〔論文〕 弘前大学経済研究第 21号 November 1998
Beschaftigungssicherung durch At加itszei凶exibilisierung
Das Beispiel der Vo肱swagenAG
von Wolfgang Dorow本
I. Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland
II. Arbeitskosten und Tarifkartell als Belastungsfaktoren des Beschaftigungssystems
1. Arbeitskosten, Produktivitat und Arbeitslosigkeit
2. Tarifkartell und der Konflikt um Arbeitszeitverkiirzung
III. Arbeitszeitflexibilisierung als Loungsweg des Interessenausgleichs zwischen Arbeitgebem
und Arbeitnehmem
1. Zielsetzungen und Formen der Arbeitszeitflexibilisierung
2. Das Volkswagen-Modell der atmenden Fabrik
a) Die Ausgangssituation
b) Die klassischen Methoden der Personalanpassung
c) Die Volkswagen-Losung von 1993: Die 4-Tage-Woche
d) Die Implementation der 4-Tage-Woche
e) Die Weiterentwicklung zur Volkswagen-Woche im Jahr 1995
IV. Resiimee
* Prof. Dr. Wolfgang Dorow, Europa-Universitat Viadrina, Fra山fぽ t(Oder), Lehrstuhl ftir Untemehmensplanung,
Organisation und Personalwesen, Postfach 776, 15207 Frankfurt(Oder), Germany, F回:49-(0)335-5534-668
- 1 -
I. Arbeitsmarktentwicklung in Deutschlandiiao
Nach dem II. Weltkrieg schien es, als ob in Deutschland das Problem der Massenarbeitslosigkeit
prinzipiell iiberwunden ware. Bis 1970 lag die Arbeitslosigkeit stets unter 5 %. Wahrend in den jahren
1960 bis 1970 (bei 1 % Arbeitslosigkeit) Vollbeschaftigung herrschte und der groBe Bedarf an
Arbeitskrfilten zu einer enormen Zuwanderung von auslandischen Arbeitskraften fiihrte, stieg nach
1970 die Arbeitslosigkeit bis Mitte 1980 auf 10 %. Bemerkenswert ist, daB der steile Anstieg der
Arbeitslosigkeit nach 1970 in einer Zeit rnassiver staatlicher Unterstiitzungen bei hoher
Staatsverschuldung erfolgte. In Westdeutschland ist der Prozentsatz an Arbeitslosigkeit mit regionalen
und saisonalen Schwankungen bis 1998 nahezu unverandert geblieben. Die Wiedervereinigung
Deutschlands hat die Arbeitslosigkeit drarnatisch verscharft, wobei die Zahl der Arbeitslosen in
Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit 1991 Deutschland insgesamt
F.nde Februar 1998: 5,0 Mio ,--4,819 Million n l'.N8
(West: 3,214 Millionen, Ost: 1,605 Millionen)
4,5 Mio
4,0Mio
3,5 Mio
3,0 Mio
2,5 Mio
2,0Mio J M M J S N J1
Monat des jeweiligen Jahres
D januar des Folgejahres.
Quelle: in Anlehnung an F. A. Z. (Frankfurter Allgerneine Zeitung)-Grafik Heumann, FAZ vorn 6.
Marz 1998
Anmerkung: Zurn Zeitpunkt der Drucklegung dieses Beitrags im Oktober 1998 ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland nach offiziellen Angaben unter 4 Millionen gesunken. Die Reduktion der Arbeitslosigkeit beruht dabei im wesentlichen auf statistisch wirksamen, zeitlich begrenzten, staatlichen Arbeitsbeschaffungs・undQualifizierungsmaBnahmen. Regionale Verteilung der Arbeitslosigkeit in Deutschland-Februar 1998
- 2 -
Beschaftigungssicherung durch Arbeitszei凶exibilisierungDas Beispiel der Volkswagen AG
Regionale Verteilung der Arbeitslosigkeit也 Deutschland-Februar 1998
11,3%
22,4% 12,2%
17,5% 22,3%
13,8% 18,9%
25,0%
12,6%
21,8%
23,1%
11,1%
11,0%
13,8%
10,0%
8司8%
Monat des jeweiligen Jahres
i> Januar des Folgejahres.
Quelle: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt白rArbeit; 46. Jg. Nr. 3, Ntimberg, Marz 1998
(eigene Darstellung)
Ostdeutschland aufgrund der obsoleten Produktionsbedingungen im Februar 1998 auf 21,3 % gestiegen
ist. Insgesamt sind im Februar 1998 4,819 Millionen Arbeitslose gemeldet (3,214 Millionen in
Westdeutschland; 1,605 Millionen in Ostdeutschland) bei insgesamt 34 Millionen Erwerbstatigen im
o伍ziellenArbeitsmarkt in Deutschland.
Eine weitere drastische Veranderung der Struktur des Arbeitsmarktes hat sich im Bereich der
- 3 -
branchenorientierten Arbeitsplatzverteilung vollzogen. So ist die Zahl der Arbeitsplatze in der
Landwirtschaft von 1950 bis 1996 stetig zuriickgegangen (von ca. 5 Millionen auf weniger als 1
Million), wahrend die Zahl der Arbeitsplatze im Bereich Handel und Verkehr in diesem Zeitraum von
α. 2,5 Millionen auf 5,1 Millionen gestiegen ist. Von 1950 bis 1996 hat sich die Zahl der Arbeitsplatze
im Dienstleistungssektor erheblich erh凸ht:Von ca. 0,8 Millionen im Jahr 1950 aぱ ca.15 Millionen im
Jahr 1996, wahrend die Zahl im produzierenden Bereich allerdings mit erheblichen Schwankungen-nur
relativ geringfiigig von ca. 9 Millionen im Jahr 1950 bis auf 12 Millionen Arbeitspliitze im Jahr 1996
(einschlieBiich Ostdeutschland) angestiegen ist. Eine dramatische,益uBerstbesorgniserregende
Veranderung betrifft die Relation von Selbstandigen und abhangig Besch泊igten.Heute sind nahezu 90
% der Erwerbst tigen Beamte, Angestellte oder Arbeiter, nur noch 10 % Selbstandige mit
mithelfenden Familienangehorigen. Von 1950 bis 1996 ist die Zahl der Selbstandigen von 5,2 Millionen
auf 2,6 Millionen gesunken, wahrend sie noch in den Jahren 1925 bis 1939 bei gleichbleibend 10
Millionen lag.
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland zeigt allerdings erhebliche regionale, sektorale und professionale
Unterschiede in Deutschland. Wahrend im Siiden Deutschlands Unternehmungen im Bereich der
Hochtechnologie Arbeitsplatze schaffen, verlieren in Nord-und Ostdeutschland Branchen der Grundstoff
-, Bau-und Maschinenindustrie permanent Arbeitsplatze. In Nord-und Ostdeutschland ist die
Arbeitslosigkeit doppelt bis dreimal so hoch wie in Siiddeutschland. Jeder zweite Arbeitslose hat keine
abgeschlossene Berufsausbildung oder eine nicht mehr einsetzbare Qualifikation.
Die folgenden Abbildungen verdeutlichen die Arbeitsmarktentwicklung seit 1991 sowie die Verteilung
der Arbeitslosigkeit nach Regionen in Deutschland:
Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Entwicklung des Arbeitsmarktes ist zu仕agen,welche
spezifischen Faktoren der deutschen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung eine L凸sungdes
Arbeitsmarktproblems erschweren und welchen Losungsweg Unternehmungen in Deutschland
entwickeln kりnnen.Um diese Frage zu beantworten, werden zunachst die Arbeitskosten und das
Tarifkartell als Determinanten des Handlungsspielraumes der Unternehmungen diskutiert.
AnschlieBend wird der Losungsansatz der Volkswagen AG (AG = Aktiengesellschaft) zur Besch雄igungssicherungin der Arbeitsmarktkrise vorgestellt.
II. Arbeitskosten und Taritkartell als Belastungsfaktoren des Beschaftigungssystems
1. Arbeitskosten, Produktivitat und Arbeitslosigkeit
Die Volkswirtschaftslehre halt eine Reihe von konkurrierenden Erklarungskonzepten fiir die
Entstehung der Arbeitslosigkeit bereit. Die Olpreisschocks in den 70er Jahren, die Politik der
Geldwertstabilitat als Ausloser der Rezession, der ”post-war-baby-boom”und die zunehmende
Nach仕agenach Arbeitsplatzen durch weibliche Arbeitnehmer sowie die Wirkungen des sprunghaften
- 4 -
Beschaftigungssicherung durch Arbeitsze1凶以ibilisierungDas Beispiel d釘 VolkswagenAG
technologischen Fortschritts oder die Saturierungsthese werden beispielsweise als Erklarungsgro/3en
angeboten. Keine dieser Erklarungsgr凸/3enist jedoch ilberzeugend. Fur die Entstehung und die
Dauerhaftigkeit der Arbeitslosigkeit in Deutschland dilrften hingegen zwei Faktoren von besonderer
Bedeutung sein: (1) Die im internationalen Vergleich relativ hohen Arbeitskosten und (2) die
lnflexibilit語tdes Tarifkartells in Deutschland.
Die nachstehenden Abbildungen zeigen die Lohnentwicklung in Deutschland seit 1991 sowie einen
intemationalen Vergleich der Arbeitskosten:
Die Diskrepanz zwischen den Bruttoausgaben der Unternehmungen filr Lohnzahlungen und den
tatsachlichen-in den letzten jahren gesunkenen-Reallohnen der Arbeitnehmer hat sich stetig
vergrり/3ert.Die schwierige Lohnsituation zeigt sich an folgendem Beispiel: Obgleich es zur Zeit fast
400.000 arbeitslose Bauarbeiter gibt, fordert die lndustriegewerkschaft Bau filr ihre 1,3 Millionen
4.500DM
brutto
4.000DM 4.200DM
3.000DM
net to 2.710DM
real 2.285DM
Quelle: Die Zeit, Nr. 10 vom 26.02.1998
Arbeitskosten international
Arbeitskosten je Arbeiter-Stunde in der Verarbeitenden lndustrie 1995 in DM
50. 00 r
・10. 00 口同rsonalzusa包lαt朋
30. 00
20. 00
JO.。。0. 00
D CH B N A DK SF NL J L S D F USA I CON E AUS GB IRL GR P
(W) (0)
Quelle: in Anlehnung an IWD日WD= Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Nr.
18 vom 02.05.1996, Jg. 22, S. 3
pa
Mitglieder jetzt eine Lohnerhりhungvon 4 %, um die Reallohnabsenkung aufzufangen. Da marginal巴
Unternehmungen diese Kostensteigerung nicht verkraften konnen, ist mit einer weiteren Zunahme an
Arbeitslosigkeit zu rechnen. Deutsche Bauunternehmungen tragen im europaischen Vergleich die
hりchsteLohnbelastung. Sie ist dopp巴Itso hoch wie in Frankreich und dreimal so hoch wie in Spanien.
Die hohen Kosten fiir die Unternehmungen resultieren aus der iiberproportionalen Steigerung der
Lohnzusatzkosten seit 1970. W詰hrendder Nettolohn des A工beitnehmersnur 14,77 DM betr詰gt,liegen
die Arbeitskosten fiir den Arbeitgeber bei 54,52 DM je Arbeitsstunde. Hohere Dir巴ktlohnesind nur
mりglich,wenn die Lohnzusatzkosten 【lurcheine Reform des Sozialversicherungssystems gesenkt
werden.
Di巴 folgendeAbbildung verdeutlicht die Relationen von direkten Lりhn巴nund Lolmneb巴nkostenin
WestべmdOstdeutschland:
In einer Marktwirtschaft kann sich der Produktionsfaktor Arbeitsleistung-wie andere
Produktionsfaktoren auch-letztlich nicht dem Preismechanismus entziehen. W巴nnsich in der
Personalkosten im Produzierenden Gewerbe Westdeutschlandsl)
-DM je Arbei回ehmerund Jahrー
100,αXJ
m,αXJ・
Jahre剖U「出schnitt
ZlM廊オ)S悶ten19花/1渓あ:
口r依t伺 1伊It: 5,1 %
Zu田包k田 1四 6,8%
N凶 tsk田 t凹 5,8%印,α氾
σ9,2)
40,αXJ ・ー
20,αXJ
。NhoF
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∞ドOF
F
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∞∞αF
寸∞∞F
NO∞F
的。αF寸∞OF
ωOOF
1972 1975 1978 1981 1984 1988 1992 1993 1994 1995
Arbeitskosten insg. 22.928 31.105 38.443 46.729 53.988 62.057 75.197 77.450 80.200 83.770
Direktentgelt 14.737 18.776 22.603 26.630 30.131 34.383 41.671 42.950 44.500 46.510
Zusatzkosten 8.191 12.329 15.840 20.099 23.857 27.674 33.526 34.500 35.700 37.260
ll Unternehmen mit 10 und mehr Beschaftigten.
2> In Prozent des Direktentgelts
Quelle: Statistisches Bundesamt; entnommen aus Hemmer, E.: Oberdurchschnittliche Dynamik in
Ostdeutschland. In: Arbeitgeber, Jg. 48, Nr. 9, 1996, S. 283
- 6一
Bescha丘igungssicherungdurch Arbeitsze1凶exibilisierungDas Beispiel der Volkswagen AG
Personalkosten im Produzierenden Gewerbe Ostdeutschlands1'
-DM je Arbeitnehmer und Jahr -
100 000
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(Pe rs onalz usatzkos le nquote )2>
80,000
66,3
67 8 66 s I
Zusatzkosten 40,000
20,000
。1992 1993 1994 1995
1992 1993 1994 1995
Arbeitskosteninsg. 41.494 49.000 55.340 60.420
Direktentgelt 24.957 29.380 32.980 35.560
Zusarzkosten 16.537 19.620 22.360 24.860
1> Unternehmen mit 10 und mehr Besch油igten. 2> 1n Prozent des Direktentgeltes
Quelle: Statistisches Bundesamt; entnommen aus Hemmer, E.: Dberdurchschnittliche Dynamik in
Ostdeutschland. In: Arbeitgeber, Jg. 48, Nr. 9, 1996, S. 283
Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Gleichgewicht zwischen den
Forderungen und Leistungszusagen hinsichtlich des Preises fiir Arbeitsleistungen einstellt, entsteht
Arbeitslosigkeit. Der Gleichgewichtspreis ist dabei von den Preisen fiir substitutive
Produktionsfaktoren abhangig. Wenn kostengiinstigere Alternativen zur Arbeitsbeziehung vorhanden
sind, reagieren Arbeitgeber auf zu hohe Lohnforderungen mit der Abwanderung aus der
Arbeitsbeziehung. Sie werden z.B. Internationalisi巴rungschancennutzen und Arbeits-pl語tzeim Ausland
aufbauen und/oder Arbeitsleistungen im Inland <lurch Maschinenleistung
叩 de伍zientereOrganisationsstrukturen ersetzen.
2. Tarifkartell und der Konflikt um Arbeitszeitverkiirzung
Tarifvertrage werden in Deutschland <lurch Arbeitgeberverbande und Industriegewerkschaften zentral
ausgehandelt. Es sind Flachentarifvertrage, die fiir alle Mitglieder der Koalitionen gelten. Die
Regierung hat die Mりglichkeit,Tarifvertr話geauch fiir nicht angeschlossene Arbeitgeber und
Arbeitnehmer fiir allgerneinverbindlich zu erk!通ren,hat dies allerdings nur in sehr seltenen Fallen
praktiziert.
Durch <las Warnstreikurteil von 1976 ist die sogenannte”Waffengleichheit”zwischen den Tarifpartnern
zuungunsten der Arbeitgeber verschoben worden. Seit 1976 k凸nn巴ndie Gewerkschaften in
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Tarifverhandlungen <lurch Warnstreiks und verki.irzte Friedenspflicht verstarkten Druck auf die
Arbeitgeber ausiiben, wobei gleichzeitig <las Recht auf Ausspemmg von Arbeitnehmern eingeschrankt
wurde. Allerdings wurde auch die Moglichkeit der Finan-zierung von Streiks <lurch Steuergelder in
Form von Zahlungen der Bundesanstalt fi.ir Arbeit fiir Arbeitnehmer auBerhalb des bestreikten
Tarifbezirkes, die aufgrund von Streiks beschaft:igungslos wurden, beendet. Da dies die Streikkosten
der Gewerkschaften in Deutschland potentiell erhoht, wurde von den Gewerkschaften die Strategie der
Warnstreiks, der Schwerpunktstreiks und der rollenden S仕eiksausgebaut.
Die Lohnh凸henund sonstigen Arbeitsbedingungen werden in Deutschland nicht durch Arbeitsangebote
einzelner Arbeitgeber(gruppen) und Arbeitsnachfrage einzelner Arbeitnehmer(gruppen) am Markt
reguliert. Sie sind Folge der von Verbandsinteressen beeinfluBten Tarifaushandlungen zwischen
Arbeitgeberverbanden und Gewerkschaften, in denen Streikdrohungen und Abwanderungsdrohungen
eine zentrale Rolle spielen. Statt der bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit zu erwartenden
Lohnstabilisierung oder-reduzierung, setzten Gewerkschaften zwischen 1970 und 1984 Lohnerh凸hungen
iiber dem Produktivitatsfortschritt durch (vgl. folgende Abbildung).
Die IG Metall (IG = Industriegewerkschaft) versuchte erstmalig, aber vergeblich, 1978 den Einstieg in die 35-Stunden-Woche zu erreichen. Danach beherrschte 10 Jahre lang das Ziel der Durchsetzung der
Reallohn und Prod也 ti吋tatje Stunde in Westdeutschland
Index 1970 = 100
220
200
180
160
140
120
100
Cト、コ EトW. ト守‘
且’EE--.Ha
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<D 00 0 N 寸 CD 00 0 N マド h 00 00 00 00 00 0) 0) CJ')
Quelle: Vgl. Stille, F JR. Zwiener: Arbeits-und Betriebszeiten in Deutschland: Analysen zu
Wettbewerbsfahigkeit und Beschaftigung. Berlin, Duncker und Humblot, 1997
(Sonderheft/Deutsches Institut白rWirtschaftsforschung; Nr. 160, S. 97)
35-Stunden-Woche die tarifpolitische Auseinandersetzung. Nach einem massiven, sechswochigen
Arbeitskampf im Jahr 1984 wurde der erste Schritt der Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38,5
Stunden ab April 1985 erreicht. Es folgte die stufenweise Reduzierung der Arbeitszeit bis zur
Einfiihrung der 35-Stunden-Woche im Jahr 1995 in der Metall-und der Druck-und Medien-Branche. Die
Gewerkschaftsstrategie der Arbeitszeitverkiirzungen beruhte auf der These, daB die Arbeitgeber die
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Beschfiltigungssicherung durch Arbeitszei凶exibilisierungDas Beispiel der Volkswagen AG
<lurch Arbeitszeitverkiirzung freigewordenen Arbeitsvolumina <lurch neue Arbeitsplatze abdecken.
Tats詰cblichsetzten aber allmiihlich in den Unternehmungen Rationalisierungsprozesse ein, marginale
Unternehmun-gen verlieo13en den Markt und die Auslagerung der Produktion in <las kostengiinstigere
Ausland verstarkte sich. Der behauptete positive Beschaftigungseffekt <lurch Arbeitszeitverkiirzung
blieb somit aus. Die Unternehmungen bauten”organizational slack" ab und bewaltigten Auftragsspitzen
<lurch Dberstundenarbeit trotz erheblicher Zuschlage. Tatsachlich hat die Arbeitszeitverkiirzung neben
anderen Faktoren wie hohe Steuersatze und hohe Lohnnebenkosten dazu beigetragen, die
Schattenwirtschaft in Deutschland erheblich zu vergr613ern. Der Anteil der Schattenwirtschaft am
Bruttoinlandsprodukt wird gegenw訂tigauf 15 % (565 Milliarden DM) gesch語包t.
Das zentralistische Modell der Tarifaushandlung fiihrte in Deutschland zu einer Nivellierung der
Lohnhohen und Arbeitsbedingungen iiber Branchen, Branchensegmente, Regionen und Qualifikationen
hinweg. Es entstanden normierte Arbeitsverh通ltnisse,die nach und nach von allen Gewerkschaften
durchgesetzt wurden. Durch Ausbandlung von Sockelbetragen wurden unabhangig von
Tarifliche Jahres-Sollarbeitszeit eines Industriearbeiters 1996 in Stunden
Arbcitszciten international in Stundcn
Westdeutschland
Dtlnemark
Ostdeutschland 695
Niederlanclc I 1722
Osterreich
Nornegcn 11 0
It alien I 1752
Frankreich
GB
]コドド円88 Spanien
Sch¥¥Cdell
I 1848
I I 18l8
Griechenlancl
Japan
I I 8;58~ Sch、、eiz
Portugal
USA I 1912
I 000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 I 700 1800 1900 2000
Quelle: in Anlehnung an IWD, Nr. 27 vom 03.07.1997, Jg. 23, S. 3
- 9 -
Leistungsdifferenzen niedrige Lohngruppen angehoben. Dies bewirkte aber,白Bgerade die einfachen
Tatigkeiten der unteren Lohngruppen durch Automatisierung ersetzt wurden und der Arbeitsplatzabbau
vers凶rktwurde.
Die Leistungszusagen des Arbeitgebers wurden nicht nur durch Lohnsteigerungen und
Arbeitszeitverkiirzungen bei vollem Lohnausgleich, sondern auch durch eine Steigerung der
Urlaubstage immer starker in Anspruch genommen. Dies bedeutete einen weiteren Anreiz fiir
RationalisierungsmaBnahmen.
Die folgende Abbildung gibt einen Uberblick iiber die Entwicklung der Wochenarbeitstage,
Wochenarbeitszeiten, des Jahresurlaubs, der tariflichen und tatsachlichen Jahresarbeitszeiten unter
Beriicksichtigung von Mehrarbeit, Krankheit und iibrigen Ausfallstunden. Es folgt ein internationaler
Vergleich der Jahresarbeitszeiten.
1960 1970 1974 1980 1984 1990
Tarifliche Vorgaben: 5,5 5,0 5,0 5,0 5,0 5,0
Wochenarbeitstage dis 44,6 41,5 40,8 40,1 40,0 38,5
Wochenarbeitszeit h/s 15,5 21,2 23,7 27,3 29,9 30,7
Jahresurlaub cl/a
Tarifliche jahrliche Arbeitszeit h/a 2.12 1.89 1.83 1.78 1.76 1.67
+ Mehrarbeitsstunden h/a 95 157 116 74 60 64 -Ausfallstunden durch Krankheit h/a 113 109 107 101 78 82
-Ubrige Ausfallstunden勺h/a 5 16 12 13 14 9
Tats achliche Jahres-arbeitszeit h/a 2.10 1.93 1.82 1.75 1.72 1.64
In vH der tariflichen Jahresarbeitszeit
Mehrarbeit 4,5 8,3 6,3 4,5 3,7 4,2
Krankheit 5,3 5,7 5,8 6,1 4,8 5,5
Ubrige Ausfallstunden 0,2 0,8 0,7 0,7 0,9 0,2
Tats achliche Jahres- 98,9 101,7 99,8 97,9 98,2 98,4
arbeitszeit
Nachrichtlich: Vollzeitarbeitnehmer (1000) 20.85 21.22 20.55 21.63
Arbeitnehmer insgesamt (1000) 20.07 22.13 22.94 23.81 23.25 25.45
* > Kurzarbeit, Schlechtwetter, Arbeitskampf, Arbeitszeitvariation, Erziehungsurlaub. Geringe Differenzen durch Runden der Zahlen. h = Stunden; d = Tag; s = Woche; a = Jahr. Quellen: IAB; Berechnungen des DIW.
Quelle: Vgl. Stille, F JR. Zwiener: Arbeits-und Betriebszeiten in Deutschland: Analysen zu
Wettbewerbsf higkeit und Besch仕igung.Berlin, Duncker und Humblot, 1997
(Sonderheft/Deutsches Institut血rWirtscha丘sforschung;Nr. 160, S. 12)
- 10一
1994
5,0
37,8
31,0
1.66
51
72
19
1.62
3,7
5,2
0,5
97,6
21.20
25.57
Beschaftigungssicherung durch Arbeitszeitflexibilisierung Das Beispiel der Volkswagen AG
Der Handlungsspielraum des Arbeitgebers gegentiber dem Arbeitnehmer wird dariiber hinaus durch
arbeitsrechtliche Regeln und die Mitbestimmungsgesetze stark eingeengt. Diese zum Schutz des
Tariflicher Jabresurlaub in Westdeutschland
1957 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990. 1995
Soviet Prozent der Arbeitnehmer batten 1995 einen jahresurlaub von ... Wochen:
Westdeutschland Ostdeutschland
4 bis unter 5
5 bis unter 6
6 oder mehr
Quelle: IWD, Nr. 41 vom 10.10.1996, Jg. 22, S. 1
Arbeitnehmers entwickelten Rechte wirken aber als zusatzlicher, negativer Anreiz fiir den Arbeitgeber,
neue Arbeitsplatze zu schaffen. Die Zahl von arbeitsrechtlichen Klagen gegen den Arbeitgeber ist
permanent gestiegen, wobei der Arbeitgeber grundsatzlich die Kosten von Klagen des Betriebsrates
gegen ihn zu位agenhat. Hinzu kommen hohe Abfindungszahlungen bei Entlassungen. Die Inflex.ibilitat
des Beschaftigungssystems (Ktindigungs schutzrechte; Abfindungen) hat heute die Auswirkung, daB der
Arbeitgeber dazu tendiert, den AbschluB von Dauerarbeitsplatzen zu vermeiden und durch Vertrage
der sogenannten”Scheinselbstandigkeit”oder durch”geringfilgige Beschaftigungsverhaltnisse”zu
ersetzen, um auf diese Weise Flexibilitat wiederzugewinnen.
Die Wiedervereinigung Deutschlands hat die Gesamtarbeitslosigkeit dramatisch erhoht. Die mangelnde
Investitionsneigung der Arbeitgeber in Ostdeutschland hat komplexe Griinde: Kapitalknappheit lokaler
Firmengrtinder, unklare Eigentumsverhaltnisse, strenge Umweltschutzauflagen, extrem lange,
btirokratische Beantragungsverfahren, mangelnde Bereitschaft zum Aufbau von
Unternehmungskooperationen, Infrastrukturprobleme, technologische Lticken und eine Unterschatzung
一日一
der Bedeutung von MarketingmaBnahmen erschweren Unternehmungsgriindungen und damit die
Schaffung von Arbeitsplatzen in Ostdeutschland.
Die immer intensiver ausge仕ageneoffentliche Diskussion iiber die Handhabung der Arbeitslosigkeit ist
auBerordentlich emotional aufgeladen. Nur langsam entwickelt sich die Bereitschaft,
betriebswirtschaftliche Analysen der Beschaftigungskosten und-bedingungen zur Kenntnis zu nehmen
und sich an erfolgreichen Losungsansatzen anderer Lander zu orientie・ren.In der凸ffentlichen
Diskussion besteht immer noch die Vorstellung, die knappen Arbeits-platze durch eine weitere
generelle Arbeitszeitreduzierung auf eine hOhere Zahl von Arbeit・nehmernzu verteilen. Hierzu geh凸此
die jiingst erhobene Forderung nach einer 32-Stunden-Woche durch die Industriegewerkschaft Metall,
die allerdings (noch) nicht mit einer Forde-rung nach Lohnausgleich verbunden ist.
Die standig steigende Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands entwickelte sich zu
einer Bewahrungsprobe釦rdas Tarifvertrags-und Mitbestimmungssystem. Zu Beginn der 90er Jahre
wurde immer deutlicher, daB die Politik der starren Arbeitszeitverkiirzungen nicht weiter verfolgt
werden kann. Die Arbeitgeber forderten zunehmend, die Nachteile der Arbeitszeitverkiirzungen durch
eine Arbeitszeitflexibilisierung auszugleichen. Der Konflikt um die Arbeitszeitverkiirzung verwandelt
sich in einen Koぱliktum Arbeitszeitflexibilisie-旦旦g.
Um eine Arbeitszeitflexibilisierung zu erreichen, war es aber notwendig, die bisherigen starren
Flachentarifvertrage mit Normalarbeitszeiten fiir eine Flexibilisierung zu offnen. Die sogenannten
tariflichen”O曲mngsklauseln”sollenes den Arbeitgebern erm凸glichen,betriebsbezogene Losungen der
Arbeitszeitflexibilisierung mit den Betriebsraten auszuhandeln. Der in die Betriebe verlagerte
AushandlungsprozeB um die Flexibilisierung hat die Konfliktaustragungskosten erhoht und teilweise zu
einer Spaltung zwischen Betriebsraten und Belegscha丘gefiihrt.
III. Arbeitszeitflexibilisierung als Losungsweg des Interessenausgleiches von Arbeitgebem und Arbeitnehmem
1. Zielsetzungen und Formen der Arbeitszeitflexibilisierung
In fast allen ab 1984 abgeschlossenen Tarifvereinbarungen iiber verkiirzte Wochenarbeitszeiten konnten
die Arbeitgeber die Aufnahme von Regelungen durchsetzen, die eine Arbeits-
zeitflexibilisierung erm凸glichen.Allerdings war der Spielraum白rArbeitszeitflexibilisierung bis 1993
auBerst begrenzt, da im allgemeinen eine Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes nur innerhalb einer
Woche erfolgen konnte. Seit 1993 haben sich jedoch die tariflichen und gesetzlichen
Rahmenbedingungen der Arbeitszeit erheblich verandert. Der Anteil der Beschaftigten in
Normalarbeitszeit ist seitdem erheblich zugunsten flexibler Arbeitszeiten gesunken. Im Jahr 1995 sind
bereits 83% der westdeutschen und 75 % der ostdeutschen Arbeitnehmer nicht mehr in einem
Normalarbeitszeitverhaltnis tatig. Als Formen der Flexibilisierung dominieren Uberstundenarbeit mit
- 12 -
Besch説igungssicherungdurch Arbeitszei凶凶ibilisiぽ llllgDas Beispiel der Volkswagen AG
Jahresarbeitszeitkonten, Schicht-und Nachtarbeit, Wochenendarbeit, Gleitzeitarbeit, Teilzeitarbeit und
Vorruhestandsregelungen. Andere Konzepte wie”Sabbaticals", Mehrjahresarbeitszeitkonten und Job
sharing spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle in deutschen Unternehmungen.
Die Einftihrung flexibler Formen der Arbeitszeit kann allerdings nicht nur auf die rigorosen
Arbeitszeitverkiirzungen zuri.ickge釦hrtwerden, sondern beruht letztlich auf generellen wirtscha立lichen
und gesellschaftlichen Veranderungen der vergangenen Jahrzehnte. Dabei verfolgen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sowie die jeweiligen Koalitionen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbande) nicht
grundsatzlich konfliktare, sondern teilweise durchaus kongruente Zielvorstellungen.
Zu den wirtschaftlichen Grunden der Arbeitszeitflexibilisierung zahlt die Verscharfung der
Wettbewerbssituation durch Globalisierung, die Ausdehnung des Dienstleistungssektors und die
Abl凸sungtayloristischer Arbeitsmethoden durch flexible Organisationsstrukturen durch hoch-
technologisierte Produktionskonzepte, die eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bedingen. Im
gesellschaftlichen Bereich hat sich ein Wertewandel vollzogen, der eine starke auf individuelle
Lebensbediirfnisse ausgerichtete Gestaltung von Arbeitszeiten beansprucht. Gleichzeitig wird eine
Absicherung des Arbeitsplatzes bzw. des Arbeitseinkommens gefordert, die ohne
Arbeitszeitflexibilisierung nicht mehr m凸glichist.
Die lnteressen der Arbeitgeber an der Arbeitszeitflexibilitat beziehen sich auf drei Bereiche:
(1) Durch eine Entkopplung von individueller (verkiirzter) Arbeitszeit und der Betriebszeit soll eine
erh凸hteBetriebszeit erreicht werden.
(2) Durch flexiblere Jahres-oder Mehrjahresarbeitszeiten soll eine verbesserte Anpassung an saisonale
und konjunkturelle Auftragslagen der Unternehmen erreicht werden.
(3) Normalarbeitsverhaltnisse mit hohen Kosten sollen durch kostengiinstigere flexible Formen der
Arbeitszeit ersetzt werden, da-wie oben gezeigt-die im internationalen Vergleich sehr hohen
Arbeitskosten bei gleichzeitig sehr niedrigen Soll-Jahresarbeitszeiten die internationale
Wettbewerbsfahigkeit erheblich einschranken.
Da sich die Gemeinschaft der Arbeitnehmer durch unterschiedliche Professionalisierung und
Lebensanspriiche immer starker differenziert, sind-wie eine Reihe empirischer Untersuchungen belegen
-die Interessen der Arbeitnehmer an der Flexibilisierung hochst inkonsistent. Gemeinsam ist zwar der
Wunsch nach erh凸hterZeitsouveranitat, aber die individuelle Konkretisierung f剖Itunterschiedlich aus.
Vorstellungen hinsichtlich von Partizipation und Selbstverwirklichung im Beruf sowie unterschiedliche
private Interessen im Familien-und Freizeitbereich, die auch mit dem Lebensalter variieren, fiihren zu
individuell divergierenden Praferenzen der Arbeitszeitflexibilisierung. Je gr凸Berdie zeitliche
Dispositionsfreiheit ftir den einzelnen Arbeitnehmer ist, desto gr凸βerist die Moglichkeit der
Realisierung eigener Interessen. Sofern Arbeitnehmer an unterschiedlichen Arbeitszeiten interessiert
sind, besteht die Moglichkeit, die Arbeitnehmerinteressen mit dem Arbeitgeberinteresse an
verlangerten Betriebszeiten in Ubereinstimmung zu bringen. Eine am Lehrstuhl fiir
9d
,,a・
Unternehmensplanung, Organisation und Personalwesen der Europa Universitat Viadrina durchge釦hrte
Untersuchung in einem groBen ostdeutschen Elektrizitatswerk hat jedoch gezeigt, daii die
Arbeitnehmerinteressen durchaus noch sehr homogen ausfallen konnen. Die Arbeitnehmer entschieden
sich fast ausnahmslos, den friihestmoglichen Arbeitsbeginn und das friihestm凸glicheArbeitsende zu
w泊ilen.Die vom Arbeitgeber gewiinschte kundenorientierte Betriebszeitverlangerung kann folglich nur
durch Einschrankung der Dispositions仕eiheiterreicht werden.
Ziel der Gewerkschaften ist, durch Flachentarifvertrage eine einseitige, nur den Interessen der
Arbeitgeber dienende Arbeitszeitflexibilisierung zu verhindern. Vor allem sind die Gewerkschaften・ an
beschaftigungswirksamen Arbeitszeitmodellen, wie z.B. vermehrte Teilzeitarbeit, interessiert. Die
Arbeitgeberverbande sind dagegen interessiert, tarifliche Regelungen zu vereinbaren, die weitere
Lohnkostensenkungen erm凸glichen.Gemeinsames Interesse von Gewerkschaften und
Arbeitgeberverband ist es, den Fortbestand des iibertariflichen, flachen deckenden Tarifvertragssystems
zu sichern, da es die beiderseitige Legitimationsgrundlage liefert.
Der Flachentarifvertrag entwickelt sich aber zunehmend zu einem Konfliktgegenstand fiir einzelne
Unternehmungen. Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere in Ostdeutschland. Obwohl das
Lohnniveau in Ostdeutschland um ca. 10,5 % niedriger ist als in Westdeutschland und die w凸chentliche
Arbeitszeit 38 Stunden (in der Metallindustrie) betragt, scheren kleine und mittlere Unternehmungen
zunehmen aus dem Tarifkartell aus, um nicht an die Tarifvertragsbedingungen gebunden zu sein. Im
Bereich”Ostmetall”sind es schon jetzt nur noch ca. 400 Betriebe mit 80.000 Beschaftigten, die dem
Arbeitgeberverband angeh凸ren.Arbeitgeberverbande und Gewerkschaften sind daher gezwungen,
tarifliche Offnungsklauseln fiir betriebsbezogene Losungen zu formulieren. Da aber eine
betriebsbezogene Arbeitszeit-flexibilisierung die Delegation von Regelungskompetenzen an die
einzelnen Arbeitgeber und Betriebsrate erfordert, stehen Arbeitgeberverbande und Gewerkschaften
insofern vor dem Problem, ihre Verbandsautoritat schrittweise zu verlieren. Hier entsteht ein
komplexes Konfliktfeld zwischen Arbeitgeberverband, Gewerkschaften, einzelnen Arbeitgebem und
Betriebsraten. Ein aktuelles Beispiel liefert die Fa. Viessmann, die mit ihrem Betriebsrat bei voller
Zustimmung der Arbeitnehmer eine Verlangerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden ohne
Lohnanhebung ausgehandelt hat. Gegen diese Betriebsvereinbarung hat die Industriegewerkschaft
Metall erfolgreich geklagt.
Trotz der Interessenkonflikte um Formen und AusmaB der betriebsbezogenen Arbeitszeit-
flexibilisierung wird sie als Losungsansatz fiir die Sicherung der Wettbewerbsfahigkeit der
Unternehmungen und der Erfiillung der differenzierten Arbeitnehmerinteressen gesehen. Die
Gewerkschaften bekampfen aber stark bestimmte Formen der Flexibilisierung, wie vor allem die *
berstundenarbeit, da sie Zusatzbesch*ftigung verhindert. Formen, die Besch*ftigungswirkungen
vermuten las sen, wie z.B. Vorruhestandsregelungen und Teilzeitarbeit, werden von den
Gewerkschaften durchaus unters凶包t.
Vorreiter eines weitreichenden Modells der Kombination von Verkiirzung und Flexibilisierung von
duτ ,,ι
Beschliftigungssicherung durch Aぬeitsz目tflexibilisierungDas Beispiel dcr Volkswagen AG
Arbeitszeit, das sowohl Arbeitgeber-als auch Arbeitnehmerinteressen in partielle Dbereinstimmung
bringt, ist das Volkswagen-Modell der atmenden Fabrik. Dieses Modell wird im folgenden in
seinen Grundziigen dargestellt.
2. Das Volkswagen-Modell der atmenden Fabrik
a) Die Ausgangssituation
Das umfassendste und am starksten beachtete Modell der Umstrukturierung von Arbeitszeit hat die
Volkswagen AG im Jahr 1993 entwickelt. Bei einem weltweiten Kapazitatsiiberhang von ca. 10
Millionen Einheiten bei einer Weltjahresproduktion von ca. 39 Millionen Auto-mobilen setzte zu Beginn
des Jahrzehnts ein globaler Verdrangungswettbewerb der Auto-mobilindustrie ein, der mit einer
Schrumpfung des Absatzmarktes in Deutschland und Europa zusammen自el.Hinzu kamen die durch
jahrzehntelange Personalhortung entstandenen be-甘ieblichenStrukturprobleme, die die Volkswagen AG
zu einschneidenden Mallnahmen der Kostensenkung und Produktivitatsverbesserung zwangen. Die
MIT-Studien iiber”Die zweite Revolution in der Automobilindustrie”l zeigte deutlich die niedrigere
Arbeitsproduktivitat der europaischen Automobilindustrie gegeniiber der japanischen Konkurrenz auf.
Um diesen Riickstand aufzuholen, sah sich Volkswagen mit dem Problem konfrontiert, in den Jahren
1994 und 1995 einen Personaliiberhang von ca. 30.000 Arbeitnehmern bei einem
Beschiiftigungsszenario: Die Prognose von 1993 hat sich bestatigt
Beschiiftigungsszenario vor Volkswagen Model
103.000
Tatsiichliche Entwicklung 1993-1996
103.000
Prognose: -30 %
Personalkapazitat ぬ田
4・Tage-W国治e
1st: -29%Beschaftigungs-anpassung iiber Ar-beitszeitmodelle und
nicht arbeitsmarkt-wirksame Aus仕itte
73.000 ぬm
""'官、 ge.W低he
1993 Bedarf End巴1995
1993 Personal-bedarf 1996
Quelle: Hartz, P.: Das atmende Untemehmen. Jeder Arbeitsplatz hat einen Kunden. FrankfurνMain,
New York. Campus, 1996, S. 21
1 Womack, ]./Jones, D. T JRoss, D.: The machine that changes the world. New York 1990: Rawson
kd
,,A
Gesamtpersonalbestand von 100.000 Arbeitnehmern in Deutschland abzubauen. Eine genaue
Ursachenanalyse ergab, daB der Personalilberhang zu zwei Dritteln auf organisatorische und
produktionstechnische Ine伍zienz,zu einem Drittel auf den Konjunktureinbruch zurilckz凶血renist. Die
folgende Abbildung vergleicht die Beschaftigungsentwicklung der Volkswagen AG ohne und mit der 4-
Tage-Woche.
b) Die klassischen Methoden der Personalanpassung
Die klassischen, in Deutschland tiber alle Branchen hinweg angewandten Instrumente der
Personalanpassung sind:
(1) Personalabbau <lurch m凸glichstsozialvertragliche MaBnahmen, wie z.B. Vorruhestands-regelungen
oder Aufhebungsvertrage
(2) Einsatz von Kurzarbeit mit Zuschlagen und staatlichen Ausgleichszahlungen
(3) Massenentlassungen auf der Basis von Sozialplanen
Alie drei Instrumente wurden von der VW (Volkswagen) AG aus folgenden Grunden ausgeschlossen:
Bereits Ende der 80er jahre wurde der Personalbestand in den deutschen Werken von 130.000
Mitarbeitern auf 100.000 Mitarbeiter durch Vorruhestandsregelungen, Aufhebungsvertrage und
Fluktuation reduziert. Fur diese MaBnahmen gab es daher weder ein ausreichendes
Mitarbeiterpotential noch konnte die VW AG die damit verbundenen seit 1995 gesetzlich erh凸hten
Entschadigungszahlungen leisten.
Da Kurzarbeit in Deutschland gesetzlich auf zwei Jahre befristet ist, bietet sie keine langfristige
L凸sungfur den Personaltiberhang.
Das世itteInstrument der Massenentlassung auf der Basis eines Sozialplanes wollte die
VW AG gesellschaftspolitisch nicht verantworten und hatte auch erheblichen okonomischen Schaden
verursacht, da wertvolles Humankapital dauerhaft verloren gegangen ware.
Der Weg aus der Beschaftigungskrise war insofern nur mit Hilfe eines innovativen Konzeptes zu
finden.
c) Die Volkswagen-Losung von 1993: Die 4-Tage-Woche
Um einen Orientierungspunkt fur die L凸sungder Beschaftigungsproblematik zu gewinnen, wurde eine
unternehmungspolitische Leitidee entwickelt, die als”'Neue Zumutbarkeit'’definiert wurde. Danach
werden vier Zumutbarkeitsdimensionen den Rahmen filr die ktinftigen VW-Arbeitssysteme ziehen: Eine
materielle, eine funktionale, eine geographische und eine soziale Dimension. Zweck der Setzung dieser
neuen Zumutungen ist die Sicherung von Arbeitsplatzen, die ohne Anspruchsreduzierungen der
KU
,,a・
Beschaftigungssicherung durch Arbeitszeitflexibilisierung Das Beispiel der Volkswagen AG
Arbeitnehmer nicht verwirklicht werden kann.
Die materielle Zumutbarkeitsdimension bezeichnet eine mit kilrzeren Arbeitszeiten einhergehende
degressive Einkommensminderung, die zu akzeptieren ist, wenn auf Entlassungen verzichtet werden
soll. Die funktionale Dimension bezieht sich auf die Notwendigkeit einer permanenten Qualifizierung
白rneue Tatigkeiten einschlieBlich der Umschulung von Angestellten釦rproduktionsnahe Tatigkeiten.
Die geographische Dimension nutzt das Arbeitsplatzpotential benachbarter Werke aus, so daB ein
geographischer Arbeitsplatzwechsel zuzumuten ist. Die soziale Dimension zielt auf die O飴mngdes VW
-Arbeitsmarktes filr eine breitere Gemeinschaft, indem einzelne Gemeinschaftsmitglieder Arbeit
zugunsten anderer Mitglieder abgeben.
Diese vier Dimensionen flankieren das Ziel der Personalreduzierung bei gleichzeitiger
Besch雄 igungssicherung.
Im November 1993 nahm die VW AG Tarifverhandlungen mit der IG Metall auf, um das Ziel einer
Arbeitszeitverkiirzung olme vollen Entgeltausgleich verbunden mil Fonnen der Arbeits-zeitjlexibilisiemng釦r
die gesamte Belegschaft durchzusetzen.
Das Gesamtkonzept der VW AG umfaBt drei Bausteine:
(1) Das Modell”ALLE”-die 4-Tage-Woche
Das Schwerpunktmodell ”Alie
Arbeitszeitver』cilrzungvon 20 % vor. Die bisherige 36-Stunden-Woche wird auf vier Arbeitstage mit
insgesamt 28,8 Arbeitsstunden reduziert. Diese Arbeitszeitreduzierung ist mit einem Brutto・
Jahreseinkommensverlust von ca. 12 % verbunden, bezogen auf die im Oktober 1993 geltenden
tariflichen Regelungen. Dem Einkommensverlust der Mitarbeiter steht eine eingeschrankte Zusage
eines Verzichts auf be甘iebsbedingteKilndigungen gegenilber.
Dieses Teilmodell des Gesamtkonzeptes甘atbereits im Rahmen eines Haustarifvertrages zwischen der
VW AG und der IG Metall am 1. Januar 1994 in Kraft.
(2) Das Modell”Blockzeit”
Da mit der Volkswagen-Woche keine volle Kompensation des Personalilberhanges von ca. 30.000
Bescha丘igtenerreicht werden konnte, wurde die Arbeitszeitverkilrzung durch das Konzept einer
Unterbrechung des Beschaftigungsverhaltnisses filr eine Blockzeit von drei bis sechs Monaten
erganzt. Diese Blockzeit richtet sich insbesondere an Mitarbeiter zwischen 18 und 30 Jahren,
womit ca. 40.000 Belegschaftsmitglieder in das Modell ein-bezogen werden. Diese Blockzeiten
sollen der betrieblichen Weiterbildung dienen, sie k凸nnenaber auch白rpers凸nlicheZiele genutzt
werden. Die Gewahrung von Blockzeiten richtet sich jedoch nach den Produktionsanforderungen
der Unternehmung. Dauer, Lage und Teilnehmerauswahl unterliegen der Mitbestimmung des
Betriebsrates. Die Beschaftigten erhalten wahrend der Blockzeit ca. 85 % ihres monatlichen
ヲ’,,z-
Einkommens.
(3) Modell "Stafette"
Das Stafetten-Modell erganzt ebenfalls das Konzept der 4-Tage-Woche. Es setzt sich aus zwei
Ansatzen zusammen: (a) Stafette fiir Ausgebildete und (b) Stafette fur Altere. Grundgedanke der ”
Stafette ftir Ausgebildete”ist, jungen Mitarbeitern nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz zu
g紅 antieren.Der Einstieg in das Besch詰ftigungsverh量ltniserfolgt aber nur schrittweise mit zunachst
20 Stunden fiir zwei Jahre, mit 24 Stunden fiir anschlieBend巴 eineinhalbJahre bevor das voile
Arb巴itszeitvolumenvon 28,8 Stunden erreicht wird. Di色”Stafettefiir Alt巴re"ist fi.ir den
schrittweisen Ausstieg aus dem Arbeitsleben konzipiert. Yorn 56. bis zum 63. Lebensjahr reduziert
sich die Arbeitszeit von 28,8 Stunden Uber 24 Stunden bis zum 59. Lebensjahr und schlieBlich auf
20 Stunden bis zum 63. Lebensjahr.
d) Die Implementation der 4-Tage Woche
Die grob skizzierten Teilkonzepte”All巴”,”Blockzeit"und ”Stafette" erweisen sich in der praktischen
Umsetzung als auBerst kompliziert.
Die Implementation des ”Alie”-Modells erforderte intensive Verhandlungen mit den Betriebsraten der
Akzeptanz des Volkswagen-Modells
Arbeitszeitverkiirzung und Einkommensverzicht bei Erhalt von Arbeitsplatzen
Meinung der Bev凸lkerung
Ist das Volkswagen-Modell grundsatzlich geeignet, um Arbeitsplatze zu sichern und zu erhalten?
nein-20%
weiB nicht-29%
ja 51一%
Meinung der Belegschaft
Wie zu企iedensind Sie mit der
28,8-Stunden-Woche?
sehr unzu仕ieden-5%
unzu企ieden-11%
teils-teils-35%
a・卸会ieden-39%
Sehr:ヂ~曲jeden-l(Xlる
Quelle: FORSA Institut fiir Soziologi巴, UniversitatErlangen/
WSI, Diisseldorf
- 18一
Besch説igungssicherungdurch Arbeitszeitflexibilisierung Das Beispiel der Volkswagen AG
verschiedenen Werke tiber die Verteilung der 28,8 Stunden auf die einzelnen Wochentage, Beginn und
Ende der Arbeitszeit sowie Pausenregelungen. Die Arbeitszeitverktirzung erforderte zudem eine
grundlegende Veranderung der Arbeits-und Produktions ablaufe. Es muBte eine differenzierte
Arbeitszeitorganisation aufgebaut werden, die fiir die sechs deutschen VW-Werke 12
Hauptarbeitszeitmodelle mit 150 Varianten umfaBt. Einerseits muBten die technisch-organisatorischen
Rahmenbedingungen der Unternehmungen bertick-sichtigt werden, andererseits sollte ein hoher
individueller Zufriedenheitsgrad mit der neuen Arbeitszeitverteilung erreicht werden. Aufgrund
verschiedener Ursachen zeigten kaufmannische Angestellte eine erheblich geringere Zu仕iedenheitals
Montagearbeiter.
Um die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu erhohen, forderte die IG Metall Arbeitszeitverteilungen, die
die Lebensqualitat und den Freizeitwert der Bescha仕igtenerhohten. Die notwendigen Versetzungen
zwischen den Werken erforderten kostenintensive Umschulungen und die Bereitschaft der
Arbeitnehmer, ihre geographische Einsatzflexibilitat zu erhohen. In der lmplementationsphase des
Jahres 1994 wurden die bezweckten Kostenreduzierungen <lurch die lmplementationskosten erheblich
gemindert.
Da sich im Jahr 1995 die Auftragslage fiir die VW AG erheblich verbesserte, wurden die Zusatzmodelle
”Blockzeit”und ”Stafette”nicht implementiert. Nach zweijahriger Laufzeit des Modells der 4-Tage-
Woche kann festgestellt werden, daB die Grundziele der Besch組igungs-sicherungund damit Erhalt der
betriebsspezifischen Qualifikationen bei gleichzeitiger Personalkostenreduzierung realisiert werden
konnten. Im Jahr 1994 reduzierten sich die Personalkosten um 1,4 Mrd. DM, und es konnten sogar
2.000 neue Arbeitsplatze besetzt werden. Die Tarifvereinbarungen des Jahres 1993 erwiesen sich
jedoch zunehmend als zu starr und bedurften daher einer Weiterentwicklung.
e) Die Weiterentwicklung zur Volkswagen-Woche im Jahr 1995
Die Grundschwache der 4-Tage-Woche wurde bei steigender bzw. schwankender Au丘ragslagedeutlich:
Die Arbeitszeit konnte nicht flexibel angepaBt werden, und die Tarifvereinbarungen verhinderten
weitere Absenkungen des Beschaftigungsniveaus, die <lurch die Qualifizierungsprozesse (KVP) m凸glich
wurden. Es wurde notwendig, die Arbeitszeit auszudehnen und sie am Marktbedarf, am betrieblichen
Innovationszyklus und speziellen Leistungs-und Terminzielen auszurichten. Neue Tarifverhandlungen
im Jahr 1995如hrtenzur Entwicklung der ”Volkswagen-Woche". Kernelemente der Volkswagen-Woche
sind:
(1) Erhりhungder Arbeitszeit ab 01.01.1996 um 1,2 Stunden auf durchschnittlich 30 Stunden je Woche
ohne Entgelterh凸hung.Um das Konzept der atmenden Fabrik zu verwirklichen, kann die
wochentliche Arbeitszeit innerhalb der Volkswagen・Wocheauf 38,8 Stunden verlangert werden. Das
Monatsentgelt bleibt aber konstant, da im Jahresdurchschnitt die 28,8 Stunden-Woche als
Berechnungsgrundlage beibehalten wird. Einftihrung von Samstagsarbeit und Mehrarbeit bei
reduzierten tariflichen Zuschlagen in Hohe von 30% ab der 36. Arbeitsstunde je Woche.
oJ ,,A
Gleitende Arbeitszeit
Wesentliche Veranderungen des Tarifergebnisses von 1995 zu 1993
Arbeitszeit
Sollarbeitszeit
4-Tage-Woche
5-Tage-Woche
Arbeitszeiterfassung
Arbeitszeit (Minimum)
Arbeitszeit (Maximum)
28ふStd.-Wocheim Jahres- 28,8-Std. Woche im Jahres-durchschnitt durchschnitt + 1,2 Std. Lei-
stungsbeitrag pro Woche
7,2 Std. 7,5 Std.
5,76 Std. 6,0 Std.
Stempelkarte 山1ternehmensseitigeErfassung
entfallt
5 Std. 48 Min. 4 Std.
9,5 Std. 9,5 Std.
im Zeitrahmen von 13 Std.
(07:00-20:00 Uhr)
Quelle: H訂tz,P.: Das atmende Unternehmen. Jeder Arbeitsplatz hat einen Kunden. Frankfurt/Main,
New York. Campus, 1996, S. 124
Fahrz巴uge
100.00
Die Volkswagen-Woche
Kundenorientiertes Atmen
Wochen-arbeitszeit
80.000
60.000
3-Monats-Fenster
40.000
20.000
-AU
ゐEL
門
b84Ill--
口。qJ
28,8 Std
。Jan Fed Marz April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez
・・・・Produktionsanforderung
Quelle: Hartz, P.: Das atmende Unternehrnen. Jed巴rArbeitsplatz hat einen Kunden. Frankfurt/Main,
New York. Campus, 1996, S. 40
- 20 -
Besc凶食i忠mgssichぽungdurch Arbeitszeiぜlexibilisien
(2) Einfiihrung der Flexibilitatskaskade mit fiinf Entscheidungsstufen, die von einem flexiblen
stilndlichen Arbeitseinsatz pro Tag ilber eine flexible Zuordnung zu Tagesschichten, zu
Wochenschichten und zu Samstagen reicht und schlieBlich eine flexible Zuordnung zu
verschiedenen Standorten erm凸glicht.
(3) Weiterfilhrung und Verbesserung der Stafetten白rAusgebildete und Altere
(4) Fortfiihrung des Konzeptes der Blockzeiten
(5) Ausbau von Gleitzeitregelungen <lurch Gewahrung individueller Dispositionsspielraume mit
Ausgleichszeitraumen白rZeitguthaben
(6) Einfiihrung von Besch組igungsschecks(Zeit-Wertpapiere)釦rMehrarbeit, die innerhalb eines Jahres
<lurch Freizeit einzul凸sensind
(7) Gewahrung von Sabbaticals bis zu釦nfJahre mit Wiedereinstellungszusagen
IV. Resiimee
In der schweren Beschaftigungskrise in Deutschland hat das Volkswagenwerk auf die klassischen
personalwirtschaftlichen Instrumente der Anpassung an schrumpfende Markte verzichtet und statt
<lessen ein filr deutsche tarifliche Rahmenbedingungen innovatives Konzept entwickelt, das die Ziele
der Besch訂tigungssicherungund Kostenreduzierung verwirklicht hat. Das Modell erforderte Konsens
zwischen den Tarifparteien, wobei dieser <lurch den Sonderfall des ”Haustarifvertrages”erleichtert
wurde, da er auf die spezielle Unternehmungssituation ausgerichtet werden konnte. Wesentlich
erleichtert wurde der KompromiB durch die Tatsache, daB die Entgelth凸henim Volkswagenwerk
durchschnittlich 20 % ilber der Entgelth凸heder Metallindustrie lagen. Das Modell zeigt aber auch,也B
sich das Tarifvertragssystem und die Mitbestimmung in Deutschland auch in Krisenzeiten bewahren.
Das deutsche Modell der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung kann nicht einseitig als ein”
Schりnwetter-Modell”・wiehaufig in der angloamerikanischen Diskussion zu finden-interpretiert werden.
Die VW-Losung belegt aber auch, daB fundamentale Konfliktsituationen in der Arbeitgeber・
Arbeitnehmer-Beziehung produktiv losbar sind, wenn ein Vertrauensverhaltnis zwischen Betriebsrat
und Unternehmensleitung besteht.
Obwohl die Volkswagen-Woche eine spezielle L凸sungdarstellt, wird das Modell in Deutschland eine
Leitzielfunktion einnehmen. Daraus kann gefolgert werden, daB sich in Deutschland das Konzept der
Flachentarifvertrage reformieren wird und zunehmend betriebsbezogene Losungen im Rahmen von
O飴mngsklauselnentwickelt werden milssen. In Deutschland muB weiterhin die Oberzeugung Raum
gewinnen, daB eine wirtschaftlich und sozial konstruktive Bewaltigung betrieblicher
Beschaftigungskrisen ohne die im § 2 Abs. 1 des Betriebsverfas sungsgesetzes formulierte
Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kaum zu
erwarten ist. Eine vertrauensvolle Kooperation auf betrieblicher Ebene kann sich jedoch im
gegenwartigen Tarifvertragssystem Deutschlands nur konstruktiv auf gesellschaftlicher Ebene
auswirken, wenn auch auf der ilberbetrieblichen Ebene zwischen Arbeitgeberverbanden und
Gewerkschaften Bereitschaft besteht, Konflikte auf der Basis kompromiBorientierter
Verhandlungsstrategien zu 16sen. Um Spielraume filr Kompromisse zu 6飴ien,sind allerdings die
,I
2
Versaumnisse der Politikebene, negative Standortfaktoren Deutschlands abzubauen, dringend
auszugleichen.
Literatur:
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1993: Haupt
Haase, P./Kuhn, T.: Neue Arbeitszeitmodelle bei der Volkswagen AG-innovative Ansatze fur mehr
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Kri仕el,Berlin 1995: Luchterhand
Hartz, Peter: Das atmende Unternehmen. Jeder Arbeitsplatz hat einen Kunde n・
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Hartz, Peter: Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht. Die Volkswagen-L凸sung.Frankfurt/New York 1994:
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Kilz, GJReh, D. A.: Innovative Arbeitszeitsysteme nach dem neuen Arbeitszeitrecht. Berlin 1996: Spitz
Marr, R. (Hrsg.): Arbeitszeitmanagement. Grundlagen und Perspektiven der Gestaltung flexibler
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- 22 -