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Okzidentalismuskritik.

Möglichkeiten und Grenzen

einer Forschungsperspektivierung1

Gabriele Dietze

»When a tolerant civilization meets its limits,it says not that it is encountering political and cultural diff erence,

but that it is encountering the limits of civilization itself.«Wendy Brown, Regulating Aversion

»So nimmt also die islamische ›Kultur‹ Züge eines Psychodramas an,und man macht sich allen Ernstes daran, eine Kultur zu erfi nden,

primär in der Weise, dass Kennzeichen […] exotischer Fremdartigkeitbeschworen und proklamiert werden.«

Aziz Al-Azmeh, Die Islamisierung des Islam

Szene 1: Vor der Oper. Von einem engen Korsagenkleid und Stilettos behindert, arbeitet sich eine junge Frau aus dem Taxi. Der Begleiter hält sichtlich unge-duldig Handtasche und Autotür. Auf dem Bürgersteig läuft eine Gruppe von Frauen mit Kopftüchern vorbei. Die Opernbesucherin raunt: ›Ich werde immer wütend, wenn ich diese Schleiereulen sehe‹. Der Mann entspannt sich und hilft ihr freundlich die Treppen hinauf, indem er sie unter den Ellenbogen fasst.

1 | Für produktive Auseinandersetzung und Kritik zum Thema danke ich Ma-nuel Boatcă, Christina von Braun, Sabine Broeck, Claudia Brunner, Sergio Costa, Fernando Coronil, Inderpal Grewal, Elahe Haschemi Yekani, Antje Hornscheidt, dem Forschungskolloquium des ICI (Institute for Cultural Inquiry) – insbesondere Christoph Holzey, Luca di Blasi, Antke Engel, James Redfi eld und Kyung Ho-Cha – Nanna Heidenreich, Carsten Junker, Ina Kerner, Sara Lewis, Beatrice Michaelis, den Studierenden des Seminars ›Kritischer Okzidentalismus‹ an der Humboldt Univer-sität 2005, Katharina Walgenbach und Edith Wenzel.

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Szene 2: Vor Gericht. Fereshta Ludin klagt über mehrere Instanzen, man möge ihr erlauben, als Lehrerin ein Kopftuch als Zeichen ihrer kulturell-religiösen Affi liation zu tragen. Die Klägerin verfolgt ihr Anliegen über fünf Jahre bis zur höchsten Instanz. Das Verfassungsgericht hält das Begehr für prinzipiell be-rechtigt, erklärt sich aber für nicht zuständig, da entsprechende Gesetze auf Länderebene fehlen. Inzwischen haben mehrere Bundesländer das Kopftuch verboten, fünf davon erlauben ausdrücklich jüdische und christliche Zeichen.

Szene 3: Vor der EU-Mitgliedschaft. Das Buch Mit dem Kopftuch nach Europa? Die Türkei auf dem Weg in die Europäische Union (Tibi 2005) wird bei amazon.de mit folgendem Werbetext angekündigt: »Im November 2004 hat der EU-Ministerrat offi ziell beschlossen, mit der Türkei Verhandlungen über eine Voll-mitgliedschaft in der Europäischen Union aufzunehmen. Diese Entscheidung stößt in vielen Staaten der EU auf massive Kritik. […] Nur eine Türkei, die sich zu europäischen Grundwerten bekennt, kann in den Kreis der Europäischen Union aufgenommen werden« (amazon.de 2008).

Die drei Szenen teilen einige Gemeinsamkeiten. Sie beschreiben individuelle, institutionelle oder politisch-diskursive Reaktionen auf ein religiös-kulturelles Zeichensystem, das Kopftuch. In allen Fällen dient der Verweis dazu, die kul-turelle Überlegenheit einer nicht Kopftuch tragenden Kultur zu manifestieren, und in allen Fällen wickelt sich dieser Diskurs über das Geschlechterverhältnis ab. D.h. die angenommene Unterdrückung einer Kopftuch tragenden Frau ist die Folie, auf der man sich einer ›Wertegemeinschaft‹ versichert, die auf einer Ablehnung ›orientalischer Sitten‹ basiert, oder anders ausgedrückt, einen ›Ok-zident‹ konstruiert.

Grundannahme für die folgenden Überlegungen ist, dass ›Okzidentalität‹ zu einer neuen Leitdiff erenz2 in europäischen, insbesondere deutschen, Ein-wanderungsgesellschaften nach dem Mauerfall und verstärkt nach ›9/11‹ gewor-den ist. Als ›Okzidentalismus‹ wird im Folgenden eine teils bewusste und teils im kollektiven Unbewussten stattfi ndende Referenz auf ›Abendländischkeit‹ der ›abstammungsdeutschen‹ Mehrheitsgesellschaft als ›überlegene‹ Kultur bezeichnet. Okzidentalismuskritik versteht sich in diesem Zusammenhang als systematische Aufmerksamkeit gegenüber identitätsstiftenden Neo-Rassismen, die sich über eine Rhetorik der ›Emanzipation‹ und Aufklärung defi nieren. Im Folgenden wird zunächst den Begriff en Okzident/Okzidentalität/Okzidentalis-mus etymologisch und begriff sgeschichtlich nachgegangen, dann ihre histori-sche Verfl echtung mit Kolonialismus und Rassismus verfolgt. Das Herzstück des Aufsatzes bilden einige Überlegungen zur systematischen Verschränkung von Okzidentalitäts- und Geschlechtskonstruktionen. Daran schließt eine me-

2 | Für die Verschiebung des alten Ost-Westkonfl iktes auf ein Orient/Okzident-Muster siehe auch Schulze 2007.

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thodologische Überlegung zum Status einer Forschungsperspektivierung Ok-zidentalismuskritik an.3

Wor t- und Begrif fsgeschichte

Der Begriff ›Okzidentalismus‹ bezieht sich auf die Annahme eines ›Okzident‹. Dieser wiederum steht in binärer Beziehung zu einem ›Orient‹. Von der Wort-bedeutung her entlehnt sich ›Orient‹ dem Lateinischen ›oriens (sol)‹ – wört-lich ›aufgehende Sonne‹ oder entsprechend ›Land der aufgehenden Sonne‹ oder ›Morgenland‹. Lokal bedeutet das auch im Osten positioniert. Das zugrundelie-gende lateinische Verb ›oriri‹ heißt neben ›aufstehen, sich erheben‹ auch ›ent-stehen und entspringen‹, was das Wort auch in die Nähe zu ›origo‹ (Ursprung, Quelle, Stamm) setzt (vgl. Duden 1989: 502). ›Okzident‹ oder ›okzidental‹ ist als Kontrast zum ›Orient‹ entstanden aus ›occidens (sol)‹, ›Land der untergehenden Sonne‹ oder ›Abendland‹. Das verdankt sich dem zugrundeliegenden lateini-schen Verb ›occidere‹ (niederfallen, untergehen) (vgl. ebd.: 497).

Das Oxford English Dictionary spricht von ›occident‹ als »the countries, civi-lization, or culture of the West«.4 Damit wird Okzident zu einem politischen Be-griff . Die Verwendung von ›Kultur‹ im Singular weist auf ein implizites Über-legenheitsverständnis hin: »[…] ›we‹ have culture while culture has ›them‹, or we have a culture while they are culture. Or we are a democracy, while they are a culture« (Brown 2006: 151; Hervorhebung Brown). Interessanterweise verzeich-nen einige deutsche Wörterbücher und Lexika das Wort ›Okzident‹ bis in die 1960er Jahre überhaupt nicht. Das weist darauf hin, dass ›Okzident‹ wie andere herrschende Prinzipien (z.B. die männliche Form in der Grammatik) den Platz einer ›stillen Norm‹ einnimmt, die nicht bezeichnet werden muss, da sie das ›Allgemeine‹ verkörpert. Wenn im Folgenden von ›Okzidentalismus‹ gespro-chen wird, ist der Aspekt einer ›stillen Norm‹ erkenntnisleitend.

3 | In früheren Veröff entlichungen wurde statt Okzidentalismuskritik die For-mulierung ›Kritischer Okzidentalismus‹ verwandt (Hornscheidt/Dietze 2006). Dieser war in Analogie zur Critical Whiteness Theory entwickelt worden und hob Okzidentalität als stille Norm hervor. In der Auseinandersetzungsgeschichte mit der Forschungsperspektivierung stellte sich heraus, dass der Erklärungsaufwand für diese Begriffl ichkeit, insbesondere gegenüber Wissensfeldern, die mit anglo-amerikanischer Critical Whiteness Theory nicht vertraut waren, sich als sehr hoch herausstellte. Deshalb wurde hier auf den eher selbsterklärenden Begriff ›Okziden-talismuskritik‹ umgestellt.

4 | Das vollständige Zitat heißt: »The part of the world situated to the west of some recognized region; spec. the countries, civilization, or culture of the West. Originally with reference to Western Christendom or the Western Roman Empire, or to Europe as opposed to Asia and the Orient; now usually with reference to Europe and America as opposed to Asia and the Orient, or occas. to America or the Western hemisphere as opposed to the Old World.« (Oxford English Dictionary, Draft Revision März 2009)

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Die Verwendung des Neologismus ›Okzidentalismus‹ orientiert sich an der Wortprägung ›Orientalismus‹ (orientalism) eines der Gründerväter der postko-lonialen Theorie, Edward Said, der darunter die epistemische Gewalt okziden-taler KolonialistInnen gegenüber einem von ihnen erfundenen ›orientalischen Anderen‹ verstand (vgl. Said 1978).

Nun kann man unterschiedliche Aspekte von ›Orientalismus‹ betonen. Man kann die Perspektive auf die Logik des ›Othering‹ zuspitzen, so wie Said die historisch spezifi schen Phantasmen gegenüber einem zu erfi ndenden ›Orient‹ in der französischen und britischen Kolonialimagination betont hat. Oder man kann sich auf den Benefi t konzentrieren, den solche ›Othering‹-Prozeduren für ein okzidental hegemoniales Selbst erbringen. Postkoloniale Intellektuelle mit lateinamerikanischer Geschichte – etwa Fernando Coronil mit venezola-nischem und Walter Mignolo mit argentinischem Hintergrund, beide in den USA lehrend – wandten dementsprechend ein, ›Orientalismus‹ benenne nur die ›OrientalInnen‹ und nicht die OrientalisiererInnen und den Prozess der Orientalisierung (vgl. Coronil 2002: 184f.).

Coronil denkt, so der Titel seines Aufsatzes, ›Jenseits des Okzidentalismus‹. Von einer ›post-okzidentalen Vernunft‹ (postoccidental reason) spricht Walter Mignolo (vgl. Mignolo 2000: 91f.). Beide Theoretiker sehen ihre Gegenwarts-analyse auch mit Begriff en wie ›Post-Orientalismus‹ (vgl. Lowe 1991) nicht aus-reichend beschrieben. Mignolo z.B. liegt daran, mit ›subaltern knowledge‹ und ›borderthinking‹ einen ›third epistemological space‹ zu etablieren, der nicht nur eine Vernunft jenseits des Okzidentalismus, sondern auch eine Neufassung des Begriff s der Modernität (modernity) bedeutet.5

1995 veröff entlichte James G. Carrier die Anthologie Occidentalism. Images of the West, die Okzidentalismus von drei Seiten her ansteuerte: erstens als kri-tischen Begriff im oben verwendeten Sinne, mit dessen Hilfe Vorannahmen von westlichen AnthropologInnen problematisiert werden, zweitens als Ter-minus für einen kulturellen Mix, der entsteht, wenn ›westliche‹ Elemente der Modernisierung in ›orientalische‹ Kulturen eingebaut werden, und drittens als phantomatische Konstruktion ›des Westens‹ durch ›den Osten‹ (vgl. Carrier 1995). Der dritte Punkt von Carriers Anordnung innerhalb der Anthologie ver-weist auf eine andere Verwendung des Okzidentalismusbegriff s, nämlich auf ›anti-westliche‹ Kritik am Abendland aus ›orientalischer‹ Perspektive. 2004 veröff entlichten die US-Amerikaner Buruma und Margalit mit Occidentalism. The West in the Eyes of its Enemies eine viel diskutierte Studie über fernöstliche und arabisch-islamische ›Okzidentalismen‹ als anti-westliches Ressentiment. Eine solche Analyse fand nach ›9/11‹ eine geneigte ›interpretative community‹, welche die Ablehnung des okzidentalen Gesellschaftsmodells durch nicht-west-liche Gesellschaften nun als einen Text ideologischer und vorsätzlicher Feind-schaft lesen konnte.6

5 | Crouze Venn nutzt 2001 den Begriff ›occidentalism‹ zur Kritik abendländi-scher Philosophie als eurozentrisch.

6 | Der Iraner Mohamed Tavakoli Targhi verwendet 2000 in Refashioning Iran.

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Wenn im Folgenden im Rahmen einer zu entwickelnden Forschungsper-spektivierung von ›Okzidentalismus‹ gesprochen wird, schließt das an die im postkolonialen Kontext entwickelte Begriff sverwendung von Coronil und Mig-nolo an.7 Okzidentalismuskritik ist mit Projekten verwandt, denen es um De-zentrierung und Dekonstruktion von Hegemonialität mit Blick auf ihre Konst-ruktionslogik und um »Hegemonie(selbst)kritik« (Dietze 2008b) geht, wie etwa Provincializing Europe (Chakrabarty 2000), Beyond Eurocentrism (Dussel 1998) oder Unthinking Eurocentrism (Shohat/Stam 1996). Im Unterschied zu Coro-nil und Mignolo, die sich auf die konkreten Folgen des Kolonialismus an der Nord/Süd-Achse konzentrieren, motiviert sich hier die Inanspruchnahme des Begriff s ›Okzidentalismus‹ über eine neue Orient/Okzident-Binarität. Mit der Anknüpfung an den Orientalismusbegriff der postkolonialen Studien verbindet sich die Hoff nung, zusätzliches Handwerkszeug für die Analyse gegenwärti-ger Neo-Orientalismen zu gewinnen. Denn in den neuen Migrationsregimen in Westeuropa und insbesondere in Deutschland werden seit geraumer Zeit EinwanderInnen aus der Türkei, dem Maghreb, Palästina, dem Libanon und anderen als arabisch verstandenen Staaten ›orientalisiert‹ und zur Fokusgruppe einer so genannten Ausländerfeindlichkeit gemacht.

Ausländer feindlichkeit und Neo-Rassismus

Die Geschichte und Bedeutung der Diskurs-Figur ›Ausländerfeindlichkeit‹ und der ihr zugrunde liegenden Migrationsregime ist vielfach erforscht und beschrieben worden (siehe u.a. Terkessides 2004; Bojadžijev 2007, Karakayali 2008). Ich greife im Folgenden einige Elemente heraus, die für spätere Über-legungen zu Okzidentalismus als Meta-Rassismus von Belang sind. Am Begriff ›Ausländerfeindlichkeit‹ hat Mark Terkessides entwickelt, dass der rassisierende Diskurs seine Objekte in institutionellen Praktiken selbst hervorbringt (Terkes-sides 2004: 20). MigrantInnen und ihre Familien blieben in Deutschland nur deshalb AusländerInnen, weil das deutsche ›ius sanguinis‹ (Blutrecht) ihnen

Orientalism, Occidentalism and Historiography den Begriff , um auf die Unterschla-gung iranischer Beiträge zur Orientbeschreibung durch die europäische Geschichts-wissenschaft hinzuweisen. Die Chinesin Xioaomei Chen hingegen gebraucht 1995 den Terminus Okzidentalismus, um einen positiven Einfl uss des Westens für Chi-nas Demokratisierung zu benennen, in Occidentalism. A Theory of Counter-Discourse in Post-Mao China. Zuletzt nahm der Schweizer Globalisierungskritiker Jean Zieg-ler 2008 den Begriff ›Okzident‹ in seinem Buch La Haine de l’Occident auf, um den ›Hass‹ der Dritten Welt auf die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln zu be-schreiben.

7 | In deutschen Publikationen jenseits des in diesem Band repräsentierten Zu-sammenhangs traf man bisher selten auf den Wortgebrauch ›okzidentalistisch‹. Ei-ne Ausnahme ist Heiner Bielefeldt, der in ähnlichem Sinne von einer »islamischen und okzidentalistischen Okkupation der Menschenrechte« (2006: 124) spricht.

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die in den meisten vergleichbaren Ländern übliche Einbürgerung durch Geburt qua ›ius solis‹ (Bodenrecht) bis zum neuen Einwanderungsgesetz im Jahr 1999 verweigert hatte. Kritische Sozialwissenschaften betrachten diese Zusammen-hänge zu Recht im Rahmen von Ausschluss und Marginalisierung von ›Aus-länderInnen‹. Für eine okzidentalismuskritische Perspektive interessiert hier noch ein anderer Aspekt, nämlich die ›kulturelle Arbeit‹, die ein solcher Begriff für diejenigen leistet, die ihn infl ationär verwenden. Mit der Negativ-Fixierung auf Ausländischkeit wurde es in Deutschland möglich, eine Inländischkeit oder auch ein Deutsch-Sein aff ektiv zu besetzen, das sonst als zutiefst prekär emp-funden wurde.8 Der Nationalsozialismus hatte das ›Deutsch‹-Sein so nachhaltig beschmutzt, dass es eines Umwegs bedurfte, sich die Gruppenselbstzuordnung wieder zuzumuten. Es dienten auch nicht nur die ›AusländerInnen‹ der Versi-cherung des Deutschseins, sondern auch die ›anderen‹ Deutschen der DDR, die sich sozialistisch postnational gaben und sich nicht in das Kollektivschuldpara-digma für das ›falsche Deutschsein‹ einreihten. Der Kalte Krieg war deshalb in Westdeutschland besonders identitätsstiftend. Die damals ausgebildete Vorstel-lung, individuelle Freiheitsrechte seien ureigenster Besitz aller Westdeutschen – man könnte auch von Freiheitsrechten als Diff erenzkriterium für ›richtiges‹ Deutschsein sprechen –, wanderte ins Grundrepertoire eines späteren antimus-limischen Rassismus, der westliche Emanzipation zum Kampfbegriff gegen die Unfreiheit muslimischer Frauen unter einem ›orientalischen Patriarchat‹ in Stellung bringt.

Zu Beginn der Arbeitsmigration begegnete eine deutsche »Dominanzkul-tur« (Rommelspacher 1995) den Neuankömmlingen auf dem Register ›Klasse‹ und befriedete den Wunsch nach okzidentaler Überlegenheit durch ›ethnische Unterschichtung‹ (vgl. Esser: 2001). Günter Wallraff s Industriereportage, in der er under cover einen Türken Ali bei der Dreck-Leiharbeit in der Stahlindustrie darstellte, emblematisierte dann, wo die deutsche Gesellschaft, insbesondere die Arbeiterschaft, den ›Türken‹ sehen wollte, nämlich Ganz Unten (1985). Der zu beobachtende Rassismus nahm eher die Form von ›Klassismus‹ an. Mit Ab-stammung war er nur insofern befasst, als dass Übereinkunft darin bestand, den ›TürkInnen‹ den niedrigsten Platz auf der ArbeiterInnenhierarchie zuzu-weisen. Wenn dieses Ressentiment überhaupt im Register von Rassismus dis-kutiert wurde, dann sprach man von ›Vorurteil‹.

In anderen europäischen Staaten dagegen interpretierte man das europaweit zunehmende Ressentiment gegen ImmigrantInnen sehr wohl als Rassismus, sah aber auch gleichzeitig, dass die vor-faschistischen biologischen »Rassen«-Kriterien nicht mehr brauchbar waren. Man sprach deshalb von einem ›Neo-

8 | Étienne Balibar stellt fest, dass keine moderne Nation eine ›reine‹ ethnische Basis hat und deshalb von »fi ktiven Ethnizitäten« (1990: 15) gesprochen werden muss, die sich in ihrem Wunsch nach einer puren Nation in Formulierung von Übernationalität, wie ›Franco-Franzosen‹ oder ›englische Engländer‹ retten (vgl. ebd.: 76). Im Umfeld von Kanak Attak benutzt man für ein ähnliches deutsches Phänomen ironisch den Begriff ›biodeutsch‹ (vgl. Heidenreich 2006).

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Rassismus‹ ohne Rassen (vgl. Balibar 1990: 28), der sich dadurch auszeichnete, nun statt Biologie eine angeblich unveränderbare kulturelle Diff erenz in Stel-lung zu bringen, auch diff erentialistische oder kulturalistische Rassismen ge-nannt. Ina Kerner fasst zusammen:

»Die zentralen Merkmale des diff erentialistischen bzw. ›Neo-Rassismus‹ sind ers-tens, dass er unter Rekurs auf kulturelle Diff erenzpostulate operiert und auf bio-logische Verweise verzichtet und zweitens, dass er statt Hierarchien zwischen ver-schiedenen ›Rassen‹ Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen postuliert. […] Zielrichtung des diff erentialistischen ›ausländer‹- beziehungsweise ›fremden‹-feindlichen Neo-Rassismus [ist] die Reinhaltung beziehungsweise Entmischung von homogen vorgestellten Kollektiven, meist Nationen.« (Kerner 2009: 134)

Manuela Bojadžijev präzisiert: »Diff erentialismus und Kulturalismus bezeich-nen zwei verschiedenen Dinge: Während letzterer die diskursive Verschiebung vom Biologismus anzeigt, beginnt der erstere eine Verschiebung von der Ras-senhierarchie zur gesellschaftlichen Segregation« (2008: 23).

In Deutschland gab und gibt es zahlreiche inhaltliche und lokale Barrie-ren, Ablehnung von oder Ressentiments gegen MigrantInnen ›Rassismus‹ zu nennen. Zum einen ist der Begriff »Rasse« nach dem Holocaust delegitimiert. Dazu aber kam (und kommt) ein besonderes deutsches »Nachkriegstabu« (Bie-lefeldt 1998: 12), mit Rassismus in Verbindung gebracht zu werden, da man doch aus der ›Vergangenheitsbewältigung‹ gelernt habe. Die Anerkennung von Rassismus unterstelle, dass man glaube, biologische »Rassen« würden existie-ren (vgl. ebd.). Die Ersatzbildung ›Ausländerfeindlichkeit‹ reorganisierte den immigrationsfeindlichen Neo-Rassismus als ethnisierten Begriff von Staats-bürgerschaft.9

Bei der Verschiebung von ›Ausländerfeindlichkeit‹ gegenüber türkischen und arabischen ›GastarbeiterInnen‹ von einem Klassen- zu einem Kulturras-sismus geriet die gemeinsame Religion einer Migrantengruppe, der Islam, in den Mittelpunkt der kulturalisierenden Festlegung und diff erentialistischen Abgrenzung. Diese »Muslimisierung des Einwanderers« (Schiff auer 2007: 117) verkennt zum einen große Unterschiede innerhalb der religiösen Affi lia-tionen der Migrationsbevölkerungen (vgl. Rumpf/Gerhard/Janssen 2003) und reduziert deren komplexe Lebenswirklichkeiten auf eine als einheitlich und aufklärungsresistent verstandene Religiosität.10 Es spricht viel dafür, dass nicht das vergleichsweise kleine Bevölkerungssegment ›religiöse MuslimInnen‹ in Deutschland das Problem ist, sondern dass eine Neu-Verhandlung der ›eigenen‹ Kultur nach dem Mauerfall sich dieses Bevölkerungssegment zum Probierstein nimmt. Begriff e wie ›Leitkultur‹, ›Wertegemeinschaft‹ und die Wiederkehr von

9 | Siehe dazu auch den Beitrag von Kerner in diesem Buch.10 | Bielefeldt unterscheidet zwei ›Islam‹-konstruierende Binaritäten: Säkulari-

tät versus Traditionalismus oder zivilisiertes Christentum gegen barbarischen Islam (vgl. Bielefeldt 2005).

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verschüttet geglaubten Vokabeln wie ›christliches Abendland‹ werden gegen einen angeblich drohenden kulturellen Identitätsverlust positioniert. Levent Tezcan weist darauf hin, dass »[…] die deutsche Leitkultur-Debatte darauf re-agiert, dass sich die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft generell durchgesetzt hat und sich nunmehr die Frage stellt, wie die Machtverhältnisse zwischen den Kulturen geregelt werden sollen« (Tezcan 2007: 60).

Auff ällig ist, dass in jüngster Zeit in Deutschland zum ersten Mal von Politi-kerInnen von einem »jüdisch-christlichen Erbe« gesprochen wird. So hat Ange-la Merkel dieses Kompositum prominent auf ihrem Grußwort zum 50. Jahrestag der EU als damalige Ratsvorsitzende in Stellung gebracht: »Europa beruht auf gemeinsamen Werten und geistigen Wurzeln. Die religiösen Wurzeln: unser jüdisch-christliches Erbe, sind ein prägender Teil unserer Gesellschaft« (Merkel 2003). Damit wird klar, dass der dritte Monotheismus, der ›Islam‹, keinen Platz in der angesprochenen Wertegemeinschaft hat.11 Diese neue Ausklammerung steht in Widerspruch zu bisher artikulierter ›Verwandtschaft‹ der drei großen Buchreligionen, die gegen ›primitivere‹ polytheistische oder animistische Re-ligionen privilegiert wurden. Wenn zuletzt in Europa zwischen den drei Mo-notheismen hierarchisiert wurde, dann fasste man eher Judentum und Islam als die ›weniger entwickelten‹ Religionen zusammen oder betrachtete im Sinne der ›Abfolge‹12 das Judentum als typologischen Ursprung für ein prophezeites Christentum.

Ich möchte die gegenwärtige Fixierung auf ein ›orientalisches Anderes‹ mit Sigrid Nökel und Levent Tezcan »islamischen Komplex« nennen (Nökel/Tezcan 2005: 10), um damit klar zu machen, dass dabei weder ein imaginiert homogener Islam gemeint ist noch die Vorstellung einer monolithischen ›mus-limischen Zivilisation‹. Zudem enthält das Wort »Komplex« neben Verweisen auf die innere Kompliziertheit auch eine Dimension psychologischer Befangen-heit, die ein Kernelement von Okzidentalismus ist. Weiterhin erleichtert die Verkomplizierung der Begriff e eine historische Perspektivierung. Denn die Okzidentalismuserzählung ist mit älteren Narrativen der Beziehung zwischen Abend- und Morgenland verlinkt. Eine Besonderheit des Orient/Okzident-Ver-hältnisses ist, dass der führende Platz in der kulturellen Hierarchie, wie sie im kolonialen und postkolonialen Diskurs zugunsten des Okzidents so machtvoll behauptet wird, aus einer abendländischen Perspektive selbst lange Zeit un-sicher war. Eher könnte man von einer Konkurrenz der Kulturen sprechen, die von der maurischen Hochkultur in Spanien bis zur Osmanischen Herrschaft reicht. André Gunder Frank argumentiert, dass die europäische Dominanz des Orient/Okzident-Verhältnisses erst mit dem 18. Jahrhundert beginnt (vgl. Frank

11 | In den Vereinigten Staaten spricht man schon viel länger und auch vor ›9/11‹ von ›Judeo-Christian values‹. Das hat aber hier nicht mit der Okzidentalisierung, sondern mit dem ›Whitening‹ der jüdischen Population gegenüber einem rassisie-renden Verständnis von ›Blackness‹ zu tun (vgl. Goldstein 2007).

12 | Siehe dazu den Beitrag zu ›Supersession‹ von Lisa Lampert-Weissig in die-sem Band.

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1998). Für die Zeit davor konstatiert der französische Kulturhistoriker Fernand Braudel eine hohe Attraktivität des Osmanischen Reiches in der europäischen Phantasie (vgl. Braudel 1981: 799).

Viele AutorInnen sehen den Paradigmenwechsel allerdings früher, mit dem Jahr 1492, besiegelt, wo sich die Vertreibung der Mauren aus Spanien mit der Geburtsstunde des modernen Kolonialismus in der ›Entdeckung‹ Ame-rikas treff en. Die Vollendung der Reconquista geht mit der Vertreibung und/oder Zwangschristianisierung der Juden und Jüdinnen in Spanien einher und mit dem Gesetz der ›limpieza de sangere‹ – der Reinheit des Blutes – mit dem konvertierte Juden und Jüdinnen und ihre Nachkommen vom Staatsdienst aus-geschlossen wurden. Es entwickelte sich ein erstes ›»Rassen«-Kasten-System‹ gegenüber den indigenen Bevölkerungen. Als sich herausstellte, dass diese nicht zur Zwangsarbeit tauglich waren, zog das langfristig die moderne Skla-verei schwarzer Menschen unter europäischen KolonialsiedlerInnen Amerikas und in der Karibik nach sich. Der Rassismushistoriker Immanuel Geiss lokali-siert hier die historische Schnittstelle zwischen einem Antisemitismus im In-neren und einem Anti-Negrismus im Äußeren (vgl. Geiss 1989: 15).

Okzidentalismus als Meta-Rassismus

Antimuslimischer Rassismus als spät-modernes Phänomen entwickelte sich erst mit den postkolonialen NachzüglerInnen aus den ehemaligen Kolonien (England, Frankreich, Spanien) und mit den über Arbeitskontrakte einreisen-den MigrantInnen (Deutschland). Ein antimuslimischer Rassismus begann langsam, verstärkte sich, als die Familien nachkamen und gewann an Bedeu-tung, als fundamentalistische Strömungen innerhalb des Islam geopolitisch als ›Feind des Westens‹ gesehen wurden. Nun glaubte man sicher zu sein, einer fremden und mit ›dem Eigenen‹ inkompatiblen ›Kultur‹ gegenüber zu stehen, die sich nicht mit dem ›okzidentalen Wertesystem‹ vereinbaren lasse.

Kulturalistische Rassismen sind als Rassismen schwer greifbar, weil sie sich nicht als Rassismen, sondern als gediegene und (auch wissenschaftlich) abgesi-cherte Urteile verstehen, als vernünftige Reaktion auf ›zu viele‹ AusländerInnen, oder vielmehr als angemessene Antwort auf die gefährlichen Ressentiments der national-autochthonen niederen Klassen. Deswegen spricht Balibar auch von einem »Meta-Rassismus« (1990: 30). Mark Terkessides hat diesen Zusammen-hang an einem deutschen Beispiel illustriert. Laut Umfrage des EMNID In-stituts für Sozialforschung im Jahr 1999 äußerte jede/r dritte BundesbürgerIn Verständnis für »rechtsradikale Tendenzen, die das Ausländerproblem hat aufkommen lassen« (Terkessidis 1998: 104). Die InhaberInnen »aufgeklärte[r] Machtposition[en]« (ebd.) sahen sich selbst nicht als RassistInnen, sondern als objektive BeobachterInnen der Auswirkung von ›zu vielen‹ AusländerInnen. Damit wurde die Bekämpfung von Rechtsradikalismus nicht etwa über anti-rassistische Erziehung betrieben, sondern über die vermeintliche Beseitigung ihrer ›Ursachen‹, also restriktiverer AusländerInnenpolitik (vgl. ebd.).

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Solche Positionen wurden (und werden) von LeitartiklerInnen, ExpertInnen-kommissionen und PolitkerInnen eingenommen und münden in Islamfragebö-gen oder Gesetzen zur Restriktion des Nachzugs minderjähriger ›muslimische Bräute‹. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Begriff Okzidentalismus zuspitzen und ihn einen ›Meta-Rassismus‹ der Eliten nennen. Kennzeichnend für einen solchen Rassismus ist, dass er geleugnet wird, da Bildungseliten sich als aufgeklärt und im deutschen Fall zudem als postfaschistisch geläutert ver-stehen. Okzidentalismus verbirgt sich insofern eher hinter einer ›Problematisie-rungskompetenz‹13 oder einem ›Wissensbestand‹.14 So bestreitet eine okzidenta-listische meta-rassistische Selbstwahrnehmung, dass ihre ›berechtigte Kritik‹ an islamistischem Fundamentalismus rassistische Elemente haben könnte. Obwohl die Vereinten Nationen 2001 und das ›European Monitoring Center of Racism and Xenophobia‹ (EUMC) 2002 ›Islamophobie‹ als einen Rassismus qualifi zieren, der »equally repellent and unwanted as anti-semitism and other global discriminatory phenomena« (Allen 2004: 1) sei, fi nden sich in deutschen meinungsführenden Zeitungen, etwa der Welt, klare Ablehnungen einer sol-chen Sichtweise:

»Aber was soll Islamophobie eigentlich sein? Eine gegen Moslems gerichtete ›Abart‹ des Antisemitismus ist es jedenfalls nicht. Nein, sie ist etwas anderes und zwar ein dummer, leerer Begriff , der die Diskussion über die Schrecken, die im Namen des Islam seit Jahren über die Welt getragen werden, behindert und erschwert. Off enbar fällt alles unter diesen Mülltonnenbegriff , was sich negativ über das Wirken der Religion des Friedens äußert.«15

Hiermit kommen wir zu einer Frage, die in Deutschland, aber auch in Frank-reich, einen besonderen Stellenwert hat, nämlich der Versuch, antimuslimi-schen Rassismus in unmittelbare Nachbarschaft zu Antisemitismus zu stellen. Das oben bereits erwähnte ›Europäische Zentrum zur Beobachtung von Ras-sismus und Xenophobie‹ (EUMC) verzeichnet im Jahresbericht 2004 ein An-steigen antisemitischer Übergriff e um das Sechsfache in Frankreich (auf 193), auf das Doppelte in Belgien (64 Übergriff e) und im Vereinigten Königreich auf 350 Übergriff e (plus 13 Prozent). Als Tätergruppe werden einerseits »junge, wei-

13 | Philomena Essed weist in Understanding of Everyday Racisms darauf hin, dass die Problematisierungsdiskurse der Eliten über ›einzusehende Schwierigkei-ten‹ eine zentrale Funktion im rassistischen Diskurs haben (vgl.: 10).

14 | Im Allgemeinen werden die so genannten bildungsfernen Schichten als die eigentlichen AkteurInnen fremdenfeindlicher Ressentiments verstanden. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, lässt sich das zumindest nicht über die ›bil-dungsfernen‹ Medien des Privatfernsehens sagen. Reality-TV-Formate, Talk- und Gerichtsshows präsentieren ein breites Spektrum individualisierter MigrantInnen und machen sie in Castingshows zu Superstars (vgl. Dietze 2008a).

15 | http//www.welt.de/weblogs/4881/boess+in+berlin/77412/was+ist+islamophobie, abgerufen 05.04.2009.

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ße Männer, aus rechtsextremen Kreisen« verantwortlich gemacht, andererseits tauchen auch »junge Muslime«, »Personen nordafrikanischer Abstammung« oder »Immigranten« als Tätergruppe auf (vgl. Allen 2004).16 Islamophobe Res-sentiments enthielten in diesem Zusammenhang den Vorwurf, muslimische Migrationsbevölkerungen seien antisemitisch und deshalb abzulehnen (vgl. At-tia 2007: 15f.) .17

Eine für die verfolgte Fragestellung interessante Unterscheidung zwischen gegenwärtigem islamophoben Ressentiment und der Geschichte des europäi-schen Antisemitismus triff t der Anthropologe Matti Bunzl:

»Islamophobes are not particularly worried whether Muslims are good Germans, Danes, or Italians. Rather they question whether Muslims can be good Europeans. Islamophobia, in other words, functions less in the interest of national purifi cation than as a means of fortifying Europe.« (Bunzl 2005: 502)

Der okzidentalistische Geschlechterpakt

Wenn von ›Werteordnung‹ oder ›Leitkultur‹ die Rede ist, ist beinahe ausnahms-los entweder direkt oder indirekt die Emanzipation ›der (westlichen) Frau‹ als Qualitätsmerkmal ›abendländischer Kultur‹ (im Singular) präsent. Im okziden-talistischen Hegemoniediskurs ist das Geschlechterverhältnis – insbesondere die ›Frauenfrage‹ – kein ›Nebenwiderspruch‹, sondern seine Signatur. Das hat viele Gründe, auf die im Einzelnen zurückzukommen sein wird. Einer davon ist, dass sich politische Diskurse nach dem ›iconic‹ oder auch ›visual turn‹ zu-nehmend auf die Ebene der Sichtbarkeit verschoben haben, weil sie vorwiegend

16 | Der Antisemitismusforscher Klaus Holz warnt davor, von einem islami-schen Antisemitismus zu sprechen. Stattdessen schlägt er vor, von einem »islami-sierten Antisemitismus« auszugehen, denn der nun in der arabischen Welt vertrete-ne Antisemitismus sei in allen wesentlichen Hinsichten ein Import aus Europa, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Übersetzung (und spätere Fortschreibung) in antikoloniale Bewegungen eingespeist wurde (vgl. Holz 2005).

17 | Dieser Konfl ikt wird verschärft in der deutschen Linken ausgetragen, wo einer traditionell antizionistischen ›alten‹ Linken von Islamismus-kritischen ›An-tideutschen‹ deshalb Antisemitismus vorgeworfen wird. Zu wechselseitig rassisti-schen Manifestationen kam es, als 2002 auf einer Solidaritätsdemonstration für Palästina antisemitische Plakate getragen wurden. Auf einer antideutschen Demon-stration gegen den ›antizionistischen Konsens‹ in den Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln am 12.07.2004 stand auf einem Transparent »Panzer in Ramallah, das ist die wahre Antifa«. Die Hinweise verdanke ich der nachdenklichen Seminar-arbeit von Silke Ronja Eberle mit dem Titel »Warum der ›kritische Okzidentalismus‹ sein Verhältnis zum Antisemitismus klären muss«, geschrieben für das Seminar ›Kritischer Okzidentalismus‹ von Antje Hornscheidt und Gabriele Dietze im Som-mersemester 2005 an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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medial geführt werden. Damit wird die ›bedeckte Frau‹ zu einem zentralen Si-gnifi kanten von ›Andersheit‹.

Nun ist eine Skandalisierung von Bedeckung nur möglich, wenn Unbe-decktheit als kulturelle Norm funktioniert. Chafi q Chahla und Farhad Khosrok-havar sprechen von einem ›off enen‹ okzidentalen und einem ›bedeckten‹ orien-talischen Gendersystem (zitiert nach Scott 2007: 154). Jennifer Fluri spricht von einem »naked veil«.18 Christina von Braun und Bettina Mathes führen aus:

»Fragt man nach den historischen Kontexten, die zur Entschleierung der westlichen Frau geführt haben, dann stellt man fest, dass ihre Blöße kaum etwas mit Natur und Freiheit zu tun hat, sondern Ergebnis kultureller Zwänge und Disziplinierungen ist, die sich im Laufe der abendländischen Geschichte wie eine zweite Haut um den ent-kleideten Körper der Frau gelegt haben. […] Bevor der Westen der Frau erlaubte, sich zu entblößen, musste sie lernen, ihre Blöße wie ein Kleid zu tragen.« (von Braun/Mathes 2007: 154)

Enthüllung und Bedeckung sind somit zwei unterschiedliche Sichtbarkeitsre-gime. Für den aufgeregten okzidentalistischen Blick ist allerdings nur die Be-deckung sichtbar. Kopftücher werden damit zur Meistermetapher. Im Kontrast zu ihnen wird die ›Freiheit‹ der okzidentalen Frau in der Nichtbedeckung, ge-gebenenfalls auch in der Nacktheit, inszeniert.

Die Freiheit der Frau ist aber ein leerer Begriff , wenn er nicht mit ›Gleich-heit‹ gefüllt werden kann. Damit sind wir an einer zentralen Gelenkstelle des okzidentalistischen Diskurses und seiner Fixierung auf das Kopftuch angekom-men: Die ›Frauenfrage‹ stellt für das Gleichheitspostulat des Okzidents eines seiner größten Legitimationsprobleme dar, werden doch Demokratie, Chancen-gleichheit und Gerechtigkeit als Hauptindiz für seine Überlegenheit angeführt. Über 200 Jahre nach der philosophischen Formulierung des Frauenemanzipa-tionspostulats im Aufklärungsdiskurs (Olympe de Gouges Erklärung der Rech-te der Frau und Bürgerin 1791, Mary Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Women 1792), über 160 Jahre nach Gründung der ersten Frauenrechtsgruppen (1848 Declaration of Sentiments in Seneca Falls, USA) und knapp 100 Jahre nach dem Erreichen des Wahlrechts (z.B. Finnland 1906, Italien 1945) verdienen okzi-dentale Frauen weniger, sind über geschlechtsspezifi sche Arbeitsteilung meist allein für die Reproduktionsarbeit zuständig, fungieren als hauptverantwort-liche Agentur von Kinderaufzucht und Altenpfl ege, werden dadurch von signi-fi kanter Berufstätigkeit abgehalten und haben zudem eine geringere Halbwert-zeit als Männer, da ihr Tauschwert durch die steigende Macht visueller Regime immer mehr an sexuelle Attraktivität und Jugend gebunden wird.

Nun kann man einwenden, dass dieses Legitimationsproblem als nicht sehr gravierend empfunden werden kann, da von Geschlechterrevolutionen – nimmt man die kurze Hochblüte des radikalen Feminismus der zweiten Welle in den

18 | Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin vom 21.06.2006: »The Na-ked Veil and the Retro-Modern Other«, zit. nach Braun/Mother 2007: 295.

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1970er Jahren aus – nichts zu sehen ist. Hier kommt eine Struktur ins Spiel, die ich ›okzidentalistische Dividende‹ nennen möchte. Wie in der Formulierung Robert Connells hegemoniale Männlichkeit (Connell 1990) für unterdrückte oder sozial marginalisierte Männer (z.B. Homosexuelle) eine ›patriarchale Di-vidende‹ abfällt, nämlich über ›ihre‹ Frauen Herrschaft ausüben zu können, auch wenn sie in der männlichen Hierarchie weit unten rangieren, so fällt für kulturell ›weiße‹ Frauen eine Überlegenheitsdividende gegenüber den neo-orientalisierten ›Anderen‹ ab.19 Die okzidentale Frau kann sich im Kontrast zur ›Orientalin‹ als frei – in der Liebeswahl – imaginieren, als sexuelles Wesen füh-len – es ist ihr erlaubt, ihre körperlichen Assets zu enthüllen. Letzterer reprä-sentiert damit eine Seite des Aufklärungsdiskurses, nämlich seine Forderung nach Transparenz und Sichtbarkeit.

Die ›Kopftuchfrau‹ als verkörpertes Emanzipationsdefi zit erinnert jedoch subkutan an die Unvollständigkeit der eigenen Emanzipation. Birgit Rommels-pacher argumentiert, dass je größer die Kluft zwischen Anspruch und Wirklich-keit sei, desto größer sei das Bedürfnis, über eine forcierte Emanzipationsrheto-rik die eigene Fortschrittlichkeit unter Beweis zu stellen (vgl. Rommelspacher 2002). Die Mehrheit der okzidentalen Frauen weiß, dass wirkliche Emanzipa-tion die Aufhebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung bedeuten würde, vollen Zugang zu jeglicher Berufstätigkeit (samt gut organisierter Kinderbetreuung) bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit und das Durchstoßen von karrierehem-menden Glasdecken. Das sind seit langer Zeit geforderte – aber nicht eingelöste – Projekte einer ausstehenden Geschlechterdemokratie.

Nun behauptet der Leitkultur-Diskurs, diese seien bereits verwirklicht, ver-steht aber unter weiblicher Freiheit in der Aufklärungstradition eher den Selbst-besitz, d.h. das Recht zu sprechen, die Vertragsfreiheit sowie Abtreibungs- und Scheidungsrecht. Da diese Punkte weitgehend abgehakt zu sein scheinen, wähnt sich die männliche Seite der Emanzipationsverhandlungen bereits im ›Recht‹. An-genehmerweise gefährden diese ›Rechte‹ nicht den habitualisierten männlichen Anspruch auf Versorgung und weibliche Surplusarbeit im Haushalt. Im Gegen-teil: Das demonstrative Sprechen über die Freiheit der westlichen Frau bringt das männliche Versorgungsprivileg, das z.B. arbeitslosen und verrenteten Ehemännern quasi naturwüchsig die Hausarbeit erspart, zum Verschwinden. Das erklärt auch jene retroaktive Progressivierung, die plötzlich kulturkonservative PolitikerInnen aus CDU und besonders CSU in Sachen Frauenbefreiung gepackt hat. Sie streifen damit den Sexismusvorwurf von ihren Schultern und verlagern ihn auf den ›orien-

19 | Zum ersten Mal wurde in deutschen Zusammenhängen dieses Überlegen-heitsmuster von Helma Lutz als ›Orientalismus‹ identifi ziert (1993). Diese Logik einer weiblichen Hegemonie-Dividende ist auch für andere Zusammenhänge viel-fach entfaltet worden. Siehe für die Frauen im Faschismus Christina Thürmer-Rohr (1988), für jene britischer Siedler-Kolonisatoren McClintock (1995), und für Frauen deutscher Kolonialisten Martha Mamozai (1982), Katherina Walgenbach (2005) und Anette Dietrich (2007).

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talischen Patriarchen‹, weshalb Margret Jäger bei diesem neo-orientalistischen Muster auch von einer ›Ethnisierung von Sexismus‹ spricht (vgl. Jäger 1996).

Aus dieser Gemengelage entsteht etwas, das ich den ›okzidentalistischen Geschlechterpakt‹ nennen möchte. In der Ablehnung und Stigmatisierung der unterdrückten ›Orientalin‹ wird plötzlich die Berechtigung und Notwendigkeit einer ›Emanzipation‹ anerkannt, die zuvor für die immer noch androzentrisch-patriarchale Grundstruktur auch okzidentaler Gesellschaften als unnötig und/oder überfl üssig angesehen wurde – als ›Gedöns‹, um das Diktum des früheren Bundeskanzlers Schröder zu benutzen. Bei diesem Prozess wird allerdings der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, ohne materielle Grundlage, allein auf-grund der männlichen ›Anerkennung‹ der Richtigkeit einer Emanzipation. Die okzidentale Frau wird damit sozusagen performativ als bereits emanzipiert in-szeniert. Die so privilegierte ›Emanzipationsdarstellerin‹20 verzichtet im Gegen-zug auf nervende Gerechtigkeits- und Gleichheitskämpfe.

Bislang war die Artikulation einer Rest-Unzufriedenheit den älter gewor-denen VertreterInnen des organisierten Feminismus der zweiten Welle und ihrer Organe – z.B. der Zeitschrift Emma – überlassen worden. Diese aber nahmen die Chance wahr, ihrer Emanzipationsrhetorik eine neue Wendung zu geben. Hiermit sind wir sozusagen zum ›Überbau‹ des okzidentalistischen Geschlechterpaktes (oder Kompromisses) vorgestoßen, nämlich dass der Main-streamfeminismus – etwa in der einfl ussreichen Prägung von Alice Schwarzer – eine MeinungsführerInnenrolle in der Kritik des ›orientalischen Patriarchats‹ übernommen hat (vgl. Marx 2006). Hier maskiert sich okzidentalistisches ›Ot-hering‹ als Solidarität mit den unterdrückten ›orientalischen‹ Schwestern. Dabei kommt es zu Bündnissen zwischen okzidentalen Emanzipationsdiskursen und staatlichen Migrationsregimen bis hin zu lautem Mitdenken, wie unliebsamen orientalischen Patriarchen das Aufenthaltsrecht entzogen werden könnte. Es ist also durchaus irreführend, mit gedämpfter Stimme den politischen ›Irrtum‹ feministischer Fraktionen zu beklagen, die im Eifer schwesterlicher Solidari-tät mit der unterdrückten ›Orientalin‹ ihre eigene Instrumentalisierung durch konservative Regierungen übersehen hätten. Im Gegenteil: Das nun vom domi-nanten Diskurs angefragte Spezialistinnentum zur weiblichen Unterdrückung gilt als Sieg, nun endlich einen zentralen ›Text‹ durchgebracht zu haben.

Beim okzidentalistischen Geschlechterpakt handelt es sich allerdings um eine ›asymmetrische Kompromissbildung‹ (vgl. Karakayalı 2008: 249). Denn die Nachtseite des oben beschriebenen Prozesses ist, dass der organisierte Fe-minismus durch die Kontrastierung zur ›orientalischen‹ Frau die Konfl iktfähig-keit gegenüber der ›eigenen‹ unvollendeten Emanzipation ›zu Hause‹ verliert, weil der kulturelle Hegemoniezugewinn sich nicht gegen einen Gerechtigkeits-zugewinn im okzidentalen Patriarchat rechnet. ›Feministischer Okzidentalis-mus‹ ist insofern ein guter Deal für heimische ›Patriarchen‹, denn er erledigt (und verschiebt) die häusliche Frauenfrage auf zaubergleiche Weise. Oder an-

20 | In Frauen sehen besser aus (2005) bezeichnen 2005 die Fernsehjournalistinnen Barbara Sichtermann und Andrea Kaiser diese Struktur als ›Emanzipationsfassade‹.

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ders ausgedrückt: Der okzidentalistische Geschlechterpakt ist ein Friedensver-trag zwischen den Protagonistinnen einer unvollendeten Revolution und dem okzidentalen Sex-Gender-System21 auf Kosten der Muslimin, die diesen Pakt als »Verdichtungs- oder Kollektivsymbol« (vgl. Schiff er 2005: 25; zitiert nach Braun/Mathes 2008: 365) zu verkörpern hat. Man könnte auch sagen, die ›Kopf-tuchfrau‹ ist ein apotropäisches (angstabwehrendes) Zeichen fühlbarer, aber nicht anerkannter, westlicher Emanzipationsdefi zite.

Die Neo-Muslima als Figuration der Kulturkritik

Nun geht ein solcher ›asymmetrischer Kompromiss‹ nicht reibungsfrei auf. Er produziert innere Widersprüche und eigensinnige Figurationen. So neidet der okzidentale Mann dem imaginierten ›orientalischen Patriarchen‹ sehr wohl Be-fehlsgewalt und Ordnung in der Mikrosphäre ›seiner‹ Familie. In Konfl iktfällen väterlicher Autorität agieren ›okzidentale‹ und ›orientalische‹ Sex-Gender-Syste-me durchaus unterschiedlich. Der ›orientalische Patriarch‹ argumentiert mit Eh-re und Tradition, wenn er gewaltsam die richtige Geschlechterordnung in ›seiner‹ Familie durchsetzen will. Dem Profi teur des okzidentalen Sex-Gender-Systems hingegen ist das ideologische Rüstzeug in diesen Angelegenheiten abhanden ge-kommen. Sein inneres Gefühl der ›Berechtigung‹ neigt eher zur direkten Aktion: Behält man einen aufmerksamen Blick auf das Kleingedruckte in der Kriminal-berichterstattung, so kann man fast täglich die Geschichte vom westlichen Ehe-mann/Freund und/oder Familienvater lesen, der, von Scheidung oder Verlassen-werden bedroht, ›seine‹ Frau und oft noch seine ganze Familie samt Kindern/Eltern/Schwiegereltern auslöscht.22 Für dieses statistisch häufi ge Tatmuster hat man im Gegensatz zum so genannten ›Ehrenmord‹ keinen Namen. Auch hier

21 | Gayle Rubin hat in ihrem für die Gender Studies grundlegenden Aufsatz »Frauentausch. Zur politischen Ökonomie von Geschlecht« (2006) darauf hinge-wiesen, dass der Begriff ›Patriarchat‹ eine ungenaue Bezeichnung für die Vielfalt der historisch bekannten Gesellschaftsformen ist, die sich über ausbeutende ge-schlechtsspezifi sche Arbeitsteilung organisieren. Sie schlägt deshalb vor, auf die Bezeichnung Sex-Gender-System auszuweichen (vgl. ebd.: 77f). Wenn im Text den-noch gelegentlich von ›Patriarchen‹ die Rede ist, möge man das eher in einem iro-nischen Modus lesen.

22 | Unter der Überschrift »Warum schweigen wir, wenn Väter morden« in der Berliner Morgenpost vom 22. März 2009 stellt die Glossistin Leinemann eine »Papa-Amok-Liste« für das Jahr 2009 zusammen und zählt zwölf ermordete Ehefrauen, Kinder und Familienangehörige von Amokvätern. Siehe: www.morgenpost.de/kolumne/leinemann/article1059465/Warum_schweigen_wir_wenn_Vaeter_mor-den.html, abgerufen am 18.04.2009. Im Gegensatz zur umfänglichen Wissen-sproduktion zu Ehrenmorden ließ sich nur eine einzige deutschsprachige Veröf-fentlichung zu dieser Tätergruppe fi nden, Amok. Wenn Väter durchdrehen von Elisa Gregor (2005) und ein 3Sat Kulturzeit-Beitrag unter dem durchaus bedenklichen

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haben wir es mit einer ›stillen Norm‹ zu tun, mit einem hegemonialen Muster, das sich nicht nennt. Würde man diese Verbrechensgruppe benennen, käme man nicht umhin, diese spezifi sche Gewalt als Selbstaffi rmation eines sich als ent-rechtet fühlenden ›okzidentalen Patriarchats‹ zu deuten (vgl. Gregor 2005).

Das eigentlich widersprüchliche Zeichen aber ist die Figuration der Kopf-tuch tragenden Frau selbst. Zum ersten quält in der okzidentalistischen Wahr-nehmung die Nicht-Entscheidbarkeit der Freiwilligkeit. Deshalb wird eine gene-relle Unfreiheit angenommen. Okzidentalistische Emanzipationsdiskurse ver-weigern allen in Deutschland lebenden Frauen, die Kopftuch und/oder Schleier tragen, den Besitz und die Ausübung von Handlungssouveränität (agency). Ge-gen die Verallgemeinerung dieser Sichtweise sprechen empirische Studien über in Deutschland lebende muslimische ReligionslehrerInnen (vgl. Jonker 2003), türkisch-sunnitische Frauen aus der zweiten MigrantInnengeneration (vgl. Klinkhammer 2000) und Kopftuch tragende Studentinnen (vgl. Karakaşoğlu 2003; Nökel 2002; Amir-Moazami 2005). Sie berichten einhellig von freiwilli-ger Bedeckung gut ausgebildeter junger Frauen als ›moderner‹ Verhandlungs-form im Dreieck zwischen Familie, Gastnation und Selbstaffi rmation. Sie spre-chen von dem Kopftuch als einem ›geschützten Selbstverwirklichungsmodell‹ oder behaupten, es handle sich bei freiwilligen Kopftuchträgerinnen um ein unorganisiertes »lower-class female emancipation movement« (Nökel 2005: 189). Absurde Züge nahm die Verleugnung einer möglichen Handlungsfreiheit Kopftuch tragender Frauen im Fall von Fereshta Ludin an. Obwohl sich kaum ein souveränerer Akt der Selbstbehauptung denken lässt als über fünf Jahre ein Anliegen durch mehrere gerichtliche Instanzen zu verfolgen, befand die dama-lige Baden-Württembergische Kultusministerin Annette Schavan, ihr Wunsch, als Lehrerin das Kopftuch zu tragen, sei nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Symbol, es sei »ein Zeichen für die Unterdrückung der Frauen und für den islamischen Fundamentalismus«.23

Mit der muslimischen Frau, die darauf besteht, das Kopftuch freiwillig zu tragen, betritt eine neue Figuration die Bühne, mit der niemand gerechnet hat, nämlich die der Neo-Muslima als Agentur der Kulturkritik. Sigrid Nökel fasst als Ergebnis ihrer qualitativen Erforschung von Neo-Muslimas in Deutschland zusammen:

»[Neue Islamische Weiblichkeit] richtet sich sowohl gegen den Entwurf der traditionel-len Weiblichkeit, die die erste Immigrantengeneration repräsentiert, als auch gegen die Defi nition einer als höher und besser defi nierten modernen deutschen Weiblichkeit, mit der ›die Deutschen‹ aus der Perspektive der jungen Frauen Universalismus ver-binden und Gleichheit versprechen, aber Unterwerfung und Verleugnung der eigenen Authentizität verlangen, ohne dieses Versprechen einzuhalten.« (Nökel 1999: 189)

Titel »Tödliche Liebe«. Siehe www.3sat.de/3sat.php?www.3sat.de/kulturzeit/the-men/80051/index.html, abgerufen am 18.04.2009.

23 | Süddeutsche Zeitung vom 01.04.2004, www.sueddeutsche.de/politik/103/400885/text/, abgerufen am 06.04.2009.

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Solch beunruhigende Erkenntnisse sind nicht nur akademischen Zirkeln vor-behalten. In der erfolgreichen post-identitären Fernsehserie Türkisch für An-fänger über eine deutsch-türkische Patchworkfamilie wird die Figur der frei-willig Kopftuch tragenden Neo-Muslima Yağmur zur Instanz, westliche antiau-toritäre Erziehung als Vernachlässigung zu entlarven, elterliche Regellosigkeit als Versündigung am kindlichen Charakter zu bezeichnen und die antiautori-täre Off enheit für frühe Exzesse (ungebundene Sexualität und Drogen) als ak-tive Gefährdung von geistiger und physischer Gesundheit des Nachwuchses zu enttarnen. Yağmur erklärt ihrer ›biodeutschen‹ Neuschwester, dass ihre Mutter sie kaum lieben könne, wenn sie sie durch antiautoritäre Erziehung so vielen Gefährdungen aussetze. Nach einem gründlich misslungenen Disko-Exzess verlangt diese dann von ihrer Mutter ›Regeln‹ als Liebesbeweis.

Mit ihrer Bedeckung stellt die Neo-Muslima – wie oben bereits angespro-chen – eine verkörperte Kritik der mit dem ›visual turn‹ in Medien und Internet zunehmenden Sexualisierung und Verobjektivierung von Frauenkörpern dar. Über diesen Umweg kann sie geradezu als souveräne Besitzerin ihrer selbst (und ihres bewahrten Körpers) gesehen werden. So fragen sich Charles Hirsch-kind und Saba Mamood: »Can our bras, ties, pants, miniskirts, underwear and bathing suits all be so easily arrayed on one side or another of the divide between freedom and captivity?« (Hirschkind/Mahmood 2002: 353). Nivedita Menon kri-tisiert ironisch, vom okzidentalistischen Feminismus in eine Wahl zwischen Schönheitssalon und Burka gezwungen zu werden. Verschleierte Erfahrung kommentiert sie folgendermaßen: »I used to go to the beauty parlor regularly […] but now I don’t have to bother about my face. […] It can be libratory […], you can go where ever you want to go« (Menon 2005: 209).

Drei Modi männlicher Herrschaft

Die Weigerung, sich ansehen zu lassen, provoziert nicht nur okzidentale Weib-lichkeit, die sich zunehmend über eine prekär kurzlebige »Attraktivitätsmacht« (Mühlen-Achs 1998: 272) defi niert. Die Unberührbarkeit der sich religiös zu erkennen gebenden Muslima verhindert auch die kulturelle Logik der sexuellen Aneignung, die Männer ›überlegener‹ Bevölkerungen für ein angestammtes Privileg gegenüber den Frauen ›unterlegener‹ Bevölkerungen halten. Das kann sich auf unterschiedlichen Diff erenzachsen abspielen. In unseren Breiten war das lange ein Kasten- und Klassenprivileg, das über das ›ius primae noctis‹ des Feudalherrn bis zur bürgerlichen Gesellschaft reicht, wo die sexuelle Nötigung von Dienstmädchen als nicht verfolgtes Kavaliersdelikt galt.

Sexuelle Aneignung ist auch ein entscheidendes Relais, an dem die Unter-ordnung von Ethnien verhandelt wird. Sie ist eine Sprache, um die Männer der unterworfenen Ethnien zu demütigen. Man erinnere sich an das nicht ausrottba-re Verbrechen der Kriegsvergewaltigungen oder an den Enthusiasmus, mit dem westliche Medien das erste Auftauchen von Pornografi e und Schönheitssalons in Afghanistan begrüßten, nachdem die Taliban besiegt waren. Durch religiöse

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Bedeckung und damit Tabuisierung wird der Diskurs ethnische männliche Herr-schaft, der über Aneignung der Frauen anderer Ethnien bewerkstelligt wird, ge-stört.24 Er kann nicht direkt exekutiert werden. Er verlagert sich auf inländische Prostitution mit ›Anderen‹, Bestellung von ›Katalogbräuten‹ aus Ländern mit eindeutigeren Geschlechterhierarchien und vor allem auf Sextourismus. Inso-fern ist der doppelte Standard in der Verurteilung ›typischer‹ sexualpolitischer Verfehlungen ›des islamischen Komplexes‹ (Zwangsheirat und Ehrenmord) und die Nicht-Wahrnehmung ›typischer‹ sexualpolitischer Verfehlungen des Westens (Amok-Väter, Katalogbräute, Zwangsprostitution und Sextourismus) eine der wichtigsten Währungen des Okzidentalismus.

Einen zweiten Herrschaftsmodus möchte ich panoptische männliche Herr-schaft nennen. Diese übt ein visuelles Regime oder Sichtbarkeitsgebot gegenüber allen Frauen aus, wie die ›male gaze‹ Theorien psychoanalytischer Filmtheorie zeigen.25 Im radikalen Feminismus der 1970er Jahre wurde viel gegen den ver-objektivierenden männlichen Blick polemisiert und dieser auch mit einer entse-xualisierenden Kleiderordnung, wie z.B. dem Latzhosenhabitus, abgewehrt. Die bedeckte orientalische Frau stellt in dieser Beziehung nicht nur ein Blickabwehr-programm dar, sondern sie wirft auch den männlichen Blick zurück und macht dem Sender die Zumutung seines Aneignungsversuches klar. Das gilt auch für männliche Migranten, die, wie oben entwickelt, die ›patriarchale Dividende‹ mitnehmen. Gritt Klinkhammer zitiert in ihren Interviews die Studentin Hati-ce, wie sie ihre Bedeckung in eines westlichen Universitätsbibliothek erlebt:

»Für mich ist das eine Form der Befreiung. Ich kann mich besser entfalten und werde auch ganz anders behandelt. Hm, das ist ziemlich interessant, wenn du bloß in die Unibibliothek gehst, wie sich da die Araber, Palästinenser, die Türken gegen-

24 | Die hier vorgenommenen Modellierungen unterschiedlicher ›männlicher Herrschaft‹ gehen auf das Grundmodell zurück, das Pierre Bourdieu in »Die männ-liche Herrschaft« (1997) entwickelt hat. Für ihn sind sowohl männliche wie weibliche Geschlechterpositionen überaus stabile, habitualisierte und in den sozialen Körper eingeschriebene Verhaltensformen und Grundüberzeugungen über die Verfasstheit der Welt (Doxa), die nur über eine vollständige Revolution der Symbolsysteme angreif-bar wäre. Für einen Versuch, den Modus ›ethnische männliche Herrschaft‹ am Bei-spiel des US-amerikanischen Race-Regimes zu entwickeln, (siehe Dietze 2009b).

25 | Foucaults Gedanke vom ›Panoptismus‹ als einer Herrschaftstechnik des Se-hens ohne gesehen zu werden, die zu einer Selbst-Beherrschung (Subjektivierung) der Überwachten führt (vgl. Foucault 1977: 251ff .) ist vielfach von der feministischen Theorie aufgenommen und als zentrales Moment weiblichen Schönheitshandelns – als vom panoptischen männlichen Blick dominiert – interpretiert worden (vgl. Bartky 1991; Degele 2004). Bartky spricht von einem »panoptical male connaisseur« (ebd.: 51). Zum ›male gaze‹ im Film siehe die Aufsätze von Laura Mulvey »Visual Pleasure and Narrative Cinema«, Mary Ann Doane »Women’s Stake: Filming the Female Body« und von E. Ann Kaplan »Is the Gaze male?« in der Anthologie Feminism and Film von E. Ann Kaplan (2000).

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über einer verschleierten Frau benehmen. […] Die gläubigen Männer verhalten sich natürlich gegenüber allen Frauen gleich. Es ist aber sehr interessant zu sehen, wie die, ja, halbgläubigen (lacht) sich verhalten. Manche fressen andere Frauen mit den Blicken auf, und wenn ich da langkomme, trauen sie sich nicht hochzugucken.« (Zitiert nach Klinkhammer 2003: 263)

Während die beiden Diskurse der ethnischen männlichen Herrschaft sexueller Unterwerfung und der panoptischen männlichen Herrschaft der visuellen An-eignung und Objektivierung gestört werden, entschädigt ein dritter durchkreu-zender Diskurs – nämlich der der okzidentalen männlichen Herrschaft.26 Interes-santerweise konstruiert sich diese männliche Herrschaft nicht über Aneignung (ethnische Herrschaft) oder Kontrolle/Voyeurismus (panoptische Herrschaft), sondern in der Behauptung, kulturelle Überlegenheit bestünde in der ›Gewäh-rung‹ von Freiheit. Ein solcher Diskurs braucht den ›orientalischen Patriarchen‹ und die ›Kopftuchfrau‹, um sich als aufgeklärt inszenieren zu können.

Für letztere Herrschaftsfi gur ist die Präsenz des Mainstreamfeminismus Schwarzerscher Prägung im Kulturkampf gegen das Kopftuch hilfreich, denn diese verbürgt als zertifi zierte Gegnerin der männlichen Herrschaft die Läute-rung des Profi teurs des okzidentalen Sex-Gender-Systems. Die Einbindung von Emanzipationsbewegungen in das okzidentalistische Projekt entschärft zudem deren Totalopposition gegen die männliche Herrschaft und organisiert Kompli-zInnenschaft über die bereits erwähnte Ethnisierung von Sexismus. Christine Delphy schreibt angesichts ähnlicher französischer Verhältnisse: »Beweist unsere Gesellschaft damit nicht, dass sie keinen Sexismus duldet? – Wenn Sexismus den Unterschied des ›anderen‹ ausmacht, ist doch gleichzeitig die Abwesenheit von Sexismus in ›unserer‹ Gesellschaft der Beweis für die Fremdheit des Sexisten« (Delphy, zitiert nach Scott 2007: 173; Übers. G.D. nach Scotts englischer Version).

Oben beschriebene drei Modi männlicher Herrschaft lassen sich gut am Beispiel Afghanistans demonstrieren: Wie bereits oben angesprochen, sind af-ghanische Geschlechterverhältnisse eine besonders überdeterminierte Figura-tion okzidentalistischer Selbstvergewisserung. Das nimmt nicht Wunder, da sie in der Rechtfertigung des Krieges eine besondere Rolle spielten, zumal sie eine signifi kante menschenrechtliche Dimension in einem Angriff skrieg bereitstell-ten. Zu Beginn schien die Entschleierung der afghanischen Frau wichtiger als die Aushebung terroristischer Basislager. Bilder von lachenden Frauen mit über dem Kopf zurückgeschlagener Burka emblematisierten diesen ›Erfolg‹. Da die-

26 | Diese unterschiedlichen Modi von Überlegenheitserzeugung zerreißen die medialen Bilder. An anderer Stelle habe ich anlässlich einer Untersuchung von deutschen Zeitschriften und Magazincovers der letzten fünf Jahre ausgeführt, dass verstärkt visuelle Strategien zu beobachten sind, entweder den Schleier zu sexuali-sieren (z.B. Schadors im Gegenlicht, die den ›nackten‹ Körperumriss zeigen) oder in Portraits verschleierter Frauen pornografi sche Phantasien hineinzuapplizieren (vgl. Dietze 2009a). Diese modernen Darstellungen sind interpiktoral mit der langen Tradition der Pornografi sierung des Orients verbunden (vgl. Fröschler 2005).

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ses ›Willkommen‹ in unmittelbarer Nachbarschaft zu den siegreichen Soldaten inszeniert war, ist hier die männliche ethnische Herrschaft angesprochen. Dem ›Taliban‹ wurde mit der Entschleierung die Privatisierung ›seiner‹ Frauen un-möglich gemacht. Nur wenig später erschienen Bilder vom Markt in Kabul, wo in der internationalen Pressefotografi e das Auftauchen von erotischen indischen Schauspielerinnen-Postkarten und Kosmetikprodukten festgehalten wurde, samt begeisterten KundInnen. Hiermit wäre die Dimension der panoptischen männlichen Herrschaft angesprochen.

Entschleierung und Sexualisierung erwiesen sich als äußerst kurzlebig, und die Burka wurde wieder zum vorherrschenden Kleidungsstück. Doch statt von der Seite der ›Befreier‹ das Versagen der internationalen Politik, die Komplexität innenpolitischer afghanischer Konstellationen oder auch die mög-licherweise mangelnde Attraktivität okzidentaler Wertvorstellungen (und deren durchaus umstrittener Implementierungen in der afghanischen Gesellschaft) dafür verantwortlich zu machen und umso nachdrücklicher auf der Befreiung der afghanischen Frau zu insistieren, stellte sich ein dröhnendes Schweigen zur kontinuierlichen Verschlechterung der Lage von Frauen in Afghanistan – z.B. durch die Wiedereinführung der Scharia – ein.

Im April 2009 schließlich entdeckte Bundeskanzlerin Merkel, dass nach einer langen Abfolge frauenfeindlicher Gesetze in Afghanistan die beiden aktuellsten (Einschränkung der Freizügigkeit von Ehefrauen und die Verpfl ichtung zum ehe-lichen Beischlaf an jedem vierten Tag) endgültig den Rahmen unseres okzidenta-len Wertekanons sprengen würden. Merkel übte – auch unter Berufung auf ihr Geschlecht – politischen Druck aus, diese Gesetze zu überdenken. Natürlich wäre es erfreulich, wenn die Intervention die infamen Gesetze zu Fall brächte. Aber man sollte sich nicht darüber täuschen, von welchem Motiv der humanitäre Ein-satz geleitet war. Deutschland stritt nämlich zeitgleich mit dem amerikanischen Präsidenten Obama auf der NATO-Jubiläumskonferenz um eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents in Afghanistan. Die über die Gesetzeskritik ver-mittelte Botschaft war, dass es Deutschland nicht zuzumuten sei, mehr Soldaten für ein verbrecherisches ›orientalisches Patriarchat‹ in den Tod zu schicken.

Am letzten Punkt ist die okzidentalistische männliche Herrschaft – hier in weiblicher Vertretung durch die Bundeskanzlerin – zum Zuge gekommen, näm-lich ein ›orientalisches Patriarchat‹ kritisch herauszustellen, unter der Vorgabe, selbst eine Freiheiten ›gewährende‹ Kultur zu sein. Okzidentalismus ist hier zu studieren als ein ›beweglicher Signifi kant‹ (sliding signifi er) – man könnte auch sagen, als ein opportunistisches Zeichensystem, das mit gleichem semantischen Gepäck temporal wie lokal sehr unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen kann.

Okzidentalismus und ›Homonationalismus‹

Okzidentalismus erzeugt nicht nur Fiktionen von westlichen ›emanzipierten Frauen‹ und Rechte gewährenden liberalen Männern, sondern setzt sich auch in ein spezifi sches ›aufgeklärtes‹ Benehmen zu Homosexualität. Neben der Frau-

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enbefreiung wird die Tolerierung von Homosexualität als ultimativer Beweis westlicher Überlegenheit gewertet. Dem entsprechenden Diskurs ist die Mühe dieser Behauptung noch nachzuempfi nden, denn die Entkriminalisierung von Homosexualität ist erst 1994 mit der Aufhebung des Paragraphen 175 vollständig vollzogen worden, und das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft – auch ›Homo-Ehe‹ genannt – konnte erst 2001 nach vielen Widerständen und Verfassungsklagen auf den Weg gebracht werden. Die Neuheit der Beseitigung rechtlicher Diskriminierung verhindert nicht, ›Toleranz‹ gegenüber Homose-xuellen zu einem Kriterium für (kulturelle) Staatsbürgerschaft zu machen. Zur Einbürgerung in Baden-Württemberg vorgelegte Fragebögen, auch polemisch Muslimfragebögen genannt, prüfen eventuell vorhandene Homophobien ab, um sie gegebenenfalls für die Verweigerung der Einbürgerung geltend machen zu können.27 Queer Theoretikerin Jasbir Puar nennt diese weltweit zu beobach-tende Entwicklung der Kooptation von Homosexualität ›homonationalism‹ und beschreibt diese für die USA als »dual movement in which certain homosexual U.S. constituencies have embraced U.S. national agendas and have also been embraced by national agendas« (2007: xxiv, meine Hervorhebung).

Homonationalismus entfaltet sich auf dem Hintergrund von Neo-Orientalis-mus (im alten Orientalismus wurde noch die fehlende Trennschärfe zwischen weiblichen und männlichen Liebesobjekten bemängelt). Wie Puar an ihrer Be-obachtung von der ›doppelten Bewegung‹ in den USA deutlich gemacht hat, sind auch Teile der deutschen schwulen und lesbischen Gemeinschaft davon affi ziert. Am klarsten ist das an der Figuration des ›homophoben Migranten‹ und seiner Bedeutungsvielfalt ablesbar. Während der Einbürgerungsdiskurs mittels ›Mus-limfragebogen‹ vorgibt, ein Klima okzidentaler Toleranz unter sich auf diesen ›Zivilisationskonsens‹ verständigenden StaatbürgerInnen bewahren zu wollen, ist die Problemlage von Teilen der homosexuellen Gemeinschaft eine andere. Aus dieser Perspektive wird der angeblich strukturell ›homophobe (muslimische) Migrant‹ zu einer gewaltbereiten Figur, die ideologisch fanatisiert potentiell auf ›Schwulenhatz‹ geht.

Jin Haritaworn (2009) hat die Wirkmächtigkeit einer solchen Diskursfi gur an schwul/lesbischen Reaktionen auf einen gewaltsamen Übergriff von ›Tür-ken‹ auf Drag-Kings bei einem Berliner Festival nachvollzogen. Haritaworn stellt fest, dass sich die dort entstandene ›moralische Panik‹ – sie gipfelte in einer von Tausenden mehrheitlich Weißen besuchten ›Smash Homphobia‹ Demonstration durch Kreuzberg – auf einem bereits vorhandenen Wissen ent-faltet, nämlich der breit publizierten Simon-Studie (2008), die angeblich belegt, dass Migranten homophober sind als der abstammungsdeutsche Teil der Ge-sellschaft (2009: 42f). Am Beispiel besonders linker Öff entlichkeit zur Figura-tion ›homophobe Migrant‹ entwickelt Haritaworn:

27 | Eine Frage lautet dort z.B. »Stellen Sie sich vor, Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte gerne mit einem anderen Mann zusammen leben. Wie reagieren Sie?«

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»Die untersuchten Repräsentationen sind voller Ambivalenz, nicht nur gegenüber Mi-griertheit, sondern auch oder gerade gegenüber sexueller und geschlechtlicher Un-konformität. Die Anwesenheit ›homophober Migranten‹ macht es möglich, die Aus-nahmeideologie des befreiten Westens dennoch aufrechtzuerhalten. ›Ihr‹ Hass rela-tiviert ›unsere‹ Ambivalenz gegenüber anderen Intimitäten, deren Verwundbarkeit uns zum Handeln zwingt. Die Hyper-Gewaltsamkeit von ›Migranten‹ ermöglicht die Imaginierung einer neuen Öff entlichkeit, welche ihre Abneigung längst überwun-den hat, queeren Körpern und Intimitäten schützend gegenübertritt.« (Ebd.: 60)

So wie man eine Okzidentalisierung großer Teile des Mainstreamfeminismus beobachten konnte, ist auch an diesem Beispiel abzulesen, dass mit einer Neu-Valuierung von (homosexueller) Diff erenz28 auch Teile der homosexuellen Ge-meinschaft einem ›Queer-Imperialismus‹ (Haritaworn 2007) oder Homonatio-nalismus anheimfallen, der die ehedem marginalisierte Position ›queer‹ auf den Achsen Weißsein und Okzidentlität in Richtung Dominanzkultur verschiebt. So wie von einer Ethnisierung/Orientalisierung von Sexismus gesprochen werden kann, kommt es in bestimmten Konfl iktfeldern ebenfalls zu einer Ethnisierung/Orientalisierung von Homophobie. Auch hier ist die Paradoxie zu verwalten, dass ehemals Marginalisierte wie weiße Frauen mit Bezugnahme auf die Unter-drückung der muslimischen Schwester durch das ›orientalische Patriarchat‹ oder Teile der homosexuellen Gemeinschaft mit einer Rhetorik der Gefährdung queerer Körper durch (orientalische) schwulenfeindliche Gewalt zu Avantgarden im Kulturkampf werden können. Der Preis der Inklusion ist eine »doppelte Ad-ressierung« (Engel 2009: 108). Einerseits kommt es den nun Privilegierten zu, den Toleranzgewinn der Gesellschaft zu verkörpern, was unter anderem bedeu-tet, Einklagung von Gerechtigkeitsdefi ziten einzustellen, andererseits wird von ihnen erwartet – oder vorauseilend geliefert –, Funktionen einer ›Grenzpolizei‹ zu übernehmen, d.h. sexistische und homophobe Äußerungen nicht-okzidenta-ler AkteurInnen zu melden, zu kritisieren und von der ›Betroff enenseite‹ her zu emotionalisieren und zu moralisieren. Lisa Duggan spricht konsequenterweise von dieser Entwicklung als »homonormativity« (Duggan 2002).

Die letzten vier Unterkapitel zum Geschlechterpakt, der Figur der Neo-Musli-ma, den Modi männlicher Herrschaft und zu Homonationalismus haben ge-zeigt, dass Okzidentalismuskritik nicht nur eine zusätzliche ›Achse der Diff e-renz‹ in eine Untersuchung von Geschlechterverhältnissen einzieht, sondern genuiner Bestandteil einer hegemonie(selbst)kritischen Sicht auf »Geschlecht als interdependente Kategorie« (Walgenbach 2007) ist. Okzidentalismuskritik ermöglicht, die jeweiligen Figurationen ›fortschrittlicher‹ abendländischer Fe-minität, Maskulinität und sexueller Diff erenz auf der Folie ihrer orientalisierten

28 | Antke Engel interpretiert die Integration (und Okzidentalisierung) von Ho-mosexualität innerhalb einer positiven »Neubewertung von Diff erenz« als kultu-relles Kapital, das einer neoliberalen gesellschaftlichen Transformation eine breite Zustimmung sichert (Engel 2009: 102).

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›Anderen‹ zu lesen. Solche Lektüren bieten zwar keine vollständigen Genealo-gien für gegenwärtige Geschlechterbilder, aber sie präparieren einen wichtigen Drehpunkt der Funktionalisierung von Geschlechterverhältnissen für Hegemo-nieproduktion heraus.

Okzidentalismuskritik als ›korrektive Methodologie‹

Im Laufe der obigen Überlegungen wurde auf unterschiedlichste kritische Theorien zurückgegriff en: auf kritische Migrationsstudien, postkoloniale Theo-rie, kritische Weißseinsforschung, Critical Race Theory, politische Philosophie aus dem diskursanalytischen und/oder neomarxistischen Spektrum und vor allem auf Gender Studies und Queer Theory. Im Angesicht des dort mobilisier-ten analytischen Potenzials ist es geboten, am Ende noch einmal nachzufragen, ob und inwiefern Okzidentalismuskritik eine zusätzliche Erkenntnisdimension erschließt, die in anderen kritischen Zugängen so nicht repräsentiert ist. Hier möchte ich auf den mit Elahe Haschemi Yekani und Beatrice Michaelis gemein-sam entwickelten Begriff der »korrektiven Methodologie« zu sprechen kommen (vgl. Dietze/Haschemi/Michaelis 2007: 136ff .). Der Begriff entstand beim Be-mühen, Theorien der Intersektionalität (die meist Sexualitäten und Normativi-täten nicht refl ektieren) und Queer Theorie (die erst in jüngster Zeit mit Queer of Color-, Queer of Diaspora- und Queer of Class-Ansätzen Intersektionalitäten Rechnung getragen hat) füreinander produktiv zu machen. Dabei zeigte sich, dass die Felder, in denen gültige Aussagen gemacht werden konnten, weit aus-einander lagen. Versuche der Synthetisierung ergaben eher schwache Aussagen mit vergleichsweise geringem Erklärungswert. Allerdings verhalf die Kritik aus der jeweilig anderen Perspektive, die an den Mängeln der jeweiligen Ansätze formuliert wurde, nicht nur zur Präzision und zu neuen Antworten, sondern auch dazu, zu neuen Fragen zu kommen.29

Eine kritische Theorie als ›korrektive Methodologie‹ einzusetzen, bedeutet demnach, den ›Streit der Fakultäten‹ nicht als abgrenzende, sondern als berei-chernde Diff erenzierung zu begreifen.30 Okzidentalismuskritik versteht sich in diesem Sinne zwar nicht als korrektive Methode im engeren Sinne, denn sie ist eine Variante generell dekonstruktiver Verfahren, die etwa Phallogozentrismus

29 | Siehe dazu auch Jasbir K. Puars produktive Kritik an Intersektionalitätsan-sätzen und die daraufhin neu von queerer Seite in Anspruch genommene Kategorie der Assemblage in diesem Band.

30 | Siehe ein eigener Versuch, Critical Whiteness Theory und Okzidentalis-muskritik füreinander produktiv zu machen (Dietze 2006). Bei der Recherche für diesen Beitrag fand ich es bedauerlich, festzustellen, wie disziplinär auch explizit kritische Theorien ihr Referenzsystem ordnen. So nimmt die politologische For-schung wenig Kenntnis von der soziologischen oder der pädagogischen, und die psychologische wenig von den Kulturwissenschaften und diese wiederum sehr we-nig von den empirischen Forschungen anderer Provenienz.

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oder Ethnozentrismus dezentrieren. Aber sie ist eine korrektive Perspektive, die nicht nur Antworten anderer Sichtweisen präzisiert, sondern auch neue Fragen aufwirft, wenn sie auf unterschiedliche Produktionsweisen okzidentaler Hege-monie aufmerksam macht. Oder anders ausgedrückt: Okzidentalismuskritik ist in Anlehnung an Gayatri C. Spivaks ›strategischen Essentialismus‹ auch ein »strategischer Kategorialismus« (Dietze/Haschemi/Michaelis 2007: 138), der die Vokabel ›Okzident‹ ins Zentrum stellt, um Diskriminierungsmuster einer neuen orientalisierten Leitdiff erenz erkennbar zu machen.

Was aber kann eine Forschungsperspektive Okzidentalismuskritik und was kann sie nicht? Zum Ersten kann als Gewinn verzeichnet werden, dass sie eine synthetisierende Perspektive ist. So fügt sie unterschiedliche historische Beson-derheiten in Westeuropa zusammen: den Fall der Mauer einerseits und einen sich daraus ergebenden neuen europäischen Identitätsfi ndungsprozess nach der Ost/West-Binarität. Aus mindestens zwei Gründen wurde ein imaginierter ›Orient‹ zum ›konstitutiven Außen‹ (vgl. Brown 2006: 151): erstens der Anwesen-heit bedeutender muslimischer Immigrationsbevölkerungen und einem welt-politisches Re-Arrangement nach ›9/11‹, das als ›islamischer Komplex‹ gesehen wird.31 Zum Zweiten ist Okzidentalismuskritik untrennbar mit der Analyse von Sexualpolitik verbunden. Da die »okzidentalistische Selbstvergewisserung« (vgl. Brunner 2008) fast immer den Weg über angeblich inakzeptable Geschlechter-verhältnisse nimmt, sind es diese selbst, über die gesprochen wird, wenn die Rhetorik dieses vorgeblichen Kulturkonfl ikts dekonstruiert werden soll. Damit wird auf Legitimationsprobleme und Gerechtigkeitsdefi zite in der okzidentalen Geschlechterfrage aufmerksam gemacht. Okzidentalismuskritik kann außer-

31 | Das hat in den westeuropäischen Ländern durchaus unterschiedliche ›Okzi-dentalismen‹ zur Folge. In Frankreich, Italien und den Niederlanden sind große Teile der Migrationsbevölkerungen ehemals kolonisierte Subjekte (Maghreb, Pakistan, In-donesien). Ihnen wird in unterschiedlichen Migrationsregimen begegnet: mit einem bekanntermaßen laizistischen Universalismus in Frankreich, einem separatistischen Multikulturalismus in Holland und einer Diversity-Politik in Großbritannien. Aus die-sen jeweiligen Besonderheiten entstanden auch unterschiedliche Theoretisierungen dieser auf diese Migrationsregime reagierenden spätmodernen Rassismen, wie man an Étienne Balibar (1991) für Frankreich, Philomena Essed (1991) für die Niederlan-de und Robert Miles (1991) oder Stuart Hall (2000) für Großbritannien sehen kann. Während die ehemaligen Kolonialstaaten sich in einem paternalistischen Verantwor-tungsverhältnis gegenüber ihren früheren Subjekten defi nieren, pfl egt z.B. Öster-reich – weitgehend ›in denial‹ gegenüber seiner eigenen Habsburger Postkolonialität – im Binnenverhältnis ein striktes Fremdenregime und im Außenverhältnis nicht zu-letzt durch ökonomische Interessen in diesem Raum eine benevolente Öff nung nach Osteuropa. Die westdeutsche Migrationsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg hat dagegen praktisch keine Anknüpfung an die eigene Kolonialgeschichte, auch weil die-se schon 1918 beendet wurde, und sie entstand hauptsächlich durch Anwerbung von Arbeitskräften. Wegen restriktiver Einbürgerungspolitik teilt sie mit Österreich die Eigenart, Migration als eine Frage ethnisierter Staatsbürgerschaft zu behandeln.

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dem die Produktion »hegemonialer Weiblichkeit« (Rommelspacher 2007: 260) und ›Homonationalismus‹ am konstitutiven Außen angeblich ›orientalischer Geschlechterverhältnisse‹ nachvollziehen. Die hier angebotene Lesart von Ok-zidentalismus als Meta-Rassismus von Eliten beinhaltet des Weiteren, dass die Aufmerksamkeit auf Mediendiskurse, Theorieproduktion, Gesetzesvorhaben, Parteiprogramme und so genanntes ExpertInnenwissen gerichtet ist. Die Proble-matisierung von Rassismus kann nicht auf Ressentiments unterer ›bildungsfer-ner Schichten‹ oder so genannter ›ModernisierungsverliererInnen‹ verschoben werden. Insofern bedeutet eine okzidentalismuskritische Perspektive auch eine permanente Selbstrefl exion akademischer Tätigkeit und Wissensproduktion.

Womit zum letzten Punkt zu kommen ist, nämlich der Einbindung von Okzidentalismuskritik in eine postkoloniale Tradition. Das zwingt zur Refl e-xion der fortdauernden Auswirkungen der kulturellen – aber vor allem öko-nomischen – Spätfolgen des Kolonialismus, der damit nicht als eine beendete, sondern als eine ›weltsystemisch‹ gegenwärtig hoch wirksame gesehen wird.32 Okzidentalistischer Meta-Rassismus wird somit nicht nur als soziokulturelles Phänomen begriff en, sondern vor allem als ökonomisches. Das beginnt auf dem nationalen Level über Ressourcenverteilung – in Deutschland z.B. mit der Bil-dungsapartheid des dreistufi gen Schulsystems, das MigrantInnenkinder in der unterfi nanzierten Hauptschule ›entsorgt‹ – und auf dem internationalen Level mit fi nanziellem Abstrafen unliebsamer ›Regime‹, die nicht auf den okzidenta-listischen Fortschrittsweg abonniert sind.

Es sind auch Gegenargumente zu verzeichnen: Okzidentalismuskritik kann eine ausdiff erenzierte Rassismuskritik nicht ersetzen. Sie stellt zwar Werkzeuge zur Analyse von gegenwärtigen antimuslimischen Rassismen und eine speziel-le Aufmerksamkeit für die Interdependenzen und historischen Berührungen zwischen Antimuslimismus und Antisemitismus bereit, aber es entgehen ihr wichtige Dimensionen eines auf schwarze Hautfarbe fi xierten oder auf Roma konzentrierten Rassismus.

Sexismuskritik ist zwar eine entscheidende Gelenkstelle von Okzidentalis-muskritik, die Analyse konzentriert sich aber vorwiegend auf ›hegemoniale Weiblichkeit‹ und behandelt damit nur ein Segment. Gleichwohl organisiert die Aufmerksamkeit für Sexualpolitik korrektiv methodologische Allianzbeziehun-gen z.B. zu Queer Theorie über die Seltsamkeit, dass das strukturell hetero-normative33 abendländische Sexualitätsverständnis dem ›islamischen Komplex‹ den Beweis der Toleranz gegenüber Homosexualität abverlangt.

Okzidentalismuskritik hat, wie alle Zentrismuskritiken (Kritik am Andro-zentrismus, Euro- oder Ethnozentrismus), mit der Binaritätsfalle zu tun, näm-lich bei der Kritik an der Konstruktion eines ›konstitutiven Außen‹ dieses un-

32 | Siehe dazu Fernando Coronils Ansatz zum Globalzentrismus und Manuela Boatcăs Überlegungen zur Weltsystemtheorie in diesem Band.

33 | Siehe die Arbeiten von Antke Engel, die der Spannung von Struktur-He-teronormativität und dem Versuch der Homo-Normalisierung in Deutschland am Beispiel der schwulen Ehe nachgeht (vgl. Engel 2008).

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willentlich selbst zu homogenisieren und in ›Identitäten‹ zu verwandeln. Dem wirken TheoretikerInnen und AkteurInnen entgegen, die aus der ›multitude‹ heraus argumentieren. Manuela Bojadžijev fordert in Die windige Internationale eine »relationale Theorie des Rassismus, in der die Konjunkturen des Rassis-mus im Verhältnis zu sozialen Kämpfen bestimmt werden« (ebd. 2007: 14). In-derpal Grewal und Karen Caplan schlagen vor, den Hegemoniebegriff personell und temporal aufzusplittern und von »Scattered Hegemonies« zu sprechen (vgl. Grewal/Caplan 1997), und Nivedita Menon weist die westliche feministische Kri-tik darauf hin, dass für Schleier tragende Frauen weder die Stigmatisierung von Minderheitenbräuchen noch die multikulturelle ›Toleranz‹ gegenüber einem als unveränderbar begriff enen ›Anderen‹ hilfreich ist, sondern stattdessen ein »greater fracturing of Universalism« nötig wäre (Menon 2005: 255).

Die Frage der ›korrektiven‹ Perspektivierung oder Methodologie im Sinne einer Refl exion über die Herstellung von Methoden muss daher als ›two-way-street‹ gefasst werden. Bei den oben erwähnten Beispielen sind es Kritische Migrationsforschung, Transnationaler und Postkolononialer Feminismus, die korrektiv auf eine okzidentalismuskritische Perspektivierung einwirken.34

Es muss außerdem festgehalten werden, dass eine okzidentalismuskritische Perspektive keinerlei ExpertInnenanspruch stellt, zur Verfasstheit des Anderen Wissen zu produzieren. Okzidentalismuskritik ist mit dem Eigenen, dem okziden-talen Selbst, beschäftigt und untersucht, wann und warum es zu welchen rassi-sierenden und orientalisierenden Othering-Prozeduren kommt, was sie herstellen und welche Funktion sie im Konzert dominanter Diskurse haben. D.h. Okziden-talismuskritik zielt auf die Analyse der Konstruktion des Eigenen am Anderen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass Okzidentalismuskritik sich vor allem als Perspektivierung oder Sichtachse versteht. Sie beleuchtet die Funktion eines orientalisierten konstitutiven Außens für ein Re-Arrangement europäischer Identität als okzidentaler Identität nach krisenhaften Erfahrungen im 20. und 21. Jahrhundert. Muslimische MigrantInnen werden dabei zu grenz-markierenden Objekten (boundary objects). Markiert werden dabei Geschlech-terordnungen – man kann auch sagen nicht-okzidentale Sex-Gender-Systeme. Diesen werden okzidentale Emanzipationserfolge von Frauen und sexuellen Minderheiten gegenübergestellt. Die derart Angerufenen tauschen ihre Rest-unzufriedenheit mit Sexismus und Heteronormativität gegen eine, wie oben entwickelt, ›okzidentale Dividende‹. Dreht man allerdings die okzidentalismus-kritischen Suchscheinwerfer auf diesen Geschlechterpakt, kann man eines der

34 | Für den deutschen Zusammenhang sind hier folgende Interventionen zentral, deren Programmatik schon in den Titeln zum Ausdruck kommt: Spricht die Subalter-ne deutsch (2003) von Hito Steyerl und Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Konjunktu-ren des Rassismus (2002) von Alex Demirović und Manuela Bojadžijev, »Postkolonialer Feminismus und die Kunst der Selbstkritik« (2002) von María do Mar Castro Vare-la und Nikita Dhawan und Turbulente Ränder (2007) der Forschungsgruppe Transit Migration und Ha/Lauré al-Samarai/Mysorekar, re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (2007).

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bestgehüteten Geheimnisse des ›emanzipierten‹ Abendlandes ausleuchten: sein ebenfalls macht-asymmetrisches Sex-Gender System.

Indem man sich jedoch auf die Metapher des Kopftuchs als sichtbares Zei-chen hierarchisierter Sex-Gender-Systeme fi xiert, werden eigene Machtasymme-trien unsichtbar. Paradoxerweise geschieht das übrigens, indem man über ein Sichtbarkeitsgebot und Enthüllungsregime den panoptischen Modus männlicher Herrschaft stärkt. Für den weißen, heterosexuellen, männlichen Partner des ok-zidentalistischen Geschlechterpaktes liegt in dieser Matrix eine stille Schönheit: Das Enthüllungsdispositiv ermöglicht ihm eine fortdauernde Verobjektivierung des weiblichen Körpers bei gleichzeitiger Überzeugung des ›Objekts‹, sich selbst gewählt und in Freiheit seiner Attraktivitätsmacht zu bedienen. Insofern ist für FeministInnen (und unter anderen Voraussetzungen für queer people) die Pers-pektivierung Okzidentalismuskritik nicht nur ein moralischer Imperativ der He-gemonie(selbst)refl exion, sondern auch ein Instrument der Analyse und Kritik des okzidentalen und heteronormativen Sex-Gender-Systems.

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