Von der Notwendigkeit einer politischen Medienökonomie. Journalismus zwischen Anpassung und Aufklärung. In: Steininger, Christian (Hrsg.): Politische Ökonomie der Medien – Theorie und Anwendung, Wien u.a.O., Lit, S. 209-‐226.
Harald Rau
Journalismus zwischen Anpassung und Aufklärung –
Oder: von der Notwendigkeit einer Politischen Medienökonomie
1. Politische Medienökonomie und die Anpassungshypothese
Eine der vielleicht wichtigsten Debatten der politischen Medienökonomie – zumindest
bezogen auf den Journalismus – war in den frühen 1970er Jahren die Auseinandersetzung um dessen
Rolle zwischen Aufklärung und Anpassung. Eine Frage übrigens, die bis heute nicht beantwortet,
geschweige denn ausdiskutiert ist. Wenn also die politökonomische Diskussion wieder belebt werden
soll, dürfen Anpassungshypothese und ihre kritische Reflektion nicht unberücksichtigt bleiben. Doch
was überhaupt ist politische Medienökonomie? Die Antwort zu finden, ist heute nicht leicht, da
vielfach eine deutliche Abgrenzung nicht stattfindet. Im Gegensatz zum Verständnis der Neuen
Politischen Ökonomie, die politisches Verhalten und Entscheidungsprozesse auf Basis zumeist
neoklassischer Wirtschaftstheorie zu erklären sucht und zur Institutionenökonomik, die als
evolutionstheoretischer ökonomischer Ansatz im weitesten Sinne Wechselwirkungen zwischen
Wirtschaft und Gesellschaft unter Zuhilfenahme von Institutionen (überwiegend normativer Natur)
betrachtet, wird Politische Ökonomie in diesem Beitrag in einem klassischen Sinne als Ökonomie
verstanden, die politisch handelt, wobei über die „Kritik der politischen Ökonomie“ hinaus in einem
modernen Verständnis die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik mit ihrem Wissen um
Preisspielräume, Marktmacht und Marktversagen, um unvollständige Verträge, asymmetrische
Informationen, veränderbares Wissen und beschränkte Rationalität sowie um Opportunismus und
Transaktionskosten nicht mehr länger unberücksichtigt bleiben dürfen. Unverändert gilt:
Kommunikationsunternehmen gehorchen wie alle anderen Unternehmen den Gesetzen der
kapitalistischen Produktion. Das Prinzip dieser Produktion heißt Profitmaximierung (Holzer 1969, S.
70). Die Formel der Medienkritik der späten 1960er und frühen 1970er Jahre lässt sich dann mit
Holzer (1968, S. 6) so wiedergeben: „Wenn Massenmedien in einer demokratisch verwalteten
Industriegesellschaft auf Absatz angewiesene Wirtschaftsunternehmen sind, dann passen sie sich in
extremer Weise den vermeintlichen Interessen ihrer Rezipienten an.“ Holzer findet die Ursache des
Anpassungsjournalismus in der politökonomischen Analyse der bundesrepublikanischen Gesellschaft.
Er sieht ein grundsätzliches Dilemma im Verhältnis von Demokratie in der modernen
Industriegesellschaft und Massenkommunikation: Einerseits wollen Massenmedien öffentliche
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Institutionen mit einem von der Verfassung legitimierten Auftrag (Löffler 1960, S. 517 f.) sein,
andererseits müssen sie hart konkurrierende, gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen sein (vgl.
Holzer 1969, S. 68). Schließlich: Das Insertionsgeschäft ist nur dann lukrativ, wenn der Werbung
große Publika angeboten werden können. Und dies sei eben nur dem Medium möglich, das sich
diesen vermeintlichen „nicht zuletzt von den Massenmedien selber indoktrinierten und
manipulierten“ Interessen des Publikums anpasst (Holzer 1969, S. 79). Der Zusammenhang zwischen
dieser profitablen „Ausbeutung der ökonomisch, politisch und kulturell unterprivilegierten Situation“
der meisten Rezipienten und deren Deutung als wahren Dienst am Kunden, manifestiert sich im
Terminus Anpassungsjournalismus (vgl. Kiock 1974, S. 13). Holzer (1968, S. 8): „Ein journalistisches
Prinzip, das keineswegs der Rückgratlosigkeit der Produzenten, sondern purer ökonomischer
Notwendigkeit entspricht.“ Die Akteure der Medienwirtschaft handeln also politisch, indem sie den
Rezipienten mit Blick auf Skalenerträge auf ein unteres Bedürfnisniveau reduzieren. So gesehen,
zählt die Anpassungshypothese – und alle mit ihr verbundenen Überlegungen zur Medienqualität –
zum Kernbereich der Politischen Medienökonomie. Im Schluss einer „Ausbeutung“ der
„unterprivilegierten Situation“ jedoch liegt auch gleich eine besondere Schwierigkeit. Wenn
Anpassung purer ökonomischer Notwendigkeit entspricht, dann bleibt stets die Frage im Raum, ob es
sich bei den – durch Medienangebote – befriedigten Bedürfnissen tatsächlich um „vermeintliche“
(vgl. Holzer 1969, S. 79) handelt, oder ob nicht vielmehr die Orientierung am Massenmarkt
tatsächlich aus der ökonomischen Notwendigkeit entspringt, erkannte Bedürfnislagen zu befriedigen.
Die zukünftige Diskussion muss sich also neu der Frage der Bedürfnisse und – dies wäre hinzuzufügen
– ihrer Hierarchisierung stellen. Hier gibt es unterschiedliche Zugänge: von Siegmund Freuds
Triebverzicht über die Budapester Schule bis hin zu Lefebvre und seiner Interpretation Sartres.
Neben diesen Zugängen von Philosophie und Psychologie haben auch die Wirtschaftswissenschaften
Modelle gefunden, die unterschiedliche Bedürfnislagen verorten. Die Diskussion der
Konsumentenpräferenzen und ihre Ordnung in unterschiedliche Ebenen (z.B. mit Tiezel/Müller 1998,
S. 87 ff.) oder aber auch viel einfacher und verbreiteter die Entwicklung der Bedürfnishierarchie nach
Maslow (1954), ein Modell, das in der Ökonomie weite Verbreitung gefunden hat. All dies wird hier
angefügt, um auf die Bedeutung des entscheidenden Knackpunktes für eine weitere Interpretation
der Anpassungshypothese zu verweisen. Denn die aktuelle Auseinandersetzung muss schließlich den
ausschließlich klassenkämpferisch motivierten und damit reduzierten und sich selbst
diskreditierenden Zugang zu einer ernstzunehmenden Problemstellung vermeiden.
Dessen unbenommen ist es ganz selbstverständlich für Medienunternehmen ökonomisch
attraktiv, Massenmärkte zu bedienen – ein Verweis auf Skalenerträge genügt (vgl. auch Altmeppen
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2002, S. 206). Die Produktion für reichweitenstarke Märkte verursacht im Vergleich zu einer
Nischenproduktion geringere Stückkosten und damit Kosten pro Rezipient. Auf der Gegenseite kann
natürlich genau das Geschäftsmodell der Nischenbedienung in den stark fragmentierten (bedingt
auch durch die Ausprägung von „Teilgesellschaften“, vgl. Fenner 2005, o.S.) Medienmärkten Erfolg
bringen, wobei sich interessanterweise auch in diesem Ansatz eine Anpassungsspirale vermuten
lässt. Die Lösung kann dann in einer theoretischen Trennung von Gesamtmarkt-‐ und
Teilmarktstrategien liegen, die sich in der jeweils gewählten Marktrealität ähnlicher Mechanismen
befleißigen. Ausgewählte Zielgruppen werden ausschließlich dann bedient, wenn ihre Tragfähigkeit
bereits bewiesen ist oder aber ein finanzierbarer „trial and error“-‐Prozess (vgl. Zeitschriftensektor
oder künftig das digitalisierte Fernsehen) ein positives Ergebnis erbringt. So gesehen muss man also
auch bei der Betrachtung unterschiedlicher Geschäftsmodelle in einer gewinnmaximierenden
Medienrealität bei der Diskussion der Anpassungshypothese, die hier zu einer „Spirale“ erweitert
wird, im Grunde nicht zwischen Strategien für Teilmärkte und den Gesamtmarkt unterscheiden. Aus
internationaler Sicht folgt im Übrigen dann jeder von Medienunternehmen implizierte Gesamtmarkt
den auch für Teilmärkte definierten Gesetzen.
2. Der kleinste gemeinsame Nenner bei asymmetrischer Information
Doch wie ist die an vermeintlichen oder existierenden Bedarfslagen gemessene Orientierung
am Massenmarkt einzuschätzen? Schließlich steigert der Absatz im Massenmarkt auch die
Werbepreise, was zu höheren Umsätzen und damit aufgrund der Kostendegression zu höherem
Gewinn führt. Nahezu alle Autoren, die dieses Phänomen beschreiben, diskutieren auch anhand der
Qualität. So lässt sich mit Sjurts (2002, S.14) sagen, dass der kleinste gemeinsame Nenner gesucht
wird, um eine möglichst große Zahl von Rezipienten zu erreichen („lowest common denominator
content“). Immer wieder wird so über ökonomische Größen das Thema Qualität in
medienökonomischen Betrachtungen ins Zentrum gerückt. Und beinahe stets wird ein
Zusammenhang zwischen Gewinnorientierung und Qualitätsverlust oder zumindest Druck auf
Inhaltsqualität impliziert. Medienökonomen diskutieren diesen Zusammenhang auch gerne unter
Berücksichtigung des in den Theoriemodellen der Neuen Institutionenökonomik verankerten Akerlof-‐
Prozesses. George A. Akerlof (Nobelpreis 2001) zeigte an Gebrauchtwagenmärkten, dass freie
Märkte nicht funktionieren, wenn Käufer und Verkäufer ungleichen Zugang zu Information haben. Da
unvollständig informierte Kaufinteressenten nicht zwischen minderwertigen und höherwertigen
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Angeboten unterscheiden können, sind sie nicht bereit angemessene Preise für die besseren Autos
zu zahlen. Deren Besitzer zögern daher, sie anzubieten. Käufer von Gebrauchtwagen können die
Qualität der angebotenen Fahrzeuge (wenn überhaupt) nicht kostenlos beurteilen, und in einem
Markt, in dem sowohl gute als auch schlechte Gebrauchtwagen („saure Gurken“/“Lemons“)
angeboten werden, würden sie einen Erwartungswert für die Qualität des Autos bilden. (Wenn sie
für einen guten Wagen 1.000 zahlen würden und für einen schlechten 200 und im Markt gleichviel
gute und schlechte Wagen vorhanden sind, wären sie für einen unbekannten Wagen bereit, 600 zu
zahlen). Dieser Preis liegt aber unter dem Reservationspreis (einiger) der Anbieter von guten Wagen.
Diese Anbieter sind nicht bereit, zu diesem Preis zu verkaufen und werden den Markt verlassen.
Damit werden systematisch die Anbieter guter Gebrauchtwagen aus dem Markt gedrängt, so dass
am Ende nur noch schlechte Gebrauchtwagen angeboten würden (vgl. Akerlof 1970, S. 493 f.). Der
Markt bricht vollständig zusammen. Man kann den Zusammenbruch zwar verhindern, dies
verursacht aber Kosten, so dass die optimale Lösung des vollkommenen Marktes nicht erreicht wird.
Die Beseitigung oder Abmilderung der Informationsasymetrie verursacht dabei Kosten (z. B. TÜV-‐
/DEKRA-‐Siegel für Gebrauchtwagen, umfangreiche Probefahrten). Auch in den anderen Fällen
asymmetrischer Information kommt es zu einer Abweichung von der effizienten Lösung bei
vollständiger Information. Im Rahmen der Prinzipal-‐Agent-‐Theorie werden diese Kosten als
Agenturkosten bezeichnet. Das Saure-‐Gurken-‐Problem ist ein Unterfall der asymmetrischen
Information mit „hidden characteristics“. Hierbei kennt der Prinzipal bestimmte unveränderliche
(bzw. nicht mehr kostenlos veränderbare) Eigenschaften des Agenten (oder der von ihm
angebotenen Güter und Dienstleistungen) vor Vertragsabschluss nicht, er kann also die Qualität der
angebotenen Leistung ex ante nicht beurteilen. Da der Agent dem Prinzipal falsche Tatsachen
vorspielen kann, besteht die Gefahr, dass es zu so genannter „adverse selection“ kommt – es werden
also wie im Gebrauchtwagenmarkt systematisch unerwünschte Vertragspartner ausgewählt. Den
zwischenzeitlich für unterschiedliche Beispielfälle beschriebenen Akerlof-‐Prozess greifen
Medienökonomen auf – auch, um damit die Anpassungshypothese zu stützen und zu erklären,
warum der ökonomische Kontext die Medienqualität (negativ) beeinflusst. Zum Beispiel Kiefer (2001,
S. 335): „Da der Verbraucher Unterschiede in der Qualität von Produkten nicht erkennen kann, ist er
nicht in der Lage, seine Zahlungsbereitschaft an der von ihm präferierten Qualität auszurichten. Das
bedeutet, er ist auch kaum bereit, die in der Regel höheren Kosten des Produzenten höherer Qualität
zu tragen. Dem qualitätsbewussten Produzenten drohen folglich Verluste. Der Akerlof-‐Prozess setzt
ein, das heißt die angebotene Qualität sinkt solange, bis letztendlich nur noch mindere Qualität
angeboten wird, der Markt versagt in Hinblick auf die Produktqualität.“ Oder Ruß-‐Mohl (2003, S. 16):
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Der Medienmarkt ist ein „Markt, auf dem Käufer keine oder sehr viel weniger Information über die
Qualität haben als die Verkäufer“. In den Wirtschaftswissenschaften wird der Endpunkt dieser
„Qualitätsspirale“ dann erreicht, wenn die Nachfrage zurückgeht. In der dualen Ökonomie der
Medienmärkte würde dies bedeuten: Erst wenn die Nachfrage auf dem Rezipientenmarkt zurückgeht
und damit der Erfolg am Werbemarkt gefährdet wird, sind die Produzenten gezwungen, die Qualität
ihrer Produkte wieder anzuheben, um mehr Konsumenten zu finden. Die beiden besonderen
Schwierigkeiten in der Übertragung des Akerlof-‐Prozesses liegen darin, dass Bestandteile der Medien
vielfach mit meritorischen Güteraspekten gewichtet werden, und damit eine unterrepräsentative
Nachfrage quasi schon inhärent ist. Lässt man den Akerlof-‐Prozess für die Medienwirtschaft gelten,
stützt und dramatisiert er die Anpassungshypothese.
3. Konkretion als Verifizierungsansatz für die Anpassungshypothese
Der Kritik am Journalismus der Massengesellschaft, an seiner Anpassung, an seinem
Warencharakter setzen übrigens Glotz und Langenbucher (1969) ihre „Kritik dieser Kritik am
Journalismus“ entgegen. Sie halten eine Pressekritik, die die Anpassung an die empirisch
feststellbaren Bedürfnisse der Leser verdammt, für nicht vereinbar mit dem System der
Repräsentativdemokratie: „Instanzen, die über ,wahre‘ und ‚falsche‘, über ‚objektive‘ und
‚manipulierte‘ Interessen entscheiden, sind aber innerhalb dieses Systems fraglos etwas ganz und gar
Unakzeptables.“ (S. 10 ff.). Die Autoren finden im Selbstverständnis vieler Verleger und Journalisten
„pseudodemokratische, bürgerlich-‐liberal-‐elitäre, anti-‐aufklärerische Elemente“. Die geläufige Kritik
unseres Kommunikationssystems sei „ein Lamento über die verhassten Kommunikationsbedürfnisse
der ‚Konsumenten‘“ (Glotz/Langenbucher 1969, S. 11). Bei der Betrachtung des Angebotes der
deutschen Tagespresse kommen Glotz und Langenbucher zu dem Schluss, dass sich die Journalisten
nicht zu viel, sondern entscheidend zu wenig den Bedürfnissen ihrer Leser anpassen – was sich z.B.
deutlich an esoterischen Wirtschafts-‐ und Feuilleton-‐Seiten zeige. Deshalb fordern sie von Verlegern
und Redakteuren jene konsequente Umorientierung, die in anderen Bereichen der modernen
Industriegesellschaft längst im Zeichen des ‚Marketing‘ stattgefunden habe: „Man sollte endlich
begreifen, dass auch der Journalismus von diesem Marketing-‐Denken lernen kann. Die Zukunft der
Zeitung liegt in einem systematisch geplanten Kommunikations-‐Marketing.“ (Glotz/Langenbucher
1969, S. 152, vgl. auch Flöper/Raue 1995, vgl. Langenbucher 1988, Langenbucher 1995). In diesem
Verständnis spiegeln Redaktionsmarketing, beziehungsweise Kommunikationsmarketing und die
These vom Anpassungsjournalismus zwei Seiten einer einzigen Medaille wider. Beide kennzeichnen
Von der Notwendigkeit einer politischen Medienökonomie. Journalismus zwischen Anpassung und Aufklärung. In: Steininger, Christian (Hrsg.): Politische Ökonomie der Medien – Theorie und Anwendung, Wien u.a.O., Lit, S. 209-‐226.
die journalistische Arbeit mit wechselnder Perspektive: einmal vom Kommunikator, einmal vom
Rezipienten her gesehen (vgl. Kiock 1974, S. 14).
Knapp 20 Jahre nach dieser Veröffentlichung bekräftigt übrigens Langenbucher seine damals
gefasste Meinung: „Der Leser wird auch heute noch missachtet. Im Gegensatz zu 1969 nehme ich
diese Zustandsbeschreibung heute zur Kenntnis als bewusste verlegerische und publizistisch-‐
journalistische Entscheidung.“ (Langenbucher 1988, S. 151, vgl. auch Langenbucher 1995). Folgt man
der These, dass die Kommerzialisierung der Medienwelt qualitätsmindernd auf deren Inhalte wirkt,
muss es objektivierbare Faktoren für die Bestimmung der Medienqualität geben. Die nähere Analyse
unterschiedlicher Qualitätsbegriffe in den vorangegangenen Abschnitten hat jedoch gezeigt:
Medienqualität ohne eine klare Abgrenzung und Klassifizierung wird individualistisch
wahrgenommen. Obwohl Produkte reale Gegenstände verkörpern, ist es im Allgemeinen untauglich,
von einer objektiven Produktqualität auszugehen (vgl. z.B. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 212,
vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002). Dies liege daran, dass ein solches Konstrukt ein
eindimensionales Bewertungskriterium voraussetzt, während in Wirklichkeit Aggregate aus
Nutzenkomponenten (z.B. funktionale Adäquanz) zu bilden sind. Dies würde bedeuten: Die
Anpassungshypothese ist zu falsifizieren. Denn: wo keine objektivierbare Qualität, da ist auch kein
nachweisbarer Qualitätsverlust. Mit einer solch kategorischen Ablehnung aber tut man sich gerade
am Anfang des dritten Jahrtausends schwer: Beobachten und diskutieren wir doch angesichts eines
weiter angewachsenen Kommerzialisierungsdrucks auch die Auswirkungen auf die Vielfalt und damit
möglicherweise die Qualität der Medieninhalte (vgl. Nussberger 1984). Insbesondere die
Beobachtung einer Konvergenz der Fernsehprogramminhalte von öffentlich-‐rechtlichen und privaten
Sendern in der „werberelevanten“ Zeit von 16 bis 20 Uhr mit einer starken Betonung des
Inhaltsfaktors „daily soap“ lässt an der Ungültigkeit der Anpassungshypothese zweifeln. Eine der
wenigen empirischen Beweisführungen zur These mag eine in den 1990er Jahren durchgeführte
Studie sein. Blake, Lovegrove, Pryde und Strauss (1999) zeigten auf Basis von
betriebswirtschaftlichen Trendanalysen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einer
zunehmend „populistischen“ Präsentation informatorischer Medieninhalte und dem Grad der
Werbefinanzierung gibt – und zwar in der Form, dass die „populistische“ Darstellung mit dem Anteil
der Werbefinanzierung wächst. Einen weiteren Nachweis erbringt die Studie (Daten von 1986) zu
Kosten und Ertrag der „Inland Daily Newspaper Association“ in den USA. Sie besagt, dass die
Gesamtkosten schneller steigen als die Auflage und dass der Gesamtertrag dennoch steigt, weil die
Kosten pro Seite sinken. Blankenburg (1989, S. 97) sieht aus diesem Grund die Hypothese bestätigt,
dass sich die Erhaltung des Profites negativ auf die Qualität von Zeitungen auswirkt.
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Das Spannungsfeld zwischen „negativem“ Anpassungsjournalismus und „positiver“
Orientierung am Rezipientenmarkt lässt sich also nicht so leicht entschärfen. Dieses besteht heute
wie in den 1970er Jahren. Es zeigt sich dabei: Die Kernprobleme der Medienökonomie wurden
bereits in den 70er Jahren tiefgehend und nahezu umfassend diskutiert (vgl. insbesondere Prokop
1972c, Prokop 1973). Die erneute Auseinandersetzung muss heute zwingend auf den verfügbaren
Ergebnissen aufbauen und kann die noch nicht gelösten Problemfelder empirisch angehen. Wer von
einer Rolle der Medien als vierte Gewalt oder als meritorisches Gut mit gesellschaftlicher Prägung
und Relevanz ausgeht, muss in dem oben beschriebenen Sinne auch eine Qualitätskomponente
berücksichtigen, die genau dieser Forderung gerecht wird. Wer also so etwas wie „meritorische
Qualität“ gewährleisten will, muss nach Möglichkeit erkennbare negative Wirkungen der
Kommerzialisierung beschränken.
Bei aller beschriebenen Problematik, gibt es eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, die
Anpassungshypothese zu verifizieren. Voraussetzung dafür ist es, die These selbst zu präzisieren.
Prägt man zum Beispiel über die Ausdifferenzierung des Qualitätsbegriffs die Kategorien
„Präsentationsqualität“, „Produktionsqualität durch optimierte Prozesse“ oder eben „meritorische
Qualität“ auf Basis des Vier-‐Säulen-‐Konzeptes (vgl. Rau 2005, S. 79 f.), wird man empirisch feststellen
können, dass sich der Kommerzialisierungsdruck auf bestimmte dieser Kategorien positiv, auf andere
negativ auswirken kann. So wäre die Anpassungshypothese zu konkretisieren, ohne weiterhin auf das
„ideologisierte“ Vokabular der späten 1960er zurückgreifen zu müssen. Prokop (1972a) zeigte
übrigens einen ganz ähnlichen Zugang und versuchte so der auch damals erkannten Schwäche der
These zu begegnen. Er beschränkte ganz einfach den Anpassungsterminus auf ein klar abgestecktes
Feld. Prokop (vgl. 1972a, S. 11 und 1972b, S. 360 ff.): Die Verkäuflichkeit wird von der
Produktionsseite nur durch formalen Pluralismus und technische Perfektion gesichert. Weil nun das
Bewusstsein der Menschen durch das System der Arbeit geprägt wird – und zwar zum einen durch
die Teilung der verfügbaren Zeit in Arbeitszeit und Freizeit sowie zum anderen durch die Einteilung
der Tätigkeit am Arbeitsplatz in quantifizierbare Einheiten (Lukacs 1923) -‐ werden
Bedürfnisstrukturen gefestigt, die für formale Elemente auch im Freizeitverhalten empfänglich sind.
Diese von der Organisation der Arbeit her eingeübten Bedürfnisse, die zudem progredient
weiterentwickelbar sind (Prokop 1972b, S. 360 f.), richten sich verstärkt auf formale Momente von
Farbe, Bewegung, Rhythmus, auf buntes Dekor, Virtuosität – also im Sinne Prokops auf technische
Vielfalt und Perfektion und weniger auf kohärente Erkenntnis. Damit aber sind wir im Kern der
Problematik der journalistischen Produktion unter betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen
angelangt. Legen wir nämlich allen Anstrengungen das Primat einer Gewinnmaximierung zugrunde,
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zwingt dies gezwungenermaßen zur Beschäftigung mit Qualitätskriterien, die leicht
operationalisierbar und möglicherweise gar objektivierbar sind, jedoch für eine kohärente Erkenntnis
nicht taugen. Es liegt diesem Beitrag fern, die Haltung der 1970er zu übernehmen. Aber: Es ist an der
Zeit, angesichts der unzureichend integrierten oder berücksichtigten Politischen Medienökonomie,
das Thema Medienqualität – oder dezidierter, journalistische Qualität – neu zu diskutieren und zwar
vor dem Hintergrund leicht oder schwer zu operationalisierender Kriterien (vgl. dazu Rau 2006). Eine
tiefergehende Beschäftigung mit den Kriterien und mit der Frage, wie diese zustande kommen, ein
Bekenntnis zu einem multivariaten Qualitätsverständnis und damit auch zum Vier-‐Säulen-‐Konzept
meritorischer Qualität (vgl. Rau 2005, S. 80) wird den ideologisch neutralen Zugang zur
Anpassungshypothese erleichtern. Das ist überfällig.
4. Verifizierung der Anpassungshypothese über einen spieltheoretischen Ansatz
Über die begriffliche Konkretion hinaus, besteht eine weitere (sozialwissenschaftlich-‐
theoretische) Möglichkeit, einen Verifizierungsversuch zu wagen. Auch ein Verzicht auf Annahmen
über Rezipientenreaktionen kann einen neuen Zugang zur Anpassungshypothese bringen. Hierzu
wird ein mikroökonomischer Ansatz aus der „Rational Choice“-‐Theorie gewählt,1 der davon Ausgeht,
dass jedes Individuum prinzipiell versucht, seinen Nutzen zu maximieren. In einer Situation, in der
sich ein Akteur zwischen zwei oder mehreren Handlungsalternativen entscheiden muss, wird er
diejenige mit der für ihn höchsten Nutzenauszahlung (Benefit) wählen. Eine weitere Rolle spielt die
Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Nutzens (Erwartungswahrscheinlichkeit). Der Akteur
entscheidet also über sein Handeln, indem er seinen subjektiv erwarteten Nutzen mit der subjektiv
angenommenen Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintretens des Nutzens aufwiegt. Dazu erwägt
der Akteur noch entstehende Kosten, die er vom erwarteten Nutzen abzieht. Jedes Handeln eines
Akteurs kann als Kosten-‐Nutzen-‐Rechnung dargestellt, und sein aktuelles Handeln so erklärt werden.
In der Überprüfung der Anpassungshypothese wird nun zusätzlich davon ausgegangen, dass sich
gesellschaftliche Phänomene auf der Makroebene wie Journalismus, Information und Ökonomie als
Aggregation von Einzelhandlungen auf der Mikroebene betrachten lassen (diese Annahmen basieren
auf den Überlegungen von James S. Coleman, vgl. Clark 1996). Makrophänomene lassen sich also
immer auf das Handeln von Individuen zurückführen.
Das konkret gewählte Modell ist der Spieltheorie entlehnt. Diese nimmt
1 Der hier präsentierte Ansatz wurde an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit Johannes R. Gerstner entwickelt.
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Entscheidungssubjekte an, deren
• Zielsetzungen divergieren,
• Zielerreichungsaktivitäten gemeinsamen Spielregeln unterliegen,
• Planungs-‐ und Entscheidungsprozesse die Überlegungen des anderen Akteurs mit einbeziehen (Hillmann 1994 S. 829).
Es entsteht eine Situation strategischer Interdependenz, was so viel bedeutet, dass das
Handeln des einen Akteurs am Handeln des anderen ausgerichtet ist. So entsteht eine
Entscheidungsmatrix, die man auch aus Gefangenen-‐ und Freiwilligendilemma kennt. Zur Erinnerung:
Das Gefangenendilemma ist ein spieltheoretisches Paradoxon, das von zwei Mitarbeitern der RAND
Corporation in den 1950er Jahren formuliert wurde. Die Wissenschaftler Merrill Flood und Melvin
Drescher beschrieben ein soziales Dilemma als Zwei-‐Personen-‐Spiel, das zeigt, wie individuell
rationale Entscheidungen zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen führen können. Bei dem "prisoner's
dilemma" -‐ der Name stammt von Albert Tucker -‐ handelt es sich um ein klassisches „Zwei-‐Personen-‐
Nicht-‐Nullsummen-‐Spiel“. Es ist bis heute ein zentraler Bestandteil der Spieltheorie. Zwei Gefangene
werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Die Höchststrafe für das
Verbrechen beträgt fünf Jahre. Beiden Gefangenen wird nun ein Handel angeboten, der beiden
bekannt ist. Wenn einer gesteht, und somit seinen Partner belastet, kommt er ohne Strafe davon -‐
der andere muss die vollen fünf Jahre absitzen. Entscheiden sich beide zu schweigen, bleiben nur
Indizienbeweise, die aber ausreichen, um beide für zwei Jahre einzusperren. Gestehen aber beide die
Tat, erwartet jeden eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. Nun werden die Gefangenen unabhängig
voneinander befragt. Es besteht weder vor noch während der Befragung die Möglichkeit für die
beiden, sich untereinander abzusprechen. Paradox kann dieses Dilemma genannt werden, da die
individuell vernünftigste Entscheidung der Gefangenen (gestehen) und die kollektiv vernünftigste
Entscheidung (schweigen) auseinander fallen. Eine eindeutige verbindliche Handlungsanweisung
kann nicht ohne weiteres angegeben werden. Zusammengefasst: Jeder Akteur maximiert seinen
individuellen Nutzen und kann dies nur verfolgen, wenn er das Handeln des anderen zum Beispiel
durch Kooperation einbezieht.
Modellannahmen:
1. Allgemeine Annahmen
a. Es handelt sich um ideale Akteure.
b. Die Akteure haben zwei Handlungsalternativen: defektieren (D) und kooperieren (K).
c. Die Akteure beziehen Benefits als Auszahlungen. Hierbei sind die
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Benefits Summen aus Kosten und Nutzen.
d. Die Akteure werden immer die höhere Auszahlung wählen.
e. In diesem Fall handelt es sich um „one-‐shot“-‐Situationen, also um einmalige Situationen strategischer Interdependenz. Das ist eine vereinfachende Annahme. Vermutungen zum Ergebnis bei iterierten (wiederholten) Situationen folgen in einem gesonderten Exkurs.
2. Spezielle Annahmen:
a. Beide Akteure entstammen der journalistischen Kommunikation: der Journalist und der Rezipient.
Handlungsalternativen:
• Rezipient: kaufen (K) oder nicht-‐kaufen (D)
• Journalist: produzieren von qualitativ hochwertigem Journalismus (K) oder produzieren von (vermeintlichem) Massengeschmack gemäß Holzer (D)
Die Modellsituation lässt sich wie folgt in einer Matrix darstellen, wobei die Wertigkeit der
gewählten Beträge willkürlich ist. Insbesondere relevant für die Beurteilung der Verhaltensweisen im
Zuge der Anpassungshypothese ist die Erste Zeile der Matrix in der Pareto-‐Optimum (links) und Nash-‐
Gleichgewicht zu finden sind.
Abb. 1: Spieltheoretischen Modell als Verifizierungsansatz für die Anpassungshypothese.
Ergebnisse:
1. Zur Situation des Journalisten mit einer näheren Betrachtungen von Auszahlungen:
• K(A)/K(B): hohe Auszahlung (Reward), da das Produkt gekauft und rezipiert wird.
• K(A)/D(B): noch höhere Auszahlung (Temptation), da das Produkt gekauft wird, und dem Journalisten geringere Kosten bei der Erstellung entstehen. (Annahme: Wenn der Journalist den Massengeschmack bedient, hat er unter Umständen
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geringere Kosten bei der Erstellung (streitbar), aber zumindest ein geringeres Risiko beim Verkauf (Implikation von „Massengeschmack“), also kann man die Kosten von 1 abziehen).
• D(A)/K(B): kein Nutzen (Sucker), da das Produkt keinen Ertrag bringt, der Inhalt nicht rezipiert wird.
• D(A)/D(B): geringer Nutzen (Punishment), da der Journalist sich den Mehraufwand beim Erarbeiten des Inhaltes gespart hat.
2. Zur Situation des Rezipienten angesichts der Auszahlungen:
• K(A)/K(B): hohe Auszahlung (Temptation), da der rezipierte Inhalt hochwertig ist (Annahme: Der Rezipient profitiert von einer erhöhten Anzahl von Handlungsoptionen).
• K(A)/D(B): geringere Auszahlung (Reward), da der Rezipient von dem o.g. Nutzen nicht profitieren kann Er hat aber einen Unterhaltungswert (z.B. begründet mit der Eskapismusthese) und profitiert von vorhandenen Informationen, wenn auch nicht auf die optimale Weise.
• D(A)/K(B): Dem Rezipienten entstehen zwar keine Kosten durch den Kauf (diese kann man unter Umständen sogar vernachlässigen, da Medienrezeption geringe monetäre Kosten verursacht), aber Kosten durch den Nichterhalt relevanter Informationen (Sucker).
• D(A)/D(B): Auch hier keine Kosten bei Kauf, geringere Kosten durch den Nichterhalt der relevanten Restinformationen (Punishment).
Die wirklich interessanten Ergebnisse finden sich in der ersten Zeile der Matrix. Hier sind (im
Unterschied zum Gefangenendilemma übrigens) sowohl Nash-‐Gleichgewicht als auch Pareto-‐
Optimum zu finden:
• 2/5: Das Nash-‐Gleichgewicht ist bekanntermaßen einer der wesentlichen Begriffe in der Spieltheorie. Dieses Gleichgewicht steht für den Zustand, in dem kein einzelner Spieler für sich einen Vorteil erzielen kann, wenn er allein seine Strategie verändert. Definition und Existenzbeweis des Nash-‐Gleichgewichts gehen auf die 1950 veröffentlichte Dissertation des Mathematikers John Forbes Nash zurück.
• 4/4: Das Pareto-‐Optimum ist benannt nach Vilfried Pareto und bezeichnet eine Allokation, in der es nicht mehr möglich ist, ein Wirtschaftssubjekt besserzustellen, ohne gleichzeitig (mindestens) ein Wirtschaftssubjekt schlechter zu stellen.
Der Journalist als Anbieter von journalistischen Inhalten wird sich aufgrund der höheren
Auszahlung völlig unabhängig von der Einbeziehung des Rezipienten auf das Nash-‐Gleichgewicht hin
orientieren, da ihm dies eine höhere Auszahlung verspricht. Ergo: Bei den getroffenen Annahmen
liegt das Nash-‐Gleichgewicht, und somit die Handlungsentscheidung, in der Situation K(A)/D(B). Der
Journalist produziert (vermeintlichen) Massengeschmack, der Leser kauft ihn. Das ist die
höchstmögliche Auszahlung für den Journalisten, der Rezipient erzielt nur eine suboptimale
Auszahlung, also ein inferiores Ergebnis. Blicken wir noch auf die denkbaren Folgen, dieser
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spieltheoretischen Überlegungen: Höchste Motivation erfährt der Journalist, wenn er
(vermeintlichen) Massengeschmack bedient. Der Rezipient hat dabei überhaupt keine Wahl: Er muss
wohl oder übel das journalistische Angebot konsumieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass
durch seine geringere (suboptimale) Auszahlung und das für ihn inferiore Ergebnis ein Gefühl der
Unzufriedenheit zurückbleiben wird.
Bleibt nun die Frage, warum es in der Realität dennoch zu Situationen K(A)/K(B) kommt. Dies
lässt sich mit der Theorie der selektiven Anreize (Olson 1965, vgl. Olson 2004) erklären. Es gibt noch
Faktoren, die zusätzliche Auszahlungen oder Kosten bewirken, damit der Nutzen des Journalisten
entweder bei Kooperation erhöht, oder bei Defektion vermindert wird. Interessant hierbei ist, dass
diese Anreize im Modell ausschließlich beim Journalisten sinnvoll sind.
Denkbare Anreize:
• im Bereich K(B): höheres Ansehen durch Kollegen, Rezipienten (Prestige), Erfüllung der eigenen journalistischen Ethik (Idealismus);
• im Bereich D(B): Kosten durch Bestrafung seitens des Presserates (selektive Anreize können auch Kosten, etwa durch Normen, verursachen), geringeres Ansehen indem ethische Grundsätze nicht erfüllt werden.
Auf diese Weise findet sich nun auf dem Weg der Spieltheorie ein ganz neuer Ansatz, der
Anpassungshypothese zu begegnen. Kritiker mögen einwenden, dass dieser Ansatz in der Tat
ausschließlich spielerischen Wert hat. Dennoch muss fraglos zugestanden werden, dass es mit Hilfe
der Modellannahmen gelingt, den Zusammenhang zwischen qualitativ hochwertiger Produktion und
Angebot von (vermeintlichem) Massengeschmack zu beweisen und zwar eben nicht allein durch die
Mittel der Sozialpsychologie. Selbst in einem rein ökonomischen Modell lässt sich die These durch
mathematische Eindeutigkeiten bei richtigen Modellannahmen logisch herleiten.
Das Entwicklungen im Modell nach Iteration:
Es wird nun zusätzlich angenommen, dass der Rezipient um die Inferiorität der Auszahlung 2
weiß. Eine fundamentale Annahme in den Modellen der Mikroökonomie lautet ja, dass die Akteure
vollständig über alle Handlungsoptionen informiert sind. Er könnte ja auch die Auszahlung 4 im Falle
des Qualitätsjournalismus haben. Dies könnte in einem iterierten Modell dazu führen, dass die
Frustration von suboptimaler Situation zu suboptimaler Situation wächst, und der Rezipient nun
einen höheren Nutzen durch Nicht-‐Kauf erlangt. Er kann ja so seine „Rache“ ausleben. Anders gesagt:
Er hat einen von Wiederholung zu Wiederholung anwachsenden Nutzen, Massenjournalismus NICHT
zu kaufen. Auch das wäre ein selektiver Anreiz. Dieser Anreiz würde auf den Fall D(A/B) wirken.
Wenn der Wert nun größer als 2 wäre, würde das Ergebnis folgendermaßen aussehen:
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Situation bei Iteration nach Erreichen des kritischen Wertes bei D(A/B):
Hier käme man dann zu dem Ergebnis, dass der Journalist sich am vermeintlichen
Massenjournalismus orientiert, der Rezipient diesen aber nicht goutiert. Für den Journalisten stellt
dies ein nachweislich suboptimales Ergebnis dar. Die Situation kann ihn nicht zufrieden stellen, was
zu Handlungen führt, die wie folgt aussehen könnten: Er erhöht den Nutzen des Rezipienten bei der
Rezeption von Massengeschmack (etwa durch Unterhaltung), was vermutlich zu einem höheren
Arbeitsaufwand führt. Es könnte so schließlich eine Situation eintreten, in der
„Qualitätsjournalismus“ geringere Kosten verursacht und somit für beide Akteure attraktiver wird.
Man würde sich beim Pareto-‐Optimum treffen, was für eine gewisse Stabilität des Systems sorgen
könnte. Das würde – spieltheoretisch begründet – auf lange Sicht funktionierenden
Qualitätsjournalismus begründen.
Abb. 2: Situation nach Iteration im spieltheoretischen Modell
5. Zur Zukunft der Anpassungshypothese in einer Politischen Medienökonomie
Der vorliegende Beitrag sollte zeigen, dass eine Auseinandersetzung mit den Theorien einer
Politischen Medienökonomie der frühen 1970er Jahre auch heute noch gewinnbringend sein kann.
Die Anpassungshypothese ist hier kein Einzelfall. Aber an ihr lässt sich eben nachgerade idealtypisch
zeigen, dass man heute einer einstmals beinahe intuitiv zugeschriebenen Gültigkeit eine
entideologisierte Betrachtung zur Seite stellen kann, die eine Auseinandersetzung auf der Höhe der
Zeit zulässt. Dabei ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Theoriebausteine man zur Erklärung
heranziehen kann. Im Beitrag öffnen sich Optionen zur Verifizierung durch begriffliche Konkretion
oder die Beschränkung des Entscheidungsraumes über die Anwendung eines spieltheoretischen
Modells. Einmal mehr macht dieses Anschauungsobjekt auch deutlich, dass es die Ökonomie, und
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das ist am Ende eben doch eine Besonderheit dieser Sozialwissenschaft, mit Hilfe von mutigen
Setzungen und interessanten Schablonen in Form von Erklärungsmodellen schafft, beobachtbaren
Wirklichkeiten ihre Komplexität zu nehmen. Erst dieser Schritt schafft jene Nähe, mit der man das
Sozialgefüge menschlicher Existenz erklärbar machen kann. So gesehen ist zukunftsorientierte
Medienwissenschaft ohne Politische Ökonomie – im Kontext dieses Beitrages verstanden –
undenkbar.
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Autorenhinweis: Harald Rau ist Diplom-‐Kaufmann und Dr. phil., er arbeitet freiberuflich als Journalist, Autor und Berater mit Büro in Schriesheim an der Bergstraße (www.rauweb.de). Lehraufträge und Professurvertretungen führten ihn an die Universitäten Frankfurt (Oder), Leipzig und Mannheim. Rau publizierte Monografien zu den Themenfeldern Key Account Management, Benchmarking und Redaktionsmarketing. Im Jahr 2006 erscheint seine Habilitationsschrift unter dem Titel „Qualität in einer Ökonomie der Publizistik“.