zur redaktionsgeschichte des sefer razi'el ha-mal'akh

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Bill Rebiger Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh« Das bekannteste mystisch-magische Sammelwerk des Judentums ist sicherlich der Sefer Razi el ha-Mal akh. 1 Es wurde im Jahre 1701 in Amsterdam zum ersten Mal gedruckt und ist seither in unzähligen Neu- und Nachdrucken erschienen. Die preiswerten und auflagestarken Bändchen erschienen im Quart- bzw. häufiger im Oktavformat. Seine ungebrochene Popularität noch in der Gegenwart zeigt sich z. B. in einer in Israel aktuell angebotenen Miniaturausgabe (5 × 3,5 cm), die auf der Vorderseite das Antlitz religiöser Autoritäten, wie z. B. Baba Sali (18901984), trägt. 2 Diese in Folie verpackte Miniaturausgabe dient aber nicht der Lektüre, sondern soll in toto als Amulett z. B. vor Wohnungsbränden schützen oder Heilung und Erfolg garantieren. 3 Der Sefer Razi el ha-Mal akh ist eine Kompilation unterschiedlichster Texte, die sich den Themenbereichen Magie, Angelologie, Kosmologie und Gottes- namen widmen. In der wissenschaftlichen Sekundärliteratur wird zwar wie- derholt auf dieses Sammelwerk verwiesen, aber eingehende Untersuchungen sind bislang ein Desiderat der Forschung. 4 Der vorliegende Artikel möchte mit 1 Dieser Artikel entstand im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungs- projektes »›Das Buch der Geheimnisse‹ (Sefer ha-Razim) – Edition, Übersetzung und Kommentar unter besonderer Berücksichtigung der Rezeptionsgeschichte«, das unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schäfer am Institut für Judaistik der Freien Universität Berlin von 19992004 durchgeführt wurde. Mein besonderer Dank gilt Dr. Reimund Leicht, der mich persönlich in zahllosen Gesprächen und vor allem durch die entsprechenden Abschnitte seiner Dissertation »Astrologu- mena Judaica. Untersuchungen zur Geschichte der astrologischen Literatur der Juden« (im Druck) mit seinen Forschungsergebnissen zur lateinischen Überliefe- rungsgeschichte des Liber Razielis vertraut gemacht hat. 2 Razi el ha-Mal akh (hebr.), Jerusalem 1981 (Nachdruck o. J.). 3 Vgl. den Hinweis auf dem Titelblatt der Miniaturausgabe: l s g u l h l r p u a h u l h c l x h . 4 J. Dan, Art. Raziel, Book of, in: EJ, Bd. 13, Jerusalem 1971, Sp. 1592f.; M. Mar- galioth, Sepher Ha-Razim. A Newly Recovered Book of Magic from the Talmudic Period (hebr.), Jerusalem 1966, S. 4446; G.Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 8 1992, S. 340. Der aus dem galizischen Brody

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Bill Rebiger

Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi elha-Mal akh«

Das bekannteste mystisch-magische Sammelwerk des Judentums ist sicherlichder Sefer Razi el ha-Mal akh.1 Es wurde im Jahre 1701 in Amsterdam zumersten Mal gedruckt und ist seither in unzähligen Neu- und Nachdruckenerschienen. Die preiswerten und auflagestarken Bändchen erschienen imQuart- bzw. häufiger im Oktavformat. Seine ungebrochene Popularität nochin der Gegenwart zeigt sich z. B. in einer in Israel aktuell angebotenenMiniaturausgabe (5 × 3,5 cm), die auf der Vorderseite das Antlitz religiöserAutoritäten, wie z. B. Baba Sali (1890–1984), trägt.2 Diese in Folie verpackteMiniaturausgabe dient aber nicht der Lektüre, sondern soll in toto als Amulettz. B. vor Wohnungsbränden schützen oder Heilung und Erfolg garantieren.3

Der Sefer Razi el ha-Mal akh ist eine Kompilation unterschiedlichster Texte,die sich den Themenbereichen Magie, Angelologie, Kosmologie und Gottes-namen widmen. In der wissenschaftlichen Sekundärliteratur wird zwar wie-derholt auf dieses Sammelwerk verwiesen, aber eingehende Untersuchungensind bislang ein Desiderat der Forschung.4 Der vorliegende Artikel möchte mit

1 Dieser Artikel entstand im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungs-projektes »›Das Buch der Geheimnisse‹ (Sefer ha-Razim) – Edition, Übersetzungund Kommentar unter besonderer Berücksichtigung der Rezeptionsgeschichte«,das unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schäfer am Institut für Judaistik derFreien Universität Berlin von 1999–2004 durchgeführt wurde. Mein besondererDank gilt Dr. Reimund Leicht, der mich persönlich in zahllosen Gesprächen undvor allem durch die entsprechenden Abschnitte seiner Dissertation »Astrologu-mena Judaica. Untersuchungen zur Geschichte der astrologischen Literatur derJuden« (im Druck) mit seinen Forschungsergebnissen zur lateinischen Überliefe-rungsgeschichte des Liber Razielis vertraut gemacht hat.

2 Razi el ha-Mal akh (hebr.), Jerusalem 1981 (Nachdruck o. J.).3 Vgl. den Hinweis auf dem Titelblatt der Miniaturausgabe: lsgulhlrpuahulhclxh .4 J. Dan, Art. Raziel, Book of, in: EJ, Bd. 13, Jerusalem 1971, Sp. 1592f.; M. Mar-

galioth, Sepher Ha-Razim. A Newly Recovered Book of Magic from theTalmudic Period (hebr.), Jerusalem 1966, S. 44–46; G. Stemberger, Einleitung inTalmud und Midrasch, München 81992, S. 340. Der aus dem galizischen Brody

2 Bill Rebiger

der detaillierten Darstellung der literarischen Struktur sowie der Untersu-chung handschriftlicher Textzeugen und ihren Beziehungen zueinander einenersten Beitrag zur Redaktionsgeschichte des Sefer Razi el ha-Mal akh leisten.

Editio princeps Amsterdam 1701

Zunächst sollen Aufriß und Inhalt des Erstdruckes des Sefer Razi el ha-Mal akh (Amsterdam 1701) detailliert beschrieben werden, um die einzelnenliterarischen Bausteine, aus denen sich dieses Sammelwerk zusammensetzt,aufzuzeigen. Durch diese inhaltlich-strukturelle Analyse ist es leichter mög-lich, die komplexe Redaktionsgeschichte anhand handschriftlicher Textzeugenrelativ übersichtlich zu rekonstruieren. Besonderes Augenmerk kommt dabeiden Zäsuren und den jeweiligen Incipits von Mikroformen,5 den graphischenDarstellungen angelologisch-kosmologischer Vorstellungen, von Gottesna-men oder konkreten Amuletten sowie Hinweisen auf die redaktionelle Arbeitzu.Die Paginierung der Folios des Erstdruckes wurde mit hebräischen Buchsta-ben vorgenommen. Fol. 19a wurde vergessen zu paginieren, wahrscheinlichweil hier ein ganzseitiges astro-magisches Diagramm abgebildet ist. Dadurchsind die nachfolgenden Folios jeweils um ein Folio falsch paginiert. Die kor-rekten Folioangaben sind im folgenden jeweils in Klammern ergänzt worden.

Das Titelblatt beginnt mit den Worten: zhspradadÕqdmahwntñlurzial

hmlaÓ – »Dies ist das Buch des ersten Menschen, das ihm der Engel Razi elgegeben hat.« In der Folge entstand aus dieser Formulierung und dem nach-folgenden, entsprechenden Kolumnentitel der nunmehr eingebürgerte Buch-

stammende Rabbi Elyaqim ben Yehuda, genannt Milzahagi, widmete sich in seinemOs

˙ar Rabiah (»Schatzhaus von R. Elyaqim ben Yehuda ha-Milzahagi«) wohl als

erster umfassend den literarischen Traditionen im Sefer Razi el ha-Mal akh. Dieseknappe Studie (19 Folios) aus dem Jahre 1847 liegt nur handschriftlich in Ms Lon-don, Montefiore 347 (Halberstam 44), vor. Fehlerhaft ist seine Zuschreibung desKommentars zu den Gottesnamen an Abraham Abulafia. Die jüngst erschieneneenglische Übersetzung des Sefer Razi el ha-Mal akh, die erste Übersetzung diesesBuches überhaupt, von S. Savedow, Sepher Rezial Hemelach. The Book of theAngel Rezial [sic!], York Beach 2000, ist voller, z. T. haarsträubender Fehler undgänzlich unbrauchbar.

5 Die hier verwendeten termini »Mikroform« und »Makroform« wurden von PeterSchäfer eingeführt, um die Fluktuation, d. h. die unterschiedlichen literarischenRealisierungen von Texten in der Geschichte ihrer Überlieferung resp. Bearbeitungbegrifflich adäquater zu erfassen; vgl. P. Schäfer, Hekhalot-Studien, Tübingen1988 [TSAJ 19], S. 3 und 200.

3Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

titel Sefer Razi el ha-Mal akh. Der Name des Druckers wird am Ende desTitelblattes genannt: Moshe ben Abraham Mendes Coutinho ( mwhbñabrhÕ

mindisquijiniu ). Als Druckort wird Amsterdam angegeben. Die Jahreszahlwird entsprechend der jüdischen Jahreszählung (kleine Zählung) durch dieInitialen der biblischen Wendung aus Gen 5,1 sprtuldutadÕ , die häufig alsBuchtitel verstanden wurde,6 gebildet.7

Fol. 1b–2a: Überschrift und Kolumnentitel: hqdmhdbylhmgihh – »Vorwortdes Korrektors«;Incipit: lwÕixudhqb`huwkintihy`ihhuajmirunylÕ . Der Name des Korrek-tors wird am Ende des Vorwortes (fol. 2a/48) genannt: »Yis

˙h˙aq, Sohn des

Gemeindemitglieds Avraham, seligen Angedenkens, Richter der HeiligenGemeinde Amsterdam«.Über die Vorbereitung des Druckes heißt es im Vorwort (fol. 1b/10–13):

Und als (das Buch) für viel Geld Stück für Stück abgeschrieben werden sollte, gab eswegen des Abschreibens großes Gezeter und wenig Sorgfalt. Denn es gab Fehlerüber Fehler; bis der Fehler größer war als die Sache, ohne Verstand, und dadurch(sogar), Gott behüte!, die Pflanzungen zerstört8 werden konnten. Dann schaute,forschte und untersuchte ich gut in dem Buch, das in meinen Händen war, damit eskorrigiert sein würde. Und ich gab viel Geld aus, um mir zwei Bücher aus anderenStaaten zu leihen. Aber ich sah in ihnen, daß meines die Vorlage [ ab ] für sie alle warund alle von meinem Buch abgeschrieben waren.

Am Ende des Vorwortes (fol. 2a/46–48) wird wiederholt die Güte der Druck-fassung betont:

Ich brachte diese Abschrift zum Druck, wie es in meiner Abschrift war, Buchstabefür Buchstabe, und besonders bei den Heiligen Namen, und auch den Engelnamenkorrigierte ich viermal, Buchstabe für Buchstabe. Wenn ich Fehler gemacht habensollte, wird der Herr mir verzeihen wegen all der obengenannten Worte.

Aufriß und Inhalt des Buches sind ebenfalls gegen Ende des Vorwortes (fol.2a/32–38) angegeben. Der Schreiber des Vorwortes unterscheidet fünf Teiledes Buches, deren Zäsuren er entsprechend der Seiten des vorliegenden Druk-kes angibt: Fol. 2b; fol. 7b; fol. 24(25)b; fol. 34(35) und fol. 41(42)b. Damitsind fast exakt die Abschnitte definiert, die in der im folgenden rekonstru-

6 Vgl. z. B. BerR 24,3–4; Zohar I, fol. 55b.7 Das Jahr (5)461 (jüdische Zählung) entspricht 1701 (christliche Zählung).8 Zur rabbinischen und kabbalistischen Bedeutung dieses Ausdrucks, der der be-

kannten Pardes-Geschichte entstammt und sich auf Elisha ben Avuya (Ah˙er)

bezieht, vgl. G. Scholem, Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism, and TalmudicTradition, New York 21965, S. 16, Anm. 6; E. E. Urbach, The Traditions aboutMerkabah Mysticism in the Tannaitic Period (hebr.), in: Studies in Mysticism andReligion Presented to Gershom Scholem, Jerusalem 1967, S. 13f.; H. Fischel, Rab-binic Literature and Greco-Roman Philosophy, Leiden 1973, S. 19.

4 Bill Rebiger

ierten Redaktionsgeschichte als variable Makroformen behandelt werden.Diese fünf Makroformen sollen zur besseren Übersicht fortlaufend mit denGroßbuchstaben A, B, C, D und E bezeichnet werden. Die Makroformen A,D und E lassen sich wiederum in Mikroformen unterteilen. Der folgendeAufriß der fünf Makroformen konzentriert sich daher auf die jeweiligenMikroformen und weitere, für die Redaktionsgeschichte relevante Details.

A (fol. 2b–7a):Kolumnentitel: sprrzialhmlaÓ ;fol. 2b: Sefer ha-Malbush;9

Incipit: sprhmlbuwhnxqqbqduwhubjhrhhmmularzixkmhhmudiytucautbinh

hmxkÕynuiÕhmchilpniÕmwmñhmlmdlwuñcxuthmbrrumcrúlbhnywhmrpa

lguúhnutñwquilycÕhmairbkkbnughhmauryuz... ;

fol. 3a–7a: »Gebet des Adam« mit anschließendem astro-magischem Text;Incipit: zutpltadÕhrawuñwhtpllbwyhwigrwmgñydñ... . Das »Gebet desAdam« stellt auch den ersten Teil eines weiteren Sefer ha-Razim dar, das nichtidentisch mit dem von Margalioth edierten ist.10 Es folgen weitere Passagenaus ähnlichen Einleitungstexten. Anschließend folgen Abschnitte aus astro-magischen Texten, in denen einzelnen Zeitabschnitten (Tequfot, Monatenusw.) Engelnamen zugeordnet werden. Eingeschoben sind jeweils Angaben zuden magischen Zwecken. Ein magisches Diagramm mit Gottesnamen ist auffol. 7a abgedruckt.

B (fol. 7b–24(25)a/34):Neuer Kolumnentitel: sprrzialhgdul . Es handelt sich um den ersten Teil ( sud

mywhbrawit ) aus den Sode Razayya, die von El azar von Worms verfaßtwurden.11 Aber dieser erste Teil ist hier etwa um die Hälfte gekürzt und bietetnur die Kapitel zu den Buchstaben Alef bis Nun des hebräischen Alphabets.

9 Dieser Text ist nicht identisch mit dem gleichnamigen von Irina Wandrey ediertenText; vgl. I. Wandrey, »Das Buch des Gewandes« und »Das Buch des Aufrechten«.Dokumente eines magischen spätantiken Rituals, ediert, kommentiert und über-setzt, Tübingen 2004 [TSAJ 96], S. 9 und 188.

10 Zur Unterscheidung wird der Sefer ha-Razim der Margalioth-Edition (= Standard-version) als Sefer ha-Razim I und der Sefer ha-Razim mit dem »Gebet des Adam«als Sefer ha-Razim II bezeichnet. Beide Texte werden derzeit in dem obengenann-ten DFG-Forschungsprojekt zur Edition vorbereitet.

11 Unter dem irreführenden Gesamttitel Sode Razayya wurde lediglich dieser ersteTeil ediert; s. El azar von Worms, Sefer Sode Razayya (hebr.), hrsg. vonSh. Weiss, Jerusalem 1991. In dem ersten Band einer neuen, zweibändigen Gesamt-edition der Sode Razayya wurde für sudmywhbrawit der Titel sudirziia' ver-wendet; vgl. Sode Razayya I. Sode Razayya II. Sefer ha-Shem (hebr.), hrsg. vomInstitut Sode Razayya, Jerusalem 2004.

5Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Dieser Teil endet auf fol. 24(25)a mit Abschnitten aus dem dritten Himmel desSefer ha-Razim.12

Incipit: bruÓxkÕhrziÕawrxlqmxkmtuliriaiu .

C (fol. 24(25)a/35–33(34)b):Incipit: zhuwÕhmpurwuhuarawitlklhwmutuhtxlhbwÕyliuniÕutxtuniÕusudu ;Kommentar zu den Gottesnamen, darunter der 72buchstabige Name, der demUmkreis des Sefer ha-Temuna entstammt.13

D (fol. 34(35)a–41(42)b/6):Im Vorwort wird die Makroform D Sefer Noah

˙betitelt;14 hier erscheint aber

als neuer Kolumnentitel und neue Überschrift: sprrzial . Die Makroform Dkann in folgende Mikroformen unterteilt werden:

Fol. 34(35)a/1–35(36)a/13: Sefer ha-Razim;15

Incipit: bwÕh'alhiiwralatxilzhhsprmsprihrziÕwntñlnx ; der Seferha-Razim liegt hier in einer gegenüber der Edition von Margalioth (hier:»Standardversion«) stark gekürzten Version (hier: »Kurzversion«) vor. Indiese Kurzversion wurde auf fol. 34(35)b/33–40 aramäisches Sondergut ( aliñ

mzliaualiñmlakia ) inkorporiert.

Fol. 35(36)a/14–36(37)b/34: Seder Rabba di-Bereshit (SRdB);16

Überschrift: zhmywhbrawit ;Incipit: brawitbraalhiÕathwmiÕuatharÑ:althiqurabrawitalabr`a

wi`t .

Fol. 36(37)b/35–42: Beschwörungsgebet;17

Überschrift: zhhtplhcriÓlumrbkuunhgdulh ;Incipit: bruÓathh'alhinuualhiabutinualhiabrhÕalhiicxqualhiiyqb .

12 Im ersten Teil der Sode Razayya hat El azar die kosmologischen und angelologi-schen Abschnitte aus der Standardversion des Sefer ha-Razim eingearbeitet.

13 So G. Scholem, Catalogus Codicum Hebraicorum, 1. Bd.: Cabbala, Jerusalem1930, S. 7; zum Sefer ha-Temuna-Kreis vgl. ders., Ursprung und Anfänge der Kab-bala, Berlin 1962, S. 407–419, und die Korrektur der Datierung in der englischenÜbersetzung: ders., Origins of the Kabbalah, Princeton 1987, S. 460f., Anm. 233.

14 Noah˙

empfängt von dem Engel Razi el den Sefer ha-Razim; vgl. fol. 34(35)a/1f.15 Vgl. Margalioth, Sepher ha-Razim, S. 44–46.16 Dieser Text wurde ediert in: N. Sed, Une Cosmologie Juive du Haut Moyen Age,

in: REJ 124 (1965), S. 28–94.17 Dieses Beschwörungsgebet mit anschließendem Shi ur Qoma findet seine früheste

Bezeugung in dem Geniza-Fragment CUL, T.-S. K 21.95.I, fol. 1a–b (ca. 12. Jh.);vgl. P. Schäfer (Hg.), Geniza-Fragmente zur Hekhalot-Literatur, Tübingen 1984[TSAJ 6], S. 69.

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Fol. 37(38)a/1–40(41)a/26: Shi ur Qoma;18 auf fol. 39(40)a/13–38 wurde dersiebte Himmel aus dem Sefer ha-Razim in Shi ur Qoma inkorporiert;Incipit: amrrbiiwmyalamrlimjjruñwrarbamyidaniydutzu .

Fol. 40(41)a/27–40(41)b/40: Traumbitten, Beschwörungstexte, 72buchstabi-ger Gottesname, Schwindeschema.19

Fol. 41(42)a/1–30: Einzelne Passagen aus dem Sefer ha-Razim.

Fol. 41(42)a/31–41(42)b/6: Gottesnamen, magisches Diagramm, magische cha-racteres,20 Beschwörungstext.

E (fol. 41(42)b/7–45(46)b):Fol. 41(42)b/7–39: Sefer ha-Mazzalot;Incipit: klmiwruchlktubqmiycriÓlktubtxlhhmlakiÕhmmuniÕylhtquph

kzh .

Fol. 41(42)b/40–45(46)a/22: Magische segullot wie z. B. zur »Öffnung desHerzens« ( ptixthlb ); einige Amulette, darunter das bekannte Wochenbett-amulett gegen Lilith mit den drei Dämonen Sanui, Sansanui und Semangelof;21

magische Diagramme; magische characteres und weitere magische Zeichen.

Fol. 45(46)a/23–45(46)b/39: Kommentar zum 42buchstabigen Namen;Incipit: diunsiÕklumrdi`uns`iÕb'nsiÕywhgbrial .

18 Dieser Text wurde als sogenannte »Sefer Razi el Recension« auf der Grundlage vonsechs Handschriften (Mss New York, JTS 1879; New York, JTS 2130; New York,JTS 8115; Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 44.13; Jerusalem, Natio-nal and University Library, Heb. 8° 476 und London, British Library, Or. 6577)ediert; s. M. S. Cohen, The Shi ur Qomah: Texts and Recensions, Tübingen 1985[TSAJ 9], S. 77–124.

19 In einem Schwindeschema wird ein Wort bzw. ein Name, jeweils um einen Buch-staben reduziert, untereinander geschrieben. Diese magische Praktik beruht aufdem Prinzip des Analogiezaubers, d. h., so wie das Wort bzw. der Name »ver-schwindet«, so verschwindet auch die Sache bzw. die Person. Locus classicus derjüdischen Tradition ist das shavriri-Schwindeschema in bPes 112a (Parallele in bAZ12b); vgl. L. Blau, Das altjüdische Zauberwesen, Budapest 1898 (Nachdruck Graz1974), S. 79; J. Trachtenberg, Jewish Magic and Superstition, New York 1939(Nachdruck New York 1970), S. 116f.

20 Es handelt sich um magische Buchstaben, die sogenannten Brillenbuchstaben; vgl.H. Biedermann, Lexikon der magischen Künste. Die Welt der Magie seit der Spät-antike, München 1986, S. 111–115; Trachtenberg, Jewish Magic, S. 141f.; I. Wein-stock, alpabitawlmjjruñupiruwh , in: ders. (Hg.), Temirin. Texts and Studies inKabbala and Hasidism, Bd. 2, Jerusalem 1981, S. 51–76.

21 Zur religionsgeschichtlichen Rekonstruktion dieses Motivkomplexes vgl. J. Naveh;Sh. Shaked, Amulets and Magic Bowls. Aramaic Incantations of Late Antiquity,Jerusalem 1985, S. 111–122.

7Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Fol. 45(46)b/40–45: Schluß und Setzerkolophon;Incipit: phnwlÕpiruwwlwÕm`bautiutunwlÕmyiiñhxkmhmsuduthrzialhgdul

uklhspri]Õ[wntñrzialhmlaÓladÕhrawuñ .22

Es handelt sich bei dem Sefer Razi el ha-Mal akh um eine Kompilation dis-parater Einzelschriften, die aus ganz unterschiedlichen Traditionen stammen.Eine erste grobe Unterteilung wird bereits durch die drei unterschiedlichenKolumnentitel des eigentlichen Buches (ohne Druckervorwort) angezeigt:

sprrzialhmlaÓ : A (fol. 2b–7a);sprrzialhgdul : B und C (fol. 7b–33[34]b);

sprrzial : D und E (fol. 34[35]a–45[46]b).Der Wechsel der Kolumnentitel entspricht exakt den Zäsuren zwischen derMakroform A und den jeweils paarweise zusammengefaßten Makroformen Bund C sowie D und E. Der titelgebende Engel Razi el wird jeweils fast zuBeginn (A) bzw. unmittelbar zu Beginn dieser drei Teile erwähnt:

Fol. 3a/15 (A): axrwlwhimiÕltxnuniubaaliurzialhmlaÓwhuaiwbylhnhr

hiucamgñydñ ;fol. 7b/3 (B): hsprhzhhnqrasudirzial ;fol. 34(35)a/1f. (D): zhhsprmsprihrziÕwntñlnx...mpirzialhmlaÓ .In der Makroform B wurde der ursprüngliche Gesamttitel sudirziia des Wer-kes von El azar von Worms in sudirzial geändert, um den Engel Razi el auchhier entsprechend der Gesamtredaktion eines Sefer Razi el prominent zu posi-tionieren. Auffällig ist, daß der Engel Razi el zu Beginn der Makroformen Cund E keine Erwähnung findet. Bereits durch dieses Detail lassen sich Rück-schlüsse auf die Redaktionsgeschichte des Sefer Razi el ziehen, die durch diehier folgende Untersuchung der Textzeugen bestätigt werden.Durch den detaillierten Aufriß des Druckes drängt sich der Eindruck auf, daßdie einzelnen Traditionen mitunter willkürlich oder gar chaotisch miteinanderverbunden wurden. Vergleicht man den Sefer ha-Razim-Abschnitt im SeferRazi el ha-Mal akh, fol. 34(35)a–41(42)b/6, mit der Edition von Margaliothfällt vor allem auf, daß es sich im Sefer Razi el um eine deutlich kürzereFasssung handelt. In der Tat umfaßt diese Fassung, hier als Kurzversionbezeichnet, nur die folgenden Abschnitte der Standardversion: Einleitung,ausgewählte Abschnitte zu den ersten vier Lagern des ersten Himmels, einigeAbschnitte aus dem fünften Himmel sowie jeweils einen Abschnitt vom sechs-ten Lager des ersten und zweiten Himmels. Diese sehr eigentümliche Zusam-menstellung von Sefer ha-Razim-Material in der Kurzversion wurde darüberhinaus durch einen Einschub eines aramäischen astro-magischen Textes23

22 Der hier erwähnte Titel myiiñhxkmh findet sich ansonsten nicht im Sefer Razi el.23 Der Einschub beginnt mit: aliñmzliaualiñmlakih .

8 Bill Rebiger

unmittelbar nach den Abschnitten aus dem fünften Himmel erweitert. Nebendieser Kurzversion von Sefer ha-Razim und der Verwendung von Abschnit-ten aus der Standardversion des Sefer ha-Razim im ersten Teil der SodeRazayya (B) gibt es noch zwei weitere Belege für Exzerpte aus dem Seferha-Razim: Fol. 39(40)a/13–38 (Einschub des siebten Himmels in Shi urQoma) und fol. 41(42)a/1–30. An der letztgenannten Stelle sind verschiedeneAbschnitte aus dem Sefer ha-Razim völlig ungeordnet aneinandergereiht. Der»Gebet des Adam« genannte Abschnitt, der auf fol. 3a beginnt, gehört über-lieferungsgeschichtlich ebenfalls in die Sefer ha-Razim-Tradition.24 Der Seferha-Razim zieht sich somit nicht gerade zufällig wie ein rotes Band durch denSefer Razi el. Schließlich entstammt ja auch der titelgebende Engel Razi el demSefer ha-Razim.Darüber hinaus sind weitere verstreut belegte Traditionen auszumachen, dieliterarkritisch gesehen zusammengehören. Der astro-magische Abschnitt auffol. 41(42)b/7–39 gehört inhaltlich zu fol. 4a–6b. Die Namenstraditionen auffol. 45(46)a/23–45(46)b/39 lassen sich denen auf fol. 24(25)a/35–33(34)b/5zuordnen. Hierzu gehört auch der kleine Einschub auf fol. 40(41)b/19–28, dermit zhuwÕhmpurw beginnt und mit dem 72buchstabigen Gottesnamen endet.So wirkt auch die Traumbitte in fol. 33(34)b/15–18 im Kontext der Namens-traditionen deplaziert und ließe sich z. B. besser den beiden Traumbitten auffol. 40(41)a/27–40 zuordnen. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, denchaotischen Eindruck zu illustrieren.Aber auch sprachlich wird der Eindruck der Heterogenität erweckt. Das ganzeBuch ist zumeist in Hebräisch, einige Passagen sind dagegen in Aramäischverfaßt. Aramäische Passagen, die an zwei Stellen des Druckes bezeugt wer-den,25 betreffen astro-magische Texte und gehörten wohl ursprünglich zusam-men. Häufig sind die Texte darüber hinaus sprachlich fehlerhaft und korruptund lassen auf eine lange und komplizierte Überlieferungsgeschichte schlie-ßen.Es stellt sich die Frage, wer für diese Zusammenstellung verantwortlich ist.Haben erst die Drucker diese Texte derart redigiert oder konnten sie auffrühere Bearbeitungen als Vorlage zurückgreifen? Ist der Sefer Razi el ha-Mal akh erst im Verlauf seiner Überlieferungsgeschichte derart durcheinan-dergeraten und existieren frühe Textzeugen, die ein besseres, d. h. geordneteresTextstadium belegen?

24 Das »Gebet des Adam« bildet den ersten Teil des Sefer ha-Razim II. Die überlie-ferungsgeschichtlichen Beziehungen zwischen Sefer ha-Razim I und II werden imRahmen des obengenannten DFG-Projektes dargestellt. Die im Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 4a–6b, auf das »Gebet des Adam« folgenden astro-magischen Ab-schnitte gehören ebenfalls in diesen überlieferungsgeschichtlichen Kontext; vgl.Leicht, Astrologumena Judaica.

25 Vgl. fol. 5a/14–31 und 34(35)b/33–40.

9Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

An dieser Stelle soll versucht werden, die Redaktionsgeschichte des SeferRazi el ha-Mal akh zumindest in ihren wesentlichen Stadien zu rekonstru-ieren. Es wurden ausschließlich handschriftliche Textzeugen, die nicht voneiner Druckvorlage abhängen,26 in die Untersuchung einbezogen. Fokussiertwird ausschließlich auf die Handschriften, die eine spezifische Zusammen-stellung von Makro- und Mikroformen entsprechend dem Sefer Razi elbezeugen.27 Die jeweilige Text- und Überlieferungsgeschichte der einzelnenMikroformen ist bislang nur teilweise untersucht worden. Vor allem sind hierUntersuchungen zu den Mikroformen der Makroform D zu nennen. DieSRdB-Version des Sefer Razi el hat N. Sed als Rezension A in seiner SRdB-Edition veröffentlicht.28 Diese Version wurde von K. Herrmann als Texttyp Cklassifiziert.29 Cohens text- und redaktionsgeschichtliche Analyse von Shi urQoma ist von der nachfolgenden Forschung kritisiert und korrigiert worden.30

Die Sefer ha-Razim-Kurzversion, die in den Sefer Razi el eingearbeitet wurde,ist im Rahmen des unter Anmerkung 1 genannten Forschungsprojektes text-und redaktionsgeschichtlich eingeordnet und ediert worden. Die astro-magi-schen Traditionen des Sefer Razi el in den Makroformen A, D und E sindGegenstand einer umfassenderen Untersuchung von Reimund Leicht.31 Diebeiden Makroformen B (Sode Razayya) und C (die Namenstraditionen)bedürfen noch weiterer Erforschung.Im folgenden wird jeweils der Aufriß der ausgewählten Handschrift angege-ben und ausgewertet. Dabei wird besonders fokussiert, ob und inwieweit dieTexte den Makroformen aus dem Sefer Razi el entsprechen. Relevante Abwei-chungen werden ebenso beschrieben wie die erste Bezeugung von redaktio-nellen Änderungen. Die Reihenfolge der Handschriften orientiert sich, soweit

26 So stellen z. B. die Mss New York, JTS 2188, und H˙

olon, Nah˙um 2b eindeutig

Abschriften von Drucken, inklusive Titelblatt und Vorwort, dar.27 Die stark fragmentarische Handschrift Ms London, British Library Or. 12286

(Gaster 707) sowie die nur Exzerpte aus einem Sefer Razi el bezeugende Hand-schrift Ms Strasbourg, Bibliotheque Nationale et Universitaire 3972 wurden nichteinbezogen, da sie nichts zur Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte beitragen.

28 Vgl. Sed, in: REJ 124 (1965), S. 28–94.29 Vgl. K. Herrmann, Massekhet Hekhalot. Traktat von den himmlischen Palästen.

Edition, Übersetzung und Kommentar, Tübingen 1994 [TSAJ 39], S. 231. Die voretlichen Jahren angekündigte Neuedition von SRdB durch Chr. Weinhag, die alleverfügbaren Textzeugen dieser Makroform mit einbeziehen sollte, ist leider nochimmer unveröffentlicht.

30 Zu Cohens Edition vgl. Anm. 12; zur Kritik vgl. P. Schäfer, Shi ur Qoma: Rezen-sionen und Urtext, in: ders., Hekhalot-Studien, S. 75–83; M. Schlüter, Cohen’sThe Shi ur Qomah, in: JQR 79 (1988), S. 90–92; K. Herrmann, Text und Fiktion.Zur Textüberlieferung des Shi ur Qoma in: FJB 16 (1988), S. 89–142.

31 Vgl. Leicht, Astrologumena Judaica.

10 Bill Rebiger

dies angesichts ihrer teilweise unsicheren Datierung überhaupt möglich ist, ander Chronologie der rekonstruierten Redaktionsgeschichte.

Ms London, British Library, Or. 6577

Die sefardische Handschrift wird um 1400 datiert.32

Fol. 1a–12b: A; entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 3a–7a.

Fol. 13a–19b: Gebet des Rav Hamnuna Sava;33 und Massekhet Hekhalot, des-sen Text am Ende abbricht, dann Seitenausfall.

Fol. 20a–39b: D; mit folgenden Mikroformen:fol. 20a: Seder Rabba di-Bereshit;fol. 25b/7: Beschwörungsgebet;fol. 26a/1: Shi ur Qoma; auf fol. 32a/23–33a/23 Einschub aus dem siebtenHimmel des Sefer ha-Razim;fol. 36b: magische segullot;fol. 38a: Schwindeschema, im Unterschied zum gedruckten Sefer Razi el ohneden nachfolgenden Abschnitt aus dem Sefer ha-Razim;fol. 39a/Ende: entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 41(42)b/5;fol. 39b: Aramäisches Sondergut, beginnt mit ailiñmzliaualiñmlakih ; danachNeuanfang der Handschrift.

Es folgt: Sefer Yes˙ira mit Kommentar.

Ms London 6577 ist der älteste Textzeuge von Texttyp B in der MassekhetHekhalot-Edition von Herrmann. Die Seitenausfälle sowie der Vergleich mitden nachfolgend beschriebenen Handschriften machen es wahrscheinlich, daßMs London 6577 nicht in der ursprünglichen Reihenfolge gebunden wurde.Wahrscheinlich wurde die lückenhafte Handschrift, der eine unbestimmteZahl von Seiten fehlt, entsprechend der Reihenfolge des Druckes Amsterdam1701 des Sefer Razi el ha-Mal akh neugebunden. Es ist in der Tat genauso gutmöglich, daß die Makroform A (jetzt fol. 1a–12b) ursprünglich erst auf dieMakroform D (jetzt fol. 20a–39b) folgte. Die Makroform A stimmt im Aufrißweitgehend mit dem Erstdruck überein. Festzuhalten ist, daß die Makroform

32 Vgl. G. Margoliouth, Catalogue of the Hebrew and Samaritan Manuscripts in theBritish Museum, Part III, London 1915, S. 3f., Nr. 736.

33 Vgl. K. Herrmann, Jewish Mysticism in the Geonic Period. The Prayer of RavHamnuna Sava, in: Jewish Studies Between the Disciplines. Papers in Honor ofPeter Schäfer on the Occasion of his 60th Birthday, hrsg. von K. Herrmann,M. Schlüter und G. Veltri, Leiden 2003, S. 180–217. Eine Edition dieses Textes wirdvon Herrmann vorbereitet.

11Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

D im Vergleich zum Sefer Razi el unvollständig ist und hier nur aus SederRabba di-Bereshit, Gebet, Shi ur Qoma sowie nachfolgenden segullot undDiagrammen besteht. Bedauerlicherweise fehlt in dieser Handschrift jeglicheSpur einer Bezeugung des Sefer ha-Razim. Fraglich bleibt somit, ob der Seferha-Razim überhaupt vorkam und wenn ja, ob von diesem Text die Standard-,die Kurzversion oder sogar beide Versionen bezeugt wurden. Aufschlußreichsind folgende Beobachtungen:

1. Der siebte Himmel aus dem Sefer ha-Razim ist bereits in Shi ur Qomainkorporiert;

2. das aramäische Sondergut ( aliñmzlia... ), das im Druck in die Kurzversionvon Sefer ha-Razim eingearbeitet wurde, wird hier separat bezeugt;

3. nach dem Schwindeschema fehlt der im Druck Amsterdam 1701 bezeugteEinschub aus Sefer ha-Razim.

Ms Moskau, Russian State Library, Guenzburg 248

Die sefardische Sammelhandschrift stammt aus dem 16. Jh.34 Dieser für Mas-sekhet Hekhalot wichtige Textzeuge war Herrmann in seiner Edition35 nochunbekannt. Ms Moskau, Guenzburg 248 kann eindeutig dem Texttyp B beiHerrmann zugeordnet werden. Ein textkritischer Vergleich von MassekhetHekhalot in den Mss Moskau, Guenzburg 248 und der ältesten Handschriftvon Texttyp B, London, British Library, Or. 6577, ergibt eine sehr großeParallelität zwischen beiden. Das Textstadium von Massekhet Hekhalot in MsMoskau 248 ist zwar punktuell etwas später einzuordnen als Ms London 6577,aber generell früher als alle anderen Textzeugen von Texttyp B. Gegenüber MsLondon 6577 hat Ms Moskau 248 den Vorteil, daß es Massekhet Hekhalotvollständig und ohne Beeinträchtigung der Lesung, wie in Ms London durchWasserflecke, bezeugt.

Vorangeht: sprjymimicut .

Fol. 192b/1–229b/12: D, mit folgenden Mikroformen:

fol. 192b/1: Sefer ha-Razim-Kurzversion mit dem aramäischen Sondergut;

fol. 198a/1: Seder Rabba di-Bereshit;

fol. 206b/11: Beschwörungsgebet;

34 Vgl. Computerkatalog IMHM Jerusalem, F 47644.35 Herrmann, Massekhet Hekhalot.

12 Bill Rebiger

fol. 207a/16: Shi ur Qoma, auf fol. 217b/2 beginnt der Einschub des siebtenHimmels aus dem Sefer ha-Razim;

fol. 224a/1: magische segullot;

fol. 227a/6: Sefer ha-Razim-Einschub nach dem Schwindeschema.

Fol. 230a/1–252a: A, mit den Mikroformen Sefer ha-Malbush, »Gebet desAdam« und dem astro-magischen Text der Tequfot.

Fol. 252b: leere Seite;fol. 253a: Kaddish;fol. 253a/12: uzatturthmlbuw ;fol. 255a/1: Anfang von Sefer Shimmush Tehillim zu den Psalmen 1–4;fol. 256b/1: Sefer Yes

˙ira und Kommentar;

fol. 273a/1: Massekhet Hekhalot;fol. 281a/1–302a/18: Sefer ha-Razim-Standardversion.Vergleicht man Ms London 6577 und Ms Moskau 248 miteinander, fällt auf,daß in dem Zeitraum zwischen beiden Textzeugen eine redaktionelle Be-arbeitung der Makroform D stattgefunden haben muß, die erstens das ara-mäische Sondergut in die Kurzversion von Sefer ha-Razim einarbeitete undzweitens weiteres Sefer ha-Razim-Material auf das Schwindeschema folgenließ. Damit lag die Makroform D bereits so vor, wie sie später gedrucktwurde. Zugleich wird in Ms Moskau 248 die Zusammenstellung von D und Abezeugt, die man als Kern des Sefer Razi el ha-Mal akh, und zwar in dieserReihenfolge, bezeichnen könnte.Alle späteren Mss bezeugen die Inkorporierung des aramäischen Sondergutsin die Kurzversion von Sefer ha-Razim und den Sefer ha-Razim-Einschubnach dem Schwindeschema. Auf Mss London 6577 und Moskau 248 (bzw.Parallelhandschriften) gehen eine Reihe von Handschriften zurück, die Masse-khet Hekhalot, die Standardversion des Sefer ha-Razim, Seder Rabba di-Bereshit sowie Shi ur Qoma bezeugen.36 Die Überlieferungsgeschichte derStandardversion des Sefer ha-Razim und Massekhet Hekhalot auf der einenSeite und der Kompilation des Sefer Razi el auf der anderen Seite trennen sichan dieser Stelle.

36 Vgl. Mss Budapest, Rabbinerseminar, Kaufmann A244; Florenz, Biblioteca MediceaLaurenziana, Plut. 44.13; Jerusalem, Jewish National and University Library, Heb.8° 476; Ramat Gan, Bar Ilan University 1063 (vormals Musajoff Collection 11);Jerusalem, Schocken Library, 15932 (Kabbala 3); New York, JTS 1879 und 8115.

13Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Ms Cambridge, University Library, Add 445

Die ashkenazische Handschrift ist im Kolophon auf den 12. Tishri 5364 (17.September 1603) datiert.37 Ms Ramat Gan, Bar Ilan 1035 stellt eine Abschriftdieser Handschrift dar.

Fol. 2a–10a: D; mit folgenden Mikroformen:

fol. 2a: Sefer ha-Razim-Kurzversion;

fol. 3a: Seder Rabba di-Bereshit;

fol. 5a: Beschwörungsgebet;

fol. 5a: Shi ur Qoma mit dem siebten Himmel aus Sefer ha-Razim;

fol. 9b–10a: Sefer ha-Razim-Einschub nach Schwindeschema.

Fol. 10b–15b: A;fol. 16a–27a: C;fol. 27b–62a/5: X bestehend aus kabbalistischen Texten, darunter neben diver-sen anonymen Texten auch Keter Shem T

˙ov von Abraham ben Alexander von

Köln und Responsen von Azriel von Gerona zu den Sefirot;fol. 62a/6–66a: E, entspricht weitgehend Sefer Razi el ha-Mal akh, fol.41(42)b/7–45(46)b; nur die Wochenbettamulette auf fol. 43(44)a–b fehlen(!);fol. 66a: Das Kolophon ist in Prag während der Regentschaft von KaiserRudolph II. angefertigt.38

In Ms Cambridge werden bis auf die Makroform B alle Makroformen desSefer Razi el ha-Mal akh bezeugt. Signifikant ist der Einschub kabbalistischerTexte (hier als Makroform X bezeichnet) zwischen den Makroformen C undE. Wie in der Parallelhandschrift Ramat Gan (s. u.) folgen auch in Ms Amster-dam (s. u.) auf die Makroform C die gleichen kabbalistischen Texte.

Ms Ramat Gan, Bar Ilan 1035 (vormals Musajoff 195)

Die Handschrift ist in italienischer Kursive geschrieben. Das Kolophon ist auf1650 datiert. Es handelt sich bei Ms Ramat Gan, Bar Ilan 1035 um eineAbschrift von Ms Cambridge, University Library, Add 445.

37 Vgl. S. Reif, Hebrew Manuscripts at Cambridge University Library. A Descriptionand Introduction, Cambridge 1997, S. 473f.

38phqqpragtxtmmwltaduninuhqisrrudlpsi'r'h'amñ .

14 Bill Rebiger

Fol. 1a–14b: D;fol. 15a–22a: A;fol. 22b–42a: C;fol. 42b–95a: X, bestehend aus kabbalistischen Texten, identisch mit MssCambridge (s. o.) und Amsterdam (s. u.);fol. 95b–102a: E;fol. 102a: ein durch einen Tintenklecks teilweise unleserliches Kolophon mar-kiert das Ende der Sefer Razi el-Tradition.

Fol. 102b: leere Seite;ab fol. 103a folgen weitere magische Texte, die nicht im Sefer Razi el bezeugtsind.Die beiden Mss Cambridge und Ramat Gan bezeugen bis auf die MakroformB (Sode Razayya) alle Teile des Druckes Amsterdam 1701, allerdings in ande-rer Reihenfolge: D, A, C und E. Zusätzlich sind zwischen die Makroformen Cund E kabbalistische Texte (hier Makroform X) eingeschoben.

Ms Amsterdam, Bibliotheca Philosophica Hermetica M207

Die sefardische Handschrift stammt aus dem 17. Jh.39

Fol. 1a–9a/7: D;fol. 9a/8–12b: A;fol. 13a–24a/27: C;fol. 24a/28–60b: X, bestehend aus kabbalistischen Texten, identisch mit MssCambridge und Ramat Gan (s. o.);fol. 61a–103b: B, der komplette erste Teil aus den Sode Razayya.

Ab fol. 103b folgen verschiedene kleinere Schriften von El azar von Worms.Bis auf die Makroform E, die hier fehlt, finden sich alle anderen Makroformendes Druckes Amsterdam 1701 des Sefer Razi el ha-Mal akh in Ms AmsterdamM207. Die Makroform B (Sode Razayya), mit der die Handschrift abschließt,wird im Gegensatz zum Druck vollständig bezeugt und läßt noch weitereSchriften von El azar von Worms folgen. Der Grund dafür, daß der erste Teilder Sode Razayya überhaupt in den Sefer Razi el aufgenommen wurde, liegtoffensichtlich darin, daß zahlreiche Abschnitte aus dem Sefer ha-Razim vonEl azar von Worms in seinen Text eingearbeitet wurden. Wie in den MssCambridge und Ramat Gan ist auch in Ms Amsterdam, BPH M207 die Rei-henfolge der Makroformen D, A, C und X (Kabbalistica) belegt.

39 Vgl. S. Gentile; C. Gilly, Marsilio Ficino e il Ritorno di Ermete Trismegisto.Marsilio Ficino and the Return of Hermes Trismegistus, Florenz 1999, S. 236f.

15Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Ms Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek,cod. heb. 156

Die ashkenazische Handschrift stammt aus dem 16.–17. Jh.40 Die Handschriftist mit einer hebräischen Pagination (482 Folios) versehen. Tintenfraß führteauf zahlreichen Seiten zu Textausfall bzw. Beeinträchtigung der Lesbarkeit.Der Text ist nur auf fol. 1a–2b vokalisiert.

Fol. 1a–59b/3 (Rest der Seite leer): D;fol. 60a–98b: A;fol. 99a–278a/9: B, erster Teil der Sode Razayya von Alef bis Nun;fol. 278a/9–371a/1: C;fol. 371a/2–453b: Y, bestehend aus magischen Texten, die nicht zum SeferRazi el gehören;fol. 454a–482a: E, entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 41(42)b/7–45(46)b/Ende (Wochenbettamulette auf fol. 43(44)a–b fehlen!);fol. 454a: beginnt mit der Überschrift mhmlaÓrzialsgul]u[tuqmiyut .In Ms Hamburg werden alle Makroformen des Sefer Razi el ha-Mal akhbezeugt. Auffällig ist der umfangreiche Einschub von magischen Texten (hierMakroform Y), die nicht zum Sefer Razi el gehören, zwischen die Makrofor-men C und E.

Ms Uppsala, University Library, hebr. 29

Die Handschrift ist mit einer modernen Pagination (119 Folios) versehen. DasKolophon der ashkenazischen Handschrift ist auf das Jahr 1612 datiert.41

Fol. 1a–9a: E, entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 41(42)b/7–45(46)b(Wochenbettamulette auf fol. 43(44)a–b fehlen!);fol. 1a (Überschrift): sgul]u[tuqmiyutbqblhmhmlaÓrzialunmsruyÕhspr

ladÕhrawuñ ;fol. 9b–29b: D;fol. 30a–42b: A;fol. 43a–91b: B, erster Teil der Sode Razayya von Alef bis Nun;fol. 92a–119a: C;

40 Vgl. M. Steinschneider, Catalog der hebräischen Handschriften in der Stadtbi-bliothek zu Hamburg, Hamburg 1878, Nr. 230.

41 Vgl. K. V. Zettersteen, Verzeichnis der hebräischen und aramäischen Mss derköniglichen Universitätsbibliothek zu Uppsala, Lund 1900, S. 18f.

16 Bill Rebiger

fol. 119a: das Kolophon nennt als Schreiber luibñaliyzr , der als aiwbyrnhiiÕ

bezeichnet wird.Mit Ms Uppsala 29 liegt uns der bislang älteste bekannte Textzeuge vor, derausschließlich und fast vollständig den Textbestand des Druckes Amsterdam1701 aufweist. Das heißt, daß bereits ein knappes Jahrhundert vor dem Erst-druck fast der gesamte Inhalt des Sefer Razi el, wie er uns aus der Druckfas-sung bekannt ist, vorlag. Die einzelnen Makroformen in dieser Handschriftwerden fast komplett bezeugt, allerdings noch in einer gegenüber der Druck-fassung veränderten Reihenfolge: E, D, A, B und C. Die Makroform B (SodeRazayya) ist wie im Erstdruck gekürzt und bricht mit dem Kapitel zum Buch-staben Nun ab. Alle Makroformen stimmen auch in der Zusammensetzungihrer Mikroformen weitgehend mit dem Erstdruck überein. Lediglich die bei-den Wochenbettamulette, die sich im Erstdruck auf den fol. 43(44)a–b(Makroform E) finden, fehlen in Ms Uppsala 29. Die kabbalistischen Texte(hier Makroform X), die sich in den Mss Cambridge, Ramat Gan und Amster-dam finden, fehlen hier wie auch im Erstdruck. Zudem bezeugt die Hand-schrift Uppsala 29 ausschließlich den Sefer Razi el und keine weiteren Texte.Es ist aus den hier zusammengefaßten Gründen sehr wahrscheinlich, daß derDrucker zumindest eine Vorlage herangezogen hat, die auf Ms Uppsala 29bzw. eine bislang unbekannte Parallelhandschrift zurückgeht.

Ms Zürich, Zentralbibliothek, Heidenheim 92

Die ashkenazische Handschrift stammt aus dem 17.–18. Jh.42 und besteht ausdrei, separat paginierten Teilen. Der erste Teil, der 24 Folios zählt und denSefer Razi el bezeugt, wurde teilweise falsch gebunden (fol. 21–24 sind zwi-schen fol. 5 und 6 eingefügt). Es finden sich Glossen über einen Vergleich miteinem Druck und über die Reihenfolge der einzelnen Makroformen. Im zwei-ten Teil, der 82 Folios umfaßt, findet sich der erste Teil der Sode Razayya (fol.1a–53b) sowie kleinere kabbalistische Schriften (u. a. von Israel Sarug undAbraham Azulai). Der dritte Teil bezeugt auf 274 Folios kabbalistische Schrif-ten von H

˙ayyim Vital.

Fol. 2a: Inhaltsverzeichnis;fol. 2b–12a: D;fol. 12b: leere Seite;

42 Vgl. N. Allony; E. F. Kupfer, List of Photocopies in the Institute, Part II: HebrewManuscripts in the Libraries of Belgium, Denmark, The Netherlands, Spain andSwitzerland, Jerusalem 1964, S. 122, Nr. 1464.

17Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

fol. 13a–18b: A;fol. 19a–b: leere Seiten;fol. 20a–22a: E, entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 41(42)b/7–45(46)b(komplett!);fol. 22b–24b: C, entspricht Sefer Razi el ha-Mal akh, fol. 24(25)a/35–30(31)a/23.Daß hier die Makroformen E und C aufeinander folgen, ist inhaltlich sinnvoll,da so die Kommentare über den 42– und den 72buchstabigen Namen mitein-ander verknüpft sind. Da auf den Sefer Razi el direkt der erste Teil der SodeRazayya folgt, weist die Handschrift die folgende Reihenfolge der Makrofor-men auf: D, A, E, C und – separat – B.

Zusammenfassung der Handschriftenanalyse

Als frühesten Kern des Sefer Razi el ha-Mal akh kann man die Zusammen-stellung der Makroformen D und A betrachten, wie sie bereits in dem ältestenTextzeugen Ms London, British Library 6577 und dem davon abhängigen MsMoskau, Guenzburg 248 bezeugt ist. Wenn die Rückschlüsse von Ms Moskau248 auf den einstigen Aufriß der nunmehr unvollständigen Handschrift MsLondon 6577 zutreffen, dann wäre der Beginn der Sefer Razi el-Kompilierungbereits um 1400 greifbar. Es ist aber durchaus denkbar, daß die Zusammen-stellung der Makroformen D und A noch älter ist. Die Aufeinanderfolge derMakroformen D und A wird von fast allen Handschriften bezeugt.43 In fastkeinem Textzeugen findet sich der Sefer ha-Razim in der Standardversion.44

Alle anderen Handschriften bezeugen ausschließlich die Kurzversion, diedemnach nicht etwa eine im Verlauf der Überlieferungsgeschichte stark kor-rumpierte Version darstellt, sondern bereits den ältesten Textzeugen vorlag.Die Makroform D fand in der Zeit, die zwischen den Handschriften London,British Library 6577 und Moskau, Guenzburg 248 liegt, ihre endgültigeGestalt, d. h. spätestens im 16. Jh.45 Im Verlauf dieser Zeit wurde das aramäi-

43 Einzige Ausnahme ist das unvollständige und mit großer Wahrscheinlichkeit falschgebundene Ms London, British Library, Or. 6577.

44 Einzige Ausnahme bildet Ms Moskau, Guenzburg 248, in dem der Sefer ha-Razimzweimal bezeugt wird: erstens in der Kurzversion (fol. 192b/1–197b/5) und zwei-tens, in einem anderen Überlieferungskontext, in der Standardversion (fol. 281a/1–302a/18).

45 Vgl. auch die Bezeugung der Kurzversion des Sefer ha-Razim in Ms Montana,Privatsammlung E. Segre Amar 145 (vormals Sassoon 290), S. 61–71 (jeweils alsHinzufügung am unteren Seitenrand), aus dem 16. Jh.; vgl. D. S. Sassoon, OhelDawid, Descriptive Catalogue of the Hebrew and Samaritan Manuscripts in the

18 Bill Rebiger

sche Sondergut in die Sefer ha-Razim-Kurzversion und ein weiterer Seferha-Razim-Textblock nach dem Schwindeschema am Ende der Makroform Deingefügt.Um 1600 wurden dann in einer weiteren redaktionellen Bearbeitung die bisdahin fehlenden Makroformen B, C und E diesem Kern hinzugefügt. MsAmsterdam bezeugt als einzige Handschrift den ersten Teil der Sode Razayya(B) vollständig. Ein Grund für diese Vollständigkeit könnte die Tatsache sein,daß die unmittelbar folgenden Schriften ebenfalls von El azar von Wormsstammen. In den Mss Hamburg und Uppsala bricht die Makroform B wie imErstdruck ebenfalls mit dem Kapitel zum Buchstaben Nun ab. Es stellt sichdie Frage, ob der Abbruch der Makroform B mit dem Kapitel zum Buchsta-ben Nun auf einen Schreiberfehler oder aber auf eine uns unbekannte redak-tionelle Absicht zurückzuführen ist.Die Makroform C wurde zusammen mit kabbalistischen Texten (hier Makro-form X), die letztendlich nicht im Erstdruck des Sefer Razi el ha-Mal akhübernommen worden sind, an den Kern (D und A) angefügt.46 Der Grund fürdie Hinzufügung des Kommentars zu den Gottesnamen (C) könnte sein,daß den Redaktoren einige der älteren Hinweise auf ein Sefer Razi el, dasGottesnamen enthalten soll, bekannt gewesen sind.47 Der Kommentar zu denGottesnamen (C) entstammt in der Tat ebenso dem Umfeld der frühen spa-nischen Kabbala wie die Texte der Makroform X. Die Makroform X ist aberinnerhalb der Redaktionsgeschichte des Sefer Razi el nicht weiter tradiertworden.Das magische Sondergut der Makroform Y, die nur in Ms Hamburg 156bezeugt wird, verweist auf den magischen Überlieferungskontext, in den dieRazi el-Traditionen gehören, und ermöglicht zugleich die inhaltlich sinnvolleVerknüpfung mit der nachfolgenden Makroform E.Die äußerst heterogene Makroform E dürfte aus inhaltlichen Gründen hin-zugefügt worden sein, da sie zusätzliches Material zu den Makroformen A(astro-magische Texte), C (Gottesnamen) und D (segullot) bietet. Der letzteBaustein, der dem Sefer Razi el hinzugefügt wurde, findet sich im Druck aufden fol. 43(44)a–b und gehört zur Makroform E. Von den beiden auf diesen

Sassoon Library London, Oxford 1932, S. 443–446; Computerkatalog IMHM Jeru-salem, F 39891, F 09273; M. Benayahu, sprwuwñisudhyulÕlr'iusútirwuÕ , in:Temirin 1 (1972), S. 187–269; Y. Harari, H

˙arba de-Moshe (hebr.), Jerusalem 1997,

S. 13–15, S. 139; G. Scholem, sdridwmuwarba , in: Tarbiz 16 (1945), S. 205;Wandrey, »Das Buch des Gewandes«, S. 28f., 97f.

46 Vgl. Mss Cambridge, Ramat Gan und Amsterdam.47 Vgl. z. B. Tiqqune ha-Zohar, fol. 91b; Abraham Abulafia, Sheva Netivot ha-Tora,

Jerusalem 1999, S. 125; R. Shem T˙ov ben Shem T

˙ov, Sefer ha-Emunot, Ferrara 1556,

fol. 19b.

19Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Seiten abgedruckten Wochenbettamuletten ist besonders das mit den dreiDämonen Sanui, Sansanui und Semangelof bekannt. Von den hier untersuch-ten Handschriften, die überhaupt die Makroform E aufweisen,48 bezeugt nurMs Zürich diese beiden Seiten. Da diese undatierte Handschrift ungefähr ausdem 17.–18. Jh. stammt und vielleicht sogar von einem Druck abhängenkönnte, erscheint es auch möglich, daß erst die Drucker der Erstausgabe dieseAmulette hinzugefügt haben.Lediglich die Handschriften Hamburg, Zürich und Uppsala bezeugen alle fünfMakroformen und kommen damit als Vorlage für den Erstdruck in Betracht.Ms Hamburg kann wohl aufgrund des singulären Einschubs des magischenSondergutes (Makroform Y) und der erst daran anknüpfenden Makroform Eals Vorlage eher ausgeschlossen werden. In Ms Zürich wird durch den Neu-einsatz der Handschrift ausgerechnet mit der Makroform B und die späteDatierung (17.–18. Jh.) sogar eine Abhängigkeit vom Druck wahrscheinlich.Mit Ms Uppsala liegt uns schließlich die bislang älteste Handschrift zum SeferRazi el ha-Malakh vor, die ausschließlich und bis auf die beiden Wochenbett-amulette auch vollständig den Text des Erstdruckes – allerdings in veränderterReihenfolge – aufweist. Die Datierung dieser Handschrift auf das Jahr 1612belegt, daß bereits ein knappes Jahrhundert vor dem Erstdruck die redaktio-nelle Arbeit am Textbestand des Sefer Razi el ha-Mal akh abgeschlossen war.Ms Uppsala bzw. bislang unbekannte Parallelhandschriften bildeten die Vor-lage für den Erstdruck Amsterdam 1701.Bemerkenswert ist vor allem die Stabilität der einzelnen Makroformen A bis Ehinsichtlich ihrer Abgrenzung sowie der Zusammensetzung ihrer Mikro-formen. Natürlich würde ein textkritischer Vergleich der handschriftlichenTextzeugen mit dem Druck Amsterdam 1701 zahlreiche Textausfälle in derÜberlieferungsgeschichte offenbaren. Überraschenderweise wurden aber dieMakroformen nicht intern bearbeitet, sondern nur jeweils en bloc neu konfi-guriert bzw. durch andere Texte ausgetauscht oder ergänzt. Es stellt sich dieFrage, warum im Zuge redaktioneller Bearbeitung nicht zugleich die teilweisechaotische Zusammenstellung innerhalb der einzelnen Makroformen beseitigtwurde. Ist es möglich, daß hinter dieser »Überlieferungstreue« die Vorstellungeines wahrhaftigeren Charakters von Heterogenität steckt? So, als würde einewohlgeordnete und harmonisierte Kompilation an »Authentizität« und damitGlaubwürdigkeit verlieren.

48 Vgl. Mss Cambridge, Ramat Gan, Hamburg, Uppsala und Zürich.

20 Bill Rebiger

Der »Liber Razielis« und die Redaktion des »SeferRazi el ha-Mal akh«

Die sefardische Provenienz der frühesten Belege für eine Kompilierung (MssLondon und Moskau) verweist auf Spanien als möglichem Ort für den Beginnder Redaktion. In die gleiche Richtung weisen auch die kabbalistischen Texte(Makroformen C und X), die ebenfalls spanischer Herkunft sind.In Spanien, am Hofe Alfons X. (el Sabio) von Kastilien wurde etwa zwischen1255–1270 eine lateinische Kompilation unter dem Titel Liber Razielis ange-fertigt, die allerdings mit dem hebräischen Sefer Razi el nur teilweise identischist.49 Dieser Liber Razielis ist ein siebenteiliges Sammelwerk, das nicht alleinauf jüdische Quellen, sondern auch auf islamische Traditionen zurückgeführtwerden kann. Der vierte Teil des Liber Razielis handelt von den temporibusanni et diei et noctis und trägt den Titel Cefer Raziel. Hier finden sich vorallem die astro-magischen Texte, die aus dem hebräischen Sefer Razi el(Makroformen A und E) und dem Sefer ha-Razim II (die sogenannten mish-marot) bekannt sind, wieder. Der sechste Teil des Liber Razielis mit dem TitelLiber Zamayin50 ist eine vollständige Übersetzung der Standardversion desSefer ha-Razim, die um einige Zusätze erweitert wurde.51 Dieses lateinischeSammelwerk hat eine erstaunliche Rezeption entfaltet, die sich in zahlreichenAbschriften und auch Übersetzungen in verschiedene Vernakularsprachen(Französisch, Englisch, Deutsch, Tschechisch) zeigt.Daß der Liber Razielis auch eine Wirkung auf jüdische Kreise gehabt hat, wirddurch eine hebräische Übersetzung desselben eindrucksvoll belegt.52 Der Liber

49 Eine kritische Edition der lateinischen Übersetzung des Sefer ha-Razim (Mss Vati-kan, Lat. Reg. 1300, und Halle, Universitätsbibliothek, 14 B 36) wurde ebenfalls imobengenannten Forschungsprojekt zum Sefer ha-Razim am Berliner Institut fürJudaistik erarbeitet. Vgl. zum Liber Razielis vor allem Leicht, AstrologumenaJudaica; siehe auch Gentile; Gilly, Marsilio Ficino e il Ritorno di Ermete Tris-megisto, S. 226–235; F. Secret, Sur Quelques Traductions du Sefer Razi el, in: REJ128 (1969), S. 223–245; M. Idel, The Magical and Neoplatonic Interpretations ofthe Kabbalah in the Renaissance, in: Jewish Thought in the Sixteenth Century, hrsg.von B. D. Cooperman, Cambridge (Mass.) 1983, S. 191–194; S. Akerman, QueenChristina’s Latin Sefer-Ha-Raziel Manuscript, in: Judaeo-Christian IntellectualCulture in the Seventeenth Century. A Celebration of the Library of NarcissusMarsh (1638–1713), hrsg. von A. P. Coudert, S. Hutton, R. H. Popkin und G. M. Wei-ner, Dordrecht 1998, S. 13–25.

50 »Zamayin« ist eine ungenaue Transliteration des hebräischen Wortes wmiÕ – »Him-mel«.

51 U. a. wurde das »Gebet des Adam« in die Einleitung des Sefer ha-Razim I inkor-poriert.

52 Ms Oxford, Bodleian Library, Seld. Arch. Sup. 107 (A. Neubauer, Catalogue ofthe Hebrew Manuscripts in the Bodleian Library, Oxford 1886, Nr. 1959) bezeugt

21Zur Redaktionsgeschichte des »Sefer Razi el ha-Mal akh«

Razielis wurde neben einer hebräischen Vorlage des Sefer ha-Razim I auch inMs New York, JTS 8117 herangezogen.53

Ein weiterer Beleg für ein jüdisches Interesse an der lateinischen Razi el-Tradition findet sich in zwei ashkenazischen Handschriften, deren eine eineAbschrift der anderen ist.54 Es handelt sich um einen fünfteiligen esoterischenTraktat in hebräischer Sprache, u. a. über Gottesnamen und die 22 Buchstabendes hebräischen Alphabets. Auch hier wurde wie im Sefer Razi el ha-Mal akheine Fünfteilung vorgenommen. Gleich zu Beginn wird Razi el, der Engelfürstdes ersten Menschen, erwähnt. Dieser Traktat wurde nur in Ms München 240,wahrscheinlich sekundär, mit der Überschrift Sefer Razi el versehen. Er istaber weder mit einer der Versionen des Sefer ha-Razim noch mit dem SeferRazi el ha-Mal akh identisch. Einige Motive und Formulierungen erinnernallerdings an deren Traditionsgeschichte. In der Überlieferungskette diesesTraktates wird nicht nur König Salomo erwähnt, sondern auch ein KönigKastiliens. Hier liegt offenbar ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung christ-licher Tradenten für die Überlieferung von jüdischen Razi el-Traditionen vor.Der auf diese Einleitung folgende Abschnitt enthält astro-magische Texte zuden zwölf Tierkreiszeichen und den sieben Planeten, die auch aus dem erstenBuch des lateinischen Liber Razielis bekannt sind.55

Auch der Drucker des Erstdruckes Amsterdam 1701 rekurriert auf christlicheRazi el-Traditionen. So erwähnt er in seinem Vorwort ein Buch in französi-scher Sprache, das zum größten Teil mit dem Sefer Razi el ha-Mal akh über-einstimmen soll.56 Die Existenz nichtjüdischer Razi el-Traditionen wird hierzum Anlaß, die entsprechenden eigenen, jüdischen Traditionen durch eingedrucktes Buch einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.Die redaktionelle Zusammenfassung unterschiedlicher jüdischer Schriften zueinem Sefer Razi el ha-Mal akh könnte man als bewußte Reaktion auf denlateinischen Liber Razielis verstehen. Ob die Zusammenstellung eines hebräi-

eine hebräische Übersetzung des lateinischen Liber Razielis, allerdings nur derersten drei Teile, da die Handschrift zu Beginn des vierten Teils abbricht. Dasvorangestellte Inhaltsverzeichnis listet aber noch alle sieben Teile auf.

53 Diese Fassung des Sefer ha-Razim wird ebenfalls in dem obengenannten DFG-Projekt ediert.

54 Mss München, Staatsbibliothek, Cod. hebr. 240, fol. 18a/1–23b/18 (ashk.; 15. Jh.),und die Abschrift München, Staatsbibliothek, Cod. hebr. 311, fol. 43a/1–54/29(ashk.; 15.–16. Jh.).

55 Ms München 240, fol. 18a/20–41, entspricht wörtlich Ms Halle 14 B 36, fol.9a/19–9b/26; vgl. Leicht, Astrologumena Judaica.

56 S. fol. 1b/8f.: ydwrahraitiwtiraiut,wkbrndpsurubbniñurubmniñ,bsprhnqra

ciurautiutmklhyulÕblwuñcrpt ; vgl. zur Identifizierung dieses französischenTextes Secret, in: REJ 128 (1969), S. 223–225.

22 Bill Rebiger

schen Sammelwerkes unter dem Titel Sefer Razi el ha-Mal akh den Versuchdarstellt, eine »authentischere« Kompilation zu produzieren, die im Gegensatzzum lateinischen Liber Razielis ausschließlich aus jüdischen Quellen besteht,kann aufgrund der Quellenlage nur spekuliert werden. Die Fünfteilung desSefer Razi el wäre dann gegenüber der Siebenteilung des Liber Razielis dieadäquate »jüdische« Unterteilung entsprechend der biblischen Vorbilder (fünfBücher Mose und fünf Bücher Psalmen).Der Drucker berichtet zwar in seinem Vorwort relativ ausführlich über her-angezogene Handschriften, ihren Vergleich miteinander und verschiedeneKorrekturgänge, aber über eine Neustrukturierung des Materials läßt er nichtsverlauten. Kann man daher annehmen, daß bereits die handschriftliche Vorlageim Besitz des Druckers genau so zusammengestellt war wie der Druck? Oderbestand die redaktionelle Arbeit des Herausgebers des Druckes Amsterdam1701 im wesentlichen nur noch darin, die Reihenfolge der fünf, bereits hand-schriftlich vorliegenden Makroformen zu ändern? Bislang ist schließlich keineHandschrift bekannt, die den gleichen Text in der gleichen Reihenfolge wieder Erstdruck bezeugt, ohne von einem Druck abhängig zu sein. Mit demDruck Amsterdam 1701 wurde ein textus receptus geschaffen, der einerseitswiederum handschriftlich kopiert und andererseits nahezu unverändert bisheute nachgedruckt wurde und wird.