entwurf eines vogelschutzgesetzes für das deutsche reich

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457 Entwurf eines Yogelsehutzgesetzes fflr das Deutsche Reich. [Nachfolgend~,r Entwurf eines Vogclschutzgcsetzes ist yon Herrn Hans Freiherrn yon Berlcpsch-Sccbach aufgestcllt und yon der 1)eutschen Ornithologischen Gescllschaft dem Herrn Reichskanzler eingesandt worden, um ale Orundlagc ffir das neuc, zur Zeit in Bearbeitung befindliche Rcichsgesetz zu dieneu]. 6esetz. w Verboten iat: a. Fangen, 8chieuen, Ilberhaupt Vernichten der VOgel und Auu- nehmen bezw. Zerst~ren der Nester und Bruten derselben. Jedoeh dilrfen Nester, welehe sicb an oder in Gebftuden oder in Hofraumen befiuden, yon deren Nutzberechtigten beaeitigt werden. b. dab Feilbieten, die Ein- und Durchfuhr yon VOgeln, l~tlgen, Teilen oder Federn derseiben zu Nahrungs- und Putzzweeken. w Ausnahmen yon w I a kSnnen auf Ansuchen gut beleumdeter Leute f(lr eine bestimmte ()rtliehkeit und Zeit nach Beibringung einer Ein- willigungsbescheinigung der Besitzer des Grund und Bodene, sowie der Jagdberechtigten yon den zustandigen BehOrden gestattet werden: a. zu wiseensehaftliehen Zwecken, b. sum Fange yon StubenvSgeln, insofern derselbe nicht Massen- fang ist. Als Massenfang wird bezeich- net eine Fangvorrichtung, mit weleher mehr als zehn YSgel auf einmal gefangen werden k0nnen. Bemerkungen. Dutch die Ausnahmen in w 3 werden die Bestimmungen des neben- etehendenParagraphen sehr gemildert; immerhin wtirde abet die Einfuhr der unz~hligen kleinen V0gel dutch die Modewarenhandler endlich su ver- hindern sein, wie dies in Nord- amerika schon seit zwei Jahren verboten iat. Als zus~ndige Beh6rden warden wohl im allgemeinen die Landrata- und Kreise~nter zu bezeichnen sein. Museen und anderen wisseno schaftlichen Instituten, welche sich nicht auf eine engbegrel~zte 0rtlich- keit beschranken kSnnen, kann je- doch die Erlaubnis ad a auch yon hOherer Instanz gleich fQr ganze Provinzen oder 8taaten erteilt werden, aber immer unter Vorbehalt der Rechte der Grundbesitzer und Jagd- bereehtigten. Damit mit diesen Verg~insti- gungen kein Missbrauch getrieben und die betrefl'enden BehSrden nicht durch Vorspiegelung falscher That-

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457

E n t w u r f eines Yogelsehutzgesetzes fflr das Deutsche Reich.

[Nachfolgend~,r Entwurf eines Vogclschutzgcsetzes ist yon Herrn Hans Freiherrn yon B e r l c p s c h - S c c b a c h aufgestcllt und yon der 1)eutschen Ornithologischen Gescllschaft dem Herrn Reichskanzler eingesandt worden, um ale Orundlagc ffir das neuc, zur Zeit in Bearbeitung befindliche Rcichsgesetz zu dieneu].

6esetz.

w Verboten iat:

a. Fangen, 8chieuen, Ilberhaupt Vernichten der VOgel und Auu- nehmen bezw. Zerst~ren der Nester und Bruten derselben.

Jedoeh dilrfen Nester, welehe sicb an oder in Gebftuden oder in Hofraumen befiuden, yon deren Nutzberechtigten beaeitigt werden.

b. dab Feilbieten, die Ein- und Durchfuhr yon VOgeln, l~tlgen, Teilen oder Federn derseiben zu Nahrungs- und Putzzweeken.

w Ausnahmen yon w I a kSnnen

auf Ansuchen gut beleumdeter Leute f(lr eine bestimmte ()rtliehkeit und Zeit nach Beibringung einer Ein- willigungsbescheinigung der Besitzer des Grund und Bodene, sowie der Jagdberechtigten yon den zustandigen BehOrden gestattet werden: a. zu wiseensehaftliehen Zwecken, b. sum Fange yon StubenvSgeln,

insofern derselbe nicht Massen- fang ist.

Als Massenfang wird bezeich- net eine Fangvorrichtung, mit weleher mehr als zehn YSgel auf einmal gefangen werden k0nnen.

Bemerkungen.

Dutch die Ausnahmen in w 3 werden die Bestimmungen des neben- etehendenParagraphen sehr gemildert; immerhin wtirde abet die Einfuhr der unz~hligen kleinen V0gel dutch die Modewarenhandler endlich su ver- hindern sein, wie dies in Nord- amerika schon seit zwei Jahren verboten iat.

Als zus~ndige Beh6rden warden wohl im allgemeinen die Landrata- und Kreise~nter zu bezeichnen sein.

Museen und anderen wisseno schaftlichen Instituten, welche sich nicht auf eine engbegrel~zte 0rtlich- keit beschranken kSnnen, kann je- doch die Erlaubnis ad a auch yon hOherer Instanz gleich fQr ganze Provinzen oder 8taaten erteilt werden, aber immer unter Vorbehalt der Rechte der Grundbesitzer und Jagd- bereehtigten.

Damit mit diesen Verg~insti- gungen kein Missbrauch getrieben und die betrefl'enden BehSrden nicht durch Vorspiegelung falscher That-

458 Entwurf eines Yogelsehutzgesetzes for d~s Deutsche Reich.

c. sum Zwocke des Aussetzens fllr Wiodorbev01kerung bestimmter Ortli&koiton,

d. sum Absehuss zur Zoit lokal snhldlicher Y~gel, wie solehe in Liste 2 aufgeflihrt sind.

w Vorstohendo Bestimmnngen fin-

den keine Anwendung auf: a. das ganze Hausfedervieb, b. die in naehstehender Listo ais

sehasilich bezeiehneten VOgel. Jedoch sind die in ( ) g e -

scblossenen VOgel dort ,wo sic nistend vorkommen und nicht direkt lokal sch~lieh werden, als eine zum Tell aussterbende Zierde deutseher Walder yon den Forst- beamten in Schutz zu nehmen,

c. das Jagdgeflflgel mit Aussehluss aller Singv0gel.

Bez. w I b gilt dies auch flir das ausw&rtige Jagdgefl0gel, abet immer mit Ausschluss aller Singv0gel.

d. das Einsammeln yon Kiebitz- eiern bis 15. April und yon M0veneiern bis 15. Mai.

sachen go~uscht werden k0nnen, dfirflo os sieh empfehien, j~thrlich eino Listo der Dispensationen ada der Deuts&on Ornith. OoseUschafl, ad b, c und d dom Doutschen Yeroiu sum Schutzo dot Vogelwolt vorzulegen, um so diese wichtige Sacbe der Kenntnisnahme yon Sacho verst~tndigen zug~nglich zu machen. Eventuell k0nnton diese dann recbor- chiercn nnd sieh mit den betreffen- den Beh0rden in Verbindung sotzon.

Eine Liste der n~itzliehen VOgel halten wir nieht f~r angezeigt.

Als solche sind alle anzusehen, welche in der Liste der sehMlichen VOgel nicht enthalten sind.

Wenn die Verniehtung der seh~lichen VOgel mittelst Fallen gesebieht, so sind nur solebe Fallen zulassig, dureh welche die gefangenen VOgel nicbt vers~mmelt werden, um zufAllig gefangene niitzliehe VOgel wieder freigeben zu k0nnen.

Singv0gel, also s~mtliehe Dros- seln, sind aus der List~ des Jagd- geflflgels zu streichen.

Es ist allerdings anzustreben, dass dureh dieses Gesetz die Jagd- gesetze m0glichst unber0hrt bleiben. Die Drosselarten, vulgo Krammets- vogel, mfissen aber als Jagdgeflflgel gestxichen werden, da ihr Fangen unbedingt als schidlieh zu unter- sagen ist.

Sehr wflnschenswert w~re es ferner, wenn die Fr0bjahrs-Schnepfen- jagd, auf der wit nut unsere eigenen Brutschnepfen wegschiessen, all- gemein verboten, die Schonzeit der Enten bis Ende Juli ausgedehnt und die Wildtauben als Jagdgeflligel auf- genommen und ilmen eine gieiche

Entwurf einos Vogolschut~esetzos for dab Deutsche Reich. 459

w Katzen ausserbalb eingefriedig-

for GehOflo und in GclLtnden, wo sic der Vogeiwe|t schAdlich werdenkOuoen, untcfliegen dem freien Tierfang.

w Den LokalbehOrden bleibt es

anheimgesteHt~ zum Zwecke der Ansiedelung oder Erhaltung seltener Vogelarten tilt ihr Territorium ver- sch~trfende Sonderbesfimmungen zu geben.

Schonzeit wic dora Hasolwild, don W achtoln etc. zutoi! wltrdo.

Dazn w~tro in dora ,,Gosotz tiber dio Schonzoit des Wildes" yore 26. Fobruar 1870 uuter Nr. 9 ,,Juli" start Juni su sotzon, under Hr. 10 ,,Schnepfon" zu streichon und unter Nr. J2 hinter Wachteln ,,S�9 Wildtaubon ~' einzufOgen.

Der Zusatz ,boz. w I b gilt dies aueh flir ausw&rtiges Jigdgeflngel" ist nut doshalb notwendig, weil sonst fremdes Wild, wie z. B. Schneo- hiihner, welches, woil in Deutschland nicht vorkommend, bei uns nicht Jagdgofl0gel ist, nicbt eingof~brt und verkauft werdeu diir~.

Der gef~rlicbste Feiad der Vogelwelt ist die Katze, und ihr Schaden ist um so ~hlbarer, als sio bauptsaehlich dio VOgel und deren Bruten (Nachtigallen) in uuserer Umgebung veruiehtet.

Ale n/itzlieh kann eine Xatzo auch nur so lange betrachtet werden, als sic in ihrem eigcutlichen Wirkungs- kreis, Haus und Hof, verbleibt; so- bald sic dagegen im Garten den Y0geln nachstellt, finder sic keinen Gefallen mehr am MSusefaugen, wird aber bald welter scbwcifen, um dann auch in Wald und Feld den Y0gcln zur Geissel zu werden.

Somit erscheint uns nebeno stehender Paragraph in einem Vogei- schutzgesetz roll und ganz am Platze zu sein, wie sich Qbrigens ~hnliche Beatimmungen gegeu die Xatzen auch se.bou in den Vogelschut~- geaetzen anderer Staaten finden.

460 Eutwurf clues Vogelschutzgesetzes for das DeatDche ~ich.

Uste I.

8eh~tdliche VOgel.

Sperlinge, Haussperling, Feldsperiing,

Tagraubv0gel mit Ausschluss des Bussards und Tarmfalken, (Adler), (Falkon), Habichte, Weihen, (Uhu), (Xotk~be), Kr~hen, Elster,

Eichelhfther, (WUrger),

grosser grauer Wtirger, (rotkOpflgor WOrger), rotreckiger Wilrger,

Fischreiher, (Nachtreiher), Sager, Kormorane, (Seetaueher).

Sperlinge haJton wir ganz be- senders auch dadurch flit sch~llich, dass sic audere nli~ichc VOgel vertreiben. Ansiedelung tier nfitz- lichen H0hlenbrfltor mittolst Nist- k~stcn lmnu dureh die Sperliugc, besonders den Feldsperling, direkt vereitelt werdcn. Nach den Er. fahrangen auf den Versuehs-Stationeu des Freiherrn you Berlepsch zu Cassel daft der Grundsatz aufge- stellt werden: dass je naeh Ab- nahme der Sperlinge die Zunahme anderer VOgel steigt~

Der TannenhXther ist als nur seltener Gast nicht mit aafzunehmen.

Bussard, Tarmfalke, Weisser Storch, Schwarzdrossel (Amsel), Star, Eisvogel, Kirschkernbeisser, Gr~nling, Bach- and Bergfinken.

Lists 2, VOgel, welcbe zeiUich und lokal schAdlich werden k0nnen und deren Ab- schuss gemaas w 2d dutch die zustttndigen Beh0rden erlaubt werden darf.

Diese Lists halten wir flir er- forderlieh zur Orientierung fragl. Beh0rden.

Bussardt Turmfalke und Storch kSnnen mitunter jungen Fasanen und HiZhnern, ersterer im barren Winter auch anderem Wilde schAd- lich werden.

Es beruht dies auf schlechter, abet vererbbarer Angewotmheit ein- zelner Individuen.

Eine zu starke Vcrmehrung tier Amsel kann unter Umstanden sine Vermindcrung andcrer kleinen VOgel, speziell tier Nachtigall, zur Folge habcn. Aach habcn die Amseln

Eutwurf eJnes Vogekehut~geeetzes filr das Deutsche Reich. 461

in einzeinen Gegesiden die schlechte Gewohnhoit augenommeu, uackte lqestlinge anderer kleinen Y~el zu verspeiseu.

Der Eisvoffel kauu an Fisch- brutautalten sehfidlich werdeu,

der Star und Kirsehkernbeisser an Obst-, besondem Kirschplantagon und Weing~trten.

Grfluliug uud Fink kOnnen, zu grouch FlUgen vereint, an Samen- feldern Sehaden thuu.

Zur m o d e r n e n ~Taturbeschreibung. (Eine ~tgeguungaufDr. F. HenrioisAufsata imJ. f. Orn. 1901. p. 220ff.)

Von F r i t z Br&tm-Constantinopel.

Vor eiuigen Tagen erhielt ich durch die Liebenswttrdigkeit des Dr. Henrici, meines westpreussischen Landsmannes, seinen Aufsatz aus dem Aprilheft des Journals, in dem er meine Art der ~Taturauffassung, die ganze Richtung meiner ornithologischen Th.~tigkeit angreift. Desselben Inhalts ist auch sein gleichzeitiger Brief, den ich wohl ruhig zitieren darf, well er nicht private Sachen enthAlt, sondern wissenschaftlichen, polemischen Inhalt birgt.

~Tatflrlich waren mir beide, Brief wie Aufsatz, iiberaus will- kommen, zumal ich sogleich einsah, dass ihr Inhalt, um einen trivialen Ausdruck zu gebrauchen, Hand und Fuss hat, dass hier ein ernster Mensch flir ernste Dinge auftritt, well der Geist ihn treibt. Trotzdem war ich sogleich entschlossen, auch selber noch einmal zur Sache zu reden. Ich hoffe, dass diese Ent- gegnung zeigen wird, dass ich gern und freudig das anerkenne, was gegnerische Arbeit schaift und bietet.

Anregend zu wirken war stets der Hauptzweck meiner Thittigkeit und soil es auch filrderhin bleiben. Was schadet es, wenn einmal der eine Erker, der andere Giebel des Baus, zu dem sich menschliche Gedankenaxbeit zusammenfiigt, dem Sturm- bock des Angreifers nachgiebt. Sie haben dann ihren Zweck erfiillt, der neue Tag wird neuem Schaffen leuchten und neue Spuren der Zerst~rung beseitigen.