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Ein Besuch im Museum von Beni Suef

AUS DEN MUSEEN

… und ein Gespräch mit der Museumsdirektorin Soad Fayed Mahrous

Seit 1997 gibt es in der mittelägypti-schen Stadt Beni Suef, der Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernorates, am südlichen Ausgang des Fayum gele-gen, ein Museum. Seine Bekanntheit außerhalb der Region bzw. außerhalb ägyptologischer Zirkel ist nur gering, aber ein Besuch dort ist sehr lohnend und entschädigt reichlich für die geringe Mühe der Anfahrt, insbesondere wenn man sich für weniger bekannte und oft sogar gänzlich unveröffentlichte Artefakte aus der pharaonischen Zeit interessiert.Das Museum von Beni Suef zeigt jedoch nicht nur Anti-ken. Die ausgestellten Objekte erheben den Anspruch, die ägyptische Kultur umfassend zu illustrieren, von der prä-historischen Zeit bis zur Dynastie Mohamed Alis, die 1952 zu Ende ging.Ein Besuch in Beni Suef lässt sich gut mit dem Besuch der berühmten Snofru-Pyramide von Maidum verbinden, die eine Dreiviertelstunde mit dem Auto entfernt in der westlichen Wüste liegt. In der Stadt selbst ist das Museum die Haupt-sehenswürdigkeit. Der Anbau von Baumwolle, Getreide und Zuckerrohr hat in der Region Tradition. Das Wappendes Gouvernorates zeigt neben der Maidum-Pyramide, der Nilbrücke und einer Ähre aber auch rauchende Fabrikschlote, die für die Herstellung von Textilien und Baustoffen und für die Produktion von Rohrzucker stehen.

Monument an der Zufahrtstraße zum Museum („Jagdflieger“)

Das eindrucksvolle Museumsgebäude liegt zentral in der In-nenstadt, aber etwas versteckt. Eigentlich, so möchte man denken, gehört ein repräsentativer städtebaulicher Akzent wie dieses durch Farbe und Form herausgehobene Bauwerk an einen Platz, an dem es schon von weitem gesehen werden kann. Dem ist aber nicht so. Man fi ndet das Museum am

Ende einer Sackgasse, die parallel zu der durch Beni Suef führenden Hauptverkehrsstraße Kairo-Minya verläuft, gleich hinter dem Zoologischen Garten. Ein mit bunten Glühbirnen irritierend verschönter Jagdfl ieger der Egyptian Air Force, der an der Zufahrtsstraße denkmalartig auf einem Sockel pos-tiert wurde, weist dem ortsunkundigen Besucher den Weg.

Abb. 1: Außenansicht des Museums von Beni Suef, Photo: Gabriele Wenzel

Der helle, zweigeschossige Flachbau besitzt eine breite Fas-sade und steht zurückgesetzt in einem Garten. Eine breite gepfl asterte Straße, die von akribisch zugeschnittenen Ficus-Kegeln fl ankiert wird, bildet den Zugangsweg. Schmale, mit Rosengranit verblendete Pfeiler tragen die Vorhalle, und über eine Freitreppe gelangt man sozusagen auf die höhere Ebene der hier ausgestellten Kunstwerke (Abb. 1).

Abb. 2: Rekonstruktion der Fassade des Herischef-Tempels von He-rakleopolis Magna (nach R.H. Wilkinson, The Complete Temples,

S. 138)

Gegenüber dem Museum erfreut den Besucher ein Freige-hege des Zoos, in dem Wildschafe gehalten werden. Fast glaubt man die heiligen Tiere des Herischef (Harsaphes) zu sehen. Der im nahe gelegenen Herakleopolis Magna (modern: Ehnasya el-Medina) in alter Zeit verehrte Gott wurde als Mann mit Widderkopf dargestellt, allerdings von einer anderen, heute ausgestorbenen Schafrasse mit horizon-talem Spiralgehörn.

Emblem des Gouvernorates Beni

Suef

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Die Architektur der Eingangshalle des Museums soll von der Front des Herischef-Tempels inspiriert sein, deren Ansicht von Flinders Petrie zu Beginn des 20. Jh.s rekonstruiert wurde. Von dem einst berühmten Tempel steht heute fast nichts mehr, aber ursprünglich trugen dort acht Palmsäulen die breite Vorhalle (Abb. 2).Im Museum von Beni Suef treffen wir den Direktor Herrn Mohamed Mabrouk und seine Kollegin, Frau Soad Fayed Mahrous. Die beiden Museumsleute freuen sich, wenn einmal ausländische Besucher ins Museum kommen. Allzu viele sind es nicht, denn die gängigen Reiserouten führen nicht nach Beni Suef.Neben einigen Wissenschaftlern, die in den Ruinenstätten der Umgebung arbeiten, sind es daher seltene Einzelrei-sende oder Kleingruppen, die ein besonderes Interesse an den weniger bekannten historischen Plätzen und an der Be-gegnung mit den Menschen in Ägypten abseits der großen Touristenströme haben.Dafür nehmen sie auch die Begleitung durch Sicherheits-kräfte in Kauf, die bei Fahrten über Land in Ägypten derzeit obligatorisch ist. Ob es denn hier besonders gefährlich sei, fragen wir unsere Beschützer. „Nicht gefährlicher als an einem anderen Ort der Welt, die großen europäischen Städte eingeschlossen. Wir sind hier ja in der Provinz. Aber böse Menschen gibt es überall,“ sagt ein Sicherheitsbeamter mit breitem Lächeln. „Unser Staat kümmert sich darum. Hier sind wir für Sie da.“Meistens sind es einheimische Besucher und vor allem Schul-klassen, denen die frühere Lehrerin und studierte Ägyptolo-gin Soad Fayed Mahrous ein Bild von der geschichtlichen Entwicklung ihres Heimatlandes vermittelt. Die charmante Lady mit dem dunklen Teint sprüht vor Begeisterung für die altägyptische Kultur. Elegant, in leuchtendes Blau geklei-det und ohne Kopftuch – denn sie ist Koptin – erläutert sie auch uns die wichtigen Exponate ihres Hauses und nimmt sich dafür viel Zeit. Wir gehen mit ihr zusammen durch die Ausstellung.„90 Prozent der altägyptischen Exponate, die Sie hier sehen können, stammen aus der Umgebung und sind uns aus den Grabungsmagazinen des Antikendienstes zur Verfügung gestellt worden. Die restlichen zehn Prozent haben wir zur Eröffnung aus den Beständen des Museums von Kairo erhalten. Dort wurden sie wegen der Fülle der ausgestell-ten Schätze kaum beachtet, aber hier sind es Highlights“, sagt sie. „Wir haben eine pharaonische, eine koptische und eine islamische Abteilung. Die Besucher sind von unseren Statuen des Mittleren und Neuen Reiches und von unseren bunt bemalten Särgen aus Sedment am meisten beeindruckt. Aber wir haben insgesamt mehr als 3000 Objekte aus allen Perioden.“Dem Eingang gegenüber fallen sogleich einige ungewöhn-liche Statuen auf, darunter die monumentale Statue der Ba-Seele von Nechen (Hierakonpolis) aus der Zeit Amenophis´ III. (Abb. 3). Das eindrucksvolle, etwa 160 cm hohe Stück aus schwarzem Granit stammt aus dem Tempel von Karnak und gehört zu den wichtigsten Exponaten des Museums. Für eine Sonderausstellung über Götter in Kanidengestalt wurde es unlängst ins Ägyptische Museum nach Kairo ausgeliehen und war dort als zentrales Objekt im Sonderausstellungsraum zu erleben. Die Statue zeigt eine halb kniende männliche Figur mit dem Kopf eines Schakals und einer Götterperücke. Die Hände der Statue sind zur Faust geballt, der linke Arm liegt

vor dem Oberkörper, der rechte ist im Jubelgestus erhoben. „Meistens glauben die Besucher, dass es sich um den Gott Anubis handelt. Aber es gibt eben nicht nur einen Gott, der mit einem Schakalskopf dargestellt wird. Der Kanopengott Dua-mutef, einer der vier Horussöhne, ist ein weiterer, und der große „Wegeöffner“, der Gott Upuaut, ein dritter.“

Abb. 3: Ba-Seele von Nechen (Hierakonpolis) mit Schakalskopf. Aus Karnak, Zeit Amenophis´ III., Photo: H. Brandl

Die Statue besitzt ein Gegenstück, eine falkenköpfi ge „Ba-Seele von Pe (bzw. Buto)“, die ebenfalls in Beni Suef gezeigt wird. Beide Statuen versinnbildlichen Gottheiten bzw. orts-gebundene Genien, in denen vielleicht die Ba-Seelen der prädynastischen Könige zu erkennen sind, die in diesen Ur-Städten residiert haben. Bei der rituellen Inthronisation des Königs und im Sed-Fest-Geschehen haben diese Gottheiten einen wichtigen Platz. Die beiden Statuen tragen Inschriften, die sie mit einem Sed-Fest Amenophis’ III. in Verbindung bringen.Im Weitergehen erzählt Frau Soad, wie die im Museum ver-sammelten Stücke auf sie selbst wirken: „Das Alte Ägypten ist nicht tot. Wir modernen Ägypter sind ein Teil dieser Tra-dition“, sagt sie. „Manchmal wünsche ich mir, selbst wie eine Ägypterin aus der Pharaonenzeit zu sein. Ich möchte am liebsten ein weißes Leinengewand tragen und meine Augen mit Kohel schminken.“ – Romantische Gefühle einer Ägyp-tologin? Auf Nachfrage erklärt sie: „Aus unserer ägyptischen Geschichte lernen wir, dass Frauen wichtige Aufgaben nicht nur in der Familie wahrnehmen konnten, sondern auch als Priesterinnen und sogar als einfl ussreiche Königinnen. Und mit Erfolg! Einige Frauen sind sogar Pharao geworden und haben das Land selbständig regiert. Man denke nur an Nito-kris, Sobek-nofru, Hatschepsut und Tausret, von Kleopatra ganz abgesehen. Selbst im islamischen Mittelalter hat es in Ägypten mit Schagarat ed-Durr eine Königin gegeben, die unser Land regiert hat. Dieses Wissen bringe ich auch meinen Töchtern bei.“ Und sie fährt fort: „Ich bin eine koptische Christin und ich glaube, dass wir viel von den Alten Ägypterngelernt haben. Das ist die Tradition, aus der wir kommen.“ Die Mutter von drei Mädchen vermittelt ihr Wissen aber nicht

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nur ihren eigenen Kindern. Alljährlich im Sommer fi ndet im Beni Suef Museum eine bemerkenswerte Ferienaktion statt, bei der vor allem die junge Generation auf spielerische Weise mit den Zeugnissen der Vergangenheit in Berührung kommt. Da werden nach den Vorbildern im Museum Uschebtis und Skarabäen aus Ton geformt und Papyrusblätter mit leuchtend bunten Szenen bemalt. Den Kindern macht das großen Spaß (Abb. 4).

Abb. 4: Ferienaktion im Museum von Beni Suef, Photo: Slg. Soad F. Mahrous

Die Museumspädagogik ist für Frau Soad Mahrous ein wichtiges Anliegen, das sie übrigens mit der Generaldirek-torin des Ägyptischen Museums Kairo, Frau Dr. Wafaa el-Saddik, teilt. In Kairo und in Beni Suef weiß man, dass das schlichte „Besitzen von Ererbtem“ und die Aneignung von Wissen darüber, z.B. im Geschichtsunterricht, bei Kindern nicht ausreichen, um einen persönlichen Bezug dazu zu ent-wickeln - und dadurch zu den eigenen kulturellen Wurzeln zu fi nden. Die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe der Vergangenheit muss auch über die Sinne erfolgen und die kindliche Neugier ansprechen. Und: Die Begegnung mit Altägypten muss Spaß machen dürfen. Nur dann können Kinder die Welt der Antike positiv als einen Teil ihrer eige-nen Lebenswirklichkeit erfahren, der sie im Land am Nil auf Schritt und Tritt begegnen und die es zu bewahren gilt.Bevor sie für den Antikendienst arbeitete und die Stelle im Museum bekam, war Frau Soad Mahrous Lehrerin. Nach ihrem Studium an der renommierten Kairo-Universität, an der sie die Geschichtsfakultät besuchte und 1990 mit Aus-zeichnung abschloss, sammelte sie drei Jahre lang Erfahrung im aktiven Schulunterricht. 1993 bot man ihr von Seiten des Staatlichen Antikendienstes einen Vertrag zur Mitarbeit bei der Einrichtung des neu zu gründenden Museums von Beni Suef an. Sie sagte zu. Die Liebe zu Altägypten und der feste Wille, auch weiterhin pädagogisch zu arbeiten, fanden in der Arbeit am Museum glücklich zusammen. Es sollte jedoch noch vier Jahre dauern, bis am 26. März 1997 das Museum erstmalig seine Pforten öffnete. Was wir auf unse-rem Rundgang heute sehen, ist zu einem großen Teil von ihr

ausgesucht, geordnet und zeitlich bestimmt worden.

Abb. 5: Hatschepsut oder Thutmosis III., aus Karnak, Rosengranit, Photo: Mathias Salomon

Frau Soad begreift das Museum als Ort der Begegnung. „Sehen Sie nur: Hatschepsut – oder Thutmosis III.? Was meinen Sie?“ Es klingt, als träfen wir einen alten Bekann-ten mit einem notorischen Identitätsproblem. Wir stehen vor einem sensibel modellierten, kolossalen Rosengranit-Kopf eines Königs mit Nemes-Kopftuch. Das alterslose Gesicht besitzt eine ovale Kontur und gleichzeitig volle Wangen. Die großen, mandelförmigen Augen sind weit geöffnet und hieroglyphisch stilisiert. Ein feines Lächeln spielt um die Lippen. Stilistisch kann dieses Werk der frühen 18. Dynastie zugewiesen werden (Abb. 5).

Abb. 6: Djed-Djehuti-iuef-anch, 13. Dynastie, überarbeitet in der 22. Dynastie, Photo: Gabriele Wenzel

Der Bildnistypus Hatschepsuts und Thutmosis’ III. ist allerdings über Jahre hinweg identisch, so dass ohne In-schrift nicht entschieden werden kann, welcher der beiden Herrscher dargestellt ist. Frau Soad vergleicht den Kopf mit

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einer inschriftlich bezeichneten Kniefi gur Thutmosis´ III. mit kugeligen Gefäßen in den Händen, die schräg gegenüber aufgestellt ist. Die Ähnlichkeit der beiden Gesichter scheint überzeugend.Ebenfalls aus Karnak stammt eine leicht unterlebensgroße private Sitzfi gur aus grauem Granit, die früher in der Abtei-lung „Mittleres Reich“ des Museums von Kairo ausgestellt war. Statuen dieser Art werden manchmal als „Mantelfi guren“ bezeichnet, da sie einen Würdenträger in einen Umhang bzw. eine Art Mantel gehüllt darstellen. Diese Statue datiert in das späte Mittlere Reich, in die Zeit der 13. Dynastie, wie ihre Stilistik verrät. Während der sog. Dritten Zwischenzeit, rund 900 Jahre nach ihrer Herstellung, als die Könige Harsiese und Osorkon II. in Theben und Tanis gleichzeitig regierten (22. Dynastie, um 850 v.Chr.), wurde sie für einen prominenten thebanischen Amun-Priester namens Djed-Djehuti-iuef-anch, genannt Nachtef-Mut, umgearbeitet. Die Reliefdarstellungen seiner Eltern, seiner Gattin und Tochter, die die Seitenfl ächen des Blocksitzes schmücken, wurden damals hinzugefügt. Die Linienführung dieser Reliefs ist ausgesprochen elegant und steht in der Tradition des Neuen Reiches. Dadurch entsteht ein reizvoller Kontrast zur Strenge der Skulptur (Abb. 6).

Abb. 7: Sitzfigur Amen-em-hats III. mit Opfertafel (?), Kalkstein, 12. Dynastie, Photo: Gabriele Wenzel

Frau Soad zeigt auf zwei lebensgroße Sitzbildnisse, die Sesostris III. (in schwarzem Granit) und seinen Sohn und Nachfolger Amenemhet III. (in Kalkstein) darstellen (Abb. 7 und 8). „Diese beiden Königsstatuen sind mir persönlich sehr wichtig,“ sagt sie. Die beiden Statuen aus der 12. Dy-nastie sind zwar stark restauriert, aber sie vermitteln noch einen guten Eindruck von der hohen Qualität, die das rundpla-stische Schaffen der Hofateliers im 19. Jh. v.Chr. erreichte. „Amenemhet III. ist für mich so etwas wie eine Vaterfi gur. Er hat das Fayum urbar machen lassen und sich um seine Untertanen gekümmert. Noch in der Römerzeit wurde er dort als eine Art Lokalgott verehrt. Auch den Herischef-Tempel in Ehnasya, hier in der Nähe, hat er erweitern lassen. Er ist auf besondere Weise mit unserer Region verbunden,“

erklärt Soad. Im Gesicht sind die beiden Statuen überaus individuell gestaltet und lassen die auch von anderen Bild-nissen her bekannten, stilisierten Züge der Herrscher gut erkennen. „Das vom Alter geprägte Gesicht Sesostris´ III. macht immer großen Eindruck. Ich beobachte manchmal die Besucher, die dieses Gesicht genau betrachten. Das Alter hat seine eigene Würde.“

Abb. 8: Sitzfigur Sesostris’ III., Schwarzer Granit, Photo: Gabriele Wenzel

Der Korridor, den wir bis jetzt entlanggegangen sind, öffnet sich nun in eine zweigeschossige Halle mit einer repräsentati-ven Steintreppe, die in das obere Geschoss führt (Abb. 9).

Abb. 9: Innenansicht des Museums von Beni Suef, Photo: Mathias Salomon

„Hier haben wir die Särge aus den Nekropolen unserer Region aufgestellt. Im Altertum war hier das Gebiet des 20. oberägyptischen Gaues, des Vorderen Naret- oder Olean-dergaues. In der Nähe von Beni Suef gibt es eine Reihe von bedeutenden Friedhöfen aus unterschiedlichen Perioden, so z.B. in Sedment el-Gebel, in Deschasche, in Kom Abu Rady und in Abusir el-Meleq. Wir haben in unserem Museum Särge und Grabbeigaben aus der Zeit vom Alten Reich bis zur Römerzeit.“

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Die Halle ist ausgestattet mit Wand- und Tischvitrinen, in denen sich eine enorme Fülle von Material befi ndet. Dabei ist alles vergleichsweise locker gruppiert und gut ausgeleuchtet, worauf man bei der Einrichtung des Museums geachtet hat. Statuen und Stelen, Uschebtis und Skarabäen fi nden sich hier teils nach Sachgruppen zusammengestellt, teils nach Herkunftsort.

Abb. 10: Würfelfigur des Men-kau, Kalkstein, 12. Dynastie, Photo: Edith Bernhauer

Eine Reihe von kleineren Grabstatuen des Alten Reiches stammt von den großen Pyramidenfriedhöfen von Giza und Saqqara. Sie stellen schreibende oder lesende Würdenträger dar. Anonyme Dienerfi guren sind dagegen bei den Verrich-tungen der Hauswirtschaft zu erkennen. Die knapp 19 cm große kuboide Statuette („Würfelhocker“) des Men-kau bildet in dieser Nachbarschaft eine Ausnahme. Sie wurde in der Nähe einer großen Mastaba aus dem Alten Reich unweit der Cheops-Pyramide in Giza gefunden (Abb. 10).

Abb. 11: Königskopf mit Weißer Krone, Kalkstein, Zweite Zwischenzeit, Photo: Mathias Salomon

Bekanntlich wurde der darstellerische Typus der Würfelfi gur erst im Mittleren Reich geprägt. Der Stil dieser Figur, die

weniger abstrahierend-kubisch als vielmehr sehr körperlich, mit gut erkennbaren Armen und Beinen gestaltet ist, datiert sie in die mittlere 12. Dynastie.Zwischen den Vitrinen sind es größere Einzelstücke, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine spätzeitliche Statue des Gottes Thot in Paviangestalt aus bemaltem Kalkstein gehört ebenso dazu wie ein überlebensgroßer Königskopf mit Weißer Krone aus der Zweiten Zwischenzeit (Abb. 11) oder eine fast 2 m hohe Privatstele aus der Ramessidenzeit.

Abb. 12: Sarg des Wadj, Holz mit Bemalung, Erste Zwischenzeit – frühes Mittleres Reich, Photo: Gabriele Wenzel

In der Mitte der Halle befi nden sich in großen gläsernen Schaukästen die Särge. Die frühesten sind Kastensärge aus der Ersten Zwischenzeit und dem frühen Mittleren Reich. Sie bestehen aus stuckiertem Holz und wurden offenbar mit sicherem Pinselstrich bunt bemalt. Auf dem typischen Ge-rätefries des Holzsarges des Wadj fi nden sich verschiedene Beigaben und magisch wirksame Geräte dargestellt. Die in kursiver Hieroglyphenschrift in Kolumnen angeordneten Sargtexte beschwören die Verklärung des Verstorbenen (Abb. 12).

Abb. 13: Balsamierungsszene auf einem spätzeitlichen Sarg, Photo: Mathias Salomon

Frau Soad, nach einem Lieblingsstück unter all ihren Objek-ten gefragt, muss nicht lange überlegen. „Nicht eins - drei! – das erste ist gleich hier.“ Es ist einer der mumiformen

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Särge aus der ägyptischen Spätzeit. Auf der Brust ist in leuch-tenden Farben die Balsamierung des Leichnams durch den Gott Anubis aufgemalt. Isis und Nephthys beweinen den zu Osiris gewordenen Toten. Unter der Totenbahre erkennt man die Kanopenkrüge. Über dieser Szene breitet die Himmels-göttin einem Engel gleich ihre Flügel aus. In den Händen hält sie je eine Straußenfeder – Symbol der Maat (Abb. 13).„Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt“, meint Soad. „Er ist ein vorgesehener Bestandteil der Ordnung. Das wussten schon unsere Vorfahren. Auch wir betrauern unsere Toten, weil wir sie verlieren. Als Christin weiß ich aber, dass dies alles seine Ordnung hat. Das sehen aber meine muslimi-schen Landsleute natürlich genau so. Unsere gemeinsamen Vorfahren benutzten dafür den Begriff Maat – die göttliche Weltordnung.“In einer nahe gelegenen Vitrine steht ein vollständiges Set von vier Kanopenkrügen aus dichtem Kalkstein (Abb. 14). Die ikonographischen Details und Inschriften sind mit Resten blauer Farbe nachgezeichnet. Die Deckel in Gestalt der Köpfe der vier Horus-Söhne sind außerordentlich fein ausgearbeitet. Sie stellen die Köpfe eines Affen, eines Falken, eines Schakals und einen menschlichen Kopf dar. Auch diese Stücke befi nden sich in einem erstaunlich guten Zustand. Sie gehörten zur Grabausstattung der Dame Tent-Amun, der Tochter eines Generals, der gleichzeitig thebanischer Oberpriester war – eine typische Ämterkombination für die Zeit der libyschen Militäraristokratie nach dem Ende des Neuen Reiches.

Abb. 14: Kanopenkrüge der Tent-Amun, Kalkstein mit Bemalung, Dritte Zwischenzeit, Photo: Edith Bernhauer

„Diese Eingeweidekrüge wurden erst vor kurzer Zeit hier in der Nähe gefunden,“ sagt Soad. „Spanische und franzö-sische Archäologen arbeiten seit einigen Jahren zusammen mit unseren Leuten in Ehnasya el-Medina. Durch sie wissen wir, dass unsere Stadt nicht nur in der Ersten Zwischenzeit, in der Herakleopolitenzeit, bedeutend war, sondern auch noch einmal zwischen dem Neuen Reich und der Spätzeit. Wahrscheinlich war hier sogar der Stammsitz der Familie der Osorkons, Scheschonqs und Takelots, bevor sie die Herr-schaft über ganz Ägypten an sich ziehen konnten.“ Ist dies das zweite Lieblingsobjekt? – „Ja“, sagt sie. „Diese Leute glaubten, dass man den Körper bewahren muss, um nach

dem Tod weiterleben zu können. Auch unsere koptischen Vorfahren haben in der ganz frühen Zeit ihre Toten noch einbalsamiert. Heute tun wir das nicht mehr. Aber mich rührt es an zu sehen, auf welche Weise man früher hoffte, den Tod zu besiegen. Ziemlich technisch, fi nden Sie nicht?“In einer Wandvitrine fällt die bunt bemalte Totenstele einer Frau aus der Spätzeit auf: Sie ist zweimal darauf dargestellt, opfert eine Lotosblüte und betet zu den Göttern Re-Harachte und Atum – zwei komplementären Aspekten der Sonnengot-tes (Abb. 15). „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die Sonnenscheiben auf dem Kopf des Sonnengottes meistens rot gemalt sind? Darum geht es wirklich: Die Wiedergeburt, symbolisch angedeutet durch die morgendliche rote Sonne. Auch die Lotosblüte versinnbildlicht den Neuanfang.“

Abb. 15: Stele der Heribdies, Holz mit Bemalung, 25./26. Dynastie, Photo: Mathias Salomon

Vorbei an weiteren Stelen, Statuen und Reliefs gehen wir in das Obergeschoss, wo sich die koptische und die islamische Abteilung befi nden. Zielstrebig geht Soad auf eine Wand-vitrine zu, in der Holzschnitzereien und Ikonen ausgestellt sind. Vor einem aus Holz geschnitzten Anch-Zeichen bleibt sie stehen: „Das alte Lebenszeichen! In der koptischen Kirche hat man es zunächst beibehalten. Auch die christli-che Religion lehrt, dass das irdische Leben endet, um sich dauerhaft zu erneuern. Dieses Zeichen ist das Symbol dafür. Mein drittes Objekt ist aber ein anderes: Unser Triptychon.“ In der Vitrine neben den altkoptischen Schnitzereien werden einige Ikonen aufbewahrt. Das „Triptychon“ ist eine aus drei bemalten Holztafeln zusammengefügte Ikone aus dem 18. oder frühen 19. Jh., die die Passion Christi auf dem Berge Golgatha zeigt: Christus zwischen den beiden Schächern am Kreuz, Maria und Johannes zu seinen Füßen, das Blut Christi rinnt über den Schädel Adams, ein Symbol der Erlösung (Abb. 16). „Dies soll das dritte ausgewählte Stück sein, denn diese Ikone liebe ich ganz besonders. Wie Sie sehen, ist sie arabisch beschriftet. Nur auf dem Querbalken des mittleren Kreuzes stehen die Kürzel IC und XC – Jesus, der Gesalbte. Wir Kopten sind uns unserer Traditionen bewusst, aber wir haben uns der arabischen Kultur nicht verschlossen.“

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Abb. 16: Dreiteilige Ikone: Jesus zwischen den Schächern am Kreuz, 18.-19. Jh., Photo: Mathias Salomon

Das obere Stockwerk des Museums wird durch eine umlau-fende Galerie gebildet. Das Tageslicht dringt abgemildert herein, denn die Fenster sind mit heller Farbe bestrichen. Neben den Tafelbildern fi ndet man hier frühe koptische Schriftzeugnisse, wie z.B. eine hölzerne Schreibtafel mit apokryphen Texten, Teile eines Codex, eine Abschrift der Psalmen Davids und dazu auch Musikinstrumente. Dass in Beni Suef und Umgebung überdurchschnittlich viele kopti-sche Christen leben, ist bekannt. Von 20-30 % der Bevöl-kerung ist die Rede. Viele von ihnen besuchen das Museum insbesondere wegen der koptischen Exponate.

Abb. 17: Frau Soad Fayed Mahrous und das Mädchen aus Abusir el-Meleq, Photo: Mathias Salomon

Die frühislamische Zeit dagegen ist vor allem durch Archi-tekturteile vertreten, insbesondere geschnitzte Türeinfas-sungen und Stuckaturen mit geometrischen Motiven. Die arabische Kalligraphie bildet eine eigene Abteilung, ebenso wie eine Sammlung von Gebetsteppichen aus osmanischer Zeit. In den Vitrinen sind dazu bunt glasierte Keramiken, antike Waffen und Münzen ausgestellt. Einen Blickfang stellt eine kunstvoll aus gedrechselten Hölzern gearbeitete Fensterverkleidung dar.Ein einmaliger Besuch reicht kaum aus, um alles in diesem „kleinen“ mittelägyptischen Provinzmuseum aufmerksam betrachten zu können. Ein Katalog, mit dessen Hilfe man wenigstens über einen Teil des Gesehenen auf der Weiterreise

und zu Hause nachlesen könnte, ist nicht mehr verfügbar. Er ist längst ausverkauft. Erfreulicherweise ist jedoch das Pho-tographieren erlaubt. Wir nutzen dies ausgiebig, bedanken uns herzlich und verlassen das Museum nicht, ohne auch ein Abschiedsfoto von unserer liebenswürdigen Gastgeberin gemacht zu haben, die uns soviel Zeit widmete. Mit ihrem einnehmenden Lächeln stellt sich Frau Soad Fayed Mahrous an die Seite der überlebensgroßen Statue eines Mädchens aus der griechisch-römischen Periode. Die ungewöhnliche Plastik aus Abusir el-Meleq vereint ägyptische und grie-chisch-römische Elemente (Abb. 17).„Als diese junge Frau lebte, war Ägypten schon ein mul-tikulturell geprägtes Land“, meint Frau Soad. „Die Jahr-hunderte kommen und gehen. In unserer Geschichte hat es viele Fremdherrschaften gegeben. Aber kein fremdes Volk ist hier gewesen, ohne etwas von unserer Kultur übernommen zu haben. Es war für die Beteiligten immer ein Geben und Nehmen. Auch wir haben viel dazugelernt. Und die Essenz Ägyptens wird immer hier bleiben.“

Helmut Brandl

Das Museum von Beni Suef ist täglich von 9-15 Uhr geöffnet, der Eintrittspreis beträgt LE 10 (Studenten und Schüler mit internationalem Ausweis LE 5)Photographiererlaubnis: LE 10 (ohne Blitz/Stativ).Anreise empfohlen ab Kairo mit dem Zug, etwas anstren-gender mit den Überlandbussen (Superjet Middle Egypt) ab Kairo-Aboud. Sammeltaxis bzw. Minibusse stehen dort ebenfalls zur Verfügung.Der Beitrag entstand bei einem Wochenend-Besuch in Beni Suef mit den Mitarbeitern des M.i.N.-Projektes, die auch die Photos für diesen Beitrag zur Verfügung stellten.

Weiterführende Literatur (Auswahl):Ahmed/Aston, New Kingdom anthropoid pottery coffi ns from Kom Abu Rady and Sedment, in: Jaarbericht van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschaap Ex Oriente Lux (JEOL) Bd. 37, Leiden 2003, S. 127-180El-Saddik, W., Some Educational Remarks on Museum Education, in: Bulletin of the Egyptian Museum, Vol. 1, Cairo 2004, 41-43Fischhaber, G., Mumifi zierung im koptischen Ägypten: Eine Untersu-chung zur Körperlichkeit im 1. Jahrtausend n. Chr. Ägypten und Altes Testament (ÄAT), Studien zur Geschichte, Kultur und Religion Ägyptens und des Alten Testaments, Bd. 39, Wiesbaden 1997Galal Abdel Fatah/Bickel, Trois cercueils de Sedment, BIFAO 100, 2000, 1-36Jansen-Winkeln, K., Die Libyer in Herakleopolis Magna, in: Orientalia, NS, Bd. 75, Rom 2006, S. 297-316Kanawati/McFarlane, Deshasha: The Tombs of Inti, Shedu and Others, in: Australian Centre for Egyptology Reports, nr. 15, Sydney 1993Kanawati, N., Re-excavating and Recording Deshasha, in: Bulletin of the Australian Centre for Egyptology (BACE), nr. 5, North Ryde 1994, pp. 43-52Mokhtar, G., Ihnâsya el-Medina (Herakleopolis magna): Its Importance and Its Role in Pharaonic History, Bibliothèque d´Étude, nr. 40, Cairo 1983Naville, E., Ahnas el-Medineh, London 1894Perez-Die, M.C., The ancient necropolis at Ehnasya el-Medina, in: Egyptian Archaeology; The Bulletin of the Egypt Exploration Society, nr. 24, London 2004Petrie, W. M. Fl., Deshasheh 1897, Egypt Exploration Fund Publication, nr. 15, London 1898W. M. Fl. Petrie, Ehnasya. With a chapter by C. T. Currelly. Twenty-sixth Memoir of the EEF, London 1905Wilkinson, R.H., The Complete Temples of Ancient Egypt. (AUC Press) Cairo 2000Žabkar, L., A Study of the Ba Concept in Ancient Egyptian Texts, SAOC 34, Chicago 1968


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