden der Texterschließung nutzen und einüben

� die Verstehensbedingungen fachspezifischer Texte, Dar-stellungsformen und Medien klären und im Unterricht för-dern

� fachspezifische Textsammlungen (in Lehrbuch, Zeitung,Fachbuch, Fachzeitschrift, als Daten auf CD oder im Netzusw.) verfügbar machen und den Lernenden erschließen.

Die Fachkonferenzen sollten, ggf. mit Unterstützung derDeutschkolleginnen und -kollegen, ihre Methoden der Texter-schließung erweitern. Die fachspezifischen Textsammlungensollten ausgebaut und den Lernenden erschließbar gemachtwerden.

3.5 Sprache und Sprachgebrauch reflektieren

In jedem Fachunterricht werden die Sprache und der Sprachge-brauch implizit und explizit zum Thema:

� Weil sich Unterricht hauptsächlich in sprachlichen Handlun-gen vollzieht, muss geklärt sein, was als jeweils angemesseneSprachhandlung zu gelten hat.

� Weil Fachunterricht hauptsächlich sprachliche Arbeit ist, müs-sen die Verfahren sprachlicher Arbeit genutzt und eingeübtwerden.

Fachtexte ver -stehbar machen

Komplexe Sachver-halte formulieren

29

Page 30: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Sprachhandlungen klären

Fast alle Handlungsanweisungen an die Kinder und Jugend -lichen sind Aufforderungen, in bestimmter Weise sprachlich zuhandeln: „Erzählt, schildert, schreibt auf, besprecht, nennt, er-klärt, definiert, wiederholt, fasst zusammen, interpretiert, disku-tiert …“ Offensichtlich müssen die Schülerinnen und Schüler wis-sen, was diese Aufforderungen von ihnen verlangen. In denmeis ten Fällen scheint ihnen das intuitiv klar, weil es sich um im-mer wiederkehrende sprachlich-gedankliche Verfahrensweisenjeden Unterrichts und Lernens handelt.

Dennoch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Fächernund klare fachspezifische Anforderungen an das sprachlicheHandeln. Der Fachunterricht muss klären, welche spezifischenVerhaltensweisen er jeweils erwartet. Das heißt darüber zu ent-scheiden,

� welche Lernformen

� welche Gesprächsformen

� welche Formen der subjektiven Darstellung von Gefühlen,Empfindungen, Meinungen, Haltungen, Wertungen usw.

� welche Formen der objektiven Darstellung von Sachverhalten,Gegenständen, Gesetzmäßigkeiten, Ereignissen, Ergebnis-sen des Lernens usw.

� welche Formen der Verhandlung von Interessen, der Austra-gung von Konflikten, des Schließens von Vereinbarungen undder Sicherung von Ergebnissen jeweils angemessen und er-forderlich sind.

Verfahren sprachlicher Arbeit nutzen

Der Fachunterricht nutzt immer schon die grundlegenden Ver-fahren sprachlicher Arbeit für das fachliche Lernen:

� Wörter werden gefunden, untersucht und gesammelt

� Sätze werden untersucht und konstruiert

� grundlegende sprachliche Operationen werden dabei ange-wandt.

Fachbegriffe entwickeln und Fachwörter sichern

Dass die Beherrschung der fachlichen Terminologie erst amEnde der jeweiligen Lernprozesse stehen kann, braucht hiernicht noch einmal betont zu werden.

Sprachhandlungenbestimmen den Unterricht

Sprachhandlungenverabreden

30

Page 31: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Genauso selbstverständlich sollte sein, dass dann

� die Fachwörter (auch rechtschriftlich!) gesichert werden, in-dem sie auf Plakaten, Listen, Karteien o.Ä. aufbewahrt undangemessen wiederholt werden

� die Fachwörter mit den elementaren grammatischen Kenn-zeichnungen versehen werden wie Wortart, Geschlecht, ggf.mit Pluralbildung bei Nomina und mit abweichenden Formenbei starken Verben

� die fachspezifischen Formen der Wortbildung (z.B. durch Ab-leitung mit Vorsilben und Nachsilben, durch Wortzusammen-setzung usw.) thematisiert werden

� die wechselseitigen Beziehungen zwischen den fachlichenBegriffen deutlich gemacht werden und die Terminologie in ih-rer Systematik dargestellt und gesichert wird; hierbei helfenz.B. die semantischen Ordnungsbezeichnungen Ober- undUnterbegriff, wörtliche Bedeutung und übertragene, Sachfeld(als Kennzeichnung eines Bedeutungszusammenhangs, z.B.„Fahrzeuge“), Wortfamilie (als Kennzeichnung einer Gruppevon Wörtern mit dem gleichen Wortstamm, z.B. mit demStamm „fahr“), abstrakte Begriffe und konkrete.

Die Entwicklungsaufgaben im Bereich Sprache und Sprachge-brauch reflektieren sind u.a.:

� Erwartungen an geforderte sprachliche Verhaltensweisenwie Definieren, Interpretieren, Diskutieren klären und so-weit wie möglich auch zwischen den Fächern abstimmen

� Fachbegriffe sichten, die Fachterminologie aufbauen undsichern

� elementare Begriffe des Redens über Sprache und sprach-liche Erscheinungen klären, verabreden und mit den Ler-nenden zusammen nutzen.

Die Fachkonferenzen sollten hier Bestandsaufnahmen in Lehr-plänen und Lehrbüchern vornehmen und Festlegungen treffen.

Die Fachkonferenz Deutsch sollte Vorschläge für Vereinbarun-gen zu elementaren sprachlichen Begriffen entwickeln.

Fachwörter sammeln

Fachbegriffe ordnen

31

Page 32: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

4 Tragfähige Grundlagen aus der Grund-schule

4.1 Bereiche und Aufgabenschwerpunkte des Lern -bereichs Sprache in der Grundschule

Der Lehrplan für den Lernbereich Sprache nennt die folgendenBereiche und zugehörigen Aufgabenschwerpunkte:

Mündlicher Sprachgebrauch

� den Umgang miteinander gestalten

� einander erzählen und einander zuhören

� sich sachbezogen verständigen

� Gespräche führen

� szenisch spielen und vortragen

Umgang mit Texten

� sich auf Texte einlassen

� Texte untersuchen

� Texte werten

� Texte nutzen

Lesen

� Beziehungen von Lauten und Buchstaben erfassen

� Wortgestalten, Sätze, Texte auditiv und visuell durchgliedern

� Wörter, Sätze, Texte erlesen und die erworbenen Lesefähig-keiten weiterentwickeln

Schriftlicher Sprachgebrauch

� Schreiben lernen und weiterführendes Schreiben

� Texte planen

� Texte aufschreiben

� Texte überarbeiten

Rechtschreiben

� Wörter für den Rechtschreib-Grundwortschatz sammeln

� die Beziehungen von Lauten und Buchstaben erfassen

� Regelungen erfassen und für Transfer nutzen

� Selbstständigkeit in der Rechtschreibung erwerben

32

Page 33: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Sprache untersuchen

� Zusammenhänge zwischen Äußerungsabsicht und Äuße-rungsform entdecken

� mit Verstehensproblemen umgehen

� die besondere Rolle sprachlicher Formen in der Schriftspra-che kennen lernen

� sich in der Vielfalt der Sprachvarianten orientieren

� sprachliche Zeichen in ihrem Zusammenspiel mit anderen Zei-chenarten untersuchen.

4.2 Tragfähige Grundlagen aus der Grundschule im Schrei-ben von Texten und im Rechtschreiben

Die Grundschule hat tragfähige Grundlagen für weiteres Lernenim schriftlichen Sprachgebrauch gelegt. Sie hat die Kinder imSchriftspracherwerb auf den Weg gebracht, sie in ihren Lernpro-zessen gefördert und ihnen dabei Ziele gesetzt, die für sie er-reichbar waren. Selbstverständlich sind die einzelnen Kinder amEnde der Grundschulzeit unterschiedlich weit gekommen aufihren Lernwegen. Und in keinem Bereich und bei keinem Kindsind die Lernprozesse an ihrem Ende angelangt. Sie müssenvielmehr weiter entwickelt werden. Deshalb gelten die Aufgaben-schwerpunkte der Grundschule sinngemäß auch in der Sekun -darstufe I weiter. Sie müssen aufgenommen, weitergeführt undausdifferenziert werden.

Beim Schreiben von Texten sind die in der Grundschule ge-schaffenen Grundlagen nicht durch das formale Erfüllen be-stimmter Aufsatzformen definiert, sondern orientieren sich anden Schreibentwicklungsprozessen der Kinder und an den Qua-lifikationen, die für ein kompetentes Verfassen von Texten erfor-derlich sind. Auch im Rechtschreiben stehen die Qualifikationenim Vordergrund, die für eine Weiterentwicklung von Recht-schreibgespür und Selbstständigkeit beim Rechtschreiblernenwichtig sind.

Die Fähigkeiten der Kinder im schriftlichen Sprachgebrauch amEnde der Grundschulzeit sind individuell unterschiedlich ausge-prägt. Grunderfahrungen der im Folgenden gekennzeichnetenArt bringen alle Kinder in die Sekundarstufe I mit.

Texte schreiben

� Die Kinder können Texte mit verschiedenen Funktionenschreiben, d.h. Texte, die Erlebtes oder Erdachtes nachvoll-ziehbar machen, die zum Handeln anregen oder verpflichten,die etwas dokumentieren oder über etwas informieren.

33

Page 34: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� Die Kinder können Texte entwerfen, d.h. aus der Verwen-dungssituation heraus Schreibvorstellungen entwickeln, Text-ideen sammeln, Wortmaterial sammeln, eine Textstruktur er-arbeiten und nutzen, einen Entwurf schreiben.

� Die Kinder können sich miteinander über Texte beraten, d.h.Rückmeldungen zu Texten geben, kontrollierend lesen, Un-stimmigkeiten entdecken, Überarbeitungshinweise geben.

� Die Kinder können Texte überarbeiten, d.h. Überarbeitungs-verfahren nutzen, ihren Text in eine Schlussfassung umsetzenund gestalten.

Die Texte der Kinder werden sich dennoch deutlich in der Länge,im Grad der Ausarbeitung, im Ausmaß der Berücksichtigung derVorgaben, Überarbeitungshinweise und Korrekturen sowie in derKlarheit und Fehlerfreiheit der Schlussfassung unterscheiden.

Rechtschreiben

� Die Kinder können verständlich schreiben.Der geübte Wortschatz ist bis zum Ende von Klasse 4 auf ca.1000 Wörter ausgebaut.

� Die Kinder können abschreiben.Techniken zum rechtschriftlich korrekten Abschreiben sind denKindern geläufig.

� Die Kinder können Wörter nachschlagen.Sie kennen den Aufbau von Wörterbüchern und haben Tech-niken zum schnellen Nachschlagen erworben.

� Die Kinder können kontrollieren und korrigieren.Sie stehen ihrer eigenen Rechtschreibung zunehmend kritischgegenüber, können sie selbstständig überprüfen und dabeiauch Hilfsmittel benutzen (Nachschlagewerke, Wörterbücher).

� Die Kinder können mit Regelungen umgehen.Sie müssen nicht für jedes einzelne Wort die Schreibung völ-lig neu konstruieren. Sie haben grundlegende Einsichten imBereich der Regelungen erworben und können diese auf un-vertraute Wörter übertragen.

Dabei spielt eine wesentliche Rolle, auf welcher Stufe derSchreib entwicklung sich die Kinder jeweils befinden. Denn ihreweitere Förderung muss zunächst auf der Stufe beginnen, die sienoch nicht vollständig beherrschen.1)

1) Vgl. hierzu und zum Gesamtzusammenhang des Rechtschreiblernens in derGrundschule die Handreichung „So lernen Kinder Rechtschreiben: Erwerb trag-fähiger Grundlagen in der Grundschule“, hrsg. vom Landesinstitut für Schule undWeiterbildung. DruckVerlag Kettler, Bönen 1998.

34

Page 35: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5 Wege der sprachlichen Förderungin den Fächern der Sekundarstufe I

Die folgenden Ausführungen blicken jeweils aus der Sicht einesbestimmten Faches oder eines Lernbereichs auf die Aufgaben ei-nes Bereichs sprachlichen Handelns und Lernens. Sie nehmendeshalb z.T. die Stichwörter des Kap. 3 konkretisierend wiederauf. Die dadurch an einigen Stellen entstehenden Redundanzenwerden zu Gunsten der besseren Lesbarkeit der Fach-Darstel-lungen in Kauf genommen. Auch sind die Konkretisierungen nichtimmer nur eng fachspezifisch angelegt, so dass sich eine „fach -übergreifende“ Lektüre lohnt.

5.1 Sprechen am Beispiel des Faches Biologie

5.1.1  Miteinander sprechen, einander aufmerksam zuhören

Anders als im Fach Deutsch ist der Unterrichtsgegenstand in Bio-logie nicht primär ein Text bzw. die Sprache, sondern ein konkre-tes Sachthema, ein Beispiel oder ein Phänomen aus der leben-den Natur. Sprachliche Richtigkeit und Präzision in schriftlicherund mündlicher Form sind also eigentlich nicht Thema des Un-terrichts, sondern Mittel zum Zweck, da man sich ja über Inhalteverständigen will. Und genau hierin liegt eine große Chance, dasMiteinander-Sprechen und Einander-Zuhören zu fördern.

Das Interesse von Kindern und Jugendlichen am Fach Biologieberuht oft auf ihren eigenen Erfahrungen, z.B. mit Haustieren,auf Beobachtungen in der sie umgebenden Natur oder am eige-nen Körper, auf der Anschaulichkeit und Erfahrbarkeit der fach-spezifischen Themen. Diese sachbedingte Motivation und Fra-gehaltung führt quasi „unbewusst“ zu einer Bereitschaft zu er-zählen, sich am Unterrichtsgespräch zu beteiligen, zu fragen undzuzuhören, d.h. „sprachlich aktiv“ zu werden.

Dies ist eine besondere Chance auch und gerade für die Schüle-rinnen und Schüler, die sich im Fach Deutsch aus Angst vor Feh-lern, aus Mangel an sprachlicher Gewandtheit oder weil sie dasDeutsche nur unvollständig beherrschen, weitgehend zurückhal-ten.

Andererseits verlangt die Verständigung über einen Sachverhalt,die Absicht, verstanden zu werden und zu verstehen, dass mansich klar und unmissverständlich ausdrückt. Es gibt also einsachbedingtes Interesse an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit undPräzision.

Sprachliche Richtigkeit undPräzision alsGrundlage der Verständigung

Sachbedingte Motivation nutzen

35

Page 36: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.1.2  Gesprächsformen, Verabredung und Einübung von Ge-sprächsregeln

Bei diesem sehr komplexen Thema soll es keineswegs umFähigkeiten und Fertigkeiten gehen, die speziell Sache eines Fa-ches sind, da der Biologieunterricht allein wohl kaum die Ge-sprächsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern kann.Vielmehr ist das möglichst regelmäßige und häufige Trainingeher Teil einer allgemeinen Gesprächskultur in der Schule undsomit Aufgabe aller Fächer.

Vor diesem Hintergrund wollen die folgenden Vorschläge als Er-innerung verstanden werden, auch im Biologieunterricht Ge-sprächsregeln und -formen bewusst zu machen und zu üben.

Dies kann geschehen, indem

� die Tische in U-Form angeordnet werden (falls die Räumlich-keiten dies zulassen), damit die Schülerinnen und Schülernicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch ihre Mitschü-lerinnen und Mitschüler ansehen und gut verstehen können

� der Redeanteil der Schülerinnen und Schüler durch Phasendes Schülergespräches, in denen sich die Lehrperson weit-gehend zurücknimmt, erhöht wird

� allgemeine Regeln für das Unterrichtsgespräch situations-bedingt – vor allem bei Verstößen dagegen – immer wiederbewusst gemacht werden (andere Schülerinnen und Schülerausreden lassen; sich auf die Fragestellung, das Thema bzw.den Vorredner beziehen; angemessene und möglichst sach -liche Formulierungen verwenden; sich präzise ausdrücken;persönliche Angriffe oder Beleidigungen vermeiden)

� Partner- oder Gruppenarbeit eingeübt (Klasse 5/6) und dann(in den höheren Klassen in zunehmend komplexerer Form)möglichst regelmäßig durchgeführt wird, da hierbei der Ge-sprächsanteil der Schülerinnen und Schüler naturgemäß sehrhoch ist. Dabei ist es wichtig, die speziell hier gültigen Ge-sprächsregeln ausdrücklich zu thematisieren. (Alle Gruppen-mitglieder sollen am Gespräch teilnehmen; die Ergebnissesollen möglichst gemeinsam formuliert werden; einer odermehrere Schülerinnen und Schüler können die Ergebnissevorstellen; die Vorstellung der Ergebnisse sollte durch ein Ta-felbild, OHP, Abbildungen o.Ä. unterstützt werden.) Beson-ders arbeitsteilige Gruppenarbeit macht die Notwendigkeit desAustausches von Ergebnissen bewusst und „zwingt“ somitzum Zuhören. Im Sinne der Förderung gerade der sprachlichschwächeren Schülerinnen und Schüler sollte darauf geachtetwerden, dass nicht immer dieselben zum Sprecher ernanntwerden

Förderung der Gesprächsfähigkeitist Aufgabe allerFächer

Sitzordnung

Gesprächsregelnbewusst machen

Partner- und Grup-penarbeit erhöhenden Gesprächsan-teil der Schülerin-nen und Schüler

36

Page 37: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� für besonders sensible Themen wie z.B. Sexualkunde oderAIDS ausdrückliche Gesprächsregeln formuliert (schriftlich fixieren!) und verbindlich gemacht werden

� bestimmte Gesprächsformen für bestimmte Zwecke ein-gesetzt werden, z.B.

– das Kreisgespräch für Einstiegssituationen

– das Pro-Contra-Gespräch, um gegensätzliche Positionenhe rauszuarbeiten

– das Interview (Laie – Fachmann) oder die Expertendiskus-sion, um bereits erarbeitete Sachverhalte nochmals zu ver-balisieren.

5.1.3  Sachbezogenes Sprechen

Spontanes Sprechen

Spontane und noch nicht strukturierte Äußerungen haben si-cherlich vor allem zu Beginn einer Stunde, bei der Einführung einer neuen Thematik oder als erste Reaktion auf neue Informa-tionen oder Fragestellungen eine große Bedeutung. Konkret vor-stellbar sind folgende Sprechanlässe:

� erzählen/berichten über eigene Beobachtungen und Er-fahrungen, z.B. mit Haustieren, mit dem eigenen Körper, mitden Pflanzen und Tieren des Waldes oder auch über Fern-sehfilme zu einer Thematik (z.B. Kindersendungen, Tier- undDokumentarfilme)

� spontane Stellungnahme zu einer Abbildung, einem Film, einer Fragestellung …

Diese, vor allem bei jüngeren Schülerinnen und Schülern sehremotionalen, ich-bezogenen und oft wenig strukturierten Äuße-rungen sollten, wenn überhaupt, nur sehr behutsam korrigiertwerden. Allerdings lässt sich hier bereits auf die Notwendigkeitder späteren inhaltlichen und sprachlichen Präzisierung hinwei-sen.

Reflektiertes und strukturiertes Sprechen

Ein wesentliches Ziel der sprachlichen Förderung innerhalb desBiologieunterrichts ist die Fähigkeit der Schülerinnen undSchüler, sich zu einer Aufgabenstellung präzise, durchdacht undgeordnet zu äußern. Denn erst sprachliche Genauigkeit ermög-licht genaues Verstehen durch die Mitschülerinnen und Mit-schüler. Außerdem spiegelt die sprachliche Formulierung die lo-gischen Denkzusammenhänge wider und zwingt umgekehrt denSprechenden zu genauem Nachdenken (Zusammenhang vonDenken und Sprechen).

Spontanes Spre-chen motiviert

Reflektiertes Spre-chen zwingt zu genauem Nach -denken

37

Page 38: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.1.4  Beispiele für Sprechanlässe für den Unterricht allgemein

Die im Folgenden aufgeführten Sprechanlässe können Teil des(gelenkten) Unterrichtsgespräches sein oder – dies betrifft vor al-lem die längeren Formen wie z.B. das Referat – eher „monologi-schen“ Charakter haben.

Für alle Anlässe gilt, dass das Sprechen durch Stichwörter, Clus -ter oder persönliche Notizen anderer Art schriftlich vorbereitetwerden kann und dann zu einem möglichst freien Vortrag, ge-stützt durch veranschaulichende Materialien, führen soll.

� Formulierung einer Problemstellung oder Problemfrage alsLeitfrage für den weiteren Unterricht (der Stunde oder des Un-terrichtsvorhabens)

� Formulierung (begründeter) Hypothesen zu einer Problem-stellung

� Kommentierung eines (bekannten oder unbekannten) Film-ausschnittes/Videos zum Thema

� mündliche Wiedergabe eines Lehrbuch-(oder anderenSach-)textes

mögliche Hilfen:– Hilfsfragen (je nach Altersstufe kleinschrittig und konkret

oder übergreifender und abstrakter)– Stichwörter (eigene oder vorgegebene, vorstrukturierte

oder ungeordnete)– ergänzende Abbildungen

� zusammenfassende Wiederholung eines Sachverhaltes alsfreier Kurzvortrag

� Schülerreferat; in kürzerer Form als Begriffserklärung, Fall-beispiel, Zusatzinformation oder als umfassendes, eigenstän-diges Referat.

5.1.5  Fachspezifische Sprechanlässe

Verhaltensbeobachtung an lebenden Tieren (Klassenraum,Zoo, Freigehege) oder ausgehend von Filmen, Diareihen, Bild-folgen (z.B. Klasse 5/6: Bewegungsabläufe, Jagd-/Fressverhal-ten; Klasse 7/8: Brutpflegeverhalten; Klasse 9/10: Lernverhalten– Labyrinthversuche mit Ratten);

mögliche Aufgabenstellungen:– Beobachte das Verhalten und beschreibe es möglichst genau.

Verwende dabei folgende Begriffe/Verben …– Versuche dieses Verhalten zu erklären. Folgende Nebensatz-

arten/unterordnende Konjunktionen können dir dabei helfen:Der Hund …, weil/obwohl/immer wenn/ …

– Vergleiche mit …

Sprechanlässe bieten

Sprechanlässe nutzen

38

Page 39: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Beschreibung und/oder Erklärung eines Modells

Beispiel (Hauptschule Klasse 9):

Modell des menschlichen Auges, Erklärung von Bau und Funk-tion

Aufgabe:

Beschreibe und erkläre in vollständigen Sätzen anhand desModells Bau und Funktion des menschlichen Auges. Fol-gende Begriffe und Formulierungen sollen dir dabei helfen:

die Hornhaut Schutz von Linse und Glas-körper

Beispielsatz: Die Hornhaut schützt Linse und Glaskörper.

die Pupille Regulierung der Menge deseinfallenden Lichtes

die Linse Brechung der Strahlen

die Netzhaut (Sinneszellen) Aufnahme und Verarbeitungder optischen Reize

die Aderhaut (Blutgefäße) Versorgung der Netzhaut mitSauerstoff und Nährstoffen

die Lederhaut Schutz des Augapfels

die Augenmuskeln Bewegung des Augapfels

der optische Nerv Weiterleitung der Informationen

das Gehirn Auswertung der Informationenund Weitergabe der Befehle andie Erfolgsorgane (Muskeln)

Mit diesem sprachlichen Gerüst ist die Aufgabe natürlich starkgelenkt und fachlich vereinfacht. Sprachlich ist die Umformungder Nominalisierungen in verbale Aussagen verlangt. Anspruchs-voller wird es, wenn man nur entweder die zu erklärenden Be-standteile des Auges, also die linke Spalte, oder die Beschrei-bung ihrer Aufgaben vorgibt. Man könnte auch die Angaben inder rechten Spalte ausschließlich auf die Verben reduzieren unddie Objekte selbst finden lassen.

Eine weitere Möglichkeit bietet sich eher bei einer schriftlichenVorbereitung des Vortrags an: Die Beschreibung der Aufgabenwird zwar vorgegeben, aber nicht in der richtigen Reihenfolge, sodass die Schülerinnen und Schüler diese erst zuordnen müssen.

Sprachliche Hilfengeben

39

Page 40: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Verbalisierung von Abbildungen, Schemazeichnungen, Dia-grammen, graphischen Darstellungen

Mögliche Hilfen:

– detaillierte Fragen oder untergliederte Aufgabenstellung– Vorgabe der Satzanfänge– Vorgabe von Präpositionen, Verben oder Nomen.

Beispiel (Hauptschule Klasse 5):

Beutefang der Katze2)

Aufgabe:

Beschreibe den Beutefang der Katze, indem du zu jedem Bildeinen Satz schreibst. Verwende dabei folgende Stichwörter:die Beute sehen, sich anschleichen, sich ducken/zum Sprungbereit sein, mit den Hinterpfoten abspringen, durch die Luftfliegen, die Krallen herausstrecken, die Beute mit den Vorder-pfoten packen.

Allgemeine Beispiele für Frage- oder Aufgabenstellungen zuAbbildungen usw.:

– Was seht ihr auf der Abbildung? (auf der rechten/linken Seite,im Vorder-/Hintergrund …?)

– Welches Thema wird dargestellt?– Beschreibe beginnend bei …– Welche Bedeutung hat die farbliche Gestaltung …?– Welche Zusammenhänge, Ursachen, Erklärungen werden

deutlich gemacht?– Erkläre wie/wodurch/warum …– Wo im Lehrbuchtext findest du Erklärungen für diese Abbil-

dung? Unterstreiche sie im Text. Schreibe sie in dein Heft.– Formuliere eigene Fragen zu dieser Darstellung.

2) Abbildung: Beutefang der Katze aus: E. Strauß, J. Dobers, J. Jaenicke (Hrsg.):Biologie heute 1 H (Ausgabe C, 5./6. Schuljahr). Schroedel Verlag, Hannover1991, S. 30.

Aufgaben für Gesprächs beiträge

40

Page 41: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Alle mündlichen Äußerungen sollten allmählich, d.h. sowohl imLaufe der Erarbeitung einer Thematik als auch mit steigendemAbstraktionsgrad und zunehmendem Alter der Schülerinnen undSchüler, von der Alltagssprache zur Fachsprache überleiten.

Auch das Nichtverstehen kann als Ansatzpunkt der Förderungsprachlicher Fähigkeiten genutzt werden. Der Fragende mussden Punkt des Unverständnisses möglichst präzise eingrenzenund beschreiben, die anderen sind zu genauem Zuhören unddann zu fachlich und sprachlich exaktem und verständlichem Er-klären aufgefordert.

5.2 Schreiben, einschließlich Rechtschreiben, am Beispieldes Religionsunterrichts

5.2.1  Eine verantwortungsvolle Rechtschreibhaltung erzeugen

Die Richtung, in die die Förderung der deutschen Sprache bezo-gen auf das Schreiben, einschließlich der Rechtschreibung, imReligionsunterricht gehen sollte, formulierte Wolfgang Menzelso: „Das richtige Schreiben unter dem Gesichtspunkt der Rück-sicht auf den Kommunikationspartner, dem es das Lesen zu er-leichtern gilt, und eine dementsprechende Einstellung allmählichzu festigen dürfte die entscheidende Richtung sein, in die derRechtschreibunterricht zu gehen hätte“.3)

Es geht also darum, eine Rechtschreibhaltung zu erzeugen, dieRücksicht auf den Kommunikationspartner nimmt. Kennzeich-nend für eine solche Haltung ist die Übernahme von Verantwor-tung im Blick auf den Leser. Die verantwortungsvolle Recht-schreibhaltung lässt sich folgendermaßen beschreiben: BeimSchreiben für andere steht das Bemühen um formale und inhalt-liche Korrektheit und Angemessenheit im Vordergrund. RichtigesSchreiben ist also in erster Linie als Vermittlungshilfe und Erfas-sungshilfe im Blick auf den Leser zu begreifen.

5.2.2  Die formale und inhaltliche Würdigung von Texten inten -sivieren

Eine verantwortungsvolle Rechtschreibhaltung langfristig zuetab lieren ist nur möglich, wenn Religionslehrerinnen und -lehrer,die ja die primären Kommunikationspartner der Schülerinnenund Schüler sind, eine Haltung gegenüber schriftlichen Produk-ten der Schülerinnen und Schüler einnehmen, die deutlichmacht, dass sie wirkliches Interesse an den Texten haben. Die-ses Interesse, diese Würdigung als Antwort auf das Bemühenum orthographische Richtigkeit und inhaltliche Angemessenheit

Verantwortung imBlick auf den Leser

Schülertexte ernstnehmen

41

3) Wolfgang Menzel: Rechtschreibunterricht – Praxis und Theorie „Aus Fehlern ler-nen“. Friedrich Verlag, Seelze 1985, S. 4.

Page 42: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

beim Schreiben zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass dieLehrpersonen sie als Schreibende ernst nehmen. Dadurch wer-den die Schülerinnen und Schüler die Chance entdecken, mit ihnen zusammen sprachliche Richtigkeit und inhaltliche Ange-messenheit auch weiterentwickeln zu können. Eine verantwor-tungsvolle Rechtschreibhaltung und eine würdigende Haltungauf Seiten der Religionslehrerinnen und -lehrer bedingen einan-der. Dies kann langfris tig eine Motivationsbasis schaffen, so dassdas Schreiben aus einer verantwortungsvollen Haltung herauszu einer Selbstverständlichkeit wird.

Je deutlicher das Interesse an Schülertexten wird, um so größerist die Wahrscheinlichkeit, dass die verantwortungsvolle Recht-schreibhaltung wächst.

Ein nächster Schritt sollte darin bestehen, dass den Schülerinnenund Schülern Zeit und Gelegenheit gegeben wird, um selbst eigene Texte partnerschaftlich zu bearbeiten. Ausgangspunktdafür ist sicherlich die Neugier am Text des anderen und die da-mit verbundene Chance, andere gedankliche Ideen kennen zulernen.

Die Lehrperson wird in einer solchen unterrichtlichen Situationzum Berater, der nur dann eingreift, wenn dies direkt gewünschtist. Im Übrigen gelten für solche partnerschaftlichen Aktivitäten,die auch Gruppenarbeit einschließen, die zuvor dargelegtenMaßstäbe der verantwortungsvollen Rechtschreibhaltung undder formalen und inhaltlichen Würdigung von Texten.

5.2.3  Die Umsetzung im Fach Religion

Das Zusammenspiel zwischen dem Erzeugen einer verantwor-tungsvollen Rechtschreibhaltung durch Intensivierung der forma-len und der inhaltlichen Würdigung des Geschriebenen kann imReligionsunterricht in den Klassen 5 bis 10 in vielfältiger Weisekonkrete Gestalt annehmen.

Beispiele für die Klassen 5/6

Die Beschäftigung mit dem Thema Frieden führt u.a. zu derFrage: Was eigentlich zerstört Frieden? Die Beantwortung derFrage erfolgt durch ein besonderes Buchstabieren des Wortes.Angeregt wird dies durch die Präsentation des Wortes in der fol-genden Form:

Eigene Texte partnerschaftlichberaten

42

Page 43: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Jeder Buchstabe ist quasi ins Negative gekippt. Es wird gefragt:Welche Wörter, die mit F/f, R/r, I/i usw. beginnen, sagen etwasWesentliches darüber aus, was Frieden zerstört, z.B. f wie „fres-sen, fangen“ usw., n wie „Neid, Niedertracht“ oder r wie „Rache,rächen“ usw. Die Schülerinnen und Schüler wählen nun das Wortzu F/f, R/r usw. aus, das ihnen persönlich am wichtigsten ist undgestalten damit eine Sprechblase.

Ein Beispiel:

R

In die Leerstelle der Sprechblase schreibt jede Schülerin bzw. jeder Schüler ein Beispiel, eine Erklärung, wie sie oder er z.B.den Begriff „Rache“ als Frieden zerstörend versteht. Bevor derText in die Sprechblase hineinkommt, entsteht zunächst ein Ent-wurf. Der Religionslehrer würdigt die Idee, gibt zusätzliche For-mulierungshilfen und korrigiert.

Die Frage „Wie stellst du dir Gott vor?“ leitet eine Unterrichtsreiheein, in der es um Gottesvorstellungen geht. Antworten werdenformuliert. In der Regel sind die Schülerinnen und Schüler neu-gierig, wie die Lehrperson das wohl findet. Darum wird der Auf-forderung, den Text vorzulegen, meistens rege entsprochen.

Wenn nun die Religionslehrerin oder der Religionslehrerzunächst den Text als Ganzes interessiert zur Kenntnis nimmt,entdeckt sie oder er sehr schnell, dass z.B. bestimmte Formulie-rungen nicht exakt das wiedergeben, was der Schüler aber of-fensichtlich meint. Durch Markierung einer solchen Textstelle er-teilt die Lehrperson die Aufgabe, hier noch einmal nachzuarbei-ten. Oder aber es werden Fragen gestellt, die bei der Überarbei-tung aufgegriffen werden sollen. En passant wird die recht-schriftliche Seite des Textes korrigiert. Auch die grammatischeRichtigkeit gerät in den Blick und wird gegebenenfalls korrigiert.Es entsteht quasi ein Schreibgespräch. Schließlich schreiben ei-nige Schülerinnen und Schüler ihre so überarbeiteten und korri-gierten Texte an die Tafel im Sinne einer Veröffentlichung, die

Buchstaben „reden“ über Frieden

Schreibgesprächüber Gott

43

Page 44: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

wiederum für andere zum Anlass werden kann, in ihren Antwor-ten noch weitere Veränderungen vorzunehmen. So entsteht zumAbschluss eine Reinschrift. Dieser Überarbeitungsprozess kannnatürlich nicht komplett in einer Stunde durchgeführt werden.Das bedeutet: Es ist notwendig, hin und wieder alle Hefte mitnach Hause zu nehmen, um Überarbeitungshilfen zu geben, sodass zu Beginn der nächsten Stunde die Umsetzung durchge-führt wird.

Beispiele für die Klassen 7/8

Die alttestamentliche Josef-Geschichte ist Thema des Unter-richts. Ein Josef-Geschichten-Buch soll in Gruppenarbeit entste-hen. Die einzelnen Episoden der Geschichte werden der Reihenach präsentiert, z.B. als Hörkassette. Die (ggf. mehrmals) ge -hörte Episode wird nacherzählt. Ein Entwurf entsteht, den dieGruppe mit Hilfe des Religionslehrers überarbeitet. Der Religi-onslehrer berät, erklärt, formuliert mit und korrigiert und gibteventuell Hilfen zur formalen Gestaltung der Gesamtseite.

Der Problematik, die mit den Wörtern „Freundschaft, Freund,Freundin“ zusammenhängt, kommt in diesen Klassen eine hoheBedeutung zu. Unterrichtliches Interesse ist damit gegeben. DieFrage, „Was ist eine echte Freundin, ein echter Freund?“ spieltdabei eine wichtige Rolle. Es entstehen Antworttexte, die mit -einander verglichen werden. Die Lehrperson würdigt die Texte,indem sie sie zur Kenntnis nimmt und ihr Interesse daran zeigt.En passant geht es auch um die Rechtschreibung. Unterschied-liche Antworten werden schließlich zusammengestellt und einemöglicherweise zusammenfassende Antwort wird versucht.

Beispiele für die Klassen 9/10

Die Drogenproblematik ist Thema des Unterrichts. Eine Ausstel-lung in der Schule soll vorbereitet werden. Die verschiedenenAspekte des Themas werden zunächst erarbeitet und schließlichdurch einzelne Schülerinnen, Schüler oder Gruppen für die Aus-stellung zusammengestellt und gestaltet. In dieser Phase geht esvor allem darum, dass die Religionslehrerinnen und -lehrer nunmithelfen, dass die Texte usw. rechtschriftlich und inhaltlich über-zeugen, bevor die Veröffentlichung in der Schule stattfindet. För-derung der deutschen Sprache bedeutet in diesem Zusammen-hang Zeit zu investieren, damit das Endprodukt sachlich undfachlich tatsächlich bestehen kann.

Die Erörterung der verschiedenen Weltreligionen und der Ver-gleich unter bestimmten Gesichtspunkten führt in der 9./10. Klas -se dazu, dass kleine Referate zu erarbeiten sind. Beispielsweisespielt dabei die Frage eine Rolle, welche Vorstellungen über einLeben im Jenseits in den jeweiligen Religionen vorherrschen.Aus geeigneten Materialien entnehmen die Schülerinnen undSchüler entsprechende Informationen und erarbeiten einen eige-

Ein Josef-Geschichtenbuch

Was ist Freund-schaft?

Drogen-Problem

Weltreligionen

44

Page 45: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

nen Text. In diesen Prozess greift die Lehrperson ein, indem siezum Beispiel Textentwürfe einsammelt, um sie zu kontrollieren.Dabei geht es vor allem darum, Überarbeitungshinweise zu ge-ben, aber auch darum, wirkliches Interesse zu zeigen, das z.B.dadurch dokumentiert wird, dass an den Rand der Texte positiveBemerkungen geschrieben werden.

5.3 Schreiben am Beispiel naturwissenschaftlicher Fächer

Im naturwissenschaftlichen Unterricht hat das Schreiben einenachgeordnete, fachlichen Zwecken dienende Funktion. Inte -resse und Verständnis für naturwissenschaftliche Zusammen-hänge stehen im Mittelpunkt des Unterrichts. Experimentelle Ar-beitstechniken und mit Modellen arbeiten lernen, Experimentedurchführen können, die Möglichkeit, eine Sache beobachtendund handelnd zu erfahren, zu verstehen und selbst zu erprobenmachen für Kinder und Jugendliche den besonderen Reiz dieserFächer aus.

Meist werden an die zu schreibenden Texte besondere Anforde-rungen hinsichtlich der formalen und sprachlichen Genauigkeitgestellt. Denn steht z.B. in einem Versuchsprotokoll „adsorbie-ren“ statt „absorbieren“, ist dies ein fachlicher Fehler, der aberu.U. daraus resultiert, dass die Schülerin bzw. der Schüler sichdie Schreibung der Begriffe nur oberflächlich angeeignet hat. Be-fürchtungen, nicht „das Richtige“ zu schreiben, können beisprachlich Schwächeren oder Kindern und Jugendlichen andererMuttersprache hemmend wirken, selbst wenn sie mündlich imUnterricht mit Interesse mitmachen.

Das Interesse am Fachlichen kann dazu beitragen, derartigeSchreibhemmungen zu überwinden, und auch die allgemeineSchreibmotivation von solchen Schülerinnen und Schülern stär-ken, die ansonsten dem Schreiben eher ablehnend gegenüber-stehen. Hierin liegen Chancen begründet, sie ausgehend vom In-teresse am fachlichen Lernen auch sprachlich zu fördern.

Werden im naturwissenschaftlichen Unterricht Schreibprozesseinitiiert, die das ganz persönliche Interesse der Lernenden in denMittelpunkt stellen, stärkt dies das Selbstvertrauen der Lernen-den (nicht nur) in ihre Schreibfähigkeit. Gerade im naturwissen-schaftlichen Anfangsunterricht kann das freie, noch „ungebun-dene“ Schreiben einen motivierenden Zugang zum Lernstoff er-möglichen, etwa in Form eines Tagebuchs, in dem die Schülerin-nen und Schüler die in Experimenten gewonnenen Erkenntnisse,ihre Fragen, Beobachtungen, Einfälle, aber auch Vergleiche mitAlltagssituationen, die sie erlebt haben, festhalten. DiesesSchreiben ermöglicht jedem Einzelnen, seinen Zugang zu einemnaturwissenschaftlichen Problem zu finden. Man kann die Kinder

Fachliches Interesse über -windet Schreib-hemmungen

Freies Schreiben

45

Page 46: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

dabei vielfältig anregen, sich schreibend mit dem jeweiligenFachthema, etwa beim Experimentieren, auseinander zu setzen:

Einen Vorgang

� anschauen kann heißen ihn beobachten, vielfältig wahr-nehmen, etwas entdecken, untersuchen, genau verfolgen

� sich darauf einlassen kann heißen sich interessieren, sichkonzentrieren, staunen, erleben, sich hineindenken, sicheinfühlen

� darüber nachdenken kann heißen vermuten, meinen, über-legen, vergleichen (mit etwas Bekanntem), Ähnlichkei-ten/Unterschiede entdecken, Fragen stellen, erklären,Gründe finden, beweisen, analysieren, systematisch vor-gehen

Die Schülerinnen und Schüler sollten ermuntert werden, in ihreneigenen, ihnen vertrauten Worten ihre Reaktion auf das Gese-hene, Erlebte, Ausprobierte darzustellen. Das fördert gleichzeitigdie Freude am fachlichen Lernen und die Schreibmotivation. Dieso entstandenen Texte zeigen den Lehrenden, welchen Zugangjedes Kind für sich gefunden hat, und ermöglichen, daraus An-knüpfungspunkte für die weitere fachliche Arbeit zu entwickeln.

Auch im Rahmen eines strenger an formalen Vorgaben orientier-ten Schreibens lässt sich fachliches Lernen mit sprachlicher För-derung verknüpfen.

Als Erstes sei hier die Arbeitstechnik des Abschreibens genannt,die grundlegend ist für die Weiterentwicklung und Sicherungder Rechtschreibkompetenz (s. Kap. 3.3). Die Schülerinnen undSchüler sollten Gelegenheit erhalten, diese Arbeitstechnik ohneZeitdruck zu praktizieren, auch wenn das, vor allem in jüngerenJahrgängen, Zeit kostet. Denn sorgfältiges und korrektes Ab-schreiben fördert gedankliche Klarheit und trägt dazu bei, das imUnterricht Erarbeitete eigenständig nachzuvollziehen. Das giltanalog auch dann, wenn der „Text“ eher aus Formeln, Berech-nungen usw. besteht oder wenn eine Zeichnung in die Mappe zuübertragen ist.

Das experimentell Beobachtete, Erprobte darstellen kann nur,wer über einen angemessenen Wortschatz verfügt.

Hilfreich könnte es sein, wenn z.B.

� Fachwörter und Fachbegriffe wie „Vokabellisten“ mit Bedeu-tungserklärung aufgeschrieben werden

� solche Listen im Fach-/Klassenraum aushängen

Arbeitstechnik Ab-schreiben

Wortschatz sichern

46

Page 47: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� Schülerinnen und Schüler mit geringem Wortschatz treffendeVerben oder Adjektive als Formulierungshilfe an die Hand be-kommen, die sie eventuell auch wie Vokabeln lernen.

Dabei ist es wichtig,

� Wert auf die richtige Schreibung der Wörter zu legen

� diese Wörter besonders klar und deutlich an der Tafel zu prä-sentieren

� auf mögliche Schwierigkeiten bei der Schreibung hinzuweisenund schwierige Stellen zu markieren

� auf richtiges Abschreiben zu achten

� die Schülerinnen und Schüler anzuregen, Glossare, Wörter-bücher zur Überprüfung der Schreibung zu nutzen.

Um Schwierigkeiten bei der Verwendung von Fachwörternund Begriffen zu reduzieren, sollte man außerdem

� Nomen grundsätzlich mit Artikel einführen, eventuell Beson-derheiten wie unregelmäßige Pluralbildung mitnotieren

� grammatikalische Zusammenhänge, die sprachlich schwa-chen Schülerinnen und Schülern Schwierigkeiten bereiten, exemplarisch aufzeigen; dazu gehören feststehende Verbin-dungen von Verben mit Präpositionen, die vor allem Kindernmit anderer Muttersprache Probleme bereiten können, wie

– „bestehen aus“ + Dativ, „brauchen für“ + Akkusativ

– „Stoff A reagiert mit Stoff B zu Stoff C.“

– „Eine Kraft wirkt auf den Körper.“

– „Das System nimmt Energie auf, gibt Energie ab.“

– „Bestimme die Masse von …“

Die Fachterminologie im naturwissenschaftlichen Unterricht be-inhaltet häufig Nominalisierungen, d.h. Wortbildungsverfahren,die mit Rechtschreib- und u.U. auch Verständnisschwierigkeitenverbunden sind. Daher macht es Sinn, sie auch einmal nachsprachlichen Kriterien zu ordnen und dabei z.B. auf die „Signal-wörter“ für Nomen bzw. Nominalisierungen (Artikel, Zahlwörter,Pronomen usw.) hinzuweisen:

experimentieren das Experimentieren beim Experimentierenverdampfen das Verdampfen beim Verdampfenerhitzen das Erhitzen nach dem Erhitzensieden das Sieden durch das Sieden usw.

Wortbildung erklären

47

Page 48: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Ableitung verschiedener Wortarten aus einem gemeinsa-men Wortstamm birgt insbesondere für Kinder anderer Mutter-sprachen Verständnisschwierigkeiten, die darauf beruhen, dassdie bedeutungsmäßigen Zusammenhänge erahnt, aber nichtwirklich verstanden werden. Selbst wenn den Schülerinnen undSchülern z.B. das Verb „kondensieren“ aus dem Unterricht be-kannt ist, so bedeutet das nicht automatisch, dass auch die Wör-ter „Kondensation“ oder „Kondensat“ verstanden werden. Dasführt zu Unsicherheiten bei Schreibung und Verwendung desWortes im Satz. Deshalb ist es sinnvoll, den Zusammenhangzwischen Wörtern mit gleichem Wortstamm aufzuzeigen, dassz.B. Nomen durch Nachsilben wie „ung“, „(t)ion“, „at“, Verben mitHilfe der Nachsilbe „ieren“ gebildet werden. Z.B.

� den Stromkreis sichern � die Sicherung

� filtrieren � die Filtration � das Filtrat

� destillieren � die Destillation � das Destillat

„Marmor und Salzsäure reagieren miteinander. Bei der Reaktionentsteht Kohlenstoffdioxid.“

„Wir destillieren Rotwein. Bei der Destillation wird der Alkohol vonder wässrigen Basis getrennt. Das Destillat ist farblos.“

„Alle Bezeichnungen für Enzyme haben die Endung – ase: Mal-tase, ...“

Die Zusammensetzung von Wörtern zu neuen Fachbegriffenist ein bedeutungsstiftender Prozess, der sprachliche Problemeauf verschiedenen Ebenen hervorrufen kann. Nachzuvollziehen,wie der Begriff „das Lösungsmittel“ aus den zwei Wörtern („lö-sen“ – „das Mittel“) entsteht, erleichtert insbesondere jüngerenSchülerinnen und Schülern, aus einem ihnen vertrauten Wort-schatz die Fachterminologie aufzubauen. Dabei kann die formaleVeränderung der Wörter, die Schreibung des neuen Fachbegriffs(Großschreibung, Verwendung des Fugen-s), die Verwendungdes Artikels mit in den Blick genommen werden (z.B. oxidieren –die Oxidation – das Oxidationsmittel; reduzieren – die Reduk-tion – das Reduktionsmittel).

Gerade für sprachlich schwächere Schülerinnen und Schüler istes eine wichtige Hilfe, häufig verwendete Ausdrücke und Satz-baumuster variierend gezielt zu üben, um ihr Repertoire anSatzbaumustern zu erweitern, ihnen so ein sprachliches Gerüstzu vermitteln, das das Abfassen von Texten erleichtert.

Dazu gehört z.B. die häufige Verwendung unpersönlicher undpassivischer Formulierungen („Man schaltet … ein“ – „… wirdeingeschaltet“, „man geht … so vor, dass …“ – „Es wird so vor-gegangen“, „man löst … auf“ – „… wird aufgelöst“).

Satzbaumusterüben

48

Page 49: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Dazu gehören auch sprachliche „Formeln“, die z.B. bei Begriffs-bestimmungen, bei der Formulierung von Fragestellungen, Hy-pothesen usw. immer wiederkehren:

–  Unter Geschwindigkeit versteht man …

–  Unter Impuls versteht man …

–  Man nennt Vorgänge, die…, irreversible Prozesse.

–  Die Kreisbewegung eines Massenpunktes heißt gleichförmig,wenn…

–  Die Zeit, die der Massenpunkt für einen Umlauf auf der Kreis-bahn braucht, wird Umlaufdauer T genannt.

–  Die gleichförmige Kreisbewegung ist eine beschleunigte Be-wegung.

Typisch sind Bedingungssätze, z.T. auch ohne die Konjunktion„wenn“:

–  Man erhält die Gewichtskraft G, wenn man … .

–  Besteht Kräftegleichgewicht …, so ist … .

–  Alle Körper behalten ihren Bewegungszustand bei, wenn …

Relativsätze und Infinitivkonstruktionen erläutern oder grenzenSachverhalte ein: „Man nennt Vorgänge, die nur in einer Rich-tung ablaufen können, irreversible Prozesse.“

Der Aufbau naturwissenschaftlicher Texte, etwa eines Ver-suchsprotokolls, folgt meist festgelegten Schreibvereinbarungen.Diese sind jedoch von Fach zu Fach verschieden, variieren u.U.auch von Fachlehrkraft zu Fachlehrkraft, werden unterschiedlich„streng“ gehandhabt und werden zunehmend komplex. Fach -übergreifende Absprachen zwischen den Fachkolleginnen und-kollegen hinsichtlich der formalen und inhaltlichen Anforderun-gen an die Texte geben den Schülerinnen und Schülern mehr Si-cherheit und erleichtern zumindest langfristig den Transfer des ineinem Fach Erarbeiteten auf andere Fachgebiete.

Das Schreiben eines Textes gelingt nicht allen Schülerinnen undSchülern auf Anhieb, selbst wenn er relativ einfach aufgebaut ist.Diesen Schreibprozess einmal gemeinsam zu durchlaufen, dafürauch Unterrichtszeit einzuräumen, hilft den Schülerinnen undSchülern, mit Schreibschwierigkeiten fertig zu werden. Auch derÜbergang zu einem anspruchsvolleren, differenzierteren Ver-suchsprotokoll sollte geübt werden, zumindest die inhaltlich undsprachlich schwierigen Teilbereiche, zumal fachliche, formale(z.B. Art der Gliederung) und sprachliche Aspekte ineinander-greifen.

Schreibvereinba-rungen treffen

Gemeinsam einenText entwickeln

49

Page 50: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Man könnte einmal gemeinsam mit der Klasse/dem Kurs

� einen Schreibplan (Gliederung, Stichwort-/Materialsammlung)erstellen

� danach Textentwürfe (individuell, in Partner-, Gruppenarbeit)schreiben lassen

� diese überprüfen, ob sie den Anforderungen gerecht werden� die Entwürfe überarbeiten (evtl. gemeinsam an der Tafel)� die sprachliche Richtigkeit überprüfen � auf Besonderheiten wie Verwendung von Fachsprache, von

häufig gebrauchten Satzmustern und Formulierungen hinwei-sen

� schließlich eine Überarbeitung/Reinschrift anfertigen lassen.

5.4 Umgang mit Texten am Beispiel von Quellen im Ge-schichtsunterricht

5.4.1  Probleme der Arbeit mit Quellen

In Geschichtsdidaktiken wird der Einsatz von Quellen häufig mitder Funktion versehen, Schülerinnen und Schüler historischeSachverhalte auf deren Grundlage selbstständig erschließen zulassen. Quellentexte und andere Quellenmedien im Fach Ge-schichte zeichnen sich für Schülerinnen und Schüler aber fastimmer durch ihre eigentümliche Fremdartigkeit aus. Die Bilderentsprechen nicht ihren Sehgewohnheiten, die Texte weisen jenach historischem Abstand ein für sie mehr oder weniger unge-wöhnliches Vokabular auf. Karten, Tabellen und Übersichten ent-halten Namen und Begriffe, die nicht nur völlig unbekannt sind,sondern hin und wieder auch – gemessen am heutigen Ver-ständnis – „komisch“ klingen. Sie bedürfen also der besonderenDeutungsanstrengung, um das in ihnen enthaltene vergangeneGeschehen in die eigene Sprache übersetzen zu können, gleich-zeitig aber auch deren unterrichtssprachliche Elemente als Be-griffe der zu lernenden Fachsprache in den eigenen Wortschatzaufzunehmen.

Beim Quellenstudium geht es also immer um die Rekonstruktioneines vergangenen Geschehens auf der Ebene der aktuellenSprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler und um die Not-wendigkeit, Texte und andere Medien des Geschichtsunterrichtsauch als Quelle der fachlichen Begriffsbildung und der durch siegelenkten Verstehensprozesse zu vermitteln.

Damit ist häufig ein doppelter Lese- und Lernwiderstand gege-ben, dem nur durch wiederholtes Einüben in den Umgang mithis torischem Material und seiner sprachlichen Eigenart begegnetwerden kann. Erst dann können Quellen auch als Material für dieselbstständige Arbeit der Schülerinnen und Schüler zur Verfü-gung gestellt werden.

Quellen „reden“nicht von selbst

50

Page 51: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.4.2  Die Auswahl von Quellen und ihre besondere Eignung fürsprachliche Förderung

Quellen und Bilder in den Geschichtslehrwerken, die im besse-ren Fall auch brauchbare Lernbücher sein sollten, vermitteln An-schauungen darüber, wie und worüber sich Menschen frühergeäußert haben, mit welchen Problemen sie umgehen musstenund welche Werthaltung sie dazu eingenommen haben. Anhanddieser drei Dimensionen der Texte und Bilder sind historisch re-levante Sachverhalte zu erarbeiten, so wie an ihnen auch die ei-gene Meinungsbildung zu erproben ist. Das gelingt aber nurdann zufriedenstellend, wenn die Auswahl der Textquellen fol-genden Kriterien genügt:

� Sie sollten ansprechend sein durch ihren Handlungsreichtum;Quellen, die nur Zustände beschreiben, sind nur selten moti-vationsbildend.

� In ihnen sollten möglichst Personen auftreten, die etwas sa-gen oder tun.

� Sie sollten Bilder hervorrufen, Vorstellungen ermöglichen,noch nicht abgeschlossene Prozesse darstellen, die zur Spe-kulation über weitere Verläufe anregen.4)

An so ausgewählte Quellen lassen sich für die Entschlüsselungder Texte und Bilder drei Gruppen von Fragen stellen, die je nachJahrgang in der Sprache der Schülerinnen und Schüler formuliertsein sollten:

� Fragen zum räumlichen und zeitlichen Abstand des Autors zurGegenwart, die helfen, die sprachlichen oder bildlichen Ei-gentümlichkeiten zu um- bzw. zu beschreiben und sie zu ak-zeptieren

� Fragen, die auf ein zu entwickelndes vorläufiges Verständniszielen

� Fragen, die dazu anregen, Vorstellungen und Phantasie zuwecken

� Fragen, die helfen, das dargestellte Ereignis und/oder die er-wähnten Personen in ihrer Intention bzw. ihrer Rolle zu erfas-sen und die damit verbundene Problemstellung einzugrenzen

� Fragen, die klären helfen, ob und wie der Autor sich zum Er-eignis, zur Person und den damit verbundenen Problemen alsBeobachtender oder (auch) Partei-Ergreifender verhält.5)

4) Vgl. dazu Gerhard Schneider: Über den Umgang mit Quellen. In: Geschichte inWissenschaft und Unterricht, Heft 2, 1994, S. 75 f.

5) Diese Fragen sollen die üblichen 5 Schritte der Quelleninterpretation – Para-phrase, Inhaltsanalyse, Begriffsanalyse, Sachkritik, Ideologiekritik – nicht erset-zen, sondern vorab oder ergänzend zu einer mehr lebendigen Auseinander -setzung anregen.

Auswahlkriterienfür Quellen

Fragen an Quellen

51

Page 52: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Beantwortung dieser Fragen verlangt einen produktiven Um-gang mit dem vorliegenden Material und dessen Deutungswider-ständen. Die in Kap. 3.4 vorgeschlagenen Techniken des Text-verstehens sollten hier deshalb je nach Schwierigkeitsgrad derTexte und Bilder entsprechend ausgewählt und zugeordnet zurAnwendung kommen. In jedem Fall sollten die Fragen oder dochein Teil von ihnen zur schriftlichen Bearbeitung in auch systema-tisierender Absicht (Aufbau eines Methodenrepertoires) auffor-dern.

5.4.3  Zwei Beispiele zur Quellenbearbeitung

Die Auszüge aus den beiden folgenden Quellen6) geben in ge-gensätzlicher Weise Augenzeugenberichte zu einem entschei-denden Datum „Sturm auf die Tuilerien“ am 10. August 1792 derFranzösischen Revolution wieder (je nach Lehrplan in Klasse 8oder 9 ein Unterrichtsthema). Sie schildern sehr lebendig und je-weils deutlich Position ergreifend einen Akt der Gewalt, der fürden weiteren Verlauf der Revolution von entscheidender Bedeu-tung sein wird. Den Schülerinnen und Schülern wird damit Ge -legenheit gegeben, sich selbst in die Rolle der Augenzeugenoder des Vernehmenden zu versetzen, um deren Interesse an einer parteiischen Sichtweise zu befragen, kennen zu lernen undbeurteilen zu können.

Ein Quellenver-gleich in Klasse 8

52

Q 33 Madame Julien am 10. August1792

Madame Julien, bei Ausbruch der Re-volution 40 bis 45 Jahre alt, war einegebildete Dame aus der Dauphine. Sieging um der Erziehung ihres Sohneswillen nach Paris und berichtet vondort an ihren Mann, den seine Lands-leute zum stellvertretenden Abgeord-neten der Gesetzgebenden Versamm-lung gewählt hatten.

„Die Nacht war ohne Ereignisse vor-beigegangen. Die große Frage, die aufdem Spiel stand, musste viele Men-schen und, sagte man, die Faubourgsherbeiziehen; darum hatte man in die

Q 34 J. E. Bollmann an seinen Vateram 12. August 1792

Bollmann, 1769 geboren, war der Sohneines wohlhabenden Kaufmannes undstudierte Medizin.

„Um 9 Uhr morgens … zogen die be-waffneten Haufen, sich gebärdend wierasend Tolle, … gegen die Tuilerienzu... Ich kam noch vor Ankunft derHorde in den Garten der T. Ich sah einen großen Haufen von bravenSchweizern und Nationalgardistensich langsam vom Schlosse weg ge-gen die Nationalversammlung hin be-wegen. Der brave Röderer, General-prokurator des Departements, unfähig,

6) Aus: Fragen an die Geschichte. Geschichtliches Arbeitsbuch für die Sekundar-stufe I, hrsg. von Heinz D. Schmid, Frankfurt a. M. 1981, S. 158 f.

Page 53: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

53

Tuilerien viele Nationalgarden berufen.Die Nationalversammlung hatte auchdreifache Wache … Die Marseiller ver-banden sich brüderlich mit den PariserGarden. Man hörte die Rufe: Es lebeder König! Im Faubourg rief die Nation:Es lebe die Nation! Mit einemmal werden alle Fenster im Schloss vonSchweizern besetzt und sie geben ur-plötzlich eine Salve auf die National-garde ab. Die Tore des Schlosses öff-nen sich, dahinter starrt es von Kano-nen, die ihre volle Ladung auf das Volkabschießen. Die Schweizer verdop-peln sich. Die Nationalgarde hattekaum so viel Munition, um zwei Schussabzugeben, sie hat eine Menge Ver-wundete; das Volk flieht; dann sam-meln sich alle in Wut und Verzweiflung.Die Marseiller sind lauter Helden, dieWunder der Tapferkeit verrichten. Manstürmt das Schloss. Die Gerechtigkeitdes Himmels ebnet alle Wege und dieSchweizer büßen den niedrigen Verrat,dessen Werkzeuge sie sind, mit Todjedweder Art. Die ganze königliche Fa-milie, der Spielball einer blutgierigenSippe, hatte sich in einem günstigenAugenblick in die Nationalversamm-lung geflüchtet … Heute, am 10. Au-gust, sollte die Gegenrevolution in Pa-ris ausbrechen. Immer töricht, wie siesind, glaubten unsere Widersacher,dass die Korruption der Führer einesTeils der Nationalgarde, gestützt vonden Royalisten mit ihren Schweizernund allen Lakaien der Tuilerien, die Sache machen und den waffenlosenSansculotten Schrecken einjagen wer-den. Sie sind niedergeschmettert, dasGlück hat sich gewendet und in weni-ger als zwei Stunden ist der Louvre ge-stürmt und der Sieg entschieden.“

(G. Landauer, Die Französische Re -volution in Briefen. Hamburg 1963.S. 181 f.)

zur Ruhe noch etwas zu wirken, hatteden König gebeten, sich mit den Seini-gen in die Mitte der Nationalversamm-lung zu begeben … Der brave Röderer… sagte, er habe der Schweizergarde… Befehl gegeben, nicht anzugreifen… Bald darauf hörte man die erstenKanonenschüsse … Ich war immer inder Nähe des Gefechts … Die Hordevon Pikenträgern und Föderierten wargegen das Schloss gezogen und hattedie Schweizergarde aufgefordert, eszu übergeben. Diese hatte sich ge -weigert. Die Föderierten feuerten, dieSchweizer feuerten wieder. Auf beidenSeiten ladete man die Kanonen mitMitraille (Kartätschen). Die Schweizer,kaum tausend Mann, verließen sichauf die Unterstützung der National-garde, aber diese ließ sie schänd -licherweise im Stich … Die armenSchweizer … überwältigt von derMenge, streckten endlich das Gewehr… Nachdem sie sich ergeben hatten,fiel man jämmerlich über sie her, zwan-zig über einen … Ich habe Szenen ge-sehen, worüber die Menschheit schau-derte ... auf dem Schlosse ist jetzt alleszuunterst zuoberst gekehrt … Der König ist an demselben Tage seinerAmtsverrichtung entsetzt, seine Ein-künfte sind eingezogen worden, dennkein Mensch in der Nationalversamm-lung wagte der herrschenden Partei zuwidersprechen. Der Pöbel schwärmtnoch wütend in den Straßen umher …Man fürchtet noch mehr Ausschweifun-gen, denn man ist des Pöbels nun garnicht mehr Meister. Zucht und Ordnungist verloren …“

(G. Landauer, Die Französische Re -volution in Briefen. Hamburg 1963.S. 361 f.)

Page 54: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die folgenden Anregungen zur Bearbeitung der beiden Quellenhaben lediglich exemplarischen Charakter. Sie erheben wederden Anspruch auf ein durchgehend abgesichertes fachwissen-schaftliches Verfahren noch den auf philologische Akribie. U.E.erfüllen sie jedoch recht gut die Anforderungen an die sprachli-che Förderung in fachlicher Arbeit, wenn, wie vorgeschlagen, Le-sen, Hören und Schreiben den handelnden Umgang mit denQuellen bestimmen, d.h. Sprachhandlungszusammenhänge imVordergrund der Quellenarbeit stehen, die in Annäherung an Rol-lenspiele mehr sein wollen als ein bloßes Reden über Quellen.

Zunächst bedürfen die in den Quellen aufgeführten Bezeichnun-gen und Namen wie „Faubourg“, „Nationalgarde“, „Schweizer-garde“ der (wiederholten) Erläuterung. Im Anschluss trägt derUnterrichtende die Berichte mit entsprechender Betonung in derRolle des Augenzeugen vor (darstellend-interpretierendes Le-sen). Dann fordert er die Schülerinnen und Schüler auf, sich indie Rolle eines (polizeilich) Vernehmenden zu versetzen und da-bei im Sinne der o.g. Fragenbereiche folgende Fragen an dieQuellen (Augenzeugen) zu richten und aus dem Text heraus zitierend und/oder selbstständig zusammengefasst schriftlich zubeantworten (das kann auch auf einem vorbereiteten Arbeitsblattgeschehen):

a) Fragen zur Person: Name, Alter, Herkunft, gesellschaftli-che Position.

b) Wo standen Sie als Beobachter/in? Von wann bis wann ha-ben Sie dort gestanden? Was konnten Sie überblicken?(Ein historischer Stadtplan von Paris kann hier hilfreichsein und das Vorstellungsvermögen unterstützen.)

c) Welchen Vorgang haben Sie beobachtet? Schildern Siebitte sachlich die Reihenfolge der Ereignisse.

d) Wie beurteilen Sie die handelnden Personen und Grup-pen? Wie haben sie sich verhalten?

e) In welchen voraufgegangenen Ereignissen sehen Sie dieUrsachen (geschichtliche Hintergründe) für das Gesche-hen vor und in den Tuilerien?

f) Welche Meinung haben Sie selbst dazu?

Mit Quellen sprach-handelnd umgehen

Augenzeugen vernehmen

54

Page 55: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Das Leistungsspektrum einer Klasse ist mit diesen Fragen in dergesamten Breite angesprochen, da sie von allen Schülerinnenund Schülern beantwortet werden können. Wenn sie diese Fra-gen bearbeiten, müssen sie allerdings sehr genau die Sprach -ebenen der Quellen beachten, um zwischen Kernaussagen,sachlicher Wiedergabe und wertender Ausschmückung unter-scheiden zu können; d. h. eine differenzierte Leistung stellt sichhier über die sprachliche Analyse als Einübung in die Methodikquellenkritischer Arbeit ein.

Die Antworten können nun jeweils in Protokollen (auch in Grup-penarbeit, die noch einmal den gegenseitigen Verstehenspro-zess im Reden über Details fördert) zusammengefasst werden,welche die Widersprüche offenlegen und anschließend dieGrundlage für die weitergehende Erschließung des Sachverhal-tes um den „Sturm auf die Tuilerien“ abgeben können. Es bleibennämlich ungeklärte Aspekte übrig, die durch die parteiische Sichtder vielleicht auch nur vermeintlichen Augenzeugen ausgeklam-mert wurden. Die Schülerinnen und Schüler können demnachjetzt mit Hilfe des Geschichtsbuches weitere Informationen ein-holen, um sich gegenüber den Quellenaussagen eine objektivereKenntnis- und Bewertungsposition anzueignen.

Die Protokolle sollten im Sinne einer fördernden Leistungsbe-wertung eingesammelt, kommentiert und eventuell benotet wer-den.

Die folgende, hier stark gekürzte Quelle wurde im Gesellschafts-lehreunterricht an einer Gesamtschule in einer 9. Klasse unterdem Thema „Rolle der Frau – Diskriminierung und Emanzipation“eingesetzt. Da sie für dieses Alter einen ziemlich hohen Anspruchvorgibt, sollte sie mit möglichst einfachen, nachvollziehbarenSchritten in ihrer sprachlichen Grobstruktur analysiert werden,um einen hinreichenden Verstehenszugang gewährleisten zukönnen. Das rhetorische Muster der Quelle folgt, ähnlich wie invielen Reden, einem antithetischen Aufbau, und zwar syntaktischwie semantisch. Es soll hier beispielhaft und schülernah unter-sucht werden. Zuvor sind unverständliche („altmodisch“ klin-gende) Wörter wie „Verwerflichkeit“ und „Sittlichkeit“ zu erläutern.

Vernehmungs -protokolle ver -gleichen

Eine Quelle sprach-lich analysieren

55

Page 56: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Ehekritik der RevolutionärinLouise Aston, 1846

Ich glaube allerdings nicht an die Not-wendigkeit und Heiligkeit der Ehe, weilich weiß, dass ihr Glück meistens einerlogenes und erheucheltes ist; dasssie in ihrem Schoße Verwerflichkeitund Entartung verbirgt. Ich kann einInstitut nicht billigen, das mit der An-maßung auftritt, das freie Recht derPersönlichkeit zu heiligen, ihm eineunendliche Weihe zu erteilen, wäh -rend nirgends gerade das Recht mehrmit Füßen getreten und im Innerstenverletzt wird; – ein Institut, das mit derhöchsten Sittlichkeit prahlt, währendes jeder Unsittlichkeit Tor und Tür öff-net; das einen Seelenbund sanktionie-ren will, während es meistens nur denSeelenhandel sanktioniert. Ich ver-werfe die Ehe, weil sie zum Eigentumemacht, was nimmer Eigentum seinkann: die freie Persönlichkeit; weil sieein Recht gibt auf Liebe, auf die eskein Recht geben kann; bei der jedesRecht zum brutalen Unrecht wird.

(Louise Aston: Meine Emanzipation,Verweisung und Rechtfertigung, Brüs-sel 1846, S. 45–46.)

1. Schritt

Was sagt die Autorin in den Verbenvon sich? Unterstreicht diese Verben.nicht glauben, nicht billigen, verwerfen

2. Schritt

Ordnet den Verben die Objekte durchPfeile zu.Notwendigkeit, Heiligkeit, Institut, Ehe

3. Schritt

Versucht eine Gegenüberstellung vonGegensätzen nach negativen und po-sitiven Wertungen der Ehe. Achtet da-bei darauf, was vor und hinter der Kon-junktion während und bei Verneinun-gen steht.

Glück – VerwerflichkeitHeiligkeit – erlogen, erheucheltfreies Recht der Persönlichkeit –Recht mit Füßen getretenSittlichkeit – UnsittlichkeitSeelenbund – SeelenhandelEigentum – freie PersönlichkeitRecht auf Liebe – kein Recht aufLiebeRecht – brutales Unrecht

4. Schritt

Überlegt nun, aus welchen Erfahrun-gen heraus die Autorin die in den Ge-gensätzen enthaltenen Vorwürfe auf-stellt. Wem könnte sie diese Vorwürfegemacht haben?

Mögliche Antworten:

den Männernden Ehegesetzender Kircheeiner Gesellschaft, in der Frauen nurdann etwas gelten, wenn sie ver -heiratet sind

Rückbezüge zum Text herstellen.

56

Page 57: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Diese Analyse erreicht zwar nicht alle Bedeutungsnuancen desTextes, das sollte aber auch nicht ihr Zweck sein. Ausschlagge-bend ist, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mit dem Auf-trag: „Lest die Quelle und fasst ihren Inhalt kurz zusammen!“ ineine meistens hilflose Position gedrängt werden. Eine sprachlichsperrige Quelle, die man für wichtig, spannend und Diskussionenauslösend hält, muss in möglichst einfachen, nachvollziehbarenSchritten, die gleichzeitig etwas zum Verständnis semantischerund syntaktischer Strukturen beitragen, annäherungsweise inden Verstehenshorizont der Schülerinnen und Schüler geholtwerden.

5.4.4  Weitere Anregungen zum produktiven Umgang mit Quel-lenmaterial

Schon aus lernpsychologischen Gründen (Vielfalt der Zugängeund Gedächtnisstützen) sollten, wann immer möglich, Text- undBildmaterial (eventuell auch Karten) in gegenseitige Erläute-rungszusammenhänge gestellt werden. Dabei hat sich bewährt,von kurzen schriftlichen Bildbeschreibungen als Anstoß zu ent-deckender Beobachtung und Untersuchung auszugehen, umsich so mit einem schon gelenkten Vorverständnis dem Text undseinen Verstehensproblemen zu nähern. Historische Quellen(wie auch die oben zitierten) enthalten häufig Wörter und Be-griffe, die entweder aus unserem Wortschatz verschwunden sindoder als Fremdwörter mit Schlüsselbedeutung zunächst nichtverständlich sind. Neben dem selbstständigen Nachschlagen inWörterbüchern (sie sollten unbedingt im Klassenraum zur Verfü-gung stehen) oder der Nutzung des Glossars im Lehrbuch selbstkann man auch ein Verfahren anwenden, das geeignet ist, denfremden Text in Annäherung an die Sprache der Schülerinnenund Schüler „zum eigenen“ zu machen und das gleichzeitig derWortschatzerweiterung dient:

Mit einem etymologischen Wörterbuch sowie vor allem einemNachschlagewerk für sinn- und sachverwandte Wörter (es enthältalle Stilebenen) lassen sich häufig gezielte Lesehilfen in einem„Wortschatzkasten“ bereitstellen, der vielfältig zu einem verglei-chenden, wortspielerischen Probieren, Ersetzen und „Überset-zen“ anregen kann. Nicht zuletzt lässt sich mit dessen Hilfe auchdie möglichst häufig zu fordernde Zusammenfassung einer (be-deutsamen) Quelle mit eigenen Worten sehr viel leichter erstellen.

Der Umgang mit Texten und historischen Bildern sollte hin undwieder auch als Förderung der Sprechkompetenz bei der Prä-sentation von schülereigenen Texten verstanden werden. Ge-schichtswerke, die viel Bild- und Quellenmaterial anbieten, eig-nen sich in passenden Phasen der Unterrichtseinheiten auch alsInformationsquelle für arbeitsteilige Gruppenarbeiten, deren Er-gebnisse vor dem Plenum mündlich und möglichst mit Unterstüt-

… mit Wörter-sammlungen

Quellentexte erschließen …

… mit Bildern

57

Page 58: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

zung eines Schaubildes (Tafel, OHP, Flipchart) vorzutragen sind.Hier bietet sich an, schwierige Wörter und Begriffe bildlich, gra-fisch, symbolisch darzustellen. Eine sehr brauchbare Hilfe gibt zudiesem Zweck das Duden-Bildwörterbuch, das eine Fülle vonfachlichen Begriffen bildlich erklärt.

Nicht zuletzt ist beim Umgang mit Texten in Form von Lehrwer-ken auch der aktiven Muße Zeit einzuräumen. Bekommen Schü-lerinnen und Schüler etwa ein Geschichtsbuch zum ersten Mal indie Hand, beginnen sie, von sich aus zu blättern, nach Bildernund Karten zu suchen und sich gegenseitig auf Gefundenes auf-merksam zu machen. Diese natürliche Neugier und das Bedürf-nis nach Unterhaltung lassen sich durchaus als produktivesSchmökern zu Beginn jeder neuen Unterrichtsreihe nutzen. Ein-zelbilder und ganze Bilderserien verleiten zur genaueren Be-trachtung, eben weil sie nur die auf einen Ausschnitt von Wirk-lichkeit reduzierte Wiedergabe von Geschichte sind. Die histori-sche Momentaufnahme sollte geradezu als Einladung zur narra-tiven mündlichen und schriftlichen Spekulation über ihren histori-schen Hintergrund verstanden werden. Von hier lässt sich einschon gelenktes Interesse Einzelner oder von Gruppen an be-stimmten Teilthemen ermitteln, das dann möglicherweise aufkleine Referatsaufträge gerichtet werden kann.

5.5 Umgang mit Texten und Medien in den Gesellschafts-wissenschaften

Die Gesellschaftswissenschaften sind in der Sekundarstufe I aufden Umgang mit Texten und Medien angewiesen. Neben Metho-den fachwissenschaftlichen Umgangs mit den Medien muss des-halb auch der sprachlichen Förderung besondere Aufmerksam-keit gewidmet werden.

Die Lehrpläne für die Sekundarstufe I tragen dieser Tatsachehäufig Rechnung und geben Hinweise zum fachspezifischenUmgang mit Texten und Medien.7)

5.5.1  Texte lesen und verstehen

Zum Umgang mit Texten gehören verschiedene Arten des Le-sens, die unterschiedlichen Intentionen genügen.8) Wichtig ist,dass den Schülerinnen und Schülern ihre eigene Praxis im Um-

Im Geschichtsbuchstöbern

Verschiedene Artendes Lesens

58

7) So befasst sich etwa der Lehrplan Geschichte Gymnasium Sekundarstufe I im An-hang mit der Arbeit mit Texten, Karten und Statistiken.

8) H. Giehrls unterscheidet beispielsweise informatorisches, evasorisches, kognitivesund literarisches Lesen: Das informatorische Lesen dient der Orientierung und folgtdem ökonomischen Prinzip, das evasorische Lesen dient der Entspannung undversetzt in eine andere Welt, das kognitive Lesen ist durch eine aktive Fragehal-tung zum Text gekennzeichnet und das literarische Lesen sucht den vollen ästhe-tischen Gehalt eines Textes als Kunstwerk zu erfassen (nach: Regula Schrae der-Naef: Schüler lernen Lernen. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1996, S. 40 f.)

Page 59: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

gang mit Texten bewusst wird und sie in die Lage versetzt wer-den, für die Schule wichtige Arten des Lesens bewusst einzuset-zen und voneinander sowie von anderen Arten des Lesens zuunterscheiden. Dabei kann es nicht darum gehen, eine be-stimmte Art des Lesens zur richtigen zu erklären, sondern dieGelegenheit sollte genutzt werden, die Berechtigung verschiede-ner Arten aufzuzeigen und ihnen ihren Platz zuzuweisen. Miss -verständnisse darüber, was unter dem Arbeitsauftrag „Lest denText!“ zu verstehen ist, können dadurch vermieden werden, dasseine Vereinbarung entweder über eine Präzisierung oder übereine methodische Füllung erreicht wird. Voraussetzung ist bei allen Formen eine Aufmerksamkeit für den Text, die von einem inhaltlichen Interesse geleitet wird und die zu genauem Lesenführt.

Kursorisches Lesen

Lesen zur Orientierung und zum Auffinden relevanter Informatio-nen nimmt einen immer breiteren Raum angesichts der Informa-tionsvielfalt ein. Daran kann auch die Schule nicht vorbeigehen,wiewohl sie vielfach stark am Schulbuch orientiert ist. Schülerin-nen und Schüler müssen wissen, dass das „browsende“ Lesenseine Berechtigung haben kann, dass man es allerdings auchgezielt einsetzen kann, um größere Textmengen auf wesentlicheInformationen „abzuklopfen“. Dazu können mit zeitlicher Begren-zung größere Textpassagen kursorisch gelesen werden und her-nach der interessierende Inhalt unter vorher vereinbarten Ge-sichtspunkten gemeinsam überprüft werden. Leicht kann gezeigtwerden, wieviel jeweils im „Filter“ hängengeblieben ist.

Beispielsweise kommt das kursorische Lesen in Betracht, wennaus der Fülle von Material Relevantes herausgesucht werdensoll, wenn etwa aus diversen Büchern und Zeitschriften Texteund Bilder zur Vorstellung einer Stadt zusammengestellt werdenusw. Auch die Recherche im Internet verlangt oft wegen der Fülledes Materials kursorisches Lesen.

Kognitives Lesen bzw. Durcharbeiten

Diese Form bezieht sich in der Schule hauptsächlich auf inSchulbüchern und auf Arbeitsblättern dargebotene Information.Oft ohne ausdrückliche Vereinbarung erwarten die Lehrerinnenund Lehrer, dass die dargebotene Information nach dem Lesenpräsent, oft auch verstanden ist. Dazu sind allerdings verschie-dene Schritte nötig, die auch einzeln geübt werden müssen. Dabei sollten systematisch Fragen an den Text gestellt werden,um die oben beschriebene fragende Haltung zum Text zu unter-stützen.

Die Informations-flut filtern

Den Text präsenthaben

59

Page 60: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Zur Rezeption:

Was interessiert mich an dem Text?Welche Informationen, Denkanstöße, Anregungen, Heraus-forderungen, Erkenntnisse bietet mir der Text?Wie stehe ich zu den Aussagen und der Intention des Textes?Welche Folgerungen ziehe ich aus der Kenntnis des Textes?

Fragen an den Text

60

Zum Inhalt:

Um welche Sache oder welches Problem geht es im Text?Welche Sachangaben, Thesen, Hypothesen, Begründungen,Belege, Folgerungen, Urteile oder Aufforderungen enthält derText?Führt der Text neue Begriffe ein? Sind sie bekannt? Welchemüssen erklärt werden?Gibt der Text Definitionen?Was ist gesagt (expliziert), was ist mitgemeint (impliziert)?Welche Sinnabschnitte hat der Text?

Zur Darstellung:

In welchem Verhältnis stehen die Darstellungsschritte zuein-ander?In welcher Sprachebene ist der Text verfasst (Hochsprache,Fachsprache, Umgangssprache)?Enthält der Text Zitate? Welche Funktion haben sie?

Zur Kommunikationssituation:

Wer ist der Autor bzw. Auftraggeber?Was wird über die Entstehungsbedingungen des Textes deut-lich?Wer ist der Adressat des Textes?Durch welches Medium wird der Text verbreitet?Welcher Kontext ist für das Textverständnis von Bedeutung?Wie ist der Text in die historisch-gesellschaftliche Situationeingebettet?Unter welcher Perspektive wird der Gegenstand betrachtet?Für welche Werte tritt der Text direkt oder indirekt ein?Welche Einstellungen und Verhaltensweisen will der Text för-dern?Wessen Interessen dient der Text?

Page 61: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Es empfiehlt sich, solche Fragen schrittweise und altersange-messen im Verlauf der Sekundarstufe I in jedem Fach bei derTextarbeit mit den Schülerinnen und Schülern zu erarbeiten undsie diese Fragen beispielhaft schriftlich bearbeiten zu lassen. Diegesellschaftswissenschaftlichen Fächer haben eine besondereVerantwortung im Hinblick auf die gesellschaftlichen und histori-schen Kontextbedingungen der Textentstehung und -rezeption.Deshalb sollte hierauf am Ende der Sekundarstufe I ein Schwer-punkt gelegt werden.

5.5.2  Texte bearbeiten und ihren Inhalt präsentieren

Die Bearbeitung von Texten muss Hand in Hand gehen mit derEntwicklung des fachspezifischen Verständnisses auch schüler-fernerer bzw. schwierigerer Texte. Die Bearbeitung von Textensollte systematisch entwickelt und eingefordert werden. Das be-ginnt beim Lesen der Texte mit dem Hilfsmittel Bleistift oder Mar-ker und endet bei der komplexeren Textkritik:

Texte sich und anderen verfügbarmachen

61

Jahrgangsstufen 5/6 Jahrgangsstufen 7/8 Jahrgangsstufen 9/10

Unterstreichen und Mar- gezieltes Unterstreichen Nutzung von Randver-kieren (Wichtiges, Nicht- und Markieren (zentrale merken (zusammen-verstandenes) Aussagen, Schlüsselbe- fassendes Stichwort,

griffe) Unklarheiten, Kritik)

Sammeln von Informatio- Einüben des wörtlichen Anfertigung von Exzerp-nen aus längeren Sach- Zitierens, Sammlung tentexten unter einer Leit- wichtiger Textstellenfrage

Sicherung eines ein- Sicherung eines vertief- Weiterentwicklung einesfachen Textverständnis- ten Textverständnisses vertieften Textverständ-ses (u.a. durch Fragen, (u.a. Erkennen von nissesNutzung von Worterklä- Fachsprachen, Gebrauchrungen) spezieller Begrifflichkei-

ten, Unterscheidung zwi-schen Textsorten)

einfache Textgliederung Untersuchung der Argu- systematische Analyse (z.B. Abschnittsüber- mentationsstruktur von von Sachtexten (Thema,schriften), Arbeit mit Be- Texten (Behauptung, Intention, Argumentati-griffsrastern (Text, Thema, Fragestellung, Argument, onsgang, Realitätsbezug, Einleitung, Hauptteil, Beleg, Beispiel), Unter- Schlüssigkeit, Position Schluss, Kapitel, Ab- suchung der Argumenta- der Autorin bzw. desschnitt, Absatz) tionsschritte (Binnenglie- Autors)

derung von Texten durchKonjunktionen usw.),Identifizierung der Text-intention

Page 62: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Das notwendige Repertoire zum Verständnis fachspezifischerTexte, darunter besonders das fachspezifische Vokabular, musssystematisch entwickelt werden und bedarf ständiger Übung undÜberprüfung.

Mittel zur Förderung des Textverständnisses können besondersauch visualisierende Techniken sein. Wegen der stark bildhaftausgerichteten Intelligenz vieler Schülerinnen und Schüler sindVisualisierungen wichtig, um einem zu begriffslastigen Herange-hen an Texte vorzubeugen. Schülerinnen und Schüler sollten er-muntert werden, selbst Visualisierungstechniken anzuwenden,um Texte zu verstehen und für sich zu erschließen.10) Darüberhinaus gehören Visualisierungstechniken zum Repertoire bei derPräsentation der Inhalte von Texten, etwa bei Referaten und kur-zen Vorträgen usw.

9) Je nach Anspruchsniveau der Schule muss dieser Aspekt unterschiedlich aus -fallen.

10) Eine Einführung gibt beispielsweise Josef A. Seifert: Visualisieren – Präsentieren– Moderieren. GABAL Verlag, Bremen 1996.

Texte visualisieren

62

Jahrgangsstufen 5/6 Jahrgangsstufen 7/8 Jahrgangsstufen 9/10

Dominierende Wiederga- Inhaltsangabe (Wichtiges systematische Textreduk-betechnik ist das Nach- von weniger Wichtigem tion (Zusammenfassung, erzählen; Inhaltsangabe unterscheiden, Distanz Inhaltsangabe, systema-oder Zusammenfassung zum Text, Gebrauch des tische Texterweiterung, stellen in der Regel eine darstellenden Präsens) Veranschaulichung)Überforderung dar. DieWiedergabe eines darge-stellten Geschehens kannbeispielsweise aus derSicht einer beteiligtenPerson erfolgen.

einfache Meinungsäuße- Textkritik an einfachen komplexere Textkritikrungen zum Text Beispielen (Argumenta- (Argumentationsmuster

tionsmängel, fehlende erkennen und kommen-Begründung), Formulie- tieren), abwägende Er-rung einer kurzen zusam- örterung von Textaus-menfassenden Stellung- sagen, Beurteilung undnahme Bewertung9)

Page 63: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.5.3  Lesen und Verstehen von Tabellen und Grafiken

Eine besondere Verantwortung kommt den gesellschaftswissen-schaftlichen Fächern im Hinblick auf die Einübung eines kriti-schen Verständnisses von Tabellen und Grafiken zu. Dabei gehtes zunächst um ein sprachlich ausdrückbares Verständnis der inDatenwerten bzw. Grafiken ausgedrückten Zusammenhänge,also um das Verbalisieren dieser Zusammenhänge. Diesesmuss systematisch geübt werden und den Schülerinnen undSchülern müssen sprachliche Möglichkeiten (Fachbegriffe, For-mulierungen usw.) angeboten werden, um diese Aufgabe bewäl-tigen zu können. Ihr Blick muss auf die für das Verständnis wich-tigen Angaben und zugleich damit auch auf die fehlenden Anga-ben gelenkt werden, um sie zu einer angemessenen und sprach-lich korrekt formulierten Interpretation des Materials zu befähi-gen, die sich im zweiten Schritt vollziehen muss. Um den drittenSchritt einer kritischen Einordnung des Materials in den gesell-schaftlichen bzw. sachlichen Kontext vollziehen zu können, sinddie ersten beiden vorausgesetzt. Auch im letzten Schritt geht esum die sprachliche Umsetzung im Hinblick auf angemessene,trennscharfe Formulierung, die Unterscheidung zwischen Tatsa-chenbehauptungen und Vermutungen usw. Die Schulung dersprachlichen Umsetzung ist in diesem Bereich zugleich eineSchulung der gedanklichen Bewältigung.

Die sprachliche Umsetzung von Tabellen beispielsweise darfnicht bei einer bloßen Wiedergabe der Zahlenwerte stehen blei-ben. Vielmehr müssen inhaltliche Zusammenhänge unter Einbe-ziehung des Kontextes aufgezeigt und Aussagen der Tabelle in-nerhalb dieses Kontextes abgeleitet werden. Dann ist eine kriti-sche Beurteilung des Aussagewerts der Tabelle möglich.

5.5.4  „Lesen“ und Verstehen von medialen Texten

Was für Tabellen und Grafiken gilt, trifft auch auf andere medialePräsentationen zu. Text-Bild-Kombinationen und bildliche Kon-strukte sind häufig die eigentlichen Bedeutungsträger. Abgese-hen davon, dass eine gesellschaftswissenschaftliche „Gramma-tik“ der Analyse von medial vermittelter Bedeutung noch in denAnfängen steckt, kommt auch hier unzweifelhaft der Verbalisie-rung eine zentrale Bedeutung zu. Vieles kann nur durch das „In-Worte-Fassen“ auf eine Bewusstseinsebene gehoben werden,die eine Reflexion des Gemeinten und der angewandten media-len Mittel erlaubt. Das „Lesen“ medialer Texte kann hier nicht imEinzelnen dargelegt werden. Die Techniken reichen von der Ana-lyse von Karikaturen, für die möglichst fachübergreifend einfester Ablauf vereinbart werden sollte, bis zur Filmanalyse undzum Umgang mit Hypertexten.

Daten und Grafikenverbalisieren …

… und interpre -tieren

Mediale Texte verbalisieren

63

Page 64: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Die Verstehensleistung bezüglich medialer Texte ist nur schein-bar leichter zu erbringen als bei klassischen linearen Texten. DieBildinformation scheint unmittelbarer zu wirken, was manchedazu veranlasst, das Ende der Schriftkultur auszurufen und voneiner retrograden Entwicklung auszugehen. Es wäre aber zu fra-gen, ob nicht das Gegenteil der Fall ist. Vilém Flusser zum Bei-spiel weist darauf hin, dass der medial vermittelten Informationdie textliche Information vorausgeht und in ihr auf einer neuenEbene integriert ist. Er spricht von „Technobildern“, die einesprachlich-begriffliche Verarbeitung voraussetzen, obwohl siehäufig ausschließlich auf der vortextlichen Bildebene rezipiertwerden.11)

Das Zurückführen der medial vermittelten Information auf denText und die Verbalisierung ihres Symbolgehalts sind nötig, umzu einem bewussten Wahrnehmen dieser Information zu gelan-gen und Darstellungs- sowie Persuasionsstrategien zu erken-nen. Deshalb ist es wichtig, Medien nicht nur als „Sprechanlässe“zu sehen, sondern sie in ihrer Struktur zu reflektieren. Dies aberist kaum anders möglich als über die Sprache.

Aber auch der produktive Umgang mit Medien setzt eine sprach-lich formulierte Planung, z.B. ein Drehbuch, eine verbal ge -äußerte Strukturvorstellung für den Aufbau einer Bilddokumenta-tion usw., voraus. Vielfach ist eine Text-Bild-Kombination ange-bracht und notwendig, um die entsprechende Intention deutlichzu machen. Sprache wird dabei häufig eingesetzt, um die Bild -information zu kontextualisieren. Sprache erhält so in Text-Bild-Kombinationen eine wichtige Funktion zur Konstitution von Be-deutungen, wird aber auch durch die Dominanz des Bildlichenentwertet. Die Zusammenhänge, die zum Beispiel durch die Inszenierung von Wirklichkeit in Nachrichtenfilmen hergestelltwerden, müssen durch eine sprachliche Umsetzung deutlich ge-macht, distanziert versprachlicht und dadurch erst einem kriti-schen Verständnis zugänglich gemacht werden.

5.6 Sprachliche Förderung im Fach Kunst

Kinder und Jugendliche sind im Alltag von Bildern/Bildwelten un-terschiedlichster Art und Herkunft umgeben: von Plakaten, Co-mics, Bildern in Printmedien, „Bildern“ der elektronischen Medienwie Filmen, Videoclips, Computerspielen usw. Diese hinterlassenSpuren, rufen Emotionen hervor, prägen Denkweisen und Wert -urteile und die ästhetische Wahrnehmung, selbst dann, wenn sienur oberflächlich wahrgenommen werden.

11) Vilém Flusser: Kommunikologie. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1998, S. 171 ff.

Medien in ihrerStruktur reflektie-ren

Die Sprache struk-turiert und distan-ziert

64

Page 65: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Viele Kinder und Jugendliche stehen ihnen sprachlos gegenüber,können die Flut der Bilder und Zeichen sprachlich-gedanklichnicht verarbeiten, können ihre Bedeutung nicht in Worte überset-zen.

Die Auseinandersetzung mit Bildern (im weitesten Sinne)12),ästhetischen Objekten und Handlungszusammenhängen trägtdazu bei, dieser Sprachlosigkeit zu begegnen. Das Sprechen in-tensiviert einerseits die Wahrnehmung, denn es wirkt der Flüch-tigkeit oberflächlichen Anschauens entgegen. Andererseits er-möglicht die Rückbindung an die Wahrnehmung und/oder das ei-gene Tun, die Sprache bewusster, differenzierter und kreativergebrauchen zu lernen. Diese Verknüpfung eröffnet spezifischeMöglichkeiten sprachlicher Förderung.

Im Kunstunterricht wird ein breites Spektrum verschiedensterSprachhandlungen angeregt, bei denen sprachliche Förderungmit berücksichtigt werden kann: Es wird assoziiert und erzählt, eswird beschrieben, erklärt, gedeutet, reflektiert, es wird gelobt undabgelehnt, beurteilt, kritisiert usw.

5.6.1  Sprechen über eigene Arbeiten

Die eigenen Arbeiten in der Lerngruppe zu betrachten und zu be-sprechen ist für Schülerinnen und Schüler immer ein motivieren-der Sprechanlass. Meist sind diese Gespräche aspekt- und prob -lemorientiert: Es geht um die Umsetzung der Aufgabenstellung,Verwendung einer bestimmten Arbeitstechnik, Entwicklung vonVorschlägen für die weitere Arbeit usw. Hierbei werden ein the-menspezifischer Wortschatz und themenbezogene Formulierun-gen gebraucht und im Gespräch mehrfach wiederholt. Dabei wird„nebenbei“ Sprache trainiert und es ist sinnvoll, behutsam korri-gierend einzugreifen und auf richtigen Sprachgebrauch zu ach-ten; z.B. auf den richtigen Artikel bei Fachbegriffen, auf pas-sende Verben, die das Vorgehen bei einer bestimmten Arbeits-technik bezeichnen.

5.6.2  Spontanes Sprechen über Bilder

Das Betrachten eines Bildes regt Kinder zu spontanem Sprechenan: Sie beschreiben, formulieren erste Eindrücke, assoziieren,erzählen Geschichten, Erlebnisse, erinnern sich an andere „Bil-der“, vielleicht an einen Comic, vielleicht an einen Film. Diesesprachlichen Äußerungen sind vor allem bei jüngeren Schülerin-

Wahrnehmung undSprechen

Themenspezifi-schen Wortschatztrainieren

65

12) Da es im Rahmen des vorliegenden Textes nicht um die Erfassung und Ausdiffe-renzierung all dessen geht, was Lerngegenstand im Fach Kunst sein kann, wirdhier der Einfachheit halber von „Bildern“, „Bildwelten“ gesprochen, „stellvertretendfür eine Vielzahl möglicher Fachgegenstände“. (Vgl. Richtlinien und Lehrpläne fürdas Gymnasium – Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, Fach Kunst, S. 31)

Page 66: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

nen und Schülern häufig emotional und ich-bezogen – sie er-zählen u.U. eher „zu“ dem Bild, statt über dieses zu sprechen.Das spontane Erzählen und Assoziieren ist bedeutsam alseigenständige Weise, sich inhaltlich und sprachlich einemBild zu nähern. In einem Bild eine Geschichte zu finden, dieseauszuspinnen, Bilder, die im Kopf entstehen oder erinnert wer-den, in Worte zu fassen, anderen mitzuteilen, macht KindernSpaß und regt sprachliche Kreativität an. Das Bild fordert heraus,das Gesehene zu verbalisieren, daran eigene, u.U. neue, unge-wohnte Assoziationen und Gedanken zu knüpfen, die ohne dieBildanregung den Kindern nicht in den Sinn gekommen wären.Sprachliche Fehler sollten bei diesen Gesprächen nur, wenn esfür die Verständlichkeit unumgänglich ist, korrigiert werden.

Der eher assoziative, spontane Zugriff auf ästhetische Objektehat auch bei älteren Schülerinnen und Schülern den „Nebenef-fekt“, dass sie zu kreativem Gebrauch von Sprache angeregtwerden, dass sie (wieder) lernen, Subjektives sprachlich aus-zudrücken und als Teil ihrer Wahrnehmung sich bewusst zu ma-chen.

Auch wenn sie bereits mehr Vorwissen und „Erfahrungen“ mit Bil-dern in die Spontanphase einbringen und weniger ins Erzählengeraten, ist auch hier das Sprechen meist ungeordnet, wenigsys tematisch, oft auch ein Suchen nach Worten und adäquatenAusdrucksweisen. Das Bestreben, das Wahrgenommene, dasEmpfundene in Worte zu fassen, bedeutet auch, für das eigeneSprechen sensibel zu werden, darüber zu reflektieren, Wortezu „erproben“.

Legt man besonderen Wert darauf, dass jede Schülerin und je-der Schüler wirklich die eigenen Eindrücke festhält, kann man sieauffordern, vor einem Gespräch in der Gruppe Notizen, Stich-worte u.Ä. zu machen, damit nicht vorschnell Anpassungspro-zesse vor sich gehen. Ein Impuls kann zusätzliche Anregungsein.

„Betrachte das Bild ausführlich als Ganzes, wandere mit dei-nen Augen langsam über das Bild und schreibe gleichzeitigauf, was du über das Bild erfährst, welche Gedanken, Vor-stellungen, Assoziationen du dabei hast.“

Die Notizen sollten möglichst spontan, „ungefiltert“ Eindrücke,Gedanken, Gefühle, evozierte Erinnerungen wiedergeben. Dasbedingt, dass sie bruchstückhaft, nicht logisch verknüpft sind,Wortschöpfungen, ungewohnte Wortverbindungen enthalten kön -nen, da die bzw. der Schreibende etwas in Worte zu fassen ver-sucht, was ungewohnt, fremd, widersprüchlich ist.

Erzählen fördertsprachliche Kreati-vität

Sensibilität fürSprache wecken

66

Page 67: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Im Gespräch über die spontanen Notizen geraten neben den ei-gentlich fachlichen auch sprachliche Aspekte ins Blickfeld, wenndarüber gesprochen wird, wie jemand zu „diesen Worten“ ge-kommen ist, welche Wahrnehmung sich darin ausdrückt, wel-che Assoziationen sich mit den Worten verknüpfen.

5.6.3  Beschreiben, Erklären, Deuten

Wenn Kinder zum genaueren Beschreiben, Erklären und Deutengeführt werden, sollen sie gleichzeitig allmählich einen fachbe-zogenen Wortschatz gebrauchen lernen. Werden sie z.B. auf-gefordert, die in einem Bild vorkommenden Blautöne zu be-schreiben, werden sprachlich schwache Kinder schnell ver -stummen. Die Grundfarben und „modische“ Bezeichnungen wiePink, Lila kennen sie. Je genauer aber ein Farbton beschriebenund benannt werden soll, desto schwieriger ist es für sie. Mankann ihnen helfen, indem man zunächst auch in der Alltags-sprache gebräuchliche Benennungen in Erinnerung ruft, denenVergleiche zugrunde liegen: „himmelblau“, „stahlblau“, „nacht-blau“, „flaschengrün“, „tannengrün“, „kirschrot“, „weinrot“, „son-nengelb“ usw. Sie sind zwar gelegentlich unter fachlichen Aspek-ten zu unpräzise, vermitteln aber anschaulich visuelle Qualitätenvon Farben, die an Alltagserfahrungen anknüpfen.

Farbtöne werden häufig durch abgeleitete Adjektive wie „bläu-lich“, „rötlich“ näher bestimmt. Vor allem Kindern anderer Mutter-sprachen hilft es, wenn die Bedeutungsänderung durch prak-tische Beispiele anschaulich gemacht wird und dabei auch dasWortbildungsprinzip kurz erklärt wird, so dass sie mit der Formu-lierung „gelbliches Rot“ oder „bläuliches Rot“ eine Farbvorstel-lung verknüpfen können. Werden die gebräuchlichen Bezeich-nungen für Tertiärfarben eingeführt, z.B. bei der Beschäftigungmit den Farbkreisen, ist es hilfreich für das Verständnis, wenn sieauch einmal unter Wortbildungsgesichtspunkten betrachtet wer-den: Die Bezeichnungen der Primärfarbe und der Sekundärfarbewerden so gekoppelt, dass das Mischverhältnis der Farben zumAusdruck kommt:

grün – gelbgrün – gelb – gelborange – orange – rotorange – rot– rotviolett usw.

In diesem Zusammenhang ist auch sinnvoll, die Groß- und Klein-schreibung der Farbbezeichnungen zu thematisieren und an ei-nigen Beispielen zu verdeutlichen.

Das Anknüpfen an Alltagserfahrung und -wortschatz, ankonkrete Wahrnehmung und an eigene gestalterische Praxislässt sich bei vielen anderen Gelegenheiten auf ähnliche Weisegezielt nutzen, um die sprachlichen Möglichkeiten der Schülerin-nen und Schüler zu erweitern und ihnen das Verständnis fachli-

Veranschaulichungals Hilfe zum Ver-ständnis

Bedeutungsände-rung durch Wort -zusammensetzung

67

Wörter und Wahr-nehmung

Page 68: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

cher Begriffe zu erleichtern: Z.B. kann man bei der Beschreibungdes Materials, der Oberflächengestaltung einer Plastik anknüp-fen an eine Beschreibung ihrer haptischen Qualitäten, die Kinderbzw. Jugendliche sich konkret vorstellen, ertasten oder erprobenkönnen.

Für sprachschwächere Kinder ist es hilfreich, wenn sie sich zuden erarbeiteten fachlichen Bereichen (z.B. zu einer künstleri-schen Technik, für die Beschreibung einer Bildkomposition usw.)im Kunstheft

� Wortfamilien und Wortfelder

� häufig vorkommende Formulierungen und Satzanfänge

notieren können und Gelegenheit erhalten, diesen sprachlichenFundus wiederholt zu nutzen. Das können auch scheinbar einfa-che, für „selbstverständlich“ gehaltene Formulierungen sein wie

„Das Bild besteht aus … … ist folgendermaßen entstanden ……stammt von … Es stellt (wen oder was?) dar; es stellt dar, wie… es illustriert … …setzt sich zusammen aus … …wirkt … aufden Betrachter; bringt zum Ausdruck …“

Bei der Einführung des fachspezifischen Wortschatzes solltenmögliche Schwierigkeiten der Verwendung wichtiger Begriffe im-plizit mitbedacht werden und deshalb grundsätzlich z.B.

� Nomen mit Artikel, eventuell mit Plural

� Verben, die im Alltagswortschatz eher selten sind, mit der Ver-gangenheitsform und dem Partizip

� feste Verbindungen von Verben/Adjektiven mit Präpositionenund Fallsetzung (wichtig für Kinder und Jugendliche mit ande-rer Muttersprache)

an die Tafel geschrieben und von den Schülerinnen und Schülernabgeschrieben werden.

Die grammatischen Kategorien zu vermitteln ist nicht Aufgabedes Kunstunterrichts; sie sollten aus dem Deutschunterricht be-kannt sein. Wenn dies in einem konkreten Fall (noch) nicht so ist,sollte man sich nicht mit grammatischen Erklärungen abgeben,sondern besser ein, zwei häufig vorkommende Beispiele auf-schreiben lassen. Wichtiger ist, dass der Wortschatz, die Satz-strukturen und Formulierungen im Unterrichtsgesprächhäufig angewendet werden und Fehler verbessert werden.

Sprachliche Hilfen wie die in den Beispielen genannten tragendazu bei, dass auch stärker strukturierte Redebeiträge wie kleineVorträge, Schülerreferate, Erläuterungen der eigenen Arbeits-weise bei einer praktischen Arbeit, das Formulieren einerStellung nahme usw. besser gelingen.

Grammatische Hilfen geben

Fehler verbessern

68

Page 69: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.6.4  Fachübergreifende Zusammenarbeit

Nicht nur im Interesse sprachlicher Förderung ist fachübergrei-fende Zusammenarbeit eine sinnvolle Bereicherung des Fach -unterrichts. Mit dem Fach Deutsch z.B. ist eine Zusammenar-beit möglich, wenn es um die Erprobung und Einführung einerkünstlerischen Technik geht. Wird im Kunstunterricht Linolschnittgemacht, könnte im Deutschunterricht eine Anleitung für dieseArbeitstechnik erarbeitet werden. Das bereichert beide Fächer:Die zu schreibende Anleitung hat eine von den Schülerinnen undSchülern praktisch erprobte Grundlage, andererseits reflektierendie Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht nochmalsgründlich die eigene Vorgehensweise. Wird in einer 5. Klasse einBild besprochen, könnten die Anregungen, die es vermittelt, imDeutschunterricht zur Grundlage freien Schreibens, zum Schrei-ben von Phantasiegeschichten werden. So werden inhaltlich-fachliche Aspekte beider Fächer vertieft und wird „nebenbei“Sprache gefördert.

5.6.5  Handlungsorientierung und Sprachförderung

Handlungsorientierter Kunstunterricht heißt auch Interaktion zufördern. Der Kunstunterricht bietet eine Fülle von Anlässen, mit-einander, d.h. vor allem auch Schülerinnen und Schüler unter-einander, ins Gespräch zu kommen.

Die Zusammenarbeit in Gruppen muss eingeübt werden: Tole-ranz für abweichende Meinungen zu entwickeln, sich nicht vor-schnell mit der erstbesten Lösung zufrieden zu geben, (sachli-che, aber auch personenbezogene) Kritik zu üben und auszuhal-ten ist ein langwieriger Prozess, für den Gesprächsregeln ent-wickelt werden müssen. Insbesondere wenn künstlerische Aus-drucksweisen wie Performance, Theaterspiel, Musik, Tanz usw.in den Unterricht einbezogen, fachübergreifende Projekte ange-stoßen werden, wird die Art, wie die Gruppenmitglieder mit-einander kommunizieren, ein wesentlicher Faktor für das Ge-lingen eines Arbeitsvorhabens.

Bei solchen Projekten wird die Sprache außerdem selbst zumBestandteil der ästhetisch-künstlerischen Arbeit:

Ihre inhaltliche und klangliche Aussagekraft wird mitreflektiertund praktisch erprobt, wenn z.B

� Worte/Texte in eine Performance einbezogen werden

� Theater gespielt wird

� Texte zu Bildern vorgetragen werden.

… mit Deutsch zumBeispiel

Miteinander redenund arbeiten

Sprache als künstlerischesAusdrucksmittel

69

Page 70: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Dabei wird die Stimme als gestalterisches Mittel entdeckt, er-probt und geübt. Ein genuschelter, zu leise gesprochener Textkann die Wirkung einer Aufführung völlig zunichte machen.

Dass Schreibung (auch Rechtschreibung) und Gestalt von Wör-tern und Texten relevant sind, wird Schülerinnen und Schülernverständlich, wenn sie z.B.

� Plakate

� Collagen, die Text enthalten

� Bilder, in die Text einbezogen wird

selbst gestalten.

In solchen Zusammenhängen tragen die Schülerinnen undSchüler auch die Verantwortung für die Sprache, die sie be-nutzen: Wie sie sprechen, wie sie schreiben, ist mitentscheidendfür die ästhetische Wirkung des Ganzen auf den Zuhörer bzw.Betrachter.

5.6.6  Schrift

Wird Schrift selbst zum Thema des Unterrichts (verschiedeneSchriftarten, Kalligraphie, visuelle Poesie, Schrift-Bilder usw.),bietet sich eine Möglichkeit, das Schreiben als Gestaltung neu zuentdecken, Schrift wertschätzen zu lernen. Wenn Schülerinnenund Schüler erfahren, dass Schrift z.B. Gefühle, Assoziationenauslösen, Teil eines gestalterischen Prozesses werden kann,kann das dazu anregen, auch einmal die eigene Handschrift mitneuen Augen zu sehen, vielleicht sorgfältiger mit ihr umzugehen.

5.7 Sprachliche Förderung im Mathematikunterricht

Ein zeitgemäßer Mathematikunterricht geht von der Grundan-nahme aus, dass das, was zu und über Mathematik sowie überderen Zusammenhang mit der übrigen Welt gelernt wird, in ho-hem Maße davon abhängt, wie im Rahmen der unterrichtlichenInteraktion mit mathematischen Inhalten umgegangen wird. Ma-thematikunterricht bedarf einer Unterrichtskultur, in der sozialesund fachliches Lernen nicht voneinander abgespalten sind, in derRaum bleibt für die subjektiven Sichtweisen der Lernenden, fürFragen nach Sinn und Bedeutung, für Umwege, alternative Deu-tungen, für Ideenaustausch, spielerisch-kreativen Umgang mitMathematik und eigenverantwortliches Tun. Ein solcher Unter-richt nutzt und sucht insbesondere auch Möglichkeiten zur För-derung der deutschen Sprache.

Schrift als gestalte-risches Mittel

70

Page 71: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

5.7.1  Reflexion über Sprache

Mathematik ist eine in vielen Bereichen anwendbare Wissen-schaft. Als Beschreibungs- und Problemlösungssprache besitztsie einen eher abstrakten und formalen Charakter, der ihren be-grifflichen Zugriff auf Fragestellungen bestimmt. Strengen logi-schen Kalkülen und präziser Begrifflichkeit unterworfenes Den-ken, Sprechen und Schreiben sind im mathematischen Unter-richt seit jeher zentrale Lerngegenstände und besitzen von daherherausragende Bedeutung.

Die Sprache der Mathematik ist eine Fachsprache, die sich imWesentlichen durch ihre Exaktheit und ihre Informationsdichteauszeichnet und von der Umgangssprache klar unterscheidet.Weder kann man erwarten, dass die Schülerinnen und Schülerdiese Fachsprache bereits beherrschen, noch kann auf sie ver-zichtet werden.

In dem notwendigen Entwicklungsprozess gilt es, die Schülerin-nen und Schüler zu befähigen, Vorstellungen möglichst klar dar-zulegen, logische Verknüpfungen und Argumentationsketten zuformulieren, Beziehungen zwischen Sachverhalten herzustellenund nachvollziehbar wiederzugeben. Ihnen wird Gelegenheit ge-geben, sprachlich aktiv zu werden und die Sprech- und Denk-weise der Mathematik in die eigene Sprech- und Denkweise zuintegrieren. Wird dieses Ziel konsequent im Mathematikunter-richt verfolgt, so profitieren auch andere Fächer, in denen Schü-lerinnen und Schüler vergleichbare Texte oder Graphiken be-schreiben, analysieren und interpretieren.

Schülerinnen und Schüler können im Rahmen eines solchen Un-terrichts die Bedeutung eines bewussten Umgangs mit Spracheerkennen. Gerade in der Bearbeitung mathematischer Inhalte er-fahren sie exemplarisch, wie entscheidend präzise Begriffsver-wendung, logisches Schlussfolgern und einsichtiges Argumen-tieren für den Erkenntnisgewinn und für das Gelingen oderScheitern von Kommunikation sind. So wird in mathematischenZusammenhängen zum Beispiel sehr schnell einsichtig, dass derGebrauch gängiger Konjunktionen wie „und“, „oder“ an spezifi-sche Regeln gebunden ist wie das Beweisen von Existenz- undAllbehauptungen und was es heißt, Aussagen zu negieren oderumzukehren. Schülerinnen und Schüler können auf diesemWege erkennen, dass sich Vorurteile häufig durch unzulässigesGeneralisieren und Verständigungsschwierigkeiten zwischenMenschen nicht selten durch einen unbedachten Sprachge-brauch ergeben und dass sich solche Probleme oft durch einebewusstere Sprachverwendung vermeiden lassen. Im Mathema-tikunterricht explizit thematisiert kann der Vergleich ihres alltäg -lichen Sprachhandelns mit dem mathematischen Sprachge-brauch zur kritischen Reflexion der Vor- und Nachteile, der Mög-lichkeiten und Grenzen beider Sprachformen motivieren und da-

Präzise Begriffeund logischeSchlüsse

Sprachlich aktivwerden

Einsichtiges Argumentieren

71

Page 72: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

mit – ausgehend von mathematischen Inhalten – die Sprach-kompetenz der Lernenden erweitern.

Durch die Einführung programmierbarer Taschenrechner odermächtiger Computer-Algebrasysteme wird eine Entwicklung be-schleunigt, in der die Sprachkompetenz immer mehr an Bedeu-tung auch in der Mathematik gewinnt, da die Beherrschung vonKalkülen gegenüber den oben genannten, sprachlich fundiertenGrundtätigkeiten erheblich an Gewicht verliert.

5.7.2  Förderung der Fähigkeit zu mündlicher Kommunikationdurch den Mathematikunterricht

Ein zeitgemäßer Mathematikunterricht bietet Schülerinnen undSchülern eine Vielzahl von Gelegenheiten, miteinander zu kom-munizieren.

� Er fordert sie auf, Fragen zu stellen, selbst Antworten zu su-chen sowie Argumente untereinander zu erörtern.

� Er gibt Schülerinnen und Schülern Raum für die Erprobungund Darstellung ungewöhnlicher Ideen, für Phantasie undKreativität und ist offen für unterschiedliche Verläufe.

� Damit gibt er Lernenden die Möglichkeit, selbst aktiv zu wer-den, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen und er fordertsie zugleich zur Erläuterung und Begründung ihres Vorgehensauf.

� Er lässt sie über offene Aufgaben und Probleme beraten, fürdie es mehr als nur eine „vernünftige“ Lösung gibt.

� Er aktualisiert den Sinn von Anwendungsaufgaben und dahin-ter stehenden Modellannahmen, insbesondere durch ihresprachliche Darstellung.

� Mathematiklernen wird zu einem Erkundungsprozess, der al-lein oder gemeinsam mit anderen in intensivem Austauschvon Ideen und Argumenten vollzogen werden kann; dabei istes selbstverständlich, dass sich auch Lehrende gegenseitigberaten, helfen und wechselseitig über Ziele und Strategienaustauschen.

Dies alles gilt im besonderen Maße dann, wenn sie durch denUnterricht Gelegenheit erhalten, direkt miteinander – und nichthauptsächlich über die Lehrperson – zu sprechen.

5.7.3  Förderung von Schreibkompetenz durch den Mathema-tikunterricht

In geeigneten Schreibsituationen können Konzepte des -Deutschunterrichts für das Mathematiklernen fruchtbar gemachtwerden. Dabei stehen Beschreiben und Erklären (etwa von Lö-sungs- oder Konstruktionsstrategien), Beurteilen und Bewerten

Über Mathemati-sches sprechen

Beschreiben, Beurteilen, Argumentieren

72

Page 73: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

(etwa von Lösungsansätzen und Ergebnissen) oder Argumentie-ren (etwa im Rahmen einer Erörterung der Relevanz mathemati-scher Fragestellungen) im Vordergrund. Somit können auch ingeeigneten mathematischen Zusammenhängen die für dasSchreiben grundlegenden sprachlichen und kognitiven Fähigkei-ten weiter entwickelt werden, müssen die für die geschriebeneSprache geltenden Normen der Orthographie, Interpunktion undGrammatik erfüllt und zugleich die im Umgang mit Texten (bei-spielsweise zu komplexeren Anwendungssituationen) gewonne-nen Einsichten und Anregungen genutzt werden.

Dazu sollten

� besonders gelungene sprachliche Darstellungen ausdrücklichhervorgehoben werden

� regelmäßig wiederkehrende orthographische, grammatikali-sche und lexikalische Fehler und Probleme thematisiert wer-den

� mögliche sprachliche Schwierigkeiten thematisiert werden

� die in der mathematischen Fachterminologie häufig benutztenBegriffe und ihre Schreibweise verstanden sein und derenSchreibweise regelmäßig geübt werden (Fachwörter solltenregelmäßig an die Tafel und ins Heft geschrieben oder eineentsprechende „Vokabelliste“ in den Klassenraum gehängtwerden, auf richtiges Abschreiben des Tafelbildes sollte ge-achtet werden)

� die für die mathematische Sprache typischen sprachlichen Er-scheinungen wie etwa Nominalisierungen („das Rechnen,Multiplizieren, Schätzen, Runden, Konstruieren“) oder der Ge-brauch von Nomen auf „-(t)ion“, („Addition, Division“) ange-sprochen werden

� Schülerinnen und Schüler mit geringerem Sprachschatz oderAusdrucksvermögen Formulierungshilfen an die Hand bekom-men

� Lernende zur Benutzung geeigneter Nachschlagewerke be-fähigt und motiviert werden.

Neben Konstruktionsbeschreibungen oder Definitionen bietetsich das Formulieren von Fachtexten an. Schülerinnen undSchüler können z.B., nachdem sie ein neues Rechenverfahrenwie den Dreisatz kennen gelernt haben, diesen in eigenen Wor-ten beschreiben. Überprüft werden können diese Texte danndurch andere Lerngruppen, die auf dieser Basis sich zum erstenMal mit dem Dreisatz beschäftigen.

Das gleiche Verfahren könnte auch auf Konstruktionsbeschrei-bungen und Definitionen angewendet werden. Hierbei wäre einVergleich von Lehrbuchtext und Versionen, die Schülerinnen undSchüler verfasst haben, interessant. Eine Konstruktionsbeschrei-

Wege der Schreib-förderung

73

Page 74: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

bung im Geometrieunterricht ähnelt sehr der Vorgangsbeschrei-bung, die im Deutschunterricht behandelt wird. Hier böte sicheine fächerübergreifende Zusammenarbeit an.

5.7.4  Umgang mit Texten

Schülerinnen und Schüler, die selbstständig im Mathematikun-terricht neue Lerninhalte erarbeiten sollen, müssen in der Lagesein, mathematische Texte, d.h. zunächst vor allem Lehrbuch-texte, zu verstehen. Hier sind Methoden der Textarbeit, wie sie inden anderen Geisteswissenschaften eingeübt werden, hilfreichund notwendig:

� zentrale Aussagen, Begriffe unterstreichen

� Voraussetzungen, Behauptungen, Begründungen unterschei-den

� Text in Abschnitte gliedern

� Abschnitten Überschriften zuweisen

� Fragen zum Text formulieren

� Inhalte durch Beispiele oder Skizzen veranschaulichen

� Texte in Tabellen, Flussdiagramme oder andere Diagrammeübersetzen

� Fachtext in „eigene Sprache“ übersetzen

� diese Übertragung mit Mitschülerinnen und Mitschülern disku-tieren.

Texte und Graphiken begegnen den Schülerinnen und Schülernbisher vor allem in den so genannten Textaufgaben und den In-formationstexten im Lehrbuch. Die Schaffung von Lernarrange-ments in Sachzusammenhängen geht mit der Notwendigkeit zurstärkeren Beschäftigung mit Texten, Graphiken, Bildern usw. ein-her, weil nur so situatives, konstruktives und selbstständiges Ler-nen möglich ist. Dies macht es also unabdingbar, dass sich derMathematikunterricht bewusst mit Methoden der Arbeit mit Tex-ten und mit anderen Medien auseinander setzen muss.

Zum Verbalisieren bieten sich nicht nur die Graphiken, Dia-gramme und Tabellen im Lehrbuch an. Jeden Tag werden dieSchülerinnen und Schüler mit ihnen in der Tageszeitung oder imFernsehen konfrontiert. Durch Tabellenkalkulationsprogrammeoder ähnliche Software ist es ein Leichtes, Balken-, Flächen-,Säulen-, Kreis- oder Liniendiagramme zu erzeugen. Durchdas Umsetzen dieser Bilder in die Sprache der Schülerinnen undSchüler setzt ein Verständnisprozess ein, der sowohl Sprach- alsauch Medienkompetenz fördert.

Methoden der Text-arbeit

Lernarrangementsin Sachzusammen-hängen

74

Page 75: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Gleichzeitig können diese Diagramme oder Texte Grundlage fürden weiteren Unterricht sein, wenn die Schülerinnen und Schüleraufgefordert werden, anhand dieser Rohmaterialien eigene Auf-gaben zu formulieren.

Die Beschäftigung mit Tageszeitungen oder Wochenmagazinenliefert weitere vielfältige Möglichkeiten zur Arbeit sowohl mit Tex-ten als auch mit Tabellen und Graphiken im Mathematikunter-richt. Hierbei lernen Schülerinnen und Schüler anhand von „all-täglichen“ Materialien, wie sie sich Informationen aus diesen Me-dien erarbeiten, sie kritisch beurteilen und interpretieren können.Zugleich erleben Schülerinnen und Schüler Mathematik als einbedeutsames Werkzeug im Alltag; dies wird dabei durch die Ak-tualität der Daten zusätzlich unterstützt.

Schließlich sollen Schülerinnen und Schüler durch den Mathe-matikunterricht in die Lage versetzt werden, Situationen, die inTexten oder anderen Darstellungen ihnen vorgestellt werden,durch Schematisierung, Tabellierung oder andere Formen derDatengewinnung zu mathematisieren. Damit ist eine besondereForm der Rezeption von Texten Gegenstand des Mathematik -unterrichts, die auch in anderen Fächern erforderlich ist.

MathematischeTexte aus der Lebenswelt

75

Page 76: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

6 Aspekte der Bewertung sprachlicher Leistungen

6.1 Leistungsbewertung

„Die Leistungsbewertung soll über den Stand des Lernprozessesdes Schülers Auskunft geben; sie soll auch Grundlage für dieweitere Förderung des Schülers sein. Bei der Beratung über denBildungsgang des Schülers soll sie eine wesentliche Hilfe sein.

Die Leistungsbewertung bezieht sich auf die im Unterricht ver-mittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten.“ (§ 21 Abs. 1und 2 ASchO).

„Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern. Häufige Verstöße gegen die sprachlicheRichtigkeit in der deutschen Sprache müssen bei der Festlegungder Note angemessen berücksichtigt werden. Dabei sind insbe-sondere das Alter, der Ausbildungsstand und die Mutterspracheder Schülerinnen und Schüler zu beachten.“ (§ 7 Abs. 4 AO-S I).

Das bedeutet u.a.:

� Eine entwickelte sprachliche Leistungsfähigkeit ist das Zieldes gesamten Unterrichts und nicht etwa eine selbstverständ-liche Voraussetzung für den Fachunterricht. Das heißt auchfür den Fachunterricht zunächst zu würdigen, was die Kinderund Jugendlichen an sprachlichen Fähigkeiten bereits einbrin-gen.

� Nur solche sprachlichen Fähigkeiten, die im Unterricht bereitsentwickelt und gefördert worden sind, können bei der Festle-gung der Note angemessen berücksichtigt werden.

Allgemeine Anhaltspunkte dafür gibt die Verteilung der Lern-gegenstände in den Lehrplänen des Faches Deutsch. Aller-dings können erst Informationen über den konkret verlaufenenDeutschunterricht hier eine verlässliche Grundlage für die Be-urteilung abgeben. Es ist deshalb erforderlich, dass sich dieFachlehrerinnen und Fachlehrer bei den Deutschkolleginnenund -kollegen vergewissern, welche sprachlichen Fähigkeitensie voraussetzen können und welche nicht, d.h. z.B. welcheRechtschreibphänomene und -regelungen bis zu der jeweili-gen Klassenstufe thematisiert und geübt worden sind. Die Ab-stimmungen zwischen den Fachkonferenzen über dieseFrage sind deshalb unerlässlich.

Darüber hinaus kann der Fachunterricht nur dasjenige in dieBewertung nach § 7 Abs. 4 AO-S I einbeziehen, was er selbstan sprachlichen Fähigkeiten grundgelegt und geübt hat, d.h.z.B. die Schreibung begrifflich erworbener und im Fachunter-richt rechtschriftlich geübter Fachwörter.

76

Page 77: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� Sprechen und insbesondere Schreiben sind komplexe Vor-gänge. Erste Entwürfe für Texte sind deshalb häufig verbes-serungsbedürftig und fehlerbehaftet. Überarbeitung und Feh-lerkorrektur sind konstitutiver Bestandteil des Verfassens vonTexten. Lernen heißt auch aus den Fehlern und aus ihrer Kor-rektur lernen. Vorrang hat die Förderung und Herausforderungder Ausdrucks- und Darstellungsfähigkeit. Eine Fixierung aufdas Aufspüren von Fehlern muss genauso vermieden werdenwie eine Gleichgültigkeit gegenüber sprachlichen Mängeln.

Die Bewertung sprachlicher Leistungen bezieht sich auf mündli-che und schriftliche Beiträge.

Mündliche Beiträge können in allen Kommunikationssituationendes Unterrichts als Leistungen bewertet werden. Hierzu zählenu.a.� Einzelbeiträge in unterschiedlichen Unterrichtszusammen-

hängen� Präsentation von Arbeitsergebnissen� Teilnahme an Diskussionen und anderen Veranstaltungen.

Schriftliche Beiträge beziehen alle Bereiche ein, in denen Schü-lerinnen und Schüler wesentliche schriftliche Leistungen zeigenkönnen, die aus dem Unterricht erwachsen sind. Hierzu zählenu.a.� Klassenarbeiten� schriftliche Ausarbeitungen im Unterricht� Sicherung von Unterrichtsergebnissen� Facharbeiten und Berichte, z.B. über das Betriebspraktikum.

Zur Orientierung über die Bewertung sprachlicher Leistungenwird auf die Lehrpläne des Faches Deutsch in den Schulformender Sekundarstufe I ausdrücklich hingewiesen.

6.2 „Sprachliche Richtigkeit“

Die sprachliche Richtigkeit ist ein wesentliches Ziel des Unter-richts. Der Deutschunterricht hat hierbei eine Leitfunktion.

Das Kriterium der Richtigkeit ist zunächst auf jede sprachlicheÄußerung anwendbar, sei sie mündlich oder schriftlich.

Allerdings würde eine ständige Verbesserung und Korrektur ihrermündlichen Beiträge die Schülerinnen und Schüler schnell zumVerstummen bringen. Die sprachliche Richtigkeit ist deshalb fürdas spontane Sprechen in der Klasse nur ein nachgeordnetesBewertungskriterium.

Erst an längere und vorbereitete mündliche Beiträge und in denhöheren Klassen ist der Anspruch an korrekte Wortbildung undrichtigen Satzbau auch im Mündlichen zu stellen, z. B. bei Refe-raten.

77

Page 78: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Bei schriftlichen Äußerungen besteht die Erwartung, dass dieSchreibenden Texte, die sich an andere richten, mit der erforder-lichen Sorgfalt überarbeiten, d. h. den Text verbessern und Feh-ler korrigieren, die sich im Verlauf des Schreibprozesses einge-schlichen haben.

Das Kriterium der sprachlichen Richtigkeit ist eindeutig: Rich-tig oder Falsch ist klar feststellbar und ggf. überprüfbar. Es kannallerdings nur auf die Regeln von Rechtschreibung, Zeichenset-zung, Wortbildung und Satzbau bezogen werden:

� Wörter sind entweder richtig oder falsch geschrieben.

� Satzzeichen sind richtig oder falsch gesetzt oder fehlen fälsch -licherweise.

� Wörter sind entweder richtig oder falsch gebildet.

� Sätze sind richtig oder falsch konstruiert.

Davon zu unterscheiden sind Verstöße gegen Regeln sprachli-cher Angemessenheit; z.B. die Verwendung unklarer, „schie-fer“, unverständlicher Wörter und Ausdrücke, eine ungeschickte,verworrene Ausdrucksweise, ein mangelhafter Textzusammen-hang, eine unzureichende Realisierung der Merkmale einer ge-forderten Textsorte, z.B. einer Versuchsbeschreibung.

Diese Mängel auf der Ebene von Wortbedeutung und Wortwahl,von Stil und Text beeinträchtigen die fachliche Qualität einesSchülertextes genauso wie die sprachliche. Sie schlagen sichdeshalb in aller Regel bereits bei der fachlichen Beurteilung desTextes nieder. Eine nochmalige Berücksichtigung von Verstößengegen die sprachliche Angemessenheit bei der Bewertunggemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 AO-S I wäre deshalb unangemessen.

Rechtschreibung und Zeichensetzung

Als Rechtschreibfehler können nur Verstöße gegen solche Re-gelungen gelten, die den Kindern aus dem Unterricht vertrautsind und die sie intensiv geübt haben. Diese Verstöße wären ver-meidbar gewesen und sind deshalb anzurechnen.

Unbeschadet der erforderlichen, genaueren Abstimmung mit derDeutsch-Fachkonferenz der Schule sind Verstöße in der Regelvermeidbar und deshalb anzurechnen

� bei verwendungshäufigen Wörtern, die zum großen Teil be-reits im Grundwortschatz der Grundschule auftauchten

� bei häufigen „Fehler“-Wörtern, die immer wieder Lerngegen-stand im Deutschunterricht waren

� bei geübten Fachwörtern.

Bei der Zeichensetzung betrifft das im Wesentlichen die Grund -regeln

78

Page 79: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� für Satzschlusszeichen

� für die Aufzählung

� für die Abtrennung von Haupt- und Nebensatz durch Komma.

Wortbildung und Satzbau

Verstöße gegen die Regelungen der Wortbildung und des deut-schen Satzbaus bilden die sog. Grammatikfehler; beispielsweisefehlerhafte Wortzusammensetzung und Wortableitung, Fehlerbei Deklination und Konjugation, bei Tempus- und Modusbildungund -gebrauch, Fehler im Satzbau.

Besonders beim Satzbau benötigen allerdings vor allem Kinderund Jugendliche mit einer anderen Muttersprache im Deutschenbesondere Förderung und Hilfen.

6.3 „Häufige Verstöße“ und ihre „angemessene Berück-sichtigung“

Die Bestimmung dessen, was im Sinne von § 7 Abs. 4 AO-S I„häufige“ Verstöße sind, lässt sich nicht rein zahlenmäßig vor-nehmen. Die Anzahl der Fehler muss gemessen werden

� an dem Umfang des geschriebenen Textes

� an der Bindung an eine Vorlage (abgeschriebener Text oderfrei geschriebener Text)

� an der Schwierigkeit des jeweiligen sprachlichen Phänomensund dem Gewicht des Fehlers.

Deshalb verbietet es sich, für die Anwendung von § 7 Abs. 4AO-S I etwa schematisch bestimmte Fehlerzahlen festzulegen.

Die (unangemessene) Häufigkeit von Verstößen ist darüber hinaus maßgeblich vor dem Hintergrund der drei wichtigenSchülermerkmale zu beurteilen, die § 7 Abs. 4 AO-S I nennt: Alter, Ausbildungsstand und Muttersprache.

Eine angemessene Bewertung der sprachlichen Leistungen derKinder und Jugendlichen muss den altersspezifischen Lern-stand berücksichtigen. So regelt der Lehrplan Deutsch für dieGesamtschule beispielsweise:

� In den Klassen 5 und 6 sollen nur Verstöße bei solchenSprachphänomenen bewertet werden, die konkret im Unter-richt schon erarbeitet wurden bzw. entsprechend dem mutter-sprachlichen Entwicklungsstand vorausgesetzt werden kön-nen.

� In den Klassen 7 und 8 wird bei der sprachlichen Richtigkeitdas berücksichtigt, was im bisherigen Unterricht insgesamtgrundgelegt wurde.

79

Page 80: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

� In den Klassen 9 und 10 wird die sprachliche Richtigkeitgrundsätzlich und durchgehend positiv und negativ berück-sichtigt.

Für den Ausbildungsstand der Kinder und Jugendlichen spieltihre Schulformzugehörigkeit (an der Gesamtschule auch ihreKurszugehörigkeit) eine Rolle.

� Der Lehrplan Deutsch für die Hauptschule trägt der Lernent-wicklung ihrer Schülerinnen und Schüler Rechnung, indem dieRechtschreibleistung bei der Bewertung der sprachlichenRichtigkeit zunächst zurückhaltend gewichtet wird, dann aberkontinuierlich an Bedeutung gewinnt.

� Der Lehrplan Deutsch für die Realschule enthält Regelungen,die sicherstellen, dass in den Klassen 5 und 6 die sprachlicheRichtigkeit bei der Hälfte der schriftlichen Arbeiten im Vorder-grund steht, aber kein Übergewicht bekommt und dass sie abKlasse 7 jeweils positiv und negativ berücksichtigt wird.

� Auch der Lehrplan Deutsch für das Gymnasium enthält denausdrücklichen Hinweis, dass in den Klassen 5 und 6 nur dasbeurteilt werden darf, was im Unterricht erarbeitet worden ist.

Kinder und Jugendliche, die noch Schwierigkeiten in elementa-ren Bereichen von Formenbildung und Satzbau haben, bedürfenbesonderer Förderung. Wichtiger als eine Bewertung ihrer Feh-ler sind für sie Hilfen und Anregungen zur individuellen Verbes-serung der sprachlichen Leistungen, damit ihre Motivation ge-stärkt wird, an persönlichen Fehlerschwerpunkten zielgerichtetweiter zu arbeiten.

Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeitenim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens gelten unter be-stimmten Voraussetzungen besondere Bestimmungen für dieLeistungsbewertung (LRS-Erlass, BASS 14–01 Nr. 1). Bei ihnensind für die Leistungsbeurteilung im Bereich der sprachlichenRichtigkeit die Lernausgangslage sowie der individuelle Lernfort-schritt ebenso bedeutsam wie der bereits erreichte Lernstand.Die Entscheidungen über zusätzliche Fördermaßnahmen gemäßNummer 2.3 des LRS-Erlasses und über ihre Auswirkung auf dieBerücksichtigung der Rechtschreibleistung gemäß Nummer 4.1gelten auch für den Fachunterricht.

Die Muttersprache muss bei Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien besonders beachtet werden. Sie erlernenDeutsch in der Regel als Zweitsprache, häufig auch, wenn sieschon in Deutschland geboren worden sind. Damit stellt diesprachliche Richtigkeit für sie eine besondere Lernaufgabe dar.Ihre Verstöße gegen Rechtschreibung und Zeichensetzung, ge-gen Wortbildung und Satzbau des Deutschen unterscheiden sichnaturgemäß nach Art und Häufigkeit – in Abhängigkeit von ihrem

80

Page 81: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

erreichten Lernstand – von denjenigen deutscher Kinder und Ju-gendlicher zum Teil erheblich.

Generell sollen bei der Beurteilung ihrer Leistungen sprachlichbedingte Erschwernisse angemessen berücksichtigt und ggf. imZeugnis erläutert werden (BASS 13–63 Nr. 3). Nicht ausrei-chende Leistungen im Fach Deutsch sollen in den ersten beidenJahren ihres Schulbesuchs in der deutschen Schule bei der Ver-setzungsentscheidung nicht berücksichtigt werden.

Daraus folgt insbesondere für Seiteneinsteiger für die Bewertungihrer sprachlichen Leistungen nach § 7 Abs. 4 AO-S I die Not-wendigkeit größter Zurückhaltung in den unteren Klassen. Häu-fig können für Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien erstam Ende der Sekundarstufe I die gleichen Maßstäbe angewen-det werden wie für deutsche.

Inwieweit eine angemessene fachliche Leistung durch Verstößegegen die sprachliche Richtigkeit negativ beeinflusst wird, mussin jedem einzelnen Fall abgewogen werden. Eine schematischeVorgehensweise wird der pädagogischen Situation nicht gerecht.Die Note soll maximal um bis zu einer Notenstufe abgesenkt wer-den. Eine Entscheidung über „ausreichende“ oder „mangelhafte“fachliche Leistungen sollte der Fachunterricht nicht von der An-zahl der Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit im Deut-schen abhängig machen.

Je mehr der Fachunterricht sein Augenmerk auf die sprachlichenFähigkeiten der Schülerinnen und Schüler richtet und sie selbstausdrücklich fördert, desto stärker wird er ihre sprachlichen Leis -tungen bei der fachlichen Note mit berücksichtigen.

6.4 Weitere Lernförderung

Leistungsbewertung soll auch Grundlage für die weitere Förde-rung der Schülerinnen und Schüler sein.

Das bedeutet für die Lehrerinnen und Lehrer im Fachunterrichtzunächst grundsätzlich, dass sie

� die Schülerinnen und Schüler auf Fehler aufmerksam machen

� regelmäßig Rückmeldungen über Leistungen in der deut-schen Sprache geben

� Fehler korrigieren

� Gelegenheiten einräumen und nutzen, in denen Schülerinnenund Schüler ihre Beherrschung der sprachlichen Richtigkeitgezielt üben können.

Es ist Aufgabe des Deutschunterrichts, den Lernstand der Schü-lerinnen und Schüler genauer zu bestimmen, vor diesem Hinter-grund individuelle Lernhilfen zu geben und ggf. individuelle För-

81

Page 82: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

derungsmaßnahmen vorzuschlagen. Aber alle Lehrerinnen undLehrer einer Klasse können gemeinsam wichtige Voraussetzun-gen dafür schaffen, dass die Schülerinnen und Schüler ihresprachlichen Fähigkeiten weiterentwickeln können,

� durch gegenseitige Information über Lernprobleme in einerKlasse

� durch die Erörterung von Förderungsmöglichkeiten

� durch Vereinbarung und Umsetzung spezieller und individuel-ler Förderungsprogramme für einzelne Schülerinnen undSchüler.

6.5 Beispiele für sprachliche Leistungen in schriftlichenSchülerarbeiten

Die folgenden Schülerarbeiten sind in den Klassen 6 und 9 derSchulformen der Sekundarstufe I entstanden und geben die Va-riationsbreite innerhalb und zwischen den Schulformen wieder.Sie sollen illustrieren, wie die oben skizzierten Kriterien für dieBeurteilung der sprachlichen Leistungen in konkreten Fällen dif-ferenziert angewendet werden.

Die Unterschiede in Alter und Ausbildungsstand zeigen sichselbstverständlich deutlich beim Vergleich der Schülerarbeitenaus Klasse 6 einerseits und Klasse 9 andererseits.

Die unterschiedlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüleraus der 6. Klasse werden in den verschiedenen Schulformen zuunterschiedlicher Beurteilung führen. Eine so deutlich begrenzteRechtschreibleistung wie bei Schülerin C, die an einer Haupt-schule möglicherweise im Rahmen des zu Erwartenden liegt,würde an einem Gymnasium wohl eher zu einer Abwertung derNote führen. Eine so schwache Leistung wie die von Schü ler Bwäre in keiner Schule der Sekundarstufe I in der 6. Klasse ak-zeptabel.

Der muttersprachliche Hintergrund ist bedeutsam bei der Be-urteilung der Arbeiten der Schülerinnen und Schüler D, E und F.Dabei sind Alter, Aufenthaltsdauer in Deutschland und Lernzeit inder deutschen Schule wichtiger als die bloße Tatsache einer an-deren Muttersprache. In diesem Licht ist die Leistung desSchülers F in der 9. Klasse durchaus erstaunlich, der als Russ -landaussiedler erst seit drei Jahren in Deutschland ist, währenddie Rechtschreibfehler des hier geborenen türkischen MädchensE, das ansonsten Deutsch weitgehend fehlerfrei beherrscht, inder 6. Klasse nicht mehr ihrer anderen Muttersprache zugute ge-halten werden können.

82

Page 83: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Mit Blick auf das Ende der Sekundarstufe I sind Art und Zahlder Fehler von Schüler G auch für den Sekundarabschluss I –Hauptschulabschluss nach Klasse 10 – problematisch. Schüler Fdagegen kann den Standard der Fachoberschulreife problemloserreichen, wenn er seine Fehler im Bereich der Groß- und Klein-schreibung bearbeitet.

Die authentischen Hausaufgaben werden mit allen sprachlichenFehlern wiedergegeben und nach Inhalt und sprachlicher Rich-tigkeit beurteilt.

Beispiele einer schriftlichen Hausaufgabe im Politik- bzw. Ge-sellschaftslehreunterricht

In der 6. Klasse wurde folgende Hausaufgabe gestellt:

Bearbeite die Karikatur. Gehe dabei in den folgenden Schrit-ten vor:

1. Beschreibe, was zu sehen ist.

2. Formuliere die Aussage, die der Karikaturist (überspitzt)darstellt.

Im vorangegangenen Unterricht war die Arbeit mit und die Unter-suchung von Karikaturen mehrfach geübt worden.

„Junge, was bist du groß geworden!“ 13)

13) Zeichnung E. Holz: Hessische Lehrerzeitung. Mai 1972.

83

Page 84: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schüler A

Eine Frau sitzt auf einem Sofa und guckt entsetzt auf einenleeren Tisch der vor dem Sofa steht. Ein Mann vom Repara-turdienst trägt gerade den Fernseher heraus. Auf dem Sofasitzt auch noch ein Mann. Neben dem Sofa steht einer kleinerJunge. Der Mann, der wahrscheinlich der Vater ist, sagt zudem Jungen: „Junge, was bist du groß geworden“.

Sinn: Der Zeichner will mit dieser Karikatur ausdrücken, dassdie Eltern zuviel Fernsehen geguckt und dadurch ihren Sohnvernachlässigt haben. Erst als der Fernseher kaputt war ha-ben sie bemerkt, wie groß ihr Kind geworden ist.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Nur die Interpunktion weist einige Schwächen auf.

Zum Inhalt:

Die Beschreibung ist genau, arbeitet mit Vermutungen. Die Si-tuation wird klargelegt.

Die Deutung bezieht sich auf die Darstellung und kommt zu rich-tigen Ergebnissen, die sich eng auf das Dargestellte beziehen.

Bewertung:

Dieser Versuch ist insgesamt gelungen und stellt auch am Gym-nasium eine gut erledigte Hausaufgabe dar. Die Verbalisierungder Karikatur gelingt in wichtigen Aspekten und auf kindgemäßeWeise. Die fehlenden Kommata sollten bei der Lehrerdurchsichtkorrigiert werden.

84

Page 85: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schüler B

Beschreibung: Auf der Karrikatur sieht das ein Fernsehrepe-ratör das Fernsehn mit. Der Vater guckt ganz fröhlich aberder Sohn und die Mutter gucken ganz verzweifelt/depemiert.

Bedeutung: (?) Ich glaube, dass der Maler deutlich machen,dass die meisten Menschen nichts mit sich anfangen wenn siekein Fernsehn gucken können.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Die verwendeten Fremdwörter werden in ihrer Schreibung undauch lexikalisch kaum beherrscht (Karikatur, Reparatur, depri-miert).

Der Satzbau weist deutliche Mängel auf; nur einer der drei Sätzeist syntaktisch korrekt. Die Interpunktion weist Schwächen auf.

Zum Inhalt:

Die Beschreibung ist diffus. Wiederholungen werden nicht ver-mieden. Die handelnden Personen werden nicht eingeführt, dieSituation wird nicht klargelegt. Ein inhaltlich treffender Ausdruckfür den Karikaturisten fehlt. Als typischer Fehler bei der Be-schreibung von Karikaturen taucht weiterhin auf, dass die Stim-mungslage der Personen lediglich am Gesichtsausdruck festge-macht wird. Der Text der Karikatur wird nicht einbezogen.

Die Deutung bleibt sehr allgemein und bezieht sich nicht auf dieDarstellung.

Bewertung:

Dieser Versuch ist sprachlich und inhaltlich misslungen. Diesprachlichen Mängel korrespondieren mit den inhaltlichen Unsi-cherheiten. Sie würden auch bei einer inhaltlich besseren Arbeitzu einer Abwertung der Note führen. Die Verbalisierung der Kari-katur gelingt nur in Ansätzen.

Eine komplette Neuanfertigung der Hausaufgabe liegt nahe.

85

Page 86: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schülerin C

Auf dem Bild siet man einen TV Reparirmann der einenFehrnseher wegträgt. Eine Frau und ein Mann sietzen aufdem Sofa. Die Frau guckt ganz entzetz weil sie kein Fehrnse-hen mehr gucken kann. Da bemerkt der Mann das sein Sohnnehben ihm steht und sagt: „Junge, was bist du groß gewor-den!“

Die Eltern des Jungen bemerken erst jetzt das ihr Sohngrößer geworden ist. Sie haben nämlich immer Fernsehn ge-kuckt und sich gar nicht um ihren Sohn gekümmert.

Die Schülerin ist deutscher Herkunft und Muttersprache.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Rechtschreibschwächen liegen vor allem im Bereich kurze/langeVokale und beim Dehnungs-h; Fehlertypen, die im Bereich desfür die Schulform und Klassenstufe Erwartbaren liegen. Ansons -ten ist die Rechtschreibung im Klassenvergleich durchaus als si-cher einzustufen. Der Satzbau ist erfreulich differenziert. Es wer-den verschiedene Nebensatzarten verwendet und darüber hi -naus werden die Sätze sprachlich logisch verknüpft (Da ...näm-lich...). Die entsprechende Kommasetzung kann in dieser Klas-senstufe noch nicht vorausgesetzt werden.

Zum Inhalt:

Die Beschreibung des Bildes ist vollständig und logisch aufge-baut. Die Erklärung schließt sich sinnvoll an und bezieht sichkonkret auf das in der Karikatur dargestellte Beispiel. Die Aussa-geabsicht der Karikatur wurde verstanden.

Bewertung:

Inhaltlich wäre der Text für eine Hausaufgabe eine gute Leistungan einer Hauptschule. Die Mängel im Rechtschreiben bleiben imRahmen des in dieser Schulform zu Erwartenden. An Realschuleund Gymnasium läge die Arbeit im unteren Bereich und müsstewegen der Fehler wohl abgewertet werden, sofern nicht anderebesondere Umstände vorliegen. Die Fehler sollten von der Lehr-person korrigiert werden.

86

Page 87: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schülerin D

Es gab eine Famile die Waren Fernsehersüchtig. Die habensich so viel um Fernseher gekümmert haben nicht ihr sohn ge-sehen die haben garnicht gemerkt das der sohn groß gewor-den ist. Weil die haben nur an Fernsehen gedacht und haben,nie den Junge gedacht. Eines tages als der Fernsehen kaputwar ist der Reparatur gekommen aber konnte nicht die Fern-sehen reparien und er musst die Fernsehen mit nehmen alsder das mit nehmen wollte und das genommen hat war dieMutter sehr traurig fast am weinen und Der Vater war so alsder von Schlafen aufgewacht ist der Auf seine sohn geckutund gesagt „Junge Was bist du groß geworden“ das bedeutetdas die Eltern sich nie um den Junge gekümmert haben nurum Fernsehen.

Die Schülerin lebt seit vier Jahren in Deutschland, kam als Sei-teneinsteigerin in die dritte Klasse der Grundschule, ohne einWort Deutsch zu sprechen. Ihre Muttersprache ist Kurdisch,außerdem spricht sie Türkisch.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Es finden sich viele Fehler, vor allem bei der Groß- und Klein-schreibung. Andererseits ist positiv zu vermerken, dass die Schü-lerin das Dehnungs-h und die Buchstabenverdoppelung nachKurzvokal beherrscht. Satzschlusszeichen werden nicht immergesetzt, die Schülerin ist unsicher bei der Verwendung von Kom-mata.

Es finden sich falsche Wortableitungen, Satzbaufehler und Feh-ler im Tempusgebrauch.

Zum Inhalt:

Sie beschreibt die dargestellte Situation und die Beziehung derPersonen recht genau. Der Sinn der Karikatur ist knapp, abertreffend wiedergegeben.

Bewertung:

Berücksichtigt man den Ausbildungsstand der Schülerin, ihreSprachentwicklung im Deutschen und die Tatsache, dass es sichum einen längeren, frei geschriebenen Text handelt, sollten diesprachlichen Verstöße nicht so hoch gewichtet werden, dass siezu einer Abwertung führen, selbst wenn sie quantitativ häufigsind. Im Sinne einer unterstützenden Korrektur sollten zwei bisdrei Sätze korrigiert werden mit der Bitte an die Schülerin, sienochmals fehlerfrei abzuschreiben.

87

Page 88: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schülerin E

1. Ich sehe da einen kleinnen Jungen mit seinen Eltern und ei-nen TV Reparierer der denn Ferhnseher mitnimmt.

Der Vater und die Mutter haben immer one Pause Fern -seher geguckt. Aber irgent wann mal war der Fehrnseherkaput und der Sohn hat denn TV peparierer angeruffe undder TV Reparierer hat denn Fehrnseher mit genommen.Der Vater merkte das sein Sohn da stand und der Vatersagte oh mein Junge bist du aber groß geworden.

2. Ich finde das ist übertriben: Das die Eltern von denn Sohnununterbrochen Ferhnseher gucken und ihren Sohn überhault nicht merken.

Die Schülerin ist türkischer Herkunft, wurde in Deutschland ge-boren und ist gut integriert. Sie spricht fließend und so fehlerfreiDeutsch, dass sie sich in dieser Hinsicht von deutschen Kindernnicht unterscheidet.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Der Text enthält zahlreiche Rechtschreibfehler, die gemessen amsprachlichen Entwicklungsstand der Schülerin nicht mehr vor-kommen dürften, wie z. B. überflüssige Doppelkonsonanten undGetrenntschreibung bei Wörtern des allgemeinen, häufig ge-brauchten Wortschatzes.

Zum Inhalt:

Die Beschreibung der Karikatur bleibt recht oberflächlich, be-schränkt sich auf das Notwendigste. Der Sinn der Karikatur wirdnur ungenau wiedergegeben. Der inhaltlichen Oberflächlichkeitentspricht die wenig differenzierte Ausdrucksweise.

Bewertung:

Die Fehlerhäufigkeit ist angesichts der relativen Kürze des Tex-tes und der relativ gut entwickelten sprachlichen Fähigkeiten derSchülerin trotz ihres muttersprachlichen Hintergrundes negativzu werten. In der Lehrerkorrektur sollte die Schülerin aufgefordertwerden, ihre Sätze erneut fehlerfrei aufzuschreiben.

88

Page 89: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Beispiel einer schriftlichen Aufgabe im Fach Biologie in einer9. Klasse

Das Nervensystem des Menschen14)

Aufgabe 1:

Beschreibe mit Hilfe dieser Schemazeichnung, was im Körpereines Torwartes vom Wahrnehmen des Torschusses bis zumFangen des Balles geschieht.

Wichtig: Benutze dazu die angegebenen Verben.

Aufgabe 2:

Erkläre in einem Satz die Aufgaben des peripheren Nerven-systems.

14) Abbildung „Nervensystem“ aus: G. Rabisch, E.-A. Kuhlmann, R. Pommerening(Hrsg.): Biologie heute 3 H (Ausgabe C, 9./10. Schuljahr). Schroedel Verlag, Han-nover 1992, S. 65.

89

Page 90: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schüler F

1. Das Auge nimmt den Reiz war, durch Empfindungsnervenwerden die Daten des Reizes zum Gehirn geleitet. Dortwird der Reiz Wahrgenommen. Dann Erkannt, Ausgewer-tet, Beurteilt und erst dann kommt der Befehl über Bewe-gungsnerven zu den Muskeln. Die folgende Reaktion ist,das der Torwart den ball fängt.

2. Peripheres Nervensystem zu diesen Nervensystemgehören die Empfindungsnerven und die Bewegungsner-ven. Die Empfindungsnerven leiten alle daten zum Gehirn,die Bewegungsnerven schicken die Befehle an die Mus-keln.

Der Schüler ist Russlandaussiedler und lebt erst seit drei Jahrenin Deutschland.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Die Orthographiefehler liegen hauptsächlich im Bereich derGroß- und Kleinschreibung. Sie sind übrigens, was die Verbenbetrifft, wohl durch die Abbildung selbst verursacht, da sie dort innominalisierter Form angegeben sind.

Zum Inhalt:

zu 1): Eine inhaltlich vollständige und richtige Darstellung desSachverhalts, die von gründlichem Verständnis der be-sprochenen Zusammenhänge zeugt.

zu 2): Eine differenzierte und richtige Beschreibung der Aufga-ben des peripheren Nervensystems. Zu ergänzen wärenoch, welche Daten (die von den Sinnesorganen aufge-nommenen und in Information umgewandelten Reize)zum Gehirn geleitet werden.

Die Fachbegriffe werden richtig angewandt, der Ausdruck ist prä-zise, der Sprachstil sachlich und angemessen.

Bewertung:

Die Defizite in der sprachlichen Richtigkeit sollten korrigiert, aberin der Notengebung nicht negativ berücksichtigt werden.

90

Page 91: Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des ... · 1 Ziel der Empfehlungen „Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unter-richts in allen Fächern.“ Dieser

Schüler G

1. Das Auge erkänt einen Ball auf sich zu fliegen das Augenehmt das war und leitet das über den Empfindungsnervweiter zum Gehirn. das Gehirn niemt es war und Erkenntdie Meldung und wandelt es in Befehle um. Von da ausgeht es über den Bewegungsnerv zum Muskel so das derMuskel jetzt reagieren kann. und man fängt den Ball mit derHand

2. Sie leiten die (Strömme) Meldungen zum gehirn und zurück

Der Schüler hat Deutsch als Muttersprache.

Zur sprachlichen Richtigkeit:

Die zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehler („erkänt“,„nehmt das war“, „so das“) werden in elementaren Bereichen undbei bekannten Wörtern gemacht.

Zum Inhalt:

zu 1): Die Beschreibung der Aufgaben von Sinnesorgan, Ner-ven, Gehirn und Muskulatur ist inhaltlich und sprachlichkorrekt. Allerdings bleibt unklar, was genau („das“/„es“/„geht es über“) durch die Nerven weitergeleitet wird.Durch die Verwendung der Begriffe „Reiz“ und „Informa-tion“ könnte diese Ungenauigkeit behoben werden.

zu 2): Prinzipiell richtige, aber zu ungenaue Erklärung, da nichtzwischen sensorischen und motorischen Nerven unter-schieden wird.

Die Fachbegriffe werden korrekt verwendet und die funktionalenZusammenhänge in richtigen und weitgehend präzisen Formu-lierungen (außer den oben dargelegten Ungenauigkeiten) darge-stellt.

Bewertung:

Die Fehler stellen für eine 9. Klasse in allen Schulformen deutli-che Defizite in der sprachlichen Richtigkeit dar. In der Gesamt-note sollten sie durch Abstufung um eine halbe Note berücksich-tigt werden.

91