Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technische Chemie und Polymerchemie
Prof. Dr. O. Deutschmann
Prof. Dr. J.-D. Grunwaldt
Versuchsbeschreibung
zum
Chemisch-Technischen Grundpraktikum
Verweilzeitspektren
Institut für Technische Chemie und Polymerchemie – Chemisch-Technisches Grundpraktikum
i
Inhaltsverzeichnis
1. Aufgabenstellung ........................................................................................................................... 1
2. Experimentelle Aufgaben ............................................................................................................. 1
3. Theoretische Grundlagen ............................................................................................................. 1
3.1. Einführung ............................................................................................................................. 1
3.2. Verweilzeitverteilung ............................................................................................................ 2
3.2.1. Verweilzeit – Summenfunktion und Verweilzeitspektrum ........................................ 2
3.2.2. Experimentelle Bestimmung von F(t) bzw. E(t) ......................................................... 3
3.3. Verweilzeitverteilung von idealen Reaktormodellen .......................................................... 4
3.3.1. Verweilzeitverhalten des kontinuierlich betriebenen Rührkessels (CSTR) ............. 4
3.3.2. Verweilzeitverhalten eines laminar durchströmten Rohres ...................................... 5
3.3.3. Verweilzeitverhalten einer Kaskade von kontinuierlich betriebenen Rührkesseln 6
3.4. Verweilzeitverteilung realer Systeme .................................................................................. 8
3.4.1. Dispersionsmodell .......................................................................................................... 8
3.4.2. Kaskaden- oder Zellenmodell ..................................................................................... 10
4. Versuchsdurchführung ............................................................................................................... 12
5. Versuchsbedingungen ................................................................................................................. 12
6. Protokoll ....................................................................................................................................... 13
6.1. Theorie .................................................................................................................................. 13
6.2. Auswertung .......................................................................................................................... 13
6.3. Diskussion der Ergebnisse und Fehlerbetrachtung .......................................................... 14
7. Literatur ....................................................................................................................................... 15
8. Anmerkungen und Hinweise ...................................................................................................... 15
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1
1. Aufgabenstellung
Aufgabe dieses Versuches ist die Bestimmung und der Vergleich der Verweilzeitspektren für
einen stationär betriebenen Rührkesselreaktor, eine stationär betriebene Kaskade aus
Rührkesselreaktoren und ein Strömungsrohr sowie eine Strömungsspirale. Ergänzend ist das
Verweilzeitspektrum des Rührkesselreaktors mit dem Verweilzeitspektrum eines idealen
Rührkesselreaktors zu vergleichen und die Bodensteinzahl für die Reaktorkaskade zu
bestimmen.
2. Experimentelle Aufgaben
Für alle vier Anordnungen ist für einen Durchsatz von 110 l/h das Verweilzeitspektrum
mittels Tracer/Leitfähigkeitsmessung zu bestimmen. Hieraus ist für jede Anordnung die
mittlere Verweilzeit durch graphische Integration zu bestimmen und die erhaltenen
Ergebnisse sind zu vergleichen. Ergänzend ist für das Strömungsrohr die Verweilzeit-
verteilung und die mittlere Verweilzeit für einen Durchfluss von 60 l/h zu ermitteln. Die
Reaktorvolumina werden Ihnen bei Versuchsbeginn mitgeteilt.
3. Theoretische Grundlagen
Bitte arbeiten Sie sorgfältig die Vorlesung Chemische Technik I durch und machen Sie sich
mit der zugehörigen Übung vertraut. Bitte beachten Sie, dass die Versuchsbeschreibung nur
Teile der notwendigen Theorie behandelt, so dass weiterführende Informationen der
angegebenen Literatur entnommen werden müssen um das Eingangskolloquium zu bestehen.
3.1. Einführung
Ein wichtiges Kriterium für kontinuierlich durchströmte Apparate ist ihr Verweil-
zeitverhalten.
Infolge molekularer und turbulenter Diffusion, durch Scherkräfte und erzwungene
Konvektion halten sich sehr kleine Teile des strömenden Mediums (gelöste oder dispergierte
Teilchen) unterschiedlich lange in dem durchströmten Apparat auf. Daraus resultiert eine
Verweilzeitverteilung aller gleichzeitig in das System eingetretener Teilchen.
Für ideale Reaktoren, die durch definierte Vermischungszustände gekennzeichnet sind – wie
sofortige und vollständige Durchmischung für den idealen Rührkessel und Kolbenströmung
für das ideale Strömungsrohr – lässt sich dieses Verweilzeitverhalten berechnen.
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2
Die Bedeutung der theoretischen Zusammenhänge liegt darin, dass durch Messen des
Verweilzeitverhaltens eines realen Reaktors Abweichungen vom idealen Verhalten erkannt
und ihr Einfluss auf den Umsatz einer chemischen Reaktion vorausbestimmt werden kann.
3.2. Verweilzeitverteilung
3.2.1. Verweilzeit – Summenfunktion und Verweilzeitspektrum
Die maßgeblichen Kenngrößen zur Bestimmung der Verweilzeit eines durchströmten Systems
sind zum Einen die Verweilzeitsummenfunktion F(t) und zum Anderen das
Verweilzeitspektrum E(t). Beide Größen hängen mit Gleichung 3.1 zusammen.
dttEtdF )()( (3.1)
Den Volumenbruchteil des strömenden Mediums eines kontinuierlich durchströmten Systems,
welcher eine Verweilzeit von 0 bis t aufweist, bezeichnet man als die
Verweilzeitsummenfunktion F(t). Dies kann ebenfalls auch als Wahrscheinlichkeit, welcher
Bruchteil aller Volumenelemente, die zum Zeitpunkt t=0 in das System eingespeist wurden,
das System innerhalb des Zeitfensters 0 bis t wieder verlassen, verstanden werden. Weiterhin
können folgende Randbedingungen getroffen werden: Zum einen kann ein Volumenelement
das System mit einer Zeit t=0 (F(0)=0) durchlaufen, zum anderen muss es eine definierte
Verweilzeit haben, sodass gilt: F(∞)=1. Zudem ist das Differential der
Verweilzeitsummenkurve dF(t) der Volumenbruchteil des einströmenden Mediums, welches
eine Verweilzeit zwischen t und t+dt hat.
Mit Hilfe dieser Definitionen und der allgemeinen Definition des ersten Moments µ1 folgt für
die gemittelte Verweilzeit oder die mittlere Verweilzeit:
1
0
1
0
1 )()( dtttEttdFt (3.2a)
Ein Maß für die Verteilung der austretenden Volumenelemente hingegen ist das
Verweilzeitspektrum E(t). Sie ist definiert, dass das Produkt E(t)dt den Bruchteil des
Auslaufstroms eines kontinuierlich durchströmten Systems, welcher eine Verweilzeit
zwischen t und t+dt aufweist, darstellt.
Das zweite Moment µ2, welches als Maß für die Streuung der Verweilzeiten um den
Mittelwert verwendet wird, entspricht der mittleren quadrierten Abweichung (Gleichung
3.2b).
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3
1
0
22
2 )()( dttEtt (3.2b)
3.2.2. Experimentelle Bestimmung von F(t) bzw. E(t)
Das Verweilzeitverhalten eines Systems wird allgemein durch Messung einer zeitlich
veränderlichen Eigenschaft des Systems bestimmt. Hierzu wird die entsprechende Eigenschaft
des Mediums vor Eintritt in den Reaktor zeitlich variiert und die aufgrund des
Verweilzeitverhaltens auftretende Veränderung dieser Eigenschaft am Reaktorausgang
aufgezeichnet. Die Veränderung der Eigenschaft darf jedoch nicht die
Strömungseigenschaften beeinflussen oder die zu beobachtende Reaktion oder das
Phasensystem stören. Im Allgemeinen wird hier die Konzentration einer Markierungssubstanz
als Eigenschaft des Systems verändert. Diese zeitliche Veränderung der Konzentration muss
selbstverständlich mit einfachen Mitteln messbar sein. In der Regel wird die elektrische
Leitfähigkeit, Lichtabsorption oder auch Radioaktivität gemessen, um die Konzentration der
Markierungssubstanz oder Tracer zu bestimmen.
Der eindosierte Konzentrationsverlauf des Tracers, das so genannte Eingangssignal ci,ein, kann
verschiedenen Funktionsformen entsprechen. Die häufigsten eingesetzten Funktionen sind die
Sprungfunktion und die Nadelfunktion, welche in der Abbildung 3.1 graphisch aufgeführt
sind.
Abbildung 3. 1: Eingangs- und Ausgangssignale für 2 Markierungsfunktionen. [6]
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4
Der Konzentrationsverlauf der Tracersubstanz am Reaktorausgang, das so genannte
Antwortsignal ci,aus ist gegeben durch.
einiausi ctFc ,, )( (3.3)
Somit ist das relative Antwortsignal ci,ein/ci,aus nach einer Sprungfunktion im Eingangssignal
identisch mit der Verweilzeitsummenkurve F(t).
Bei einem Eingangssignal nach einer Nadelfunktion wird der Tracer mit einer bekannten
Stoffmenge ni,ein in einem möglichst kleinen Zeitintervall Δt0 mit einer Konzentration ci,ein in
das System eingegeben. Mit V als Volumenstrom des strömenden Mediums gilt:
0,, tVcn einieini (3.4)
Die Stoffmenge der Markierungssubstanz, die im Zeitraum zwischen t und t + dt den Reaktor
verlässt, berechnet sich aus
dtVcdn ausiausi
,, (3.5)
Nach der Definition der Verweilzeitsummenfunktion gilt:
eini
ausi
n
dntdF
,
,)( (3.6)
Werden die Gleichungen 3.6 mit 3.5 und 3.1 zusammengefasst, erhält man eine direkte
Beziehung für das Verweilzeitspektrum E(t) und der messbaren Größe ci,aus.
0
,
,)(
dtc
ctE
ausi
ausi (3.7)
sofern die Gesamtmenge von ni,ein aus der Fläche der Antwortfunktion bestimmbar ist.
3.3. Verweilzeitverteilung von idealen Reaktormodellen
3.3.1. Verweilzeitverhalten des kontinuierlich betriebenen Rührkessels
(CSTR)
Durch die Lösung der Stoffbilanz nach Zugabe einer Markierungssubstanz im Zulaufstrom
per Sprungfunktion für den CSTR-Reaktor kann die Konzentration der Markierungssubstanz,
und somit auch die Verweilzeitsummenfunktion, im kontinuierlich betriebenen Rührkessel
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5
berechnet werden. Hierfür wird angenommen, dass der Volumenstrom konstant bleibt und
keine Reaktion stattfindet. Mit der Definition der hydrodynamischen Verweilzeit (mit VR als
Reaktorvolumen und V als Strömungsgeschwindigkeit)
V
VR
gilt für t>0, mit t=0 als Startzeitpunkt der Zugabe der Markierungssubstanz mit der
Konzentration ci,ein:
ausieiniausi cc
dt
dc ,,, (3.8)
Nach Separation der Variablen, Integration mit der Anfangsbedingung ci,aus=0 für t=0, folgt
/
,
,1)( t
eini
ausietF
c
c (3.9)
In der Abbildung 3.2 für ist die entsprechende Kurve des Verweilzeitverhaltens bei einem
idealen, kontinuierlich durchströmten Rührkessel aufgezeigt.
3.3.2. Verweilzeitverhalten eines laminar durchströmten Rohres
Ein laminares Strömungsfeld stellt ein nahezu ideales Beispiel für die segregierte Strömung
dar, sofern die molekulare Diffusion vernachlässigbar ist. Für diesen Fall ist das
Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Rohrströmung bekannt. Daher kann E(t) bzw. F(t) für
diesen Fall berechnet werden.
Die axiale Strömungsgeschwindigkeit w(R) in Abhängigkeit des Abstandes von der
Rohrachse R und R0 als Rohrradius ist gegeben durch
2
0
2
0
12
)(R
R
R
VRw
(3.10)
Da die Verweilzeit direkt von der Strömungsgeschwindigkeit abhängt, ist sie, wie die
Strömungsgeschwindigkeit auch abhängig von der radialen Position des Strömungsmediums.
Die Verweilzeit mit der Rohrlänge L ist daher definiert durch Gleichung 3.11.
2
0
2
0 1212)()(
RRRR
VV
Rw
LRt R
(3.11)
Somit ist die Verweilzeitsummenfunktion bzw. deren Differential ebenfalls abhängig von der
radialen Strömungsposition. Somit gilt
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6
V
RdRwRdF
2
)( (3.12)
Nach Differentiation der Gleichung 3.11 und der Ersetzung des Terms RdR durch einen
Ausdruck nach dt erhält man eine Definition für die Verweilzeitverteilung bzw. das
Verweilzeitspektrum.
3
2
2)(
)(
ttE
t
tdF (3.13)
Für F(t) gilt dann nach einer Integration der obigen Gleichung zwischen t=τ/2 und t=t:
2
4
11)(
ttF (3.14)
In Abbildung 3.2 ist die entsprechende Kurve eingetragen.
Abbildung 3. 2: Verweilzeitsummenfunktionen für ein laminar durchströmtes Rohr, sowie für einen idealen
Rührkessel und idealen Strömungsrohrreaktor. [6]
3.3.3. Verweilzeitverhalten einer Kaskade von kontinuierlich
betriebenen Rührkesseln
Ebenfalls nach einer Sprungfunktion, soll die Verweilzeitsummenfunktion einer Kaskade aus
N kontinuierlich betriebenen Idealrührkesseln ermittelt werden. Alle Kessel haben das gleiche
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7
Volumen VR. Wesentlich für die Bestimmung von F(t) ist die zeitlich veränderliche
Konzentration einer Markierungssubstanz am Ausgang des n-ten Rührkessels ci, n, aus. Die
Stoffbilanz in diesem Fall für t>0, wenn t=0 der Startzeitpunkt der Zugabe der
Markierungssubstanz darstellt, ist in Gleichung 3.15 gegeben.
n
ausni
n
ausni
n
ausni
n
einniausni cccc
dt
dc
,,,1,,,,,,,
(3.15)
τn ist die hydrodynamische Verweilzeit im n-ten Kessel. Mit Hilfe der Anzahl der Rührkessel
in der Kaskade kann man τn aus der Gesamtverweilzeit τ berechnen, sofern alle Rührkessel die
gleiche Größe haben. Mit nN kann die Gleichung 3.15 umformuliert werden:
ausniausni
ausnic
Nc
N
dt
dc,1,,,
,,
(3.16)
Ist die Anfangsbedingung ci,n,aus=0 für t=0 lässt sich die Lösung dieser Differentialgleichung
wie folgt lösen:
t
Nt
ausni
Nt
ausni dtecN
ec0
/
,1,
/
,,
(3.17)
Für n lassen sich alle Kessel von 1 bis n bilanzieren. Für die gesamte Kaskade aus N Kesseln
ergeben sich demnach für die Verweilzeitsummenfunktion F(t):
12
/
,1,
,,
)!1(
1
!2
111)(
N
Nt
eini
ausNi Nt
N
NtNtetF
c
c
(3.18)
Nach Differentiation dieser Funktion erhält man das Verweilzeitspektrum E(t), welche die
Form einer Poisson-Verteilung annimmt.
1
/
)!1()/(
)()(
N
Nt Nte
N
N
td
tdFtE
(3.19)
Für verschiedene Kaskaden ist das Verweilzeitspektrum in Abbildung 3.3 dargestellt.
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8
Abbildung 3. 3: Verweilzeitspektren einer Kaskade aus N idealen Rührkesseln mit N=1, 4, 10. [6]
3.4. Verweilzeitverteilung realer Systeme
3.4.1. Dispersionsmodell
Wird von einem idealen Strömungsrohrreaktor mit Pfropfenströmung und idealer radialer
Vermischung wird in das Dispersionsmodell ein axialer Vermischungsterm diffusiver Art
eingefügt. Dieser Mischvorgang wird in der Regel nicht von axialer Diffusion hervorgerufen,
sondern eher durch Abweichung von der idealen Pfropfenströmung, welche durch
Turbulenzen oder Wirbelbildungen verursacht werden. Diese Vorgänge sind linear vom
Konzentrationsgradienten abhängig und können analog dem Fickschen Gesetz (3.20) mit Dax
als Dispersionskoeffizienten behandelt werden.
dz
dcDJ ax (3.20)
Mit Hilfe der allgemeinen Stoffbilanz nach einer pulsförmigen Eingabe eines Spurstoffes in das
System kann die Antwortfunktion berechnet werden.
2
2
z
cD
z
cu
t
cax
(3.21)
Wird die normierte Zeit θ=t/τ eingesetzt, ergibt sich mit τ=L/u und die normierte Länge Z=z/L
Gleichung 3.22.
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9
Z
c
Z
c
Lu
Dc ax
2
2
(3.22)
Die dimensionslose Gruppe u*L/Dax entspricht der Bodensteinzahl Bo. Sie kann physikalisch als
Verhältnis von Konvektion zu Dispersion interpretiert werden. Zur Lösung dieser
Differentialgleichungen sind Randbedingungen am Eingang und Ausgang des Reaktors nötig. Hierfür
können drei verschiedene Situationen in Betracht gezogen werden (Vgl. Abbildung 3.4).
1. Der Reaktor ist bzgl. der Dispersion beidseitig offen und somit unendlich lang.
2. Der Reaktor ist bzgl. der Dispersion beidseitig geschlossen und der Dispersionkoeffizient Dax
ändert sich sprunghaft von einem endlichen Wert zu 0 vor dem Eingang bzw. nach dem
Ausgang des Reaktors.
3. Der Reaktor ist bzgl. der Dispersion halbseitig geschlossen und der Dispersionkoeffizient Dax
ändert sich sprunghaft von einem endlichen Wert zu 0 vor dem Eingang oder nach dem
Ausgang des Reaktors.
Abbildung 3. 4: Randbedingungen zur Berechnung des Verweilzeitspektrums über das Dispersionsmodell [4]
Für den durchzuführenden Versuch sind die 1. Randbedingungen relevant. In diesem Fall lässt sich für
die Gleichung eine analytische Lösung finden:
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10
4
)1(exp
2
1)(
2 BoBoE (3.23)
Die aus der C(t)-Kurve berechnete Verweilzeit berechnet sich aus:
Bo
tc
21
(3.24)
Die dimensionslose Varianz σθ2 ergibt sich (mit Gleichung 3.2b) aus:
22
22 82
BoBo
(3.25)
Abbildung 3. 5: Verweilzeitverteilung nach dem Dispersionmodell für verschiedene Bodensteinzahlen. [4]
3.4.2. Kaskaden- oder Zellenmodell
Analog zur Berechnung der Verweilzeitverteilung in einer Kaskade aus idealen
Rührkesselreaktoren, kann ein realer Reaktor mit Hilfe des Modells der idealen
Rührkesselkaskade abgebildet werden. Somit ist es möglich, die Verweilzeitverteilung realer
Systeme durch ein Gedankenexperiment, bestehend aus einer Kaskade aus N idealen
Rührkesseln, zu ersetzen und somit zu bestimmen.
Die Verweilzeitverteilung nach dem Zellenmodell wird mit folgender Gleichung beschrieben:
)exp()!1(
)()(
1
NN
NNE
N
(3.26)
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11
Mit dem Modellparameter N, der Anzahl der fiktiven Zellen, kann durch Angleichung der
gemessenen mit der berechneten Verteilungskurve oder auch der aus den berechneten
Momenten der Verteilung der gemessenen Verteilung direkt angepasst werden. Im letzteren
Fall ist der Zusammenhang mit der Varianz aus dem Zellenmodell gegeben durch
N
12 (3.27)
Im Zellenmodell ist kein Stofftransport gegen den Konvektionsstrom möglich und
unterscheidet sich somit vom Dispersionsmodell. Ist die Dispersion gering, so fallen die
Modelle nahezu zusammen (Bo > 50).
Die zweiten Momente lassen sich verwenden, um eine Relation zwischen der Bodensteinzahl
(Gleichung 3.25) und der Anzahl der Rührkessel einer Rührkesselkaskade (Gleichung 3.27) als Ersatz
für einen nichtidealen Reaktor abzuleiten.
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12
4. Versuchsdurchführung
Für jeden Reaktortyp gibt es einen eigenen Wasserabsperrhahn. Der Hauptwasserhahn ist
lediglich so weit aufzudrehen, dass ein Durchfluss von maximal 120 l/h erreicht wird. Bitte
stellen Sie die vom Assistenten angegebenen Messbereiche am Leitfähigkeitsmessgerät vor
Versuchsbeginn ein, um Fehlversuche zu vermeiden. Die Grundleitfähigkeit des Wassers ist
vor jedem Versuchen zu ermitteln und im Protokoll zu dokumentieren.
Beim Wechseln der Messstecker ist das Gerät zuvor auszuschalten, die Zellkonstante zu
prüfen (befindet sich auf der Messzelle) und die Apparatur mit Sorgfalt zu behandeln. Die
Messdaten sind mit Durchsatz und Messbereich, Startzeitpunkt und Versuchstyp zu
kennzeichnen.
Die Auswertung erfolgt durch graphische bzw. numerische Integration. In beiden Fällen sind
die Zwischenschritte ausreichend zu dokumentieren.
5. Versuchsbedingungen
Rührkessel; 110 l/h; Reaktorvolumen 6,1 l
Rührkesselkaskade; 110 l/h; Reaktorvolumen 5 l
Strömungsrohr; 110 l/h bzw. 60 l/h; Reaktorvolumen 1,8 l
Strömungsspirale; 110 l/h bzw. 60 l/h; Reaktorvolumen 2 l
Bedienung des Leitfähigkeitsmessgerätes:
Einschalten: Taste On/Off
Einstellen der Zellkonstante C:
Taste C drücken bis in der zweiten Display-Zeile „.100 l/cm“ erscheint (fest eingestellte
Zellkonstante). Nochmals C drücken, dann erscheint die frei einstellbare Zellkonstante.
Einstellung mit der V – und der Λ – Taste.
Zurück zum Messen und der Temperaturanzeige mit der χ – Taste.
Messbereichauswahl
Durch wiederholtes Drücken der χ – Taste können verschiedene Messbereiche und
Auflösungen ausgewählt werden. Bei der Anzeige „SAL“ oder „TDS“ sind spezielle
Funktionen angewählt, die nicht benötigt werden.
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6. Protokoll
Das Protokoll ist exakt nach den auf der Homepage vorgegebenen Richtlinien zu verfassen.
Es besteht aus einem Theorieteil und einer Auswertung. Im Anhang müssen die originalen
Messdateien enthalten sein.
6.1. Theorie
In diesem Abschnitt soll die zu dem Versuch gehörige Theorie strukturiert dargelegt werden.
Die gegebenen Informationen der Versuchsbeschreibung sind nur ein Auszug und keinesfalls
ein vollständiger Theorieteil. Gleichwohl sind diese an geeigneter Stelle im eigenen Protokoll
zu integrieren.
6.2. Auswertung
In der Auswertung soll für alle Messungen und Reaktortypen folgende Tabelle angegeben
werden:
Reaktortyp σ²[s²] Bo N (berechnet)
(Anzahl der Rührkessel)
N (graphisch)
für 2 Versuche
Rührkessel 110
Rührkesselkaskade 110
Strömungsrohr 60
Strömungsrohr 110
Strömungsspirale 60
Strömungsspirale 110
Tabelle 6.1.: Ergebnisse der Versuche zur Verweilzeitverteilung
Alle verwendeten Formeln, Rechenschritte und Zwischenergebnisse müssen in der
Auswertung nachvollziehbar angegeben werden. Reine Ergebnisse werden als falsch
gewertet.
Weiterhin sollen folgende Diagramme erstellt werden:
Zu jedem Reaktortyp/Messung ist in einem einzelnen Diagramm E(t) gegen t aufzutragen
sowie und einzuzeichnen.
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14
In einem Diagramm sollen alle Reaktortypen verglichen werden. Ebenfalls E(t) gegen t
auftragen.
Diagramm zur graphischen Bestimmung von N mit einem geeigneten Versuchspaar.
Hinweis: Grundleitfähigkeit beachten!
6.3. Diskussion der Ergebnisse und Fehlerbetrachtung
Abschließend sollen die Ergebnisse eingeordnet, bewertet und mit den idealen Fällen
verglichen werden. Stellen Sie ggf. Abweichungen vom erwarteten Verhalten heraus und
begründen Sie diese. Insbesondere soll bei der Interpretation der Messergebnisse und den
daraus resultierenden Berechnungen die Modelle zur Berechnung realer Reaktoren
miteinander verglichen werden. Zudem soll der Zellenparameter N für ein Versuchspaar
sowohl graphisch, als auch rechnerisch verglichen werden.
In der Fehlerbetrachtung werden alle möglichen Ursachen für Messfehler herausgearbeitet
und ihr Einfluss auf das Ergebnis abgeschätzt. Eine genaue Fehlerrechnung kann, muss aber
nicht entwickelt werden.
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7. Literatur
[1] Vorlesung: Chemische Technik I, Karlsruher Institut für Technologie: Institut für
Technische Chemie und Polymerchemie
[2] Übung: Chemische Technik I, Karlsruher Institut für Technologie: Institut für Technische
Chemie und Polymerchemie
[3] Baerns, M.; Behr, A.; Brehm, A.; Gmehling, J.; Hofmann, H. ; Onken, U.; Renken, A.:
Technische Chemie, Wiley-VCH, 2006 (1 Band), ISBN 3527310002
[4] Baerns, M.; Hofmann, H. ; Renken, A. : Chemische Reaktionstechnik, Wiley-VCH, 2006
[5] Behr, A.; Agar, D.W.; Jörissen, J.: Einführung in die Technische Chemie, Spektrum-
Verlag, 2008
[6] Emig, G.; Klemm, E.: Technische Chemie – Einführung in die chemische Reaktions-
technik, Springer-Lehrbuch (ursprüngl. erschienen unter E. Fitzer, W. Fritz), 2005
[7] Dittmeyer, R.; Keim, W.; Kreysa, G.; Oberholz, A.; (Hrsg.) Winnacker·Küchler:
Chemische Technik Prozesse und Produkte, 5., erweiterte und aktualisierte Auflage, 2003-
2005. 9677 Seiten, 4661 Abbildungen. Gebunden. ISBN: 978-3-527-30430-1
8. Anmerkungen und Hinweise
Die Theoretischen Grundlagen zu dem Versuch sind der Vorlesung Chemische Technik I
und der angegebenen Literatur zu entnehmen. In der Versuchsvorschrift ist nur eine kurze
Zusammenfassung wiedergegeben.
Zur Integration werden Mathematikprogramme wie Kaleidagraph, Origin oder MathLab,
empfohlen.
Beachte: Die gemessenen Werte stellen keine mathematisch korrekte Verweilzeit-
verteilung E(t) dar. Deshalb muss bei der Berechnung der mittleren Verweilzeit eine
Normierung vorgenommen werden.
∞
∞
(Gl. 8.1.)