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Ausgabe 2 | 9. März 2016 www.exportmanager-online.de Export Manager Ausgewählte Informationen für Exportverantwortliche Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Ostasien China landet sanft | Nachbarn leiden | Wandel bietet Chancen | Neue Möglichkeiten in Vietnam | Finanzierung von Iran-Geschäften | Textilimporte finanzieren | Neuer Unionszollkodex im Mai | Ent- ziehung vermeiden | Präferenzabkommen nutzen

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Page 1: ExportManager · 1,0% im Vorjahr auf 2,0% zulegen. Aus-schlaggebend für die konjunkturelle Bele - bung dürften jedoch die Zinssenkungen der Zentralbank zum Jahresende 2015 sein,

Ausgabe 2 | 9. März 2016www.exportmanager-online.de

ExportManagerAusgewählte Informationen für Exportverantwortliche

Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Ostasien

China landet sanft | Nachbarn leiden | Wandel

bietet Chancen | Neue Möglichkeiten in Vietnam |

Finanzierung von Iran-Geschäften | Textilimporte

finanzieren | Neuer Unionszollkodex im Mai | Ent-

ziehung vermeiden | Präferenzabkommen nutzen

Page 2: ExportManager · 1,0% im Vorjahr auf 2,0% zulegen. Aus-schlaggebend für die konjunkturelle Bele - bung dürften jedoch die Zinssenkungen der Zentralbank zum Jahresende 2015 sein,

Ausgabe 2 | 9. März 20162 | ExportManager

Der Nationale Volkskongress berät

den neuen Fünfjahresplan für Chi-

nas Wirtschaft. Das Wachstumstempo

nimmt ab, doch der Strukturwandel

bietet auch neue Chancen. Deutsche

Unternehmen sollten die Weichen stel-

len, um sich gegenüber den asiatischen

Konkurrenten zu behaupten. Die haben

gerade eine transpazifische Partner-

schaft mit den USA vereinbart.

Die vorliegende Ausgabe des Export­Managers geht auf die aktuelle Ent-

wicklung in China ein, blickt aber auch

auf den Iran und den Auftritt des Part-

nerlandes USA auf der Hannovermesse.

Der neue Unionszollkodex ist ein weite-

rer Schwerpunkt, dessen Auswirkungen

auf besondere Verfahren und die

Entziehung aus der Zollüberwachung

beachtet werden sollten.

Sie erhalten unseren Newsletter jähr-

lich in zehn Ausgaben kostenlos online,

wenn Sie möchten. Gerne stehen wir

Ihnen für weitere Informationen zur

Verfügung. Nutzen Sie bitte die Regis-

trierungsmöglichkeit und weitere

Informationen auf unserer Website

www.exportmanager­online.de.

Themen

Verkaufen

➤➤ China landet sanft dank Binnennachfrage 3Christoph Witte, Direktor Deutschland, Credimundi, Member of the Credendo Group

➤➤ Chinas Nachbarn von Nachfrageschwäche betroffen 5Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH

Vernetzen

➤➤ Finanzierungshürden im Iran­Geschäft fallen 7Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH

➤➤ US­Präsident Obama eröffnet HANNOVER MESSE 8Dr. Jochen Köckler, Vorstandsmitglied, Deutsche Messe AG

Finanzieren

➤➤ Chinas Reformen – neue Chancen für Unternehmer? 10Weijun Yin, Senior Regional Manager Financial Institutions, BHF-BANK Aktiengesellschaft

➤➤ Neue Entwicklungen in China bieten auch Chancen 12Sebastian Rohloff, Senior Expert China/Renminbi, Deutsche Bank AG

➤➤ Textilimporte bankenunabhängig finanzieren 14Dirk Oliver Haller, Vorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG

Liefern

➤➤ Neue Möglichkeiten durch TPP in Vietnam 16Oliver Massmann, Kanzlei Duane Morris, Vietnam, Christine Heinze, Director, Bayerische Landesbank

➤➤ Präferenzen nutzen, Wettbewerbsvorteile sichern 18Corinna Tamminga, Beraterin für Zoll und Außenwirtschaft, dbh Logistics IT AG

➤➤ Der neue Unionszollkodex (UZK) – alles neu im Mai? 21Axel Krause, Rechtsanwalt und Diplom-Finanzwirt (Zoll), Graf von Westphalen, Marian Niestedt, Rechtsanwalt und Partner, Graf von Westphalen

➤➤ Entziehen aus Zollüberwachung jetzt und künftig 24PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte, Serkan Deniz, angestellter Anwalt, Hohmann Rechtsanwälte

Strategische Partner und Impressum 27

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China landet sanft dank Binnennachfrage

China befindet sich im wirtschaftlichen Übergang; die Ära zweistelliger Wachstumsraten ist vorüber. Die Verschlechterung der makroökonomischen Indikatoren legt nahe, dass sich die strukturelle „sanfte Landung“ vertiefen könnte. China verfügt jedoch über robuste Fundamentaldaten und eine geringe Auslandsverschuldung, außerdem über umfangreiche Währungsreserven und eine hohe Sparquote, um widrigen Bedingungen standzuhalten.

Warnsignale dämpfen Ausblick

Die konjunkturellen Aussichten werden durch die Risiken einer Korrektur auf dem Immobilienmarkt, finanzielle Instabilität, ein umfangreiches Schattenbankensys-tem sowie eine erhebliche Gesamtver-schuldung getrübt. Diese systemischen Faktoren sind eine schwere Bürde und dämpfen zwangsläufig das Wachstum-spotential (auf unter 6,5%), insbesondere da die weiterhin bestehende industrielle Überproduktion und die schwächere Aus-landsnachfrage die Deflation verstärken. Die Vertrauenskrise, die durch den Bör-sencrash und die überraschende Abwer-tung des Renminbi (CNY) im Sommer ver-schärft wurde, zeigt sich in zunehmenden Kapitalabflüssen, starkem Abwertungs-druck auf den Renminbi und einer unter-grabenen Glaubwürdigkeit der Kommu-nistischen Partei Chinas (KPCh).

Wir schätzen sowohl das kurzfristige als auch das mittel- bis langfristige politische Risiko weiterhin als gering ein, in Katego-rie 1 bzw. 2 auf einer Skala von 1 bis 7. Die innenpolitische Stabilität unter der Herr-

schaft der KPCh ist ein risikominimieren-der Faktor, während Chinas nationalisti-sche Außenpolitik wiederholt zu Span-nungen um die umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer führt. Trotz des Widerstands vieler einflussreicher Interes-senvertreter ist ein starker Präsident Xi Jinping zur Durchführung von Reformen entschlossen, besonders der anhalten-

den, großen Antikorruptionskampagne, um die Legitimität der KPCh zu erhalten.

Obwohl die wirtschaftliche Liberalisie-rung und der Privatsektor weiter geför-dert werden sollen, dürfte der Staat in wichtigen und strategischen Wirtschafts-bereichen weiterhin eine dominierende Rolle spielen. Das unsichere Rechtssystem

und die geringe wirtschaftliche Dynamik beeinträchtigen das Geschäftsumfeld, was der wesentliche Faktor für das hohe wirtschaftliche Risiko Chinas ist (Katego-rie C auf einer Skala von A bis C). Zah-lungsrückstände und -ausfälle haben zugenommen und werden weiter steigen, insbesondere in Sektoren mit Überpro-duktion (z.B. Immobilienmarkt, Bergbau, Stahl), da die untragbare implizite Staats-garantie nicht von Dauer sein dürfte.

Konjunktur braucht Stützung

Seit 2012 befindet sich die chinesische Volkswirtschaft nach Jahrzehnten mit zweistelligen Wachstumsraten in einem Umbau. Im kommenden Jahrzehnt wer-den sich der private Verbrauch und Dienstleistungen – die bereits den größ-ten Anteil am BIP erwirtschaften – zu den wichtigsten Wachstumstreibern entwi-ckeln, während die Investitionen langsam ihren untragbar hohen Anteil von über 45% des BIP verringern werden. Bis zum Ausgleich ist es noch ein langer Weg. Der Rückgang des Wirtschaftswachstums erregt daher zunehmend Besorgnis, nicht

Dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas folgt ein leichter Sinkflug – die Politik steuert wirksam dagegen.

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Christoph WitteDirektor Deutschland,Credimundi, Member of the Credendo Group

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nur in China, sondern auch in vielen Schwellenländern, die von der sinkenden Nachfrage Chinas nach Rohstoffen betrof-fen sind. Die derzeitige Wachstumsschwä-che könnte daher noch deutlicher ausfal-len als das offiziell angegebene 25-Jahres-Tief von 6,9% im Jahr 2015. Eine Reihe von Indikatoren, von Bergbau und verarbei-tender Industrie bis zu Handelsströmen, zeigt den niedrigsten Wert seit der Krise 2008/2009. Hinzu kommen ein starker Rückgang der Rohstoffpreise, ein knappe-res Kreditangebot und Deflationsdruck. Diese Faktoren lassen tatsächlich tenden-ziell einen stärkeren BIP-Rückgang erwar-ten.

Entsprechend hat die chinesische Regie-rung eine Reihe von Maßnahmen zur Sti-mulierung der Wirtschaft ergriffen, um eine harte Landung zu vermeiden. Peking verfolgt eine akkommodierende Politik mit mehrfachen Senkungen der Zins- und Reservesätze auf der geldpolitischen Seite sowie einer starken Aufstockung der öffentlichen Ausgaben und Infrastruktur-investitionen der Zentralregierung (z.B. Transport, Energie, Wasser, erneuerbare Energien). Darüber hinaus hat China Mitte August 2015 überraschend den Renminbi (CNY) um 3% gegenüber dem US-Dollar abgewertet, um die chinesischen Exporte zu stützen, die von der schwachen Nach-frage aus den Industrieländern beein-trächtigt sind. Obwohl der Renminbi bereits unter Abwertungsdruck stand, bestätigt ein solcher Schritt die Bedenken bezüglich der schwachen Wirtschaftsdy-

namik und der Schwierigkeiten der Regie-rung, die Wirtschaft zu stabilisieren. De facto verlängert das Vorgehen den Über-gangsprozess.

Der Renminbi ist nach einer langen Phase der stetigen Aufwertung keine sichere Wette mehr. Die chinesischen Behörden haben sich verpflichtet, den Marktkräften bei der Wechselkursfindung eine größere, wenn auch weiterhin gesteuerte, Rolle zu überlassen. Entsprechend wird der Ren-minbi im Kontext des aktuellen wirt-schaftlichen Abschwungs weiter abwer-ten, wenn auch langsam. Voraussetzung ist, dass die Zentralbank weiterhin umfas-send Währungsreserven verkauft, um den Wechselkurs und die Aktienmärkte zu stützen, eine Kapitalflucht zu bremsen und einen Währungskrieg mit den asiati-schen Partnern zu vermeiden.

Krisenabwehr durch Devisenpolster

China verfügt noch über Spielraum zur Abwehr einer Wirtschaftskrise. Das Land besitzt die weltweit größten Währungsre-serven (seit Sommer 2014 allerdings in einem konstanten Abwärtstrend) und weist eine positive Zahlungsbilanz mit einem permanenten Leistungsbilanz-überschuss (3% des BIP) auf. Dieser wird gestützt von geringeren Rohstoffimpor-ten (China ist beispielsweise der weltweit größte Ölimporteur) und einem billigeren Renminbi, der den Export der Überschuss-produktion aus Sektoren mit Überkapazi-täten fördert.

Jedoch verschlechtert sich die Kapitalbi-lanz Chinas rapide durch die Kapitalflucht internationaler Banken und chinesische Konzerne, die ihre auf US-Dollar lautenden Schulden tilgen aufgrund des Abwärts-trends des Renminbi und der wirtschaftli-chen Unsicherheit. Auch die FDI-Abflüsse aus China sind erheblich und dürften bald die Zuflüsse überwiegen. Hierzu trägt auch die globale Expansion chinesischer Staatsunternehmen bei. Beispiele sind rie-sige Infrastrukturprojekte, insbesondere der langfristig vorgesehene Ausbau des „Silk Road Economic Belt” (Landverbin-dung zwischen China und Europa).

Hohe Verschuldung belastet

Sorge bereitet den chinesischen Behör-den vor allem die hohe Gesamtverschul-dung des Landes, die die Wachstumspers-pektiven trübt. Der Schuldenstand ist seit 2008 von 150% des BIP bis heute auf 250% des BIP explodiert. Insbesondere Immobilienunternehmen, Staatsunter-nehmen in Sektoren mit Überkapazitäten sowie Kommunalregierungen haben sich hoch verschuldet. Konjunkturmaßnah-men sind daher nur begrenzt wirksam, solange die wirtschaftlichen Exzesse nicht strukturell bekämpft werden. Da die Ver-schuldung weitgehend intern und vom öffentlichen Sektor getragen ist und China über eine starke außenwirtschaftli-che Position verfügt, ist das Risiko einer Schuldenkrise gering. Dennoch steigen die Ausfallrisiken, und langfristig besteht die Gefahr, dass die Schuldenspirale sich

fortsetzt, das heißt neue Schulden über-wiegend für die Tilgung bestehender Kre-dite aufgenommen werden.

Peking hat Finanzreformen eingeleitet, um die hohe kommunale Verschuldung in den Griff zu bekommen, die den größten Anteil an der Staatsverschuldung aus-macht (rund 40% des BIP), er ist weit höher als der Anteil der Zentralregierung (16,8%). Angesichts sinkender Landver-käufe und damit verbundener geringerer Einnahmen wurde Kommunalregierun-gen die Ausgabe von Anleihen geneh-migt (durch eine Gesetzesänderung ist die Rettung durch den Staat theoretisch nicht mehr implizit gegeben). Diese kön-nen daher von umfangreichen Schulden-umwandlungen in langfristige, niedrig verzinste Anleihen profitieren. Restruktu-rierung der lokalen Verschuldung ist gleichzusetzen mit einer Rettung durch die großen staatlichen Banken (SOCB). Zugleich wird die Rolle dieser „Policy Banks“ in der schwächelnden chinesi-schen Volkswirtschaft angesichts einer nachlassenden Kreditnachfrage der Unternehmen (die Schulden abbauen) und Kommunalregierungen (die auch von der Antikorruptionskampagne betroffen sind) bei Investitionen in kommunale In-frastrukturprojekte (z.B. Wohnungsbau) und der Wachstumsförderung gestärkt.

Die ausführliche Länderstudie China mit zusätzlichen Grafiken steht zum kostenlosen Download unter www.credimundi.de bereit.

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Chinas Nachbarn von Nachfrageschwäche betroffen

Rund um das Ostchinesische Meer bauen sich nicht nur politische Spannungen auf, auch wirtschaftlich läuft die Zusammen- arbeit zwischen China und seinen Nachbarn nicht mehr rund. Betroffen vom Rückgang der chinesischen Nachfrage seit 2015, versuchen Japan, Südkorea und Taiwan die Binnennachfrage anzukurbeln. Eine aktuelle Analyse von Atradius sieht immerhin gewisse Erholungstendenzen und relative Stabilität.

Chinas Wirtschaft hat auf die Bremse getreten. Überkapazitäten, hohe Ver-schuldung und zunehmende Zahlungs-verzögerungen haben die wirtschaftli-

chen Risiken im Reich der Mitte erhöht. Gleichzeitig greift der Strategiewechsel der Regierung, der eine Stärkung des Konsums auf Kosten des Exports und der Investitionen vorsieht. In ihrem aktuellen Wirtschaftsausblick Asien-Pazifik rech-

nen die Analysten von Atradius nur noch mit einer Wachstumsrate von

6,3% für die chinesische Wirt-schaft im laufenden Jahr.

Im jüngsten Zahlungs-moralbarometer für die

Region registr ier te Atradius eine Zunah- me von Liquiditäts-schwierigkeiten, die 62% der in China befragten Unterneh-men als Grund für längere Zahlungs-zeiträume ihrer Kun-den nannten. Im re-

gionalen Durchschnitt führten 46,3% der Unternehmen diese Ursache an. „Die Neuausrichtung der chinesischen Wirt-schaft hat signifikante Auswirkungen auf die Asien-Pazifik-Region sowie die Welt-wirtschaft insgesamt“, sagt Andreas Tesch, Chief Market Officer bei Atradius. „Dies spiegelt sich in sinkenden Handels-volumina wider, vor allem in den aufstre-benden Volkswirtschaften.“

Taiwan senkt die Zinsen

Taiwan wird den bisherigen Annähe-rungskurs an das Festland wohl nicht mehr fortsetzen. Die Wahl der DPP-Kandi-datin Tsai Ing-wen zur neuen Präsidentin dürfte das Verhältnis zur Volksrepublik China schwieriger gestalten. Die Lieferun-gen auf das Festland hatten bereits 2015 unter dem dortigen Importrückgang gelitten. Insgesamt sanken die Exporte Taiwans um 0,1%.

Für 2016 erwarten die Analysten von Atra-dius eine Belebung der Nachfrage und einen Anstieg der Exporte um 1,7%. Die Wachstumsrate des realen BIP soll von 1,0% im Vorjahr auf 2,0% zulegen. Aus-schlaggebend für die konjunkturelle Bele-

bung dürften jedoch die Zinssenkungen der Zentralbank zum Jahresende 2015 sein, die die Finanzierung zusätzlicher Investitionen erleichtern. Die Unterneh-men der Insel leiden jedoch nicht nur unter der geringeren Nachfrage Chinas. Auch die wachsende Konkurrenz der technologisch aufholenden Produzenten auf dem Festland sowie die handelspoliti-sche Isolation der international kaum anerkannten Inselrepublik erschweren den Auslandsabsatz. Japan, Südkorea und China haben mittlerweile zahlreiche bi-

Wachsende Konkurrenz der technologisch aufholenden Produzenten auf dem

Festland und die handelspolitische Isolation erschweren den Auslandsabsatz Taiwans.

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Gunther SchillingLeitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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„Die Neuausrichtung der chine-sischen Wirtschaft hat signifikante Auswirkungen auf die Asien- Pazifik-Region sowie die Welt-wirtschaft insgesamt.“

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Südkorea erhöht die Staatsausgaben

Südkorea machte im vergangenen Jahr die geringere Nachfrage nach Kraftfahr-zeugen und Halbleitern in China zu schaf-fen. Zudem fiel das Land in der preislichen Konkurrenz gegen Japan zurück, da der japanische Yen gegenüber dem koreani-schen Won abwertete. Dies ließ 2015 Exporte und Industrieproduktion sinken.

Für 2016 rechnen die Analysten von Atra-dius mit einer BIP-Wachstumsrate von 2,5%. Dabei ersetzt die höhere Staats-nachfrage die geringeren Exportzu-wächse. Die aktive Rolle des Staates hat einen handfesten finanziellen Hinter-grund: Während die privaten Haushalte hochverschuldet sind (160% des verfüg-baren Einkommens), beträgt die Staats-schuld nur 36% des BIP. Weitere wirt-schaftspolitische Maßnahmen sind die Reform der Firmenkonglomerate (Chae-

bol), die Deregulierung des Arbeitsmark-tes und des Dienstleistungssektors sowie die Unterstützung kleinerer und mittel-ständischer Unternehmen.

Japan setzt auf Abwertungseffekte

Japan konnte die Nachfrageschwäche der Binnenwirtschaft 2015 durch Exportzu-wächse teilweise ausgleichen, da der japanische Yen gegenüber den Währun-gen wichtiger Konkurrenten wie Südko-rea abwertete. Dieser Effekt läuft 2016 aus, wird aber wohl durch eine Erholung des privaten Konsums kompensiert. Die Analysten von Atradius erwarten eine leichte Konjunkturbelebung mit einem Plus von 1%.

Japan hat in den vergangenen Jahren alle wirtschaftspolitischen Stimulierungsins-trumente genutzt, um die Konjunktur anzukurbeln. Die Staatsverschuldung liegt inzwischen bei 225% des BIP, die Geldpolitik überschwemmt das Finanz-system mit billigem Geld. Dadurch entste-hen kurzfristige Wachstumsimpulse, auf lange Sicht empfehlen die Analysten von Atradius jedoch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und einen Abbau der Schutzwälle für die einheimische Land-wirtschaft und das Gesundheitswesen.

Ausführliche Länderberichte stehen unter Publikationen auf www.atradius.de zum Download bereit.

„Japan konnte die Nachfrage-schwäche der Binnenwirtschaft 2015 durch Exportzuwächse ausgleichen, da der japanische Yen gegenüber den Währungen wichtiger Konkurrenten wie Südkorea abwertete.“

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Finanzierungshürden im Iran-Geschäft fallen

Seit dem 1. März ist das Target-II-Clearing wieder möglich, bereits am 17. Februar wurden die iranischen Banken an das SWIFT- System angeschlossen. Nun fehlt es noch am bilateralen Austausch der RMA-Schlüssel, um zumindest eine erste Grundlage für Finanzbeziehungen zu schaffen. Dr. Michael Kostuj, Leiter Vertrieb Außenhandelsfinanzierung der Helaba, sieht darin erste Schritte für die Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen mit dem Iran – in einem aber nach wie vor noch schwierigen Umfeld.

Exportdeckung lässt auf sich warten

Dr. Ali Ashraf Afkhami, Vorstandschef der Bank of Industry and Mines, erinnerte auf dem Wirtschaftsforum Iran am 4. März in Frankfurt am Main daran, dass Akkredi-tive seit dem Implementation Day am 16. Januar möglich seien. Die Europäisch-Ira-nische Handelsbank habe schon Akkredi-tive erhalten. Mit den staatlichen Export-kreditversicherungen Italiens (SACE) und Frankreichs (Coface) sei eine Einigung über neue Exportdeckungen erzielt wor-den, die eine Ratenzahlung von Altschul-den vorsehe. Mit Deutschland würde dagegen noch immer verhandelt.

Hohe Deckungs summen erwartet

Ingo Schwutke, Underwriting Head of Unit – Iran, Euler Hermes, wies auf

die im Vergleich zu Italien und Frankreich wesentlich höheren Forderungen hin.

Über 500 Mio EUR habe der iranische Staat gegenüber

Deutschland garantiert. Auch müssten erst die Zah-

lungswege und Beziehungen deutscher Institute zu Korrespondenzbanken im Iran wiederhergestellt werden. Bei Euler Hermes stehe ein eigenes Team bereit, das auch bereits Anträge auf Ausfuhrde-ckungen für den Iran bearbeite. Nur die Finalisierung sei derzeit noch nicht mög-lich. Man erwarte nach Klärung der aus-stehenden Fragen ein hohes Deckungs-volumen. Schwutke erinnerte an frühere Größenordnungen von rund 2 Mrd EUR im Jahr 2004.

Korrespondenzbanken nötig

Über 200 Korrespondenzbanken in 50 Ländern verfüge seine Bank bereits, berichtete Mansour Tafazoli, CEO der Par-sian Bank. In Deutschland seien bislang jedoch nur Sparkassen und Landesban-ken bereit, normale Bankbeziehungen einzugehen. Auch Seyed Ahmad Taheri, CEO der Saman Bank, beklagte die man-gelnde Kooperationsbereitschaft deut-scher Banken. Seine Bank sei in Landwirt-schaft und Pharmazie aktiv. Man solle doch zu normalen Usancen zwischen Banken zurückkehren. Seine Bank habe

hohe Summen in die Erfüllung von inter-nationalen Standards wie die Verhinde-rung von Geldwäsche (AML-Compliance) investiert. Die privaten Banken seien auf die Wiederaufnahme der Geschäftsbezie-hungen gut vorbereitet.

US­Sanktionen behindern

Wasser in den Wein goss Herbert Zerwas, Partner von PwC, der an die notwendige Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Banken und die aus den USA drohenden Sanktionen erinnerte. Daher hielten sich die Geschäftsbanken mit Verbindungen zu den USA zurück. Schließlich seien nach wie vor viele Beschränkungen in Kraft. Allerdings würden die Bestimmungen der zuständigen US-Behörde OFAC gerade präzisiert und der Handlungsspielraum abgesteckt. Dr. Michael Kostuj wies darauf hin, dass auch Sparkassen ohne Nieder-lassung in den USA jedes Geschäft auf sanktionsrelevante Aspekte prüfen müss-ten. Auf den Gebrauch des US-Dollar sollte man bei Iran-Geschäften verzich-ten, ergänzte Afkhami. Üblich sei die Fak-turierung in Euro.

Gunther SchillingLeitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

gunther.schilling@ frankfurt-bm.com

Finanztransfers in den Iran

sind möglich, Zahlungen sollten

auf Euro lauten.

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US-Präsident Obama eröffnet HANNOVER MESSE

Der amerikanische Präsident Barack Obama wird gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die HANNOVER MESSE 2016 eröffnen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind 2016 das Partnerland der weltweit wichtigsten Industriemesse, die vom 25. bis zum 29. April in Hannover ausgerichtet wird. Obama wird während der offiziellen Eröffnungsveranstaltung der Messe am Sonntag, 24. April, auftreten.

Die Zusage Obamas ist ein großartiges Signal für die internationale Strahlkraft der HANNOVER MESSE. Und das Timing ist perfekt: Die USA haben sich im Zuge ihrer Reindustrialisierung zu einem höchst attraktiven Geschäftspartner für die Industrie entwickelt und sind etwa für den deutschen Maschinen- und Anlagen-bau mittlerweile Exportmarkt Nummer 1. Die USA sind zum ersten Mal Partnerland der HANNOVER MESSE. Rund 250 Unter-nehmen aus der größten Volkswirtschaft der Welt werden auf dem hannoverschen Messegelände ihre Lösungen für die ver-netzte Industrie vorstellen und Kontakte zu potentiellen Geschäftspartnern aus aller Welt knüpfen.

Partnerland USA

Mit dem Partnerland USA kommt die weltgrößte Volkswirtschaft auf die HAN-NOVER MESSE. Führende US-Unterneh-men werden ihre Lösungen für die ver-netzte Industrie vorstellen. Auch das in den USA gegründete Industrial Internet Consortium (IIC) wird sich auf einer Son-derfläche auf der HANNOVER MESSE dar-

stellen. Das IIC ist eine global agierende Organisation mit dem Ziel, die Etablie-rung des industriellen Internets der Dinge zu beschleunigen. Damit kommen in Han-nover alle Taktgeber der industriellen Digitalisierung zusammen: die deutschen Unternehmen mit Kernkompetenzen im Maschinenbau und der Elektrotechnik, führende US-Softwareanbieter und Unternehmen aus China und Japan, die

ihrerseits die Vernetzung in der Industrie vorantreiben. Daraus entstehen neue Partnerschaften, Ideen und Lösungen auf dem Weg hin zur Industrie 4.0.

Leitthema Vernetzung

Zur HANNOVER MESSE 2016 werden rund 5.000 Industrieunternehmen aus 70 Län-dern erwartet. Im Mittelpunkt der Ausstel-

lung stehen moderne Produktions- und Energietechnologien. „Integrated Indus-try – Discover Solutions“ lautet das Leit-thema der HANNOVER MESSE 2016. Die vernetzte Industrie ist keine Zukunftsvi-sion mehr, sie ist Realität. Industrie 4.0 zieht in immer mehr Fabriken ein. Strom-netze werden zu Smart Grids weiterentwi-ckelt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen die Potentiale der Digitalisierung jetzt erkennen und voll ausschöpfen. Wie das geht, wird die HAN-NOVER MESSE 2016 zeigen.

Auf der weltweit wichtigsten Industrie-messe sind Lösungen für die Digitalisie-rung von Fabriken und Energiesystemen das bestimmende Thema. Wir erwarten erstmals mehr als 100 konkrete Anwen-dungsbeispiele auf der Messe. Das ist weltweit einzigartig. Auch das Partner-land USA wird die neueste Technik zur Realisierung der Industrie 4.0 zeigen. Damit ist die HANNOVER MESSE der globale Hotspot für alle Themen rund um die Vernetzung in der Industrie. In Hanno-ver erfahren Besucher aus dem produzie-renden Gewerbe, wie sie ihre Produkti-

Dr. Jochen KöcklerVorstandsmitglied, Deutsche Messe AG

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Die USA und die EU wollen mit TTIP zusammen wachsen – die geeignete Technik ist in Hannover zu sehen.

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 Programmpartner

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und Beratern

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im sportlichen und außergewöhnlichen Ambiente des  

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Die Welt von Energieerzeugung, Vertei-lung und Verbrauch war noch nie so kom-plex wie heute. Das Energiesystem der Zukunft braucht immer kleinteiligere Lösungen, die über ein intelligentes Sys-tem interagieren. Strom kommt zuneh-mend von dezentralen Erzeugern, die es zu vernetzen gilt. Auch Speicherung und Verteilung von Energie müssen künftig digital gesteuert werden. Strom- und Datennetze verschmelzen.

Unter dem Schlagwort „Integrated Energy“ stehen auf der HANNOVER MESSE Lösungen für die Vernetzung der gesam-ten Energiekette im Mittelpunkt – von der Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Speicherung bis hin zu alternativen Mobi-litätslösungen.

Neue Geschäftsmodelle

In den vergangenen Jahren hat die HAN-NOVER MESSE den Weg in das Industrie-4.0-Zeitalter gebahnt. Selten hat eine technische Entwicklung so wirkungs- voll und schnell um sich gegriffen. Was bisher Vision war, wurde bereits in diesem Jahr in einsetzbaren Anlagen handfeste Realität. Dieser Trend wird auf der kom-menden HANNOVER MESSE weiter an Fahrt aufnehmen. Dabei wird es nicht nur um die Technologien gehen, sondern

auch um die daraus resultierenden neuen Geschäftsmodelle.

Ein Beispiel: Mit der „vorausschauenden Wartung“ (Predictive Maintenance) set-zen Maschinen- und Anlagenbauer auf Sensoren, mit deren Hilfe Maschinen selb-ständig melden, dass sie in Kürze gewar-tet werden müssen. Anhand dieser Daten kann der Anlagenhersteller dem Betreiber

frühzeitig Wartungsleistungen anbieten und so sein Servicegeschäft ausbauen. Auf der neuen Sonderfläche „Predictive Maintenance 4.0“ machen wir deutlich: Discover Solutions bezieht sich zum einen auf die technologischen Lösungen, zum anderen auf die neuen Geschäftsfelder, die jetzt entstehen.

„Die USA haben sich im Zuge ihrer Reindustrialisierung zu einem höchst attraktiven Geschäfts- partner für die Industrie entwickelt und sind etwa für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau mittlerweile Exportmarkt Nummer 1.“

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10 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 2 | 9. März 2016

Chinas Reformen – neue Chancen für Unternehmer?

Zu Beginn des Jahres sorgte der erneute Kursrutsch an den chinesischen Börsen weltweit für Turbulenzen an den Aktienmärkten. Auch für die chinesischen Geldinstitute wird 2016 kein einfaches Jahr werden – Experten gehen davon aus, dass die meisten Banken mit einem „Nullwachstum“ rechnen müssen. Trotz dieser turbulenten Zeiten können deutsche Mittelständler in China erfolgreich sein und für sich und ihr Unternehmen neue Märkte erschließen.

Die Volksrepublik China ist mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungs-reichste Land der Welt und hinsichtlich der Fläche nach Russland, Kanada und

den Vereinigten Staaten von Amerika der viertgrößte Staat der Erde. China grenzt an 14 andere Staaten und hat damit neben Russland die meisten Nachbarlän-

der der Welt. Chinas Aufstieg vom Ent-wicklungsland zur seit 2010 zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, nach den USA, verlief rasant. Hatten die chinesischen Bürger vor noch nicht einmal einer Gene-ration kein Recht auf Privateigentum, so ist das Land seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte Volkswirtschaft der Erde.

Die Volksrepublik China wird von der Kommunistischen Partei Chinas regiert. Kleinere Parteien sind zugelassen, jedoch existiert noch immer ein Einparteiensys-tem. Auch nach der wirtschaftlichen Öff-nung nach dem Ende der „Kulturrevolu-tion“ sind viele Unternehmen in Staats-hand, und die Regierung hat großen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen. Das politische System Chinas wird des-halb von vielen westlichen Ländern wei-terhin als autoritäre Diktatur eingestuft.

China will Einzelhandel und Dienst­leistungssektor weiter ausbauen

Chinas Wirtschaft wächst derzeit so lang-sam wie seit 25 Jahren nicht mehr. Im Januar 2016 fiel das Exportvolumen um

11,2% gegenüber dem Vorjahresmonat, während das Importvolumen um 18,8% zurückging. Das einstige Entwicklungs-land China, das zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden ist, nimmt ganz offensichtlich Einfluss auf die Weltwir tschaft, und die derzeit geschwächte chinesische Konjunktur ist weit über die Grenzen des Landes hinaus zu spüren.

In den vergangenen Jahrzehnten hat China große Investitionen im Bereich Städtebau und Infrastruktur getätigt. Das Land hat sich schnell entwickelt – und schnell hoch verschuldet. Lange Zeit setzte die chinesische Regierung in wirt-schaftlicher Hinsicht fast ausschließlich auf die Schwerindustrie mit der Folge, dass heute enorme Überkapazitäten vor-handen sind. Diese Überproduktion hat große Auswirkungen auf den Weltmarkt. Chinas Erzeugnisse werden zu sehr niedri-gen Preisen angeboten und nehmen damit Einfluss auf den weltweiten Wett-bewerb. Andere Exportländer seien mit ihren Produkten auf lange Sicht nicht mehr konkurrenzfähig und Werksschlie-

Weijun YinSenior Regional ManagerFinancial Institutions,BHF-BANK Aktiengesellschaft

[email protected]

Mit moderner Elektronik will China den Übergang zu höherer Wertschöpfung meistern.

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ßungen beispielsweise in Europa unver-meidbar, mahnen Experten. Chinas Regie-rung hat jüngst auf diese Problematik reagiert und den Abbau von knapp 2 Mil-lionen Stellen im Stahl- und Kohleseg-ment beschlossen. Die Menschen sollen in anderen Wirtschaftszweigen eine neue Position finden.

Um dem weiteren Verlust der Wirtschafts-kraft entgegenzuwirken, hat die chinesi-sche Regierung sich das Ziel gesetzt, die Wirtschaftsproduktion vermehrt auf Kon-sumgüter und Dienstleistungen auszu-richten. Eine stärkere Marktorientierung und ein geringerer Einfluss des Staates in Wirtschaftsbelangen sind geplant. Auch der 13. Fünfjahresplan der Regierung, der im März verabschiedet wird, soll an diesen Reformen festhalten.

Trotz alledem, und obwohl sich das Wirt-schaftswachstum in China insgesamt verlangsamt hat – es liegt momentan unter der Marke von 7% –, hält die Regie-rung an ihrem Ziel fest, die Wirtschafts-leistung bis 2020 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln.

Chinas Banken – eine Branche muss umdenken

Im Januar 2016 wurde in China ein neuer Rekord für die Neukreditvergabe aufge-stellt: ein sattes Plus von 71% gegenüber dem Vorjahr. Dennoch klagen viele Unter-nehmen über den erschwerten Zugang zu Bankkrediten. Wie kann das sein? Nur

die wenigsten Banken wagen, nichtstaat-lichen Unternehmen mittel- bis langfris-tige Kredite zu gewähren, auch wenn diese sehr gut aufgestellt sind. Umge-kehrt erhalten Staatsunternehmen große Kredite, die eigentlich nicht durch das operative Geschäft bedient werden kön-nen. Grund dafür: Die staatliche Deckung gilt als garantiert. Um dieses Ungleichge-wicht zu beenden, ist eine Abschaffung solcher Staatsgarantien notwendig. In der Folge würden Kreditrisiken adäquat ein-geschätzt und Kapital zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist.

Jahrzehntelang konnten die chinesischen Geschäftsbanken durch eine von der Zen-tralbank vorgegebene Zinsspanne quasi risikolose, gleichbleibende Zinsmargen festlegen. Das ändert sich nun. Banken dürfen derzeit weitgehend frei über die Höhe der Zinsen (Haben- und Sollseite) bestimmen und miteinander konkurrie-ren. Das führt dazu, dass kleinere Banken meist höhere Habenzinsen und niedri-gere Sollzinsen als Großbanken anbieten, um Bestandskunden an sich zu binden. Einige Kleinbanken bieten zudem sehr lukrative Konditionen mit dem Ziel, Neu-

kunden zu akquirieren. Eine solch aggres-sive Strategie führt dazu, dass trotz ansehnlicher Wachstumsraten in der Bankbilanz die Nettozinsmarge der Ban-ken gewaltig unter Druck gerät. Chinas Banken müssen sich nun im durch die Reformen neu gewonnenen Handlungs-spielraum zurechtfinden und ihre Chance nutzen, die entstandenen unternehmeri-schen Freiheiten gewinnbringend für sich und ihre Kunden einzusetzen.

Chancen für deutsche Unternehmer

Trotz der derzeit verhaltenen Stimmung in der chinesischen Wirtschaft können deutsche Unternehmer ein Engagement in der Volksrepublik in Betracht ziehen. Die Importe aus Deutschland sind im ver-gangenen Jahr zurückgegangen, jedoch muss hier nach Branchen unterschieden werden. In den Sektoren Maschinenbau, Kraftfahrzeuge, Chemie und Bau ging die Nachfrage stark zurück. Im Gegensatz dazu stiegen die Absätze in den Bereichen Elektronik, Medizintechnik, Tourismus, Bekleidung und Nahrungsmittel stark an.

Gerade in diesen Bereichen lohnt es sich für deutsche Investoren, tätig zu werden, denn „Made in Germany“ hat in China einen hohen Stellenwert. Deutsche Pro-dukte genießen einen hervorragenden Ruf. Möchte ein deutscher Mittelständler in China aktiv werden, könnte es sich loh-nen, ein Joint Venture ins Auge zu fassen. Auf diese Weise werden meist Marktseg-mente zugänglich, die bislang ausschließ-

lich chinesischen Unternehmen vorbehal-ten sind. Wichtig ist es, bei Geschäften in China gut vorbereitet zu sein und einen Bankpartner an seiner Seite zu haben, der mit der chinesischen Geschäftswelt bes-tens vertraut ist.

Fazit

Der chinesische Markt bietet für deutsche Investoren Chancen und Risiken. Die Regierung will auf die derzeit schwache Wirtschaftslage reagieren und setzt unter anderem auf Innovation, Forschung und Entwicklung. Auch die Nachfrage nach Konsumgütern soll weiter gesteigert wer-den. Die Mehrheit der chinesischen Ban-ken ist trotz der angesprochenen Prob-leme sehr solide aufgestellt. Insbesondere die Großbanken haben es geschafft, schrumpfende Zinseinnahmen durch Mehrerträge aus Kreditkartengeschäften, E-Commerce sowie Beratungsgeschäften zu kompensieren. Diese Umwandlung der Geschäftsstruktur steht im Einklang mit dem von der chinesischen Regierung for-cierten Reformprozess.

Wer die häufig schwierigen Wettbewerbs-bedingungen beachtet und die sich aktu-ell bietenden Chancen nutzt, kann von dem ungebrochenen Wachstums- und Leistungswillen Chinas profitieren. Als erfahrener Außenhandelspartner unter-stützt die BHF-BANK deutsche Unterneh-mer gerne bei der Abwicklung ihrer Außenhandelsgeschäfte mit China.

„Obwohl sich das Wirtschafts-wachstum in China verlangsamt hat, hält die Regierung an ihrem Ziel fest, die Wirtschaftsleistung bis 2020 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln.“

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Neue Entwicklungen in China bieten auch Chancen

Vor dem Hintergrund einer langsamer wachsenden chinesischen Wirtschaft nimmt in der deutschen Wirtschaft – aufgrund der engen Verzahnung mit China – die Sorge vor negativen Folgen der schwächeren Nachfrage zu. Was deutsche Unternehmen im Jahr des Feuer-Affen im Umgang mit China beachten sollten und wie sie den neuen Herausforderungen begegnen können, ist Thema des folgenden Beitrags.

Die bilateralen Handelsbeziehungen zwi-schen China und Deutschland beschrei-ben seit 2009 eine scheinbar unaufhalt-same Wachstumskurve: China ist heute viertgrößter Absatzmarkt für Ausfuhren aus Deutschland; bei den Einfuhren nimmt China den zweiten Platz, hinter den Niederlanden, ein. Im Verlauf des Jah-res 2015 musste der deutsch-chinesische Handel jedoch einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. Im Gesamtjahr verzeichne-ten Deutschlands Exporte nach China nach Angaben des Statistischen Bundes-amtes im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 4,2%.

Allerdings zeichnete sich der Wandel im deutsch-chinesischen Handel bereits in den Jahren zuvor ab. Während China bis-her vor allem wichtigster Zulieferer von Gütern aus dem verarbeitenden Gewerbe war, entwickelte sich das Land zuneh-mend als zentraler Absatzmarkt für deut-sche Produkte, von Metallerzeugnissen bis hin zu Automobilen. Besonders der Export datenverarbeitender Güter ver-zeichnete zum Jahresende einen Zuwachs im zweistelligen Bereich, was die wach-

sende Rolle Chinas als Abnehmerland für Hightechprodukte unterstreicht.

Die Zahlen verdeutlichen auch die poten-tiell negativen Auswirkungen der engen Handelsverflechtung mit China. Einem Bericht der Deutschen Bundesbank1)

zufolge hätte eine starke Konjunktur-abkühlung in China („hard landing“) spürbare realwirtschaftliche Effekte. Eine Wachstumsabweichung um circa 2,3% könnte das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands um circa 0,3% drücken. Abgesehen von den unmittelbaren Fol-gen der Nachfrageschwäche Chinas, etwa bzgl. Investitionsgütern aus dem Ausland, dürfte indirekt auch die Abschwächung der Nachfrage weiterer Abnehmerländer eine Rolle spielen, insbesondere solcher, die stark von Chinas Rohstoffnachfrage abhängig sind.

Die Gründe für die Sorgen um Chinas Wachstumsaussichten sind vielfältig. Der Abbau von Überkapazitäten im Industrie-sektor sowie der Rückgang der Bautätig-keit nach Jahren der Investitionsexpan-sion entfalten bereits seit längerem ihre Wirkung über die Grenzen Chinas hinaus. Die Industrieproduktion hat sich deutlich abgeschwächt. Insbesondere die im Nordosten angesiedelte Stahl-, Zement- und Baustoffindustrie bekommt die ver-

minderte Aktivität zu spüren; der Immobi-lienleerstand ist nach wie vor hoch. Ent-sprechend bleibt die Importnachfrage nach Kapitalgütern, die 2012 immerhin ein Drittel der Einfuhren aus der EU aus-

machten, gedämpft. Auch wenn die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur einen harten Abschwung abfedern dürften, bleiben strukturelle Herausforderungen beste-hen. Demographischer Wandel, Verlang-samung der Urbanisierungsrate und hohe Verschuldung, insbesondere der Unter-nehmen, stellen die chinesische Wirt-schaft vor Probleme, die wohl nicht in kur-zer Frist zu lösen sind.

Sebastian RohloffSenior Expert China/ Renminbi, Deutsche Bank AG

[email protected]

Strukturwandel führt zu neuer NachfrageDeutschlands Exporte nach China nach Warengruppen (Veränderung ggü. Vorjahr in %; gleitender Sechsmonatsdurchschnitt)

Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research.

„Eine Reihe von Entwicklungen spricht dafür, dass die enge Wirtschaftskooperation zwischen Deutschland und China mittel- und langfristig ihr großes Potential weiter entfalten wird.“

1) Deutsche Bundesbank, Zur Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern, Monatsbericht Juli 2015, S. 15–32, hier insbesondere der Kasten auf S. 30–31.

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Eine Reihe von Entwicklungen spricht aber dafür, dass die enge Wirtschafts-kooperation zwischen Deutschland und China mittel- und langfristig ihr großes Potential weiter entfalten wird. Dienstleis-tungen werden wichtiger für die chinesi-sche Wirtschaft, z.B. im Bereich der Kom-munikation, dem Gesundheitssektor oder im E-Commerce. Der inländische Konsum, welcher langfristig zur treibenden Kraft für das chinesische Wachstum werden soll, hält sich im Vergleich zur gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung stabil. Auf Basis des Einkaufsmanagerindexes sind Dienst-leistungen im Gegensatz zur Industrie weniger stark zurückgegangen. Verkaufs-zahlen im Einzelhandel verzeichneten in den ersten drei Quartalen 2015 ein Wachs-tum von effektiv 10,5% gegenüber dem Vorjahr, legten also stärker als die Wirt-schaft insgesamt zu.

Außerdem machte der Dienstleistungs-sektor 2015 erstmals mehr als 50% des Bruttoinlandsprodukts aus. Bisher stellte der Dienstleistungssektor nur etwa 46%, und damit weniger als in Volkswirtschaf-ten mit vergleichbarem Einkommen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese Säule der Wirtschaft künftig eine bedeut-samere Rolle spielen wird. Der sich im Wachstum befindliche E-Commerce-Markt in China kurbelt diese Entwicklung mit an. Für die deutsche Außenwirtschaft eröffnen sich Möglichkeiten der Bereit-stellung von handels- und transportorien-tierten Dienstleistungen sowie Bedarf in den Bereichen Recht, Beratung und Kom-

munikation. Chinas Bestrebung zum Auf-bau multinationaler Unternehmen dürfte diesen Trend noch verstärken.

Renminbi gewinnt weiter an Bedeutung

Auch der Renminbi bleibt trotz der Turbu-lenzen weiter auf internationalem Expan-sionskurs. Bereits seit November 2014 zählt er zu den fünf wichtigsten Währun-gen, in denen grenzüberschreitende Transaktionen getätigt und beglichen werden. Immerhin mehr als 2% des welt-weiten Zahlungsvolumens werden laut SWIFT in Renminbi abgewickelt, 2012 waren es nur 0,8%. Die Entscheidung zur Aufnahme in die Sonderziehungsrechte des IWF gilt zudem als ein Türöffner für den Weg des Renminbi zur globalen Reservewährung. Für Deutschland als wichtigem Handels- und Investitionspart-ner bleibt der Internationalisierungspro-zess des Renminbi äußerst relevant.

Im Frühjahr 2015 erklärte der Notenbank-gouverneur Zhou Xiaochuan eine „im Wesentlichen offene Kapitalbilanz“ zum mittelfristigen Ziel. Weitere Meilensteine bei den Finanzreformen waren die Einfüh-rung der Einlagensicherung im Mai 2015, die Beseitigung der Zinsobergrenze auf Einlagen sowie die Öffnung des inländi-schen Interbanken- Anleihemarktes für ausländische institutionelle Investoren. Allerdings zeigt sich besonders seit dem Jahresbeginn 2016 das „Trilemma“, in dem sich die chinesische Währungspolitik

befindet. Denn nachdem erstens die Handhabe der Zinsen, zweitens der freie Kapitalverkehr und drittens fixe Wechsel-kurse miteinander unvereinbar sind, folgt auch, dass eine rigorose Wechselkurspoli-tik langfristig unvereinbar mit dem Ziel einer offenen Kapitalbilanz ist. Im glei-chen Atemzug ist deshalb auch die Wäh-rungsabwertung seit August 2015 zu nen-nen, seit dem die chinesische Zentralbank die Berechnung des Wechselkurses stär-ker am Markt orientiert.

Um erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmer auf die sich ändernden Marktgegebenheiten einstellen. Galt bei-spielsweise seit 2008 der Renminbi als fest an den US-Dollar gekoppelt, werden die Marktteilnehmer spätestens seit der Änderung im August 2015 mit einer deut-lich höheren Volatilität der Währung kon-frontiert. Das erschwert Preisverhandlun-gen, es kann sogar zu Geschäftsabbrü-chen führen, denn die Planbarkeit der Geschäfte nimmt ab.

Durch die Umstellung der Rechnungs-währung auf Renminbi, verbunden mit

der Absicherung des Währungsrisikos, können deutsche Unternehmen und ihre chinesischen Partner Vorteile erzielen. Importierende Unternehmen erhalten neue Möglichkeiten für die Preisgestal-tung im Einkauf bei chinesischen Liefe-ranten, umgekehrt können Exporteure die Zahl ihrer Geschäftspartner erhöhen und erhalten einen größeren Verhand-lungsspielraum, vor allem, wenn der Ver-kauf der Endprodukte auch in Renminbi erfolgt. Unternehmen sollten sicherstel-len, dass Verträge auch in der chinesi-schen Währung akzeptiert werden kön-nen.

China ist und bleibt einer der wichtigsten Märkte für deutsche Unternehmen. Dies wird sich so schnell nicht ändern. Jedoch sind die Änderungen des Marktes gravie-rend, und es werden jene Unternehmen am erfolgreichsten agieren, die sich schnell an die neuen Gegebenheiten anpassen können. Dabei führt kein Weg daran vorbei, die wirtschaftlichen Wei-chenstellungen der chinesischen Regie-rung sehr genau zu verfolgen. Vor allem Chinas neuer Fünfjahresplan wird neue, wertvolle Schlüsse zulassen. Wer enge Geschäftsbeziehungen zu China unter-hält, sollte gerade in diesen turbulenten Zeiten das Ohr nah am Markt haben und sich flexibel aufstellen, um schnell auf die Veränderungen reagieren zu können.

„Durch die Umstellung der Rech-nungswährung auf Renminbi, verbunden mit der Absicherung des Währungsrisikos, können deutsche Unternehmen und ihre chinesischen Partner Vorteile erzielen. “

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Textilimporte bankenunabhängig finanzieren

Indien ist der zweitgrößte Textilexporteur der Welt, nach China. Beim Import von Waren aus Indien benötigen deutsche Abnehmer ausreichend Liquidität, wenn die Ware beim Verladen auf das Schiff bezahlt werden muss und ein mehrwöchiger Transportweg zu finanzieren ist. Finetrading kann als bankenunabhängiges Finanzierungsmodell eine flexible Lösung bieten, um die Finanzierungs-lücke auf unkomplizierte Weise zu schließen.

Indien hat sich im Lauf der vergangenen Jahre zu einem bedeutenden Handels-partner für die deutsche Wirtschaft entwi-ckelt. Pro Jahr werden auch von Deutsch-land Waren im Wert von rund 7 Mrd EUR nach Indien exportiert, die Einfuhren aus dem Subkontinent belaufen sich jährlich auf gut 9 Mrd EUR. Dazu kommen die Direktinvestitionen deutscher Unterneh-men in indische Produktionsstandorte, die ebenfalls stetige Zuwachsraten ver-zeichnen können.

Mit 1,3 Milliarden Einwohnern und einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von rund 2 Bill USD zählt Indien zu den bedeu-tendsten aufstrebenden Wirtschaftsnatio-nen der Welt. Die Vielfalt der dort vertrete-nen Wirtschaftszweige spiegelt die gro-ßen Unterschiede zwischen armen und wohlhabenden Regionen wider: Fahr-zeugbau, Technologie, Chemie und IT-Dienstleistungen spielen ebenso bedeut-same Rollen wie Landwirtschaft, Hand-werk und einfaches Gewerbe.

Sowohl in der Inlandsproduktion wie auch im Außenhandel nehmen die Textil-,

die Bekleidungs- und die Schuhindustrie eine wichtige Rolle in der indischen Wirt-schaft ein. So konnten von 2013 auf 2014 die Textilproduktion ein Wachstum von 4,4% und die Bekleidungsindustrie sogar einen Zuwachs von 19,5% verbuchen. Bei der Schuhherstellung belegt Indien im globalen Ranking den zweiten Rang hin-ter China. Jeder zehnte Schuh, der welt-weit gefertigt wird, stammt von einem indischen Schuhproduzenten.

Zweitgrößter Textilexporteur der Welt

Mittlerweile ist Indien zum zweitgrößten Textilexporteur der Welt aufgestiegen und konnte im Jahr 2013 mit einem Exportwachstum von 23% eine doppelt so hohe Zuwachsrate verbuchen wie die Konkurrenten aus Bangladesch und China. Steigende Lohnkosten in China auf der einen Seite und kritische Berichter-stattung über die Arbeitsbedingungen

von Textilarbeitern in Bangladesch haben international agierende Mode- und Bekleidungskonzerne dazu bewogen, verstärkt in Indien nach Lieferanten Aus-schau zu halten.

Auch der Außenhandel mit Deutschland ist geprägt von der Textilbranche – das zeigt sich vor allem in der Statistik der deutschen Einfuhren aus Indien. Während bei den Exporten aus Deutschland Tech-nologiesektoren wie Maschinenbau, Che-mie und Elektrotechnik dominierend sind, sind bei den Einfuhren die Bereiche Texti-lien und Bekleidung mit einem Anteil von gut 25% die klare Nummer 1. Damit beläuft sich bei Kleidung, Textilien und Schuhen das jährliche Importvolumen aus Indien auf mehr als 2 Mrd EUR. Für eine Aussicht auf weitere Belebung im Handel zwischen deutschen und indi-schen Unternehmen sorgte im Oktober vergangenen Jahres ein Besuch von Bun-deskanzlerin Angela Merkel in Indien, wo sie mit der indischen Regierung eine Wei-terführung der Verhandlungen zum wei-teren Abbau von Handelshemmnissen vereinbarte.

Indische Seide ist auch in Deutschland gefragt – mit der richtigen Finanzierung sollte der Import gelingen.

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Dirk Oliver HallerVorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG

[email protected]

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Interessanter Beschaffungsmarkt für deutsche Textilhändler

Für viele deutsche Bekleidungshändler ist es somit attraktiv, sich in Indien nach potentiellen Lieferanten umzusehen und Modeartikel oder Schuhe direkt zu im portieren. Dabei ist es jedoch ratsam, einige Gepflogenheiten der indischen Wirtschaft zu beachten – dies gilt insbe-sondere auch bei der Frage nach den Zah-lungsmodalitäten. So ist es durchaus üblich, dass indische Bekleidungs- oder Schuhproduzenten vom deutschen Abnehmer eine Anzahlung in Höhe von rund 20% des Bestellwertes verlangen, bevor sie mit der Produktion beginnen.

Der Rest des Auftragswertes wird im Regelfall dann in Rechnung gestellt und zur Zahlung fällig, wenn die Ware im Con-tainer auf das Schiff verladen wird. Zuvor sollte die ordnungsgemäße Zusammen-stellung der Waren von einem unabhängi-gen Prüfer kontrolliert und bestätigt wer-den. Wird dann im Containerhafen das Bill of Lading ausgestellt, erwartet der indi-sche Hersteller üblicherweise die umge-hende Zahlung des Restbetrags.

Vorfinanzierung des Warenerwerbs

Damit steht der Importeur in Deutsch-land vor der Aufgabe, für die Vorfinanzie-rung des Warenerwerbs in Indien ausrei-chend liquide Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierungsdauer kann sich

durchaus über einige Monate erstrecken, da zunächst einmal für den Transport auf dem Seeweg rund vier bis sechs Wochen bis zum Eintreffen im inländischen Warenlager einzukalkulieren sind. Bis die Ware dann verkauft wird und Umsätze generiert, kann es ebenfalls noch einige Zeit dauern.

Bei der klassischen Bankfinanzierung stellt sich für den Unternehmer häufig das Problem der Besicherung, wenn für die Zwischenfinanzierung bis zum Verkauf Fremdkapital benötigt wird – denn die Bezahlung der Ware erfolgt einige Wochen vor deren Eintreffen in Deutsch-land. Bei dieser Konstellation verlangen Banken oftmals Ersatzsicherheiten in Form von anderen Warenbeständen oder der Sicherungsübereignung von Anlage-gütern.

Bankenunabhängige Alternative

Eine Alternative bei der Importfinanzie-rung kann Finetrading darstellen, das als bankenunabhängiges Finanzierungsmo-dell auf einem Handelsgeschäft beruht. Der Finetrader schaltet sich als Zwischen-händler in das Importgeschäft ein, indem er die Ware direkt vom Hersteller erwirbt und sie umgehend an den Importeur wei-terveräußert. Die Finanzierung erfolgt über das Zahlungsziel, indem der Finetra-der die Rechnung des Lieferanten sofort begleicht und dem Importeur das Recht einräumt, die Rechnung erst nach sechs Monaten zu bezahlen.

Gerade beim Import aus Indien kann Fine-trading für deutsche Unternehmen die zeitliche Lücke zwischen der kurzen Zah-lungsfrist des indischen Lieferanten und dem Erzielen von Umsätzen nach dem mehrwöchigen Transport schließen. Wie dies im konkreten Beispiel ablaufen kann, zeigt der Fall eines Onlineshopbetreibers, der über die DFT Deutsche Finetrading AG Importe aus Indien mit Finetrading finanziert.

Konkreter Fall: Onlineshop finanziert Indien­Importe

Der Händler erwirbt Schuhe von indi-schen Herstellern, um sie in seinem Onlineshop über das Internet an Verbrau-cher in Deutschland zu verkaufen. Gemäß den marktüblichen Gepflogenheiten leis-tet er beim Erteilen des Auftrags eine Anzahlung und hat für die Zahlung das Begleichen der Rechnung nach dem Aus-stellen des Bills of Lading vereinbart. Dadurch entsteht ein hoher Liquiditätsbe-darf, da die Ware nach dem mehrwöchi-gen Transport erst nach und nach abver-kauft wird. Überdies gewährt der Händler – wie viele andere Onlineshops auch – sei-nen Kunden ein 30-tägiges Rückgabe-recht, so dass dafür ebenfalls ausrei-chende Liquiditätsreserven gebildet wer-den müssen.

Der Finetrader tritt zwar gegenüber dem indischen Lieferanten als Abnehmer auf, nimmt jedoch in den Vertragsverhand-lungen keine aktive Rolle ein. Preise, Lie-

ferzeiten und weitere Modalitäten wer-den zwischen dem deutschen Händler und dem Lieferanten direkt abgestimmt. Auch erfolgt die Lieferung direkt an den Händler, der lediglich seinen indischen Vertragspartner darüber informieren muss, dass die Rechnung an den Finetra-der ausgestellt wird. Nach Vorlage des Bills of Lading und dem Ausstellen der Rechnung überweist der Finetrader den Rechnungsbetrag an den indischen Schuhproduzenten und stellt gleichzeitig die Rechnung an den deutschen Händler aus, der nunmehr ein Zahlungsziel von sechs Monaten in Anspruch nehmen kann. Für die Besicherung des Zahlungs-ziels brauchen keine betrieblichen Ver-mögenswerte verpfändet oder abgetre-ten zu werden, so dass Finetrading flexi-bel und ohne größere Formalitäten genutzt werden kann.

Je nach Art und Umfang der Geschäfte können Finetrading-Verträge auf Projekt-basis abgeschlossen werden oder auch in Form eines Rahmenvertrags, der ähnlich wie der Kontokorrentrahmen einer Bank ein langfristiges Einkaufsvolumen ab-deckt. Mit diesem Konzept erlebt eine tra-ditionsreiche Finanzierungsform eine Renaissance im modernen Gewand – denn schon in früheren Zeiten fungierten die Überseehandelshäuser nicht nur als Großhändler, sondern unterstützten ihre Geschäftspartner auch bei der Finanzie-rung ihrer Import- und Exportaktivitäten.

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16 | ExportManager | Liefern Ausgabe 2 | 9. März 2016

Neue Möglichkeiten durch TPP in Vietnam

Vietnam steuert mit der Unterzeichnung der Trans-Pacific Partnership (TPP) auf eine neue Phase der wirtschaftlichen Zusammen-arbeit zu. Das Land wird zur Schnittstelle zwischen der ASEAN und den TPP-Mitgliedsländern. Vietnamesische Hersteller werden sich noch stärker in die weltweiten Produktions- und Lieferketten integrieren. Dadurch ergeben sich große Absatzmöglichkeiten für deutsche Maschinenbaufirmen und eine Produktionsalternative zu China.

Das folgende Interview mit Oliver Mass-mann, Kanzlei Duane Morris, Vietnam, führte Christine Heinze, Director, Bayeri-sche Landesbank, im Rahmen des Bay-ernLB Trade & Export Finance Day.

➤2 Heinze: Wie schätzen Sie die aktuelle und zukünftige wirtschaftliche Lage Viet-nams ein?

➤� Massmann: Vietnam ist, wirtschaftlich gesehen, sehr gut für die Zukunft aufge-stellt. Das Wirtschaftswachstum betrug im vergangenen Jahr knapp 6% und führte zu einem Bruttoinlandsprodukt von 187,5 Mrd USD. Außerdem bietet die vietnamesische Bevölkerung einen wach-senden Anteil an Arbeitskräften, so sind derzeit 60% der Bevölkerung im arbeitsfä-higen Alter. Das Durchschnittsalter liegt bei 27,8 Jahren und somit unter dem weltweiten Durchschnitt. Die demogra-phische Dividende wird sich in Zukunft bemerkbar machen. Vietnam erwirtschaf-tet 80% seines Bruttoinlandsprodukts im Export. Für ein solch exportorientiertes Land hat ein Freihandelsabkommen enorme Bedeutung und Auswirkungen. Vietnam ist aber auch bedeutend für die

umliegenden Volkswirtschaften und für die Weltwirtschaft.

➤2 Heinze: Ist Ihrer Meinung nach das neue vietnamesische Investitionsrecht maßgeblich für das weitere Anziehen der dortigen Wirtschaft?

➤� Massmann: Neue Definitionen, Rege-lungen und Zeitspannen führen zu einer starken Vereinfachung. Dies wird, u.a. durch erhöhte Investitionen aufgrund

steigender Attraktivität für Investoren, einen positiven Einfluss auf das Wirt-schaftswachstum in Vietnam haben. Die wesentlichen Vorteile sind die Verringe-rung der verbotenen und begrenzt mögli-chen Geschäftstätigkeiten, flexiblere M&A- Regelungen und eine Erleichterung der Stammkapitalregularien.

➤2 Heinze: Vietnam hat 2015 weitere Ab-kommen abgeschlossen. Was ist die TPP

und wie stark kann sie die Wirtschaft der einzelnen Mitglieder, v.a. Vietnams, beein-flussen?

➤� Massmann: Die Transpazifische Part-nerschaft (TPP) ist bisher das größte Frei-handelsabkommen und deckt 37,6% des globalen Bruttoinlandsprodukts ab. Unterzeichner sind u.a. die USA, Austra-lien, Japan, Malaysia und Singapur. Die Kernbestimmungen des Abkommens beschäftigen sich mit den Themen Arbeitsnormen, Handel und Umwelt, Investitionen, Wettbewerbspolitik sowie Marktzugang.

Regionalen Herstellern wird somit die Möglichkeit eröffnet, in weltweite Liefer-ketten einzutreten. Der erweiterte Markt-zugang wird die Wirtschaft ankurbeln. Für

Leichterer Zugang zu fernen Märkten – in der Halong-Bucht werden Waren auf kleine Lastboote verladen.

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Oliver MassmannKanzlei Duane Morris, Vietnam

OMassmann@ duanemorris.com

Christine HeinzeDirector, Bayerische Landesbank

[email protected]

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Vietnam spielt die TPP eine besondere Rolle, da seine wichtigsten Handelspart-ner – USA und Japan – darin vertreten sind. Vietnam kann in Zukunft ca. 30% sei-nes Außenhandels über die TPP abwi-ckeln. Die erheblichen Handelserleichte-rungen werden laut Berechnung des World Economic Forum zu einem Zuwachs des vietnamesischen BIP um 28,2% in den nächsten zehn Jahren führen.

➤2 Heinze: Was ist für Sie der außerge-wöhnlichste Charakterzug der TPP?

➤� Massmann: Innerhalb der TPP wird jedem Land die Möglichkeit geboten (sollten Rechtsstreitigkeiten entstehen), den dem Abkommen zuwiderhandeln-den Partner in seinem eigenen Land zu verklagen. Ist zum Beispiel ein amerikani-sches Unternehmen der Ansicht, ein viet-namesischer Zuschlag für eine Ausschrei-bung sei nicht rechtskonform, so hat das amerikanische Unternehmen die Mög-lichkeit, Vietnam auf US-Boden nach US-Recht zu verklagen.

➤2 Heinze: Auch die EU hat die Bedeu-tung Vietnams erkannt und unterzeich-nete ein Freihandelsabkommen, welches 2017 ratifiziert werden soll. Worin beste-hen die Vorteile?

➤� Massmann: Dies ist das zweite Frei-handelsabkommen der EU mit einem ASEAN-Staat, daher gestaltet sich der Inhalt ähnlich. Die Kernthemen sind Zölle, der Handel mit Waren, Investitionen, Wettbewerbsrechte und nachhaltige Ent-wicklung. Konkret werden nach dem

Abkommen zwischen der EU und Vietnam 99% aller Zölle in einem Zeitraum von sie-ben Jahren wegfallen. Der vietnamesi-sche Markt wird hierbei für alle europäi-schen Lebensmittel geöffnet, wohinge-gen der Fokus der EU zu Beginn auf dem Textil- und dem Schuhsektor liegt.

➤2 Heinze: Wie beurteilen Sie somit die Gesamtentwicklung Vietnams in den fol-genden Jahren?

➤� Massmann: Vietnam hat zwei sehr bedeutende Handelsabkommen vor sich, durch die es sich wirtschaftlich immer mehr an Industriestaaten annähert und Teil von deren Liefer- und Produktionsket-ten wird. Die Öffnung westlicher Märkte wird bei gleichbleibender wirtschaftlicher Situation am Gesamtmarkt einen stabilen Aufschwung für Vietnam bringen. Neben den Ländern Brunei, Malaysia und Singapur stellt Vietnam die Schnitt-stelle zwischen ASEAN und der TPP dar. Vietnam ist jedoch klar in führender Rolle innerhalb dieser vier Länder – sowohl aus makro- als auch aus mikroökonomischer Sicht. So kann Vietnam im Zuge der TPP davon profitieren, dass China nicht Teil des Abkommens ist. Chinesische Herstel-ler und Unternehmen werden gezwun-gen, Standorte in Vietnam zu eröffnen und dort zu produzieren, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben und alle bis-herigen Kunden bedienen zu können, da gleichbleibende Lieferbedingungen aus China teurer sein werden. Dies wird wie-derum zu einem starken Anstieg der viet-

namesischen Wirtschaft führen und sowohl BIP als auch Export stimulieren.

➤2 Heinze: Sehen Sie Vorteile für deut-sche Unternehmen durch die Unterzeich-nung der TPP entstehen?

➤� Massmann: Die Wertschöpfungskette der im TPP-Raum gehandelten Produkte ist im Abkommen festgelegt. Demnach müssen jene Produkte, welche unter den Bedingungen der TPP gehandelt werden, auch im exportierenden Land produziert werden. Deutschen Maschinenherstellern wird die Möglichkeit gegeben, das Eröff-nen dieser Wertschöpfungskette zu begleiten und v.a. vietnamesische Textil-produzenten mit Maschinen zu beliefern. Das Hauptaugenmerk des vietnamesi-schen Exports liegt auf dem Textilbereich, 100% des Garns, das für die Textilproduk-tion in Vietnam verwendet wurde, war chinesischen Ursprungs. Um nun die Textilprodukte gemäß den TPP-Freihan-delsbedingungen verkaufen zu können, muss das Garn nun auch in Vietnam pro-duziert werden. Hierfür bedarf es moder-ner Maschinen, wobei Vietnam nicht in der Lage ist, diese selbst zu produzieren.

➤2 Heinze: Wie müssen sich deutsche Unternehmen aufstellen, um an der Ent-wicklung zu partizipieren?

➤� Massmann: Es ist wichtig, dass deut-sche Unternehmen vor Ort präsent sind, sei es durch einen Handelsvertreter, eine Repräsentanz oder eine Niederlassung.

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Präferenzen nutzen, Wettbewerbsvorteile sichern

Die Europäische Union hat mit einer Reihe von Ländern bzw. Ländergruppen sogenannte Präferenzabkommen geschlossen. In diesen Präferenzabkommen wurden Zollvergünstigungen (Präferenzen) vereinbart. Das bedeutet, dass die Einfuhr in ein Land, mit dem ein solches Abkommen abgeschlossen wurde, zollfrei bzw. zollermäßigt erfolgen kann. Voraussetzung ist, dass die Waren bestimmte Ursprungsregeln (Be- und Verarbeitungsregeln) erfüllen, die in dem Präferenzabkommen festgelegt sind.

Präferenzabkommen bedeuten in der Regel einen erheblichen Wettbewerbs-vorteil für präferenzberechtigte Produkte, da die Zollsätze im Ausland ansonsten häufig im zweistelligen Bereich liegen können. Allerdings sind der Zeit- und Per-sonalaufwand für diese freiwillige Nut-zung nicht zu unterschätzen. Entspre-chendes Fachwissen ist zwingend erfor-derlich.

Ob der Aufwand gerechtfertigt ist, kann durch einen Blick in die Market Access Database der Europäischen Union (http://madb.europa.eu) geklärt werden. Diese gibt Auskunft über die Zollsätze im jewei-ligen Empfangsland. Auf einen Blick ist zu erkennen, ob für das jeweilige Produkt überhaupt ein Präferenzzollsatz gewährt wird und wie hoch/gering die Differenz zum Normalzollsatz ist. Hieraus ergibt sich dann das weitere Vorgehen.

Tipp: Neben den Einfuhrzollsätzen erläu-tert die Market Access Database auch, welche Dokumente für die Einfuhr not-wendig sind.

Ein­ und zweiseitige Abkommen

Unterschieden wird zwischen ein- und zweiseitigen Abkommen. Einseitige Abkommen führen zu einer Zollvergünsti-gung beim Import in die Europäische Union. Für Exporteure sind in der Regel nur zweiseitige Abkommen relevant, da

diese auch zu einer Zollvergünstigung/Zollfreiheit im Empfangsland führen, womit der Kunde niedrigere Einfuhrabga-ben zu zahlen hat. Eine Übersicht über alle bestehenden Abkommen gibt das Präferenzportal der deutschen Zollver-waltung unter www.wup.zoll.de.

Be­ und Verarbeitungsregeln

Die von der Europäischen Union geschlos-senen zweiseitigen Präferenzabkommen enthalten sogenannte Be- und Verarbei-tungsregeln. Diese Regeln werden immer nur mit dem jeweiligen Abkommenspart-ner festgelegt. D.h., dass die explizite Regel je Empfangsland und Artikel zu prüfen ist. Die aktuell gültigen Regeln können im Präferenzportal der Zollver-waltung abgefragt werden. Die am häu-figsten verwendeten Regeln sind der Posi-tionswechsel und die Wertklausel.

Beispiel für einen Positionswechsel

Herstellen aus Vormaterialien jeder Posi-tion, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie die hergestellte Ware.

Verglichen werden die ersten vier Stellen der Statistischen Warennummer der ein-gesetzten Vormaterialien ohne europäi-schen Ursprung mit der Position (Waren-nummer) des hergestellten Erzeugnisses. Der Positionswechsel liegt vor, wenn sich die Positionen in mindestens einer Zahl unterscheiden. Vormaterialien, die bereits den präferenziellen Ursprung haben (z.B. Lieferantenerklärung liegt vor), benöti-gen keinen Positionswechsel.

Beispiel für eine Wertklausel

Herstellen, bei dem der Wert aller verwen-deten Vormaterialien 40% des Ab-Werk-Preises der Ware nicht überschreitet.

Hier wird dem Nettoverkaufspreis (Ab-Werk-Preis) der Wert aller eingesetzten Vormaterialien gegenübergestellt, die selbst keinen präferenziellen Ursprung haben. Der Wert der Vormaterialien, für die eine gültige Lieferantenerklärung vorliegt, gehört somit nicht dazu. Zu berücksichti-gen ist, dass der präferenzielle Ursprung sowohl von veränderten Einkaufspreisen für Vormaterialien als auch durch einen

Die Gewährung von Präferenzzöllen erleichtert

den Warenhandel.

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Corinna TammingaBeraterin für Zoll und Außenwirtschaft, dbh Logistics IT AG

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geänderten Verkaufspreis stark beein-flusst wird und jeweils eine neue Kalkula-tion erforderlich machen kann.

Weitere Klauseln sind u.a. die Kombina-tion aus Positionswechsel und Wertklau-sel, der doppelte Positionswechsel oder die Beschreibung bestimmter Herstel-lungsvorgänge.

Alternativregel

Wenn sowohl in Spalte 3 als auch in Spalte 4 des jeweiligen Abkommens für Ihr Pro-dukt eine Be- und Verarbeitungsregel auf-geführt ist, kann gewählt werden, welche Regel angewendet wird. Wenn z.B. die Regel in Spalte 3 nicht zum präferenziellen Ursprung führt, kann geprüft werden, ob dies mit der Regel in Spalte 4 möglich ist.

Präferenzkalkulation

Immer dann, wenn es sich nicht um Han-delsware handelt, bei der nur die Verwal-tung der ein- und ausgehenden Lieferan-tenerklärungen notwendig ist, ist eine Präferenzkalkulation durchzuführen. Ins-besondere bei der Wertklausel ist ein Kal-kulationsschema zu erstellen. Hierfür kön-nen z.B. die üblichen Office-Programme genutzt werden. Bei regelmäßig notwen-digen Kalkulationen und/oder einer gro-ßen Stückliste mit wechselnden Preisen macht der Einsatz einer speziellen Präfe-renzsoftware allerdings Sinn, um effektiv und insbesondere rechtskonform arbei-ten zu können.

Präferenzdokumente

Lieferantenerklärungen mit Präferenz-ursprung werden innerhalb der Euro-päischen Union von Unternehmen an Unternehmen ausgestellt. Diese Doku-mente sagen aus, ob eine Ware präferenz-berechtigt ist. Lieferantenerklärungen dienen Handelsunternehmen als Basis für die Ausstellung einer EUR.1/EUR-MED. Produktionsunternehmen benötigen sie in der Regel für ihre Präferenzkalkulation, um im Anschluss ihrem Kunden innerhalb der EU eine Lieferantenerklärung aus-stellen zu können, oder aber, um beim Zollamt eine EUR.1/EUR-MED für den Export in ein Präferenzland beantragen zu können.

Unterschieden wird zwischen einer Ein-zel- und einer Langzeitlieferantenerklä-rung. Die Einzellieferantenerklärung wird für die einmalige Lieferung ausgestellt. Eine Langzeitlieferantenerklärung kann für Waren ausgestellt werden, deren Ursprung sich voraussichtlich länger-fristig nicht ändern wird. Diese kann für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr (ab 1. Mai 2016 maximal zwei Jahre) ausge-stellt werden.

Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ist der Präferenznachweis, der dem ört-lichen Zollamt im Rahmen der Versand-abfertigung ausgefüllt vorgelegt und von diesem geprüft und bestätigt wird. Auf Verlangen der Zollstelle sind entspre-chende Nachweispapiere, also entweder

die Präferenzkalkulation oder Lieferan-tenerklärungen, einzureichen. Bei eige-ner Herstellung muss auf der Rückseite der EUR.1 die geltende Ursprungs regel angegeben werden, und deren Einhaltung muss mit einer Erläuterung der Präferenzkalkulation nachgewiesen werden. Im Anschluss ist die EUR.1 der Zollstelle des Einfuhrstaates vorzulegen, um die Zollvergünstigung/Zollfreiheit zu erhalten.

Wenn der Ursprung im Rahmen der Pan- Euro-Med-Freihandelszone erworben wurde (Kumulation), dann ist als Nach-weis die EUR-MED zu verwenden.

Bis zu einem Warenwert von 6.000 EUR kann die Ursprungserklärung auf Rech-nung genutzt werden. Wird diese Wert-grenze überschritten, ist eine EUR.1 auszufüllen oder die Bewilligung als „Ermächtigter Ausführer“ notwendig.

Verfahrenserleichterung – „Ermächtigter Ausführer“

Mit der Bewilligung als „Ermächtigter Ausführer“ dürfen Unternehmen generell eine Ursprungserklärung auf der Rech-nung abgeben, die eigentlich notwen-dige EUR.1 oder EUR-MED entfällt. Hinzu kommt, dass die Ausstellung natürlich unabhängig von den Öffnungszeiten des Zollamtes möglich ist, insbesondere dann, wenn außerdem der „Zugelassene Ausführer“ bewilligt wurde.

Unternehmen, die das Präferenzabkom-men mit Südkorea nutzen möchten, müs-sen zwingend den „Ermächtigten Ausfüh-rer“ beantragen, da im Abkommen mit Südkorea die EUR.1 nicht vorgesehen ist.

Grundlage für die Beantragung dieser Bewilligung ist die Erstellung einer Ar-beits- und Organisationsanweisung. Hier-mit soll die innerbetriebliche Organisa-tion dokumentiert werden, die Ursprungs-eigenschaft der Waren muss zweifelsfrei nachgeprüft und überwacht werden können.

Fazit

Die Nutzung von Präferenzabkommen wird für Unternehmen immer interessan-ter, insbesondere da zukünftig weitere Abkommen hinzukommen werden (z.B. mit den USA, Kanada, Vietnam, Singa- pur, Japan). Zu unterschätzen ist aber nicht der Kosten- und Zeitaufwand, um dieses Thema zu bewältigen. Dieses Thema sollte im Unternehmen strategisch geprüft und bei Umsetzung entspre-chend organisiert werden, um Fehler zu vermeiden.

„Die Nutzung von Präferenz-abkommen sollte im Unternehmen strategisch geprüft und fehler-vermeidend organisiert werden.“

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Ausgabe 2 | 9. März 2016

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UNTER SCHIRMHERRSCHAFT VON BUNDESWIRTSCHAFTSMINISTER SIGMAR GABRIEL

19.APRIL BREMEN

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ANMELDUNGEN UNTER

20 | ExportManager

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Der neue Unionszollkodex (UZK) – alles neu im Mai?

Zum 1. Mai 2016 wird für die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und indirekt auch für alle mit diesen handelnde Drittländer der „Unionszollkodex“ (UZK) nebst seinen umfangreichen Durchführungsvorschriften angewendet. Der UZK soll dabei die rechtlichen Vorgaben des Vertrages von Lissabon erfüllen, die Herausforderungen an Zollverwaltungen optimal ausbalancieren und dies mit Hilfe entsprechender IT-Unterstützung EU-weit einheitlich umsetzen.

IT als wichtige zukünftige Basis des UZK

Jedem Wirtschaftsbeteiligten erschließt sich beim Gedanken an das Ausrollen von IT-Projekten über 28 Länder sofort die Gewaltigkeit eines solchen Projekts und der oft ungeplanten Hindernisse, die es bis zum Erfolg überwinden muss. Aller-dings gibt es keine Alternative zu diesem selbstverordneten Programm der Moder-nisierung und Computerisierung von Zoll-prozessen, die eng mit den Prozessen internationaler Supply-Chains verwoben sind. Zölle als solche stehen dabei immer

weniger im Fokus als die Überwachung der Einhaltung einer Vielzahl von Vor-schriften, die sich an die Ein-, Aus- oder auch Durchfuhr von Waren knüpfen, um so Verbraucher, Unternehmen und andere Organisationen zu schützen.

Der UZK startet daher zum 1. Mai 2016 als neuer Rechtsrahmen, aber seine volle Leistungsfähigkeit wird er erst dann errei-chen können, wenn die entsprechenden IT-Funktionalitäten auch tatsächlich genutzt werden. Dies erfolgt aber erst sukzessive nach einem eigenen IT-Arbeits-programm, das zumindest bis 2020 aus-

gelegt ist. Durch den in Zukunft stärkeren Einsatz von IT lassen sich nicht nur Arbeits-prozesse verbessern und damit Supply-Chains effizienter gestalten und beschleu-nigen, sondern gleichzeitig erhöhen sich auch die Transparenz und damit die Kon-trollmöglichkeiten der Compliance. Diese Entwicklung ist zwangsläufig und sollte von Wirtschaftsbeteiligten entsprechend auch in Planung und Strategie berück-sichtigt werden.

Trotz eher mittel- und langfristig ausge-legten IT-Programms bringt der UZK bereits jetzt einiges an Änderungen durch eine Revision des bisherigen Rechts mit sich, worauf sich Unternehmen in Deutschland und der EU einstellen soll-ten. Beispielhaft soll in diesem Beitrag nachfolgend nur auf die Änderungen der besonderen Zollverfahren durch den UZK eingegangen werden. Darüber hinaus sieht der UZK vielfältige weitere Änderun-gen etwa im Zollschuldrecht, beim Zoll-

wert, bei den Sicherheiten und der vorü-bergehenden Verwahrung, bei den sogenannten verbindlichen Zolltarifaus-künften und beim zugelassenen Wirt-schaftsbeteiligten (AEO) vor.

Änderungen bei den besonderen Verfahren

Ein erklärtes Ziel des UZK war es, die Zoll-verfahren, betreffend Zolllager, Freizonen, Endverwendung sowie aktive und passive Veredelung, zu vereinfachen und zu ratio-nalisieren, um die Inanspruchnahme sol-cher besonderen Verfahren für die Wirt-schaftsbeteiligten attraktiver zu machen.

Dieses Ziel wurde insofern erreicht, als der UZK bei den besonderen Zollverfah-

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Axel KrauseRechtsanwalt und Diplom-Finanzwirt (Zoll),Graf von Westphalen

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Zollverwaltungen stehen im Spannungsfeld

von Handelsfreiheit und Risikokontrolle.

Marian NiestedtRechtsanwalt und Partner,Graf von Westphalen

[email protected]

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ren keine völlig überraschenden und wesentlichen Änderungen zum bisheri-gen System der besonderen Zollverfah-ren vorhält. Nach der Papierform steht der UZK eher für eine Revision als für eine Revolution der besonderen Zollverfah-ren. Dennoch sollten die weiteren Ent-wicklungen, insbesondere unter zukünf-tig veränderten IT-technischen Möglich-keiten, nicht aus den Augen verloren werden, wie z.B. die Möglichkeiten und Vorteile im Rahmen einer zentralen EU-weiten Zollabwicklung für Wirtschaftsbe-teiligte (frühestens ab Oktober 2020 technisch möglich).

Nach Art. 5 Nr. 16 UZK wird es auf den ers-ten Blick nur noch drei „Zollverfahren“ geben. Diese sind (1.) die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr, (2.) besondere Verfahren und (3.) die Ausfuhr. Die „besonderen Verfahren“ umfassen verschiedene Verfahrensarten: den Ver-sand als externer und interner Versand, die Lagerung in einem Zolllager und in einer Freizone, die Verwendung als vorü-bergehende Verwendung und Endver-wendung sowie die aktive und passive Veredelung. Nachfolgend wird nur auf diese „besonderen Verfahren“ einge-gangen.

1. Versand

Die Regelung zum Versandverfahren (extern/intern) sind im UZK unverändert geblieben, da sie sich in der Vergangen-heit bewährt haben und im Übrigen auf

internationalen Vereinbarungen beruhen, die nicht über den UZK einseitig geändert werden können.

2. Allgemeine Vorschriften

Mit Ausnahme des Versandverfahrens sind für alle übrigen besonderen Verfah-ren allgemeine Vorschriften mit den Arti-keln 211 bis 225 UZK praktisch vor die Klammer gezogen worden, was grund-sätzlich zu einer besseren Übersicht für den Anwender führt. Inhaltlich gibt es hier wenig Neues mit Ausnahme in Bezug auf Ersatzwaren, die zukünftig unter dem UZK in stärkerem Maße genutzt werden könnten als unter dem alten Recht, solange dadurch kein unberechtigter Ein-fuhrabgabenvorteil entsteht.

a) Bewilligungsvoraussetzungen. Auch unter dem UZK wird für die besonde-ren Verfahren mit Ausnahme des Ver-sandverfahrens immer eine Bewilli-gung erforderlich sein. Dafür müssen nach Art. 211 UZK sowohl persönliche, sachliche als auch wirtschaftliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt werden.

b) Erledigung von besonderen Zollver-fahren. Mit Ausnahme des Versand-verfahrens gibt es für alle besonderen Zollverfahren zukünftig vier Erledi-gungsmöglichkeiten (Art. 215 Abs. 1 UZK). Diese sind die Wiederausfuhr, die Überführung in ein neues Zoll-verfahren, die Zerstörung ohne Ab-

fall und die Aufgabe zugunsten der Staatskasse.

c) Möglichkeit rückwirkender Bewilli-gungen. Auch unter dem UZK sind mit Ausnahme des Versandverfahrens und des Zolllagerverfahrens rückwir-kende Bewilligungen möglich. Im Falle einer vorausgegan genen, aber abge-laufenen Bewilligung kann eine rück-wirkende Bewilligung lücken-schlie-ßend an die vorherige anknüpfen. In Deutschland wird die Bewilligung von der Zollverwaltung aufgrund der Rechtsprechung des BFH für maximal ein Jahr ab dem Datum der Antragstel-lung rückwirkend erteilt. Es ist zweifel-haft, ob diese Praxis vor dem Hinter-grund der neu gefassten Art. 211 Abs. 2 lit. h) UZK i.V.m. Art 172 UZK-DA künftig noch haltbar ist oder ob die Rückwirkung nicht für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren möglich sein muss.

d) Unterrichtungspflicht und Monito-ring. Entsprechende Bewilligungen zu den besonderen Verfahren unter dem UZK sind zollrechtliche Entscheidun-gen im Sinne von Art. 5 Nr. 39 UZK mit der Folge, dass für den Inhaber der Bewilligung eine Unterrichtungs-pflicht bzgl. aller relevanten Verände-rungen in Bezug auf seine Bewilligung besteht nach Art. 23 Abs. 2 UZK. Orga-nisatorisch ist daher ein entsprechen-des Überwachungssystem vorzuhal-ten. Dem gegenüber steht die Monito-

ringpflicht der Zollbehörde bzgl. der Entscheidung zur Bewilligung eines besonderen Zollverfahrens. Die Zoll-behörde entscheidet daher in Zukunft über Aussetzung, Rücknahme, Wider-ruf und Neubewertung ihrer Entschei-dung in Abhängigkeit von der geset-zeskonformen organisatorischen Umsetzung durch den Inhaber der Bewilligung. Dazu stellt die Behörde einen Monitoringplan auf. Dies alles ist praktisch nicht neu, aber unter dem UZK klarer als bisher herausgestellt.

3. Lagerung

Unter Lagerung versteht der UZK private oder öffentliche Zolllager und Freizonen. Freilager in Gebäuden sind unter dem UZK ersatzlos weggefallen. Gebietsbezo-gene Freizonen sind nur noch mit geogra-phischer Begrenzung und unter einer Umzäunung zulässig, dem bisherigen Kontrolltyp 1 (Bremerhaven und Cuxha-ven) entsprechend. Der deutsche Gesetz-geber hat danach die Aufgabe zu ent-scheiden, was mit den vom UZK nicht mehr vorgesehenen ehemaligen Freizo-nen des Kontrolltyps II (Duisburg und Deggendorf ) zu geschehen hat – Abschaf-fung oder Anpassung an die Vorausset-zungen des UZK (durch klare Begrenzung und Umzäunung). Bei den öffentlichen Zolllagern gibt es, unterschieden nach den jeweiligen Verantwortlichkeiten, den Typ I und II nach dem UZK. Beim Typ I ist der Bewilligungsinhaber verantwortlich für das Lagerverfahren, während beim

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Typ II der Inhaber des Verfahrens (der Zoll-anmelder) verantwortlich ist.

Bei den privaten Zolllagern ist unter dem UZK die Einteilung nach den Typen C, D und E weggefallen. Die Lagertypen C und E lassen sich auch unter dem UZK mit ihren vormaligen Regelungen entspre-chend abbilden. Für das Zolllager Typ D ist dies dagegen so nicht möglich, da nach Art. 85 Abs. 1 UZK für das Lagerverfahren die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt einer Zollschuldentstehung maßgeblich sind und daher nicht, wie beim Typ D bis-her üblich, die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt der Überführung in das Zoll-lagerverfahren. Dadurch kann es zu höhe-ren Zollwerten und Einfuhrabgaben kom-men. Ansonsten können unter dem UZK auch weiterhin Nichtunionswaren zeitlich unbeschränkt im EU-Zollgebiet gelagert, üblichen Behandlungen unterzogen oder auch vorübergehend ausgelagert wer-den.

4. Verwendung

Die Verwendung erfasst als besonderes Zollverfahren sowohl die vorüberge-hende Verwendung als auch die soge-nannte Endverwendung, welche vormals als Abfertigung zum freien Verkehr zur besonderen Verwendung geregelt war. Für die vorübergehende Verwendung ist lediglich neu, dass die Bemessungsgrund-lagen auch hier gem. Art. 85 und 86 des UZK im Zeitpunkt der Zollschuldentste-hung maßgeblich sind.

Mit der zweckgerechten Endverwendung oder auch durch Wiederausfuhr, Zerstö-rung ohne Abfall oder Aufgabe zuguns-ten der Staatskasse endet die zollamtliche Überwachung für diese Unionswaren in der Endverwendung.

5. Veredelung

Der UZK unterscheidet weiterhin zwischen aktiver und passiver Veredelung. Bei der aktiven Veredelung fällt nach dem UZK das sogenannte Zollrückvergütungsverfahren als Möglichkeit weg, so dass es nur noch das Nichterhebungsverfahren – daher den Verzicht auf die Erhebung der Einfuhrab-gaben während der Veredelung – gibt. Dadurch entfallen auch Ausgleichszinsen zum Ausgleich der Zinsdifferenz zwischen der Nutzung dieser beiden unterschiedli-chen Verfahren. Auch ist die Pflicht zur Wiederausfuhr nach dem UZK für die aktive Veredelung entfallen. Vor dem UZK war es nur möglich, in der EU veredelte Waren unter einem sogenannten Um-wandlungsverfahren zollbegünstigt für die EU zum freien Verkehr abfertigen zu lassen. Durch den Wegfall der Pflicht zur Wiederausfuhr aktiv veredelter Waren wird dieses vorherige Umwandlungsverfahren obsolet und geht daher in der zukünftigen aktiven Veredelung auf. Neu ist auch die Aufnahme der Zerstörung als Veredelungs-vorgang gemäß Art. 5 Nr. 37 lit. c) UZK.

Für passive Veredelungsverkehre wird es unter dem UZK nur noch die Möglichkeit einer Mehrwertverzollung, mithin einer

Verzollung des Veredelungsentgelts im Drittland, geben. Die bisherige Möglich-keit der Differenzverzollung wird durch den UZK abgeschafft.

6. Übergangsbestimmungen für bestimmte Zollverfahren

In Art. 349 UZK-IA sind die Übergangsbe-stimmungen für Waren geregelt, die in bestimmte Zollverfahren übergeführt, aber vor dem 1. Mai 2016 nicht erledigt wurden. Danach werden auch diese Ver-fahren nach den neuen Regeln des UZK erledigt. Ausnahmen gelten für Waren, die sich im Zolllagerverfahren nach Typ D, in der vorübergehenden Verwendung, in der aktiven Veredelung nach den Verfah-ren der Zollrückvergütung oder in der passiven Veredelung befinden. Letztere werden daher auch noch nach dem 1. Mai 2016 grundsätzlich nach den Regeln des alten ZK erledigt werden können.

Mit Ausnahme des Versands gilt für Bewil-ligungen für besondere Verfahren gemäß Art. 250 ff. UZK-DA, dass diese über den 1. Mai 2016 hinaus Gültigkeit behalten und sukzessive nach dem UZK neu zu bewer-ten sind. Bei nur befristet erteilten Bewilli-gungen sollen diese Neubewertungen bis zum Ende ihres Bewilligungszeitraums erfolgen, spätestens jedoch bis zum 1. Mai 2019. Dagegen nennt der UZK für unbefristet erteilte Bewilligungen keine solche Frist und stellt die Neubewertung somit in das Ermessen der zuständigen Zollbehörden.

Fazit

Die besonderen Zollverfahren sind im UZK vereinfacht und rationalisiert wor-den, um ihre Inanspruchnahme für Wirt-schaftsbeteiligte attraktiver zu machen. Ob Wirtschaftsbeteiligte in Zukunft unter dem UZK tatsächlich in den dafür geeig-neten Fällen besondere Verfahren in Anspruch nehmen, hängt von der Kennt-nis der Verfahren und ihrer Voraussetzun-gen, den wirtschaftlichen und prakti-schen Möglichkeiten ihrer Umsetzung und insbesondere ihrer nachhaltigen Kontrollierbarkeit durch die Wirtschafts-beteiligten ab.

Insofern hat sich wenig durch den UZK verändert, allerdings wird das Thema Compliance für Wirtschaftsbeteiligte unter dem UZK eher noch wichtiger als schon bisher, da nicht zuletzt unter den erweiterten IT-Möglichkeiten nach dem UZK die Transparenz der Prozesse und der Austausch zwischen Behörden neben effizienteren Arbeits- auch bessere Kon-trollmöglichkeiten schaffen werden.

Vor diesem Hintergrund kann von altem Wein in neuen Schläuchen daher beim neuen UZK nicht die Rede sein. Vielmehr ist er als Fundament kontinuierlicher wei-terer Entwicklungen zu verstehen, auf welches die EU-Zollprozesse, passend zum 21. Jahrhundert, aufgebaut werden. Daraus werden sich sowohl Chancen als auch Risiken für internationale Supply-Chains ergeben.

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Entziehen aus Zollüberwachung jetzt und künftig

Zum 1. Mai 2016 tritt der Unionszollkodex (UZK) in Kraft. Anhand eines aktuellen, anonymisierten Falls soll erläutert werden, welche Auswirkungen dies haben kann, z.B. beim Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung: Was ist, wenn in geringem Umfang Zoll-formalitäten nicht eingehalten werden? Müssen dann hohe Abgaben nach Art. 203 ZK wegen Entziehens aus der zollamtlichen Über-wachung entrichtet werden, oder gibt es hierfür Entschuldigungsgründe? Diese Rechtslage wird mit der ab 1. Mai 2016 verglichen.

Ausgangsfall

Die Firma D in Deutschland erbringt Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Hubschraubern im Wege der aktiven Veredelung. Für diese Reparatur brau-chen bei der Einfuhr in die EU keine Abgaben entrichtet zu werden, bei der Wiederausfuhr i.d.R. auch nicht, sondern lediglich bei der Einfuhr in ein Drittland für den erlangten Mehrwert (den Wert der Instandsetzung). In der Bewilligung

von D war vorgesehen, dass D jede Ausfuhrsendung vor Warenabgang bei der zuständigen Ausfuhrzollstelle anzu-melden hat. Im Rahmen einer Prüfung wird festgestellt, dass D in einigen Fällen diese Nachricht tatsächlich erst eine oder zwei Stunden nach Abgang der Hub-schrauber übermittelt und somit die Anmeldungen der Güter für die Überführung ins Ausfuhrver-fahren verspätet abgege-ben hat. Die Ausfuhr-

zollstelle sah darin ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung und ver-langte von D nach Art. 203 ZK Abgaben (2,7% Zoll und 19% Einfuhrumsatzsteuer = EUSt). Da hierfür in etwa der Wert der betroffenen Hubschrauber (100 Mio EUR)

zugrunde gelegt wurde, ging es um Abgaben von 21,7 Mio EUR (2,7 Mio EUR Zoll

und 19 Mio EUR EUSt). Wie kann sich D wehren?

Abwandlung: Was würde sich ändern, wenn sich dieser Fall nach dem 1. Mai 2016 ereignete?

Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nach aktueller Rechtslage

Nach aktueller Rechtslage ist säuberlich danach zu differenzieren, ob es um einen Fall der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung (nach Art. 203 ZK) geht oder um eine Verfehlung (einen minder schweren Fall der Entziehung) nach Art. 204 ZK, für den Entschuldigungsgründe zur Verfügung stehen (Art. 859 ZK-DVO). Diese Unterscheidung ist insofern gravie-rend, als für den Fall nach Art. 203 ZK (die Entziehung) praktisch keine Minderung

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PD Dr. Harald HohmannRechtsanwalt,Hohmann Rechtsanwälte

info@hohmann- rechtsanwaelte.com

Serkan Denizangestellter Anwalt, Hohmann Rechtsanwälte

info@hohmann- rechtsanwaelte.com

Entziehen aus zollamtlicher Überwachung

oder lediglich entschuldbare Verfehlung –

der Helikopter hatte sich jedenfalls

zu früh auf den Weg gemacht.

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des Abgabenbetrages in Betracht kommt, sofern hier nicht ausnahmsweise Billig-keitsgesichtspunkte geltend gemacht werden können. Sofern hingegen eine Verfehlung nach Art. 204 ZK vorliegt, ist von vorneherein klar, dass der Betrag bis auf 0 EUR reduziert werden kann bzw. muss, falls ein Entschuldigungsgrund nach Art. 859 ZK-DVO eingreift.

Nach der weiten Auslegung des EuGH ist eine Entziehung grundsätzlich bereits dann zu bejahen, wenn die zuständige Zollstelle „auch nur zeitweise“ am Zugang zu diesen unter Überwachung stehenden Gütern und damit an entsprechenden Prüfungen gehindert wird. Stellenweise gibt es Ansätze in der Rechtsprechung, diesen starren Ansatz aus Verhältnismä-ßigkeitsgründen dann aufzuweichen (zugunsten der Verfehlung nach Art. 204 ZK), wenn eine Kontrolle grundsätzlich möglich gewesen wäre oder wenn ein von Art. 859 ZK-DVO erfasster Fall vorlag etc. In der Praxis war bisher der Entschul-digungsgrund nach Art. 859 Nr. 6 ZK-DVO von besonderer Bedeutung: das fahrläs-sige Nichteinhalten der Zollförmlichkei-ten, sofern dies leicht fahrlässig sowie ohne Entziehungsabsicht geschieht und D Maßnahmen ergreift, um „die Situation der Waren zu bereinigen“.

Lösung des Ausgangsfalls (aktuelles Recht)

D sollte Einspruch einlegen. Sofern sie die sofortige Zahlung der 21,7 Mio EUR in das

Risiko mangelnder Solvenz bringen könnte, sollte D zusätzlich Aussetzung der Vollziehung beantragen. Dies sollte sie wie folgt begründen: Es liegt allein eine Verfehlung nach Art. 204 ZK – anstelle der Entziehung nach Art. 203 ZK – vor, weil es nur um einen geringfügigen Entziehungs-fall geht: Zum Ersten geht es nur um eine geringfügige Verzögerung der Abgangs-meldungen von ein bis zwei Stunden. Zum Zweiten dürfte hier ein Fall des Art. 859 Nr. 6 ZK-DVO vorliegen, wie sich u.a. aus zwei Absätzen der Dienstvor-schrift VSF Z 0901 entnehmen lässt.

Im tatsächlich beratenen Fall machte D mit Erfolg diesen Entschuldigungsgrund geltend, wozu D u.a. auf Folgendes hin-wies: D hatte zumindest den Leiter des betroffenen Flughafens, der eng mit dem Zoll kooperierte, rechtzeitig informiert, so dass die zuständige Zollstelle grundsätz-lich rechtzeitig die Möglichkeit der Kennt-nis vom Abgang gehabt hätte. Zusätzlich hatte D unverzüglich diese Meldungen nachgeholt und damit „die Situation bereinigt“, wobei eine solche Nachholung nach der ZK-DVO grundsätzlich möglich ist. Angesichts einer sehr komplexen

„Der Stichtag 1. Mai 2016, zu dem der UZK in Kraft tritt, sollte als idealer Zeitpunkt für ein Überprüfen und Optimieren der Zollprozesse angesehen werden.“

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Pflichtenlage konnte für diesen Verstoß grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen wer-den, und Anhaltspunkte für eine Entzie-hungsabsicht lagen ebenfalls nicht vor. Die zuständige Zollstelle korrigierte daher im beratenen Fall den Abgabenbescheid auf 0 EUR!

Entziehen aus zollamtlicher Überwachung nach künftigem Recht

Eine vergleichbare Differenzierung zwi-schen Entziehung (ohne Entschuldi-gungsgründe) einer- und Verfehlung (mit Entschuldigungsgründen) andererseits wird es künftig nicht mehr geben. Nach den Art. 79 und 134 UZK kann nach wie vor auch eine vorübergehende Ent-ziehung ausreichen, um eine solche Abgabenschuld zu begründen. In jedem Fall muss dann weiter geprüft werden, ob Entschuldigungsgründe nach Art. 124 Abs. 1h UZK und Art. 103 Delegierte UZK-VO (VO 2015/2446) bestehen.

Hierbei fällt aber auf, dass diese Gründe von ihrer Anzahl her weniger sind (fünf statt wie bisher zehn) und überwiegend andere Situationen betreffen. Nur einer der fünf dort genannten Gründe ist iden-tisch mit der aktuellen Rechtslage (Über-ziehung um einen genehmigungsfähigen Zeitraum). Drei weitere betreffen fol-gende Situationen: anschließende An-meldung zum zollrechtlich freien Verkehr (zur Vermeidung einer Verdopplung der Abgaben), Wiederherstellung des Über-

wachungsstatus, fehlerhafte Angaben ohne Auswirkungen auf das Zollverfah-ren. Als Fünftes wird eine Art freiwillige Selbstanzeige normiert: rechtzeitige Unterrichtung der zuständigen Zollstelle über diese Entziehung, bevor diese Zoll-schuld mitgeteilt oder eine entspre-chende Kontrolle angekündigt wird.

Lösung des Abwandlungsfalles

D könnte auch hier seinen Einspruch mit Verhältnismäßigkeit begründen und auf die obengenannten Punkte hierfür hin-weisen. Allerdings wäre künftig eine Entschuldigung vor allem dann leicht zu begründen, wenn Überziehung – bei rechtzeitigem Antrag – noch genehmi-gungsfähig gewesen wäre. Wegen des Abgangs der Hubschrauber aus dem EU-Gebiet scheiden die drei weiteren genannten neuen Entschuldigungs-gründe (z.B. Wiederherstellung des Über-wachungsstatus) aus, und eine gleich-artige Vorschrift zu Art. 859 Nr. 6 ZK-DVO fehlt im neuen Recht.

D würde dann am besten den fünften neuen Entschuldigungsgrund bemühen: Er sollte die zuständige Zollstelle über die-sen Verstoß unterrichten, bevor diese hierzu ermittelt oder eine solche Zoll-schuld mitteilt (im Ausgangsfall dürfte es dafür zu spät sein, weil dies bereits bei einer Prüfung aufgedeckt wurde). Dann wäre sichergestellt, dass D mit Sicherheit einen Entschuldigungsgrund geltend machen kann. Allein das Berufen auf Ver-

hältnismäßigkeit wird in Zukunft u.U. nicht mehr ausreichen, um einen solchen Entschuldigungsgrund zu erreichen.

Resümee

Das Beispiel des Entziehens aus der zoll-amtlichen Überwachung zeigt, dass es beim neuen UZK um mehr als nur „alten Wein in neuen Schläuchen“ geht. Stellen-weise finden erhebliche Erschwerungen statt (z.B. Streichung des besonders pra-xisrelevanten Entschuldigungsgrundes Art. 859 Nr. 6 ZK-DVO), die allerdings z.T. wieder von Erleichterungen (z.B. Auf-hebung der mühsamen Differenzierung zwischen Entziehung nach Art. 203 ZK einer- und Verfehlung nach Art. 204 ZK andererseits) begleitet werden.

Die künftige Praxis wird zeigen, ob dies unterm Strich zu einer höheren Belastung oder eher zu einer Entlastung der Wirt-schaft führen wird. Genauso klar ist auch, dass das Inkrafttreten des UZK zum Mai 2016 nicht zu einem „Schreckensszenario“ werden sollte. Selbst bei den besonderen Verfahren bleibt vieles beim Alten (vgl. den Beitrag der Kollegen Krause und Niestedt in dieser Ausgabe). Handlungs-bedarf dürfte vor allem beim Zolllager-verfahren, bei Freizonen (Kontrolltyp II), vorübergehender Verwendung und Umwandlungsverfahren bestehen; bei der aktiven Veredelung bzw. passiven Ver-edelung wohl nur dann, wenn bisher das Zollrückvergütungsverfahren (aktive Ver-edelung) bzw. die Differenzverzollung (passive Veredelung) genutzt wurde. Die Unternehmen sollten den Stichtag 1. Mai 2016 zum Anlass nehmen, ihre Zollpro-zesse zu überprüfen und zu optimieren – hierfür ist jetzt der ideale Zeitpunkt.

„Das geringfügige Verletzen von Zollförmlichkeiten kann zu sehr hohen Abgaben wegen Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung führen; dies muss dringend verhindert werden. Unter dem neuen UZK werden die Entschuldigungsgründe geringer und sind anders konzipiert.“

Aktuelle Hinweise zum Iran­Embargo

Wegen aktueller Hinweise zum Iran-Embargo (vgl. den Beitrag in der vorigen Ausgabe) siehe auch: http://hohmann-rechtsanwaelte.de/rechtstexte-iranembargo.html

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