auswertung einer prospektiven studie

62
Diplomarbeit Unterschiedliche Strategien zur Behandlung von Sensibilitätsstörungen nach oralchirurgischen Eingriffen im Unterkiefer - Auswertung einer prospektiven Studie eingereicht von Dr. med. univ. Andreas Maringer zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Klinischen Abteilung für orale Chirurgie und Kieferorthopädie unter der Anleitung von Ass.Prof., PD, DDr. Michael Payer Sen. Scient. Dr. Arnold Klampfl Graz, 30.06.2016

Upload: khangminh22

Post on 08-Jan-2023

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Diplomarbeit

Unterschiedliche Strategien zur Behandlung von Sensibilitätsstörungen nach oralchirurgischen

Eingriffen im Unterkiefer - Auswertung einer prospektiven Studie

eingereicht von

Dr. med. univ. Andreas Maringer

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt an der Klinischen Abteilung für orale Chirurgie und Kieferorthopädie

unter der Anleitung von

Ass.Prof., PD, DDr. Michael Payer Sen. Scient. Dr. Arnold Klampfl

Graz, 30.06.2016

I

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und

ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht

verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich

entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 30.06.2016 Dr. Andreas Maringer eh

II

Danksagungen

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Betreuern, Herrn Ass. Prof. PD

DDr. Michael Payer und Herrn Sen. Scient. Dr. Arnold Klampfl bedanken, die

mir bei meiner Arbeit stets mit Rat und Tat zur Seite standen und damit am

reibungslosen Ablauf meines Studienabschlusses beteiligt waren.

Ebenso möchte ich mich bei Frau DI Irene Mischak bedanken, die mir bei der

statistischen Auswertung der Daten und beim erstellen der Abbildungen

geholfen hat.

Weiters gilt mein Dank meiner Familie, allen voran meinen Eltern, die mir die

Kraft und die Motivation gegeben haben ein zweites Studium zu beginnen

und auch zu beenden. Vielen Dank für den ständigen Rückhalt und die

Unterstützung in diesen Jahren.

Zuletzt möchte ich meiner Frau Ina danken, die in den letzten Jahren oft auf

mich verzichten musste. Ich danke dir für deine Hilfe und dein Verständnis

und freue mich auf mehr gemeinsame Zeit.

Graz, am 30.06.2016

III

Zusammenfassung

Ziele

Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich einer antiödematösen Therapie mittels

Corticosteroiden zur Softlasertherapie (LLLT) in Bezug auf die Verkürzung

bzw. Verringerung postoperativer Sensibilitätsstörungen nach zahnärztlich-

chirurgischen Eingriffen.

Material und Methoden

Im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie wurde an 15 PatientInnen

der Testgruppe mit einer postoperativen Parästhesie im Unterkiefer die

Wirkung von Corticosteroiden auf den Heilungsverlauf untersucht.

Die 12 PatientInnen der Kontollgruppe wurden mit einer standardisierten

Softlasertherapie behandelt, die bislang als Standardtherapie an der

Universitätsklinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit Graz angewendet

wurde.

Ergebnisse

Die Studie konnte den positiven Effekt von Corticosteroiden bestätigen, es

zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied mit der Kontrollgruppe.

Conclusio

Letztendlich kann keine klare Empfehlung für die Behandlung von

postoperativen Parästhesien gegeben werden, da beide untersuchten

Therapieoptionen Vor- und Nachteile haben.

IV

Abstract

Objectives

The aim of this work is to compare a antiedematous therapy with

corticosteroids versus Soft Laser Therapy ( LLLT ) in terms of shortening or

reducing postoperative sensory disturbances after dental surgical

procedures.

Material and Methods

In a prospective clinical study of 15 patients with sensibility disorders of the

mandible participating in the test group we investigated the effect of

corticosteroids on the healing process.

The 12 patients of the control group were treated with a standardized low

level lasertherapy, which was previously used as a standard treatment at the

Department of oral surgery and orthodontics.

Results

The study confirmed the positive effect of corticosteroids , but there was no

significant difference with the control group .

Conclusion

Ultimately, no clear recommendation for treatment of postoperative

paresthesia can be given as both investigated treatment options have

advantages and disadvantages.

V

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ………………………………... VII

Tabellenverzeichnis …………………………………… VIII

1 Einleitung .................................................................. 1

1.1 Fragestellung ................................................................................... 2

2 Grundlagen ............................................................... 2

2.1 Grundelemente des Nervensystems ................................................ 2

2.1.1 Anatomie, Funktion und Pathophysiologie der Nervenzelle ....... 3

2.1.2 Der Nervus Trigeminus und seine Äste ...................................... 5

2.1.3 Chorda tympani .......................................................................... 7

2.1.4 Arten der Sensibilität .................................................................. 8

2.1.5 Pathophysiologie ........................................................................ 8

2.2 Entstehung von Sensibilitätsstörungen in der Zahnmedizin ........... 10

2.3 Behandlungsstrategien von Sensibilitätsstörungen ....................... 14

2.3.1 Glucocorticoide ......................................................................... 14

2.3.2 Softlaser und Softlasertherapie ................................................ 19

3 Material und Methoden .......................................... 23

3.1 Einleitung ....................................................................................... 23

3.2 Planung der klinischen Studie ........................................................ 23

3.3 Studiendesign ................................................................................ 24

3.4 Studienablauf ................................................................................. 25

3.4.1 Diagnosestellung ...................................................................... 25

3.4.2 Aufklärung ................................................................................ 26

VI

3.4.3 Randomisierung ....................................................................... 27

3.4.4 Therapeutische Intervention ..................................................... 27

3.4.5 Kontrolluntersuchungen ............................................................ 28

3.5 Fallzahlschätzung .......................................................................... 28

3.6 Testverfahren bei der Diagnose von Sensibilitätsstörungen .......... 29

3.6.1 Spitz / Stumpf Untersuchung .................................................... 29

3.6.2 Light touch Test ........................................................................ 30

3.6.3 Two point discrimination ........................................................... 30

3.6.4 Vitalitätstestung ........................................................................ 31

3.7 Ressourcen .................................................................................... 31

3.8 Patientenbeispiel ........................................................................... 32

4 Ergebnisse .............................................................. 35

4.1 Statistische Auswertung ................................................................. 35

4.2 Statistische Auswertung Prednisolon ............................................. 36

4.2.1 Spitz / Stumpf Test ................................................................... 37

4.2.2 Light touch Test ........................................................................ 38

4.3 Statistische Auswertung Softlaser ................................................. 39

4.3.1 Spitz / Stumpf Test ................................................................... 39

4.3.2 Light touch Test ........................................................................ 40

4.4 Gesamtauswertung ........................................................................ 42

4.4.1 Spitz / Stumpf ........................................................................... 42

4.4.2 Light touch Test ........................................................................ 43

5 Diskussion .............................................................. 46

5.1 Conclusio ....................................................................................... 50

VII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nervus mandibularis (Quelle: 21) .............................................. 6

Abbildung 2 Strukturformel Cortisol .............................................................. 15

Abbildung 3: Studienschema leer ................................................................. 26

Abbildung 4: Patientenbeispiel Primärbefund............................................... 33

Abbildung 5: 1. Kontrolluntersuchung .......................................................... 34

Abbildung 6: 2. Kontrolluntersuchung .......................................................... 34

Abbildung 7: 3. Kontrolluntersuchung .......................................................... 35

Abbildung 8: Cortison: Spitz/Stumpf ............................................................. 37

Abbildung 9: Cortison: Light touch ............................................................... 39

Abbildung 10: Softlaser: Spitz/Stumpf .......................................................... 40

Abbildung 11: Softlaser: Light touch ............................................................. 41

Abbildung 12: Gesamt: Spitz / Stumpf ......................................................... 43

Abbildung 13: Gesamt: Light touch .............................................................. 45

VIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht von Glucocorticoiden ................................................... 17

Tabelle 2: Verteilung nach Eingriffen ........................................................... 36

Tabelle 3: Betroffene Nerven ....................................................................... 36

Tabelle 4: Cortison: Spitz/Stumpf Test ......................................................... 37

Tabelle 5: Cortison: Light touch test ............................................................. 38

Tabelle 6: Softlaser: Spitz/Stumpf ................................................................ 40

Tabelle 7: Softlaser: Light touch ................................................................... 41

Tabelle 8: Gesamt: Spitz / Stumpf ................................................................ 42

Tabelle 9: Gesamt Light Touch .................................................................... 44

1

1 Einleitung

Im Rahmen von oralchirurgischen Eingriffen im Unterkiefer, wie bei der operativen

Entfernung von Zähnen, Implantationen, Knochenaugmentationen, Zystektomien,

Wurzelspitzenresektionen, etc. kann es, trotz größter chirurgischer Sorgfalt und

Schonung von anatomischen Strukturen durch Assistenz und OperateurIn, zu

Verletzungen von Nerven kommen. Die vielfältigen Ursachen reichen von

intraneuraler Injektion im Rahmen der Lokalanästhesie, über Zug- und

Druckverletzungen des Nervens, bis hin zur vollständigen anatomischen

Durchtrennung des Nerven durch scharfe, stumpfe, oder rotierende Instrumente.

Auch eine postoperative Ödem- und Hämatombildung, sowie eine Wundinfektion

kommen als potentielle Ursache für eine Sensibilitätsstörung infrage.

Die Häufigkeit von Sensibilitätsstörungen (Parästhesie, Anästhesie, Hypästhesie,

Hyperästhesie) wird, nach operativer Weisheitszahnentfernung im Unterkiefer, in

der Literatur mit 0,4-5,5% für den N. alveolaris inferior, sowie mit 0,06-11,5% für

den N. lingualis angegeben. (Gülicher, 2000) Sofern nicht schon intra operationem

eine Durchtrennung eines Nervens beobachtet wird, so wird die

Sensibilitätsstörung erst im Zuge der postoperativen Kontrolle erkannt.

In den Fällen, wo keine vollständige anatomische Durchtrennung eines Nervs

vorliegt, ist in den meisten Fällen mit einer spontanen Wiederkehr der Sensibilität

zu rechnen. Zur Unterstützung der Heilung gibt es zahlreiche medikamentöse und

nichtmedikamentöse Therapieansätze. Die deutsche Gesellschaft für Zahn-,

Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) empfiehlt in ihren aktuellen Guidelines die

Gabe eines Steroids, z.B. Prednison, in einer Dosierung von 20 mg, 10 mg, 5 mg,

5 mg für 4 Tage post operationem. Ziel der Steroidgabe ist die Verringerung des

postoperativen Ödems um eine Kompression des Nervens zu vermeiden.

(Hausamen, 2003)

Eine ebenso anerkannte Therapieform zur Behandlung von postoperativen

Sensibilitätsstörungen ist die Applikation einer niedrig dosierten Laserstrahlung,

auch Softlasertherapie genannt (Low-level-Lasertherapy, LLLT, Wellenlängen von

635-690 nm). Im Gegensatz zur systemischen Gabe von Cortison, erfolgt die

Anwendung der LLLT nur im Endversorgungsgebiet des betroffenen Nerven. Die

2

Wirkungsweise der LLLT ergibt sich aus einer Stimulation der Atmungskette,

welche zu einer erhöhten Zellproliferation, und somit zur Nervregeneration, führt.

Eine retrospektive Studie von Ferrera de Oliveira aus dem Jahr 2015 mit 125

Patienten konnte einen positiven Effekt der LLLT aufzeigen. (Ferrera de Oliveira et

al. 2015)

1.1 Fragestellung

Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich einer antiödematösen Therapie mittels

Corticosteroiden zur Softlasertherapie (LLLT) in Bezug auf die Verkürzung bzw.

Verringerung postoperativer Sensibilitätsstörungen nach zahnärztlich-

chirurgischen Eingriffen. Die ausgewerteten Daten stammen von einer Studie, die

im Zeitraum von 2009 – 2016 am Department für zahnärztliche Chirurgie und

Radiologie an der Universitätszahnklinik Graz durchgeführt wurde.

2 Grundlagen

Um das Auftreten von Nervenschädigungen im Rahmen von oralchirurgischen

Eingriffen zu Vermeiden ist es unerlässlich die anatomischen Gegebenheiten im

Operationsgebiet zu kennen. Trotz entsprechender chirurgischer Sorgfalt kann es

zum Auftreten von Nervenläsionen mit resultierenden Sensibilitätsstörungen

kommen. Um eine adäquate Therapie durchzuführen, bedarf es wiederum des

Wissens um den Aufbau peripherer Nerven, der unterschiedlichen Qualitäten einer

Nervenschädigung, sowie der Möglichkeiten der Nervenregeneration.

Natürlich ist vom Behandler auch zu erwarten, dass die Wirkungsweise und

potentiellen Nebenwirkungen der angewandten Therapie verstanden werden,

damit, je nach Art der Verletzung, die richtige Therapie zur Anwendung gelangt.

2.1 Grundelemente des Nervensystems

Beim Menschen unterscheidet man das vegetative Nervensystem, welches aus

dem Sympathicus und dem Parasympathicus besteht und das innere Milieu

3

konstant erhält, vom animalischen System. Dieses wiederum unterteilt man in ein

zentrales und peripheres Nervensystem, wobei das zentrale Nervensystem aus

dem Gehirn und dem Rückenmark besteht und dem peripheren Nervensystem 12

Hirnnervenpaare und die Spinalnerven zugeordnet werden. Der fünfte Hirnnerv ist

der Nervus Trigeminus mit seinen drei Hauptästen Nervus ophtalmicus, Nervus

maxillaris und Nervus mandibularis. Dieser kann bei oralchirurgischen Eingriffen

auf verschiedene Weise und in variabler Stärke verletzt werden, woraus

Gefühlsstörungen unterschiedlicher Qualität resultieren können.

2.1.1 Anatomie, Funktion und Pathophysiologie der Nervenzelle

2.1.1.1 Die Nervenzelle

Die eigentliche Funktionseinheit des Nervensystems ist die Nervenzelle

(Ganglienzelle oder Neuron). Sie hat im reifen Zustand keine Teilungsfähigkeit

mehr und somit ist ein Ersatz von zerstörten Zellen nur mehr in sehr geringem

Ausmaß möglich. Postnatal gibt es kaum noch Neubildungen von Nervenzellen.

Nervenzellen bestehen neben dem Zellkörper (Perikaryon) aus mehreren kleinen

Fortsätzen (Dendriten) sowie einem Hauptfortsatz (Axon oder Neurit).

Der Zellkörper ist das Zentrum der Zelle. Hier finden die Stoffwechselvorgänge

statt, ohne die ein abgetrennter Fortsatz nicht überleben kann und in weiter Folge

schließlich degeneriert. Zusätzlich beinhaltet der Zellkörper den Nucleus mit

seinem Nucleolus.

Die Dendriten sind der Ort des Erregungsempfanges. Die kleinen Fortsätze

kommunizieren mit Dendriten anderer Nervenzellen und dienen somit der

Reizleitung.

Das Axon bildet mit dem Axonhügel den Ort der Erregungsbildung. In einem

gewissen Abstand vom Perikaryon erhält das Axon eine Myelinscheide. Im

weiteren Verlauf zweigt sich das Axon auf und endet mit kleinen Endknöpfchen

(Boutons) an Nerven- oder Muskelzellen. Die Erregungsübertragung findet an

einem Bouton statt, der mit der nachgeschalteten Zelle eine Synapse bildet.

4

Man unterscheidet nach Anzahl der Fortsätze unipolare, bipolare und multipolare

Neurone, wobei die Mehrzahl multipolar ist. (Kahle, 2002)

2.1.1.2 Die Synapse

Die Synapse wird von einem Bouton, das am Ende des Axons einer Zelle liegt,

sowie der anliegenden Membran eines nachgeschalteten Neurons, gebildet. Hier

erfolgt die Erregungsübertragung von einem Neuron zum anderen.

Drei Anteile werden bei einer Synapse unterschieden. Der präsynaptische Teil,

bestehend aus einem Bouton mit seiner präsynaptischen Membran, der

synaptischen Spalt und der postsynaptische Teil mit der postsynaptischen

Membran. Die Synapsen kann man nach ihrer Lokalisation, ihrem Bau, ihrer

Funktion oder den enthaltenen Botenstoffen unterscheiden.

Die Reizübertragung an chemischen Synapsen erfolgt durch Botenstoffe

(Neurotransmitter). Substanzen wie Acetylcholin, Glutamat, Gamma-amino-

buttersäure und Glycin, jedoch auch die Katecholamine Noradrenalin und

Dopamin wirken, ebenso wie Serotonin, als Transmitter. Auch einige Neuropeptide

haben, neben ihrer Wirkung als Hormone, eine Funktion als Neurotransmitter.

Die synaptische Übertragung erfolgt durch Umwandlung des am Axonende

ankommenden Aktionspotentials in ein chemisches Signal. Es kommt zur

Freisetzung von Neurotransmittern an der präsynaptischen Membran. Diese

werden in den synaptischen Spalt abgegeben und binden an spezifische

Rezeptoren der postsynaptischen Membran, was wiederum eine Depolarisierung

der postsynaptischen Membran bewirkt. (Kahle, 2002)

2.1.1.3 Nervenfaser und peripherer Nerv

Als Nervenfaser bezeichnet man das Axon und seine Umhüllung. Im ZNS sind die

Hüllzellen Oligodendrozyten, bei peripheren Nerven wird die Hülle von Schwann-

Zellen gebildet.

5

Die Leitungsgeschwindigkeit peripherer Nerven hängt direkt mit der Dicke der

Markscheide zusammen. Je dicker der Nerv, desto schneller die Übertragung.

Hierbei sind die markhaltigen A-Fasern, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120

m/s, die schnellsten. Die markarmen B-Fasern (bis 15 m/s) und die marklosen C-

Fasern (bis 2 m/s) sind dagegen bedeutend langsamer.

Die einzelne Nervenfaser ist von lockerem Bindegewebe, dem Endoneurium,

umgeben. Eine unterschiedlich große Zahl an Nervenfasern wird innerhalb des

Perineuriums zu Bündeln oder Faszikeln zusammengefasst. So entsteht aus

mehreren Nervenfasern ein peripherer Nerv. (Kahle, 2002)

2.1.2 Der Nervus Trigeminus und seine Äste

Dieser dreigeteilte Nerv versorgt die Haut des Gesichts, die Schleimhaut im

Nasen- Rachenraum, und die vorderen zwei Drittel der Zunge (Berührungs-,

Schmerz und Temperaturempfinden – nicht jedoch den Geschmackssinn) sensibel

(Radix sensoria) und mit seiner Radix motoria die Kaumuskulatur motorisch.

(Schünke, 2009) Darüber hinaus werden die Zähne des Oberkiefers durch Anteile

des N. maxillaris und die Zähne des Unterkiefers über den N. alveolaris inferior

sensibel innerviert.

Nach Bildung des sensiblen Ganglion Trigeminale (Ganglion Gasseri) teilt sich der

Nervus Trigeminus in seine drei Endäste auf:

N. ophtalmicus (V/1)

N. maxillaris (V/2)

N. mandibularis (V/3)

2.1.2.1 Nervus opthalmicus

Der N. ophtalmicus versorgt als sensibler Nerv unter anderem die Augenhöhle,

das obere Augenlid, die Stirn und den vorderen Teil der Nasenhöhle.

6

2.1.2.2 Nervus maxillaris

Der N. maxillaris zieht zum Oberkiefer und innerviert nach dem Austritt durch das

Foramen infraorbitale die Umliegende Haut. Weiters bildet er den Plexus dentalis

superior zur Innervation der Oberkieferzähne. (Fanghänel, 2009) Auch die

Versorgung der Gaumenschleimhaut erfolgt über Äste des N. maxillaris.

2.1.2.3 Nervus Mandibularis (Fanghänel, 2009)

Da Verletzungen des Nervus mandibularis und deren Therapie Gegenstand dieser

Arbeit sind soll ein genauerer Blick auf die anatomischen Grundlagen und die

Versorgungsgebiete dieses Nerven erfolgen.

Als dritten Ast gibt der N. Trigeminus den N. Mandibularis ab. Er tritt durch das

Foramen ovale aus der Schädelhöhle aus, zieht zur Außenfläche der

Schädelbasis und teilt sich danach in einen vorderen, vorwiegend motorischen

und einen hinteren sensiblen Ast auf.

Als erstes gibt er den

Ramus meningeus, der

durch das Foramen

spinosum zur Dura mater

zurückläuft ab. Der

vordere Teil des N.

mandibularis versorgt über

den N. massetericus, die

Nn. temporales profundi,

die N. pterygoidei lat. und

med., sowie den N.

buccalis die gesamte

Kaumuskulatur motorisch, wobei der N. buccalis auch sensible Fasern zur Haut

und Schleimhaut der Wange leitet. Der hintere Anteil entsendet den N. lingualis

zur Schleimhaut der Zunge, den N. alveolaris inferior zu den Zähnen des

Abbildung 1: Nervus mandibularis

7

Unterkiefers und dem Zahnfleisch, sowie, als lateralen Zweig, den N.

auriculotemporalis in Richtung Schläfe.

2.1.2.3.1 Nervus Lingualis

Der sensible Nerv gelangt zwischen den Mm. Pterygoidei an die Innenfläche des

Ramus Mandibulae und geht hier eine Verbindung mit der Chorda tympani (N.

facialis) ein, von der er Geschmacksfasern für die Zunge empfängt. Er selbst

versorgt die vorderen zwei Drittel der Zunge sensibel. Dies erklärt die weiter unten

angeführte Ausfallssymptomatik bei Schädigungen des Nervus lingualis.

2.1.2.3.2 Nervus alveolaris inferior

Der sensible und motorische Nerv tritt, nach Abgabe des N. mylohyoideus

(motorische Fasern für den M. mylohyoideus und den Venter anterior m.

digastrici), durch das Foramen mandibulae in den Canalis mandibulae ein und

verlässt diesen als Nervus mentalis durch das Foramen mentale.

Innerhalb des Canalis mandibulae bildet er den Plexus dentalis inferior, der die

Unterkieferzähne und Teile des Zahnfleisch sensibel versorgt.

Der Nervus mentalis gibt Rami mentales zur Haut des Kinnes und Rami labiales

inferiores zur Haut und Schleimhaut der Unterlippe ab und versorgt diese Anteile

sensibel. Als anatomische Variante, kann ein Mentalis-Loop vorliegen, der

unterschiedliche Ausdehnungen haben kann.(Fanghänel, 2009), (Neugebauer,

2009)

2.1.3 Chorda tympani

Sie ist ein Teil des Nervus intermedius des Nervus facialis (VII). Sie schließt sich

dem Nervus lingualis an und gibt an diesen parasympathische Fasern für die

Glandulae submandibularis, sublingualis und Glandulae linguales, sowie

zusätzlich noch Geschmacksfasern für die vorderen zwei Drittel der Zunge, ab

(Fanghänel, 2009)

8

2.1.4 Arten der Sensibilität

Generell sind Umweltreize von Körperinneren Reizen zu unterscheiden.

Exterozeptive, also Umweltreize, werden von den Sinneszellen über sensible

afferente Nerven zum ZNS geleitet. Darauf erfolgt eine Antwort über motorische

efferente Nerven zur Muskulatur. Von den Muskeln wiederum erfolgt über sensible

Fasern ein Feedback zum ZNS. Diese afferenten Bahnen übermitteln nur Reize

aus dem Körperinneren, wir unterscheiden somit eine exterozeptive von einer

propriozeptiven Sensibilität. (Kahle, 2002)

Die exterozeptive Sensibilität teilt sich in die epikritische Sensibilität, die eine

spezifische Oberflächensensibilität mit Information über Berührungsreize,

Vibrations- und Gelenksempfinden ist, sowie die protopathische Sensibilität, die

eine unbestimmte, wenig abgrenzbare Oberflächensensibilität, die der

Wahrnehmung von Druck, Schmerz- und Temperaturreizen dient, auf. (Fanghänel,

2009)

Haut und Schleimhaut nehmen also exterozeptive Reize auf, Muskel- und

Sehnenrezeptoren sowie vegetative Reize zählen zu den propriozeptiven Reizen.

2.1.5 Pathophysiologie

Verletzungen peripherer Nerven im Gesichtsbereich betreffen hauptsächlich den

Nervus Trigeminus und im Besonderen den N. alveolaris inferior und den N.

lingualis. Auch aus forensischen Gründen sind diese für den Zahnarzt zunehmend

von Bedeutung. Vor allem stellt sich die Frage welche Therapie dem Patienten

angeboten werden kann. Hierfür muss jedoch ein Grundverständnis für die

Pathophysiologie der Nervenläsion, sowie für die Regeneration peripherer Nerven

vorhanden sein.

Voraussetzung für die Funktion eines Nervs ist der axoplasmatische Transport.

Dessen Ausfall betrifft sowohl den motorischen Nerv, wie den denervierten

sensorischen Nerv.

9

Ebenso ist die adäquate Blutversorgung des Nervs unabdingbar für seine

Funktion. Diese wird über ein Extrinsic- und ein Intrinsic-System sichergestellt.

Da die Ursache für eine Dysfunktion nicht immer eindeutig zu klären ist, ist es

umso wichtiger die Veränderung die den Nerv betreffen, zu verstehen. Eine

entsprechende Klassifikation wurde von SEDDON (1947) durchgeführt. Er

unterscheidet drei Schweregrade der Schädigung:

Die Neuropraxie ist die mildeste Form. Hierbei handelt es sich um einen

lokalisierten Leitungsblock eines Nervs. Die Kontinuität ist erhalten. Es kommt im

Regelfall zu einer Restitutio ad Integrum innerhalb weniger Wochen.

Klassischerweise tritt diese Art der Verletzung bei der Entfernung von

Weisheitszähnen durch stumpfe Verletzung des N. alv. Inf. bzw. durch das

entstehende kollaterale Ödem, das zu einer Kompression oder Überdehnung des

Nervs führt, auf.

Bei der Axonomesis ist die Kontinuität der Axone unterbrochen, jedoch das

umliegende Bindegewebe intakt. Dies führt zu einer distalen, axonalen

Degeneration. Aufgrund des intakten Bindegewebes und der intakten

Basalmembran ist die Prognose auch hier sehr gut.

Eine komplette anatomische Durchtrennung wird als Neuromesis bezeichnet.

Eine Regeneration ohne chirurgische Intervention ist nicht zu erwarten. (Horch,

2006)

2.1.5.1 Periphere Nervenregeneration

Nur kurz erwähnt sei das Regenerationsverhalten von Nerven nach schwerer

Verletzung. Sofern es nicht zum Absterben des Neurons kommt zeigt sich schon

nach 24 Stunden ein Wachstumskonus im Bereich des proximalen Axons. Bis zum

Erreichen des distalen Nervenendes wachsen die Axone mit ca. 0,25 mm pro Tag,

dann mit 1-8,5 mm pro Tag. Wobei aufgrund von Kollagenablagerungen der Raum

für das axonale Wachstum verringert wird. Ebenso ergeht es der Blutversorgung,

die nach einer Verletzung nur noch 60-80 % entspricht. (Horch, 2006)

10

2.1.5.2 Klinische Symptomatik

Die Ausfallserscheinungen bei Verletzungen des N. lingualis und des N. alveolaris

inferior betreffen das jeweilige Versorgungsgebiet der Nerven. Bei einer

Schädigung des N. lingualis zeigt sich ein sensibler Ausfall der vorderen zwei

Drittel der gleichseitigen Zungenhälfte. Jedoch ist meinst auch der

Geschmackssinn betroffen, da die mit dem N. lingualis mitziehenden Fasern der

Chorda tympani mitgeschädigt werden. Diese sehr empfindlichen Anteile werden

mitunter schon bei intraneuraler Anästhesie irreversibel geschädigt.

Das Innervationsgebiet des N. alveolaris inferior umfasst die Zähne des

ipsilateralen Unterkiefers und die entsprechende Unterlippenhälfte. Hier treten

unterschiedliche Sensibilitätsstörungen auf. Von Hypästhesie über Parästhesie

und Hyperästhesie bis zur kompletten Anästhesie und sogar dem Auftreten einer

Anästhesia dolorosa wird berichtet.

2.2 Entstehung von Sensibilitätsstörungen in der Zahnmedizin

Sensibilitätsstörungen im Bereich der Gesichtsnerven können zahlreiche

Ursachen haben. Am häufigsten treten sie allerdings als Komplikation im Rahmen

von chirurgischen Eingriffen auf. Dies betrifft vor allem den Nervus alveolaris

inferior und den Nervus lingualis. Grundsätzlich kann man therapeutische von

idiopathischen Nervenverletzungen unterscheiden.

Im Rahmen zahnärztlicher Tätigkeiten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten eine

Nervenschädigung zu verursachen. Dies beginnt schon bei der Anwendung von

Lokalanästhetika. Das Setzen einer Leitungsanästhesie des Nervus alveolaris

inferior bzw. des Nervus lingualis kann mit einer Schädigung der Nerven

einhergehen, sofern eine intraneurale Injektion erfolgt. Diese Komplikation ist mit

1:785.000 jedoch äußerst selten. (Neugebauer, 2009)

Ebenso kann es bei endodontischen Eingriffen zu einem Trauma kommen.

Hierbei kann Natriumhypochlorid, das zum Spülen von Wurzelkanälen verwendet

wird, überpresst werden und in den Nervenkanal gelangen. Zusätzlich besteht die

11

Möglichkeit der Schädigung mittels Wurzelkanalinstrumenten, oder bei der

Überstopfung mit Wurzelkanalfüllmaterialien. (Neugebauer, 2009)

Der weitaus größte Anteil der Gefühlsstörungen wird bei chirurgischen

Interventionen verursacht. Es kann sich dabei um vorübergehende oder

dauerhafte Sensationen handeln. Folgende Eingriffe sind hierbei mit hohem Risiko

behaftet:

Implantationen

Weisheitszahnosteotomien

Wurzelspitzenresektionen

Zystektomie/Zystostomie

Weichteiloperationen

Kieferkammkorrekturen

Abszessincisionen

Umstellungsosteotomien (Kieferchirurgie)

Als nicht-iatrogene Ursachen für Sensibilitätsstörungen sind

Kieferfrakturen

Medikamenten-assoziierte Nekrosen und Radioosteonekrosen des

Kieferknochens

Neoplasien (benigne wie maligne)

Infektionen

zu nennen.

Diverse Einflussfaktoren gehen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für

postoperative Sensibilitätsstörungen einher. Diese sind vor allem für die

Weisheitszahnentfernung sehr gut dokumentiert. So konnten Gülicher und Gerlach

bei einer Studie mit einer Fallzahl von 1103 Weisheitszahnentfernungen zeigen,

dass ein erhöhtes Risiko bei folgenden Faktoren vorliegt:

Patientenalter über 35 Jahren

Abgeschlossenes Wurzelwachstum

12

Überlagerung der Wurzeln mit dem Mandibularkanal im OPTG

Schwierige Zahnentfernung (Zahnzerteilung, tiefreichende Osteotomie,

Wurzelseparation)

Intraoperativ einsehbarer Nervenkanal

Als zusätzlicher Faktor ist auch der/die OperateurIn und hier vor allem Ihre/Seine

Erfahrung wesentlich. (Gülicher, 2000)

Nervenschäden können durch ein direktes scharfes oder stumpfes Trauma

verursacht sein. Eine Läsion kann allerdings auch durch postoperative Ödem- und

Hämatombildung, sowie durch Wundinfektion bedingt sein. Eine vollständige

Kontinuitätsdurchtrennung wird meist durch rotierende Instrumente verursacht und

ist glücklicherweise selten. Bei der Hebelluxation von Zähnen oder

Zahnfragmenten kann ein stumpfes Trauma resultieren. Eine Schädigung des N.

lingualis kann bereits durch die Elevation des lingualen Periosts mit einem

Raspatorium erfolgen.

Auch bei langjähriger Erfahrung des/der Operateurs/Operateurin und maximaler

Vorsicht sind Sensibilitätsstörungen leider nicht auszuschließen. Meist sind diese

zeitlich begrenzt und, mitunter auch ohne Therapie, vollständigen reversibel. In

selten Fällen (ca. 1%) sind die Veränderungen bleibend. Häufig ist hierbei eine

vollständige Durchtrennung des Nervens zu Grunde liegend. Die Häufigkeit für

postoperative Gefühlsstörungen im Zusammenhang mit

Weisheitszahnentfernungen wird in der Literatur mit 0,4-5,5 % für den N. alveolaris

inferior und mit 0,06-11,5% für den N. lingualis angegeben. (Horch, 2006)

2.2.1.1 Klinische Diagnostik

Es gibt zahlreiche Methoden zur Prüfung der Sensibilität von Haut und

Schleimhaut bzw. zur Funktionsdiagnostik von Nerven. Zu bevorzugen sind

Methoden die einfach und ohne teure Hilfsmittel anzuwenden sind und sich als

verlässlich erwiesen haben. Die, bei der aktuellen Studie, eingesetzten

Untersuchungsmethoden (Spitz / Stumpf Untersuchung, Light-touch-test, Two

point discrimination und Vitalitätstest) werden auch in internationalen Studien

angewandt und beschrieben. (Gasperini, 2013), (Ozen, 2006)

13

Das Berührungsempfinden zum Beispiel kann mit einem simplen Wattebausch

überprüft werden. Hierbei wird die zu untersuchende Stelle, bei geschlossenen

Augen des Patienten, ohne Druck überstrichen. Es werden folgende Qualitäten

unterschieden

Normästhesie: leicht kitzelnd

Anästhesie: keine Empfindung

Hypästhesie: verminderte Wahrnehmung

Hyperästhesie: gesteigerte Wahrnehmung

Dysästhesie: die Berührung ist unangenehm

Parästhesie: spontanes Kribbelgefühl „Ameisenlaufen“

Die Prüfung der Schmerzempfindung erfolgt indem eine spitze Sonde leicht auf

Haut bzw. Schleimhaut gedrückt wird. Bei normaler Funktion wird dies vom

Patienten als spitz oder stechend empfunden. Bei einer stumpfen Empfindung

spricht man von einer Analgesie oder Hypalgesie. Eine Unterscheidung zwischen

Hyperalgesie und Hyperästhesie ist klinisch nur schwer möglich. Überhaupt

werden im klinischen Alltag die Begriffe Berührungs- und Schmerzempfindung

häufig nicht exakt getrennt und bei Nervenschädigungen allgemein von

Hypästhesie, Anästhesie oder Hyperästhesie gesprochen.

Die Überprüfung der Pulpensensibilität ist bei Verdacht auf eine

Nervenschädigung durchzuführen, klassischerweise thermisch mittels CO2-

Schnee, oder aber auch elektrisch oder mechanisch. Eine Aussage über die

Vitalität (Durchblutung) des Zahnes kann hierbei jedoch nur indirekt getroffen

werden. (Horch, 2006)

Als spezielles diagnostisches Verfahren ist die Gustometrie zu nennen. Hierbei

werden die vier Geschmacksqualitäten (süß, salzig, sauer, bitter) mit

entsprechenden Lösungen aufsteigender Konzentration überprüft. Folgende

Begriffe beschreiben das Ergebnis:

Ageusie: PatientIn schmeckt keine der Lösungen

14

Hypogeusie: Erst die höheren Konzentrationen werden vom/von der

Patienten/Patientin geschmeckt, oder nur ein Teil der

Geschmacksrichtungen wird richtig erkannt.

Dysgeusie: PatientIn gibt falsche Geschmacksrichtungen an

Normgeusie: richtige Angabe zu allen Geschmacksrichtungen

Aus Gründen der Vollständigkeit sei auch noch die Ableitung somato-sensibel

evozierter Potentiale (SEP) erwähnt. Hierbei wird mittels Elektroden das

Vorhandensein bzw. das Ausmaß einer eventuellen Schädigung im Verlauf der

Leitungsbahn aufgezeigt. Diese Untersuchungsmethode ist jedoch nicht als

Basisdiagnostik anzusehen.

Eine Darstellung von Nervenschäden mittels Bildgebung ist selbst mit modernen

Hochauflösenden MR oder CT Geräten nur eingeschränkt möglich. Sind

Aussagen über den N. lingualis kaum bis gar nicht machbar, kann eine mögliche

Schädigung des N. alveolaris inferior zumindest indirekt sichtbar sein. (Horch,

2006)

Eine genauere Erklärung der in dieser Arbeit angewandten Untersuchungen ist im

Kapitel „Material und Methoden“ zu finden.

2.3 Behandlungsstrategien von Sensibilitätsstörungen

2.3.1 Glucocorticoide

Die Anwendungsmöglichkeiten von Glucocorticoiden in der Medizin sind zahlreich.

In der Zahnmedizin beschränkt sich die Anwendung im Großen und Ganzen auf

die entzündungshemmende Wirkung von Cortisolderivaten, genauer gesagt auf

seine antiödematöse Wirkung, was bei chirurgischen Eingriffen eine verminderte

Schwellung und damit verbunden eine Reduktion der Schmerzen bewirkt.

In diesem Kapitel sollen Wirkung und Nebenwirkung von Cortison und seinen

Derivaten, sowie ihre Anwendungen in der Medizin dargestellt werden.

15

2.3.1.1 Synthese der Glucocorticoide

Die körpereigene Bildung von Corticoiden erfolgt in der Zona fasciculata der

Nebennierenrinde. Die Bildung wird über einen hormonellen Regelkreis gesteuert

und geht von Cholesterinmolekülen aus. Die Produktion folgt einem zirkadianen

Rhythmus, wobei ca. 80% in der Zeit von 4-8 Uhr morgens produziert wird. Eine

gestörte Produktion im Rahmen einer Addison Erkrankung kann zu

weitreichenden Konsequenzen, bis hin zum Tod, beim betroffenen Patienten

führen.

Therapeutisch finden synthetisch hergestellte Cortisol-Derivate (z.b. Prednisolon

oder Dexamethason) Anwendung. Als Rohstoffe für die synthetische Herstellung

dienen pflanzliche Naturstoffe, die ein Steroidgrundgerüst enthalten. Die

hochselektiven Enzyme für die Katalyse erhält man durch die Kultivierung von

Mikroben. In mehreren Schritten werden aus den Rohstoffen Hydrocortisol und

seine Derivate produziert. Mittlerweile wurden für die Herstellung von

Hydrocortisol auch gentechnische Verfahren gefunden, bei denen die Herstellung

aus Glucose mit einer rekombinanten Hefe in nur einem Schritt erfolgt. (Baerns,

2013)

Abbildung 2 Strukturformel Cortisol

16

2.3.1.2 Wirkungen der Glucocorticoide

Die glucocorticoide Wirkung regt die Bildung von Glucose in der Leber und der

Peripherie an, wenn die Nahrungszufuhr unzureichend ist.

Therapeutisch wird sich jedoch die antiinflammatorische Wirkung zunutze

gemacht. In höherer Dosierung kommt es zur Wirkung auf alle Phasen der

Entzündungsreaktion, also der exsudativen Phase, der proliferativen Phase, sowie

der Narbenbildung.

Der Einfluss auf die exsudative Phase mit Vasodilatation und Ödembildung ist der

wesentliche Faktor beim therapeutischen Einsatz von Glucocorticoiden im

Rahmen von chirurgischen Eingriffen und Traumata.

Die entzündungshemmende Wirkung beruht einerseits auf der Unterdrückung der

Bildung von Cytokinen (z.B. Interleukine, TNF α), andererseits auf Drosselung der

Synthese von Cytokin-Rezeptoren. Auch ist ein hemmender Einfluss auf die

Synthese von Phospholipase A2 und der COX 2 vorhanden. Eine Steigerung der

Bildung von Lipocortin-1 hingegen hemmt die Freisetzung von Arachidonsäure

und seiner Metaboliten.

Wirkungsunterschiede bei den Glucocorticoiden ergeben sich vor allem bei ihrer

unterschiedlichen mineralcorticoiden Wirkung, die bei Cortisol stärker ist als bei

den synthetischen Glucocorticoiden, jedoch sind auch Wirkstärke und –dauer bei

den Wirkstoffen unterschiedlich. (Tab. 1) Die mineralcorticoide Wirkung der

synthetischen Wirkstoffe ist äußerst gering. Eine Substanz die ausschließlich den

erwünschten antiinflammatorischen Effekt besitzt wurde bislang jedoch nicht

gefunden. (Lüllmann, 2002)

Im Hinblick auf chirurgische Eingriffe ist die antiödematöse Wirkung, die im

Rahmen der Unterdrückung der Entzündungsreaktion auftritt sicherlich die

Wichtigste, da weniger Schwellung in weiterer Folge weniger Schmerzen

bedeuten.

17

Tabelle 1: Übersicht von Glucocorticoiden (Klampfl et al, 2014))

Substanz Handelsname Stärke Äquivalenz-

Dosis

Wirkdauer Glucocorticoid

Wirkung

Mineralcorticoid

Wirkung

Cortisol Hydrocortone® 1 25-30 mg 8-12 h 1 1

Prednison Decortin® 4 5-7,5 mg 12-36 h 4 0,6

Methyl-

prednisolon

Urbason® 5 4-6 mg 12-36 h 5 0

Triamicinolon Volon® 5 4-6 mg 12-36 h 5 0

Betamethason Celestan®

solubile

25 1,2 mg >48 h 25 0

Dexamethason Fortecortin® 30 0,75-1 mg >48 h 30 0

2.3.1.3 Nebenwirkungen von Glucocorticoiden

Eine einmalige, auch hochdosierte Gabe führt zu keinerlei Nebenwirkungen.

Jedoch nehmen mit zunehmender Dauer der Therapie und Dosis auch die

Nebenwirkungen zu. Bei längerer systemischer Gabe von Glucocorticoiden kann

ein iatrogener Cushing-Effekt auftreten. Ebenso kann die, eigentlich erwünschte,

Unterdrückung der Entzündungsreaktion zu Nebenwirkungen wie erhöhter

Infektionsgefahr und Wundheilungsstörungen führen. Auch Verlust von

Muskelmasse und Osteoporose sind nicht seltene Nebenwirkungen bei

Dauertherapie. Eine diabetische Stoffwechsellage wird bei normaler

Insulinsekretion jedoch nicht beobachtet.

Nebenwirkungen aufgrund mineralcorticoider Effekte wie Blutdruckanstieg und

Ödeme kommen bei Cortisol-Therapie vor, spielen jedoch bei anderen

Glucocorticoiden keine Rolle.

Bei lokaler Anwendung zählen Soormykosen, vor allem im Mund-Rachen-Raum,

zu den häufigsten Nebenwirkungen.

Zur Nebennierenrindenatrophie kommt es nur bei sehr langer und hochdosierter

Gabe, hier muss nach Absetzen der Therapie ein langsames Ausschleichen

erfolgen. (Lüllmann, 2002)

18

2.3.1.4 Anwendung und Dosierung

Neben der Substitutionstherapie bei Nebennieren-Insuffizienz steht die

pharmakodynamische Anwendung im Vordergrund. Die Gabe kann per os

(häufigste Art der Anwendung), parenteral per Injektion oder lokal erfolgen.

In der Allgemeinmedizin gibt es ein breites Anwendungsspektrum, vor allem

jedoch bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der chronischen

Polyarthritis, der Colitis ulzerosa und dem Morbus Crohn.

Die Dosierung erfolgt je nach Erkrankung und Potenz des Wirkstoffes.

Eine systemische pharmakodynamische Therapie mit z.B. Prednisolon beginnt mit

einer Gabe von 30mg/d per os, später 5-20 mg/d.

Bei der Substitutionstherapie werden geringere Dosierungen verwendet.

(Lüllmann, 2002)

2.3.1.5 Anwendungen in der Zahnmedizin

Die Anwendung von Cortisolderivaten in der Zahnmedizin findet vor allem bei

oralchirurgischen Eingriffen statt. Zahlreiche internationale Studien belegen die

Wirksamkeit von Cortisol. Mitunter reicht schon eine einmalige präoperative Gabe

um eine deutliche Reduktion von postoperativen Beschwerden (Schmerzen,

Schwellung, Trismus) zu erzielen. Ebenso verringert sich die Menge an

postoperativ benötigten Schmerzmitteln. Eine Studie aus dem Jahr 2014 am

Department für Zahnärztliche Chirurgie und Röntgenologie der Universitätsklinik

für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Graz konnte dies bestätigen. (Acham, 2014)

Vor oralchirurgischen Eingriffen wird am Departement für orale Chirurgie der

Universitätszahnklinik Graz schon seit längerem eine einmalige perioperative

Gabe von 1 mg/kg KG Methyprednisolon standardmäßig durchgeführt .Vor allem

bei länger dauernden Eingriffen (schwieriger Operation, unerfahrene(r)

OperateurIn) führt eine prophylaktische Gabe zu einem guten Benefit. (Acham,

2008)

19

Bei Läsionen des N. alveolaris inferior und des N. lingualis empfiehlt die Deutsche

Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde die antiödematöse Therapie

mit z.B. Prednison (Decortin®) in täglich abfallender Dosierung (20 mg, 10 mg, 5

mg, 5 mg) für 3-4 Tage, sofern es sich nicht um eine Verletzung mit

Kontinuitätsunterbrechung handelt. (Hausamen, 2003)

Bei Nervenschädigungen im Rahmen von oralchirurgischen Eingriffen wird im

Rahmen der durchgeführten Studie eine Dosis von Prednisolon 20 mg p.o. am

ersten postoperativen Tag, 10 mg p.o. am zweiten Tag und 5 mg p.o. am dritten

und vierten Tag verabreicht.

2.3.2 Softlaser und Softlasertherapie

Der Begriff LASER ergibt sich aus den englischen Anfangsbuchstaben des

Funktionsprinzips (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation),

nämlich der Lichtverstärkung durch induzierte Emission von Strahlung. Die

physikalische Grundlage entwickelte Albert Einstein schon Anfang des 20.

Jahrhunderts, bis zur Herstellung der ersten Laser dauerte es aber bis 1960. Im

Jahr 1967 bemerkte Endre Mester in Ungarn den positiven Effekt eines HeNe

(Helium/Neon) Lasers auf das Haarwachstum (an Mäusen) und die Wundheilung.

Seine Untersuchungen zählen zu den ersten Laseranwendungen in der Medizin.

In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche Anwendungen von

diversen Lasertypen in der Medizin untersucht und beschrieben, wobei sich jedoch

viele Anwendungsversuche als Sackgasse erwiesen.

Die Anwendung von Hard-Lasern in der Chirurgie ist nachwievor nicht weit

verbreitet und kommt nur für wenige Indikationen in Frage. Low-Level-Laser

kommen immer öfter in den Gebieten der Neurologie und Neurorehabilitation zum

Einsatz.

In der Zahnheilkunde (ZHK) werden Laser unterschiedlicher Stärke und Typen in

der Konservierenden ZHK (Endodontie, Präparation von Kavitäten), der

Parodontologie (Keimreduktion), der oralen Medizin (Behandlung von Aphten,

Fieberblasen, therapieresistente Schleimhautläsionen) und der oralen Chirurgie

(z.B. beim Abtragen von Osteonekrosen oder Fibromen) eingesetzt.

20

In folgendem Kapitel soll die Funktionsweise von Lasern, mit besonderem Blick

auf die Low-Level-Laser, und die Anwendung im Rahmen von

Nervenschädigungen erläutert werden. (Horch, 2006), (Hashmi, 2010) Eine

vollständige Darstellung von Funktionsweise, Effekt und Einsatzgebiet von Lasern

würde den Rahmen der Arbeit sprengen, deshalb werden hier nur die wichtigsten

Prinzipien dargestellt.

2.3.2.1 Funktionsweise von Lasern

Bei der spontanen Emission kehren Elektronen angeregter Atome spontan in den

Grundzustand zurück. Wird jedoch ein angeregtes Atom von einem energetisch

geeigneten (identischen) Photon getroffen, erfolgt eine Beschleunigung der

spontanen Emission, also eine Stimulierung. Das auftreffende Photon bleibt dabei

erhalten und das vorher zur Anregung des Atoms absorbierte Photon wird

zusätzlich freigesetzt. Dieser Vorgang wird als induzierte Emission von Strahlung

bezeichnet. Diese beiden Photonen besitzen die gleiche Energie und daher die

gleiche Wellenlänge/Frequenz und werden als Laserlicht bezeichnet. Daraus und

aus der Tatsache, dass die emittierten Lichtquanten die gleiche Phase, Richtung

und Polarisation wie die auslösende Welle besitzen, kann Laserlicht als

monochromatisch sowie zeitlich und räumlich kohärent bezeichnet werden.

Darüber hinaus ist die Laserstrahlung kollimiert, weitet sich also auch über große

Distanzen kaum auf. Laser sind die einzige Lichtquelle, bei der alle genannten

Qualitäten gleichzeitig vorhanden sind.

Folgende Laser sind für medizinische Anwendungen von Bedeutung:

Festkörperlaser wie Erbium-YAG-Laser

Gaslaser (z.B. Argon-, CO2, Helium-Neon Laser)

Flüssigkeitslaser

Diodenlaser

Aus dieser Vielfalt von Lasern, ergeben sich auch die unterschiedlichen

biologischen Wirkungen und die unterschiedlichen Einsatzgebiete. (Horch, 2006)

21

2.3.2.2 Wirkung auf Gewebe

Die Wirkung auf biologisches Material wird als Biostimulation bezeichnet. Hierbei

gelten die Mitochondrien der eukaryoten Zelle als Hauptangriffspunkt für die

Laserstrahlung. Es kommt, je nach Stärke und Dauer der Bestrahlung, durch

Bildung von Sauerstoffradikalen, zu einer Destruktion, die zum Absterben der

Zelle führen kann. Bei geringer Leistung, wie bei Low-Level-Lasern, kommt es

jedoch zu einer Stimulation der Atmungskette, was folglich zu einer erhöhten

Zellproliferation führt. (Konopka, 2006)

Bezüglich der Wirkung auf Nervengewebe konnte in einigen Studien ein positiver

Effekt auf die Regeneration nach Schädigungen peripherer Nerven nachgewiesen

werden. Sowohl im Tierversuch an Ratten (Untersuchung am Unterschenkel), wie

auch in Studien an Menschen nach Eingriffen am Unterkiefer

(Weisheitszahnentfernung, Umstellungsosteotomien) wurde gezeigt, dass die

geschädigten Nerven schneller regenerieren und sowohl das subjektive

Empfinden (Parästhesien), wie auch die objektiven Befunde

(Nervenleitgeschwindigkeit, mikroskopische Untersuchungen) im Vergleich zu den

nicht mit Laserlicht behandelten Probanden signifikant besser waren. (Gasperini,

2014), (Ozen, 2006), (Wang, 2014)

2.3.2.3 Anwendung in der Zahnheilkunde

Wie schon erwähnt, sind die Anwendungsmöglichkeiten von Lasern in der

Zahnmedizin zahlreich. Der Einsatz ist jedoch nach wie vor nicht sehr verbreitet,

obwohl die Patientenakzeptanz für Laserbehandlungen generell, und im

Speziellen für die praktisch schmerzlose Low-Level-Lasertherapie, sehr hoch ist.

Das Einsatzgebiet des chirurgischen Lasers erstreckt sich von der Behandlung

von Schleimhautläsionen bis hin zur Knochenchirurgie. Bei Tumorerkrankungen,

kann nicht nur die Resektion mittels Laser erfolgen, es besteht auch die

Möglichkeit der Nachbehandlung mittels Laser in Kombination mit einem

Photosensitizer.

22

Ein wichtiger Punkt ist die Wirkung von Lasern auf den oralen Biofilm. Der

antimikrobielle Effekt konnte in Studien nachgewiesen werden und findet in der

Parodontologie, der Endodontologie und generell in der Zahnerhaltungskunde

seine Einsatzgebiete. Ebenso ist die Anwendung bei frei liegendem Knochen, im

Rahmen einer Osteonekrose, zur Keimreduktion möglich.

Für die vorliegende Arbeit ist die Wirkung von Laserbehandlungen auf Nerven von

besonderem Interesse. Es liegen bereits Studien vor, bei der postoperative

Sensibilitätsstörungen durch Bestrahlung mit Low-Level-Lasern behandelt und mit

Plazebogruppen verglichen wurden.

Es konnte nachgewiesen werden, dass die Langzeitergebnisse, bei den mit

Laserlicht behandelten Patienten, verglichen mit der Kontrollgruppe signifikant

besser waren. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Regeneration auch

schneller von statten ging. Ähnliche Ergebnisse konnten auch im Tierversuch

erzielt werden. (Horch, 2006), (Ozen, 2006), (Konopka, 2007), (Führer-Valdivia,

2014)

2.3.2.4 Operative Nervrekonstruktion

Kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen anatomischen Durchtrennung

eines Nervs, so kann die Kontinuität durch mikrochirurgische Naht

wiederhergestellt werden. Ziel ist es korrespondierende Nervenanteile möglichst

exakt wieder zu vereinen. Wird eine Durchtrennung diagnostiziert sollte eine

primäre Versorgung angestrebt werden. Das therapeutische Fenster schließt sich

nach 6 Monaten und bei Rekonstruktionen nach einem Jahr ist mit wesentlich

schlechteren Ergebnissen zu rechnen.

Unterschieden werden hierbei die epineurale Naht, bei der die Nähte in das

Epineurium gelegt werden und die perineurale oder faszikuläre Naht, die die

Vereinigung korrespondierender Faszikel zum Ziel hat.

Ist eine spannungsfreie Adaptation der Stümpfe möglich, so erfolgt eine End-zu-

End-Koaptation. Ist die Strecke zwischen den Nervenenden zu groß, so besteht

die Möglichkeit eines Interponats, wobei hier die autologe Transplantation des N.

suralis die häufigste Variante darstellt. (Hausamen, 2012)

23

2.3.2.5 Weitere Therapieoptionen

Als weitere Möglichkeiten in der Behandlung von Sensibilitätsstörungen sollen

noch die Gabe eines Vitamin-B Komplexes (Neurobion forte Dragees ©),

Akupunktur, sowie die Möglichkeit physikalischer Therapieformen (z.B. TENS –

Transkutane elektrische Nervenstimulation) genannt werden.

3 Material und Methoden

3.1 Einleitung

Die vorliegende Diplomarbeit beruht auf einer Studie, die im Rahmen der

Diplomarbeit von Cand. Med. Dent. (CMD) Dominik Kölbl aus dem Jahr 2010

begonnen wurde. Demzufolge finden sich im Kapitel Material und Methoden

entsprechende Parallelen zur Arbeit von CMD Kölbl, da die durchgeführten

Untersuchungen durch das Studiendesign vorgegeben waren.

3.2 Planung der klinischen Studie

Die Planung der Studie zur Behandlung von postoperativen Sensibilitätsstörungen

nach oralchirurgischen Eingriffen erfolgte am Department für orale Chirurgie und

Radiologie der Universitätszahnklinik für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde Graz

im Jahr 2009. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema

Sensibilitätsstörungen und nach Sichtung aktueller Literatur zum Thema wurde ein

detailliertes Studienprotokoll erarbeitet und von der Ethikkommission Graz (EK-21-

03 ex 09/10) bewilligt. Der ursprüngliche Plan einer Pilotstudie wurde von der

Ethikkommission abgelehnt und nach genauer Fallzahnschätzung und

neuerlichem Votum der Ethikkommission, eine großangelegte Studie gestartet.

Das positive Votum der Ethikkommission Graz erfolgte im April 2010.

24

Die gegenständliche Studie fällt aufgrund einer notwendigen

Medikamenteneinnahme unter das Arzneimittelgesetzt. So wurde bei der

Studienplanung der Schutz von Kindern und Schwangeren, mögliche

Medikamentenneben- und Wechselwirkungen besonders berücksichtigt.

Nach oralchirurgischen Eingriffen werden standardmäßig NSAR (Nichtsteroidale

Antirheumatika) und häufig Antibiotika verschrieben. Vor allem NSAR erhöhen in

Kombination mit Steroiden die Wahrscheinlichkeit für Gastrointestinale Blutungen.

Es wurde gemäß §32 Abs. 1 Z.11 und Z.12 und Abs. 2des Arzneimittelgesetztes

(AMG) und der §§47 und 48 des Medizinproduktegesetz (MPG) eine Versicherung

abgeschlossen. Im vorliegenden Fall erfolgte dies bei der Wiener Städtischen

Allgemeinen Versicherungs-AG. Im Falle von durch die Studie entstandenen

gesundheitlichen Schäden hätten die Studienteilnehmer dort ihre Ansprüche

geltend machen können.

3.3 Studiendesign

Ab Mai 2010 wurde in einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten,

monozentrischen, offenen klinischen Studie die Wirkung von Prednisolon auf

postoperative Sensibilitätsstörungen geprüft. Die mit dieser Methode behandelten

Patienten sind der Testgruppe zugeteilt. Zur besseren Objektivierbarkeit erfolgte

die Behandlung einer Kontrollgruppe mittels Softlasertherapie. Die Zuteilung der

Patienten zur entsprechenden Gruppe erfolgte mit dem Randomizer for clinical

trials Computer-Zufallsprogramm. Dieses Programm wurde vom Institut für

medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation der Medizinischen

Universität Graz zur Randomisierung entworfen und zur Verfügung gestellt.

Folgende Einschlusskriterien wurden für die Teilnahme an der Studie festgelegt:

- männlich und weiblich

- Alter > 18 Jahren

- unauffälliger Allgemeinzustand

- alle Patienten, bei denen im Rahmen der postoperativen Kontrolle eine

Sensibilitätsstörung diagnostiziert wird (max. 1 Woche postoperativ)

25

Eine Teilnahme an der Studie wurde durch folgende Ausschlusskriterien

verhindert:

- Systemmykosen, Impfungen mit Lebendimpfstoffen, länger bestehende

Ulcera, schwere Osteoporose, schwere Myopathien, psychiatrische

Anamnese, akute Virosen, aktive Herpes, Glaukom, Poliomyelitis,

Lymphadenitis nach BCG-Impfung

- Minderjährige (Alter <18 Jahren)

- Schwangere

- alle Patienten, bei denen erst nach über 1 Woche post. OP

Sensibilitätsstörungen diagnostiziert werden.

3.4 Studienablauf

3.4.1 Diagnosestellung

Sind postoperative Sensibilitätsstörungen aufgetreten erfolgte zu Beginn die

Erhebung des Erstbefundes. Vorzugsweise erfolgte dies bei der Kontrolle am 1.

postoperativen Tag, jedoch auf jeden Fall in der 1. postoperativen Woche damit

die Kriterien des Studienprotokolls erfüllt wurden. Dies galt auch für PatientInnen,

die von Extern zugewiesen wurden. In einem Befunderhebungsbogen, der für die

Studie designt wurde, erfolgte die Dokumentation folgender Daten und Parameter:

Patient (Name, Geburtsdatum)

OP-Datum

Operateur

Datum / Untersucher bei Erstbefund

Betroffener Nerv

Art des durchgeführten Eingriffs

Therapieform (Prednisolon / Softlaser)

Spitz / Stumpf Untersuchung (mit spitzer Sonde)

Light touch Test (mit Stieltupfer)

Two point discrimination (mit Schiebelehre)

Vitalitätstest Unterkiefer (mit CO² Schnee)

26

Dadurch wurden Art, Umfang und Ausmaß der Sensibilitätsstörung erhoben und

als Basis für die vergleichenden Untersuchungen im Rahmen der Therapie

herangezogen. Die damit erhobenen Nervsensationsmuster wie Anästhesie,

Hypästhesie, Parästhesie oder Hyperästhesie dienten als Parameter zur

Orientierung am Therapieerfolg. Die erhobenen Daten wurden ebenfalls in eine

EDV-Datenbank übertragen und gespeichert. Abbildung 3 zeigt das für die Studie

designte Schema.

Abbildung 3: Studienschema leer

3.4.2 Aufklärung

Für die Teilnahme an der Studie musste zunächst eine postoperative

Sensibilitätsstörung eindeutig diagnostiziert werden. Danach wurden die

PatientInnen hinsichtlich der Ein- und Ausschlusskriterien überprüft. Anschließend

erfolgte die Aufklärung in einem Gespräch mit einem der zuständigen

PrüfärztInnen. Zusätzlich bekam jede/r PatientIn einen eigens für die Studie

konzipierten Informations- und Aufklärungsbogen. Dieser wurde so gestaltet, dass

die relevanten Informationen und Risiken auch für einen Laien verständlich sind.

Die Teilnahme an der Studie musste von den PatientInnen unterzeichnet werden,

konnte jedoch von Seiten der/des PatientInen jederzeit, ohne Angabe von

27

Gründen, widerrufen werden ohne, dass ihm dadurch Nachteile in der weiteren

Behandlung entstünden. Damit es zu keiner Verfälschung der Ergebnisse

kommen konnte, war es den PatientInen untersagt, während der laufenden

Behandlung und Kontrollen noch an weiteren klinischen Studien teilzunehmen.

Sollte es zu unerwarteten Problemen während der Therapie kommen waren die

Patienten angehalten sich sofort an den zuständigen Prüfarzt zu wenden.

3.4.3 Randomisierung

Die Zuteilung der PatientInen zur jeweiligen Gruppe (Test- oder Kontrollgruppe)

erfolgte nach der schriftlichen Einwilligung des Patienten durch den Randomizer

for clinical trials. Dieses Computerprogramm wurde von der Medizinischen

Universität Graz eigens zur Randomisierung entwickelt und kann von berechtigten

Personen an jedem Computer mit Internetzugang verwendet werden. Nach der

Zuteilung wurde jedem Patienten seine entsprechende Therapie mitgeteilt und am

Studienprotokoll vermerkt. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist im Rahmen der

Zuteilung ein Schwangerschaftstest durchgeführt worden. Ein positiver Test stellte

ein Ausschlusskriterium dar.

3.4.4 Therapeutische Intervention

3.4.4.1 Testgruppe (Prednisolon)

Der Testgruppe wurde eine Low-dose-Corticoidtherapie in Form von Prednisolon 5

mg Tabletten verabreicht. Folgendes Schema wurde angewandt:

1. Tag: 20 mg

2. Tag: 10 mg

3. Tag: 5 mg

4. Tag: 5 mg

Die Verabreichung der ersten Dosis erfolgte direkt in der Ambulanz durch den

zuständigen Arzt. Die restlichen Tabletten wurden der/dem PatientInen, nach

exakter Erläuterung der Dosierung, nach Hause mitgegeben. Um eine

28

Fehleinnahme auszuschließen wurde den PatientInnen zusätzlich eine exakte

Dosierungsrichtlinie ausgehändigt,

3.4.4.2 Kontrollgruppe (Softlaser)

In den ersten 2 Wochen nach Diagnosestellung wurden die PatientInnen der

Kontrollgruppe im betroffenen Gebiet mittels Softlaser bestrahlt. Dies erfolgte nach

Schema oberflächlich für jeweils 90 Sekunden. Insgesamt wurden in diesen 2

Wochen 6 Bestrahlungen (3 pro Woche, Tag 1, 3, 5 in der ersten Woche, Tag 8,

10 und 12 in der zweiten Woche) durchgeführt. Die Bestrahlung erfolgte mit einem

75mW GaA1As Diodenlaser der Firma Helbo (Grieskirchen, OÖ) mit einer

definierten Wellenlänge von 680 nm.

3.4.5 Kontrolluntersuchungen

Das Protokoll sieht zur Dokumentation des Verlaufs der Sensibilitätsstörung

Kontrolluntersuchungen in einem exakten Intervall vor. Die Zeitpunkte waren

sowohl für die Testgruppe, als auch für die Kontrollgruppe ident.

4 Tage post OP / nach Diagnosestellung

1 Woche post OP / nach Diagnosestellung

2 Wochen post OP / nach Diagnosestellung

3 Monate post OP / nach Diagnosestellung

Als Schema für die Kontrolluntersuchungen diente Dasselbe wie für die

Erstbefunderhebung. Somit ist es möglich eine statistische Auswertung

durchzuführen.

3.5 Fallzahlschätzung

Um eine optimale Aussagekraft für die durchgeführte Studie zu erhalten, bei der

eine Verbesserung von 15% durch die zu untersuchende Methode angenommen

wurde, wurden pro Gruppe 76 Personen benötigt. Diese Zahl ergab sich aus

statistischen Berechnungen, die bestehende Daten des Departments für orale

29

Chirurgie über die Verlaufsdokumentation von Sensibilitätsstörungen mit

einbezogen. Ausgehend von der Annahme, dass der Spitz- / Stumpf-Test als

Hauptkriterium für die Beurteilung der Verbesserung innerhalb der ersten 2

Wochen nach Diagnosestellung dient und bei der konventionellen

Softlasertherapie 80% der untersuchten Patienten eine Beschwerdefreiheit

erreichten, wurde für die zu Prüfende Methode eine 95%ige Beschwerdefreiheit

angestrebt.

Die Berechnung der Fallzahlschätzung wurde von Frau DI Irene Mischak mit Hilfe

der „n-Query“ Software durchgeführt.

3.6 Testverfahren bei der Diagnose von Sensibilitätsstörungen

Es wurden in das Studienprotokoll insgesamt 4 Testverfahren zur Diagnostik von

Sensibilitätsstörungen aufgenommen. Wichtig dabei war, dass die durchgeführten

Tests einfach und kostengünstig durchzuführen sind und diese auch im

niedergelassenen Bereich anwendbar sind. Die Durchführung sämtlicher Tests bei

allen Terminen (Erstbefunderhebung und Kontrolluntersuchungen) ist

Voraussetzung für eine optimale Aussagekraft der Studie.

3.6.1 Spitz / Stumpf Untersuchung

Als wichtigster Test ist die Spitz-/ Stumpf- Untersuchung zu nennen. Diese kann

einfach durchgeführt und leicht reproduziert werden. Sie bietet einen schnellen

und dennoch guten Überblick über das Ausmaß der Sensibilitätsstörung. Hierbei

wird mit einer spitzen zahnärztlichen Sonde auf spitze bzw. stumpfe

Empfindungen untersucht. Für die durchgeführte Studie wurde eigens ein Schema

entwickelt, welches das zu untersuchende Gebiet in insgesamt 46 Raster

unterteilte. Zur Abstufung dienen 4 Sensationen, welche mit Kleinbuchstaben (a,

b, c, d,) bezeichnet werden.

30

a: keine Sensibilität

b: herabgesetzte Sensibilität

c: gesteigerte Sensibilität

d: normale Sensibilität

Die im Schema notierten Werte werden im Anschluss in eine EDV-Datenbank

übertragen und statistisch ausgewertet.

3.6.2 Light touch Test

Eine ebenso einfach durchzuführende Methode ist der Light touch Test. Hierbei

wird ein weicher Stieltupfer mit zart-streichenden Abrollbewegungen über den

oben genannten Raster geführt. Der/die PatientIn kann hierbei zwischen 5

Abstufungen der Gefühlswahrnehmung wählen, welche mit römischen Ziffern

bezeichnet werden.

I: keine Sensibilität

II: herabgesetzte Sensibilität

III: reduzierte Sensibilität

IV: fast normale Sensibilität

V: volle Sensibilität

Die Dokumentation erfolgt analog zum Spitz-/ Stumpf Test.

3.6.3 Two point discrimination

Diese Methode untersucht die Strecke, ab der zwei Punkte vom/von der PatientIn

unabhängig voneinander gespürt werden können. Gemessen wird der Abstand

zwischen den Punkten mit einer Schiebelehre (Züricher Modell). Als Normwert

werden 2 mm angenommen.

31

3.6.4 Vitalitätstestung

Als vierter Test wurde die Vitalität (genauer Sensibilität) der Unterkieferzähne

erhoben. Die Testung erfolgt an jedem einzelnen Zahn mittels Kohlensäureschnee

(CO2-Schnee). Bei Verletzungen des N. alveolaris inferior mit Sensibilitätsstörung

kann die Reaktion der Zähne auf Kälte pathologisch gestört sein. Hierbei werden

folgende Reaktionen unterschieden (Dokumentation mittels Kleinbuchstaben a, b,

c, d)

a: keine Vitalität

b: herabgesetzte Vitalität

c: gesteigerte Vitalität

d: normale Vitalität

Wichtig bei diesem Test ist die vorherige röntgenologische Diagnostik, da

wurzelbehandelte Zähne, oder Zähne mit einer apikalen Aufhellung keine normale

Vitalität besitzen und dementsprechend dokumentiert (w) werden müssen. Ebenso

müssen im Schema fehlende Zähne (x) eingetragen werden.

3.7 Ressourcen

Alle für die Studie benötigten Gerätschaften und die personellen Ressourcen

mussten vom Department für orale Chirurgie ohne zusätzliche Mittel zur

Verfügung gestellt werden. Aufgrund der hohen Patientenfrequenz im laufenden

Betrieb sind die personellen Mittel eingeschränkt und es konnte auf die

Terminwünsche der PatientInnen nur bedingt eingegangen werden. Um möglichst

exakte Ergebnisse zu erhalten, ist die Durchführung der Kontrolluntersuchungen

einigen wenigen Mitarbeitern vorbehalten, die im Umgang mit der Befunderhebung

versiert sind. Der Primärbefund samt Aufklärung und Einleitung der Therapie

musste in der allgemeinen Ambulanz erfolgen.

32

3.8 Patientenbeispiel

Um den Ablauf der Studie anschaulich zu machen und einen beispielhaften

Verlauf darzustellen soll vor der statistischen Auswertung noch ein

Patientenbeispiel gezeigt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird beim

Patientenbeispiel nur der Spitz / Stumpf Test als Hauptkriterium dargestellt.

Patient: K.S. 23 Jahre, weiblich

- St.p. RZE 38

- Betroffener Nerv: Nervus lingualis

- OP Datum: 13.07.2010

- Datum des Primärbefundes: 14.07.2010

- Randomizer for clinical trials: Testgruppe (Prednisolon)

Die Symbole des Diagnoseschemas (Kleinbuchstaben, römische und arabische

Ziffern) sind zur besseren Übersicht farblich codiert.

3.8.1.1 Primärbefund, Spitz / Stumpf Test

a keine Sensibilität

b herabgesetzte Sensibilität

c gesteigerte Sensibilität

d normale Sensibilität

33

Abbildung 4: Patientenbeispiel Primärbefund

Nach der Diagnosestellung und erheben des Primärbefundes wurde die Patientin

ausführlich über die Teilnahme an der Studie aufgeklärt. Neben der mündlichen

Aufklärung wurde der Patientin eine Dosierungsrichtlinie ausgehändigt, in der die

Details für die korrekte Einnahme aufgeführt sind.

Am letzten Tag der Medikamenteneinnahme wurde die 1. Kontrolluntersuchung

durchgeführt um erste Tendenzen im Heilungsverlauf zu dokumentieren.

3.8.1.2 1. Kontrolluntersuchung (4 Tage p. Diagn.), Spitz / Stumpf Test

Im Vergleich zum Primärbefund zeigten sich nur geringe Veränderungen.

Insgesamt zeigte die gleiche Anzahl von Testpunkten eine Abweichung von der

Norm.

34

Abbildung 5: 1. Kontrolluntersuchung

3.8.1.3 2. Kontrolluntersuchung (1 Wo. p. Diagn.), Spitz / Stumpf Test

Bei der zweiten Kontrolluntersuchung zeigten bereits 4 der 11 beteiligten

Testpunkte wieder normale Sensibilität.

Abbildung 6: 2. Kontrolluntersuchung

3.8.1.4 3. Kontrolluntersuchung (2 Wo. p. Diagn.), Spitz / Stumpf Test

Schon bei der Kontrolluntersuchung nach 2 Wochen war die normale Sensibilität

bis auf 3 Testpunkte wieder hergestellt.

35

Abbildung 7: 3. Kontrolluntersuchung

4 Ergebnisse

4.1 Statistische Auswertung

Insgesamt konnten 27 PatientInnen (15 in der Testgruppe und 12 in der

Kontrollgruppe) ausgewertet werden, die an der klinischen Studie teilgenommen

haben. Die Eingriffe, nach denen eine Sensibilitätsstörung aufgetreten ist, gehören

allesamt zu oralchirurgischen Routineeingriffen. Lediglich bei einem Patienten, der

von einem niedergelassenen Kollegen zugewiesen wurde, trat die

Sensibilitätsstörung durch eine Mundbodenverletzung mit einem rotierenden

Instrument im Rahmen einer konservierenden zahnärztlichen Tätigkeit auf.

Insgesamt konnten bei den Patienten 18 Weisheitszahnentfernungen (70,4%), 4

Wurzelspitzenresektionen (14,8%), eine RZE im Prämolarenbereich (3,7%), eine

Implantation (3,7%), eine Zystektomie (3,7%), sowie die oben erwähnte

Mundbodenverletzung (3,7%) als ursächlicher Eingriff erhoben werden.

36

Eingriff Patienten

Weisheitszahnentfernung 18 70, 4 %

Wurzelspitzenresektion 4 14,8 %

RZE Prämolarenbereich 1 3,7%

Implantation 1 3,7 %

Zystektomie 1 3,7 %

Mundbodenverletzung 1 3,7%

Tabelle 2: Verteilung nach Eingriffen

Der Nervus alveolaris inferior war ebenso wie der Nervus lingualis bei 13

Patienten der betroffene Nerv. Bei einem Patienten waren beide Nerven von

Sensibilitätsstörungen betroffen.

Nerv Patienten

Nervus alveolaris inf. 13 48,1 %

Nervus lingualis 13 48,1 %

N. alv. inf. und N. ling. 1 3,8 %

Tabelle 3: Betroffene Nerven

Die ausgewerteten Daten repräsentieren den Primärbefund, sowie die dritte

Kontrolluntersuchung (2 Wochen nach Diagnosestellung) aus den Spitz / Stumpf

Untersuchungen und dem Light touch Test. Der Gesamtverlauf wird ebenso

tabellarisch dargestellt. Sämtliche Werte beziehen sich auf 15 PatientInnen der

Testgruppe (Prednisolon), die die zu untersuchende Methode repräsentieren und

12 PatientInnen aus der Kontrollgruppe (Softlaser). Die vorliegenden Daten

wurden anschließend graphisch aufbereitet.

4.2 Statistische Auswertung Prednisolon

15 der 27 PatientInnen (das sind 55,6 % der PatientInnen) wurden der Testgruppe

zugeteilt.

37

4.2.1 Spitz / Stumpf Test

Bei den PatientInnen dieser Gruppe zeigten sich von den 46 Testpunkten beim

Primärbefund bei der Spitz / Stumpf Untersuchung im Mittelwert 3,1 Punkte ohne

Sensibilität, 5,7 Punkte mit herabgesetzter Sensibilität und 37,1 Punkte mit

normaler Sensibilität. Kein/e PatientIn

in dieser Gruppe gab eine gesteigerte

Sensibilität an. Bei der 3.

Kontrolluntersuchung gaben die

Patienten im Mittelwert 0,0 Punkte

ohne Sensibilität, 3,9 Punkte mit

herabgesetzter Sensibilität und 41,4

Punkte mit normaler Sensibilität. Der

Gesamtverlauf ist in Tabelle 4 und in

Abbildung 8 dargestellt.

Abbildung 8: Cortison: Spitz/Stumpf

3,1

1,6

1,4

5,7

5,0

5,4

3,9 0,7

37,1

39,3

39,2

41,4

Termin 1

Termin 2

Termin 3

Termin 4

Sensibilität: Spitz/Stumpf Medikamentös keine herabgesetzt gesteigert normal

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw.

1 keine 3,1 3,5

herabgesetzt 5,7 3,6

gesteigert 0,0 0,0

normal 37,1 3,3

2 keine 1,6 3,2

herabgesetzt 5,0 3,9

gesteigert 0,1 0,3

normal 39,3 4,2

3 keine 1,4 2,7

herabgesetzt 5,4 3,8

gesteigert 0,0 0,0

normal 39,2 4,6

4 keine 0,0 0,0

herabgesetzt 3,9 2,5

gesteigert 0,7 1,9

normal 41,4 3,7

Tabelle 4: Cortison: Spitz/Stumpf Test

38

4.2.2 Light touch Test

Beim Light touch Test wurden für die

PatientInnen der Testgruppe folgende

Mittelwerte beim Primärbefund

erhoben: 1,6 Punkte ohne Sensibilität,

2,1 Punkte mit fast keiner Sensibilität,

4,2 Punkte mit reduzierter Sensibilität,

sowie 1,6 Punkte mit fast normaler

Sensibilität und 36,5 Punkte mit voller

Sensibilität.

Die Werte der 3. Kontrolluntersuchung

zeigten im Mittelwert 0,0 Punkte ohne Sensibilität, 0,4 Punkte mit fast keiner

Sensibilität, 1,0 Punkte mit reduzierter Sensibilität, sowie 3,1 Punkte mit fast

normaler Sensibilität und 41,4 Punkte mit voller Sensibilität.

In Tabelle 6 sind die vollständigen Daten für den Light Touch Test der Testgruppe

aufgeführt, Abbildung 9 zeigt die entsprechende Verteilung.

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw.

1 I: keine 1,6 1,8

II: fast keine 2,1 2,7

III: reduziert 4,2 3,6

IV: fast normal

1,6 2,2

V: voll 36,5 2,0

2 I: keine 0,9 2,1

II: fast keine 1,5 2,6

III: reduziert 2,7 3,2

IV: fast normal

1,7 2,7

V: voll 39,1 4,0

3 I: keine 0,4 1,3

II: fast keine 0,8 1,4

III: reduziert 2,4 3,6

IV: fast normal

1,9 2,6

V: voll 40,5 4,3

4 I: keine 0,0 0,0

II: fast keine 0,4 0,8

III: reduziert 1,0 1,9

IV: fast normal

3,1 2,3

V: voll 41,4 2,8

Tabelle 5: Cortison: Light touch test

39

Abbildung 9: Cortison: Light touch

4.3 Statistische Auswertung Softlaser

12 der 27 PatientInnen (das entspricht 44,4 % der Studienteilnehmer) wurden

mittels LLLT nach Protokoll therapiert.

4.3.1 Spitz / Stumpf Test

Bei den PatientInnen dieser Gruppe zeigten sich von den 46 Testpunkten beim

Primärbefund bei der Spitz / Stumpf Untersuchung im Mittelwert 4,7 Punkte ohne

Sensibilität, 6,5 Punkte mit herabgesetzter Sensibilität und 34,8 Punkte mit

normaler Sensibilität. Kein/e PatientIn in dieser Gruppe gab eine gesteigerte

Sensibilität an. Bei der 3. Kontrolluntersuchung gaben die Patienten im Mittelwert

0,3 Punkte ohne Sensibilität, 3,0 Punkte mit herabgesetzter Sensibilität und 41,3

Punkte mit normaler Sensibilität. Der Gesamtverlauf ist in Tabelle 6 und in

Abbildung 10 dargestellt.

1,6

0,9

0,4

2,1

1,5

0,8

0,4

4,2

2,7

2,4

1,0

1,6

1,7

1,9

3,1

36,5

39,1

40,5

41,4

Termin 1

Termin 2

Termin 3

Termin 4

Light touch Test Medikamentös

keine fast keine reduziert fast normal voll

40

Abbildung 10: Softlaser: Spitz/Stumpf

4.3.2 Light touch Test

Beim Light touch Test wurden folgende Mittelwerte beim Primärbefund (Termin 1)

erhoben: 2,9 Punkte ohne Sensibilität, 2,6 Punkte mit fast keiner Sensibilität, 4,1

Punkte mit reduzierter Sensibilität, sowie 1,9 Punkte mit fast normaler Sensibilität

und 34,5 Punkte mit voller Sensibilität.

4,7

4,9

1,1

6,5

5,4

8,1

3,0 1,5

34,8

35,7

36,8

41,3

Termin 1

Termin 2

Termin 3

Termin 4

Sensibilität: Spitz/Stumpf Laser keine herabgesetzt gesteigert normal

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw.

1 keine 4,7 4,5 herabgesetzt 6,5 3,8 gesteigert 0,0 0,0 normal 34,8 3,9

2 keine 4,9 4,7 herabgesetzt 5,4 5,3 gesteigert 0,0 0,0 normal 35,7 6,4

3 keine 1,1 1,5 herabgesetzt 8,1 6,5 gesteigert 0,0 0,0 normal 36,8 6,4

4 keine 0,3 0,5 herabgesetzt 3,0 2,9 gesteigert 1,5 3,0 normal 41,3 4,0

Tabelle 6: Softlaser: Spitz/Stumpf

41

Die Werte der 3. Kontrolluntersuchung

(Termin 4) zeigten im Mittelwert 0,0

Punkte ohne Sensibilität, 1,5 Punkte

mit fast keiner Sensibilität, 4,3 Punkte

mit reduzierter Sensibilität, sowie 5,5

Punkte mit fast normaler Sensibilität

und 34,8 Punkte mit voller Sensibilität

für die Patienten der Kontrollgruppe.

In Tabelle 7 sind die vollständigen

Daten für den Light Touch Test der

Kontrollgruppe aufgeführt, Abbildung

11 zeigt die entsprechende Verteilung.

Abbildung 11: Softlaser: Light touch

2,9

2,1

2,0

2,6

2,4

2,6

1,5

4,1

2,5

2,6

4,3

1,9

2,5

2,8

5,5

34,5

36,5

36,0

34,8

Termin 1

Termin 2

Termin 3

Termin 4

Light touch: Laser

keine fast keine reduziert fast normal voll

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw.

1 I: keine 2,9 4,2

II: fast keine 2,6 2,1

III: reduziert 4,1 3,8

IV: fast normal

1,9 2,9

V: voll 34,5 6,2

2 I: keine 2,1 3,1

II: fast keine 2,4 2,8

III: reduziert 2,5 2,8

IV: fast normal

2,5 3,2

V: voll 36,5 7,0

3 I: keine 2,0 2,8

II: fast keine 2,6 3,5

III: reduziert 2,6 3,1

IV: fast normal

2,8 4,7

V: voll 36,0 6,8

4 I: keine 0,0 0,0

II: fast keine 1,5 1,3

III: reduziert 4,3 4,6

IV: fast normal

5,5 7,8

V: voll 34,8 12,0

Tabelle 7: Softlaser: Light touch

42

4.4 Gesamtauswertung

4.4.1 Spitz / Stumpf

Die Auswertung des Spitz / Stumpf Test für beide Gruppen zeigt im Mittelwert

beim Primärbefund (Termin 1) 3,8 Punkte ohne Sensibilität (3,1 Testgruppe, 4,7

Kontrollgruppe), 6,1 Punkte mit herabgesetzter Sensibilität (5,7 Testgruppe, 6,5

Kontrollgruppe), 36,1 Punkte mit normaler Sensibilität (37,1 Testgruppe, 43,8

Kontrollgruppe) und 0 Punkte mit gesteigerter Sensibilität. Bei der dritten

Kontrolluntersuchung (Termin 4) waren lediglich 0,1 Punkte ohne Sensibilität (0

bei der Testgruppe, 0,3 bei der Kontrollgruppe), herabgesetzte Sensibilität zeigte

sich bei 1,0 Punkten (3,9 Testgruppe, 3,0 Kontrollgruppe), 41,4 Punkte mit

normaler Sensibilität (Testgruppe 41,4, Kontrollgruppe 41,3) und 1 Punkt mit

gesteigerter Sensibilität (Testgruppe 0,7, Kontrollgruppe 1,5). Die

Gesamtübersicht aller Untersuchungstermine zeigt Tabelle 8. Abbildung 12 zeigt

die Test- und Kontrollgruppe im Vergleich.

gesamt Laser Medikamentös

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw. Mittelwert Standardabw. Mittelwert Standardabw.

1 keine 3,8 4,0 4,7 4,5 3,1 3,5

herabgesetzt 6,1 3,6 6,5 3,8 5,7 3,6

gesteigert 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

normal 36,1 3,7 34,8 3,9 37,1 3,3

2 keine 2,8 4,1 4,9 4,7 1,6 3,2

herabgesetzt 5,2 4,4 5,4 5,3 5,0 3,9

gesteigert 0,0 0,2 0,0 0,0 0,1 0,3

normal 38,0 5,3 35,7 6,4 39,3 4,2

3 keine 1,3 2,2 1,1 1,5 1,4 2,7

herabgesetzt 6,6 5,2 8,1 6,5 5,4 3,8

gesteigert 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

normal 38,1 5,5 36,8 6,4 39,2 4,6

4 keine 0,1 0,3 0,3 0,5 0,0 0,0

herabgesetzt 3,5 2,6 3,0 2,9 3,9 2,5

gesteigert 1,0 2,2 1,5 3,0 0,7 1,9

normal 41,4 3,6 41,3 4,0 41,4 3,7

Tabelle 8: Gesamt: Spitz / Stumpf

43

Abbildung 12: Gesamt: Spitz / Stumpf

4.4.2 Light touch Test

Die Gesamtauswertung für den Light touch Test zeigte für den Primärbefund

(Termin 1) im Mittelwert 2,2 Punkte ohne Sensibilität (1,6 Testgruppe, 2,9

Kontrollgruppe, 2,3 Punkte mit fast keiner Sensibilität (2,7 Testgruppe, 2,1

Kontrollgruppe), 4,1 Punkte mit reduzierter Sensibilität (4,1 Testgruppe, 4,1

Kontrollgruppe), 1,7 Punkte mit fast normaler Sensibilität (1,6 Testgruppe, 1,9

Kontrollgruppe) und 35,6 Punkte mit voller Sensibilität (36,5 Testgruppe, 34,5

Kontrollgruppe). Bei der dritten Kontrolluntersuchung (Termin 4) zeigten sich im

Mittelwert 0 Punkte ohne Sensibilität, 0,8 mit fast keiner Sensibilität (Testgruppe

0,4, Kontrollgruppe 1,5), 2,2 Punkte mit reduzierter Sensibilität (Testgruppe 1,

Kontrollgruppe 4,3), 4 Punkte mit fast normaler Sensibilität (Testgruppe 3,1,

Kontrollgruppe 5,5) und 39 Punkte mit voller Sensibilität (Testgruppe 41,4,

Kontrollgruppe 34,8) Tabelle 9 zeigt die Übersucht aller vier

4,7

3,1

4,9

1,6

1,1

1,4

0,3

6,5

5,7

5,4

5,0

8,1

5,4

3,0

3,9

0,1

1,5

0,7

34,8

37,1

35,7

39,3

36,8

39,2

41,3

41,4

Termin 1, Laser

Termin 1, Medikamentös

Termin 2, Laser

Termin 2, Medikamentös

Termin 3, Laser

Termin 3, Medikamentös

Termin 4, Laser

Termin 4, Medikamentös

Sensibilität: Spitz/Stumpf Laser / Medikamentös keine herabgesetzt gesteigert normal

44

Untersuchungstermine, Abbildung 13 zeigt den grafischen Vergleich der Test- und

Kontrollgruppe.

gesamt Laser Medikamentös

Termin Sensibilität Mittelwert Standardabw. Mittelwert Standardabw. Mittelwert Standardabw.

1 I: keine 2,2 3,1 2,9 4,2 1,6 1,8

II: fast

keine

2,3 2,4 2,6 2,1 2,1 2,7

III:

reduziert

4,1 3,6 4,1 3,8 4,2 3,6

IV: fast

normal

1,7 2,5 1,9 2,9 1,6 2,2

V: voll 35,6 4,4 34,5 6,2 36,5 2,0

2 I: keine 1,4 2,5 2,1 3,1 0,9 2,1

II: fast

keine

1,9 2,7 2,4 2,8 1,5 2,6

III:

reduziert

2,6 3,0 2,5 2,8 2,7 3,2

IV: fast

normal

2,0 2,9 2,5 3,2 1,7 2,7

V: voll 38,1 5,4 36,5 7,0 39,1 4,0

3 I: keine 1,1 2,2 2,0 2,8 0,4 1,3

II: fast

keine

1,6 2,7 2,6 3,5 0,8 1,4

III:

reduziert

2,5 3,3 2,6 3,1 2,4 3,6

IV: fast

normal

2,3 3,6 2,8 4,7 1,9 2,6

V: voll 38,5 5,8 36,0 6,8 40,5 4,3

4 I: keine 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

II: fast

keine

0,8 1,1 1,5 1,3 0,4 0,8

III:

reduziert

2,2 3,4 4,3 4,6 1,0 1,9

IV: fast

normal

4,0 4,8 5,5 7,8 3,1 2,3

V: voll 39,0 7,7 34,8 12,0 41,4 2,8

Tabelle 9: Gesamt Light Touch

45

Abbildung 13: Gesamt: Light touch

2,9

1,6

2,1

0,9

2,0

0,4

2,6

2,1

2,4

1,5

2,6

0,8

1,5

0,4

4,1

4,2

2,5

2,7

2,6

2,4

4,3

1,0

1,9

1,6

2,5

1,7

2,8

1,9

5,5

3,1

34,5

36,5

36,5

39,1

36,0

40,5

34,8

41,4

Termin 1, Laser

Termin 1, Medikamentös

Termin 2, Laser

Termin 2, Medikamentös

Termin 3, Laser

Termin 3, Medikamentös

Termin 4, Laser

Termin 4, Medikamentös

Light touch: Laser / Medikamentös

keine fast keine reduziert fast normal voll

46

5 Diskussion

Im Rahmen des Oralchirurgie Symposiums 2008, das von der

Arbeitsgemeinschaft für orale Chirurgie, Medizin und Radiologie veranstaltet

wurde, erfolgte die Anregung eine Studie zur Steroidgabe bei

Sensibilitätsstörungen nach oralchirurgischen Eingriffen durchzuführen.

Als Grundlage für die Studienplanung und die Erstellung des Studienprotokolls

wurde die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde aus dem Jahr 2003 herangezogen. Nach mehrmaliger

Überarbeitung des Studienprotokolls stellte die Ethikkommission Graz am 23. April

2010 letztendlich ein positives Votum.

Wie schon eingangs erwähnt war das Ziel der Studie ein für BehandlerIn und

PatientInnen einfaches Protokoll zur Diagnostik und Therapie von

Sensibilitätsstörungen zu erstellen. Da der Benefit für den/die PatientIn im

Vordergrund stehen sollte, wurde bewusst auf jegliche Unterstützung aus der

Industrie verzichtet und die gesamte Studie mit den vorhandenen Ressourcen

durchgeführt.

Leider war es nicht möglich, die in der Fallzahlschätzung angenommenen 76

PatientInnen pro Gruppe zu rekrutieren, sodass letztendlich insgesamt nur 27

PatientInnen (15 in der Testgruppe, 12 in der Kontrollgruppe) ausgewertet werden

konnten. Hauptgrund dafür ist die zum Glück geringe Zahl an postoperativen

Sensibilitätsstörungen an unserem Department. Darüber hinaus waren sicherlich

auch die häufigen Kontrolluntersuchungen und der Gesamtzeitraum der

Untersuchungen als Ursache für das geringe PatientInnenaufkommen zu sehen.

Ein Aspekt ist sicherlich auch die Tatsache, dass eine milde Sensibilitätsstörung

von den meisten Patienten gut toleriert wird. Von einigen PatientInnen wurde auch

in der Erwartung eines schnelleren Heilungsverlaufes die Kombination beider

Therapien gewünscht, auch diese lehnten die Teilnahme an der Studie ab.

Insgesamt wurden neben dem Primärbefund nur 3 Kontrolluntersuchungen

ausgewertet, da lediglich 2 PatientInnen zur vierten Kontrolluntersuchung

erschienen sind. Dies lässt den Rückschluss zu, dass zum Zeitpunkt der 4.

Kontrolle (3 Monate post operationem) die Sensibilitätsstörung nicht mehr

47

vorhanden war bzw. auf ein vom/von der PatientIn akzeptables Ausmaß verringert

hatte.

Weiters zeigten von den vier Untersuchungen nur der Spitz / Stumpf Test und die

Light touch Untersuchung eine entsprechende Aussagekraft. Kritisch zu bewerten

ist, dass die Durchführung des Light touch Test einige Unsicherheiten in sich birgt.

Die Probleme bei diesem Test liegen einerseits darin, dass die unterschiedlichen

Sensibilitäten dem/der PatientIn teils schwer zu erklären sind und

dementsprechend falsch angegeben werden können und andererseits, dass es

beinahe unmöglich ist immer denselben Anpressdruck bei der Untersuchung mit

dem Wattetupfer zu erzeugen. Bei der Two point discrimination konnten die

angegebenen Normwerte von 2 mm auch in den gesunden Arealen nur von

wenigen Patienten wahrgenommen werden. Hierbei hätte für jede/n PatientIn ein

eigener Normwert erhoben werden müssen. Auch altersabhängige Unterschiede

in der getrennten Wahrnehmung von zwei Punkten sind beschrieben. Diese

Problematik stellte sich jedoch erst sehr spät heraus und konnte

dementsprechend nicht mehr behoben werden. Hinzu kommt, dass es äußert

schwierig ist, die Werte im unübersichtlichen Bereich der Mundhöhle exakt zu

bestimmen, reproduzieren und zu dokumentieren.

Da bei Sensibilitätstestung mittels CO2 Schnee die Qualität und Quantität, sowie

der Eintritt der Sensorik äußerst subjektiv ist und dadurch keine lückenlose

Dokumentation erfolgen konnte, wurde von einer Auswertung dieses Tests

abgesehen.

Somit kann man sagen, dass der Spitz / Stump Test als die einzig valide

auswertbare Methode erscheint. Vergleicht man die Ergebnisse der Test- und

Kontrollgruppe zeigt sich für den Spitz / Stumpf Test, dass die Anzahl der Areale

mit normaler Sensibilität für die Testgruppe bei der 3. Kontrolluntersuchung bei

einem Mittelwert von 41,4 (von 46) und 41,3 (von 46) für die Kontrollgruppe quasi

ident sind. Ebenfalls gibt es keine signifikant Unterschiede beim Wirkungseintritt

der Therapien.

Der Light-touch Test ist insgesamt subjektiv und fehlerbelastet. Die

ausgewerteten Daten zeigen jedoch mit dem Spitz / Stumpf Test

übereinstimmende Ergebnisse.

48

Wenngleich sich kein signifikanter Unterschied in den Ergebnissen der beiden

Therapien zeigt muss man ganz klar festhalten, dass der zeitliche und finanzielle

Aufwand für Patient und Behandler bei der Softlasertherapie wesentlich höher ist

und somit die Behandlung von Sensibilitätsstörungen mit Glucocorticoiden einen

Vorteil bringt. Ein Nachteil zur Softlasertherapie konnte im Rahmen der Studie

nicht nachgewiesen werden. Bei vorhandenen Ressourcen und einer

entsprechenden PatientInnencompliance ist eine Behandlung mit dem Softlaser

vorstellbar, da dadurch eine systematische Medikamenteneinnahme vermieden

werden kann.

Interessant wäre auch die Untersuchung einer möglichen Spontanheilung von

Sensibilitätsstörungen. Diesbezüglich wäre eine Kontrollgruppe notwendig, die

eine Placebo Therapie (Placebo-Medikamente oder Placebo-Laser) enthält. Somit

könnte die spontane Regeneration aufgezeigt werden. Während der

Planungsphase zur gegenständlichen klinischen Studie wurde solch eine

Kontrollgruppe in Betracht gezogen, jedoch wurde aus ethischen Überlegungen

davon Abstand genommen. Aus nicht dokumentierten klinischen Beobachtungen

kann in vielen Fällen von einer spontanen Regeneration der Sensibilitätsstörungen

ausgegangen werden.

Neben der Leitlinie der DGZMK, die die Gabe von Steroiden bei

Sensibilitätsstörungen, ohne vollständige Nervendurchtrennung, empfiehlt, findet

man in der Literatur zahlreiche Studien, die den positiven Effekt von Steroiden auf

viele postoperative Beschwerden zeigen. So konnte Zandi nicht nur zeigen, dass

die perioperative Gabe von Corticosteroiden Beschwerden wie Trismus und

postoperative Schmerzen, sowie das postoperative Ödem deutlich reduzieren,

sondern auch, dass die Gabe von Corticosteroiden, der Drainage mittels

Kunstsoffdrains in diesen Parametern überlegen ist. (Zandi, 2008)

Übereinstimmende Ergebnisse zeigten diesbezüglich auch Studien an der

Universitäts-Zahnklinik Graz. (Acham, 2013)

Auch der positive Effekt der Softlasertherapie auf die Regeneration von Nerven

nach einem Trauma wird in der Literatur beschrieben. 2007 durchtrennte

Mohammed im Tierversuch den Nervus peronaeus bei 24 männlichen Hasen.

Danach wurde das Epineurium durch mikrochirurgische Nähte wiedervereint. Bei

49

12 Tieren erfolgte keine weitere Therapie, die Übrigen wurden anschließend mit

einem Softlaser behandelt. Bei der abschließenden histologischen Untersuchung

zeigten sich bei der Softlasergruppe deutlich mehr gesunde Nervenfasern als bei

den chirurgisch versorgten Tieren. (Mohammed, 2007)

Eine retrospektive Studie von de Oliveira aus dem Jahr 2015 untersuchte 125

Fallberichte über Parästhesien nach orthognathen Operationen und

oralchirurgischen Eingriffen. Dabei fand man heraus, dass eine Softlasertherapie

einen positiven Effekt auf die Heilung von Sensibilitätsstörungen haben kann. (De

Oliveira, 2015)

Im Jahr 2000 untersuchten Miloro und Repasky den Effekt der Softlasertherapie

auf Sensibilitätsstörungen nach Sagittalen Ramusosteotomien. In dieser Studie

zeigte sich eine signifikant schnellere Besserung der Beschwerden in der

Lasergruppe. (Miloro und Repasky, 2000)

Festzuhalten ist somit, dass im Rahmen der Literaturrecherche zahlreiche Artikel

zum Thema der Nervenregeneration unter Softlasertherapie gefunden werden

konnten, jedoch vergleichsweise wenig Literatur in Hinsicht auf die Therapie von

Nervenläsionen mit Corticosteroiden vorhanden ist. Die ausgewerteten Daten der

vorliegenden Studie lassen ersichtlicherweise keinen signifikanten Unterschied in

der Effektivität von Corticosteroiden versus Softlaser erkennen und somit lässt

sich keine eindeutige Empfehlung bezüglich der Therapie von

Sensibilitätsstörungen geben. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Coulthard

et. al, die 2014 eine Literatursuche im Cochrane Central Register of Controlled

Trials (CENTRAL) durchführten.

50

5.1 Conclusio

Ziel der Recherche war die Evaluierung der Therapie von Sensibilitätsstörungen

mit Corticosteroiden bzw. Softlaser als Grundlage für ein

anwenderInnefreundliches Komplikationsmanagement. Auf Basis der

ausgewerteten Daten kann jedoch keine Empfehlung abgegeben werden. Eine

Kernaussage dieser Arbeit ist auch, dass ein Bedarf nach randomisierten

klinischen Studien besteht, die den Effekt von chirurgischen, medikamentösen und

psychologischen Therapien auf iatrogene Schäden des Nervus alveolaris inferior

und des Nervus lingualis weiterführend untersuchen. (Veitz-Keenan, 2015)

51

1. ACHAM S, E.A., Einfluss peroraler Methylprednisolon-Gabe auf die postoperative

Morbidität nach operativer Weisheitszahnentfernung im Unterkiefer, Diplomarbeit Hofer C.,

2008

2. ACHAM, S., KLAMPFL, A., TRUSCHNEGG, A., KIRMEIER, R., SANDNER-KIESLING, A.

and JAKSE, N., 2013.

Beneficial effect of methylprednisolone after mandibular

third molar surgery: a randomized, double-blind,

placebo-controlled split-mouth trial. Clin Oral Invest, 17, pp. 1693-1700

3. BAERNS, M., BEHR, A., BREHM, A., GMEHLING, J., HINRICHSEN, K.-., HOFMANN, H.,

ONKEN, U., PALKOVITS, R. and RENKEN, A., 2013. Technische Chemie. 2. edn.

Weinheim: Wiley-VCH (678 ff)

4. DE OLIVEIRA, R.F., DA SILVA, A.C., SIMOES, A., YOUSSEF, M.N. and DE FREITAS,

M.P., 2015. Laser Therapy in Treatment of Paresthesia: A Retrospective Study of 125

Clinical Cases; Photomed Laser Surg. 2015 Aug;33(8):415-23. doi:

10.1089/pho.2015.3888

5. FANGHÄNEL, J., PERA, F. and ANDERHUBER, F., 2002. Waldeyer Anatomie des

Menschen. 18 edn. Berlin, New York: De Gruyter (256, 258)

6. GASPERINI, G., RODRIGUES DE SIQUEIRA, I.C. and REZENDE COSTA, L., 2014.

Lower-level laser therapy improves neurosensory disorders resulting from bilateral

mandibular sagittal split osteotomy: A randomized crossover clinicl trial. Journal of Cranio-

Maxillo-Facial Surgery, (42), pp. 130-133

7. GÜLICHER, D. and GERLACH, K.L., 2000. Inzidenz, Risikofaktoren und Verlauf von

Sensibilitätsstörungen nach operativer Weisheitszahnentfernung. Mund Kiefer

GesichtsChir, 4, pp. 99-104

8. HAFFERL, A. and THIEL, W., 1969. Lehrbuch der topographischen Anatomie. 3 edn.

Berlin: Springer

9. HASHMI, J.T., HUANG, Y., OSMANI, B., SHARMA, S.K., NAESER, M.A. and HAMBLIN,

M.R., 2010. Role of Low-Level Laser Therapy in Neurorehabilitation

PM R. 2010 Dec;2(12 Suppl 2):S292-305. doi: 10.1016/j.pmrj.2010.10.013

52

10. HAUSAMEN, J., 08/2003. Differentialtherapie nach Läsionen des N. alveolaris inferior und

N. lingualis - Gemeinsame Stellungnahme der DGZMK und der DGMKG. DZZ

11. Hausamen, J.-., Machtens, E., Reuther, J.F., Eufinger, H., Kübler, A. & Schliephake, H. 2012, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, 4.th edn, Springer, Berlin.

12. HORCH, H.H., ed, 2006. Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie. 4. edn. München/Jena: Urban &

Fischer (298, 318-324, 370ff, 798)

13. KAHLE, W., 2002. Taschenatlas der Anatomie

Nervensystem und Sinnesorgange. 8 edn. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag

(18, 24ff, 36ff)

14. KLAMPFL, A., ACHAM, S. and JAKSE, N., 2014. Glucocorticoide zur Reduktion

postoperativer Beschwerden in der Oralchirurgie. Stomatologie, (111(3)), pp. 73-79

15. KONOPKA, K. and GOSLINSKI, T., 2007. Photodynamic Therapy in Dentistry

J Dent Res. 2007 Nov;86(11):1126

16. LÜLLMANN, H., MOHR, K. and WEHLING, M., 2002. Pharmakologie und Toxikologie. 15

edn. Stuttgart, New York: Thieme (370-376)

17. MILORO, M. and REPASKY, M., 2000. Low-level-laser effect on neurosensory recovery

after sagittal ramus osteotomy

Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2000 Jan;89(1):12-8

18. MOHAMMED, I.F.R., AL-MUSTAWFI, N. and KAKA, L.N., 2007. Promotion of

Regenerative Processes in Injured Peripheral Nerve Induced by Low-Level Laser Therapy;

Photomed Laser Surg. 2007 Apr;25(2):107-11

19. NEUGEBAUER, J., MÖLLER, F., SCHEER, M., MISCHKOWSKI, A. and ZÖLLER, J.E.,

2009. Risikofaktoren in der Oralchirurgie

Die Nervverletzung durch zahnärztliche Eingriffe. http://www.zwp-

online.info/archiv/pub/sim/fa/2009/fa0409/fa0409_40_45_neugebauer.pdf edn. Leipzig:

Oemus Media AG

20. OZEN, T., ORHAN, K., GORUR, I. and OZTURK, A., 2006. Efficacy of low level laser

therapy on neurosensory recovery aufter injury to the inferior alveolar nerve Head Face

Med. 2006; 2: 3. Published online 2006 Feb 15. doi: 10.1186/1746-160X-2-3

53

21. SCHÜNKE, M., SCHULTE, E. and SCHUMACHER, U., eds, 2009. Prometheus LernAtlas

der Anatomie. 2. edn. Stuttgart: Thieme

22. VEITZ-KEENAN, A. and KEENAN J.R., 2015. Trials needed to identify best management

of iatrogenic inferior alveolar and lingual nerve injuries

Evid Based Dent. 2015 Mar;16(1):29. doi: 10.1038/sj.ebd.6401085

23. WANG, C.-., CHEN, Y.-., QANG, Y.-., YEH, M.-., HUANG, M.-., HO, M.-., LIANG, J. and

CHEN, C.-., 2014. Low-Level Laser Irradiation Improves Functional Recovery and Nerve

Regeneration in Sciatic Nerve Crush Rat Injury Model

PLoS One. 2014 Aug 13;9(8):e103348. doi: 10.1371/journal.pone.0103348. eCollection

2014

24. ZANDI, M., 2008. Comparison of corticosteroids and rubber drain for reduction of sequelae

after third molar surgery

Oral Maxillofac Surg. 2008 May;12(1):29-33. doi: 10.1007/s10006-008-0096-6