eine experimentelle untersuchung zur frage der kriminellen hypnotisch-suggestiven beeinflußbarkeit

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Eine experimentelle Untersuchung zur Frage der kriminellen hypnotisch-suggestiven Beeinflufibarkeit. Von Dr. reed. Johannes Haupt. (Eingegangen am 15. Juni 1937.) In dem Aufsehen erregenden :Falle Walter z in Heidelberg war eine Frau dureh hypnotiseh-suggestive Beeinflussung gegen ihren Willen zu Verbreehen gedritngt worden. Frfiher neigte man zu der Auffassung, alle Menschen, die unf~hig zu Verfehlungen aus eigenem Antrieb w~ren, k5nnten sich erfolgreich gegen solche Beeinflussung str~uben, -- es bestfinde ein natfirlicher Schutz vor solchem MiBbrauch. In frfiheren gerichtlichen Fs hatte sieh die Behauptung der Beschuldigten, unter hypnotisch-suggestivem Zwang gehandelt zu haben, als unwahr erwiesen. Ieh versuchte einen Beitrag zur experimentellen Prfifung dieser Ver- h~ltnisse beizusteuern, soweit eine solche Prfifung fiberhaupt mSglich ist. Es geht ja nicht an, einem Hypnotisierten verbrecherische Handlungen aufzutragen; man mug sich mit weit geringeren Vergehen begntigen -- etwa leichten VerstSl3en gegen die gute Sitte; werden posthypnotische Suggestionen solchen Inhaltes nicht verwirklicht, so wird erst recht kein schlimmeres Vergehen suggestiv hervorzurufen sein; gelingt es hingegen, geringffigige Entgleisungen zu veranlassen, so bleibt aller- dings die Frage often, ob auch bedenklichere Handlungen zu erreichen w~ren (nachprfifen liel3e sich dies ja nicht). Erforderlich bei solchen Untersuchungen ist, dab die persSnlichen Beziehungen zwischen Ex- perimentator und Versuchsperson gestatten, Suggestionen solcher be- sonderen Art zu erteilen, zumal sie ja vielleicht doch befolgt werden; die -- ratsame -- schliel31iche Aufkl~rung fiber das vorgenommene Experiment mug vollem Verst~,ndnis und -- nachtrs -- Ein- verst~,ndnis begegnen. In diesem Sinne wohlgeeignet war ein Student, der bei mir in hypnotisch-suggestiver Behandlung stand. Auch erfiillte er eine andere Voraussetzung; er war zu tiefer 2 Hypnose f~hig, in der allein sich experimentelle Suggestionen verwirklichen (Heilsuggestionen hingegen kSnnen sich auch schon in ober/l~ichlicher Hypnose verwirklichen). W~hrend einer Hypnose -- nach den Heilsuggestionen -- schritt ich zu dem geplanten Experiment (natfirlich ohne die Versuchsperson vor dieser Hypnose davon unterrichtet zu haben); ich suggerierte ihm, er wfirde nach Beendigung seines hypnotisehen Zustandes an den Tiseh im Zimmer herantreten, mein dort liegendes Notizbuch aufnehmen und darin bl~ttern und lesen (eine indiskrete Handlung, deren er sich aus 1 Mayer, L.: Das Verbrechen in Hypnose. Mfinchen: J. F. Lehmann 1937. -- 2 Haupt, J.: Psychiatr.-neur. Wschr. 1929, 45.

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Page 1: Eine experimentelle Untersuchung zur Frage der kriminellen hypnotisch-suggestiven Beeinflußbarkeit

Eine experimentelle Untersuchung zur Frage der kriminellen hypnotisch-suggestiven Beeinflufibarkeit.

Von Dr. reed. Johannes Haupt.

(Eingegangen am 15. Juni 1937.)

In dem Aufsehen erregenden :Falle Walter z in Heidelberg war eine Frau dureh hypnotiseh-suggestive Beeinflussung gegen ihren Willen zu Verbreehen gedritngt worden. Frfiher neigte man zu der Auffassung, alle Menschen, die unf~hig zu Verfehlungen aus eigenem Antrieb w~ren, k5nnten sich erfolgreich gegen solche Beeinflussung str~uben, - - es bestfinde ein natfirlicher Schutz vor solchem MiBbrauch. In frfiheren gerichtlichen Fs hatte sieh die Behauptung der Beschuldigten, unter hypnotisch-suggestivem Zwang gehandelt zu haben, als unwahr erwiesen. Ieh versuchte einen Beitrag zur experimentellen Prfifung dieser Ver- h~ltnisse beizusteuern, soweit eine solche Prfifung fiberhaupt mSglich ist. Es geht ja nicht an, einem Hypnotisierten verbrecherische Handlungen aufzutragen; man mug sich mit weit geringeren Vergehen begntigen - - etwa leichten VerstSl3en gegen die gute Sitte; werden posthypnotische Suggestionen solchen Inhaltes nicht verwirklicht, so wird erst recht kein schlimmeres Vergehen suggestiv hervorzurufen sein; gelingt es hingegen, geringffigige Entgleisungen zu veranlassen, so bleibt aller- dings die Frage often, ob auch bedenklichere Handlungen zu erreichen w~ren (nachprfifen liel3e sich dies ja nicht). Erforderlich bei solchen Untersuchungen ist, dab die persSnlichen Beziehungen zwischen Ex- perimentator und Versuchsperson gestatten, Suggestionen solcher be- sonderen Art zu erteilen, zumal sie ja vielleicht doch befolgt werden; die - - ratsame - - schliel31iche Aufkl~rung fiber das vorgenommene Experiment mug vollem Verst~,ndnis und - - nachtrs - - Ein- verst~,ndnis begegnen. In diesem Sinne wohlgeeignet war ein Student, der bei mir in hypnotisch-suggestiver Behandlung stand. Auch erfiillte er eine andere Voraussetzung; er war zu tiefer 2 Hypnose f~hig, in der allein sich experimentelle Suggestionen verwirklichen (Heilsuggestionen hingegen kSnnen sich auch schon in ober/l~ichlicher Hypnose verwirklichen). W~hrend einer Hypnose - - nach den Heilsuggestionen - - schritt ich zu dem geplanten Experiment (natfirlich ohne die Versuchsperson vor dieser Hypnose davon unterrichtet zu haben); ich suggerierte ihm, er wfirde nach Beendigung seines hypnotisehen Zustandes an den Tiseh im Zimmer herantreten, mein dort liegendes Notizbuch aufnehmen und darin bl~ttern und lesen (eine indiskrete Handlung, deren er sich aus

1 Mayer, L.: Das Verbrechen in Hypnose. Mfinchen: J. F. Lehmann 1937. - - 2 Haupt, J.: Psychiatr.-neur. Wschr. 1929, 45.

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eigenem Antrieb niemals schuldig gemacht hi~tte). Auger dieser experi- mentellen Suggestion erteilte ieh ihm noch eine andere ; er war zwar nach seinen - - tiefen - - Hypnosen sowieso erinnerungslos fiir alle Vorg/inge w~hrend seines hypnotischen Zustandes; zum (~berfluB aber suggerierte ich ihm eigens noch, dal~ er nichts yon alledem wissen wiirde, was ich ihm gesagt h/ttte; gleichwohl wiirde er alles genau ausfiihren. Mit groBer Spannung harrte ich seines Verhaltens naeh Beendigung seiner Hypnose. Es begab sich folgendes: Er erhob sich sogleich und ging auf den Tiseh zu; dort blickte er auf mein aufgeschlagenes Notizbuch nieder, und schliel~lieh sagte er zu mir: ,,Hier tragen Sie woh] Ihre Notizen ein ?" Ieh bejahte diese Frage. Weiteres gesehah dann aber nicht; weder sagte noch ta t er sonst etwas in Ausftihrung der erteilten posthypnoti- schen Suggestion. Vorsichtig befragte ich ihn, wie er zu seinem Gang nach dem Tisch and zu jener Frage nach meinem Buche gekommen w~re (auch nach Aufkl/irung iiber das vorgenommene Experiment besprach ich diese Vorg/inge noch mit ihm). Er beriehtete mir, er h/itte einen Drang verspiirt, auf den Tiseh zuzugehen, das Buch aufzuheben und darin zu bl/~ttern und zu lesen; den triebhaften Gang nach dem Tiseh h/s er ohne weiteres ausgefiihrt, gegen das l~brige aber h/~tte er sich natiirlich gestr/hlbt; er h/~tte sich gesagt: ,,Das geht doch nicht! Das w/~re ja eine Indiskretion !" Der Drang w/~re jedoeh st/irker gewesen, als dab er ihn ganz h/i.tte unterdriicken k5nnen; wenigstens in abge- sehw/~ehter und einwandfreier Form h/~tte er ihm nachgeben miissen. - - In diesem Falle zeigte sich also ein natiirlicher Schutz vor der post- hypnotischen Suggestion einer unstat thaften Handlung; sehlimmere Befehle, gar kriminelle, wiirde er sicherlieh erst reeht nicht befolgt haben (hSchstens hi~tte er aueh hier eine harmlose Kompromi$15sung gefunden). Man darf hoffen, dal~ die Natur eine solche Schutzmal~regel allgemein getroffen hat und da6 nur unter seltenen, ganz besonders gearteten Verh/s unstatthafte, ja gesetzwidrige und gar ver- brecherische Handlungen hypnotisch-suggestiv erzwungen werden kSnnen.