zeus, günter: "die römischen götter", jeff klotz (hrsg.), remchingen 2014

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Günter Zeus Die römischen Götter Glaube und Religion im Römischen Reich Jeff Klotz (Hrsg.)

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Günter Zeus

Die römischen Götter Glaube und Religion im Römischen Reich

Jeff Klotz (Hrsg.)

Impressum Die Götter der Römer Von Günter Zeus Herausgegeben von Jeff Klotz Remchingen 2014 ISBN: 978-3-00-046475-1 Alle Rechte vorbehalten Jeff Klotz Römermuseum Remchingen Niemandsberg 4 751956 Remchingen www.roemermuseum-remchingen.de Wissenschaftliche Arbeit: Günter Zeus, Marlis Zeus Redaktion und Produktion: Jeff Klotz Druck: BAUR Typoform GmbH, Keltern Printed in Germany Remchingen 2014 ISBN: 978-3-00-046475-1

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Die römischen Götter Glaube und Religion im Römischen Reich

Von Günter Zeus Remchingen, 2014

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Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................... 5

Einführung .......................................................................................... 6

Die Römer als kulturelle Erben der Griechen und der Etrusker ......................................................................... 12

Die politische Entwicklung bis Augustus ........................................ 23

Jupiter ................................................................................................ 25

Exkurs: der Genius ....................................................................... 28

Weiter mit Jupiter ......................................................................... 32

Ein römisch-keltischer Jupiter ..................................................... 34

Jupiters Eltern Saturn und Ops ........................................................ 36

Die sagenhafte Geburt des Allvaters ............................................... 39

Die „dei consentes” .......................................................................... 43

Die Göttin Vesta ............................................................................... 47

Venus ................................................................................................. 48

Die Schaumgeborene .................................................................... 50

Die Venus vom Berge Eryx ......................................................... 51

Die Venus kallipygos .................................................................... 52

Die Charakteristik der Venus im Römischen Reich .................... 54

Venus und ihr häßlicher Gatte Vulcanus ......................................... 56

Venus betrügt den Vulcanus mit dem Trojaner Anchises .............. 59

Urheberin des Trojanischen Krieges: die Göttin der Zwietracht .............................................................. 61

Das Urteil des Paris .......................................................................... 64

Das Schicksal des Aeneas, Sohn der Venus ..................................... 68

Mars ................................................................................................... 71

Juno ................................................................................................... 75

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Minerva ..............................................................................................78

Latona, die Mutter Dianas und Apollos ...........................................82

Apollo .................................................................................................86

Diana ..................................................................................................91

Intermezzo zur Eifersucht Junos auf Latonas wohlgeratene Kinder .......................................................................94

Ceres ...................................................................................................95

Mercurius ...........................................................................................97

Intermezzo zu gewissen speziellen Eigenschaften des Mercurius ..................................................................................99

Neptunus .......................................................................................... 103

Pluto und Proserpina ....................................................................... 105

Unterwelt und Jenseits .................................................................... 108

Der Pantheismus und das Pantheon Kaiser Hadrians ................... 110

Der Kaiserkult ................................................................................. 116

Ein neuer synkretistischer Gott: Sol invictus ................................. 122

Der Konflikt mit den Christen ........................................................ 125

Die neuen Götter: Sol invictus - Mithras - Christus ...................... 133

Erst verfolgt, dann toleriert, dann gleichberechtigt: die „Konstantinische Wende“ ................................................... 140

Aus Verfolgten werden Verfolger ................................................... 144

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Einleitung Ich beginne mit einem lockeren Spruch von Hermann Mostar:

Früher waren die Lateiner grade so wie unsereiner.

Dieser Aussage entnehme ich aber doch im Hinblick auf mein heutiges Thema einen sehr ernsthaften Gedanken: nämlich, dass sich die Menschen seit der Zeit, als die Lateiner, also die Urmütter und Urväter des späteren römischen Reiches, in die Geschichte eintreten, also so um 800 v. Chr., bis heute nicht wesentlich verändert haben. Die moderne Wissenschaft beweist uns sehr nachvollziehbar, dass ein frührömisches Bauernkind, also z. Bsp. im Jahre 700 geboren, als Säugling von einer bürgerlichen Familie im heutigen Remchingen adoptiert und aufgezogen, sich in nichts von seinen heute geborenen Stiefgeschwistern unterscheiden würde. Es würde deutsch lernen, würde wahrscheinlich evangelisch oder katholisch getauft und erzogen, hätte mit 10 Jahren ein Smartphone, mit spätestens 14 einen eigenen Computer, hätte in der Schule gute oder nicht so gute Noten - eben „grade so wie unsereiner“. Der Entwicklungsbiologe Gerald Crabtree von der kalifornischen Stanford University behauptete kürzlich in einer gut begründeten Studie, dass die Menschen in den vergangenen 3.000 Jahren sogar tendenziell stetig dümmer geworden seien. Sein Hauptargument, in wenigen Worten zusammen gefasst: Früher überlebten nur die Klügsten. Vielleicht hätte unser frührömisches Adoptivkind gegenüber seinen heutigen Altersgenossen in der Schule, im Beruf, bei der Partnerwahl und überhaupt sogar einen kleinen statistischen Vorteil.

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Ich möchte Ihnen mit diesen wenigen einleitenden Sätzen bewußt machen, dass die alten Römer und ihre unmittelbaren Vorgänger vor der Gründung Roms so um das Jahr 750 v. Chr., die Latiner, aber auch beispielsweise die alten Griechen und die alten Etrusker, genauso schlau und genauso dumm waren wie wir und dass sie die gleichen Sehnsüchte und die gleichen geistigen und geistlichen Grundbedürfnisse hatten. Eine bestimmte Kultur, und die Religion ist ein bedeutender Faktor jeder Kultur, wird ja nicht vererbt; sie wird von den Eltern und der umgebenden Gesellschaft im Laufe des Lebens jedem einzelnen Individuum anerzogen. Du kommst als ganz normaler, sozusagen neutraler Mensch auf die Welt, und wenig später bist du Jude, Katholik, Altkatholik, Protestant, Jehovas Zeuge, Hindu, Schiit, Sunnit, Alevit usw. usw. usw. Die kindliche religiöse Prägung ist so stark, dass sie den Einzelnen zeitlebens im Griff behält, trotz aufkommender Zweifel und meistens sogar wider bessere Einsicht.

Aber, und das ist wichtig zu bedenken, das Milieu, in welches die Menschen der alten Welt hineingeboren wurden, war ein völlig anderes als unser heutiges. Sie lebten in einer ständig von den Unbilden des Wetters, von Hunger und Gewalt, von Krankheit und Tod unmittelbar bedrohten Umgebung. Eine intakte Ehe- und Familiengemeinschaft, das tätige Einfügen in die Gemeinschaft von der Familie bis zum Staat, Treue und Zuverlässigkeit waren deshalb für sie lebensnotwendig. Singles nach unserem heutigen Verständnis gab es nicht. Sie hätten kaum überlebt. Sie werden im Laufe des Vortrags erfahren, dass in der altrömischen Religion deshalb gleich mehrere Gottheiten als Garanten und Behüter der Ehe, der Familie und des häuslichen Herdes verehrt wurden.

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Andererseits schuf das Fehlen des uns heute andressierten Erfahrungswissens den damaligen Menschen die Möglichkeit, Erkenntnisse und Einsichten zu gewinnen, die uns Heutigen verschlossen sind.

Das Wort „religio“ kommt im Römischen Reich erst so um das Jahr 200 v. Chr. auf und wird gebraucht für Gottesfurcht, Frömmigkeit, Heiligkeit, Pflicht oder auch ganz einfach Rücksicht. Die Latiner waren, wie die antiken Quellen übereinstimmend berichten, durchaus gottesfürchtig, fromm und vor allem pflichtbewusst. Ihre Götter waren schon in vorgeschichtlicher Zeit durch Erfahrung und Nachdenken entstanden. Und im Laufe vieler Jahrhunderte wurden sie immer konkreter und umfassten schließlich sämtliche Lebensumstände.

Hermann Hesse findet als Anfang seines ersten, autobiographischen Romans „Peter Camenzind“ für das Rumoren des Göttlichen in den Menschen ein besonders treffendes Bild: „Im Anfang war der Mythus. Wie der große Gott in den Seelen der Inder, Griechen und Germanen dichtete und nach Ausdruck rang, …“.

Die Menschen unterwarfen sich der Macht der Götter, aber sie hofften natürlich auch auf ihre Milde und Großmut. Sie wussten ja aus Erfahrung, dass sie machtlos waren und anders als durch bedingungslose Unterwerfung bei den Göttern nichts ausrichten konnten. Natürlich waren an der Ausprägung der Gottheiten phantasievolle Priester und Einflussreiche Vordenker maßgeblich beteiligt, während die im Laufe der Zeit immer üppiger wuchernden Mythen vor allem von den großartigen antiken Dichtern vom griechischen Homer bis zum augusteischen Ovid ausgeformt worden sind. Doch auch allen diesen Mythen liegt die Erfahrung zu Grunde: die Götter verfahren mit den Menschen nach ihren eigenen Befindlichkeiten.

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Die Menschen sind den Launen der Götter ausgeliefert, und diese müssen ständig aufs Neue günstig gestimmt werden. Gerade die Mythen belebten die bildende Kunst schon zu ihrer Zeit und erneut von der Renaissance bis in unsere Tage in besonderem Maße, so dass ich zu meiner und hoffentlich auch zu Ihrer Freude diesen Vortrag gerne mit entsprechenden Werken würze. Ein frommes, also tugendsames und gottgefälliges Leben, zu dem notwendig Gebet und Opfer gehörten, waren in der Vorstellung der Menschen der Antike die Mittel, die Gottheiten gnädig zu stimmen. Besonders wirksam galten Gebet und Opfer an der der Gottheit besonders geweihten Kultstätte. Denken Sie an die Wallfahrten der Christenheit nach Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostella, aber auch nach Walldürn oder Maria Bickesheim oder zu unserer ehemaligen Wallfahrtskirche Maria zur Aich beim Sperlingshof in Wilferdingen. Zwei Anmerkungen muss ich zur Klarstellung noch machen, bevor ich mich einzelnen Göttern zuwende: Ich sprach von den altrömischen Göttern und ihren Vorläufern als Verkörperungen von Naturereignissen und Lebensumständen. Das ist sprachlich insofern nicht korrekt, als die ganz frühen Lateiner ihre Götter lange Zeit eben nicht in menschlicher oder überhaupt in irgendeiner bestimmten Form verehrten. Das geschah erst nach und nach unter dem schon recht früh einsetzenden Einfluss der Etrusker und besonders der Griechen. Überhaupt hatten die Lateiner eine ausgeprägte Gabe der Abstraktion. Sie konnten sich ihre Gottheiten offenbar lange Zeit auch ohne Kultbilder sehr gut vorstellen, oder vielleicht besser, sie konnten sie sich denken. Aber auch die späteren Kultbilder waren keine Götzen, als die sie später von Juden und Christen gerne diffamiert wurden. Verehrt und angebetet wurden die Idee, das Wirken, die göttliche Macht, ja die gesamte Heiligkeit, für die die Bilder standen und nicht die Bilder selbst.

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Wenn Sie heute in der Kirche vor dem Kruzifix stehen oder knien und beten, so beten Sie ja auch nicht das Stück Holz an, das da hängt, sondern den, als dessen Verkörperung es da hängt. Die Römer nannten diesen unsichtbaren Geist hinter dem Bild des Gottes sein Numen, eine Bezeichnung, die schon vor den Götterbildern aufkam und die Wirkmächtigkeit einer Gottheit bezeichnete. Und noch eines ist wichtig zu wissen: es gab in der latinischen Religion unter den Göttern zunächst keine Verwandtschaften, also keine Eltern und Kinder und keine Geschwister. Es gab auch keinen Schöpfungsmythos wie bei den drei monotheistischen Religionen oder auch bei den Griechen. Die alten Gottheiten waren, wie schon immer, eben einfach da, und sie würden nach der Glaubensüberzeugung der Latiner auch immer da sein. Überhaupt waren Mythen zunächst eher selten.

Wenn ich also im weiteren Verlauf meines Vortrags solche Verwandtschaften anspreche und gelegentlich auch nicht so ganz ernst nehme, sind sie nicht ur-latinisch, sondern erst im Laufe der Geschichte unter dem immer stärker werdenden kulturellen Einfluss Griechenlands und seiner genialen Dichter, allen voran des göttlichen Homer, aufgekommen.

Ich sprach weiter von einem gottgefälligen Leben, durch das die Menschen der alten Zeit ihre Götter gnädig stimmen wollten. Was bedeutete das, außer zu den Göttern zu beten und zu opfern? Nun, es bedeute nach zahlreichen antiken Überlieferungen zum Beispiel, den Nachbarn, aber auch den Fremden, nicht totzuschlagen, ihn nicht zu verleumden, ihn nicht zu belügen, ihm nicht die Frau wegzunehmen noch sonst Unkeuschheit zu treiben, ihn nicht zu bestehlen, die Eltern zu ehren und die Ahnen zu verehren. Sie meinen, Sie hätten so etwas schon einmal gehört? Richtig, allerdings mit zwei wesentlichen Abweichungen: das erste Gebot kommt in der Ethik der alten Völker mit Ausnahme der Juden nicht vor.