Opioide in der Palliative Care
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Vernetzungstag Basel
Steffen Eychmüller Palliativzentrum Kantonsspital St.Gallen
Opioide in der Palliative Care
Bekanntes und weniger Bekanntes
Inhalte
I Opioide: Wirkorte und Indikationen
II Opioide bei chronfizierten Schmerzen
III Opioide in der Palliative Care: eine subjektive Auswahl und Einschätzung
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nozizeptiv.-somatisch Haut
Knochen
Muskel
Nozizeptiv-viszeral Brust- und
Bauchorgane
Neuropathisch Nerven/ Plexus/
Neurinom
Lokal umschrieben
Brennend, einschiessend
Opioide wofür?
Medikamentengruppen nach Schmerzdiagnosen Paracetamol
NSAR
Opioide
NSAR
Metamizol, Opioide
Antidepressiva
Antikonvulsiva
Opioide
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Mo und die Wirkorte a) zentral
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Opioide in der Palliative Care
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b) Periphere Angriffsorte • Magen,Dünndarm, NNR, Uterus, Pankreas Motilitätshemmung („enterales NS = zweites
Gehirn“) Hemmung Freisetzung Kostikosteroide,
Insulin, Somatostatin, Noradrenalin • Periphere Opioide bei entzündung
(Immunzellen induzieren Freisetzung endogener Opioide (Proenkephaline, Dynorphin)
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Hustenstillender Effekt der Opioide
Via Hustenzentrum im Hirnstamm
• Kein spez. Rezeptor • antitussive Wirkung:
Heroin > Fentanyl > Hydromorphon > Oxycodon > Dihydrocodein
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Frage: Stufe I und III kombinieren – ja oder nein?
studies have not demonstrated a large clinical difference when combining an opioid with an NSAID versus either medication alone
McNicol ED, et al NSAIDS or paracetamol, alone or combined with opioids, for cancer pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2005 7
Und ein Wort zu Opioid - Studienresultaten
• Definition der Population: palliativ? • Beteiligte Faktoren am Schmerz • Variabilität der Schmerzen: Tag/ Nacht etc. • Beobachtungszeit: Stunden, Tage, Wochen? • Outcomes: Intensität, aber auch Funktion?
Oder „distress score“?
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Opioide in der Palliative Care
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II I Opioide: Wirkorte
II Opioide bei chronfizierten Schmerzen
III Opioide in der Palliative Care: eine subjektive Auswahl und Einschätzung
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Bewirken Opioide da Wunder.....?
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Chronischer Schmerz und Ziele Wobei helfen Opioide ? Oder auch nicht ?
- Die Verbesserung der Koordination und der Körperwahrnehmung
- Die Verbesserung der Eigenkontrolle hinsichtlich der individuellen Belastungsfähigkeit
- Die Veränderung der emotionalen Beeinträchtigung (insbes. Depression, Angst, Katastrophieren)
- Die Veränderung des auf Ruhe und Schonung ausgerichteten Krankheitsverhaltens
- Die Veränderung der Befürchtungen im Bezug auf Aktivität und Arbeitsfähigkeit. 11
Metaanalyse 2006 (Furlan et al, CMAJ)
• 41 RCT‘s, n = 6019 pat., 80% nozizept., 12% neurop.
• Durchschn. Einnahmedauer: 5 Wochen….. (1-16)
• Outcome: Schmerzintensität….+ Körperfunktion (teilweise)
• NW‘s unsystmatisch erfasst
• Schmerz: Opioide haben Effekt, allerdings nur Stufe 3 besser als NSAR. „gemischter Schmerz“: Tramadol ?
• Keine transdermalen Systeme getestet
• Funktion: andere Analgetika besser ? 12
Opioide in der Palliative Care
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Der Opioid - Markt
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Fazit : Chronifizierte Schmerzen und Opioide
„Single- modality treatment for
multi- modality problem is futile“ (Keefe)
Opioid – Versuch als Teil des Plans • Erwartung ? – Cave „locus of control“ • messen an Funktionen, nicht an Intensität • Basis- Bolus- Prinzip ? • Mehr als 100mg Mo – Äquivalent: sinnlos ? • Balance Wirkung - Nebenwirkung
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III I Opioide: Wirkorte
II Opioide bei chronfizierten Schmerzen
III Opioide in der Palliative Care: eine subjektive Auswahl und Einschätzung
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Die Herausforderungen
• Schwerkranke Menschen – die Organinsuffizienzen, das Schlucken, das Evaluieren
• „dirty pain“ – „total pain“: Balance Wirkung/ Nebenwirkung
• Die raschen Wechsel und die Durchbruchschmerzen
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Opioide in der Palliative Care
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Welche Droge für welches Problem ?
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Opioid- Rezeptoren
µ kappa delta NMDA
Morphin
Hydromorphon (Palladon)
Oxycodon (Targin)
Fentanyl (Durogesic etc.)
Buprenorphin (Transtec) Methadon Ketamin
nozizeptiv ...................neuropathisch 18
(Neben)wirkungen der Opioid- Receptoren
Mü: Euphorie
Verstopfung
Atemdepression
Kappa Dysphorie
Delta Euphorie
Verstopfung
Schwindel?
...50 verschiedene Polymorphismen....*
* Genetics and variability in opioid response, Eur J Pain 2005 19
Neue Entwicklungen
• Weniger Verstopfung durch Naloxon – Beigabe zu Oxycodon: Targin ®
• Kontinuierliche enterale Abgabe durch „Oros – System“ (osmot.): Jurnista ®
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Opioide in der Palliative Care
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Eine subjektive Auswahl: Opioide bei Palliativpatienten
Wichtig: 1. Gut steuerbar (Organinsuffizienzen +
wechselnder Bedarf) 2. Verschiedene Applikationsformen 3. Anleitung zum Selbstmanagement:
Durchbruchschmerzen 4. Adäquate Erwartung
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1. Gut steuerbar
• Prinzip: Basis - Bolus • V.a. auch kurzwirksame Opioide • Möglichst unabhängig von Niere
bspw. Fentanyl SC oder IV ? In der Praxis: meist Mo oral/ SC
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Fentanyl
retardiert (ca. 72 h): Durogesic 12,25,50,75 100 µg/h (Mepha/ CIMEX/ Spirig TTS ca. 40% günstiger)
kurz wirksam: IV/ SC (nur wenige Minuten) : Fentanyl Janssen ® (50 µg/ml); Sintenyl ® (20, 50 µg/ml) Oral-mukosal (ca. 30 Min. Wirkdauer): Abstral ® (100 µg = 14 CHF!); Actiq ®(„Lollypop“, 200 µg = 20 CHF….)
Markt der Möglichkeiten am Beispiel des Fentanyl
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Gut steuerbar
Hauptproblem bei Basis- Bolus: Basis – Dosis wird erhöht, Bolus (= Reserve) nicht + zuwenig häufig
Schmerzstärke
1 2 3 h 24
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Gut steuerbar – Opioide bei Niereninsuffizienz CA Douglas, Kings College London
Allgemein: • Besseres Monitoring der Wirkung und NW • Vorsicht mit lang - wirksamen (retardierten) Formen • kurzwirksam: längere Wirkdauer
Trotz schlechter Datenlage • Buprenorphin und Fentanyl sicherer • Oral: Hydromorphon und Oxycodon besser als Mo (Metabolite weniger toxisch) • Methadon gut, wenn sicherer Anwender 25
2. Verschiedene Applikationsformen
Ideal wäre: • oral, sc, iv (intrathekal) • mit Umrechnungsfaktor 1 • Hoher Bioverfügbarkeit • Unabhängig von Niere und Leber
(Eiweiss)
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Verschiedene Applikationsformen
Realität ist: Das gibt es nicht……
In der Praxis: „by the mouth“ (+ rektal?): Morphin SC/ IV: Morphin
Das Problem: die Umrechnerei
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Morphin: Bioverfügbarkeit und First pass Effekt
100 mg oral entspricht ca. 30mg IV
Einfacher mit Hydromorphon oder Oxycodon ? 28
Opioide in der Palliative Care
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Lernpunkt Applikationswege
• Ein häufiges Problem in der Palliative Care ist, dass ein Opioid nicht wirkt, weil es nicht (mehr) ankommt:
Parenteral SC ist immer ein Versuch wert (+ die magische Spritze)
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3. Anleitung zum Selbstmanagement: Durchbruchschmerzen
• Durchbruchschmerzen sind häufig + kurz • Problem: kaum Prävention möglich (ausser
bei Bewegungsabhängigkeit)
Durchbruchschmerz
Durchbruch - Medikation
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Actiq ®
Abstral ®
Der Markt und die Durchbruchschmerzen
Bald in CH: Effentora ® 31
Durchbruchschmerzen und transmukosales Fentanyl
Was sagt die Evidenz?
…Four trials were identified and included 393 participants……
…efficient + low side effects ..Sucht ? ein Problem in Palliative Care ?
Zeppetella G, Ribeiro MDC. Opioids for the management of breakthrough (episodic) pain in cancer patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006 32
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4. Adäquate Erwartung
Zaubere Doktor !
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SOLL
Leiden
IST
„Calman – Gap“: nicht nur beim Patienten!
Das Dauerthema in der Heilkunst: Die Erwartungen
Calman K C. Journal of medical ethics 1984; 10: 124-127. 34
Wichtig: Angstreduktion durch Information
www.palliativecare.org.au/ 35
Ein möglicher Versuch: Das opioid - switching
• Wenn NW > Wirkung • Wenn zu wenig Analgesie • Häufigkeit: bis ca. 30% in „cancer
patients….“, erfolgreich in bis zu 60% (gemessen an Intensität und „Distress“)
• Bei uns?
Mercadante S et al: J Pain Symptom Manage. 2009 Apr;37(4):632-41. 36
Opioide in der Palliative Care
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Das opioid - switching
• Wenn Palliative Care so richtig medizinisch wird……
• Probleme: was wird ge- switched? Die Erwartungen? Der Problemfokus?
• Was ist mit der Angst, wie und wann wird evaluiert?
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Und zuletzt: „dirty pain“
Ketamin als Nothelfer? Die NMDA- Blockade
„Wunderdroge“ bei gemischten Schmerzen? Und zum „Rezeptorputzen“ (gegen Sensibilisierung?)
• Start 0,1- 0,5 mg/kg/h (oder 100mg pro 24 h) IV oder SC
ggf. Umstellung auf Methadon
Bell RF et al. Ketamine as an adjuvant to opioids for cancer pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2003, 2007
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Methadon Methadon Streuli®, 5mg „zur Schmerztherapie“
• für neuropathische Schmerzen, „Mischschmerzen“, da NMDA-‐ Antagonist + μ-‐ Agonist
• Wirkungen/ NW wie Morphin (aber komple?e orale Bioverfügbarkeit); Wirkung iv viel stärker als oral
• hepaGsche Metabolisierung, hauptsächlich fäkale Ausscheidung; deshalb gut bei Niereninsuffizienz
• Plasmahalbwertszeit 14 bis 40 Stunden Cave AkkumulaGon
• Äquivalenz zu Mo? Start 2x 2,5 mg?
• keine Toleranz; billig • Reserve 10-‐16% max. alle 3 h 39
Cave: Opioid-induzierte Hyperalgesie
• Dran denken bei schneller Dosis-eskalation ohne Effekt
• Aktivierung zentrale Glutaminsysteme; Verbesserung durch NMDA- Blockade
• Überwiegend generalisierte Hyperalgesie • Mehr bei Opioid- Langzeit, weniger bei Methadon • Therapie: Dosisreduktion, Opioid – Wechsel,
Methadon, Ketamin
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Opioide in der Palliative Care
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Opioide bei Palliativpatienten
Das richtige Analgetikum Schmerzdiagnose
In der richtigen Dosis Titration
Zur richtigen Zeit Basis- Bolus
Auf dem richtigen Weg subcutan ?
Mit der richtigen Erwartung was kann es leisten?
Nicht- Pharmakologisches ?
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…und nicht vergessen:
Das Endergebnis „Schmerz“ wird bestimmt von:
Dem sensorischen System (was ich spüre)
Dem motorischen System (wie ich muskulär reagiere)
Dem autonomen System (das Schwitzen, Atmen etc.)
Dem affektiven System ( was ich fühle)
Dem kognitiven System (an was mich das erinnert)
„Fear is more disabling than pain“ (F. Keefe) 42
Opioide können nicht überall helfen ! 43