eine maya-inschrift aus xupá, chiapas, mexiko
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Herausgegeben vom Verein „Freunde der Völkerkunde" 1014 Wien Museum für Völkerkunde Im Selbstverlag 1981
Sonderdruck
EINE MAYA-INSCHRIFT AUS XUPA, CHIAPAS, MEXIKO
Von Karl Herbert Mayer, Graz
Obwohl die Erforschung der klassischen Maya-Kultur m Mesoamerika seit über emem Jahrhundert intensiv betrieben wird, sind Archäologen, Kunsthistoriker und Kulturhistoriker
mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die die Kenntnis der Entwicklung, des
geschichtlichen Wandels und des Untergangs dieser amerikanischen Hochkultur wesentlich
einschränken.
Zum größten Problemkreis zählt ohne Zweifel die Hieroglyphenschrift der Maya, die zum
Großteil noch als unentziffert gelten muß, wenn auch über den Inhalt der Texte beträchtliche
Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Die glyphischen Texte können wohl relativ gut
interpretiert und verstanden werden, doch ist man von einer eigentlichen Lesung noch sehr weit entfernt.
Ein · signifikanter Grund für die langsamen Fortschritte bei den Entzifferungsversuchen ist
sicherlich auch im Tatbestand enthalten, daß von den tausenden bekannten präkolumbischen
Mayastätten im heutigen Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und EI Salvador nur rund 230
als Fundorte von Inschriften belegt sind. Lange und vollständige Texte sind ziemlich selten, und
die häufigeren kurzen Inschriften s.ind für das Studium der Maya-Schrift nicht sehr ergiebig.
Weiters ist die Tatsache zu erwähnen, daß sehr viele Inschriften noch unveröffentlicht sind oder in ungenügender Druckqualität vorliegen.
In Anbetracht der gegenwärtigen Situation erscheint es vordringlich, jedwede Maya-Glyphen zu
dokumentieren und zugänglich zu .machen.
EINE NEUENTDECKTE ZEICHNUNG VON MALER
Bei Archivarbeiten im Nachlaß des bedeutenden österreichischen Maya-Forschers Teobert
Maler im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin konnte 1979 eine Zeichnung festgestellt werden, die eine bisher unbekannte, wenn auch fragmentarische und kurze Inschrift zeigt, die
hier erstmals vorgestellt wird . Die Zeichnung von Maler ist auf einem Papier von bräunlicher
Farbe, welches transparent ist (Strecker und Flemming 1981: 47). Der Zustand des 110cm
hohen und 65 cm breiten und seit langem gefalteten Blattes ist als sehr brüchig zu bezeichnen; an
der linken Seite fehlt ein Stück. Die Bleistiftzeichnung ist offensichtlich eine Pause und daher die
Darstellung im Maßstab 1 : 1. Die Zeichnung ist etwa 108 cm hoch und maximal 62,5 cm breit.
Auf der rechten Seite ist eine reichgekleidete und -geschmückte stehende menschliche Figur in
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Seitenansicht, nach rechts gewandt, abgebildet; sie ist unten nicht vollständig erhalten und mißt
in der Höhe 89 cm und in der maximalen Breite 32 cm. Auf der linken Seite ist eine Maya
Inschrift zu sehen, die unvollständig ist und eine kalendarische Angabe darstellt. Die oberste,
fragmentarische Glyphe ist 29,5 cm breit und war ursprünglich etwa 42 cm breit;.sie ist 36 cm
hoch . Die unterste Glyphe ist 19cm hoch und 14cm breit. In der rechten unteren Ecke der
Zeichnung ist in der Handschrift Malers folgende sechszeilige Anmerkung zu lesen:
Xupa (5upa = arr. d. 1. horm.)
EI Templo mayor.
Una de las lajas con fig. de incisi6n de! fondo de!
santuario que brutalmente ha sido destruido
hace poco aiios, por gente no autorizada para ello . Mex. Est d. Ch. 1898. T. M.
Über das Blatt verstreut finden sich einige kleine, schlecht lesb~re Vermerke von Maler, die sich
auf den Erhaltungszustand der dokumentierten Details beziehen.
Der gegenwärtige Zustand der Originalzeichnung läßt annehmen, daß eine photographische
Aufnahme schwierig ist und zu keinem befriedigenden Resultat führt; aus diesem Grunde
wurde 1981 von der kompletten Pause eine Kopie vom Verfasser angefertigt, die hier
wiedergegeben wird (Fig. 1 ). Die menschliche Figur wurde von Maler in einem Bericht über die
Erforschung der etwa 5 km von Palenque entfernten Ruinenstätte Xupa, im mexikanischen
Bundesstaat Chiapas, abgebildet (Maler 1901: 21, Fig. 4 ), und zwar in einem Maßstab von 1 : 9.
Über die auf der Originalzeichnung dokumentierten Glyphen ist weder in der englischen
Übersetzung von Malers Bericht über Xupa (Maler 1901: 17-22), noch auf der Zeichnung selbst
eine Herkunftsangabe erwähnt.
MALERS BESCHREIBUNG VON XUPA
Um zu überprüfen, ob das handschriftliche Original, welches sich ebenfalls in den Archiven des
Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin befindet, vollinhaltlich für die englischsprachige
Publikation verwendet wurde, wurden diesbezüglich beide Unterlagen verglichen, wobei
festgestellt wurde, daß vier kurze, jedoch relevante Passagen des Originaltextes nicht
veröffentlicht wurden und daß in einigen Fällen die Übersetzung nicht als optimal anzusehen
ist. Die fehlenden Passagen beziehen sich auf die etymologischen Erklärungen der Toponyme
Sulusum und Mistolha, auf wichtige Maßangaben des Haupttempels sowie auf die zwei letzten
Textabschnitte, die sich auf die illegale Entfernung von einigen inzisierten Steinplatten
beziehen. Da die englische Veröffentlichung des Berichtes über die Ruinen von Xupa
unvollständig ist, erscheint es gerechtfertigt, daß im folgenden der komplette und unveränderte
Text des Originalmanuskripts in deutscher Sprache erstmals wiedergegeben wird:
Xupa. supa
xupa = 5u-pa =Bach der Ameisen. (In Yucatan nennt man xulab = 5ulab die Wanderameisen.)
Am 4. Februar 1898 verliessen wir La Reforma, dorten selbst mit Cayuco den Chacamax
(tsakamas) kreuzend, und unsere Tiere auf dem linken Ufer ladend. Wir nahmen den Weg nach
Palenque, und gelangten zuerst zur dicht am linken Ufer desselben Flusses neuangelegten
Monteria „La Nueva Esperanza", deren Eigentümer, Don Luis G6nzali aus Comalcalco, uns
freundlich empfing.
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Gonzali stand früher im Dienste des Hauses Romano und leitete die Anlage des Weges von
Reforma nach Tzendales, wodurch jene zwei weit voneinander abstehenden Niederlassungen in
Verbindung gebracht wurden . Auf dieser ganzen ungeheuern Strecke kamen die Leute auch
nicht ein einzigesmal zu einem Ruinenort. Nur etwa 8 Leguas die man bei Tzendales
herauskömmt, bei einem Punkte, den die Leute „Champa de San Pedro" nennen (unweit dem
dortigen Flusse San Pedro), bei Gelegenheit einer links-seitwärtigen Streiferei, kam Herr
Gonzali, begleitet von Rafael Naranjo, zu einem Tempel, der einen kleinen „Cerro"
(mutmasslich einen pyramidalen Unterbau) bekrönte. Da es schon spät am Abend war, daher
diese Herren mit ihren Mozos ins Lager zurückeilen mussten, so besahen sie nur flüchtig den
Bau. Sie erinnern sich nur, dass dessen Grundriss einen rechtwinkeligen Gang bildet n; auch
sahen sie Tongefässe im Innern. Eine weitere Untersuchung des dort zweifelsohne bestehenden
Ruinenortes unternahmen sie nicht. - Diese Ruinenstätte - welche einstens zu untersuchen
wünschenswert wäre - benannte ich einstweilen „Las Ruinas de Naranjo-Gonzali" . - - -
Auserdem bei einer Landesvermessung, welche gewisse Ingenieure am Flusse Lacanha
vornahmen (welcher Fluss mit dem Usumatsintla sozusagen parallel läuft,- aber in
entgegengesetztem Sinne und in den Lacantiin sich ergiessend), fanden dieselben einen
Ruinenort, dem ich den Namen „Las Ruinas de Lacanha" beigelegt, ohne bis jetzt, Mangels
näherer Angaben, eine Expedition dahin unternehmen zu können. Jose Nemecke - langjährig
beim Holzschlag beschäftigt - sagte mir später, dass das von Gonzali gefundene Gebäude zur
Ruinenstadt am Lacanha gehöre, keine andere Ruinenstadt existierend in jener Richtung. Ich
neige nicht zur Ansicht des Herrn Nemecke.
Am folgenden Tag begaben wir uns nach dem Rancho Sulusum, Herrn German Koller gehörig,
den ich glücklicher Weise unterwegs traf und begrüsste, ihm meine Absicht mitteilend, von
seinem Rancho aus die Ruinen von Xupa zu besuchen . Wir hatten uns vormals gekannt, als ich
1877 die Ruinen von Palenque besuchte; Herr Koller willigte daher freundlichst ein und
versprach, mich in Person dahin zu begleiten, sowie er zurückkomme von einem Ausflug, den
er im Augenblick zu machen habe.
Etwa eine und eine halbe Legua ehe man nach Palenque kömmt, bogen wir vom Wege links ab,
und über die Überbleibsel einer uralten Stadt schreitend, gelangten wir alsbald zum malerisch
am linken Ufer des Chacamax gelegenen Rancho, wo uns die Gemahlin des Herrn Koller
freundlich empfing. '
Wir verblieben hier zwei Tage die Rückkunft Herrn Kollers erwartend, und benutzten diese
Zeit die dortigen Ruinenfelder zu untersuchen, was um so leichter war, als in den letzten Jahren
grosse Milperfas daselbst angelegt worden waren, also die Überbleibsel frei in den verlassenen
Stoppelfeldern lagen. Es gelang jedoch nicht irgendeinen Bildwerkstein zu entdecken; selbst
nicht in der Umgebung des vormaligen Haupttempels, der in einen mittelgrossen
Trümmerhügel verwandelt ist. Nur fanden wir an einer Stelle grosse Hohlziegel aus gebranntem
Thon, tief in der Erde steckend.
Den Namen Sulusiim = sul-u-siim erkläre ich so: „Ort wo der Strick anfeuchtet wurde". sul,
sulah anfeuchten; u sein (auch wie Artikel gebraucht); sum Seil, Strick: „Angefeuchtet sein
Strick".
Herr Koller war indess zurückgekehrt, und am 8. Februar verliessen wir in seiner Begleitung
besagten Rancho, den Chacamax in einiger Entfernung von den Hütten überschreitend. Nun
führte der Pfad durch die dortigen Gebirgsausläufer bis wir nach etwa 21/i Legua an den Bach
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Xupa gelangten. Hier fanden wir eine kleine Laubhütte, Champa vor, wo meine Leute die
Tragtiere abluden und das Lager zurecht machten, während ich selbst mit Herrn Koller den
Bach überschritt, um den Hauptbau der Ruinenstadt aufzusuchen, da Herr Koller noch am
selben Tage nach seinem Rancho zurückkehren wollte.
Es gelang uns in der Tat jenen Bau zu erreichen, die Richtung dahin durch Abhauen von
Zweigen kennzeichnend, um am nächsten Tage mit Ruhe die gründliche Erforschung
vornehmen zu können. -
Unser Lager an jenem sprudelnden Bach war sehr bequem; doch um Mitternacht erweckte uns
der grelle Schrei eines Silberlöwen aus unserem leichten Schlaf. Nochmals ertönte der schrille
Ruf jenes dem Menschen nicht gerade gefährlichen Tieres, meine Leute - die gerade keine
Helden waren - immerhin etwas beunruhigend .
Das Gleiche schien einer Schar Brüllaffen zu widerfahren. Sie hatte die Stille der Nacht durch ihr
donnerndes Gebrüll belebt, doch kaum war der Schrei des Löwen erklungen verstummten sie
mit einem Schlag, woraus ich folgerte, dass die Stentor niger und die Felis concolor auf
gespanntem Fusse zu einander stehen.
Der Ruinenort liegt am rechten Ufer des Xupa und ist von ziemlicher Ausdehnung. Fast alle
Bauten scheinen grosse Unterbaue aus guten Quadersteinen gehabt zu haben. Die überbaue
sind fast ausnahmslos eingestürzt, aber die massiven Unterbaue - darunter manche von
beträchtlichen Verhältnissen - überall vorhanden. Ich habe so ziemlich alle Baulichkeiten und
deren Vorplätze untersucht, ob vielleicht irgendein Bildwerk vorhanden, jedoch erfolglos. Nur
der Haupttempel, ein vormals stolzer, eine grosse pyramidale Anlage bekrönender Bau, weist
noch Gemächer und Wandreste auf.
Dieserhalb wendete ich hauptsächlich der Untersuchung dieses Baues meine Aufmerksamkeit
zu . Der Tempel ist mit seiner Fa~ade gen Osten gewendet. An dieser Seite befanden sich die
Treppenanlage, grosse den Pyramidenaufbau bildende Absätze, und auch wo! angelehnte
Gemächer, die nun eingestürzt sind, und zu denen man vom Tempelplatz aus gelangte. An der
Westseite dagegen bildeten die Absätze einen Übergang zu einem Hochplatz (West-terrasse),
und von diesem aus erheben sich noch weitere Absätze bis zur Platform.
Da vom eigentlichen Tempel die Fa~ade, der rechtsflügelige und mittlere Teil fast gänzlich
eingestürzt sind, so hatte ich grosse Mühe dessen Grundriss zu erfassen, fand aber schlisslich
heraus, dass derselbe gleichartig ist mit dem der bekannten drei Tempel von Palenque:
Trophäen, erstem und zweitem Kreuzestempel; was auser Zweifel stellt, dass Xupa in innigstem
Zusammenhang mit Palenque stand. Wir hätten also ein schön gewölbtes Vordergemach mit
vier Pfeilern an der Front, deren dazu gehörige drei Eingänge mit Holzbalken überspannt
waren, auf welchen der mit Stuckfiguren geschmückte Fries aufruhte. Dem Vordersäl
entspräche ein Mittelgemach und zwei Seitenkämmerchen. Im Mittelgemach war eingebaut das
eigentliche Heiligtum, dessen innere Längswand mit hochinteressanter Figurengruppe
geschmückt war.
In drei Punkten weicht jedoch der Tempel von Xupa von seinen palenkanischen Vorbildern ab:
Erstens, die Gewölbe jener Seitenkämmerchen laufen nicht parallel mit dem des Vordergema
ches, sondern in rechtem Winkel dazu. Zweitens, das Heiligtum ist viel massiver, dickwändiger
aufgebaut. Drittens, die Figuren an der Längswand des Heiligtums sind nicht flacherhaben
ausgemeisse!t, sondern nur in Einritzungsumrissen angedeutet.
Infolge des Einsturzes der Fa~ade, wie auch des - dem rückwärtigen Mittelgemache
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entsprechenden Gewölbes, wurde der Eingang zum Heiligtum gänzlich verschüttet, und das
Ganze kam unter die Trümmer zu liegen. Somit unsichtbar geworden wäre es der Nachwelt
erhalten geblieben, hätten nicht vor wenig Jahren vorwitzige Schätzesucher aus dem Dorfe
Palenque und den Monterias am Chancala, in jenem Trümmerhaufen einen hohlen Raum
vermutend, von obern her ein Loch eingebrochen, also gerade durch das Gewölbe durch! -
Dass der Eingang von vornen sein müsse, konnten jene Leute nicht erraten. - Als jene Schufte
durch das eingebrochene Loch in den feuerrot gemalten Innenraum herniederstiegen, fanden
sie, dass dessen Längswand mit sieben schmalen Steinplatten verkleidet war, auf deren glatten
Flächen ein hoch interessantes Gruppenbildwerk in meisterhaft gezeichneten Umrissen
eingeritzt war. Der Umstand, dass die dünnen, nur 40-45 Cm. breiten Steinplatten nicht sehr
schwer zum Fortschaffen erschienen, reizte die Habgier jener Leute. Sie fassten demnach den
Entschluss dieselben herauszubrechen und im Geheimen zu verkaufen. Bei Ausführung dieses
Vorhabens gingen jene Leute in brutalster Weise zu Werk. Es ist anzunehmen, dass die
Mittelpartie des Wandbildes einen Altar, vielleicht auch Kreuzes-baum darstellte, die mittleren
drei Steine einnehmend, während nach rechts und links männliche und weibliche Figuren zu
stehen kamen, vielleicht vier im Ganzen. Da das jenen Gaunern unverständliche Mittelstück
weniger Wert zu haben schien, so zerschlugen sie jene Platten! ... - Ich fand deren Stücke
oben auf dem Trümmerhaufen umhergestreut, und konnte nichts mehr daraus machen. - Die
ihnen am Wertvollsten erscheinenden Figurenplatten schleppten sie heraus; doch nicht gerade
die Fortschaffungsmittel besitzend, um sie nach Hause zu bringen, versteckten sie diesselben
teils am Pyramidenabhang, teils weiter weg im Walde, wer weiss wo? Nur eine einzige Platte
liessen jene Schufte an der Wand, da sie beim Versuche diesselbe herauszureissen mit ihren
Brechstangen das ganze Gesicht der darauf abgebildeten Persönlichkeit abgeblättert
hatten! . . . Jene Figur stellt einen Mann von Rang dar: trägt hohen Helm mit
Federschmuck ... Halsband ... Brustkragen aus Schuppenwerk u.s.w. Des gänzlich
zerstörten Gesichtes wegen ist diese Figur wertlos geworden, habe auch keine Zeichnung davon
gemacht.
Auf das Gründlichste den Pyramidenabhang nach den verschleppten Steinen untersuchend, war
ich so glücklich einen derselben aufzufinden. Diese Steinplatte war mit den Umrisslinien einer
anmutigen weiblichen Gestalt geschmückt: Hoher Kopfputz .. . ächtes Maya-profil .. .
Kragen aus Schnurwerk mit Perlenrand, und Brustscheibe vornen in der Mitte ... trägt als
Opfergabe unter dem rechten Arm ein zubereitetes Tierlein (Vogel?) . .. Gürtel mit Fratze
vornen, und Andreas-Kreuz an der Seite ... Rock aus gekreuztem Schnurwerk mit
Perlenbesatz, u.s.w. - Von dieser einzigen Errungenschaft meiner Exploration habe ich eine
durchgepauste Zeichnung gemacht. Auch nahm ich einige der wichtigsten Masse: Die äussere
Breite des Tempels beträgt genau 7 m. 25; die äusere Länge schätze ich auf etwa 15 m.
Die innere Länge des Heiligtums beträgt 306 cm„ die innere Breite 170. Der Eingang zu
demselben war ausen 225 cm. lang, verengt sich aber nach Innen auf 190. Er war nach Ausen mit
einem einzigen langen Steinbalken, von 65 cm. Breite überspannt, dessen untere Fläche ich
vergebens nach etwaigem Flachbild untersuchte. Der verengte, 30 cm. breite Teil war vormals
mit einem Holzbalken gedeckt, der nun spurlos verschwunden ist. -
Es ist wahrscheinlich, dass der architectonische Abschluss des Tempels vormals durch ein
luftiges Bekrönungssystem von doppeltem Charakter gebildet wurde, das auf den
Gewölbedächern aufgebaut war ähnlich wie bei jenen Tempeln von Palenque. Die
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Gesammtanlage vom östlichen Tempelplatz aus betrachtet, muss demnach immerhin von
grossartiger Wirkung gewesen sein.
Auf dem Tempelplatz selbst konnte ich keine Opferaltäre entdecken, nur fand zalreiche Reste
kleinerer Baulichkeiten. - - -
Mein Ärgernis über die ruchlose Zerstörung des Bildwerkes im Heiligtum des Tempels von
Xup:i wird wahrscheinlich von der gesammten amerikanistischen Gelehrtenwelt geteilt werden.
Jene Untat mag etwa um das Jahr 1890 begangen worden sein, augenscheinlich unter strafbarer
Verhelung der Ortsbehörden von Palenque, beziehungsweise EI Salto de Agua, denen die
Erhaltung der alten Denkmäler zu wiederholten malen von der Centralregierung anempfohlen
worden ist.
Ehe ich den Rückzug von der dortigen Gegend antrat, machte ich noch einen Vorstoss nach der
am Mistolh:i errichteten Monteria des Amerikaners Mc Queen, teils um mit seinen Leuten zu
erkunden, ob bei ihren Streifereien in jenen Wildnisen keine Ruinen zum Vorschein
gekommen, teils mit dem Wunsche von dem schönen Wasserfall, den jener Fluss bildet eine
Ansicht aufzunehmen.
Herr Queen empfing mich freundlich und gab mir einen Führer zum Wasserfall. Es waren
indess in den letzten Tagen starke Regengüsse gefallen, so dass wir Mühe hatten den Mistolh:i,
um vom rechten Ufer aus an den Wasserfall zu gelangen, der etwa 2 Leguas unterhalb der
Monteria sich befindet.
Der Wasserfall gewährte in der Tat einen prächtigen Anblick. Die Wassermasse stürzt sich über
eine an hundert Fuss hohen Felswand brausend in die Tiefe, dabei so gewaltige Gischtwolken
auftürmend, dass die photographische Aufnahme fast zur Unmöglichkeit wird. Einen
günstigen Windstoss abwartend, gelang diesselbe.
Nach Aussage der Leute kömmt an einem Felsblock „eine grosse Versteinerung eines
urweltlichen Tieres" zum Vorschein, wenn der Wasserstand in der Mulde am Fusse des Falles
ein niedriger ist. Ein Amerikaner sagte mir jedoch, dass die betreffende Versteinerung nur etwa
30 Cm. gross wäre, sehr deutlich und hübsch einen Fisch darstellend. Während ich am
Wasserfall lagerte standen jene Felsen alle unter Wasser, konnte daher die Versteinerung nicht
besichtigen.
Der Mistolh:i ergiesst sich in den Baxcan, der seinerseits dem Rio de San Pedro Savana zuströmt.
Den Namen Mistolh:i = mis-tol-h:i übersetze ich so: „Wasser der Besenblatt-palme". mis =
Besen, escoba; tol, tolol gerippte, gestreifte, geschnittene Dinge; h:i Wasser. Es handelt sich um
eine kleine Fächerblattpalme aus deren Blättern die Indier Besen machen.
Nach der Monteria Mc Queen's zurückgekehrt, ausruhten wir noch einen Tag in der
angenehmen Gesellschaft jenes Herrn, dann wendeten wir uns Sulusum und Palenque zu.
German Koller behauptete Agustin Gomez (der seinen Rancho hat auf dem Wege von Palenque
nach Salto de Agua) habe jene Steine herausgerissen, um sie zu verkaufen.
Santiago Solis, der um jene Zeit Inspector de Bosques war, erzälte mir in Tenosique, er selbst
habe jene Steine herausgenommen, und alle dorten am Pyramidenabhang gelassen, wo sie sich
noch befinden müssten! um 1890. -Augusto Lastrain Palenque soll um die Sache wissen! .
Die versteckten Platten sollen 4 sein . . .
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DIE ERFORSCHUNG VON XUPA
Maler gilt allgemein als wissenschaftlicher Entdecker der Maya-Ruinen von Xupa, doch wurde
die archäologische Entdeckung des Ortes bereits in einer mexikanischen Zeitung, datiert mit
30. Jänner 1889 (Rodrfguez Prampolini 1964: 233-234), also 9 Jahre vor Malers Besuch,
bekanntgegeben. In dieser Zeitungsmeldung wird angegeben, daß die offizielle Zeitung von
Chiapas berichtete, daß sechs Leguas (ca. 24 km) von den bekannten Ruinen von Palenque auf
der linken Seite des Baches „Xhupa" archäologische Monumente gefunden wurden. Es werden
zwei Reihen von Bauwerken beschrieben, die eine Gasse bilden, jedoch nur noch zerstörte
Schutth_aufen sind, die von üppiger Vegetation begraben sind. Besonders wird auf ein
prunkvolles Gebäude eingegangen, in dessen Inneres man durch Einbrüche im Dach gelangen
konnte. In diesem Bauwerk, Malers Haupttempel, befanden sich vier Steine von je zwei Ellen
Höhe und 26 Zoll Breite, die in den Mauern eines Innenraumes eingebettet waren und Reliefs
zeigten, die junge Krieger mittlerer Statur darstellen. Bemerkenswerte Schäden an den
Wandtafeln werden beschrieben, besonders das abgesplitterte Gesicht einer menschlichen Figur
auf einem der Paneele.
1898 wurde dann Xupa von Maler wiederentdeckt, der auch architektonische Skizzen vom
Haupttempel anfertigte, die jedoch noch unpubliziert sind. Frans Biom war der nächste
Archäologe, der sich der Erforschung von Xupa widmete. Ein maschinschriftlicher Bericht
über seine dortigen Arbeiten ist noch unveröffentlicht (Biom 1923 ), jedoch von einer 1925
durchgeführten Expedition liegt ein kurzer Bericht vor, dem eine einfache Karte der
Ruinenstätte sowie ein Grundriß und ein vertikales Profil des Haupttempels beigegeben ist
(Biom and LaFarge 1926-1927: 201-204, Figs. 167, 168) (Fig. 2 und 3). Biom machte eine
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Fig. 2. Lageplan-Skizze der Ruinen von Xupa (nach Biom and LaFarge).
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gründliche, jedoch erfolglose Suche nach dem von Maler illustrierten Paneel; zufolge lokaler
Informanten wurde dieses von einem Mann zu seiner Pflanzung am Chacamas-Fluß
verschleppt. Bei der Untersuchung des Haupttempels, der stark zerstört war, stellte Biom fest,
daß die Anordnung der Innenräume etwas ungewöhnlich war, da die Achsen der Seitenräume
im rechten Winkel zur Achse des rückwärtigen Raums verlaufen. Im Hinterraum bzw. dem
zentralen Raum ist ein kleines Sanktuarium mit rotbemalten Wänden und einem
herabgestürzten steinernen Türsturz, welches durch eine Öffnung im Dach betreten werden
konnte. Auf der Nordseite des Tempels befinden sich zwei kleine viereckige, fensterähnliche
Maueröffnungen, die in Bioms Architekturzeichnungen klar erkennbar sind, von ihm jedoch
nicht beschrieben wurden (Fig. 4 ).
Heinrich Berlin (schriftliche Mitteilung, Jänner 1980) hat im August 1941 Xupa besucht und
den Plan von Biom leicht verbessert. Im Jänner 1954 wurden ihm im Dorf Palenque ein oder
zwei Stuck-Hieroglyphen, angeblich aus Xupa stammend, gezeigt; eine davon war die Glyphe
T-598, von der Eric Thompson (1962: 223) angibt, daß sie am häufigsten in Palenque
vorkommt und die er „lmpinged bone" benannte. Thompson erwähnt Xupa nicht als einen
lnschriftenort.
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Fig. 3. Grundriß und vertikalu Schnitt des Haupttempels (nach Biom and LaFarge).
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Sylvanus Morley (1948: 65) hingegen hat Xupi als Inschriftenort gelistet, führt jedoch nur das
von Maler publizierte Paneel auf und gibt auch keine Angaben zu einem etwaigen
kalendarischen Text.
Robert L. Rands hat vor etwa zweieinhalb Jahrzehnten umfangreiche keramische Untersu
chungen in der ganzen Palenque-Region begonnen, wobei auch die Keramik von Xupi
analysiert wurde; ein detaillierter Untersuchungsbericht über diese Arbeiten steht noch aus .
Im 1967 erschienenen offiziellen archäologischen Atlas von Chiapas (Pina Chan 1967: 85) wird
Xupi als wichtiges Zeremonialzentrum mit Stelen, Paneelen, Altären, Figuren und Keramik
charakterisiert, jedoch gibt es keine Belege für die tatsächliche Existenz von Stelen oder Altären.
Ian Graham (1975: 24) führt Xupi als einen Ort auf, wo Maya-Hieroglyphen auf Skulpturen
vorkommen; eine diesbezügliche Rückfrage hat ergeben, daß ihm außer Malers Paneel keine
andere Skulptur von diesem Fundort und keine mit Glyphen bekannt war.
Der Verfasser besuchte Xupi, heute unweit der modernen Straße vom Dorf Palenque nach
Chancali gelegen, in den Jahren 1978 und 1980; es konnten zu beiden Seiten des Xupi -Baches
dicht überwachsene Reste von Bauwerken bemerkt werden. Der Haupttempel, von dem nur
Fig. 4. Detail der Nordostecke des Haupttempels. Zustand 1978. Aufnahme von Karl Herbert Mayer.
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noch zwei Außenmauern relativ gut erhalten sind und dessen Gewölbe vollständig eingestürzt
sind, ist ebenfalls von Vegetation stark bedeckt und schwierig zu besichtigen. Spuren von
kürzlich unternommenen illegalen Grabungen konnten überall festgestellt werden. Eine
oberflächliche Suche nach den inzisierten Wandtafeln oder Stuckglyphen verlief erfolglos.
DIE WANDTAFELN UND GLYPHEN VON XUPA
Zufolge dem Zeitungsbericht aus 1889 und Malers Bericht dürften an der hinteren, der
Längswand des inneren Schreins des Haupttempels ursprünglich vier inzisierte Paneele
eingebettet gewesen sein, die menschliche Figuren darstellen, etwa 40-45 cm breit und etwa
150 cm hoch sind und eine geringe Dicke aufweisen. Ein einziges Paneel ist in Form einer
Zeichnung bekannt, ein zweites wurde von Maler etwas beschrieben, die zwei anderen stellen
menschliche Figuren dar, doch liegen dazu keine genaueren Daten vor. über den Verbleib der
inzisierten Tafeln und der von Heinrich Berlin genannten Stuckglyphen ist nichts bekannt.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Zeichnung von Maler ließ vorerst den Schluß zu, daß er eine einzige Skulptur
dokumentierte, die figurative und hieroglyphische Elemente vereinigt. Eine offensichtliche
Diskrepanz zwischen der Größe der menschlichen Figur und den Dimensionen der
fragmentarischen Inschrift, die den Anfang einer kalendarischen Angabe im Long-Count
System darstellt, führte später zur Annahme, daß Maler, vielleicht aus Mangel an transparentem
Papier, zwei verschiedene Originale auf einem Blatt durchpauste. Diese Überlegung findet
außerdem Unterstützung in der Tatsache, daß sich anscheinend am unteren Ende der
Zeichnung zwei Linien, an einer Stelle der rechten Seite der untersten Glyphe, überschneiden.
Falls Schrift und Figur tatsächlich eine Einheit darstellen, müßte diese Wandtafel etwa eine
Breite von 75 cm betragen haben, wobei Maler eine maximale Breite von ca. 45 cm für ein Paneel
erwähnt. Falls die kurze vertikale Linie durch die unterste Glyphe den linken unteren Rand
einer Figurentafel bedeutet, wäre die originale Breite dieses Paneels etwa 41,5 cm und könnte
meine Hypothese unterstützen. Aus ikonographischen, epigraphischen und kompositorischen
Gründen kann abgeleitet werden, daß Maler auf einem Blatt zwei verschiedene Vorlagen,
nämlich eine steinerne Wandtafel und eine fragmentarische Stuckinschrift, kopierte.
Eine naheliegende Vermutung, daß Maler vielleicht Stuckglyphen von Bauwerken im
benachbarten Zeremonialzentrum von Palenque dokumentiert hat, wurde überprüft, jedoch
konnte in der relevanten Literatur (Maudslay 1889-1902; Schele and Mathews 1979) kein Text
aus Palenque gefunden werden, die mit jener von Maler gezeichneten ident ist.
Von der fragmentarischen Inschrift sind nur drei Glyphen erkennbar. Die oberste Glyphe ist
eine Initialserien-Einführungsglyphe (ISIG); das variable Element in der Mitte zeigt den
Profilkopf eines Jaguars (T-751) und entspricht dem Maya-Monat Pop. Die ISIG ist gewöhnlich
etwa viermal so groß als die darunter folgenden Glyphen, die zumeist in einer doppelten
Kolumne angeordnet sind. Bei dieser Inschrift ist nur der Teil der rechten Kolumne erhalten, so
eine Katun-Glyphe und darunter eine Uinal-Glyphe; bei beiden Zeitperiodenangaben fehlen
die numerischen Koeffizienten, und eine Entzifferung des Kalenderdatums ist unmöglich.
Die schriftlichen Vermerke von Maler auf seiner Pause im Bereich der Glyphen beziehen sich
auf das Faktum, daß vom Original Teile „abgeblättert" waren; diese Bezeichnung könnte sich
eher auf das Medium Stuck als auf Stein beziehen. Eine vergleichbare ISIG im ähnlichen Stil und
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Ausmaßen und aus Stuck ist beispielsweise aus Palenque bekannt (Schele and Mathews 1979,
No. 606). Die derzeit vorhandenen Daten lassen mich vermuten, daß in Xupa ursprünglich vier
Wandpaneele mit inzisierten Darstellungen menschlicher Figuren, jedoch ohne Hieroglyphen
Texte, im inneren Schrein des Haupttempels eingebettet waren, und daß sich an anderer Stelle,
etwa an einer Außenwand wie bei den Bauwerken in Palenque, aus Stuck modellierte Glyphen
befanden, von denen einige von Maler aufgenommen wurden (siehe auch Berlin 1956: 106).
Ikonographische und epigraphische Affinitäten belegen, daß Xupa im Späten Klassikum
(ca. 600-900 n. Chr.) im künstlerischen und sicherlich auch im politischen Einflußfeld des
benachbarten Zeremonialzentrums Palenque lag.
DANKSAGUNG
Für die bei der Erstellung dieses Artikels gewährte Hilfe sei folgenden Personen aufrichtig
gedankt:
Heinrich Berlin, Claus J. Bruder, Peter Mathews, Anneliese Mönnich, Berthold Riese, Frauke
Riese, Wilhelm Stegmann, Matthias Strecker und Karl-Friedrich von Flemming. Besonderer
Dank gilt dem Ibero-Amerikanischen Institut, Berlin, für die freundliche Genehmigung,
Material aus dem Teobert-Maler-Nachlaß zu veröffentlichen.
LITERATUR
BLOM, Frans
1923 Las rumas de Palenque, Xupa, y Finca Encanto. Manuscript report to the
Direcci6n de Antropologia, Secretaria de Agricultura y Fomento, Mexico.
BERLIN, Heinrich
1956 Late Pottery Horizons of Tabasco, Mexico. Carnegie Institution of Washington,
D. C., Publication 606, Contributions to American Anthropology and History,
No. 59. Washington, D. C. BLOM, Frans, and Oliver LA FARGE
1926- 1927 Tribes and Temples: A Record of the Expedition to Middle America
Conducted by the Tulane University of Louisiana in 1925. Middle American
Research Institute, Tulane University, Publication 1, 2 vols. New Orleans.
GRAHAM, Ian
1975 Corpus of Maya Hieroglyphic Inscriptions, Vol. 1: Introduction to the Corpus.
Peabody Museum of Archaeology and Ethnology, Harvard University .
Cambridge, Massachusetts .
MALER, Teobert
12
1901 Researches in the Central Portion of the Usumatsintla Valley: Report of'
Explorations for the Museum, 1898-1900. Memoirs of the Peabody Museum of
American Archaeology and Ethnology, Harvard University, Vol. 2, No. 1.
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