missbrauch und gebrauch des peculium

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XXIV 2 / 2005 Herausgegeben von HANS-JOACHIM DREXHAGE und KAI RUFFING SCRIPTA MERCATURAE VERLAG

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XXIV

2 / 2005

Herausgegeben

von

HANS-JOACHIM DREXHAGE

und

KAI RUFFING

SCRIPTA MERCATURAE VERLAG

Münstersche Beiträge z. antiken Handelsgeschichte Bd. XXIV,2 (2005), 125–145 125

Missbrauch und Gebrauch des peculium

Von Nadine Grotkamp

„Sed et si quis, cum suspicaretur alium secum acturum, alio peculium avertat, dolo non caret – Auch wenn jemand, wenn er vermutet, dass ein anderer gegen ihn klagen wird, das Sondergut anderswohin ableitet, ist er nicht frei von Arglist.“1 Im antiken Rom konnte nicht jeder, der Geschäfte tätigte, auch vor Gericht ver-klagt werden. Beklagte konnten nur gewaltfreie Personen sein, nicht aber Sklaven oder gewaltunterworfene Kinder. Trotzdem sind sie auch als Händler bezeugt, und ihre Geschäfte waren auch nicht ohne juristische Relevanz, denn in bestimmten Fällen konnte gegen den Gewalthaber, den Eigentümer des Sklaven oder den Va-ter des gewaltunterworfenen Kindes, vorgegangen werden.2 Die Sondergutsklage (actio de peculio) war einer dieser Fälle. Wenn der Eigentümer aus einem Ge-schäft, das einer seiner Sklaven mit peculium getätigt hatte, vor Gericht belangt wurde, haftete er allerdings nur bis zum Wert des peculium.3 Das peculium war also ein Mittel, mit dem theoretisch (und unter bestimmten Voraussetzungen) die Haftung für riskante Geschäfte begrenzt werden konnte, und das möglicherweise deshalb auch für den Herrn eine vorteilhafte Form der Vermögensverwaltung war. Dass der Missbrauch für Juristen wie Ulpian, von dem der eingangs zitierte Satz stammt, ein Thema war, legt nahe, dass es auch in der Praxis dafür eingesetzt wurde.

Das peculium erregt schon so lange das Interesse der Forschung, sowohl das der Historiker als auch das der Juristen, dass man meinen könnte, zu dem Thema nichts mehr sagen zu müssen.4 Doch stehen die Überlegungen von Historikern und

1 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,21, pr. 2 Wenn im Weiteren nur noch von Sklaven die Rede ist, soll dies der Vereinfachung die-nen. Juristisch bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem peculium eines Sklaven und dem eines Kindes.3 Gai. 4, 72a–74a; Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,1,pr.; I. 4,7,4.4b. 4 Trotz des allgemeinen Interesses sind spezielle Untersuchungen zu dem Thema selten: I. Zerber, A study of the peculium of a slave in pre-classical and classical Roman Law, War-schau 1981; J. J. Brinkhof, Een studie over het peculium in het klassieke Romeinse recht, Meppel 1978; G. Mandry, Über Begriff und Wesen des Peculium, in: Herrn Geheimenrath und Professor Dr. Karl Georg von Wächter in Leipzig bringt zur Feier seines fünfzigjähri-gen Amtsjubiläums am 13. August 1869 ihre Glückwünsche dar die Juristenfacultät in Tü-bingen. Faks.-Neudr. d. Ausg. Tübingen: Laupp 1869, Tübingen 1987, 1–92. Interessanter ist die ausführliche Darstellung der adjektizischen Klagen in A. Bürge, Römisches Privat-recht. Rechtsdenken und gesellschaftliche Verankerung, Darmstadt 1999, 171–203.

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Juristen vielfach unverbunden nebeneinander.5 Für Historiker ist das peculium vor allem ein eigenes, kleines Vermögen besonders tüchtiger Sklaven, die mit einer Art Taschengeld belohnt wurden und sich so durch einen kleinen Nebenerwerb das Geld für ihre Freilassung verdienen konnten.6 Aber auch wenn nach Ulpian pe-culium von pusilla pecunia (kleines Geld) hergeleitet wurde7, konnte es beträcht-liche Ausmaße annehmen, was wiederum für die Sozialgeschichte interessant ist, da es zeigt, dass rechtlicher und sozialer Status nicht identisch sein mussten.8 An-reiz und Belohnung erklären jedoch noch nicht befriedigend, warum Sklaven ein peculium eingeräumt wurde, zumal wenn es sehr groß war und der Umfang das überstieg, was zum Freikauf nötig gewesen wäre.9 Möglicherweise spielten noch andere Gründe eine Rolle.

Für Juristen ist die actio de peculio schon durch ihre Konstruktion faszinie-rend. Denn obwohl das peculium ein Teil des Vermögens des paterfamilias war, sprechen die römischen Juristen von Forderungen des Herrn gegen den Sklaven, wobei sie ausführen, dass sie aus Verträgen, Rechnungsrückständen oder Delikt resultieren können (D. 15,1,9,6). Sie erwähnen in den Beispielen Geschäfte mit Gewaltunterworfenen, die eigentlich so nicht wirksam sein können, weil sie eine Eigentumsübertragung voraussetzen, etwa Darlehen (D. 15,1,9,8) oder Schenkun-gen an einen Sklaven (D. 15,1,29 u. 57,2). Für die ältere rechtswissenschaftliche Forschung verdeutlicht das peculium die Zwitterstellung der Sklaven, gleichzei-tig Mensch und Sache zu sein. Dass sie nämlich ein peculium haben konnten, kennzeichne sie als (begrenzt) vermögensfähig und damit als Mensch und nicht als Sache.10 Die Funktion der actio de peculio im Wirtschaftleben wird heute vor allem darin gesehen, dass so ein mit einem peculium ausgestatteter Sklave für sei-

5 Zur Verbindung von Alter Geschichte und Rechtsgeschichte vgl. J.-J. Aubert, B. Sirks (Hrsg.), Speculum Iuris. Roman Law as a Refl ection of Social and Economic Life in Anti-quitiy, Ann Arbor 2002, insbesondere ihre abschließenden Überlegungen, 169–181.6 Vgl. F. Vittinghoff (Hrsg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römi-schen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, 186 „meist in harter Arbeit gleichsam auf dem Schleich-weg erwirtschaftete Vermögenswerte“, ähnlich M. I. Finley, Die antike Wirtschaft, Mün-chen 31993, 67; G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, Wiesbaden 31984, 120, 167; J. Heinrichs, s.v. peculium, DNP 9 (2000), 461f; W.v. Uexcull, RE XXXVII (1937), 13–16.7 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,5,3.8 M. I. Finley (wie Anm. 6), 67–69.9 Vgl. nur die Beispiele bei J. Heinrichs (wie Anm. 6), 461.10 Bei W. W. Buckland, The Roman Law of Slavery. The condition of the slave in private law from Augustus to Justinian, Cambridge 1908 ist der Abschnitt zum peculium Teil eines der Kapitel „Slave as Man“ und dient dazu, die Zwitterstellung des Sklaven als Sache und Mensch zu illustrieren, ähnlich A. Watson, Roman Slave Law, Baltimore u.a. 1987, 95, der von der Humanisierung des Sklaven durch das peculium spricht.

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nen Herrn Verträge schließen und Rechte erwerben konnte.11 Während es nämlich im römischen Recht grundsätzlich nicht möglich war, stellvertretend für andere Verträge zu schließen, eröffnete das Geschäft eines Sklaven, dem ein peculium eingeräumt war, auch eine Klagemöglichkeit gegen einen anderen, nämlich seinen paterfamilias.12 Derzeit besteht die Tendenz, gewerbetreibende Sklaven als instito-res anzusehen, ohne andere Möglichkeiten näher in Betracht zu ziehen13 – wohl in Anlehnung an Aubert, der das peculium jedoch ausdrücklich nicht behandelt, aber bei einigen Quellen darauf hinweist, dass aus ihnen nicht zu entscheiden sei, ob der Sklave als institor oder mit seinem peculium handelt.14

In letzter Zeit ist das peculium zudem verstärkt als Mittel zur Organisation von wirtschaftlichen Aktivitäten in den Blick geraten, um die These zu widerlegen, in römischer Zeit hätten keine Rechtsformen zu Verfügung gestanden, die den Anforderungen einer entwickelten Wirtschaft gerecht werden würden. Über das peculium könnten nämlich Haftungsbeschränkung und Geschäftsanteile konstru-iert werden.15 Ein Eigentümer, der einen Betrag, den er in bestimmte Geschäf-te investieren will, seinem Sklaven als peculium gibt, haftet wie gesagt aus den dann auf das peculium bezogenen Geschäften nur in der Höhe des Wertes dieses Sonderguts. Außerdem könnten auch mehrere Personen Eigentümer eines solchen

11 Hierin sieht z .B. Kirschenbaum die Rolle des peculium im Wirtschaftsleben. A. Kir-schenbaum, Sons, Slaves and Freedmen in Roman Commerce, Jerusalem u.a. 1987, 31; auch A. Wacke, Die adjektizischen Klagen im Überblick. Erster Teil: Von der Reeder- und Betriebsleiterklage zur direkten Stellvertretung, ZRG 111 (1994) 356–362, führt in seiner Literaturübersicht (zu allen adjektizischen Klagen, auch zur „Sondergutsklage“) auffällig viele Werke zur Stellvertretung an.12 Juristisch ist diese Formulierung nicht ganz korrekt: Verpfl ichteter war zunächst der Sklave oder Sohn selbst, doch besaßen diese kein eigenes Vermögen und konnten, solange sie gewaltunterworfen waren, nicht selbst verklagt werden. Mit der actio de peculio und anderen adjektizischen Klagen konnte aber der paterfamilias belangt werden.13 Etwa A. Lintott, Freedmen and Slaves in the light of Legal Documents from the First-Century A.D. Campania, CQ 52,2 (2002), 555–565.14 J.-J. Aubert, Business managers in ancient Rome: a social and economic study of insti-tores, 200 B.C. – A.D. 250, Leiden 1994.15 A. Wacke (wie Anm. 10), 286 spricht von gleichen Interessen bei GmbH und peculium; ähnlich A. di Porto, II diritto commerciale romano. Una zona d‘ombra nella storiografi a romanisca e nelle rifl essioni sorico-comparaive dei commercialisti, in: Nozione formazione e interpretazione des diritto dall‘età romana alle esperienze moderne, richerche dedicate al professor Filippo Gallo, Bd. III, Napoli 1997, 413–452; P. Cerami u. A. Petrucci, Lezioni di Diritto Commerciale Romano, Torino 2002, 61 „impresa a responsabilità limita“.

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Sklaven sein und ihre Anteile am Sklaven (und dem peculium) unabhängig von-einander verkaufen.16

Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch eine isolierte Analyse der Digesten-fragmente Möglichkeiten des Einsatzes des peculium aufzeigt werden, die den römischen Kaufl euten fern lagen.17 Daher ist es notwendig, die Digestenexege-se mit der Analyse anderer Zeugnisse zu verbinden. Dies soll an einem kleinen Beispiel versucht werden, indem an einigen Geschäften, die durch die Urkunden des Archivs der Sulpicii18 bezeugt sind, untersucht wird, welche Rolle dabei das peculium gespielt haben kann. Doch zunächst soll das eingangs erwähnte Frag-ment noch genauer betrachtet werden, das aus der Perspektive eines Juristen die Missbrauchsmöglichkeiten der Praxis anschaulich macht.

16 Servi communi: A. di Porto, Impresa collettiva e schiavo ‚manager‘ in Roma antica (II sec. a. C – II sec. d. C.), Milano 1984; peculium als company share: B. Sirks, The manage-ment of public loans of towns (the cura kalendarii) and of their fi nances in general, in: Atti dell‘Accademia Romanistica Costantiniana, XII Convegno Internazionale in onore di Manlio Sargenti, Napoli 1998, 385. 17 Dies kritisiert etwa A. Bürge, Rez. Andrea di Porto, Impresa collettiva e schiavo ‚mana-ger‘ in Roma antica (II sec. a. C – II sec. d. C.), Milano 1984, ZRG 105 (1988) 856–865; zur Kombination des juristischen mit archäologischem Material A. di Porto, 1997 (wie Anm. 15), 422.18 In einem zur Vorstadt Pompejis gehörigen Haus in der Nähe des antiken Hafens wurde 1959 im triclinium ein Korb mit etwa 185 Wachstafeln gefunden, vgl. die Einleitung der kritischen Edition: G. Camodeca (Hrsg.), Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp.). Edi-zione critica dell‘archivio puteolano dei Sulpicii, Roma 1999.

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Beschränkte Haftung als Problem der Juristen19

“Summa cum ratione etiam hoc pecu-lio praetor imputavit, quo dolo malo domini factum est, quod minus in pe-culio esset. Sed dolum malum accipere debemus, si ei ademit peculium: sed et si eum intricare peculium in necem creditorum passus est, Mela scribit dolo malo eius factum. Sed et si quis, cum suspicaretur alium secum actu-rum, alio peculium avertat, dolo non caret. Sed si alii solvit, non dubito de hoc, quin non teneatur, quoniam cre-ditori solvitur et licet creditori vigilare ad suum consequendum.”

„Mit vollem Recht hat der Prätor auch das zum Sondergut gerechnet, was sich aufgrund von Arglist des Eigentümers nicht mehr im Sondergut befi ndet. Arg-list müssen wir aber annehmen, wenn dieser dem Sklaven das Sondergut ent-zogen hat. Aber auch, wenn er geduldet hat, daß der Sklave den Bestand des Sonderguts zum Schaden der Gläubiger unüberschaubar gemacht hat, sei das durch seine Arglist geschehen, schreibt Mela. Aber auch wenn jemand, weil er argwöhnt, daß ein anderer ihn ver-klagen werde, das Sondergut beiseite schafft, ist er duchaus von Arglist nicht frei. Aber wenn er einem anderen zum Zweck der Erfüllung zahlt, so habe ich keine Zweifel, daß er nicht haftet, weil er an den Gläubiger zahlt und es einem Gläubiger erlaubt ist, wachsam zu sein, um das seine zu erlangen.“

In diesem Fragment20 aus Buch 29 seines Ediktkommentars erläutert Ulpian, was arglistige Handlungen des Herrn sind, die dazu führen, dass Gegenstände, die nicht mehr im peculium sind, dennoch bei der Bestimmung des Wertes hinzuge-rechnet werden. Sowohl in den Digesten als auch ursprünglich im ulpianischen Ediktkommentar21 steht es im Kapitel über die actio de peculio, das sich über große Passagen hinweg mit der Frage beschäftigt, wie der Wert des peculium zu berechnen ist. Kurz gesagt wurden dafür die Werte aller Bestandteile des peculium

19 D. 15,1,21 pr., Übersetzung: O. Behrends, R. Knütel, B. Kupisch u. H. H. Seiler (Hrsg.), Corpus iuris civilis. Text und Übersetzung. Auf der Grundlage der von Theodor Mommsen und Paul Krüger besorgten Textausgaben, Bd. 3, Digesten 11–20, Heidelberg 1999, 266 f.20 Von I. Zerber (wie Anm. 4), wird dieses Fragment nicht genauer betrachtet, auch die Ausführungen von J. J. Brinkhof (wie Anm. 4) sind sehr knapp.21 O. Lenel, Palingenesia iuris civilis, Leipzig 1889, 594.

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zusammengerechnet und davon die Forderungen des Herrn gegen seinen Sklaven abgezogen. Das Ergebnis war der Betrag, zu dem der Eigentümer aus der actio de peculio maximal verurteilt werden konnte.22

Ulpian beginnt seine Erörterung mit der Feststellung, dass allgemein zu Recht das, was wegen Arglist nicht im peculium ist, hinzugerechnet wird. Dann prüft er an vier Beispielen, die jeweils mit sed eingeleitet werden, ob in diesen Fällen Arglist vorliegt: wenn der Eigentümer das peculium einzieht (ademit), wenn er zulässt, dass der Sklave es in Verwirrung bringt (intricare passum est), wenn er es beim Verdacht, er könne verklagt werden, ableitet (avertat) und wenn er einem anderen leistet (alii solvit). Welche Tätigkeiten diese Verben beschreiben, ist noch genauer zu prüfen. Jedenfalls bejaht Ulpian in den ersten drei Fällen die Arglist, im letzten Fall lehnt er sie ab.

Betrachtet man die unterschiedlichen Arten, auf die er seine Zustimmung ausdrückt, scheint er sich schrittweise an die Grenze Arglist – keine Arglist her-anzutasten: zum ersten Fall schreibt er, „wir müssen“ das Vorliegen von Arglist annehmen, dann berichtet er (bloß), was ein anderer Jurist meint. Im dritten Fall „fehlt Arglist nicht“, während dies im vierten der Fall ist: sie fehlt, der Eigentümer haftet nicht. Allerdings könnte accipere debemus auch heißen, dass Arglist in die-sen Fällen vermutet werden muss und daher nicht zu beweisen ist. Ob ein solches Herantasten vorliegt, kann vielleicht festgestellt werden, wenn die Beispiele näher untersucht wurden. Aus der Argumentationsstruktur allein ergibt sich jedenfalls keine eindeutige Abstufung der Beispiele untereinander.

Bevor auf die einzelnen Fälle genauer eingegangen wird, noch ein paar Worte zum ersten Satz des Fragments: Er macht deutlich, dass es um dolus malus geht, um Arglist oder Betrug. Dolus liegt vor, wenn bewusst treuwidrig gehandelt wird.23 Ein solches Verhalten widerspricht dem, was von einem redlichen Geschäftspart-ner erwartet wird, so dass Ulpian hier also Fälle von Missbrauch des peculium behandelt. Diese sind für Historiker besonders interessant, da Vorkehrungen gegen

22 Teil des peculium wird alles, was der Eigentümer selbst abtrennt, indem er seine Rech-nung von der des Sklaven unterscheidet (Pomponius, l. 7 ad Sabinum, D. 15,1,4, pr.). Es kann beweglich und unbeweglich Sachen, Untersklaven, Forderungen und Klagerechte ent-halten. Abgezogen wird bei der Wertberechung alles, was dem Eigentümer geschuldet wird (Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,9,2), etwa wenn der Sklave dem Eigentümer Schäden zugefügt hat (Pomponius, l. 7 ad Sabinum, D. 15,1,4,3), aber auch Sicherheitsleistungen für Gebäude im peculium, von denen Schaden droht (Pomponius, l. 7 u. 8 ad Sabinum, D. 15,1, 22 u. 23), außerdem das, was der Sklave denen schuldet, die in der Gewalt des gleichen Eigentümers stehen (Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,9,3) oder über die er eine Vormund-schaft oder Pfl egschaft ausübt (Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,9,4).23 M. Kaser u. R. Knütel, Römisches Privatrecht, München 172003, 224.

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Missbrauch nahe legen, dass es einen solchen Missbrauch tatsächlich gegeben hat. Zwar muss nicht immer etwas verboten werden, wenn es schon getan wird, und erst recht lassen sich daraus keine Schlüsse auf die Häufi gkeit der Verstöße ziehen, doch ist es angesichts des kasuistischen Ursprungs des römischen Rechts wahrscheinlich, dass auf konkrete Praktiken reagiert wurde.

Dass bei der actio de peculio die Arglist überhaupt beachtet wird, ist nicht weiter verwunderlich, da sie keine strengrechtliche Klage ist und die Arglist da-her ohne weiteres vom Richter berücksichtigt werden konnte.24 Bemerkenswert ist eher, dass es ausdrücklich erwähnt wird und dass es gerade der Prätor ist, der die Arglist berücksichtigt, wo doch der Wert des peculium erst im Verfahren vor dem Richter ermittelt wird und nicht schon bei der Streiteinsetzung vor dem Prätor. Diese Verwunderung klärt sich jedoch, wenn man die Klageformel für die actio de peculio betrachtet: der Fall wird zunächst so beurteilt, als wäre der Sklave ein freier Mensch.25 Die Arglist des Sklaven kann damit ohne Probleme vom Richter berücksichtigt werden, jedoch nicht die des Eigentümers, um die es hier geht. Da-für war eine Formelergänzung durch den Prätor notwendig.26

Nun zu den einzelnen Beispielen: Zuerst wird gefragt, ob dolus vorliegt, wenn der Eigentümer seinem Sklaven das peculium ganz entzieht. Dies ist insofern merkwürdig, als es allein vom Willen des Herrn abhing, ob ein Sklave ein pecu-lium hat und auch weiterhin haben soll, er es also seinem Sklaven wieder entzie-hen konnte.27 Würde man diesen Satz so lesen, dass immer Arglist vorliegt, wenn das peculium nachträglich wieder eingezogen wird, wäre nach Ulpian ein einmal eingerichtetes peculium für den Eigentümer nicht mehr zu greifen. Zwei andere Erklärungen sind denkbar: Nachdem im vorangehenden Satz davon die Rede war, dass weniger im peculium ist als sein sollte, könnte es problematisch gewesen sein, ob man noch von „weniger im peculium“ sprechen kann, wenn kein peculium mehr vorhanden ist. Denn wenn der Herr das peculium entzieht, stirbt es, so je-denfalls Marcian in D. 15,1,40,1. Andererseits kann der Akzent auch auf accipere liegen, so dass Arglist zunächst unterstellt wurde, wenn der Eigentümer das pecu-lium entzogen hatte, er aber im Prozess beweisen konnte, dass er nicht arglistig ge-

24 M. Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1: Das altrömische, vorklassische und klassi-sche Recht 21971, 509.25 Rekonstruktion von M. Miceli, Sulla struttura formulare delle ‚actiones adiecticiae qua-litatis‘, Torino 2001.26 M. Kaser (wie Anm. 23), 607 Anm. 1027 Vgl. Pomponius, l. 7 ad Sabinum D. 15,1,4, pr.: peculium ist, was der Sklave mit Ge-nehmigung des Herrn hat, der Herr kann es entziehen, vermehren, mindern; Paulus. l. 4 ad Sabinum, D. 15,1,8,: Wenn der Herr nicht will, das der Sklave ein peculium hat, gibt es kein peculium.

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handelt hat. Ulpian würde damit eine Beweislastregel vortragen. Ausgeschlossen ist lediglich, dass immer Arglist vorliegt, wenn dem Sklaven das peculium weg-genommen wird. Denn Ulpian erwähnt im gleichen Buch des Ediktkommentars den Fall, dass das peculium ohne Arglist entzogen wurde, als Beispiel dafür, wann zwar die actio de in rem verso, aber nicht die actio de peculio gegeben ist.28 Es ist also nach Ulpian durchaus möglich, ein einmal eingeräumtes peculium wieder zu entziehen, jedoch darf dies dann nicht in der Absicht geschehen, die Gläubiger des Sklaven zu schädigen, bzw. der Eigentümer muss im Prozess beweisen, dass er nicht arglistig gehandelt hat.

Beim nächsten Fall stellt sich vor allem das Problem, welche Tätigkeit intrica-re bezeichnet. Es handelt sich um ein eher selten gebrauchtes Wort, das im juristi-schen Zusammenhang mit „verwirren, in Unordnung bringen“ und allgemein mit: „verwickeln“ und „in Verwirrung“ oder „Verlegenheit bringen“ übersetzt wird.29 Die Glosse30 erklärt es mit „obligando donando consumendo“, also verpfl ichten, schenken, verbrauchen. Die neue deutsche Übersetzung der Digesten übersetzt es in D. 11,3,1,5 mit „den Bestand des Sonderguts verschleiern“ und in D. 15,1,21 pr. mit „den Bestand unüberschaubar machen“.31 Den beiden Übersetzung ist ge-meinsam, dass der Bestand des peculium selbst nicht gemindert wird und nur sein Wert nicht oder jedenfalls nicht leicht zu ermitteln ist. Da im Prozess der Klä-ger den Wert des peculium beweisen musste,32 war es für ihn ein entscheidender Nachteil, wenn er ihn nicht ermitteln konnte. Konsequenz dieser Interpretation ist, dass dem Herrn die Pfl icht auferlegt wird, für die Überschaubarkeit des peculium zu sorgen. Sie tendiert also in die Richtung einer Buchführungs-, oder zumindest Dokumentationspfl icht für das peculium. Vorstellbar ist etwa die Verpfl ichtung, Forderungen schriftlich zu fi xieren.

Allerdings behandelt Ulpian in diesem Fragment, wie er im ersten Satz sagt, Fälle, in denen weniger (minus) im peculium ist. Übersetzt man intricare mit „ver-schleiern“, ist nicht weniger im peculium, allenfalls kann die Höhe nicht ermittelt werden. Folgt man trotzdem dieser Interpretation, könnte man hierin einen weite-

28 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,3,1,1 „[…] quid enim si dominus peculium ademit sine dolo malo? Quid si morte servi extinctum est peculium et annus utilis praeteriit?“ Er refe-riert hier eine Auffassung Labeos.29 H. Heumann, E. Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Graz 101958, 286; Georges, 405; ähnlich OLD, 953.30 F. Accursius, Glossa in Digestum vetus [Ristampa anastatica ed. Venetiis 1488], Torino 1969, 471.31 Corpus iuris civilis. Text und Übersetzung (wie Anm. 19), 266.32 I. 4,7,5.

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ren Fall der Beweiserleichterung sehen, da vor Gericht egal ist, wie viel tatsäch-lich im peculium ist, dort zählt nur der bewiesene Inhalt.

Der Bedeutung von peculium intricare kann man näher kommen, indem man das andere Digestenfragment, das von intricare spricht, hinzuzieht. In D. 11,3,1,5 fi ndet sich die Wendung in einer Liste von Beispielen, wie ein Sklave geschä-digt werden kann, indem er korrumpiert wird: wenn er etwa überredet wird, einen Diebstahl oder eine iniuria zu begehen oder zu fl iehen, das peculium zu verwirren, sich herumzutreiben und zu häufi g zum Spektakel zu gehen oder die Rechnungen des Herrn zu verfälschen. Es handelt sich also um eine bunte Liste, bei der das Ver-wirren des peculium allerdings nicht in der Nähe von falschen Rechnungen oder Diebstahl steht, sondern zwischen Flucht und Herumtreiberei. Außerdem ist in al-len Beispielen das Verhalten des Sklaven für seinen Herrn nachteilig. Da ein bloßes Verschleiern dem Eigentümer zunächst nicht schadet, könnte man argumentieren, dass das Verwirren des Sondergutes in die Liste der Beispiele aufgenommen wur-de, weil der Herr dann aus der actio de peculio haftet. Jedoch ist dies ausgespro-chen kompliziert gedacht und auch unwahrscheinlich, da ansonsten recht einfache Schädigungsarten beschrieben sind. Unter intricare ist daher wahrscheinlich zu verstehen, dass der Sklave mit dem peculium Unsinn treibt und dadurch die wirt-schaftlichen Interessen des Herrn an diesem Vermögen vereitelt. Es umfasst dann nicht nur das Vergeuden, dass die Glosse mit „… donando consumendo“ andeutet, sondern auch die Bindung des peculium durch bestimmte Verträge. Diese Lesart wird auch durch den Zusatz in necem creditorum in D. 15,1,21pr. selbst gestützt, der verdeutlicht, dass nicht jedes intricare zu Lasten der Gläubiger gehen muss. Handelnder ist im dritten Beispiel wieder der dominus. Nicht der Sklave, sondern sein Eigentümer selbst schafft die Sachen beiseite. Das mit „beiseite schaffen“33 übersetzte avertere wird in den Digesten in der Regel für Flüssigkeiten gebraucht, etwa, wenn es um das Recht geht, das Regenwasser über das Dach des Nachbarn ableiten zu dürfen.34 Die Glosse vermutet, dass es sich etwa um Schenkungen oder Diebstahl aus dem peculium handeln könnte („forte donando vel furtim de peculio subtrahendo“).

Ulpian verwendet das Verb in einem ähnlichen Zusammenhang wie in D. 15,1,21 pr. auch in D. 14,4,7,3, einer Passage aus dem 20. Buch des Ediktkom-

33 Corpus iuris civilis. Text und Übersetzung (wie Anm. 19), 266.34 Eine aversio gibt es auch bei Kauf- und Mietverträgen und bezeichnet eine bestimmte Art der Risiko- und Aufgabenverteilung zwischen den Parteien, dazu: N. de Marco, L‘aversio: una clausola dell‘emptiovenditio e della locatioconductio, Index, 28 (2000) 355–378.

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mentars, in dem die actio tributoria behandelt wird.35 Diese Klage setzt zunächst wie die actio de peculio voraus, dass der Sklave ein peculium hat, betrifft aber nur die Fälle, in denen der Sklave mit einem Warenbestand des peculium (merx peculiaris) Handel getrieben hatte, dieses Unternehmen überschuldet war und der Eigentümer des Sklaven die Ware anteilig an die Gläubiger verteilt hat. Wurde ein Gläubiger bei der Verteilung von ihm arglistig benachteiligt, konnte dieser gegen den dominus mit der actio tributoria vorgehen. Die Arglist konnte darin liegen, dass er einen zu geringen Anteil erhielt oder dass nicht alle Werte in die Rechnung einbezogen wurden. Diesen zweiten Fall betrachtet Ulpian in D. 14,4,7,3. Argli-stig sei es, Waren untergehen zu lassen oder abzuleiten, einen zu geringen Preis zu berechnen oder den Preis nicht einzufordern. Nach einem anderen Fragment konn-te der, der geschuldete Waren ableitet, als stelionatus (Schwindler) angeklagt wer-den.36 Avertere beschreibt also allgemein einen Vorgang, bei dem der Eigentümer aus dem peculium Gegenstände entfernt und anderen zuleitet, um den Gläubigern zu schaden. Dies kann er zwar tun, ohne furtum zu begehen, da er Eigentümer der Dinge im peculium ist, sein Verhalten kommt aber den heutigen Insolvenzdelikten sehr nahe und wird auch von der römischen Rechtsordnung missbilligt.

Schließlich wird von Ulpian ein Beispiel gegeben, wann keine Arglist vor-liegt, nämlich dann, wenn der Eigentümer des Sklaven einem anderen geleistet hat.37 Auch in diesem Fall wird etwas aus dem peculium ab- und einem anderen zugeleitet, doch im Unterschied zum dritten Fall ist der dominus dem Empfänger gegenüber zur Leistung verpfl ichtet. Daher handelt er nicht arglistig. Der letzte Fall verdeutlicht also, dass ein avertere nur vorliegt, wenn kein Anlass für die Übergabe von Sachen an einen anderen besteht. Es bleibt noch die Frage, in wie weit es sich bei den Beispielen um ein Gedan-kenexperiment oder Fälle aus der Praxis handelt. Der Text gibt dazu wenig her. Der Auszug stammt aus einem Kommentar, nicht aus einer Gutachtensammlung, so dass nicht Fragen der Praxis, sondern der zu kommentierende Text, das Edikt, Ausgangspunkt der Abhandlung war. Gegen ein bloßes Gedankenexperiment spricht aber, dass die Fälle nicht systematisch gebildet, sondern ein wenig wahllos erscheinen. Die Durchsicht der Beispiele hat auch keine besondere Reihenfolge er-geben. Allenfalls kann man das erste Beispiel als den einfachsten Fall von avertere

35 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 14,4,7,3 „Sed et si mercem perire passus est aut eam avertit aut vilioris data opera distraxit vel si ab emptoribus pretium non exegerit, dicendum erit te-neri eum tributoria, si dolus intervenit.” Dazu: T. J. Chusi, Contributa allo studio dell‘edito „de tributoria actione“, Roma 1993, 165f.36 Ulpian, l. 8 de offi cio proconsulis, D. 47,20,3,1 „[…] sed et si quis merces supposuerit vel obligatas averterit vel si corruperit, aeque stellionatus reus erit.“37 Zur Begründung: A. Bürge, Occupantis melior est condicio, ZRG 106 (1989) 248–291.

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betrachten, indem nicht nur Bestandteile, sondern das ganze peculium anderswo-hin abgeleitet wird. Der zweite Fall erwähnt mit einem Unterlassen eventuell ei-nen besonderen Grenzfall, während der Auffangtatbestand am Ende steht.

Mit Arglist bei der actio de peculio beschäftigen sich noch einige andere Di-gestenfragmente, zu denen aber einige kurze Bemerkungen genügen, da keine weiteren Beispiele genannt werden, die auf praktische Missbrauchsmöglichkeiten deuten. In allen diesen Fällen wird die Arglist in komplexeren Konstellationen betrachtet, nämlich bei Beteiligung weiterer Personen: In den sich an die eben behandelte Passage anschließenden Paragraphen stellt Ulpian zunächst die Frage, was passiert, wenn nicht der Eigentümer des Sklaven selbst, sondern sein Vor-mund, Kurator oder Prokurator arglistig das peculium gemindert hat,38 also der Eigentümer sein Vermögen nicht selbst verwaltet, sondern ein anderer für ihn han-delt. Ulpian ist wie Pomponius der Meinung, dass ein Mündel dann bei Arglist seines Vormunds (tutor) haftet, wenn der Vormund zahlungsfähig39 ist, und insbe-sondere dann, wenn das Mündel etwas erlangt hat. Das gleiche gelte bei Arglist des Verwalters (procurator) und Pfl egers (curator). Dann behandelt Ulpian den Fall, dass nicht der jetzige Eigentümer, sondern der, von dem der Sklave gekauft oder geerbt wurde, das peculium arglistig gemindert hat.40 Käufer und Erbe sollen nach Ulpian nicht haften, es sei denn, sie haben durch die Handlung ihres Vorgän-gers selbst einen Vorteil erlangt.

Etwas komplizierter ist die Frage der Arglist bei Forderungen Dritter gegen das peculium. Bei der Berechnung seines Wertes wird nämlich auch das abgezogen, was den Personen geschuldet wird, die unter der Vormundschaft oder Pfl egschaft des Eigentümers stehen oder deren Geschäfte er führt. Dies jedoch nur, so der Zu-satz, solange sie frei von Arglist sind.41 Mit „sie“ sind wahrscheinlich der Sklave, um dessen peculium es geht, und sein Eigentümer gemeint, weniger die zuvor

38 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,21,1: „Si dolo tutoris vel curatoris furiosi vel procura-toris factum sit, an pupillus vel furiosus vel dominus de peculio conveniatur, videndum. Et puto, si solvendo tutor sit, praestare pupillum ex dolo eius, maxime si quid ad eum pervenit, et ita Pomponius libro octavo epistularum scribit. Idem et in curatore et procuratore erit dicendum.“ 39 Wenn er zahlungsfähig ist, kann das Mündel gegen ihn Regress üben. 40 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,21,2 „Emptor autem ex dolo venditoris non tenebitur nec heres vel alius successor, nisi in id quod ad se pervenit. sive autem post iudicium accep-tum sive ante dolo factum sit, continetur offi cio iudicis.“41 Ulpian, l. 29 ad edictum, D. 15,1,9,4 „Praeterea id etiam deducetur, quod his personis debetur, quae sunt in tutela vel cura domini vel patris vel quorum negotia administrant, dummodo dolo careant, quoniam et si per dolum peculium vel ademit vel minuerint, ten-entur […].“

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erwähnten Mündel und Pfl eglinge, die schon ihre eigenen Geschäfte nicht selbst führen können. Nicht von dolus, sondern von culpa spricht Paulus in D. 15,1,43, wenn jemand seinen Sklaven nach Klageerhebung verkauft, und beruft sich dabei auf Labeo. Dann werde bei der Berechnung auch das hinzugerechnet, was der Sklave bei seinem neuen Herrn als peculium hat.

Handlungen in necem creditorum wurde im römischen Recht zum einen im Konkurs besonders berücksichtigt, zum anderen bei der Freilassung. Nach der lex Aelia Sentia von 4 n. Chr. waren Freilassungen, die ein Überschuldeter zur Gläu-bigerbenachteiligung vornahm, ebenso nichtig wie Freilassungen zur Verkürzung des Pfl ichterbteils des Patrons.42 Die besprochenen Regeln zur Arglist bei der actio de peculio fügen sich also gut in den größeren Zusammenhang der Gläubigerbe-nachteiligung43 ein. Der Missbrauch des peculium erscheint außerdem als konstan-tes Problem des römischen Rechts. Denn auch wenn die meisten Fragmente zur arglistigen Minderung des peculium aus dem Ediktkommentar Ulpians stammen, des praefectus praetorii unter Severus Alexander, erwähnt Ulpian sowohl die re-publikanischen Juristen Mela und Labeo als auch Pomponius, der in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts lebte. Auf Labeo beruft sich bei der Frage der Minderung des peculium auch Ulpians Nachfolger im Amt des Prätorianerpräfek-ten, der Jurist Paulus.

Das peculium in der Praxis Praktische Beispiele für Geschäfte von mit einem peculium ausgestatteten Skla-ven (oder auch anderen Gewaltunterworfenen) sind in den erhaltenen Quellen selten. In Plautus Komödien wird das peculium hin und wieder relevant,44 und möglicherweise spielt Plutarch in der Lebensbeschreibung Catos an einer Stelle auf den Einsatz des peculium zur Haftungsbeschränkung an: Cato habe seinen Sklaven Geld gegeben, damit sie von dem Geld junge Sklaven kaufen, sie auf Ko-sten Catos ein Jahr ausbilden und dann wieder verkaufen. 45 Plutarch hebt hervor, dass es sich um ein sicheres und einträgliches Geschäft handelte. Wenn Cato das Geld seinen Sklaven wie ein Darlehen in das peculium gab, war dieses Grundka-pital den Gläubigern aus dem Sklavenhandel entzogen, denn diesem Betrag stand eine Forderung des Herrn in gleicher Höhe gegenüber, der Wert des peculium war Null. Der Wert stieg erst, wenn Sklaven unter Wert eingekauft wurden oder ihr

42 Gai. 1, 37; 47.43 M. Kaser (wie Anm. 23), 251f, 297.44 Vgl. I. Zerber (wie Anm. 4), 13–16.45 Plut. Cato 21, 5–8.

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Wert durch die Ausbildung stieg. Die Annahme, dass die Sicherheit für Cato nicht in der Art des Geschäfts, sondern in der besonderen Konstruktion lag, wird durch das andere sichere und einträgliche Geschäft gestützt, das Plutarch im gleichen Zusammenhang beschreibt, nämlich die Beteiligung am Seehandel über Darlehen an eine Gesellschaft, von der er nur einen kleinen Teil hielt. Cato selbst steht dabei in einigem Abstand zu den eigentlichen Geschäften und das Verlustrisiko ist auf mehrere Personen verteilt. Plutarchs Akzent liegt in beiden Fällen auf der Kon-struktion des Geschäfts, so dass hierin die besondere Sicherheit liegen wird.

Dass Plutarch ein Geschäft mit dem peculium beschreibt, wird dadurch wahr-scheinlicher, dass Cato gerade seinen oiketai (wörtlich: den Mitgliedern seines Hauses) Geld gibt. Dies umfasst alle Personen, denen ein peculium eingeräumt werden kann. Dass nur seine Sklaven beteiligt waren, ergibt sich erst aus dem Schluss der Passage, in der die Söhne ermuntert werden, ebenso zu verfahren. Zum peculium passt auch, dass Cato einige der ausgebildeten Sklaven zum Höchstpreis für sich behielt. Damit wird klar, dass diese Sklaven Untersklaven (vicarii) waren, ansonsten hat es keinen Sinn, dass ein Preis dafür berechnet wird. Zwar könnte er, da die vicarii rechtlich sein Eigentum sind, sie ohnehin zu sich nehmen und das peculium seines Sklaven insoweit verringern, doch könnte in diesem Fall do-lus malus vorliegen, so dass der Wert des entzogenen vicarius gegenüber einem Gläubiger weiterhin zum peculium gerechnet wird. Indem Cato aber den höchsten Preis in Rechnung bringt, handelt er als guter Geschäftsmann ohne jede Spur von dolus malus. Zahlen muss er dem Sklaven dabei nichts, soweit das „geben“ ein „als Darlehen geben“ war. Dass ein peculium häufi g nur darlehnsweise überlassen wurde und kein Geschenk46 war, legt der Rat in den Gaius-Institutionen nahe, nur dann auf die actio de peculio zurückzugreifen, wenn der Sklave nur mit einem Bruchteil seines peculium Handel trieb und den größeren Teil in Grundbesitz an-gelegt hatte, und ansonsten die actio tributoria vorzuziehen, die die gleichmäßige Verteilung der Waren unter allen Gläubigern des peculium sicherte und bei der der Herr nicht wie bei der actio de peculio bevorzugt war.47 Man ging also davon aus, dass in der Regel bedeutende Forderungen des Eigentümers gegen seine Sklaven vorhanden waren.

Problematisch ist an dieser Quelle, dass ein Autor aus Boiotien in Griechisch über Personen früherer Zeiten schreibt, um seinen Lesern Vorbilder für eine

46 Belege für solche Motive fi nden sich aber auch bei den Juristen: Florentinus, l. 11 insti-tutionum, D. 15,1,39: Sparsamkeit, Belohnung von anderen für Dienste; Tryphoninus, l. 8 disputationum, D. 15,1,57,2: Zuwachs des peculium durch donata und ex operis.47 Gai. 4,74.

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gute Lebensführung vorzuführen.48 Man hätte viel zu argumentieren, um zu dem Schluss zu kommen, Plutarch beschreibe eine im ersten nachchristlichen Jahrhun-dert übliche Praxis für den Einsatz des römischen peculium. Möglicherweise hatte Plutarch Praktiken des griechischen Kulturkreises vor Augen, möglicherweise gibt er ein nicht gut verstandenes Beispiel anderer Quellen wieder und möglicherweise hatte er gar nicht das peculium und eine Haftungsbeschränkung im Sinn, so dass man sich für Quellen zum praktischen Einsatz des peculium anderweitig umsehen muss.

Die Urkunden aus dem Archiv der Sulpicii, die vor kurzem neu ediert wur-den,49 stammen direkt aus der Geschäftspraxis. Im Kontext von Getreidehandel und Geldverleih lassen sich in einigen dieser Texte Auffälligkeiten ausmachen, die wahrscheinlich Refl exe der Regelungen der actio de peculio sind.50 Die Dokumen-te TPSulp. 45, 51, 52, 67 und 68 aus den Jahren 37 bis 39 n. Chr. sind Urkunden über mehrere Kreditgeschäfte und ein dazugehöriges Sicherungsgeschäft, an de-nen zwei Sklaven, Diognetus und Hesychus, wesentlich beteiligt sind. Beide hat-ten vermutlich ein peculium. Diese schon wegen ihrer Sprache bemerkenswerten Dokumente werfen zahlreiche Fragen auf.51 Im Folgenden soll auf einige der bei diesen Dokumenten diskutierten Probleme genauer eingegangen werden, nämlich die, die mit dem Status von Diognetus und Hesychus in Zusammenhang stehen. Hesychus gehörte während der ersten Geschäfte Euenus Primianus, einem Freige-lassenen des Kaisers, dann Caligula selbst.52 Diognetus bezeichnet sich als Sklave

48 C.B.R. Pelling, s.v. Plutarch, DNP 9 (2000), 1158–1164.49 G. Camodeca (Hrsg.), Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp.). Edizione critica dell‘archivio puteolano dei Sulpicii, Roma 1999; dt. Übersetzung der hier behandelten Ta-feln in: J. G. Wolf u. J. A. Crook (Hrsg.), Rechtsurkunden in Vulgärlatein aus den Jahren 37–39 n. Chr., Heidelberg 1989, 39–40.50 So auch F. Serrao, Minima de Diogneto et Hesico. Gli affari di due schiavi a Pozzuoli negli anni 30 d. C., in: V. Giuffre (Hrsg.), Sodalitas. Scritti in onore di Antonio Guarino, Bd. 7, Napoli 1984, 3605–3618 und D. Monteverdi, Tab. Pomp. 7 e la funzione dello iussusdo-mini, Labeo 42 (1996) 345–366.51 U.a. die Verbindung zu den Sulpicii und die geringe Miethöhe, A. Lintott (wie Anm. 13), 557f; die Verwendung des Begriffs arra und das Fehlen von Darlehenszinsen, Rechts-urkunden in Vulgärlatein (wie Anm. 48) sowie K. Verboven, The Sulpicii from Puteoli and Usury in Early Roman Empire, Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis 71 (2003) 7–28 und P. Gröschler, Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanesischen Urkun-denfunden, Berlin 1997, 149–193.52 Anzunehmen ist, dass Euenus ohne Kinder starb und daher von Caligula als seinem patronus manumissor beerbt wurde. Die Zugehörigkeit zur familia caesaris erscheint bei einer oberfl ächlichen Durchsicht der Quellen, die ein umfangreiches peculium erwähnen oder auf ein solches schließen lassen (etwa mehrere vicarii), charakteristisch. Hier über-wiegen Sklaven aus dem Umfeld des Kaiserhauses. Auch wenn andere Gründe dafür eine

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von C. Novius Cypaerus, dem Leiter des horreum, des öffentlichen Speichers von Puteoli.

Betrachtet man die Geschäfte insgesamt (vgl. Abb. 2), so steht auf der einen Seite ein kaiserlicher Freigelassener, der im Hintergrund bleibt, und sein Sklave Hesychus, der das Geld übergibt, das Pfand annimmt und sich die Restbeträge in den folgenden Jahren erneut versprechen lässt. Auf der anderen Seite steht ein Getreidehändler, der in Puteoli eine Ladung Getreide aus Ägypten und einige an-dere haltbare Lebensmittel lagert. Er ist ebenfalls ein Freigelassener und trägt ein Cognomen, das dem Nomen seines Darlehensgebers ähnelt: C. Novius Eunus. Sein früherer Eigentümer, mit dem Cognomen Cypaerus, ist der Vorsteher des Lagerhauses, der dem Urkundentext zufolge seinen Sklaven anweist, den Lager-platz zu einem günstigen Preis zu vermieten. Wozu das Darlehen an C. Novius Eunus bestimmt ist, ist aus den Dokumenten nicht ersichtlich. Vielleicht wollte der Getreidehändler die Hülsenfrüchte und das Getreide im Laufe des Winters verkaufen,53 musste aber zuvor seinen Lieferanten zahlen.

Das zeitlich erste Dokument (TPSulp. 51) betrifft ein Darlehen an den merca-tor frumentarius C. Novius Eunus. Er schreibt am 18. oder 28. Juni 3754, dass er von Euenus Primianus, dem Freigelassenen des Kaisers, ein Darlehen angenom-men habe, und zwar, da dieser abwesend war, durch dessen Sklaven Hesychus, und ihm daher 10.000 HS schulde, die er verspricht zurückgeben, wenn sie gefor-dert werden. Außerdem lässt Hesychus sich die Schuld von C. Novius Eunus noch mit einer Stipulation versprechen. Als Pfand55 für die Darlehenssumme dienen etwa 7.000 modi Weizen aus Alexandria und etwa 4 modi Kichererbsen, Dinkel, monocopi und Linsen in 200 Säcken, die vor Ort im horreum gelagert sind. Bei diesem Dokument handelt es sich um ein Chirographum, eine vom Schuldner ei-genhändig verfasste und unterschriebene Urkunde.56

Der Weizen und die Hülsenfrüchte sollen nach TPSulp. 52 auch als Pfand für weitere 3.000 Sesterzen dienen. In diesem Chirograph vom 2. Juli 37 schreibt C. Novius Eunus, dass er von Hesychus ein Darlehen über 3.000 HS angenom-men habe und ihm diese Summe neben den 10.000 HS schulde, die er ihm nach

Rolle spielen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass dies durchaus die tatsächlichen Ver-hältnisse widerspiegelt. Ein Bedürfnis zur Aufgliederung würde in der Regel bei großen Vermögen bestehen, und das Kaiserhaus war auch die reichste familia.53 A. Lintott (wie Anm. 13), 558, der die hier behandelten Geschäfte als Beispiel für Skla-ven als institores sieht.54 Innen steht XIV k(alendas) Iul(ias), außen quartum kalendas Iulias.55 Als pignus und arra bezeichnet, vgl. Rechtsurkunden in Vulgärlatein (wie Anm. 48), 18f., Anm. 57.56 Rechtsurkunden in Vulgärlatein (wie Anm. 48), 12–14

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dem anderen Chirograph schulde. Auch diese Summe stipuliert er Hesychus. Für den gesamten Betrag sollen die 7.000 modi Weizen und 4 modi Hülsenfrüchte als Pfand dienen.

Um das Pfand zu übergeben, wird am gleichen Tag ein Mietvertrag über den Lagerplatz im Speicher von Puteoli durch ein Chirograph von Diognetus (TPSulp. 45) beurkundet.57 In den beiden anderen Dokumenten vom 29. August 38 und 15. September 39 bestätigt C. Novius Eunus dann, dass er Hesychus noch 1.300 (TP-Sulp. 67) bzw. 1250 (TPSulp. 68) Sesterzen schuldet.

Ein Problem des Mietvertrags (TPSulp. 45) ist die Frage, wer den Lagerplatz vermietet, Diognetus selbst oder sein Eigentümer.58 Einerseits schreibt Diognetus „ich vermiete“, andererseits weist er ausdrücklich darauf hin, dass sein Herr anwe-send ist und er auf dessen Befehl handelt. Denkbar ist daher, dass ein Schreibfehler vorliegt, so dass Diognetus dem gewöhnlichen Formular entsprechend me locasse schrieb, obwohl er eum locasse hätte schreiben müssen.59 Andererseits schreibt auch in einem anderen Dokument aus dem Archiv der Sulpicii (TPSulp. 46) ein Sklave me, als er einen Lagerplatz vermietet, und dies ebenfalls in Gegenwart und auf Befehl seines Herrn.60 Gegen ein Redaktionsversehen in TPSulp. 45 spricht zu-dem, dass an der Seite der Tafeln das Dokument als „Chir[ograp]hum Diogne|ti“ bezeichnet wird und sich unter der Urkunde zweimal das Siegel mit dem Namen Diognetus fi ndet, wie es für den Schuldner üblich ist.61 Daher ist wahrscheinlich, dass Diognetus der Vermieter ist.

Letztendlich ist es in dem konkreten Fall aber gleichgültig, ob Diognetus als Vermieter auftritt oder sein Eigentümer. Die Formulierung „iussu Cypaeri domini mei coram ipso“62 bewirkt nämlich, dass Diognetus’ Vertragspartner wegen Forde-rungen aus dem Mietvertrag nicht auf die actio de peculio beschränkt wäre. Gläu-biger eines Sklaven können nämlich gegen den Herrn mit der actio quod iussu klagen, wenn der dominus genauere Kenntnis von den Geschäften seines Sklaven hat. Dieser Zusatz kann im vorliegenden Fall dann große Bedeutung entfalten, wenn Schadenersatzforderungen wegen Beschädigung der eingelagerten Ware er-

57 Zum Mietzins von einer Sesterze pro Monat: Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TP-Sulp.). Edizione critica (wie Anm. 48), 123 f.: Interesse des Cypaerus am Geschäft seines Freigelassenen, da in TPSulp. 46 100 HS im Monat verlangt werden.58 D. Monteverdi (wie Anm. 49); A. Lintott (wie Anm. 13), 557; F. Serrao (wie Anm 49), 3608–3611.59 Rechtsurkunden in Vulgärlatein (wie Anm. 48), 20, Anm. 62.60 Allerdings ist hier das me nicht deutlich lesbar, sondern nur ein m und dies auf der In-nenseite auch nur unsicher.61 Vgl. D. Monteverdi (wie Anm. 49), 353 f.62 Außen, Z. 4–5, innen, Z. 5–6: „iusu Cupaeri domini mei cora ipsum”.

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hoben werden. Zwar wird kein Verwahrungsvertrag geschlossen, doch konnte ein Mieter vom Vermieter Schadensersatz verlangen, wenn dieser die Mietsache nicht in einem für den Zweck tauglichen Zustand hielt.63 Das eingelagerte Getreide und die Säcke mit Hülsenfrüchten stellen einen erheblichen Wert dar: sie dienen ja als Pfand für 13.000 Sesterzen. Würde der Hinweis auf den Befehl und die Anwesen-heit fehlen, hätte Hesychus bzw. der, für den er handelt, in einem Prozess auf das peculium des Diognetus (so er denn eines hat) verwiesen werden können, da in der Urkunde zu lesen war, der Sklave vermiete. Die Klausel iussu … domini mei coram ipso dient somit dazu, eine Haftungsbeschränkung zu vermeiden.64

Ähnlich ist die Frage, wem in TPSulp. 51 die Darlehenssumme geschuldet wird, Euenus Primianus oder seinem Sklave Hesychus. Zuerst schreibt C. No-vius Eunus nämlich, dass er ein Darlehen von Euenus Primianus angenommen habe und ihm daher 10.000 HS schulde. Dann schreibt er, dass er, als er danach gefragt wurde, Hesychus 10.000 HS schulde. Dass neben ein Darlehen noch eine Stipulation der Darlehenssumme tritt, ist nicht ungewöhnlich, sondern, dass hier zwei verschiedene Gläubiger auftreten.65 Man könnte wieder an ein Redaktions-versehen denken, doch in TPSulp. 52 ist von 3.000 Sesterzen die Rede, die Eunus „neben den anderen 10.000 HS“ Hesychus zu zahlen verspricht. Möglich ist, dass die weiteren 3.000 HS aus dem peculium gegeben wurden und Hesychus somit ein recht reicher Sklave ist. Mit dem Geschäft ist allerdings für den Eigentümer kein Risiko verbunden, dass dadurch minimiert wird, dass er nicht selbst, sondern seinen Sklaven das Darlehen geben lässt.

Betrachtet man jedoch die Geschichte des Darlehens an C. Novius Eunus ins-gesamt, der zunächst von Euenus Primianus 10.000 Sesterzen, die Hesychus über-bringt, und dann von Hesychus selbst 3.000 Sesterzen erhielt, von denen ein Teil beim Tod des Euenus Primianus noch nicht bezahlt ist, tritt ein anderer Vorteil des peculium in den Vordergrund: die Übertragung von mehreren Forderungen durch die Übertragung des Sklaven, dessen peculium die Forderungen angehören. Denn wenn ein Sklave verkauft oder vererbt wird, geht das peculium in der Regel mit auf den neuen Eigentümer über.66 Bei der Erbschaft spielt die Besonderheit des peculium zwar keine große Rolle, da der Erbe Gesamtrechtsnachfolger ist, doch auch der Gesamtrechtsnachfolger tritt nicht in alle Verträge ein, sondern gewinnt

63 M. Kaser u. R. Knütel, Römisches Privatrecht, München 172003, 275.64 D. Monteverdi (wie Anm. 49), 359 spricht von einer Garantie.65 Das Verhälntis von Darlehen zu Stipulation ist ein vieldiskutiertes Problem, vgl. Rechts-urkunden in Vulgärlatein (wie Anm 47), 18.66 Ulpian, l. 2 disputationum, D. 15,1,32,2.; in D. 15,1,33 (Iavolen, l. 12 ex Cassio) wird ein Preis für das peculium gezahlt, in D. 15,1,47,5 (Paulus, l. 60 ad edictum) ein Sklave ohne Sondergut verkauft.

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nur die Forderungen und muss für die Schulden einstehen.67 Für Eunus hat sich durch Primianus’ Tod nichts geändert, er verhandelt weiterhin mit Hesychus, der weiterhin Mieter des Lagerplatzes bleibt. Wäre hingegen Euenus Primianus Mie-ter gewesen, hätte der Vertrag erneuert werden müssen.

FazitDie untersuchten Tafeln der TPSulp. liefern keinen direkten Beleg, dass das pecu-lium in der römischen Wirtschaft eine ähnliche Funktion, wie sie modernen Ge-sellschaftsformen68 zugeschrieben werden, erfüllt hat, oder dass einem Sklaven bewusst ein peculium eingeräumt wurde, um aus den Vorteilen der actio de pecu-lio zu profi tieren. Doch nach dem Stellenwert der Gläubigerschädigung in den zu dieser Klage überlieferten Juristenfragmenten zu urteilen, stellte die Haftungsbe-schränkung ein nicht seltenes Problem dar, dem mit bestimmten Formulierungen wie in TPSulp. 45 Rechnung getragen wurde.

Der von einigen69 beobachtete fehlende wirtschaftliche Fortschritt kann aller-dings auch nicht auf Mängel des Rechtssystems zurückzuführen sein, da eine der modernen Kapitalgesellschaft entsprechende Organisationsform mit den Mitteln des antiken römischen Rechts konstruierbar war.70 In der Debatte ist auch zu be-rücksichtigen, dass die Haftungsbeschränkung nicht der primäre Zweck der Ent-wicklung von Aktiengesellschaft und GmbH waren, sondern das Bedürfnis, das Kapital vieler zu bündeln.71 Die beschränkte Haftung stellt für den Wirtschaftsver-kehr zunächst ein Hindernis dar, das durch Sicherungsmechanismen abgemildert wird, etwa bei der deutschen GmbH durch ein Mindestkapital.

67 In späterer Zeit konnte der Erbe eines Pächters das Pachtverhältnis fortsetzen, anders aber Labeo, posteriorum l. 5 a Iavoleno epitomatorum, D. 19,2,60,1; vgl. M. Kaser (wie Anm. 23), 566 Anm. 32.68 Gemeint sind insbesondere handelbare Anteile und ein kalkulierbares Risiko für den Anleger durch beschränkte Haftung, wie sie Kapitalgesellschaften bieten.69 Nachweise bei A. di Porto (wie Anm. 15), 417.70 Im 19. Jahrhundert gab es sogar Versuche, die Dogmatik der neuen Formen anhand eines Vergleichs mit dem antiken peculium weiterzuentwickeln, vgl. E. I. Bekker, Zweck-vermögen, insbesondere Peculium, Handelsvermögen und Actiengesellschaften, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 4 (1861) 499–567 und G. Mandry (wie Anm. 4), 17–19.71 A. Bürge (wie Anm.4), 197–200.

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Misuse and use of the peculium

Summary

What was the benefi t for the owner giving his slave a peculium worth several thou-sand sesterces? Perhaps it was the limited liability for transactions conducted with the peculium – but there is no direct proof for this assumption. Fragments from the roman jurists rather suggest that abuse of the limited liability was a common problem, to which certain clauses of Pompeian tablets responded.