eine videoanalyse von \"alejandro\" - lady gaga

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Hochschule für Musik und Tanz Köln Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Seminar: Körper- und Gendergeschichte / Gender- und Körpertheorie Dozentin: Anna-Carolin Weber M.A. WiSe 13/14 * * * Eine Videoanalyse : Lady Gaga Alejandro Abb.1 , Quelle 1 : http://vimeo.com/12430671 Enis Turan Wiersbergstr. 31 51103 Köln [email protected] 1 Die Bilder im weiteren Verlauf der Hausarbeit sind Screenshots aus dem Video und stammen aus der selben Videoquelle. Die oben genannte Quelle bezieht sich auf alle weiteren Bilder in der vorliegenden Arbeit und wird im Folgenden nicht mehr erwähnt.

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Hochschule für Musik und Tanz Köln

Zentrum für Zeitgenössischen Tanz

Seminar: Körper- und Gendergeschichte / Gender- und Körpertheorie

Dozentin: Anna-Carolin Weber M.A.

WiSe 13/14

* * *

Eine Videoanalyse : Lady Gaga – Alejandro

Abb.1 , Quelle1 : http://vimeo.com/12430671

Enis Turan

Wiersbergstr. 31 51103 Köln

[email protected]

1 Die Bilder im weiteren Verlauf der Hausarbeit sind Screenshots aus dem Video und stammen aus der selben

Videoquelle. Die oben genannte Quelle bezieht sich auf alle weiteren Bilder in der vorliegenden Arbeit und wird

im Folgenden nicht mehr erwähnt.

2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung …….………………………………………. 3

2. Videoanalyse ………..……………………………….. 6

3. Fazit …………………………………………………... 17

4. Quellenverzeichnis ….……………………………….. 19

5. Abbildungsverzeichnis ………………………………. 21

3

Einleitung

She likes epics. It fits her personality. We combined dance, narrative and attributes of surrealism […]

The process was to express Lady Gaga's desire to reveal her heart and bear her soul. 2

- Steven Klein

Das sind die Worte Steven Kleins, die im Musikmagazin Rolling Stone über das Musikvideo

„Alejandro― erschienen, bei dem Klein die Regie führte. Am 08. Juni 2010 wurde das Video

zum ersten Mal ausgestrahlt. So wie die bisherigen Auftritte und Videos Lady Gagas für

großes öffentliches Interesse und für viele Irritationsmomente sorgten, gab es auch viel Trubel

um das neue Musikvideo nach dessen Veröffentlichung.3 Das Video ist provokativ und die ein

oder andere gläubige Person wird sicherlich von den Bildern im Video empört gewesen sein.

Auch der in einem streng-gläubigen Haushalt aufgewachsene US-Popstar Katy Perry äußerte

sich von dem Video unbeeindruckt und warf auf ihrer Twitter-Seite Lady Gaga eine billige

Art der Unterhaltung und Blasphemie vor.4 Sich der auf sie zukommenden harten Kritiken

bewusst, kündigte Lady Gaga selbst am 07. Juni 2010, einen Tag vor Veröffentlichung des

Videos, folgende Botschaft an:

So many will try to destroy me. So many, over and over, coming in periods of greatness. But in this

period, I cannot be broken: GAGAKLEIN. 5

Der Trubel um das kontroverse Video hat sich mittlerweile gelegt, beziehungsweise fährt

Lady Gaga in ihrer Karriere als Künsterlin fort mit ihren unkonventionellen Darbietungen für

die Presse und den Kritiker*innen. Als ich 2010 das Musikvideo zum ersten Mal sah war ich

von der „Blasphemie― in dem Video weder beeindruckt noch schockiert. Als ein nicht religiös

2 KREPS, DANIEL: ―Alejandro‖ Director Breaks Down Lady Gaga‘s Racy Video, URL:

http://www.rollingstone.com/music/news/alejandro-director-breaks-down-lady-gagas-racy-video-20100608. 3 Vgl.: PICKARD; ANNA: Who‘s most offended by Lady Gaga‘s Alejandro?, URL:

http://www.theguardian.com/music/2010/jun/09/lady-gaga-alejandro . 4 Vgl.: CARTER, KELLY L.: Did Katy Perry Dis Lady Gaga‘s ‗Alejandro‘ Video?, URL:

http://www.mtv.com/news/articles/1641113/did-katy-perrt-dis-lady-gagas-alejandro-video.jhtml . 5 GAGA, LADY: URL: https://twitter.com/ladygaga/status/15654573656 .

4

erzogener Muslime habe ich in meinem bisherigen Leben keinen persönlichen und engen

Zugang weder dem Islam noch dem Christentum oder einer anderen Religion gegenüber

gehabt. So wie der Skandal über die Mohammed-Karikaturen in Dänemark in 2005, ließen

mich auch die Bilder im Video, in denen mit christlichen Symbolen gespielt wird, kalt und

unaufgeregt. Mein Interesse galt viel mehr den genderqueeren Szenen, in denen Männer in

High-Heels im Bett ihre Beine für Lady Gaga spreizen. Die Begründung meines Interesses

liegt wahrscheinlich in meiner persönlichen Natur.

Als ich mich im November 2013 zusammen mit Lisa Bless mit dem Freak Show-Text6 für

unser Körper- und Gendergeschichte-Seminar auseinandersetzte, haben wir uns gegenseitig

die Frage gestellt, wie der „Freak― in unserer zeitgenössischen Gesellschaft zu definieren sei.

Die Erste, die diese Frage in mir aufrief war Lady Gaga. Nicht weil ich sie selber als „Freak―

bezeichnen würde, sondern weil sie häufig in der Presse als „Freak― abgestempelt wird.7 In

diesem Zusammenhang wollte ich mich in meiner Hausarbeit mit Lady Gaga

auseinandersetzen. Ihre genderqueeren Videos und Auftritte, das präsente Camp in ihren

Werken, ihre Zuneigung der LGBTIQ Community, ihr alter Ego Jo Calderone und Weiteres

sind mir als Lady Gaga-Fan bereits bekannt gewesen. Was bei meiner Recherche über Gaga

für mich eine Neuigkeit war, ist die Feststellung, dass Lady Gaga in den Gender Studies ein

beliebtes Forschungsfeld ist. So schreibt diesbezüglich Katrin Horn über Lady Gaga und ihre

Arbeit in dem Buch The Performance Identities of Lady Gaga – Critical Essays Folgendes:

Reveling in the seemingly shallow and stereotypical, exaggerating known forms and conventions, and

taking sexism and objectification to its extreme, Lady Gaga's work achieves to place an ironic,

demystifying parody at the heart of pop culture. Via camp, it re-appropriates mainstream discourses and

makes room for the unsettling, disturbing, and in turn, empowering and queer. This use of camp

―operates as an aggressive metamorphosing operation, attacking norms of behavior, appearance, and art

to revel in their inherent artifice.8

Lady Gagas Übertreibungen und ihre Umkehrung der Formen und Konventionen, die in der

Ironie ihrer Arbeit liegt, ist auch möglicherweise der Grund dafür, dass sie immer wieder in

den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit rutscht.

6 PFLUG, ISABEL: Verkörperung von ―Abnormalität‖, S. 281-194.

7 Vgl.: NME Blog: Lady Gaga – Freak Or Fraud?, URL: http://www.nme.com/blogs/nme-blogs/lady-gaga-freak-

or-fraud . 8 HORN, KATRIN: Follow The Glitter Way, S. 100.

5

In der vorliegenden Hausarbeit habe ich mich dafür entschieden das 2010 debütierte

Musikvideo „Alejandro― zu analysieren. Das Video ist ein komplexes visuelles Werk, geladen

mit vielen Symbolen religiöser, sozialer und sexueller Art. Diese vielschichtige und

symbolische Sprache des Videos gibt einen großen Raum für Interpretationen frei. In der

vorliegenden Analyse wird meine eigene Interpretation zu lesen sein. Diese Auffassung des

Videos ist sicherlich auch subjektiv und eine Analyse in ihrer Vollkommenheit der Absichten

und Wahrheiten zu geben, wird wohl keinem außer Steven Klein und Lady Gaga vollkommen

gelingen. Das Musikvideo ist im Internet zu sehen unter folgendem Link und ich lege Ihnen

ans Herz das Video anzuschauen bevor Sie diese Hausarbeit lesen.

http://vimeo.com/12430671

In meiner Videoanalyse beziehe ich weitere Videos und Interviews von Lady Gaga und

schriftliche Quellen sowie den Unterrichtsinhalt samt unserer geführten Diskussionen mit ein.

Zu Beginn der Analyse beschreibe ich das Video in seiner allgemeinen Gesamtheit und gehe

anschließend auf die einzelnen Szenen ein.

Enis Turan

Köln, den 26.01.2014

6

Videoanalyse

Das Musikvideo „Alejandro― dauert 08:43 Minuten und hat im Vergleich zu anderen üblichen

Musikvideos ein relativ langes Vorspiel. Dieses Vorspiel allein ist schon bildlich sehr stark

und es visualisiert zu Beginn die Schlagwörter Religion, Macht und Sexualität, die in der

szenischen Inszenierung des Videos von der Bedeutung her an erster Stelle stehen. In diesem

Zusammenhang werden im gesamten Video vor allem Unterdrückung und Abweisung

thematisiert. Die Ernsthaftigkeit der Thematik wird unterstützt durch die inszenierte, düstere

und winterliche Atmosphäre und die farbarmen und kontrastreichen Kameraaufnahmen. Das

Düstere in der Aufzeichnung wird kontrastiert durch die schwungvolle Musik, die alles andere

als düster klingt. Gegenüberstellung scheint ein wichtiger Aspekt in dem Konzept des Videos

zu sein. So wie die Bilder der Musik gegenübergestellt werden, wird der Glaube den Ge-

fühlen, die Dominanz der Unterwerfung und die heteronormativen den queeren Geschlechter-

rollen gegenübergestellt und mit Verhältnissen und Rollen einer von gesellschaftlichen

Normen abweichender Art gespielt. Nach diesen allgemeinen Anmerkungen fahre ich

zunächst mit einer chronologischen Analyse des Videos fort.

Zu Beginn des Videos werden nacheinander in großer weißer Schrift auf schwarzem

Hintergrund die Namen „GAGA―, „KLEIN―, „ALEJANDRO― eingeblendet. Somit wird

schon zu Beginn eine triologische Struktur etabliert, die sich im weiteren Verlauf durchsetzt.

Wie z.B. die Trilogie in dem Songtext „Alejandro,Fernando, Roberto― und die thematische

Trilogie von Religion/Macht/ Sexualität, die oben schon erwähnt wurde. Zwischen diesen

Schriftprojektionen zeichnet die Kamera einen schwach

belichteten Raum auf, in dem Männer9 in einem Raum verteilt

sitzen und zum Teil schlafen. Das erste Bild zeigt einen Mann in

Netzstrumpfhosen und schwarzen Lack-Highheels. Sowohl die

Netzstrumpfhosen als auch die Highheels werden in der

9 Das soziale Geschlecht und die soziale und sexuelle Identität der Darsteller*innen des Videos sind mir

unbekannt. Die Begrifflichkeit „Mann― für die Darsteller*innen wird im weiteren Verlauf von mir ausschließlich

benutzt um meine beschreibende Wiedergabe der Videoszenen zu vereinfachen und durch Begriffe verursachten

Verwirrungen und Missverständnissen vorzubeugen. Der Begriff dient nicht zur Definition/Zuordnung der

jeweiligen Personen.

Abb.2 Mann in Netzstrumpfhose und High-heels

7

Abb.4 Leder Fetisch

heteronormativen Gesellschaft stark mit der heterosexuellen Weiblichkeit assoziiert. Die

Umkehrung in dieser Szene stellt die Geschlechterrollen, Konventionen und die

Übereinstimmigkeit von biologischem und sozialem Geschlecht infrage und führt das

Konzept eines geschlechterübergreifenden, queeren beziehungsweise die Heteronormativität

ablehnenden Denkens ein.

Im weiteren Verlauf schwenkt die Kamera auf die restlichen

Männer im Raum. Sie tragen alle schwarze Lederjacken und

schwarze Polizeikappen aus Leder. Dieses Lederoutfit

verweist auf den, in der schwulen Szene verbreiteten

Lederfetisch, da Lederjacken, Lederleibgurte und Polizei-

kappen aus Leder feste Bestandteile des Dresscodes dieser

Fetisch-Szene sind. Der mit Leder und Nieten überzogene Sessel und die kühle und

leere Atmosphäre des Raums im Zusammenspiel mit dem einheitlichen Lederlook der

Männer zeichnet das Bild eines Leder-Fetisch-Gay-Sexclubs, eine Aufnahme, entstanden

möglicherweise nach einer Sex-Party, da die Beteiligten geschafft aussehen. Der in dieser

Szene praktizierte Sex spielt häufig mit Machtverhältnissen zwischen den miteinander

verkehrenden Personen, beziehungsweise innerhalb einer Gruppe und knüpft in diesem

Zusammenhang so an die im Video thematisierte Dominanz/Unterdrückung an. Auf eine

subtile Art werden in den ersten 25 Sekunden des Musikvideos Anspielungen gemacht, auf -

in einem hetero-patriarchalischen Rahmen - von der Norm abweichenden Geschlechter-

normen, sexuellen Orientierungen und sexuellen Praktiken.

In der nächsten Szene taucht die Militärsymbolik auf. Zu sehen sind trainierte, kräftige und

selbstbewusste Männer, die vorwärts marschieren. Das Symbol des Militärs steht hier für

Macht und das Kraftvolle. Die Männer haben nicht

Soldatenuniformen an, sondern tragen schwarze, kurze

und enge Höschen, schwarze Korsetts um ihre Taillen und

offenbaren viel nackte Haut. Es wird – wie in der

vorherigen Szene - mit Geschlechterbildern und

Geschlechterzuweisungen gespielt. Es ist anzunehmen,

dass es sich hierbei ebenfalls um eine Zusammensetzung von schwulen Männern handelt.

Diese Annahme basiert auf den in dieser Szene eingesetzten Symbolen. Der Boden in Form

eines nach unten gerichteten Dreiecks, so wie die geometrischen Gegenstände, die die

Abb.3 Männer in Lederoutfit

Abb.5 Militär-Szene

8

Soldaten tragen (ein nach oben gerichtetes Dreieck, ein Kreis und ein jüdischer Stern mit

Balken), weisen auf die Geschichte der Homosexualität und der Schwulenbewegung

Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts hin.

Durch die Gesetzesänderung, die Hitler 1935 in Deutschland durchsetzte, war Homosexualität

, selbst in der Äußerung einer Umarmung unter Männern, verboten. Betroffene Homosexuelle

wurden in Konzentrationslagern kastriert und getötet. Die Gefangenen in

Konzentrationslagern wurden in Gruppen und die Gruppen untereinander hierarchisch

geordnet. Das nach unten gerichtete pinkfarbene Dreieck (siehe Bild links unten) war die

Markierung der schwulen Gefangenen, so wie die Überlagerung zweier gelber Dreiecke „der

Judenstern―, die Kennzeichnung der jüdischen Gefangenen und der pink-gelbe jüdische Stern

(siehe mittleres Bild unten) die Kennzeichnung der schwulen jüdischen Gefangenen darstellte. Das

nach unten gerichtete pinkfarbene Dreieck aus der NS-Zeit wurde von Schwulen übernommen

und in der Schwulenbewegung der 70er Jahre – sowie heute noch - benutzt als Symbol der

Unterdrückung und der Verfolgung der Homosexuellen und als Zeichen von Solidarität und

Stolz. In den 80er Jahren wurde ein nach oben gerichtetes Dreieck als Zeichen des aktiven

Widerstands gegen Homophobie eingeführt. Dieses nach oben gerichtete Dreieck taucht in

dem Video auf. Der im Video durch schwarze Balken verdeckte jüdische Stern, ist eine

Anspielung auf die Geschichte im Nationalsozialismus, auf die Gefangenen hinter Gittern.

Und der Kreis deutet auf das Symbol (siehe Bild rechts unten) der anti-homophoben Zone.10

In der Videoszene, in der die oben beschriebenen Symbole auftauchen wird deutlich, dass

eine Homosexuellenarmee abgebildet wird, in deren militärischer Inszenierung symbolisch

die Entschlossenheit und die Stärke der gay community offenbart wird. In dem die

homosexuellen Männer die inszenierte Armee darstellen und somit die Kraft haben, werden

die realen Machtverhältnisse, die Unterdrückung der Homosexuellen durch höhere

Machtinstanzen wie das Militärsystem und die Politik umgekehrt. Wie schon zu Beginn

erwähnt, wird hier die Thematik der Unterdrückung behandelt. Das Homosexuelle wird dem

10

Vgl.: N.N.: Gay Symbols, URL: http://www.stonewallsociety.com/gaysymb.htm (Stand: 11..01.2014)

Abb. 6 Symbole der Homosexualität , Quelle: http://www.stonewallsociety.com/gaysymb.htm

9

Militärsystem, einem ziemlich heteronormativen und homophoben Konstrukt,

gegenübergestellt und es entstehen queere Verhältnisse.

In der oben analysierten ersten Minute des Videos fällt eine subtile aber starke Präsenz von

Homosexualität in der Szenerie auf. Folgendes Zitat von Lady Gaga aus dem Interview mit

Larry King, ausgestrahlt auf CNN am 01.Juni 2010, liefert eine Erklärung und ermöglicht

eine Einsicht in das komplexe schwulenfreundliche Gebilde :

The Alejandro-video […] It is a celebration of my love and appreciation for the gay community, my

admiration of their bravery, their love for one another and their courage in their relationships.

[…]

I can speak for myself in that my admiration comes from an incredibly steadfast and joyful courage and

bravery they have for one another and their community. To be gay and live openly in this society requires

tremendous strength. [...] I admire it and envy it in some ways. It's something that, as a woman, I don't

always wholeheartedly possess.11

Im nächsten Bild ist Lady Gaga zum ersten Mal vor der Kamera zu sehen. Auf ihrem Kopf

trägt sie eine mechanische Konstruktion. Sie wirkt

robotisch beziehungsweise monströs. Das Motiv des

Monsters taucht in ihren Werken und Aussagen häufig

auf und die Begrifflichkeit und ihre Rolle als „Mother

Monster― wird mit dieser Inszenierung verfestigt. Die

Rolle als „Mother Monster― wird von ihr, noch vor

Veröffentlichung des Musikvideos, unter ihren Fans etabliert. So spricht sie zum Beispiel von

ihren Fans als „little monsters―12, so wie ihre Fans sie als „mummy monster―13 ansprechen.

Das Album, in dem die Single veröffentlich wurde, heißt „The Fame Monster― und ihre

Tournee nicht überraschenderweise „The Monster Ball―.14

Lady Gaga wirkt auf dem ersten Bild mit dem Brillenkonstrukt vor ihren Augen regungs- und

emotionslos. Sie scheint den Trauerzug erst wahrzunehmen, wenn ihre Brille zu den Seiten

geöffnet ist. Das Brillenkonstrukt ist in der Mitte nicht verbunden und wird zu den Seiten

geöffnet und ähnelt so stark „Scheuklappen― welche als Symbol für Engstirnigkeit gelten. Ihre

Perspektive auf das Geschehen und auf die äußere Welt durch diese Brillenkonstruktion, ist

eine Metapher auf die konstruierte Weltauffassung von Menschen – von uns -, die sie von

11

N.N.: Larry King Live – Lady Gaga June 1, 2010, URL: http://www.youtube.com/watch?v=SsEl0xErAKI . 12

GAGA, LADY: An Inaugural Message from Tween Gaga, URL:

http://www.youtube.com/watch?v=nyf4LGQdbB8#t=33 . 13

AMPYA: Lady Gaga -- Live @ The AMPYA Moment,URL: http://www.youtube.com/watch?v=IM87qXll4bc 14

KREPS, DANIEL: Lady Gaga Announces „The Monster Ball― Tour, URL:

http://www.rollingstone.com/music/news/lady-gaga-announces-the-monster-ball-tour-20091015

Abb. 7 Mother Monster

10

klein an indoktriniert bekommen und was an sich eine Engstirnigkeit mit sich bringt, weil sie

konstruiert, vorgegeben ist und meistens auch nicht hinterfragt und reflektiert, sondern als

einzig wahre Weltauffassung akzeptiert wird.

In dem Trauerzug trägt Lady Gaga ein totes, mit Nägeln und einem aus Stacheldraht

geformten „A―, gekreuzigtes

Herz. Ein Symbol für das Herz

Jesu, wichtiges Sinnbild des

Katholizismus.15 Es geht

sichtlich um den Tod und das

„A― steht möglicherweise für

Alejandro. Der Trauerzug wird

untermalt von einer Geräuschkulisse der marschierenden schwulen Armee aus der vorherigen

Szene. Das Klangbild zerschmelzt mit Geräuschen eines euphorisch und animalisch jubelnden

Publikums. Es ähnelt stark an das Jubeln eines Publikums in einer Arena während eines

Gladiatorenkampfes.16 Dabei wird Lady Gaga in einer

Parallelmontage gezeigt, wie sie ihre Finger in den

Mund bewegt und so gestikuliert, als wolle sie das

gekreuzigte Herz essen. Das Animalische,

beziehungsweise das Monströse kommt erneut zum

Vorschein. Sowohl mother monster als auch ihre

Armee und ihr Volk sind von der Opfergabe, dem

gekreuzigten Herz, entzückt. In dieser erfundenen Todesszenerie wird die Religion der

Katholizsmus - eine machtvolle Institution, die die gay community stark unterdrückt und

demütigt - getötet.

I know that we are young.

And I know you may love me.

But I just can‘t be with you like this anymore,

Alejandro.

Mit der neu eingeführten Text-Ebene wird eine Abweisung thematisiert. Der italienische

Akzent, ist eine persönliche Anspielung von Lady Gaga auf Ihre italienischen Wurzeln.17

15

Vgl.: Dr. ECKHARD BIEGER SJ: Herz Jesu Verehrung, URL:

http://www.kath.de/lexika/typisch_katholisch/herz_jesu_verehrung.html . 16

SANDOVAL, IVAN: Gladiator Tigris of Gaul, URL: http://www.youtube.com/watch?v=eukj2qyOecE . 17

Vgl.: WATTS, ALEX: Is Lady Gaga Italian?, URL: http://www.youtube.com/watch?v=XM4SiKdqATA .

Abb. 8 Das mit einem „A“ gekreuzigte Herz Abb. 9 Herz Jesu

Abb. 10 Gagas Appetit

11

Angenommen Alejandro und sein gekreuzigtes Herz stehen für den Katholizismus

beziehungsweise für Gott, so weist Lady Gaga Gott und die Religion ab. In den umgekehrten

Macht- und Beziehungsverhältnissen in dieser erfundenen Welt im Video, ist es in dieser

Szene Lady Gaga, die Monsterkönigin der Homotopia, die den Gott und die

Glaubensgemeinde ausschließt und nicht umgekehrt.

In dieser Szene, in der Lady Gaga von Alejandro spricht, sehen wir im Bild einen Soldaten. Er

ist regungslos, erstarrt in seiner Pose. Er hält eine Pistole vor seinen Genitalien. Die Pistole

dient als Symbol von Macht und Machtbefugnis.

Diese Pose ist eine Anspielung auf die

Sexualisierung des menschlichen Körpers. Denn

so, wie der Körper in vielen konventionellen

Musikvideos, in der Mode, auf Werbeplakaten

und in der Gesellschaft zu sehen ist, wird er

häufig sexualisiert und als Sexobjekt dargestellt

und als solcher wahrgenommen. Der nackte

Oberkörper verstärkt die Symbolik der Pistole vor den Genitalien. Weiterhin fällt auf, dass der

Mann wie eine Marionette an vielen Schnüren hängt. Die Marionette - der Soldat - ist

manipulierbar. Manipulierbar, so wie der menschliche Körper von der Musik- und

Modeindustrie, der Staatspolitik (wie z.B.von der Bundeswehr und dem Wehrdienst), von der

Religion und von der Gesellschaft manipuliert wird. Während der beiden Aufnahmen des

Marionetten-Soldaten, spricht Lady Gaga im Hintergrund von Alejandro und jeweils wird das

gekreuzigte Herz eingeblendet. Dies deutet darauf hin, dass der Marionetten-Soldat in dem

Video Alejandro, den Katholizismus und Gott und somit auch deren Tod verkörpert. Nach

dieser Szene beginnt die Musik der Single „Alejandro― und Lady Gaga singt.

She hides true love,

En su bolsillo.

She‘s got a halo ‘round her finger,

Around you.

Mit dem ―halo ‗round her finger‖ wird eine Ehe beschrieben, der Heiligenschein um den

Finger ist ein Ehering. Der Heiligenschein „around you― , um Alejandro, verdeutlicht, dass

Alejandro, wie vorhin angenommen, ein Heiliger ist. Doch führt Lady Gaga keine sie

erfüllende Beziehung mit Gott und lehnt ihre Zuneigung zu ihrem „Ehepartner― ab.18

18

Vgl.: N.N.: Lady Gaga‘s ―Alejandro‖, URL: http://vigilantcitizen.com/musicbusiness/the-occult-

interpretation-of-lady-gagas-alejandro .

Abb. 11 Alejandros Pose mit der Pistole vor den Genitalien

12

Im weiteren Verlauf rückt die Schwulenarmee erneut ins Bild. Die Choreographie ähnelt einer

Trainingseinheit der Armee. Zu sehen sind kraftvolle, impulsive und kämpferische

Bewegungen. Die synchronen Bilder vermitteln den Eindruck einer kräftigen und eng

zusammenhaltender Truppe und verfestigen die Aussagen zu der ersten Szene; die

Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Stärke der gay community.

Zwischen den Aufnahmen der Armee wird Lady Gaga gezeigt, wie sie religiöse Gesten mit

ihrer Hand macht. Mit ihrer linken Hand erteilt sie den Segen, eine symbolische Geste im

Katholizismus. Dieser Segen wird unter den Katholiken nur von heiligen Personen

ausgeführt.19 Mit dieser symbolischen Geste verkündet Lady Gaga im

Video ihre Heiligkeit. Die Heiligkeit in ihrer Homotopia und ihrer

eigenen, neuen Religion, die im weiteren Verlauf des Videos zum

Vorschein kommen wird.

Desweiteren folgt eine Szene in der Lady Gaga in einer neuen Rolle zu

sehen ist. Sie trägt ein rotes Nonnenkleid und liegt auf ihrem Rücken. Ihr Blick ist zum Himmel

gerichtet und sie betet Alejandro, also Gott, an.

―Stop… please… just let me go… Alejandro… just let me go‖

19

Vgl.: Ebd.

Abb. 12 Choreographie der Schwulenarmee

Abb. 13 & Abb. 14 religiöse Gesten Abb. 15 Geste der Benediktion Quelle: www.2heartsnetwork.org

13

Die Szenerie eines inneren Kampfes, einer geistigen Qual, die von der fehlenden

Übereinstimmung zwischen religiösen Vorgaben bezüglich des menschlichen Wesens/Lebens

und dem persönlichen Wesen eines Menschens verursacht wird. Im Bezug auf

Homosexualität leiden zum Beispiel viele Menschen unter Gewissenskonflikten, da ihre

sexuelle Orientierung mit ihrem Glauben nicht zu vereinbaren ist.20 21

Die nächste Szene ist mehr sexuell und weniger religiös aufgeladen. Zu sehen sind zwei

Männer in schwarzen Slip-Unterhosen und Lack-High-heels und Lady Gaga in Unterwäsche,

Strümpfen und Lack-High-heels. Das erste Bild nach der Nonnen-Szene zeigt Lady Gaga und

einen Mann im Bett. Lady Gaga sitzt auf dem Mann, das Seil und die Kontrolle über den

sexuellen Akt fest im Griff. Im Zusammenhang mit der vorherigen Szene und Gagas

Heiligkeit kann dies als eine Inszenierung des rituellen Missbrauchs gedeutet werden.22

Desweiteren taucht hier wieder die Dreierkonstallation, in Form von zwei Männern

und Lady Gaga oder drei Männern im Bild, wieder auf. Durch die Darstellung des

Unkonventionellen, nämlich, dass Lady Gaga als Frau die dominierende Person in dem Akt

ist und die Rolle des „Mannes― spielt, während die Männer sich ihr sehr sinnlich und

„weiblich― hingeben, ihre Beine spreizen und den Po herausstrecken wird mit

Geschlechterbildern gespielt und ein geschlechterübergreifendes queeres Bild geschaffen.

20

Vgl.: GUTTMANN, PHILIPP: Suizidvresuch bei jedem fünften Schwulen, URL:

http://www.freitag.de/autoren/cyterion/suizidversuch-bei-jedem-fuenften-schwulen . 21

Vgl.: N.N.: Die Haltung der Kirche zur Homosexualität, URL: http://www.kath-info.de/homo.html . 22

Vgl.: N.N.: Lady Gaga‘s „Alejandro―, a.a.O.

Abb. 16 Bett-Szene

14

Die Annahme, dass die Männer im Video homosexuell sind, wirft die Frage auf in welchem

sexuellen Verhältniss Lady Gaga und die Männer zueinander stehen. Diese Verkorkstheit

kennzeichnet Gagas persönliche Art ihrer Kritiksäußerung beziehungsweise offenbart ihr

Denken über sexuelle und geschlechtliche Normierungen und das Schubladendenken, im

Rahmen von Geschlechterbildern und Sexualität, der sexuellen Orientierungen und sexuellen

Phantasien. Prof. Judith Jack Halberstam schreibt über Lady Gagas Haltung folgende Sätze :

Gaga is a hypothetical form of feminism, one that lives in between the ‗what‘ and the ‗if‘:

what if we gendered people according to their behavior? What if gender shifted over the

course of a lifetime—what if someone began life as a boy but became a boygirl and then

a boy/man? What if some males are ladies, some ladies are butch, some butches are

women, some women are gay, some gays are feminine, some femmes are straight, and

some straight people don‘t know what the hell is going on?23

Aus dem Zitat wird ersichtlich, wie Lady Gaga spielerisch mit Geschlechterrollen und

Zuschreibungen um geht und subversiv die Grenzen des heteronormativen straight Blick

erweitert. In dieser Szene wird über die queere Geschlechterbilder hinaus eine Anspielung auf

eine weitere sexuelle Phantasie gemacht. Der Bondage-Fetisch, ähnlich wie der Leder-Fetisch

am Anfang, wird durch die Visualisierung vom Tabu sein befreit und „normalisiert―. In dieser

Szene kommen zwischendurch Aufnahmen einer Choreographie ins Bild, getanzt von der

Armee und Lady Gaga. Lady Gaga trägt hautfarbene

Unterwäsche im Kontrast zu der Armee mit ihrer schwarzen

Uniform. Die hautfarbene Unterwäsche in der Kombination mit

ihren schwarzen Strümpfen und High-Heels bilden ebenfalls

einen Kontrast in sich. Während Lady Gagas Beine ihre

sexuelle und weibliche Objektheit bewahren, werden ihre

Genitalien und Brüste gezielt nicht betont. Ihr Oberkörper wird

dadurch entsexualisert. Die Choreographie bleibt in diesem

Rahmen ebenfalls neutral und betont nicht die genannten und

üblichen Körperregionen. Der bloße, nackte Frauenkörper wird

der Sexualisierung und dem lusthungrigen Blick des Hetero-

Mannes gegenübergestellt. Am Ende dieser Szene wird diese

neutrale Körperhaltung und die darin enthaltene Kritik an der Sexualisierung des Frauen-

23

HALBERSTAM, J. JACK: Gaga Feminism, S. 1

Abb. 17 Sex-neutrale Choreographie

15

körpers kontrastiert und rückblickend verstärkt in dem Gaga

plötzlich Posen einnimmt, die ihren Körper zur Schau stellen

und sie über ihre Taille und Brüste streicht und stark ihre

Genitalien, Hüfte und Brüste betont.

Danach sehen wir sie in einem weißen Nonnenmantel mit

einem umgedrehten roten Kreuz. Die Gesten des Segens tauchen erneut auf und gezeigt wird,

wie sie einen Rosenkranz isst. Mit diesen symbolischen Bildern steigt sie zum Heiligsein auf,

welches zu Beginn im Video subtil angedeutet und hier bereits erwähnt wurde. Das

umgedrehte Kreuz ist die Umkehrung der christlichen Religion, in dem das Monströse, das

Homosexuelle und diverse „perverse― sexuelle Phantasien ihren sicheren Platz haben. Lady

Gaga schlüpft in die Rolle einer Heiligin dieser neuen Religion und wird von der Armee in

der Luft getragen als ein Symbol der Verehrung. Während dieser Verehrung offenbart der

offene Mantel ihre mit einem umgedrehten roten Kreuz gekennzeichneten Genitalien. Diese

Markierung ruft das Bild eines Phalluses auf. Das

Phallussymbol auf dem weiblichen Körper wiederum,

weist auf die Androgynie hin. Eine weitere

Möglichkeit der Interpretation ist, dass das

Phallussymbol auf Lady Gagas Loyalität zu ihrer

schwulen Armee, ihren schwulen Fans basiert. In

beiden Fällen wird mit Geschlechtern und der

Körperanatomie gespielt, der Frauenkörper wird den männlichen Genitalien gegen-

übergestellt. Durch die dargestellte Androgynie wird das Zwei-Geschlechter-Modell von

Laqueur in Abrede gestellt.

What if some ladies are male, some male are drag, some dykes are feminine, some feminine

are masculine, some have tits and penises and some would love to have a penis but don‘t have

one

In den nächsten Aufnahmen ist Lady Gaga mit einem Schusswaffen-BH zu sehen. Ähnlich

wie die Pistole vor den Genitalien des Soldaten zu Beginn des Songs, weist diese Metapher

auf Machtverhältnisse beziehungsweise auf den Blick von außen auf den fremden

Menschenkörper, der diesen häufig nur als Sexobjekt wahrnimmt und den Körper stark

sexualisiert, hin. Die Schusswaffe symbolisiert auch eine Androhung und Gefahr. Der

heterosexuelle cis-Mann ist Zielscheibe dieser femministischen Schusswaffe, die ihren

Abb. 18 erotische Pose im Kontrast zu davor

Abb. 19 Heilige Gaga und der Phallus

16

(Frauen)körper -in dieser Szenerie beispielhaft ihre Brüste- von

den hungrigen Blicken und von der Reduktion zum Sexobjekt

beschützt. Die in dieser Szene getanzte Choreographie ist die

selbe Choreographie, wie die in der Szene mit den hautfarbenen

Unterwäschen. Getanzt wird auch hier ein neutraler,

„unerotischer― Tanz mit inhaltlich ähnlichen Botschaften.

In der nächsten Szene befindet sich Lady Gaga in dem Raum, der bereits zu Beginn des

Videos zu sehen war. Zwischen den Männern im Lederoutfit steht Lady Gaga auf einem

erhöhten Podest und singt. Ein Rollentausch und ein Spiel mit Geschlechtern fällt in dieser

Szene auf. Lady Gaga trägt passend zum Ambiente ebenfalls eine Lederjacke und eine

schwarze Slip-Unterhose aber keinen BH. Ihre Lederjacke verdeckt ihre Brüste und ihre

Haare sind glatt nach hinten gekämmt. Sie nimmt männliche Körperhaltungen ein, raucht

Zigaretten und gibt sich auf dem Podest wie ein Mann. Zwischendurch werden kurze

Aufnahmen von ihr eingeblendet, auf denen sie mit der selben Frisur und in Hemd und

Krawatte zu sehen ist. In dieser performativen Szene, in der Lady Gaga auf dem Podest singt

und „performt―, wird auf das Verständnis vom „Geschlecht― als performative Tätigkeit

hingewiesen. Die Ansicht, das „Geschlecht― beruhe auf angeborenen Tatsachen und

etablierten Konventionen und Normen wird subtil kritisiert und abgelehnt und zum Vorschein

kommen die Ansichten des doing gender-Ansatzes der Gender Studies.24

Diese Szene knüpft an die vorherige Tanzszene mit der Choreographie an. Schließlich wird

die Szene mit der heiligen Gaga in ihrem weißen Nonnenmantel und dem roten Phallus-Kreuz

aufgegriffen. Lady Gaga wird hier von ihren Verehrern wie ein Ball hin- und hergeschleudert.

Ihre anfängliche Wirkung auf die Männer scheint abgenommen zu haben, so wie die

Verblendung der Männer von Lady Gagas Heiligenschein vorüber zu sein „scheint―. In dem

sie am Ende ihren Mantel auszieht und den Anblick ihrer nackten Brüste den Männern

24

Vgl.: LÜNEBORG, MARGRETH und MAIER, TANJA: Gender Media Studies, S. 21.

Abb. 20 Gaga mit dem Schusswaffen-BH

Abb. 21 „maskuline“ Lady Gaga

17

schenkt, erlangt sie wieder Verehrung beziehungsweise

Begehren. Lady Gaga opfert sich auf. Eine symbolische

Handlung, die in der Religion oft auftaucht. Zudem bildet

die Handlung eine Anspielung auf die Unersättlichkeit und

die Habsucht der Menschen ab.

Auf diese Szenerie folgt das letzte Bild des Videos. Lady Gaga liegt in ihrem roten

Nonnenkleid auf ihrem Rücken im Bett. Sie wirkt blaß und unlebendig. An der Bettkante sitzt

Alejandro, der Marionetten-Soldat und Gott. Er hält seine Pistole vor seinen Genitalien wie

zuvor. So wie Alejandro ist Lady Gaga an Schnüren befestigt. Beide sind regungslos und sind

in ihren Posen erstarrt. Dass Alejandro die Verkörperung von Gott und des Katholizismus ist

und diese im Video bereits tot sind, wurde bei der Trauerzugs-

szene erwähnt. Dadurch dass Alejandro und Lady Gaga im

letzten Bild zusammen zu sehen sind, wird ersichtlich, dass Lady

Gaga, in der Rolle der glaubigen „roten― Nonne mit ihren

Gewissenskonflikten, nun auch tot sein muss. Diese letzte Szene

macht zum Ende des Videos eine kontroverse Andeutung, dass

der Glaube, zumindest wenn dieser sehr streng und abergläubisch

verfolgt wird, einen Menschen tötet. Dieser Tod kann in unterschiedlichsten Formen

aufgefasst werden, wie zum Beispiel als der Tod der Lebensfreude, als der gezwungene Tod

einiger innerer Gefühle und Werte und als der Tod im biologischen Sinne in Form von

Selbstmord verursacht durch Gewissenskonflikte und Ähnlichem.

Dieses Bild löst sich auf, das weiße Bild kennzeichnet das Ende des Musikvideos.

Fazit In dem Musikvideo werden in dem Gefüge von Religion und Macht die Unterdrückung und

Abweisung der Homosexuellen thematisiert. Das Homosexuelle beschränkt sich im Video

zunächst lediglich auf „Männer― und Homosexualität unter Frauen* kommt nicht mal

andeutungsweise zum Vorschein. Lady Gaga ist und bleibt im gesamten Verlauf des Videos

die einzige Frau und die Männer stellen einen von der Gesellschaft als ideal empfundenes

Körperbild dar und verstärken diesen Eindruck noch indem sie sich an diesen Normen

bedienen. So sind beispielsweise alle Männer im Video sehr trainiert, muskulös und groß. Ihre

Abb. 22 Lady Gagas Aufopferung

Abb. 23 Alejandro und Gaga

18

Haare sind kurz und auch sonst haben sie keinerlei Körperbehaarung. Auffällig ist auch, dass

sie alle weiße Haut haben. In dieser Hinsicht zeichnet das Video ein sehr gängiges

Männerbild unserer Gesellschaft, in dem unbehaarte, muskulöse und „gepflegte― Körper

vermarktet und die weiße Rasse der schwarzen Rasse übergeordnet wird. Hierarchien sowie

Über- und Unterordnung werden in dem Video visuell stark verarbeitet und es werden viele

etablierte Körper- und Geschlechternormen in Frage gestellt, doch in diesem Punkt ist es

Steven Klein und Lady Gaga nicht gelungen, eine Reflektion und Umkehrung des männlichen

Körperbildes darzubieten.

Davon abgesehen wird Lady Gagas starke Zuneigung der gay community gegenüber in dem

Video sehr deutlich lesbar. Die Schwulengeschichte und die Unterdrückung von

Homosexuellen wird in dem Video durch viele Symbole und viele szenische Bilder

dargestellt. Die Umkehrungen der heteronormativen Sichtweisen und die queeren Gefüge und

Machtverhältnisse, die visualisierten sexuellen Phantasien und Praktiken besitzen in sich das

subversive Potential die Grenzen und Tabus unserer heteronormativen und patriarchalischen

Gesellschaft aufzubrechen. Der Einfluss des Videos auf die Gesellschaft bleibt aber

möglicherweise und leider kleiner als das eigentliche Potential. Denn die ganze queere

Szenerie bleibt in einem klaren Rahmen, nämlich dem eines „Musikvideos―, stecken. Sofern

das Video dem Weltbild der Gesellschaft nicht entsprechen sollte, so wird dies als

realitätsfern eingeordnet und die Konfrontation wird umgegangen so wie Menschen alles, was

ihre Weltauffassungen zum Schwanken bringen könnte, möglichst solange umgehen, bis sie

damit direkt konfrontiert werden und keine Ausweichmöglichkeiten mehr haben. Dieses

Verhalten und das Denkmuster ist vergleichbar mit den Freak Shows im 19. Jahrhundert, bei

denen sich die „Freaks― ausschließlich in klaren Rahmen beispielsweise eines Zirkuses oder

Jahrmarktes der Öffentlichkeit zeigen durften.

Die radikalen Umkehrungen beziehungsweise der leichtsinnige Umgang Lady Gagas mit

kontroversen und tabuisierten Themen sind kennzeichnend für ihre Kunst. Diese Art sorgt

jedes Mal für viel Trubel in der Öffentlichkeit und schafft – wenn auch nicht immer mit

ihrem gesamten Potential – für Anregungen und bewusste und unterbewusste Reflektionen, in

dem sie die Menschen mit ihrer Kunst direkt und/oder durch die Medien konfrontiert.

19

Quellenverzeichnis

Literaturquellen

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LÜNEBORG, MARGRETH und MAIER, TANJA: Gender Media Studies. Eine Einführung,

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(Stand: 25.12.2013)

N.N.: Gay Symbols, URL: http://www.stonewallsociety.com/gaysymb.htm (Stand:

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N.N.: Lady Gaga‘s ―Alejandro‖: The Occult Meaning, URL:

http://vigilantcitizen.com/musicbusiness/the-occult-interpretation-of-lady-gagas-alejandro

(Stand: 23.12.2013)

20

PICKARD; ANNA: Who‘s most offended by Lady Gaga‘s Alejandro? The church? Madonna

fans? The League of Engineering Draftspeople? It seems everyone has a claim to be outraged

by Lady Gaga‘s latest video, URL: http://www.theguardian.com/music/2010/jun/09/lady-

gaga-alejandro (Stand:26.12.2013)

Videoquellen

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http://www.youtube.com/watch?v=IM87qXll4bc (Stand: 24.12.2013)

GAGA, LADY: An Inaugural Message from Tween Gaga, URL:

http://www.youtube.com/watch?v=nyf4LGQdbB8#t=33 (Stand: 24.12.2013)

N.N.: Larry King Live – Lady Gaga June 1, 2010 – Part 2, URL:

http://www.youtube.com/watch?v=SsEl0xErAKI (Stand: 24.12.2013)

SANDOVAL, IVAN: Gladiator Tigris of Gaul, URL:

http://www.youtube.com/watch?v=eukj2qyOecE (Stand: 25.12.2013)

Tanrıdağı: Lady Gaga – Alejandro – 1080p – Full HD – Original, URL:

http://vimeo.com/12430671 (Stand: 26.01.2014)

WATTS, ALEX: Is Lady Gaga Italian?, URL:

http://www.youtube.com/watch?v=XM4SiKdqATA (Stand: 25.12.2013)

21

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Alejandro , Quelle : Tanrıdağı: Lady Gaga – Alejandro – 1080p – Full HD – Original, URL:

http://vimeo.com/12430671 (Stand: 26.01.2014)

Abb. 2 Mann in Netzstrumphose und High-Heels, Quelle: Ebd.

Abb. 3 Männer in Lederoutfit, Quelle: Ebd.

Abb. 4 Leder Fetisch, Quelle: N.N.: The Epic Clash, URL: http://scruffandthecity.com/page/8/

(Stand: 24.12.2014)

Abb. 5 Militär-Szene, Quelle: Lady Gaga- Alejandro, a.a.O.

Abb. 6 Symbole der Homosexualität , Quelle: http://www.stonewallsociety.com/gaysymb.htm

(Stand: 11.01.2014)

Abb. 7 Mother Monster, Quelle: Lady Gaga – Alejandro, a.a.O.

Abb. 8 Das mit einem „A― gekreuzigte Herz, Quelle: Ebd.

Abb. 9 Herz Jesu, Quelle: Sacred Heart of Jesus, URL:

http://newtheologicalmovement.blogspot.de/2012/06/his-heart-open-wound-with-love.html

(Stand: 11.01.2014)

Abb. 10 Gagas Appetit, Quelle: Lady Gaga – Alejandro, a.a.O.

Abb. 11 Alejandros Pose mit der Pistole vor den Genitalien , Quelle: Ebd.

Abb. 12 Choreographie der Schwulenarmee, Quelle: Ebd.

Abb. 13 religiöse Gesten, Quelle: Ebd.

Abb. 14 religiöse Gesten, Quelle: Ebd.

Abb. 15 Geste der Benediktion , Quelle : Sacred Heart Jesus, URL:

http://www.2heartsnetwork.org/SacredHeart.htm (Stand: 11.01.2014)

Abb. 16 Bett-Szene, Quelle: Ebd.

Abb. 17 Sex-neutrale Choreographie, Quelle: Lady Gaga - Alejandro, a.a.O.

Abb. 18 erotische Pose im Kontrast zu davor, Quelle: Ebd.

Abb. 19 Heilige Gaga und der Phallus, Quelle: Ebd.

Abb. 20 Gaga mit dem Schusswaffen-BH, Quelle: Ebd.

Abb. 21 „maskuline― Lady Gaga, Quelle: Ebd.

Abb. 22 Lady Gagas Aufopferung, Quelle:Ebd

Abb. 23 Alejandro und Gaga, Quelle: Ebd.