enantioselektive protonierungen: kinetische racematspaltung

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382 | Chemie in unserer Zeit | 36. Jahrgang 2002 | Nr. 6 Kinetische Racematspaltung Enantioselektive Protonierungen B ERND S CHÄFER z.B. durch die Deprotonierung von Carbonylverbindungen, die Addition von Metallorganylen an Ketene (1,2-Addition) oder an α,β-ungesättigte Carbonyl- und Carboxylverbin- dungen (1,4-Addition). Heteroatomnukleophil-Additionen an Ketene liefern ebenfalls Enolate. Diese sind Vorläufer vieler interessanter Stoffgruppen wie chirale Ketone, Ester, Carbonsäureamide, α-Aminosäuren oder α-Hydroxycar- bonsäuren (Abbildung 1). Das Konzept der enantioselektiven Protonierung ist aus zwei Gründen attraktiv: Erstens wird die enantiomerenrei- ne Säure nicht verbraucht und kann durch Reprotonierung, zum Teil sogar in situ, zurückgewonnen werden. Zweitens können Produkte nach einer racemischen Synthese nachträglich noch in eine enantiomerenreine Form umge- wandelt werden. Unter günstigen Umständen, kann die enantiomerenreine Säure auch in substöchiometrischen Mengen eingesetzt werden, was die Methode auch für in- dustrielle Anwendungen interessant macht. Für die enantioselektive Protonierung von prochiralen Enolaten, deren anionischer Teil kein Stereozentrum ent- hält, existieren prinzipiell folgende Vorgehensweisen (Ab- bildung 2): a) die Protonierung von Enolaten, die weder im anionischen noch im kationischen Teil ein Stereozentrum enthalten, durch enantiomerenreine Säuren Eine der modernsten und spannendsten Entwicklungen auf dem Gebiet der enantioselektiven Synthese ist die dynamische kinetische Racematspaltung durch stereoselektiven Wasser- stofftransfer. Hierunter fallen die enantioselektive Deprotonie- rung und die enantioselektive Protonierung. Im folgenden Beitrag liegt der Fokus auf der enantioselektiven Protonierung. E nantioselektive Protonierungen ließen sich vor allem an Enolaten erfolgreich durchführen. Grundbedingung dafür ist, dass das betreffende Enolat prochiral ist, d.h. in diesem Fall, dass dessen zu protonierendes C-Atom mit drei unterschiedlichen Substituenten, von denen keiner Was- serstoff sein darf, substituiert ist. Unter diesen Vorausset- zungen liefert die Protonierung des Enolatkohlenstoffs ein Stereozentrum. Eine „gewöhnliche“ Protonierung eines der- artigen Enolats erfolgt ohne Stereokontrolle. Das Protonie- rungsprodukt wird folglich racemisch erhalten, also als 1:1- Gemisch der beiden Enantiomeren. Dagegen liefern enan- tioselektive Protonierungen das Protonierungsprodukt enantiomerenangereichert bis enantiomerenrein. Die zur enantioselektiven Protonierung am häufigsten eingesetzten Enolate sind Ketonenolate, Esterenolate und Amidenolate. Diese sind auf vielfältige Weise zugänglich, Enolate können auf vielfältige Weise hergestellt werden und sind wertvolle Synthe- sebausteine für eine ganze Reihe von Stoffklassen. ABB. 1 | ENOLATE ENATIOMERENREINE VERBINDUNGEN | Syntheseziele in der modernen organischen Chemie sind häufig chirale Verbindungen in enantiomerenreiner Form. Die Synthese enantiomerenreiner Verbindungen beruht immer auf einem der folgenden Prinzipien: die Modifizierung von bequem enantiomerenrein verfügbaren Naturstoffen (d.h. von Substanzen aus dem „chiral pool“) die enantioselektive Synthese mit enantiomerenreinen Auxili- aren (kovalent an einen der Reaktanten gebunden und in stöchiometrischen Mengen eingesetzt), enantiomerenreinen Additiven (ebenfalls in stöchiometrischen Mengen eingesetzt, aber mit keinem Reaktanten kovalent verknüpft), enantiome- renreinen Katalysatoren (in substöchiometrischen Mengen eingesetzt und mit keinem der Reaktanten kovalent verknüpft) oder Mikroorganismen die kinetische Racematspaltung (engl. „kinetic resolution“) mit Enzymen oder Katalysatoren und deren besonders elegan- te Variante einer dynamischen kinetischen Racematspaltung (engl. „dynamic kinetic resolution“ oder „deracemization“)

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382 | Chemie in unserer Zeit | 36. Jahrgang 2002 | Nr. 6

Kinetische Racematspaltung

Enantioselektive ProtonierungenBERND SCHÄFER

z.B. durch die Deprotonierung von Carbonylverbindungen,die Addition von Metallorganylen an Ketene (1,2-Addition)oder an α,β-ungesättigte Carbonyl- und Carboxylverbin-dungen (1,4-Addition). Heteroatomnukleophil-Additionenan Ketene liefern ebenfalls Enolate. Diese sind Vorläufervieler interessanter Stoffgruppen wie chirale Ketone, Ester,Carbonsäureamide, α-Aminosäuren oder α-Hydroxycar-bonsäuren (Abbildung 1).

Das Konzept der enantioselektiven Protonierung ist auszwei Gründen attraktiv: Erstens wird die enantiomerenrei-ne Säure nicht verbraucht und kann durch Reprotonierung,zum Teil sogar in situ, zurückgewonnen werden. Zweitenskönnen Produkte nach einer racemischen Synthesenachträglich noch in eine enantiomerenreine Form umge-wandelt werden. Unter günstigen Umständen, kann dieenantiomerenreine Säure auch in substöchiometrischenMengen eingesetzt werden, was die Methode auch für in-dustrielle Anwendungen interessant macht.

Für die enantioselektive Protonierung von prochiralenEnolaten, deren anionischer Teil kein Stereozentrum ent-hält, existieren prinzipiell folgende Vorgehensweisen (Ab-bildung 2):a) die Protonierung von Enolaten, die weder im anionischen

noch im kationischen Teil ein Stereozentrum enthalten,durch enantiomerenreine Säuren

Eine der modernsten und spannendsten Entwicklungen aufdem Gebiet der enantioselektiven Synthese ist die dynamischekinetische Racematspaltung durch stereoselektiven Wasser-stofftransfer. Hierunter fallen die enantioselektive Deprotonie-rung und die enantioselektive Protonierung. Im folgenden Beitrag liegt der Fokus auf der enantioselektiven Protonierung.

Enantioselektive Protonierungen ließen sich vor alleman Enolaten erfolgreich durchführen. Grundbedingung

dafür ist, dass das betreffende Enolat prochiral ist, d.h. indiesem Fall, dass dessen zu protonierendes C-Atom mit dreiunterschiedlichen Substituenten, von denen keiner Was-serstoff sein darf, substituiert ist. Unter diesen Vorausset-zungen liefert die Protonierung des Enolatkohlenstoffs einStereozentrum. Eine „gewöhnliche“ Protonierung eines der-artigen Enolats erfolgt ohne Stereokontrolle. Das Protonie-rungsprodukt wird folglich racemisch erhalten, also als 1:1-Gemisch der beiden Enantiomeren. Dagegen liefern enan-tioselektive Protonierungen das Protonierungsproduktenantiomerenangereichert bis enantiomerenrein.

Die zur enantioselektiven Protonierung am häufigsteneingesetzten Enolate sind Ketonenolate, Esterenolate undAmidenolate. Diese sind auf vielfältige Weise zugänglich,

Enolate könnenauf vielfältigeWeise hergestelltwerden und sindwertvolle Synthe-sebausteine für eine ganze Reihevon Stoffklassen.

A B B . 1 | E N O L AT E E N AT I O M E R E N R E I N E V E R B I N D U N G E N |Syntheseziele in der modernen organischen Chemie sind häufigchirale Verbindungen in enantiomerenreiner Form. Die Syntheseenantiomerenreiner Verbindungen beruht immer auf einem derfolgenden Prinzipien:– die Modifizierung von bequem enantiomerenrein verfügbaren

Naturstoffen (d.h. von Substanzen aus dem „chiral pool“)– die enantioselektive Synthese mit enantiomerenreinen Auxili-

aren (kovalent an einen der Reaktanten gebunden und instöchiometrischen Mengen eingesetzt), enantiomerenreinenAdditiven (ebenfalls in stöchiometrischen Mengen eingesetzt,aber mit keinem Reaktanten kovalent verknüpft), enantiome-renreinen Katalysatoren (in substöchiometrischen Mengeneingesetzt und mit keinem der Reaktanten kovalent verknüpft)oder Mikroorganismen

– die kinetische Racematspaltung (engl. „kinetic resolution“)mit Enzymen oder Katalysatoren und deren besonders elegan-te Variante einer dynamischen kinetischen Racematspaltung(engl. „dynamic kinetic resolution“ oder „deracemization“)

Nr. 6 | 36. Jahrgang 2002 | Chemie in unserer Zeit | 383

K I N E T I S C H E R A C E M A T S P A LT U N G | O RG A N I S C H E S Y N T H E S E

ABB. 2 | PRINZIPIELLE WEGE DER ENANTIOSELEKTIVEN PROTONIERUNG VON KETON-, ESTER- UND AMIDENOLATEN(H-X* für enantio-merenreine Broen-stedsäuren, H-Xfür achirale Broen-stedsäuren, ML*n

für ein Metall mitmindestens einemenantiomerenrei-nen Liganden, MLn

für ein Metall mitachiralen Ligan-den. Linke Spalte:Protonierung vonEnolaten, worin dieEnolat-Doppelbin-dung durch eine E-Stellung von Oδδ -

und Rgroß ausge-zeichnet ist; rechteSpalte: Protonie-rung von Enolaten,worin die Enelat-Doppelbindungdurch eine Z-Stel-lung von Oδδ - undRgroß ausgezeichnetist. Zeile a: Proto-nierung eines pro-chiralen Enolatsmit einer chiralenSäure; Zeile b: Pro-tonierung des Eno-latkohlenstoffs eines chiralen Eno-lats mit einer achi-ralen Säure; Zeile c:intramolekulareProtonierung einesEnolats durch eineenantiomerenreineSäure im kationi-schen Teil; Zeile d:intramolekulareProtonierung einesEnolats durch eineachirale Säure miteinem Asymme-triezentrum im ka-tionischen Teil. DieKonfiguration desStereozentrums,das aus dem Eno-latkohlenstoff her-vorgeht, ist in derCahn-Ingold-Pre-log-Nomenklaturals R oder S kennt-lich gemacht (Zähl-weise für R / S undE / Z: Rgroß > Rklein >Rest).)

384 | Chemie in unserer Zeit | 36. Jahrgang 2002 | Nr. 6

b) die Protonierung von Enolaten, die im kationischen Teilein Stereozentrum enthalten, durch achirale Säuren

c) die intramolekulare Protonierung von Enolaten, die imkationischen Teil eine enantiomerenreine Säure enthal-ten

d) die intramolekulare Protonierung von Enolaten, die imkationischen Teil ein Stereozentrum enthalten durch ei-ne achirale SäureWelche dieser Protonierungsmöglichkeiten bei einer

spezifischen Enolat/Gegenion/Säure-Kombination konkretabläuft bzw. ob in Einzelfällen sogar mehrere Protonie-rungsprozesse parallel ablaufen, ist meist unbekannt. Ge-nerell muss man immer mit reversiblen Protonenaus-tauschreaktionen rechnen, die dem irreversiblen enantios-elektiven Protonierungsschritt vorgelagert sind.

Die enantioselektive Protonierung wird von einigenRandbedingungen entscheidend beeinflusst:● Protonenaustauschreaktionen zwischen elektronegati-

ven Atomen sind oft sehr schnell und damit diffusions-kontrolliert. Die lokalen Konzentrationsverhältnisse,und damit thermodynamische Größen, bestimmen dasReaktionsgeschehen.

● Enantioselektive Protonierungen können jedoch nur ki-netisch kontrolliert sein. Da die Standardbildungsen-thalpie ∆G# für zwei Enantiomere jeweils gleich ist,führt die thermodynamische Kontrolle zum racemi-schen Produkt.

● Eine bedeutende Nebenreaktion ist die Protonierungdes Enolatsauerstoffs. Über das Keto/Enol-Gleichge-wicht entstehen dann in der Regel racemische Produk-te. Es gibt jedoch Ausnahmen.

● Die Protonierung wird oft entscheidend von schwer

überschaubaren Verhältnissen der Solvatation, Aggre-gation und Komplexierung beeinflusst.Durch die (relativ geringe) Acidität der enantiomeren-

reinen Säure, die Verwendung chelatisierender oder ste-risch anspruchsvoller Basen, die Konzentrationsverhältnis-se und die Reaktionstemperatur können viele dieser Aspek-te berücksichtigt werden.

PionierarbeitenDie folgenden Abschnitte beschreiben wesentliche Meilen-steine [1–6] und legen einen Schwerpunkt auf die metho-dischen Aspekte.

Die Pionierarbeiten aus den späten 70er Jahren und viele konzeptionelle Überlegungen stammen von Duhamel[7]. Er protonierte Lithiumenolate von Aminosäuren mitWeinsäurederivaten und erzielte Enantiomerenüberschüs-se bis 70% ee (Abbildung 3a). Von besonderer Bedeutunghierbei war die Erkenntnis, dass das bei der Deprotonierungmit Amid-Basen frei werdende Amin 2 die anschließendeenantioselektive Protonierung durch Komplexierungs-gleichgewichte mit Li-1 beeinflussen kann.

Stöchiometrische enantioselektive Protonierungcyclischer Enolate

In Kenntnis der Duhamelschen Arbeiten wählte Hünig cyc-lische Derivate der Mandelsäure, um die Problematik derE/Z-Enolate zu vermeiden. Allerdings ließen sich die Er-gebnisse von Duhamel nicht übertragen. Erst ein sehr um-fangreiches Screening der Reaktionsbedingungen ein-schließlich der Säuren und Basen lieferten bessere Ergeb-nisse [8]. Auf Arbeiten von Seebach und anderen aufbauend,führte Hünig enantioselektive Protonierungen unter Amin-freien Bedingungen durch, in dem er zunächst den Trime-thylsilylether Si-4 isolierte und aus diesem wieder dasLithiumenolat Li-4 freisetzte (Abbildung 3b) Unter diesenklar definierten Reaktionsbedingungen gelang es, durchenantioselektive Protonierung mit Milchsäurederivaten wie5 einen Enantiomerenüberschuss von 54% zu erzielen.

Lithiumhexamethyldisilazid macht hinsichtlich der Kom-plexierung jedoch eine Ausnahme. Hexamethyldisilazanbildet keinen stabilen Komplex mit Lithium und ist deswe-gen nicht an der Reprotonierung beteiligt. Der Enantiome-renüberschuss der Protonierung kann durch das Kation derBase oder durch Komplex–bildende Zusätze, wie Titan-tetraalkoholate, ebenso beeinflusst werden, wie durch diedie Aggregation der Lithiumenolat-Komplexe beeinflussen-den Zusätze von Lithiumchlorid. Große Bedeutung habenauch das Lösungsmittel selbst und bei Gemischen derenZusammensetzung.

Rebek untersuchte den sterischen Einfluss der Proto-nenquelle. Die Arbeitshypothese war, den Enantiomeren-überschuss deutlich zu verbessern, indem das acide Protonder Säure in eine asymmetrische Umgebung eingebettetwird [9]. Ausgehend von Kemps Trisäure und (R)-(1-Naph-thyl)-ethylamin konstruierte Rebek chirale Protonenquel-len wie z.B. 7. Die Protonierung erfolgt quasi intramole-

A B B . 3 KO N Z E P T I O N E L L E A R B E I T E N VO N D U H A M E L ( a )U N D H Ü N I N G ( b )

a:

b:

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K I N E T I S C H E R A C E M A T S P A LT U N G | O RG A N I S C H E S Y N T H E S E

kular bei einer sehr begrenzten Anzahl möglicher Konfor-mationen, (Abbildung 4b).

In Analogie zum Motiv der chiralen Säure von Rebekentwickelte Yamamoto ein chirales Oxazolin 9. [10] DieKonformation ist noch rigider, da das Lithiumion im Ge-gensatz zu Rebeks Additiv chelatisiert wird.

Eine bedeutende Erweiterung der Methodik ist dieenantioselektive Protonierung unter sauren Bedingungenvon Silylenolethern (Abbildung 5) [11]. Wenn die C–Proto-nierung gegenüber der O–Protonierung bevorzugt ist oderdie Keto-Enol–Tautomerie unter dem Einfluss des chiralenLiganden erfolgt, sollten auch enantioselektive Protonie-rungen mit enantiomerenreinen Säuren direkt aus den pro-chiralen Silylenolethern möglich sein. Um dies zu gewähr-leisten, benutzte Yamamoto Lewis–Säure–assistierte chira-le Broensted-Säuren [12]. Sie entstehen in situ aus (R)-BI-NOL und Zinntetrachlorid. Hiermit ließ sich z.B. (S)-2-Phenylcyclohexanon mit hoher Enantiomerenreinheit her-stellen.

Quasi das natürliche Vorbild für Yamamotos Arbeiten istdie enantioselektive Protonierung von Enolestern in der hy-drophoben, chiralen Tasche von Enzymen. Das Reaktions-medium ist wässriger Phosphatpuffer pH = 6.5. Otha konn-te für eine Reihe prochiraler, cyclischer Enolester mit ver-schiedenen Substituenten zeigen, dass diese in guten che-mischen Ausbeuten und hoher Enantiomerenreinheit mit einem Enzym aus Yamadajima farinosa, Hefe enantiose-lektiv protoniert werden können (Abbildung 6) [13].

Stöchiometrische enantioselektive Protonierungacyclischer Enolate

Ein bis dahin ungelöstes Problem war die Kontrolle der E/Z-Enolat-Konfiguration. Duhamel benutzte α-funktionalisierteCarbonylverbindungen mit chelatisierenden Eigenschaften;Hünig, Rebek und Yamamoto wichen auf cyclische Syste-me mit festgelegter Geometrie aus. Fehr löste diese Aufga-be bei der enantioselektiven Protonierung der Damascone,indem er Derivate des Ephedrins als enantiomerenreine Pro-tonenquelle auswählte mit der Überlegung, dass diese elek-tronenreiche, koordinierende oder chelatisierende Grup-pen enthalten, die die konformative Beweglichkeit ein-schränken. Zudem befindet sich das acide Proton in der un-mittelbaren Nähe des stereogenen Zentrums. Die Tatsache,dass beide Enantiomere einfach zugänglich sind, hatte wei-tere praktische Vorteile.

Die Bedeutung der Kontrolle der E/Z–Enolat–Geometriefür die enantioselektive Protonierung zeigte eine Modellre-aktion. Die enantioselektive Protonierung des E- und Z-Li-thiumenolats von n-Butyl-(2.6.6-trimethyl-2-cyclohexenyl)-keton Li-19 erfolgte mit gleicher Stereopräferenz, aber deut-lich unterschiedlicher Enantioseitendifferenzierung, d.h. inbeiden Fällen wird das S-konfiguierte Keton erhalten, je-doch mit unterschiedlich hoher Enantioselektivität (Abbil-dung 7).

Das folgende Beispiel zeigt allerdings auch, dass die Ag-gregation von Lithium- und Magnesiumalkoholaten für die

A B B . 4 | S T E R I S C H E R E I N F LU S S D E R PROTO N E N Q U E L L E

A B B . 5 | E RW E I T E R U N G D E R M E T H O D I K

Rebek (a) und Yamamoto (b) entwickelten ausgehend von Kemps Trisäure chiraleProtonenquellen und untersuchten hiermit den sterischen Einfluss auf die enantio-selektive Protonierung.

A B B . 6 | E N Z Y M AT I S C H E , E N A N T I OS E L E K T I V E PROTO N I E R U N G

EnantioselektiveProtonierung vonSilylenolethernunter sauren Bedingungen.

Edukt Produkt R1 R2 Ausbeute % ee Konfiguration13 (S) – 13 Me Me 79 90 S

14 (S) – 14 Et Me 78 92 S

15 (S) – 15 Et iPr 78 86 S

16 (S) – 16 Me n-Hept 77 87 S

17 (R) – 17 Et Allyl 92 77 R

18 (R) – 18 Me Bn 75 84 R

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enantioselektive Protonierung eine entscheidende Rollespielt. Ausgangspunkt der Synthese von α-Damascon 24 istCyclogeraniumsäuremethylester 21, der mit einer starken Li-thiumbase zum Keten 22 zersetzt und anschließend ohneAufarbeitung mit Allylmagnesiumchlorid umgesetzt wird(Abbildung 8). Das Ketonenolat Mg,Li-23 wurde hierbei ineinem E/Z – Verhältnis von 9:1 erhalten. Die Protonierungmit (-)-Isopropylephedrin 20 bei –50 bis –10 °C ergab ei-nen Enantiomerenüberschuss an (S)-α-Damascon (S)-24 von70% ee. Unter sauren Reaktionsbedingungen oder an Alu-miniumoxid isomerisiert die terminale Doppelbindung, ohne dass Racemisierung auftritt (Abbildung 8a).

A B B . 7 | E I N F LU S S D E R E N O L ATG EO M E T R I E

A B B . 8 | E I N F LU S S D E R AG G R EG AT I O N

A B B . 9 | K ATA LY T I S C H E , E N A N T I OS E L E K T I V E PROTO N I E R U N G

Die enantioselek-tive Protonierungdes (E) – und (Z) –Lithiumenolatserfolgte mit glei-cher Stereopräfe-renz, aber deut-lich unterschied-licher Enantio-seitendifferenzie-rung.

Die Synthese von(S)-αα-Damascondurch enantiose-lektive Protonie-rung eines acycli-schen Enolats.Der kationischeTeil der Enolat-komplexe hatentscheidendenEinfluss auf dieSelektivität derProtonierung.

Katalytische,enantioselektiveProtonierung ei-nes acyclischenEnolats. a: DasPrimärprodukt23 ist ausrei-chend azide zurReprotonierungvon Li-20. b: Istdies nicht derFall, kann zur Reprotonierungeine achirale Säure, z.B. Phe-nylaceton, zu-gesetzt werden.

a)

b)

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Dagegen liefert die Umsetzung des alkoxidfreien Ketensvon Cyclogeraniumsäure Mg-23 (hergestellt aus Cyclogera-niumsäurechlorid 25 und Triethylamin) mit Allylmagnesi-umchlorid und Protonierung mit (-)-Isopropylephedrin 20überraschend (R)-α-Damascon (R)-24 mit einem Enantio-merenüberschuss von 16% ee (Abbildung 8b).

Die Zugabe von einem Äquivalent Lithiummethanolatergab wieder (S)-α-Damascon (S)-24 mit 70% ee. Gibt manstatt Lithiummethanolat das Lithiumsalz von (-)-Isopropyl-ephedrin Li-20 zu und protoniert mit (-)-Isopropylephedrin20, erhält man (S)-α-Damascon (S)-24 in Ausbeuten von82% und einem Enantiomerenüberschuss von 84% (Abbil-dung 8c). Durch Umkristallisation konnte der ee-Wert auf99% erhöht werden. Später fand man, dass ohne nennens-werten Verlust an Enantioselektivität (79% ee) die chiraleLithiumbase durch Lithium-tert.-butanolat ersetzt und dieTemperatur auf 0 °C erhöht werden kann.

Katalytische Protonierung von EnolatenDie katalytische, enantioselektive Protonierung entdeckteman bei Studien des Einflusses der E/Z–Selektivität des Eno-lats auf die Enantioselektivität.[14] Alkoxidfreies, hoch E–an-gereichertes Enolat (98 : 2) Li-23 erhält man nach der Grig-nard–Reaktion durch Zugabe von Chlortrimethylsilan, frak-tionierender Destillation und Umsetzung mit Methyllithi-um. 0.2 bis 0.3 Äquivalente (-)-Isopropylephedrin (20) rei-chen für die enantioselektive Protonierung aus, weil Li-20durch den α-Allylwasserstoff rückprotoniert wird. (S)-α-Da-mascon (S)-24 wird nach Protolyse in 86%iger Ausbeuteund einem Enantiomerenüberschuss von 93% erhalten (Ab-bildung 9a).

Dies ist wohl die einfachste und eleganteste Synthesevon (S)-α-Damascon (S)-24 und das erste Beispiel, bei demdie asymmetrische Protonierung zur Herstellung einerenantiomerenreinen Verbindung im technischen Maßstabeingesetzt wird. [15] Die katalytische, enantioselektive Pro-tonierung des in der Seitenkette gesättigten Ketons 19 ge-lingt aufgrund der geringeren Acidität des α–Wasserstoffserwartungsgemäß nicht. Allerdings ist der Zusatz zusätzli-cher achiraler Protonenquellen, wie Phenylaceton, erfolg-reich (Abbildung 9b).

Erweiterung der MethodikDie Derivate der Cyclogeraniumsäure sind wichtige Zwi-schenprodukte für die Riechstoff- und Pharmaindustrie. DieAnwendung der Methodik von Fehr auf den α-Cyclogera-niumsäuremethylester 21 erbrachte bei Versuchen mitstöchiometrischen Mengen an Isopropylephedrin 20 mit36% ee zunächst ein enttäuschendes Ergebnis. Ursache fürdie ungenügende Enantioseitendifferenzierung sind ver-mutlich die geringen Strukturunterschiede von OMe undOLi und die zu rasche Protonierung infolge der höherenBasizität des Esterenolats. Tatsächlich lieferte der Phenyle-ster einen höheren Enantiomerenüberschuss (77% ee) undder acidere Phenylthioester 26 übertraf mit 99% ee alle bis-herigen Ergebnisse [6].

26 kann auch katalytisch enantioselektiv protoniert wer-den, wenn man als achirale Protonenquelle Phenylacetonzugibt. Der Enantiomerenüberschuss liegt dann bei 98%(Abbildung 10a).

Die Erkenntnis, dass die Lithiumenolate der Thio-phenylester oberhalb –80 °C instabil sind und unter Ab-spaltung von Lithiumthiophenylat mit dem entsprechendenKeten im Gleichgewicht vorliegen, erweiterte das Metho-denrepertoire erheblich. In Anlehnung an Arbeiten von Pra-ceus aus den 60er Jahren kann das Keten der α-Cyclogera-niumsäure 22 mit p-Chlorthiophenol und katalytischenMengen des Lithiumsalzes von (-)-Isopropylephedrin bei–27 °C umgesetzt werden (Abbildung 10b). [16] Wichtigfür den Erfolg der Reaktion ist die langsame Dosierung des p-Chlorthiophenols. Die Konzentration muss gegenüber (–)-Isopropylephedrin klein sein, um eine stereounselekti-ve Protonierung des Enolats zu vermeiden.

Eine der bis hierhin noch ungeklärten Fragen ist dienach der optimalen Acidität der enantiomerenreinen Säure.

A B B . 1 0 | V E RW E N D U N G VO N T H I O E S T E R

Die Verwendung von Thioester erweiterte die Methodik. a: Bei –100 °°C erbrachtedie enantioselektive, katalytische Protonierung von Li-26 hervorragende Ergebnis-se. b: oberhalb von – 80 °°C entsteht das Keten durch Abspaltung von Lithiumthio-phenylat. Dieses liegt im Gleichgewicht mit Li-27, das enantioselektiv durch sub-stöchiometrische Mengen 20 protoniert wird. Die Rückprotonierung erfolgt mitstöchiometrischen Mengen p-Chlorthiophenol, die langsam zudosiert werden.

a)

b)

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Vedejs hat hierzu am Beispiel der enantioselektiven Proto-nierung von Naproxendiisopropylamid grundlegende Ar-beiten geleistet [17]. Eine stark exotherme α–C–Protonie-rung ist unselektiv, insbesondere wenn sie diffusionskon-trolliert ist. Allerdings muss die Säure für ein gegebenesEnolat ausreichende Acidität besitzen, um eine irreversibleProtonierung sicherzustellen. Ist die Protonierung rever-sibel, besteht die Gefahr der Racemisierung.

Einflussgrößen sind die Thermodynamik und die Kine-tik der Protonenübertragung [18]. Der pKs–Wert von Na-proxendiisopropylamid 28 in DMSO liegt bei 31. Für dieenantioselektive Protonierung benutzte Vedejs verschiede-ne Derivate des 1-Phenyltetrahydroisochinolins 29a–f, de-

ren pKs-Werte er anhand der zugrundeliegenden Aniline ab-schätzte (Abbildung 11).

Unter der Annahme, dass der Lösungsmittel–Einflussauf ∆pKs = ∆pKs(Enol)-∆pKs(enantiomerenreine Säure) relativ klein ist, erhält man hervorragende Enantioselekti-vitäten bei einem ∆pKs-Wert von 3 bis 5. Leider fehlen invielen Fällen Vergleichsdaten. Eine Vorauswahl der idealenSäure fällt deshalb noch schwer, aber es bleibt zu hoffen,dass systematische Untersuchungen und quantenmechani-sche Berechnungen Abhilfe aus dieser Misere schaffen (Ab-bildung 11a). Erfreulich ist, dass die beste, auch käuflich er-hältliche, enantiomerenreine Säure aus obigem Beispielauch in einer Reihe chiraler Amide mit großem Erfolg ein-gesetzt werden konnte (Abbildung 11 b) [19].

Zusammenfassung und AusblickMit den enantioselektiven Protonierungen ist ein neues Kapi-tel im Buch der asymmetrischen Synthesen aufgeschlagen.Duhamel und Hünig erarbeiteten die Grundlagen: Sie er-kannten grundlegende Einflussgrößen wie die deprotonie-rende Base und die protonierende Säure. Das Lösungsmittelund die Reaktionstemperatur beeinflussen das Resultat eben-so wie komplexbildende Zusätze oder Aggregationsphä-nomene der Lithiumsalze. Rebek konstruierte protonierendechirale Additive. Yamamoto erweiterte das Konzept durch dieLewis-Säure-assistierte, enantioselektive Protonierung mitZinn–Komplexen des Binaphthols. Eine besondere Form derenantioselektiven Protonierung ist die von Otha. In einer hy-drophoben, chiralen Tasche eines Enzyms können Enolesterenantioselektiv protoniert werden. Fehr untersuchte den Ein-fluss der E/Z–Stereochemie der lithiierten Spezies und fand inIsopropylephedrin eine leicht zugängliche, enantiomerenrei-ne Säure, mit der es gelingt, auch offenkettige Enolate mitguter Stereoselektivität zu protonieren. Die katalytische Vari-ante dieser Methode erlaubt es, den Rosenriechstoff Damas-con im technischen Maßstab herzustellen. Auch andere Zwi-schenprodukte der Riechstoffindustrie wie Cyclogeranium-säure oder Pharmawirkstoffe wie Naproxen sind inzwischennach diesen Methoden in enantiomerenreiner Form zugäng-lich.

Die Faszination des Arbeitsgebietes, die Simplizität des Prin-zips und der technische Nutzen, der sich daraus ergibt, dassman Racemate auch nachträglich quantitativ in ein Enantio-mer überführen kann, machen eine baldige breite Anwen-dung sehr wahrscheinlich.

SummaryAsymmetric protonation is a new and fascinating method forthe synthesis of enantiomeric pure compounds. Starting formthe early beginnings of the contributions of Duhamel andHünig, Fehr, Yamamoto and other researchers developed abroad variety of methods for the enantioselective protona-tion of cyclic and acyclic enolates. Protonations with a cat-alytic amount of an enantiopure acid led to first industrialapplications of this method, e.g. the enantioselective synthe-sis of (S)-α–damascone.

A B B . 1 1 | O P T I M I E R U N G D E R AC I D I T Ä T

Thermodynamik und Kinetik beeinflussendie enantioselektive Protonierung. a: Durch Variation der Acidität der chiralenSäure relativ zur Basizität des Enolats kannder Enantiomerenüberschuss optimiertwerden. b: Der strukturelle Einfluss des Enolats aufdie Protonierung ist gering.

Säure X pKs (MSO) % ee1 29a H 29,0 90

2 29b Cl 27,7 97

3 29c CF3 25,3 93

4 29d COOEt 24,8 40

5 29e Ts 23,3 37

6 29f NO2 19,3 0

R % ee

1 97

2 95

3 97

4 95

5 97

6 95

a)

b)

Nr. 6 | 36. Jahrgang 2002 | Chemie in unserer Zeit | 389

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SchlagworteDeracemisierung, Enolate, enantioselektive Protonierung,enantioselektive Synthese

Literatur[1] L. Duhamel, P. Duhamel, J.-C. Launay und J.-C. Plaquevent, Bull. Soc.

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2175.

Der AutorBernd Schäfer, geboren 1960. Studium der Chemiein Kaiserslautern, Diplom- und Doktorarbeit amMax-Planck-Institut für Kohlenforschung inMühlheim/Ruhr. 1988 Promotion über stereoselek-tive Cycloadditionen. Seit 1988 ist er als Laborleiterin der Forschung der BASF AG für die BereichePflanzenschutz, Pharma und Feinchemie tätig. SeineForschungsinteressen liegen auf dem Gebiet derNaturstoffe, der Katalyse und der enatioselektivenSynthese.

Korrespondenzadresse:Dr. Bernd SchäferHautpstraße 22, 76889 DierbachE-mail: [email protected]

G LOSSA R |Aggregation: Jegliche Art von räumlicher An-häufung oder Ansammlung von Atomen oder Molekülen durch Kohäsion, bei gleichartigen Molekülen auch als Assoziation bezeichnet.

Cis/trans-System: Veraltetes Nomenklatursys-tem zur Bezeichnung der Lage zweier vicinalerSubstituenten relativ zueinander. Befinden sich diebeiden Substituenten auf der gleichen Seite derDoppelbindung, so bezeichnet man dieses Sub-stitutionsmuster als cis, im anderen Fall als trans.

Enantiomerenüberschuss: Der Enantiome-renüberschuss in Prozent errechnet sich in einemGemisch von Enantiomeren aus der Differenz dividiert durch die Summe der Konzentration derEnantiomeren multipliziert mit 100.

Enolatkomplexe: Durch Deprotonierung von Enolen entstehen Enolate, die mit MetallionenKomplexe bilden.

E/Z-System: Da bei Alkenen die freie Drehbarkeitum die Doppelbindung aufgehoben ist, beobach-

tet man zwei Stereoisomere, die nach den Sequenzregeln von Cahn, Ingold u. Prelog als (E)- u. (Z)-Isomere bezeichnet werden. Dabei sind dieSubstituenten nach absteigender Priorität ange-ordnet; das (Z)-Isomere besitzt beide Substituen-ten höherer Priorität auf der gleichen Seite derDoppelbindung.

Keto/Enol-Gleichgewicht: Eine in der organi-schen Chemie häufige Form der Tautomerie, beider Ketone mit den isomeren Enolen im tautome-ren Gleichgewicht stehen. Da gesättigte Ketone imallgemeinen energetisch gegenüber ihren Enolenbegünstigt sind (ca. 63 kJ/mol), kann man diespontane Keto/Enol-Tautomerie nur bei solchenKetonen beobachten, bei denen die durch Enolisie-rung entstehende Doppelbindung resonanzstabili-siert ist; eine weitere Stabilisierung der Enol-Formkann durch intramolekulare Wasserstoff-Brücken-bindungen erfolgen.

Prochiralität: Ein prochirales Zentrum hat im all-gemeinen Fall von Kohlenstoffverbindungen drei-erlei verschiedene Substituenten (Liganden). Einenweiteren Fall von Prochiralität findet man bei sp2-hybridisierten Zentren mit drei verschiedenen Sub-stituenten.

Re/Si-System: Ein prochirales Zentrum ist vonzwei enantiotopen Halbräumen umgeben, derenBezeichnung analog dem Cahn-Ingold-Prelog-System erfolgt. Ist die Abfolge der Substituenten ineinem Halbraum im Uhrzeigersinn, bezeichnetman ihn als Re, im entgegengesetzten Fall als Si.

R/S-System (Cahn-Ingold-Prelog-System,CIP-System): Zur Nomenklatur der absolutenKonfiguration eines Asymmetriezentrums benutztman entsprechend des Cahn-Ingold-Prelog-Sys-tems die Symbole (R)- (von lat.: rectus = rechts)und (S)- (von lat.: sinister = links). Bei der Zuord-nung werden die vier Substituenten am asymme-trischen Atom (Chiralitätszentrum) so geordnet,dass eine Prioritätsfolge eintritt: Substituenten mitHeteroatom haben Vorrang gegenüber solchenmit C-Resten, und innerhalb der C-Reste haben diegrößeren Vorrang vor den kleineren. Wird ein drei-dimensionales tetraedrisches Modell dieser Verbin-dung von derjenigen Seite betrachtet, die ent-gegengesetzt zum rangniedrigsten Substituentenliegt, so wird die Sequenz der drei übrigen Substi-tuenten vom höchsten zum niedrigsten Rang festgestellt. Folgt diese dem Uhrzeigersinn, so erhält der optische Antipode das Zeichen R, ist sieentgegengesetzt, so erhält er das Zeichen S.

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