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Eine unendliche Geschichte – deutsche Orthographiereformen
Hauptseminar: Computerlinguistische Probleme bei der Digitalisierung historischer Texte
Dozent: Dr. Christoph Ringlstetter Prof. Klaus U. SchulzDatum: 01.06.2010Referenten: Yan Yao
dat sagetun mi usere liuti
alte anti frote, dea erhina varun
dat hiltibrant haetti min fater
ih heittu hadubrant ...
----Hildebrand(s)lied
Das sagten mir unsere Leute
alte und erfahrene, die vordem waren
dass Hildebrant mein Vater hiess
ich heisse Hadubrant ...
Die Herausforderung bei den Erkennung der historischen Texten
Die Quellen der historischen Texten sind in verschiedenen Sprachen und verschiedenen historischen Sprachstufen verfasst .
Den historischen Texten liegt noch keine einheitliche Orthografie zugrunde, so dass ein Wort in einer Vielzahl von Schreibvarianten auftritt, auch innerhalb eines Textes.
Orthograhpie
Orthographie: eine normierte Schreibung(Rechtschreibung)
Die Orthographie als Norm der Schreibung bezieht sich auf die in einem bestimmten Zeitabschnitt in einer Gemeinschaft allgemein anerkannten und verbindlichen Möglichkeiten der graphischen Realisierung der Sprache sowie die entsprechenden Formen in der schriftlichen Kommunikation.
Geschichte und grammatische Merkmal der Orthographiereformen
Vor 1901 gab es nur einige Beschreibungen orthographischer Prinzipien.
Erste staatliche Normierungen wurden durch Konrad Duden 1880 eingeführt.
Die Normierung fürs Deutsche gabt es erst seit 1901.
Die Normierung von 1902 galt bis zur Reform 1998, welche eine öffentliche Debatte auslöste.
Die Erneuerung von 1998 wurden 2004 und 2006 nochmals in einigen Punkten überarbeitet.
Althochdeutsch:
Im Althochdeutschen existiert jedoch noch keine Regelung der Orthographie.
Mittelhochdeutsch:
Im Mittelhochdeutschen ist die Orthographie noch nicht offiziell geregelt.
Eine orthographische Neuerung: die Schreibweise von <f> als <v>. Im Anlaut und im Inlaut zwischen Vokalen steht meist [v], z.B. vinden, âventiure.
Frühneuhochdeutsch:
Zur Verbreitung einer hochdeutschen Schriftsprache kam es ab 1522 durch die deutsche Bibelübersetzung von Martin Luther.
Trotzdem führen sie keineswegs zu einer absoluten Vereinheitlichung der Schreibung.
Neuhochdeutsch:Im 17. und 18. Jh. : einzelner GelehrterIm 19. Jh.: die Schulbehörde und der Staat
Wichtigste Orthographietheoretiker:
Justus Georg Schottel (17. Jh.)
Interpunktion: die Virgel immer mehr zurücktrat. Vier Hauptzeichen waren gebräuchlich: Punkt, Doppelpunkt, Komma, Semikolon.
Phonem-Graphem- Beziehungen:
die Differenzierung von <u> und <v>, <i> und <j> ;
die Eliminierung von <w> in der Schreibung von Diphthongen mit <u> (z.B. Frauw);
die Vermeidung der „stummen“ Grapheme <b> und <p> nach <m> (z.B. warumb);
eine Ausbreitung des Dehnungs-h
Hieronymus Freyer (18. Jh.):
„Anweisung zur Teutschen Orthographie (1722)“ : das „einflussreichste Deutsch-Schulbuch“ in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
Orthographische Prinzipien:
(1) phonologisches Prinzip: Alle gesprochenen Laute sind zu schreiben (Ewigkeit statt Ewikeit); nicht gesprochene Laute sind nicht zu schreiben (warum statt warumb); Laute sind so zu schreiben, wie sie gesprochen werden (Geburt statt Gepurt)
(2) morphologisches Prinzip: Erhalt der Stammschreibung bei Flexion, Komposition usw. (färben statt ferben wegen Farbe, Leumund statt Läymund wegen verleumden)(3) .Analogie.: Ähnliche Wörter sind einheitlich zu schreiben (Gewinst statt Gewinnst wegen Brunst)
Er fordert den Majuskelgebrauch am Anfang einer Rede, eines Satzes, am Anfang der direkten Rede und bei Substantiven und Eigennamen.
Er erweitert die Regeln auch in einzelnen Punkten, z. B. Bei der Interpunktion, ersetzte er die Virgel endgültig durch das Komma.
Johann Christoph Gottsched(18.Jh.):
bemüht sich um eine einheitliche deutsche Hochsprache
„Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst”(1748)
beseitigt orthographischen Ballast wie z.B. <ck>
�
,<
�
ff>
�
,<tz> nach Konsonant.
erhebt die Großschreibung zur Norm und einführt den Begriff „Hauptwort“ für das Substantiv
Seine Werke hatten eine weite Verbreitung über das ganze deutsche Sprachegebiet.
Johann Christoph Adelung(18.Jh.):
“Vollständige Anweisung zur Deutschen Orthographie”(1788): Grundgesetz der deutschen Orthographie
ein Höhepunkt in der 2. Hälfte des 18. Jh.: Seine Orthographievorschläge bildeten zu Beginn des 19. Jahrhundets die Grundlage für den Rechtschreibunterricht in den deutschen Schulen.
Großer Einfluss, u.a. auf Wieland und Goethe.
Jacob Grimm(19.Jh.):
historisch - vergleichende Richtung
Beseitigung der Dehnungszeichen, Nat, Bere, Bine; die Dehnungszeichen bleibt nur noch dort erhalten, wo historisch richtig , z.B. (weh, aber han, war)
Beschränkung der Doppelgraphem, die sich auf Konsonanten beziehen: algemein, Schif, herschender
die graphische Kennzeichnung der Vokalqualität: historische Schreibweise
(<ä>,<ö> -> <e> Leffel statt Löffel <ü> -> <i> Wirde statt Würde)
Abschaffung des
�
th
�
(tal, tun statt thal, thun)
Substantivkleinschreibung
Rudolf von Raume (19.Jh.):
phonetische Richtung Raumersche Grundsatz: „Bringe deine Schrift und deine Aussprache in
Übereinstimmung“ � Herstellung von 1:1- Beziehungen zwischen Phonemen und Graphemen:
statt <k>,<c>,<ck>,<q(u)>nur noch <k>, statt <f>,<v>,<ph> nur noch <f> usw.
Beseitigung der Dehnungszeichen, z. T. Ersatz durch Dehnungsstrich: bēre, mōr
Beseitigung der konsonantischen Doppelgrapheme: sat(satt)
Konrad Duden (19. Jh.):
Der Vater der deutschen Rechtschreibung
Sein orthographische Wörterbuch: “Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache - Nach den neuen preußischen und bayerischen Regeln”(1880) – erste Normierung nach den einzelstaatlichen Schulvorschriften
Durchsetzung der Einheitsorthographie
I. Orthographische Konferenz (4. bis 15. Januar 1876 in Berlin):
Einschränkung im Gebrauch des <th> bei deutschen Wörtern : Teil, Türusw. statt Theil, Thür usw.
Teilweise Ersetzung des <c> durch <k> oder <z> entsprechend der Aussprache in eingebürgerten Fremdwörtern: Kasse, Zentner, statt Casse ,Center
Beseitigung der differenzierten Schreibung –ieren/-iren zugunsten von ieren
Ersetzung des <dt> durch <t> in tot und töten statt todt und tödten Die Länge bezeichnet nur bei den Vokalphonemen /e:/ und /i:/ in
gewohnter Weise, z. B. Gefärte, Narung, Gebühr, Lon, Höle usw. Das Dehnungs-h und die Doppelgrapheme sollten nur in einigen Wörtern
zur Bedeutungsdifferenzierung dienen: Boot – Bot(die Botschaft), Ruhm – Rum
Heysesche. s-Regelung:
�
ss nach Kurzvokal (z.B. Fass, Fässer),
�
ß nach Langvokal oder Diphthong (z.B. Fuß, Füße, heiß)
Durchsetzung der Einheitsorthographie
II. Orthographische Konferenz (17. bis 19. Juni 1901 in Berlin):
den generellen Wegfall der th- Schreibung in deutschen Wörtern
die weitere Ersetzung von <c> durch <k> bzw. <z> in assimilierten Fremdwörtern
die Durchsetzung der Trennung von tz, ck, pf: Karp-fen, Kons-pe, Hak-ke,aber nicht von st: Fen-ster, Klo-ster
Einzelne Schreibung werden geändert: sammt, sämmtlich zu samt, sämtlich usw.
Ablehnung der Heyseschen S -Regelung
Entwicklung der Reformvorschläge im 20. Jh.
Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Forderungen nach einerÄnderung der Rechtschreibnorm vor allem seitens der Lehrerschaft
vorgetragen.
- 1921 Reform- Erfurt 1931, Leipzig 1931- Vorausschuß1946 , bvr (bund für vereinfachte rechtschreibung), Schweiz
1946- Stuttgart 1954- Wiesbaden 1959- Österreich 1961/62- Schweiz 1963- Wiener Empfehlungen 1973 usw.
Die Orthographiereform von 1998
Die Änderungen der so genannten Rechtschreibreform betreffen die
folgenden Bereiche:
1). Phonem-Graphem-Zuordnungen
- neue Reglung für <ss/ß>-Schreibung: nach kurzen Vokalen <ss> (z.B. Hass statt Haß), nach langen Vokalen und Diphthongen <ß>(z.B. Straße, Fuß, beißen, fließen).
- das Zusammentreffen dreier Konsonantenzeichen, außerdem ist die Schreibung mit Bindestrich auch möglich.(z.B. Flusssand statt Flußsand auch: Fluss-Sand)
2). Fremdwortschreibungen
Variantenschreibung von Fremdwörtern (z.B. Ketschup, auch Ketchup)
3). Groß- und Kleinschreibung: die Substantive,Satzanfänge, Eigennamen, Produktnamen und Ausdrücke der Ehrerbietung
4). Interpunktion: Reduktion der Interpunktion, z.B. Kommaregeln
- bei und/oder und Infinitiv- und Partizipialgruppen: fakultativ (z.B.Sie hatten geplant (,) ins Kino zu gehen.)
- in der wörtlichen Rede: obligatorisch (z.B. „Kommst du?“, fragte sie.)