© Sandra de Vries, LWL Tagung 10.-11.11.2010
Interkulturelle Kompetenz –Culture Communication Skills
Interkulturelle Trainings
LWL Tagung - Interkulturelle Orientierung und Öffnung – Integration als Querschnittsaufgabe
Historische Betrachtung der Migration(spolitik) in Deutschland
10.-11.11.2010
Sandra de Vries
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Inhalt
1. Grundsätzliches, „Fakten“ und Begrifflichkeiten
2. Geschichte der Migration(spolitik)
3. Bildungspolitische Entwicklung.
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1. Grundsätzliches, Fakten und Begrifflichkeiten:
Grundsätzlich gilt festzustellen:
Menschen wandern seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte
„Migrare“ (lat.)= wandern und bewegen von Gruppen oder Individuen aus einem
geographischen oder sozialen Raum in einen anderen
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Auch in Deutschland wandern Menschen ein und aus:
Seit 1954 zogen über 31. Millionen Deutsche und Ausländer nach Deutschland.
Im gleichen Zeitraum zogen über 22 Mio. weg.
Auch innerhalb von Deutschland sind Menschen ständig in Bewegung: Nord-Süd und Ost- Westwanderungen
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Menschen sind in Bewegung….. aus unterschiedlichen Gründen:
Katastrophen, Kriege, Hunger, politische, religiöse Verfolgung, politische und wirtschaftliche Instabilität
= Push-Faktoren
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Abendteuerlust, wirtschaftlichen Interessen,
Menschenrechten, Studium, Familienzusammenführung Bewegen Menschen
= Pull Faktoren
Trotzdem galt/gilt Deutschland jahrzehntelang nicht als Einwanderungsland
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1. Grundlagen/Definitionen
Wer wird als Migrant/in bezeichnet?
Als Menschen mit Migrationshintergrund/-vorgeschichte gelten =
Alle seit 1949 Zugewanderten, sowie in Deutschland geborene Ausländer/innen sowie diejenigen Deutschen, die
einen zugewandeten oder nicht-deutschen Elternteil besitzen.
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Nicht hinzugezählt werden Arbeitsmigrant/innen der dritten Generation, deren Großeltern die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben.
Daher: Statistik mit Vorsicht zu genießen
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Laut Statistischem Bundesamt 2009:
Leben in Deutschland zur Zeit (2008) 6,728 Mio. Ausländerinnen und Ausländer inkl. Migrationshintergrund
15,411 Mio. (10 Mio. selbst zugewandert)
bis 2030 werden es 12,649 Mio. Ausländer sein. Doppelte
Zahl mit Migrationshintergrund (ca. 24,- 25,000 Mio.)
Aktuelle Angaben: jeder 5 Einwohner hat eine Migrationsgeschichte
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2. Die Geschichte der Migrationspolitik in Deutschland
Wann und wo man mit der Migrationsgeschichte anfängt hängt immer vom Interesse des Betrachters ab….
• Ur- und Frühgeschichte• Antike• Kaiserreich• 1. Weltkrieg…….
Hier: in Deutschland mit der neueren Geschichte
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• Quelle: Stern 37/2010
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Der Umgang mit Migrant/innen ist ambivalentNutzen oder Bedrohung ?
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Die Geschichte der Migrationspolitik beginnt mit der Erfahrung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg
Abweisung von Deutschen durch Nachbarstaaten
Folge = Grundgesetz Asyl-Recht verankert: politisch Verfolgte genießen Asyl, GG Art. 16 II 2
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„Wirtschaftswunder“
1955 boomt die Wirtschaft in Deutschland: Arbeitskräftebedarf kann nicht gedeckt werden.= Württemberg schließ ersten Anwerbevertrag mit Italien
+ Aufbau der Bundeswehr : ½ Mio. Arbeitskräfte entzogen
1960 Vollbeschäftigung erreicht :kein weiterer Zustrom aus dem Osten
Wochenarbeitsstunden reduziert von 46,1 auf 41,6
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Arbeitskräftebedarf in der deutschen Wirtschaft enorm:
Regierung schließt Anwerbeverträge mit
• Spanien und Griechenland (1960/61), • Türkei (1961) • Marokko (1963) • Portugal (1964) • Tunesien (1965) • Jugoslawien (1968) und• Südkorea (1970)
• Pause. 1966-68
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Frage nach der Bezeichnung für diese Menschen
Fremdarbeiter historisch schwierig
Entscheidung fällt auf „Gastarbeiter“ = befristeter Aufenthalt
Aus Gastarbeiter wird ausländischer Arbeitnehmer = Ausländer = (ethnische Minderheit)
Höchststand = 1973 mit 2,7 Mio. Gastarbeiter
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Umbruch:
1973 = Ölkrise und Arbeitslosigkeit
Arbeitsverträge werden1974 nicht mehr verlängert. Viele Spanier, Portugiesen, Italiener gingen zurück
Zahl der Türkischen Gastarbeiter bleibt Konstant plus Zuwanderung durch Familien
Eingearbeitet und unverzichtbar für Industrie: Kohl, Stahl, Fließband Aus „Gastarbeiter werden Einwanderer“ = Trotzdem rechtliche Lage provisorisch…
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Zeitgeist:
Anwerber-Ausländer und Asyl werden verbunden. (Türkei Unruhen 1980)
Asyl = negativ besetzt / Differenzen hervorgehoben
neuer Begriff: Asylant
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Politische Reaktion
Reaktion auf „Heidelberger Manifest“ =Öffentlichkeit sensibilisieren, Rassismus bekämpfen
Politische Stimmen:
CDU/CSU = „Überflutung von Ausländern“ reduzieren
SPD = „Ausländerpolitik dringlich (1982) (+ Arbeitslosigkeit = H. Schmidt pol. Sturz)
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Nach 1983 (bis zur Wiedervereinigung) versinkt das Thema in die einzelnen politischen Lager: FDP und CSU„Gastarbeiter“- Status bis 1989 unverändert unklar
Ändert sich 1986 = Asylkampagne, Republikaner erzielen Wahlerfolge, ebenso profitieren rechtsradikale Parteien.
Angst vor Asylflut aus nichteuropäischen Ländern wächst.
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Fall der Mauer: neue Zuwanderer – überwiegend aus dem Osten
• 1989/90 Euphorie• 1990/91 Stimmung schlägt um: Alle Zuwanderer
(Übersiedler/Aussiedler, Jugoslawien, Rumänien Türkei)
= werden als Belastung empfunden= Gewaltanschläge
Politik nutzt die StimmungMedien schüren Fremdenfeindlichkeit
Höhepunkt 1992
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Politische Lösungen „Große Asylkompromiss“ SPD/FDP
• Verbesserungen bei der Einbürgerung
• Quotenlösung bei den Aussiedlern
• Einschränkung beim Asylrecht (GG 16): Zurückweisung möglich
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Anfang 1991: Ausländergesetz
Regelung für in Dt. aufgewachsene „Ausländer“ 1993 Schwierige Umsetzung
Asylfrage steht weiterhin im Raum: Für viele Menschen einzige Chance zu bleiben. Kommunale Behörden ermuntern, wodurch ein Berg an Bürokratie entsteht.
International: Visa Pflicht und Beförderungsverbot Flug/Schiffe erschweren die Einreise
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Diskussion über neues Zuwanderungsgesetzt (Zuwanderungskommission unter Rita Süßmut)
Eingesetzt durch em. Innenminister Schily
Erarbeitung von 6 Wegen der ZuwanderungWird von den anderen Parteien abgelehnt
Begrenzung wird gefordert
Neue Diskussion Zuwanderungsgesetz August 2001
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Inhalt: Zuwanderungsgesetz: 1.1.2005Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Aufenthaltsrecht: Befristete Aufenthaltserlaubnis und unbefristete Niederlassungserlaubnis
Asylberechtigte und Flüchtlinge = 3 Jahre (auch Arbeit)
Hochqualifizierte erhalten Daueraufenthaltsrecht (K. bis 18)
Ausländer/innen, die dauerhaft in Deutschland bleiben = Integrationskurs (-pflicht)
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Flüchtlinge: Unterscheidung in solche, die nicht können und die nicht wollen. Status Duldung wird abgeschafft. Ausreisepflicht verschärft. Nachzug von Kindern bis 12, es sei den sie ziehen mit der Familie um.
Studenten: können nach Studium Arbeit aufnehmen – sonst Ausreise.
Spätaussiedler müssen die deutsche Sprache nachweisen
Seit 2006 Baden Württemberg: Gesinnungstest für Muslime
2007 Verschärfung: Sprachkenntnisse und Einbürgerungstest
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Aktuelle Debatte: Multikulti ist gescheitert, Sarrazin Gleiches Schema wie in der Vergangenheit:
Auslöser und Unsicherheit: Wirtschaftskrise
+ Folge der bisherigen Migrationspolitik
Lange keine gemeinsamen Konzepte, da Politik von Rückkehr oder Assimilation/ Anpassung ausging
Zudem hist. Trauma 2. Weltkrieg: Heikles Thema (lieber wegschauen)
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3. Migrationspolitische Bildung
Ziel = Integration
Parallele Entwicklung zur politischen Lage: => Reaktion auf die Situation im Land:
Konzepte seit ca. 50 Jahren
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Ausländerpädagogik = Reaktion auf den Familienmitzug ausländischer Arbeitnehmer in den 1950er/1960er Jahren
Zielgruppe: Kinder der Gastarbeiter/innen
Päd. Ziel: Kompensation der Unterschiede„Rückständigkeit“ durch Förderung beheben. Integration = Anpassung durch Assimilation in die Mehrheitskultur
Gleichzeitig Option zur Rückkehr: Sprache auf das jeweilige Heimatland gerichtet
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Entwicklung aus der Pädagogik richtet sich an den Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen der Einwanderungsgesellschaft aus = greift damit zu kurz
Kritik an dieser Art der Pädagogik führte in den 1980er Jahren zur Reformulierung der migrationpolitischen Bildung:
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Multikulti (Aus Gastarbeitern werden Einwanderer)
Grundlage: Konzept der Multikulturalität = multikulturelleErziehung= > Ersetzte das Defizit durch Vielfalt.
Zielgruppe: Eigene Gesellschaft (und Migranten)
Päd. Ziel: Verständnis für die Vielfalt der Kulturen zu entwickeln. Lerngruppe wurde ein Teil dieser Vielfalt.
„Keine Sonderpädagogik für Migrant/innen“ sondern Beitrag zur Anerkennung des Anderen.
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Kritik/Problem: Darstellung der Kulturen bezog sich stark auf die Sachebene, Wandlungsprozesse innerhalb der Einwanderungsgesellschaft wurden nicht erfasst.
„Migranten“ wandeln sich, Aufnahmegesellschaft wandelt sich. Personen wurden an Kulturtraditionen gebunden = starrer Kulturbegriff.
Realitität: Entwicklung auch neuer Identitäten
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Interkulturelle Bildung versucht diese Schwierigkeiten zu verarbeiten. (Zeit der Unruhe, Gewalt)
Zielgruppe: Ganze Gesellschaft= Fokus wird von der Sachebene auf die Bedeutungsebene verlagert. Kultur = Kulturgebundenheit der einzelnen Interaktionspartner erschwert die Interkulturelle Verständigung.
Päd. Ziel: Kompetenzen zu vermitteln, mit denen andere kulturelle Systeme verstanden und sinnvoll integriert werden können.
Ideal: Erkennen ohne zu werten.
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Kritik: Unterstellt grundsätzliches Interesse
Abgrenzung und Abwertung können aber auch mit einer persönlichen Vorteilserwartung einhergehen.
Nicht nur eine zwischenmenschliche Angelegenheit sondern auch im Kontext gesellschaftlicher Strukturen und Herrschaftsverhältnisse.
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Antirassistische Bildung = begeleitet IK Bildung und geht über die reine Einstellungs- und Verhaltensebene hinaus.
Sie begreift den Rassismus als eine strukturelle Dimension, die interkulturelle Prozesse bedingt und begleitet.
Päd. Ziel: Lernende sollen befähigt werden, Rassismus zu erkennen, zu analysieren und zu bekämpfen. (Bildungssysteme, Gesetze, Politik etc.)
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Migrationspolitische Bildung: empirisch fundiertes Wissen und Interesse am Bürgerbewusstsein. Wie soll Zusammenleben aussehen? Was versteht der Bürger unter gelungener Integration? …..
Reflexive Ebene in dem die ganze Gesellschaft in den Prozess mit eingebunden werden soll.
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Heute: Konzepte der politischen Bildung:
Überwindung interkultureller Konfliktfelder
Bildungsziel: Akzeptanz von Diversität
= mentale Voraussetzung für das Funktionieren in einer pluralen Gesellschaft
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Fragen und Herausforderungen:
Integration wird immer/oft noch als Assimilation verstanden wird. Unberücksichtigt, der Wandel der Migranten/eigenen und gesamten Gesellschaft.
Deutsch-Sein: wird als Zustand begriffen, der nur über die Abstammung erreicht werden kann und zum Nationen-verständnis gehört.
Migration ist kein Wechsel der Nationalität = wird oft in Nation und nicht in sozialen Kategorien gedacht. Soziale Zugehörigkeiten können auch in transnationalen Räumen stattfinden
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Gedanken zum Schluss
Transkulturalität: Menschen wechseln zwischen den Kulturen/ Subkulturen/ Räumen = soziale Integration ist damit plurilokal
Partizipation: Migrant/innen sind politisch Handelnde und nicht Opfer. Einbringen hilft Zugehörigkeit aufzubauen.
Pluralität = weder schwarz-weiß noch bunt. Pluralismus geht über Diversität hinaus, indem einzelne Personen aus Kulturen anders sein können.
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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Literaturquellen:
Lange, Dirk und Ayca Polat (Hrsg.)(2010): Migration und Alltag. Schwalbach/TS
Woyke, Wichard (2007): Integration und Einwanderung. Schwalbach/TS
Engelmann, B. (1994) Du deutsch? Geschichte der Ausländer in Deutschland, Göttingen
Stern. Ausgabe Nr. 37, 9.9.2010, S. 7
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