bioerdgas zwischen markt und staat, zugl. münster (westf.), univ., diss., 2012

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Erdgas Bioerdgas Sebastian Herold www.energy-thinker.net Bioerdgas zwischen Markt und Staat

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Erdgas

Bioerdgas

Sebastian Herold

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tAuf Erdgasqualität aufbereitetes Biogas wurde erstmals im Jahre 2006 in das Netz der allgemeinen Erdgasversorgung eingespeist. Bis zum Jahre 2030, so das Ziel des Gesetzgebers, soll Bioerdgas in der Größenordnung von rund 10 % des heutigen Erdgasverbrauchs zum deutschen Energie-angebot beitragen – dafür müssten Produktion und Vermarktung bis 2030 Jahr für Jahr um mehr als 20 % wachsen.

Dieses Buch bietet aus ökonomischer Perspektive eine systematische Einführung in den Energieträger Bioerdgas und eine fundierte Abwä-gung seiner Zukunftsperspektiven hinsichtlich seiner Konkurrenzfähigkeit gegenüber Erdgas, seiner grundsätzlichen Förderwürdigkeit durch den Staat und der Ausgestaltung seines aktuellen Förderregimes. Dabei führt es mit den Aspekten anthropogener Klimawandel, Sicherheit der Energie-versorgung und Nutzungskonkurrenzen zwischen Anbaufl ächen für Bio-energie und Nahrungsmittel tief hinein in grundlegende gesellschaftliche Auseinandersetzungen unserer Zeit.

Sebastian Herold (Jahrgang 1977) liegen die Themen Energie und Umwelt

seit langem am Herzen – aus theoretischer wie praktischer Perspektive:

1999 bis 2004 VWL-Studium in Münster und Rom; Mitstreiter und später

Vorsitzender der Studenteninitiative Wirtschaft & Umwelt. 2004 Berufsein-

stieg bei einer deutschen Ferngasgesellschaft, seit 2007 Abteilungs leiter

G rundsatzfragen / Portfolio management. 2012 externe Promotion an der

WWU Münster.

© Foto LianeM - Fotolia.com

ISBN 978-3-00-037292-6

www.energy-thinker.net

Bioerdgas zwischen Markt und Staat

www.energy-thinker.net

<< Buchrücken – bitte vermitteln

Sebastian Herold

Bioerdgas zwischen Markt und Staat

II

D6

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-00-037292-6

Zugl.: Münster (Westf.), Univ., Diss., 2012

Schlagwörter:

Biogas / Bioenergie / Einspeisung / Energiemarkt / Energiepolitik / Erdgasmarkt

/ Erneuerbare Energien / Gaswirtschaft / Klimapolitik / Versorgungssicherheit

© Sebastian Herold 2012 – alle Rechte vorbehalten

www.energy-thinker.net

Titelgestaltung: www.bert-odenthal.de

Druck: Oing Druck GmbH, Südlohn

Dieses Buch wurde auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.

Die unabhängige gemeinnützige Nichtregierungsorganisation FSC (Forest

Stewardship Council) setzt sich für die Förderung einer umweltfreundlichen,

sozialförderlichen und ökonomisch tragfähigen Bewirtschaftung von Wäldern

ein.

III

Vorwort

Die Hoffnung auf Praxis und Theorie als Verbündete standen am Beginn dieses

Projektes. In einigen Jahren praktischer Arbeit in der Erdgaswirtschaft reifte der

Wunsch, mich jenseits der Aufgaben im Unternehmen zusätzlich der wissen-

schaftlichen Tätigkeit zuzuwenden und dabei über den werktäglichen Tellerrand

der Branche hinauszublicken. Das Spannungsfeld zwischen den Themen Energie

und Nachhaltigkeit, das mich bereits während des Studiums begleitete – im

Rahmen des Schwerpunkts Energiewirtschaft und des Engagements in der

Studenteninitiative Wirtschaft & Umwelt –, hatte nichts von seiner Aktualität

und Faszination eingebüßt und führte mich zum jungen Thema Bioerdgas.

Auf Erdgasqualität aufbereitetes Biogas wurde erstmals im Jahre 2006 in das

Netz der allgemeinen Erdgasversorgung eingespeist. Vor mir lag also ein in

vielen Facetten noch unbeschriebenes Terrain. Dies betrifft auf der einen Seite

die Analyse der Sonderregeln, die Bioerdgas in dem bereits durch zahlreiche

wettbewerbliche und regulatorische Spezifika gekennzeichneten Erdgasmarkt

gewährt werden. Auf der anderen Seite führt Bioerdgas mit den Aspekten

anthropogener Klimawandel, Sicherheit der Energieversorgung und Nutzungs-

konkurrenzen zwischen Anbauflächen für Bioenergie und Nahrungsmittel tief

hinein in grundlegende gesellschaftliche Auseinandersetzungen unserer Zeit.

Die Arbeit vermittelt, so hoffe ich, neben einer systematischen Einführung in den

Energieträger Bioerdgas eine fundierte Abwägung seiner Zukunftsperspektiven –

hinsichtlich seiner Konkurrenzfähigkeit gegenüber Erdgas, seiner grundsätz-

lichen Förderwürdigkeit durch den Staat und der Ausgestaltung seines aktuellen

Förderregimes.

IV

Die staatlichen Rahmenbedingungen für Erdgas wie für Bioerdgas sind, wie das

Buch herausarbeitet, vielfältig und im steten Wandel. Letzterer zeigt sich von

Redaktionsschlüssen unbeeindruckt. So hat die EEG-Novelle 2012 in der Ausge-

staltung der Förderung von Bioerdgas einige Anpassungen im Detail mit sich

gebracht, ohne dass dies allerdings zu Veränderungen der qualitativen Aussagen

der Arbeit führte. Die relevanten Paragraphen (§§ 27, 27 b/c und 33 g/i) sind

überschaubar und unter www.gesetze-im-internet.de, Gesetze/Verordnungen,

EEG abrufbar. Eine Übersicht über wesentliche Änderungen des EEG in Bezug

auf sämtliche Energieträger gibt eine Zusammenstellung des BMU, zu finden

unter www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/eeg_2012_informationen_faq_bf.pdf

Mein herzlicher Dank gilt allen, die mir dieses Projekt ermöglicht und mich bei

seiner Durchführung unterstützt haben, insbesondere meinem Betreuer Prof. Dr.

Karl-Hans Hartwig, dessen konstruktive Begleitung mich auch anspornte, die

Argumentationsführung in klaren Linien zu halten. Für die Übernahme des

Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Thomas Ehrmann. Verbleibende Schwächen

gehen allein zu Lasten des Autors.

Münster, im Januar 2012 Sebastian Herold

V

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................III

Inhaltsverzeichnis..................................................................................................V

Abbildungsverzeichnis ......................................................................................VIII

Tabellenverzeichnis...............................................................................................X

Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme.....................................................XI

1 Einleitung..........................................................................................................1

2 Das Produkt Bioerdgas .....................................................................................5

2.1 Abgrenzung und Entstehung ......................................................................5

2.1.1 Erdgas, Biogas und Bioerdgas .............................................................5

2.1.2 Bestandsaufnahme Erdgas und Biogas ..............................................10

2.1.3 Aufbereitung von Biogas zu Bioerdgas .............................................18

2.2 Potential....................................................................................................21

2.3 Kosten ......................................................................................................28

2.4 Klimabilanz ..............................................................................................32

2.4.1 Gesellschaftliche Resonanz für ökologische Umwelt .......................32

2.4.2 Klimabilanz von Bioerdgas im Vergleich zu Erdgas.........................37

3 Bioerdgas im Markt ........................................................................................45

3.1 Gaswirtschaft zwischen infrastruktureller Prägung und Handelswelt .....45

3.1.1 Bioerdgas in der Struktur der Gaswirtschaft......................................45

3.1.2 (Bio)Erdgasnetz als natürliches Monopol..........................................49

3.2 Positiver regulatorischer Rahmen für Erdgas und Bioerdgas ..................53

3.2.1 Ziele und Entwicklung staatlicher Eingriffe ......................................53

VI

3.2.2 Gemeinsamer Marktrahmen für Erdgas und Bioerdgas ....................57

3.2.3 Spezielle Regeln für Bioerdgas..........................................................61

3.3 Wettbewerbsfähigkeit von Bioerdgas ......................................................68

3.3.1 Ölindexierung und Preisdifferenzierung auf dem Erdgasmarkt ........68

3.3.2 Bioerdgas in Konkurrenz zu konventionellem Erdgas ......................80

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt.................................................90

4.1 Grüne Produkte und Konsumentenethik ..................................................90

4.2 Ergrünen von Erdgasunternehmen durch Bioerdgas................................94

4.3 Nutzungskonkurrenzen mit der Nahrungsmittelproduktion um Landflächen.......................................................................................................97

4.4 Grünes Produkt Bioerdgas im Markt .....................................................106

5 Bioerdgas als staatliches Produkt .................................................................110

5.1 Begründung und Ziele staatlicher Energiepolitik...................................110

5.2 Klimawandel als Ansatz staatlicher Bioerdgas-Politik ..........................112

5.2.1 Physikalische und politische Realität des Klimawandels ................112

5.2.2 Gesellschaftliche Dynamik des Klimawandels als Rahmenbedingung der Erdgas- und Bioerdgas-Wirtschaft .........................117

5.2.3 Anthropogene Klimaänderungen aus ökonomischer Perspektive ...121

5.2.4 Klimaschutz im internationalen Kontext .........................................126

5.2.5 Förderung von Bioerdgas über das EEG .........................................133

5.2.6 Wirtschaftlichkeit einer Minderung von Treibhausgasemissionen durch Bioerdgas...........................................................................................152

5.3 Versorgungssicherheit als staatlicher Ausgangspunkt für Bioerdgas ....154

5.3.1 Versorgungssicherheit des Energieträgers Erdgas aus ökonomischer Perspektive...........................................................................154

5.3.2 Bioerdgas im Verhältnis alternativer Erdgas- Versorgungspotentiale .................................................................................158

5.3.3 Verlässlichkeit und Akzeptanz von Lieferländern...........................171

5.3.4 Beitrag von Bioerdgas bei kurzfristigen Lieferausfällen .................180

VII

6 Fazit ..............................................................................................................185

Anhang: Anthropogene Klimaänderung ............................................................194

Literaturverzeichnis............................................................................................ XV

VIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Entwicklung Biogasanlagen in Deutschland...........................13

Abbildung 2.2: Massebezogener Substrateinsatz in Biogasanlagen 2007 .......14

Abbildung 2.3: Massebezogener Substrateinsatz nachwachsender Rohstoffe (NaWaRo) 2007............................................................................15

Abbildung 2.4: Wesentliche Komponenten einer Biogasanlage ......................18

Abbildung 2.5: Erdgasaufkommen in Deutschland nach Herkunftsländern 2008 ..................................................................................22

Abbildung 2.6: Verteilung des technischen Biogaspotentials nach Herkunft 2005................................................................................................24

Abbildung 2.7: Biogaspotentiale und mögliche Entwicklung von Einspeisungen................................................................................................26

Abbildung 2.8: Sensitivität Vollkosten Bioerdgas (Anlage 2.000 Nm³/h Gülle 10/NaWaRo 90; Kosten bezogen auf den Brennwert) ........................32

Abbildung 2.9: Gesamte Treibhausgasemissionen durch Bereitstellung und Nutzung fossiler Energieträger 2005.............................................................39

Abbildung 2.10: Treibhausgasbilanzen Bioerdgas auf NaWaRo-Basis ...........42

Abbildung 3.1: Struktur deutsche Gaswirtschaft..............................................47

Abbildung 3.2: Die GABi Gas-Entkoppelung der bilanziellen Handelswelt von den physischen Strömen .........................................................................61

Abbildung 3.3: Beispielhafte Inanspruchnahme des Biogas- Flexibilitätsrahmens (schematische Darstellung)..........................................65

Abbildung 3.4: Preisdifferenzierung nach anlegbarem Gaspreis.........................73

Abbildung 3.5: Grenzübergangspreis vs. TTF .....................................................76

Abbildung 3.6: Preisanpassungsrhythmus 9-0-1 illustriert ..................................83

Abbildung 3.7: Grenzübergangspreis Ist-Daten und modellierte Werte..............83

Abbildung 3.8: Wirtschaftlichkeit von Bioerdgas ggü. konventionellem Erdgas ............................................................................................................86

Abbildung 3.9: CO2-Break-Even-Preise für Bioerdgas.......................................88

Abbildung 3.10: Jährlicher Subventionsbedarf von Bioerdgas............................89

Abbildung 4.1: Relative Preisentwicklung Brent, Mais und Weizen ..................98

IX

Abbildung 4.2: Anteilige Bioerdgas-Produkte im Preisvergleich mit rein fossilen Produkten .......................................................................................108

Abbildung 5.1: Kohlendioxid-Großmächte........................................................128

Abbildung 5.2: CO2-Emissionen der Welt und ausgewählter Staaten(gruppen) nach IEA-Referenz-Szenario im Abgleich mit der G8-Absichtsbekundung für 2050 ................................................................129

Abbildung 5.3: EEG-Vergütungssätze (§§ 23-33 ohne Berücksichtigung zeitlicher oder technologischer Sonderregelungen) ....................................136

Abbildung 5.4: EEG-Vergütungssätze bei Stromerzeugung aus Bioerdgas (§ 27 EEG)...................................................................................................138

Abbildung 5.5: Ökonomische Knappheiten und Substitutionspotentiale von Erdgas ..........................................................................................................157

Abbildung 5.6: Statische Reichweiten an Erdgas im Zeitablauf........................160

Abbildung 5.7: EU-Gasverbrauch bis 2030 (IEA-Prognose).............................161

Abbildung 5.8: Struktur der Erdgas-Importe aus Nicht-EU-Staaten 2008 ........164

Abbildung 5.9: Staaten mit mehr als 1 Billion m3 Erdgasreserven (Stand Ende 2009)...................................................................................................165

Abbildung 5.10: Kosten neue Erdgasbezüge für Europa ...................................166

Abbildung 5.11: Prognose Erdgasverbrauch bis 2030/2050..............................170

Abbildung 5.12: State Fragility-Index wichtiger Gaslieferanten und Transitländer................................................................................................172

Abbildung 5.13: Unterschiedliche Einspeisestrukturen gleicher Jahresmengen ..............................................................................................184

X

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Zusammensetzung von Biogas .......................................................9

Tabelle 2.2: Energieträger Biogas und Erdgas 2007 (Heizwerte) ....................16

Tabelle 2.3: Abschätzung spezifischer Vollkosten Bioerdgas in Ct/kWh (Anlagengröße bezogen auf Rohbiogas) .......................................................30

XI

Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme

a Anno

AG Aktiengesellschaft

AusglMechV Ausgleichsmechanismusverordnung

bbl Barrel

BGW Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft

BHKW Blockheizkraftwerk

BIP Bruttoinlandsprodukt

BKartA Bundeskartellamt

BKV Bilanzkreisverantwortlicher

BNetzA Bundesnetzagentur

BRD Bundesrepublik Deutschland

C Kohlenstoff; Celsius (°C)

CCS Carbon Dioxide Capture and Storage

CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands

CEO Chief Executive Officer

CO2 Kohlendioxid

CO2-eq CO2-Äquivalent

DAX Deutscher Aktinenindex

DDR Deutsche Demokratische Republik

DVGW Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs

EEG Erneuerbare Energien Gesetz

EEWärmeG Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz

EEX European Energy Exchange

EGT E.ON Gastransport

EITI Extractive Industries Transparency Initiative

EJ Exajoule

EnWG Energiewirtschaftsgesetz

XII

EPEX European Power Exchange

ETK Energieträger-Technologie-Kombination

EU Europäische Union

EWärmeG Erneuerbare Wärme Gesetz

EWI Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln

EZB Europäische Zentralbank

FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDP Freie Demokratische Partei

g Gramm

G8 Group of Eight

GABi Gas Festlegung (BNetzA) in Sachen Ausgleichsleistungen Gas

GasNEV Gasnetzentgeltverordnung

GasNZV Gasnetzzugangsverordnung

GG Grundgesetz

GuD Gas und Dampf (Kraftwerk)

GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWS Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung

h hora

H-Gas Hochkalorisches Gas

ha Hektar

HL Leichtes Heizöl

HS Schweres Heizöl

IEA International Energy Agency

IPCC Interngovernmental Panel on Climate Change

K Kohle

Kcal Kilokalorie

KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau

XIII

kWh Kilowattstunde

KWK Kraft-Wärme-Kopplung

L-Gas Niederkalorisches Gas

LNG Liquified Natural Gas

LULUCF Land Use, Land-Use Change and Forestry

MBtu Million British Thermal Unit

MW Megawatt

NAP Nationaler Allokationsplan

NATO North Atlantic Treaty Organization

NaWaRo Nachwachsende Rohstoffe

NCG Net Connect Germany

NGO Non-Governmental Organization

Nm3 Normkubikmeter

OTC Over-the-Counter

pH-Wert Potentia Hydrogenii

ppm Parts per million

SNG Synthetic Natural Gas

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SUV Sport Utility Vehicle

t Tonne

TEHG Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz

THG Treibhausgas

TJ Terajoule

TK Transportkunde

TTF Title Transfer Facility

TWh Terawattstunde

UK United Kingdom

UN United Nations

UNEP United Nations Environment Programme

XIV

UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change

USA United States of America

VP Virtueller Punkt

VR China Volksrepublik China

WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale

Umweltveränderungen

WMO World Meteorological Organization

ZuG Zuteilungsgesetz

1 Einleitung 1

1 Einleitung

Ende 2006 wurde ein neues Kapitel der deutschen Gaswirtschaft aufgeschlagen:

Bioerdgas. In Pliening bei München und in Straelen am Niederrhein speisten

erstmals Biogasanlagen ihr technisch auf Erdgasqualität aufbereitetes Gas in das

Erdgasnetz ein. Damit wandelten sie den bislang lokal auf den jeweiligen Ort der

Produktion begrenzten Energieträger Biogas in Bioerdgas um, das in der beste-

henden Erdgas-Infrastruktur auch zu weit entfernten Verbrauchsstellen flexibel

transportiert werden kann. Der Newcomer soll bis 2030 nach Vorstellung des

deutschen Gesetzgebers rund 10 % des derzeitigen Erdgasverbrauchs abdecken.

Als regenerative Energiequelle, die – anders als die witterungsabhängigen

Verwandten Solar und Wind – verlässlich zur Verfügung steht, könnte Bioerd-

gas, so die Hoffnung, einen wesentlichen Beitrag zum Umbau des Energie-

systems in Richtung Nachhaltigkeit leisten. Von staatlicher Seite wird Bioerdgas

dazu bereits protegiert, insbesondere über den Einsatz zur Stromerzeugung im

Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG). Mit Zugang zu sämtlichen

Erdgaskunden steht dem Energieträger daneben auch das wichtigste Segment des

deutschen Wärmemarktes offen.

Um tatsächlich den Durchbruch zu schaffen, muss sich Bioerdgas gegen andere

Energieträger behaupten, insbesondere gegen sein technisches Substitut Erdgas.

Es gilt herauszufinden, welche Kraft der neue Energieträger dazu bereits ohne

staatliche Hilfe besitzt – im reinen Preiswettbewerb oder als grüne Alternative zu

fossilen Energien, für die höhere Zahlungsbereitschaften gelten könnten. Falls

keine Erfolge aus eigener Kraft zu konstatieren und auch zu erwarten sind,

schließt sich die Frage an, ob staatliche Eingriffe ordnungspolitisch zu recht-

1 Einleitung 2

fertigen sind. Dann wäre Bioerdgas zwar absehbar auf staatliche Schützenhilfe

angewiesen, könnte dabei aber argumentativ auf ein solides Fundament bauen.

Den Weg für Bioerdgas ebnen könnte die große gesellschaftliche Auseinander-

setzung um die potentiell bedrohlichen Auswirkungen fossiler Energien auf das

globale Klima und die damit damit verbundene Suche nach Alternativen zu

ihnen. Erneuerbare heimische Energienquellen wie Bioerdgas verheißen zudem

eine Antwort auf die öffentliche Debatte der Endlichkeit fossiler Rohstoffe und

der Sicherheit ihres Bezuges. Die Auseinandersetzungen zwischen Russland und

der Ukraine im Januar 2009 haben die Aktualität von Versorgungssicherheit

verdeutlicht, als nach Ausfall russischer Erdgas-Lieferungen über die Ukraine die

Gasversorgung in Europa insgesamt gefährdet schien und in Teilen Südost-

europas zusammenbrach.

Auch wenn Bioerdgas als erneuerbare Energie prima facie dem Ideal eines nach-

haltigen Energieträgers entspricht, könnte dies durch die Flächenkonkurrenz mit

Nahrungsmitteln in Frage gestellt sein. Die Nachhaltigkeits-Definition der

Brundtland-Kommission (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung), die

die heutige Begriffsverwendung prägt, stellt nicht nur auf das Wohlergehen

zukünftiger Generationen ab, sondern auch auf das der gegenwärtigen Armen. In

wieweit der Ausbau von Bioerdgas zu steigenden Nahrungsmittelpreisen und

vermehrtem Hunger in der Welt führt, bestimmt entscheidend sein Zukunfts-

potential und seine Akzeptanz.

Die vorliegende Arbeit verortet Bioerdgas zwischen Markt und Staat. Es gibt

keinen modernen Markt ohne Staat, da allein der Austausch von Verfügungs-

rechten de facto immer schon staatliche Rahmenbedingungen wie Gerichts-

barkeit voraussetzt. Wenn in dieser Arbeit die beiden Begriffe einander gegen-

übergestellt werden, so geht es auf der einen Seite um den allgemeinen Markt für

Energie, insbesondere Erdgas, dem sich Bioerdgas im Wettbewerb stellen kann,

und auf der anderen Seite um gezielte staatliche Eingriffe zur Förderung von

1 Einleitung 3

Bioerdgas. Diese Eingriffe können eine verwendungsunabhängige Begünstigung

darstellen oder, wie bei der Stromsubventionierung des EEG, eine verwendungs-

spezifische.

Den skizzierten Problemstellungen nähert sich die Arbeit wie folgt: Das an die

Einleitung anschließende zweite Kapitel widmet sich dem Produkt Bioerdgas in

Abgrenzung zu Biogas und Erdgas. Es skizziert den Herstellungs- und Aufbe-

reitungsprozess, analysiert das Potential von Bioerdgas in Deutschland und zeigt

in Abhängigkeit verschiedener Anlagentypen und Einsatzstoffe seine Kosten und

Klimabilanzen auf. Kapitel 3 erörtert die aktuelle Stellung und zukünftigen

Chancen von Bioerdgas als vollkommenes Substitut im Wettbewerb mit Erdgas

und die Rückwirkungen seines Ausbaus auf die Gaswirtschaft. Aufbauend auf

einer Beschreibung der Besonderheiten der Gaswirtschaft als Infrastruktur-

industrie und damit verbundener ökonomischer Konsequenzen beleuchtet es

Hintergrund und Ausgestaltung des aktuellen regulatorischen Rahmens.1 Den

gemeinsamen Regeln für Erdgas wie Bioerdgas schließen sich dabei die Sonder-

bestimmungen für Bioerdgas an, deren Ausgestaltung auch quantitativ bewertet

wird. Das Kapitel schließt mit einer Abschätzung der Wirtschaftlichkeit von

Bioerdgas gegenüber Erdgas, wobei verschiedene Erdgas-Preisregime herange-

zogen werden.

Die Vermarktung von Bioerdgas als nachhaltiges, grünes Produkt lotet Kapitel 4

aus. Es betrachtet dabei Chancen wie Risiken für Erdgasunternehmen, ihr

fossiles Geschäftsfeld durch regeneratives Bioerdgas aufzuwerten. Insbesondere

beschäftigt es sich mit dem Konfliktpotential einer Konkurrenz zu Nahrungs-

mitteln. Beispielhaft untersucht es in dem noch jungen Markt einzelne Bioerd-

1 Die fortlaufende Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens der Gaswirtschaft weist in

den vergangenen Jahren eine hohe Dynamik auf, inbesondere auf Ebene von Behörden wie der Bundesnetzagentur, die gesetzliche Vorgaben zum Teil spezifzieren und kontinuierlich nachjustieren. In sämtlichen Teilen der Arbeit wurde der zum jeweiligen Zeitpunkt des Verfassens aktuelle Stand herangezogen und in der Zitation entsprechend angegeben.

1 Einleitung 4

gas-Angebote im Vergleich zu entsprechenden Erdgas-Produkten. Kapitel 5

wendet sich Begründung und Ausmaß einer staatlichen Förderung von Bioerdgas

zu, wobei es Klimaschutz und Versorgungssicherheit als potentielle Felder für

aus ökonomischer Perspektive grundsätzlich legitime staatliche Handlungen

annimmt. Die gesellschaftliche und politische Dynamik, die mit dem anthropo-

genen Klimawandel einhergeht, bestimmt, wie ausgeprägt fossile Energien in

Bedrängnis zu geraten drohen und regenerative Alternativen profitieren könnten.

Auf Grundlage der ökonomischen Bewertung von Treibhausgasemissionen und

nationalen wie internationalen Klimaschutzbemühungen analysiert dieses Kapitel

die bestehende Förderung von Bioerdgas durch das EEG und die Wirtschaft-

lichkeit einer Minderung von Treibhausgasemissionen durch Substitution von

Erdgas durch Bioerdgas. Bei der Untersuchung von Versorgungssicherheit

befasst es sich mit der langfristigen Verfügbarkeit von Erdgas, Risiken relevanter

Lieferländer sowie mit Maßnahmen gegen kurzfristige Lieferausfälle. Es wählt

als Startpunkt den deutschen bzw. europäischen Status Quo und geht der Frage

nach, in wieweit Bioerdgas zu einer Verbesserung der jeweiligen Ausprägung

von Versorgungssicherheit beitragen kann und wie es gegenüber alternativen

Wegen einzuordnen ist. Die Arbeit schließt mit einem Fazit in Kapitel 6.

2 Das Produkt Bioerdgas 5

2 Das Produkt Bioerdgas

2.1 Abgrenzung und Entstehung

2.1.1 Erdgas, Biogas und Bioerdgas

„In jedem Gänseblümchen wohnt ein potentieller Tropfen Sprit.“2 Was die

Zeitschrift Spiegel in einem Sonderheft „Neue Energien“ prosaisch vorträgt,

beschreibt gleichwohl qualitativ korrekt den Zusammenhang zwischen orga-

nischen Ausgangsstoffen und resultierenden Energieprodukten, welche die Basis

unserer Industrie- und Mobilitätsgesellschaft bilden. Die nutzbare Energie aus

Kohle, Öl und Gas stellt nichts anderes dar als gespeicherte Sonnenenergie. Mit

Sonnenenergie wandeln bestimmte Organismen im Prozess der Photosynthese

Kohlendioxid und Wasser in höhermolekulare Kohlenhydrate um. Wird abge-

storbenes organisches Material dann eingeschlossen und die gespeicherte Energie

dem natürlichen Abbau durch Oxidation entzogen, entstehen in solchen Ablage-

rungen über Millionen Jahre bei entsprechenden Rahmenbedingungen wie Druck

und Temperatur die auf Kohlenstoff beruhenden fossilen Energieträger Kohle, Öl

und Gas.3

Die natürlichen Entstehungsprozesse bedingen, dass Gas – welches in seinem

natürlichen Zustand als Rohgas bezeichnet wird – heute in sehr unterschiedlichen

Qualitäten vorkommt. Das in deutschen Lagerstätten gewinnbare Gas schwankt

beispielsweise in seinem Brennwert, welcher den Energiegehalt ausdrückt,

2 Spiegel Spezial (2007), S. 58. 3 Vgl. Press/Siever (2003), S. 597-606 und 639 f.

2 Das Produkt Bioerdgas 6

zwischen 2 und 12 kWh/m3.4 Vor einer Einspeisung in ein Gasnetz, an dem

Endverbraucher angeschlossen sind, wird das Gas deshalb aufbereitet und

verschnitten, so dass es definierten Anforderungen entspricht. Auf Endver-

braucherebene werden in Deutschland im Wesentlichen zwei Gruppen von

Gasqualitäten unterschieden, die in je eigenen Netzen befördert werden: Soge-

nanntes L-Gas (low), welches beispielsweise in den Niederlanden und Nord-

deutschland gefördert wird, hat einen niedrigeren Brennwert als u. a. in

Norwegen und Russland gefördertes H-Gas (high). Für den Abnehmer von Gas

spielt dies insofern keine Rolle, als das Gas nach geliefertem Energiegehalt, also

nach kWh und nicht nach Kubikmetern abgerechnet wird.5

Bei Biogas läuft der unter Sauerstoffausschluss und speziellen technischen

Rahmenbedingungen stattfindende mikrobiologische Prozess vom organischen

Ausgangsmaterial bis zum verwendungsfähigen Gas je nach Verfahren, Einsatz-

stoffen und Temperaturen in einem Zeitraum von 30 bis 120 Tagen ab. In einem

mehrstufigen Prozess – welcher in ähnlicher Form auch in der Natur in Mooren,

auf dem Grund von Seen oder in Pansen von Wiederkäuern stattfindet –

verwandeln verschiedene Bakterien das organische Ausgangsmaterial über

Stoffwechselprozesse erst in Zwischenprodukte und schließlich im Wesentlichen

in Methan, Kohlendioxid und Wasser. Methan (chemisch CH4), welches auch

den Hauptbestandteil von Erdgas ausmacht, ist der eigentliche Energieträger des

Gases:6

Die Umwandlung im Biogasreaktor, dem sogenannten Fermenter, vollzieht sich

wie folgt: Zuerst wandeln aerobe Bakterien die hochmolekularen organischen

4 Vgl. Landesamt für Bergbau (2007), S. 2. Auch niedrige Zahlen werden in dieser Arbeit bei

technisch-ökonomischen Werten als Ziffern angegeben. 5 Vgl. Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln [EWI]/Büro für

Energiewirtschaft und Technische Planung [BET] (2000), S. 34-41 und Bundesnetzagentur (2008c), S. 246.

6 Vgl., auch zu nachfolgenden Ausführungen zur Biogasproduktion, Eder/Schulz (2007), S. 8 und 19-40, Schattauer/Weiland (2006), Helm (2007a), Helm (2007b).

2 Das Produkt Bioerdgas 7

Ausgangsstoffe in niedermolekulare Verbindungen wie Zucker, Aminosäuren

und Fettsäuren um. Anschließend folgt die Phase der Versäuerung, in der säure-

bildende Bakterien die zuvor erzeugten Stoffe in kurzkettige Fettsäuren, Alko-

hole und verschiedene Gase überführen. Diese Bakterien sind fakultativ anaerob,

d. h. sie können sowohl in Umgebungen mit und ohne Sauerstoff wachsen. Sie

verbrauchen den in dieser Phase noch vorhandenen Sauerstoff. Essigsäure-

bakterien bilden aus den organischen Säuren die für die Methanbildung notwen-

digen Ausgangsstoffe Essigsäure, Kohlendioxid und Wasserstoff. Abschließend

erfolgt die Bildung von Methan, Kohlendioxid und Wasser durch die anaeroben

Methanbakterien. Diese gehören zu den ältesten Lebewesen der Welt und sind

vor etwa drei bis vier Milliarden Jahren entstanden, als die Erdatmosphäre noch

eine gänzlich andere Zusammensetzung hatte als heute. Sie sind auf eine sauer-

stofffreie Umgebung angewiesen. Für jede Prozessstufe gibt es optimale

Rahmenbedingungen, zu denen pH-Wert und Temperatur zählen. Aus dieser

Sicht wäre es naheliegend, die einzelnen Prozesse unabhängig voneinander in

sogenannten mehrstufigen Verfahren räumlich und zeitlich getrennt stattfinden

zu lassen. Es ist jedoch auch möglich, den ganzen Prozess in einem Behälter zu

konzentrieren, in dem die verschiedenen Prozesse parallel ablaufen können. Die

Methanbakterien bilden dabei Gemeinschaften mit Bakterien anderer

Prozessstufen, die den Sauerstoff verbrauchen, bevor er die Methanbakterien

schädigen kann. Es kann dabei immer wieder neues organisches Ausgangs-

material hinzugefügt werden, ohne dass der Gesamtprozess zuvor abgeschlossen

sein müsste.

In der Praxis herrschen diese einstufigen Verfahren vor, da mehrstufige

Verfahren einen höheren Aufwand in Anlagenbau und Steuerung bedeuten.

Insbesondere bei heterogenen organischen Ausgangsstoffen mit unterschiedlich

schnell abbaubaren Komponenten ist eine räumliche Trennung der verschiedenen

Stufen nur schwer zu realisieren. Häufiger anzutreffen sind zwei Behälter, die

hintereinander geschaltet sind. Der erste Behälter ist für eine kurze Verweilzeit

2 Das Produkt Bioerdgas 8

konzipiert, in der die schnell abbaubaren Substanzen zu Gas umgesetzt werden.

In einem zweiten Behälter erfolgt dann anschließend die Gasbildung aus den

schwerer abbaubaren Substanzen. Unabhängig von der Anzahl der hintereinander

geschalteten Behälter nimmt die Gasausbeute aus dem organischen Einsatzstoff

im Zeitablauf ab. Da in einem Behälter immer nur ein begrenzter Raum

vorhanden ist, findet aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus deshalb nie ein

vollständiger Abbau der Organik statt. Üblich sind Verweilzeiten der Organik im

Behälter, die zu einem Abbaugrad von 60 % der organischen Substanz führen,

bei einigen Anlagen werden auch 80 % erreicht. Das Biogas muss wie Rohgas –

in Abhängigkeit von der weiteren Verwendung – aufbereitet werden, um

beispielsweise den an Anlagenteilen Korrosionen verursachenden Schwefel-

wasserstoff zu entfernen oder die Qualitätsvorgaben für Einspeisungen in das

Erdgasnetz zu erfüllen. Der Output aus Biogasanlagen findet anschließend

üblicherweise als landwirtschaftlicher Dünger Verwendung.

Unterschieden wird die Biogaserzeugung in Verfahren der Nass- und der

Trockenfermentation. Von Nassfermentation wird gesprochen, wenn der

Trockenmassegehalt im Fermenter einen Bereich von 12-15 % nicht übersteigt.

Oberhalb von 16 % ist das Material in der Regel nicht mehr pumpbar, hier liegt

eine Trockenfermentation vor. Auch bei Trockenfermentation befindet sich

Flüssigkeit im Fermenter, da die beteiligten Bakterien in jedem Falle in ihrer

unmittelbaren Umgebung ausreichend Wasser für ihr Überleben benötigen.7

Wird das organische Ausgangsmaterial nicht wie beim Biogas anaerob, sondern

in einem aeroben Prozess, d. h. mit Sauerstoff, abgebaut, handelt es sich um eine

Kompostierung. Anders als bei der Kompostierung fällt beim anaeroben Vergä-

rungsprozess kaum Wärme an, die Energie bleibt in Form von Methan im Gas

enthalten. Prinzipiell sind alle organischen Stoffe sowohl anaerob wie aerob

7 Vgl. Schattauer/Weiland (2006), S. 26.

2 Das Produkt Bioerdgas 9

abbaubar. Allerdings eignet sich festes, strukturreiches Material wie Baum- oder

Strauchgut besonders für die Kompostierung und nasses Material wie Gülle

hervorragend zur Vergärung. Zur Erzeugung von Biogas wird Gülle oftmals in

Kombination mit speziellen Energiepflanzen wie Silomais eingesetzt, die als

nachwachsende Rohstoffe (NaWaRo)8 bezeichnet werden. NaWaRo können auch

ohne Gülle als alleiniges organisches Ausgangsmaterial zur Erzeugung von

Biogas genutzt werden.9

Je nach Art der eingesetzten organischen Ausgangssubstrate und der Prozessaus-

gestaltung variiert die Zusammensetzung des erzeugten Biogases. Tabelle 2.1

gibt einen Überblick über die Bandbreiten der wesentlichen Biogasbestandteile10.

Tabelle 2.1: Zusammensetzung von Biogas

Kompo-nente

Methan (CH4)

Kohlen-dioxid (CO2)

Wasser (H2O)

Stickstoff (N2)

Wasser-stoff (H2)

Sauer-stoff (O2)

Schwefel-wasser-stoff (H2S)

Anteil am Biogas [%]

50-75 25-45 2-7 0-2 0-1 0-2 0-2

Quelle: Aschmann et al. (2008), S. 14.

Die Unterscheidung zwischen fossilem Erdgas und Biogas ist – spiegelbildlich

zur üblichen Verwendung des Präfixes „Bio“ – eine zwischen dem Naturprodukt

Erdgas und dem unter technischen Bedingungen künstlich hergestellten Biogas.

In der weiteren Arbeit werden folgende Begrifflichkeiten auseinandergehalten:

Erdgas bezeichnet das fossile Gas nach Aufbereitung für den Verwender,

welches in Pipelines im Erdgasnetz transportiert wird. Biogas ist das von 8 NaWaRo bezeichnen ein- oder mehrjährige Kulturen, die auf landwirtschaftlichen Nutzflächen

zur ausschließlichen energetischen Verwendung angebaut werden. 9 Vgl. Eder/Schulz (2007), S. 42 f. 10 Biogas kann als Produkt, das aus natürlichen Materialien hergestellt wird, Spuren zahlreicher

weiterer Stoffe aufweisen.

2 Das Produkt Bioerdgas 10

Menschen in technischen Anlagen aus pflanzlichen und tierischen Ausgangs-

stoffen erzeugte Gas. Bioerdgas ist das auf Erdgasqualität aufbereitete und ins

Erdgasnetz eingespeiste Biogas.

2.1.2 Bestandsaufnahme Erdgas und Biogas

Erdgas11 ist nach Mineralöl und Kohle der drittgrößte Primärenergieträger

Deutschlands. Im Jahr 2008 leistete Mineralöl einen Beitrag von 34,7 % zum

Primärenergieverbrauch, Stein- und Braunkohle von 24,2 % und Erdgas von

22,1 %. Insgesamt betrug der Primärenergieverbrauch – bezogen auf den

(unteren) Heizwert12 – rd. 14.000 Petajoule (rd. 3.900 TWh).13 Im Wärmemarkt

für Haushaltskunden ist Erdgas der mit Abstand meistgenutzte Energieträger.

48,0 % aller Wohnungen wurden im Jahr 2006 mit Erdgas beheizt, gefolgt von

Heizöl (30,7 %) und Fernwärme (12,5 %). Neue Wohneinheiten wurden zu zwei

Dritteln mit einer Erdgasheizung ausgestattet.14

Heute liegen die Förderstätten des Erdgases und die großen Verbrauchszentren

weit auseinander. Aus Russland importiertes Erdgas etwa durchfließt mehrere 11 Neben Erdgas gibt es zahlreiche andere Gase, etwa Grubengas, Klärgas, Raffineriegas oder

Kokereigas, die zum Teil als Naturgase gefördert werden und zum Teil als Koppelprodukte bei der Herstellung anderer Produkte anfallen. Diese Gase werden vor allem zum Eigenverbrauch am Ort ihrer Förderung bzw. Produktion verwendet (vgl. Schiffer (2008), S. 167). Ihr Anteil ist im Vergleich zum Erdgas gering. So stellten im Jahr 2006 Erdgas und Erdölgas über 99 % aller Gase in Bezug auf den Primärenergieverbrauch in Deutschland dar (vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2008b)).

12 Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen verwendet einheitlich den (unteren) Heizwert bei der Umrechnung der spezifischen Einheiten der einzelnen Energieträger in Joule (vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2008d), S. 8). In der Gaswirtschaft üblich ist hingegen der Brennwert (obere Heizwert) als Bezugsgröße (vgl. Schiffer (2008), S. 521). Nicht in allen Statistiken ist angegeben, ob sich Angaben auf den Heizwert oder Brennwert beziehen, ggf. auftretende Abweichungen zwischen Statistiken können u. a. auf diese unterschiedlichen Bezugsgrößen zurückzuführen sein. Brennwert und Heizwert sind beide Maße für die in einer Brennstoffmenge enthaltene Energie, die bei vollständiger Verbrennung frei wird, wenn das Abgas auf Bezugstemperatur zurückgekühlt wird. Der Brennwert berücksichtigt dabei auch die bei der Kondensation des im Abgas enthaltenen Wasserdampfes freigesetzte Energie, während der Heizwert annimmt, der Wasserdampf im Abgas bliebe auch nach Rückkühlung auf Bezugstemperatur dampfförmig (vgl. Cerbe et al. (2008), S. 52).

13 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2009). 14 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft [bdew] (2007), S. 19.

2 Das Produkt Bioerdgas 11

Tausend Pipeline-Kilometer, bevor es auch nur die deutsche Grenze passiert. Die

Anfänge der Gaswirtschaft finden sich dagegen in einer dezentralen Gaspro-

duktion und -versorgung auf Städteebene. Stadtgas beleuchtete erstmals in

London im Jahre 1814 die Westminster Bridge und verbreitete sich in den

folgenden Jahren und Jahrzehnten in immer mehr Städten in Europa. Jahrzehn-

telang bedeutete Gas das neue Licht des industriellen Zeitalters. Eine massen-

hafte Nutzung zum Kochen und für die Wärmeversorgung setzte erst später ein,

zum Teil als Reaktion zunehmender Konkurrenz von Petroleum und Elektrizität

auf dem Markt für Beleuchtung, die die Gasproduzenten nach neuen Absatz-

potentialen suchen ließ. Vor allem Kohle diente als Ausgangsmaterial, aus dem

lokale Gaswerke das Stadtgas in speziellen Geräten und Verfahren durch

Erhitzung gewannen und dann über Leitungen zu den Verbrauchsorten transpor-

tierten.15 Neben die Gaswerke traten später Kokereien, die Gas im Zuge der

Koksproduktion großtechnisch und auch günstiger erzeugen konnten. Im Ruhr-

gebiet entstanden so zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste nennenswerte Ferngas-

netze, die das Gas aus der großtechnischen Produktion zu den Verbrauchsorten

transportierten.16 Die Erschließungen der Erdgasfunde in den Niederlanden und

Deutschland, später auch in Norwegen und Russland, führten seit den 1960er

Jahren zu einer Verdrängung des Stadtgases aus der öffentlichen Gasversorgung.

In der auf heimische Energiequellen fokussierten DDR allerdings blieb aus

Braunkohle hergestelltes Stadtgas bis zur Wiedervereinigung ein wichtiger

Energieträger. Noch im Jahre 1990 hatte Stadtgas einen Anteil von 27 % am

ostdeutschen Gasverbrauch (weitere 19 % stammten als einheimisches Erdgas

aus Salzwedel und 54 % aus Russland). Mit der Stilllegung der letzten Anlage

15 Kohlevergasung wird auch heute noch in Südafrika und China durchgeführt. Für eine

Beschreibung der chemischen Prozesse vgl. Cerbe et al. (2008), S. 27 ff. 16 Die Vertreter des Ruhrkohlenbergbaus bündelten 1926 ihre Aktivitäten mit der Gründung der

Aktiengesellschafter für Kohleverwertung (AGKV), die zwei Jahre später in Ruhrgas AG umbenannt wurde. Im Jahre 1928 gelang der Ruhrgas mit einem Bezugsvertrag der Stadt Hannover der Schritt über das Ruhrgebiet hinaus.

2 Das Produkt Bioerdgas 12

zur Stadtgasproduktion im Kombinat Schwarze Pumpe endete 1995 die

Geschichte der deutschen Gaserzeugung aus Kohle.17

Die Entwicklung von den lokalen Gaswerken über die Kokereien hin zum Erdgas

entsprach einer Entwicklung hin zu großindustriellen Lösungen mit großen

Transportnetzen und einer immer größeren räumlichen Entkoppelung von

Produktion bzw. Förderung und Verbrauch. Die beginnende Einbindung von

Biogas in das deutsche Erdgasnetz könnte demgegenüber eine Gegenbewegung

(wieder) hin zu lokaler, dezentraler Produktion markieren.

Seine Anfänge hat Biogas um die Wende zum 20. Jahrhundert in der Abwasser-

reinigung, wo noch heute anaerobe Klärstufen gebräuchlich sind. Das gewonnene

Gas wird für Wärmezwecke oder in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung

(KWK) zur kombinierten Produktion von Strom und Wärme genutzt. Dieses Gas

wird auch als „Klärgas“ bezeichnet. Die Landwirtschaft als Lieferant von Biogas

wurde erst in der Nachkriegszeit entdeckt. So berichten Eder/Schulz, der Klär-

techniker Imhoff habe 1947 darauf hingewiesen, der Stallmist einer einzigen Kuh

könne hundert mal so viel Gas erzeugen wie der Klärschlamm eines städtischen

Einwohners. Erste landwirtschaftliche Biogasanlagen in den 50er Jahren mussten

sich schon kurz nach ihrer Inbetriebnahme der preisgünstigen Konkurrenz von

Heizöl geschlagen geben. Nach einem kurzen Zwischenaufschwung in Folge der

Ölkrise 1972/73 setzte der bis heute anhaltende Boom erst mit der staatlichen

Förderung von mit Biogas erzeugtem Strom ab dem Jahr 1990 ein.18

Da die staatliche Förderung nicht an der Produktion von Biogas ansetzt, sondern

der mit Biogas erzeugte Strom subventioniert wird, vollzog sich der Ausbau von

Biogas bislang losgelöst vom Erdgasnetz. Biogas wird am Ort der Gewinnung in

Strom umgewandelt und dieser dann in das öffentliche Stromnetz eingespeist. 17 Vgl. Karlsch (2008). 18 Vgl. Eder/Schulz (2007), S. 8 ff.

2 Das Produkt Bioerdgas 13

Bis Ende des Jahres 2007 betrug der Anlagenbestand in Deutschland 3.764

Biogasanlagen bei einer installierten elektrischen Leistung von 1.232 MW (vgl.

Abbildung 2.1). Die durchschnittliche installierte elektrische Leistung je Anlage

betrug damit 0,32 MW und nahm über die betrachtete Zeitspanne deutlich zu. Im

Jahr 1999 lag dieser Wert noch bei 0,06 MW. Die Stromerzeugung aus Biogas

im Jahr 2007 betrug 7,43 TWh, 1,2 % der deutschen Bruttostromerzeugung.19

Abbildung 2.1: Entwicklung Biogasanlagen in Deutschland

Quelle: Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2008), S. 35.

Bei den zur Produktion von Biogas eingesetzten Substraten dominieren Gülle

(Exkremente) und NaWaRo (vgl. Abbildung 2.2). Eine bayerische Betreiberum-

frage aus dem Jahre 2006 führte zu dem Ergebnis, dass in 74,5 % der Anlagen

19 Vgl. Bundesministerium für Umwelt (2008b), S. 12. Aus Gegenüberstellung der

Stromproduktion mit Biogas und der dafür installierten elektrischen Leistung wird deutlich, dass die Biogasanlagen nicht den theoretisch maximal möglichen Strom produzieren. Das Institut für Energetik und Umwelt geht von 6.750 von maximal möglichen 8.760 Volllaststunden im Jahr aus (vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2008), S. 35).

2 Das Produkt Bioerdgas 14

NaWaRo zusammen mit Wirtschaftsdüngern eingesetzt werden, wobei unter den

Wirtschaftsdüngern Rindergülle mit knapp 83 % heraussticht.20

Abbildung 2.2: Massebezogener Substrateinsatz in Biogasanlagen 2007

Quelle: Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2008), S. 53.

Innerhalb der NaWaRo entfallen über zwei Drittel der Substrate auf Mais (vgl.

Abbildung 2.3). Die Anbaufläche für die in der Biogaserzeugung eingesetzten

nachwachsenden Rohstoffe umfasst 500.000 bis 550.000 ha.21 Dies entspricht

3 % der insgesamt 17 Mio. ha landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutsch-

land.22

20 Vgl. Aschmann et al. (2008), S. 17. 21 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2008), S. 53. 22 Vgl. Statistisches Bundesamt (2008).

2 Das Produkt Bioerdgas 15

Abbildung 2.3: Massebezogener Substrateinsatz nachwachsender Rohstoffe (NaWaRo) 2007

Quelle: Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2008), S. 54.

Das bislang erzeugte Biogas ist zum allergrößten Teil, wie oben beschrieben,

kein Austauschprodukt für Erdgas, da es nicht durch Erdgasleitungen transpor-

tiert wird und der Verbrauch vielmehr am Ort der Erzeugung erfolgt. Umgekehrt

gilt aber, dass der bislang durch Biogas erzeugte Strom alternativ auch mit

Erdgas erzeugt werden könnte. Dieses könnte ebenso dezentral erfolgen wie bei

Biogas, wenn auch nicht zwingend immer an exakt den gleichen Stellen, da das

Erdgasnetz in Deutschland zwar weitmaschig ausgebaut ist, aber nicht jedes

Grundstück in der Nähe einer Erdgasleitung liegt.23 Insofern bestehen unab-

hängig von der Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität und Einspeisung in

das Erdgasnetz Substitutionsbeziehungen zwischen beiden Energieträgern. Dies

trifft grundsätzlich auf alle Energieträger zu, mit denen Strom oder Wärme

hergestellt werden kann. Für Biogas und Erdgas gilt dieses noch ausgeprägter, da

23 Einen anschaulichen Überblick über die Erschließung Deutschlands mit Erdgas gibt eine von

den Gasnetzbetreibern gemeinsam gepflegte elektronische Gasnetzkarte (www.gasnetzkarte.de).

2 Das Produkt Bioerdgas 16

beide die gleichen gasförmigen Eigenschaften und damit Einsatzmöglichkeiten

besitzen und ein reines Biogasnetz sich nicht wesentlich von einem Erdgasnetz

unterschiede. Mit der Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität und

Einspeisung in das Erdgasnetz geht die tatsächliche Austauschbarkeit einher, es

liegen in Bezug auf die relevanten Aspekte identische Produkte vor, die sich im

Netz durchmischen. Die Größenordnungen der Energieträger Biogas und Erdgas

sind in Tabelle 2.2 dargestellt.

Tabelle 2.2: Energieträger Biogas und Erdgas 2007 (Heizwerte)

Biogas [TWh] Erdgas [TWh] Biogas in % Erdgas

Primärenergie-verbrauch in Deutschland

21,1 867,8 2,4

Einsatz zur Stromerzeugung 21,1 165,0 12,8

Erzeugter Strom 7,4 75,9 9,7

Quelle: Bundesministerium für Umwelt (2008b), S. 12, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2009), Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2008a), Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2008c), S. 22, zum Teil eigene Berechnungen: für Biogas ist hier ein elektrischer Wirkungsgrad von 35 % unterstellt (vgl. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. [FNR] (2006), S. 104 f.); die Produktion von Biogas ist mit dem Einsatz zur Stromerzeu-gung gleichgesetzt (solange noch keine nennenswerten Einspeisungen von Bioerdgas in das Erdgasnetz mit Nutzung dieses Bioerdgases zur Wärmeerzeugung gegeben ist, dürfte dies eine realistische Annahme darstellen).

Die Biogasanlagen in Pliening bei München mit einer jährlichen Einspeisung von

39 Mio. kWh (0,039 TWh) und Straelen am Niederrhein mit einer jährlichen

Einspeisung von 44 Mio. kWh (0,044 TWh) waren Ende 2006 die ersten

Anlagen, die Biogas aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist haben.24 Gemäß

einer von der Deutschen Energie-Agentur geführten Projektliste, die in der

Branche als sehr vollständig gilt,25 bestehen mit Stand Juli 2009 47 Projekte zur

Einspeisung von Bioerdgas. Diese umfassen sowohl bereits realisierte Projekte

24 Vgl. Deutsche Energie-Agentur [dena] (2008), S. 9. 25 Vgl. Lohmann (2009b), S. 7.

2 Das Produkt Bioerdgas 17

als auch in Bau oder Planung befindliche Projekte, deren geplante Betriebsauf-

nahme spätestens im Jahr 2010 liegt.26 Bei tatsächlicher Realisierung sämtlicher

Projekte ergäbe sich dann eine Einspeiseleistung von rd. 28.000 m3/h. Bei

Betrieb der Anlagen mit durchschnittlich 6.750 Benutzungsstunden im Jahr (vgl.

Fußnote 19) führte dies zu einer Jahresproduktion von 189 Mio. m3 oder rund

1,89 TWh Bioerdgas (0,2 % des deutschen Erdgasverbrauchs).

Abbildung 2.4 zeigt schematisch die wesentlichen Komponenten einer Biogas-

anlage und die Schritte, die von den Ausgangsstoffen bis zum Endprodukt

durchlaufen werden. In der Praxis hängt die konkrete Ausgestaltung u. a. von den

verwendeten Substraten, der räumlichen Situation vor Ort, der eingesetzten

Technik und der Verwendung des erzeugten Gases ab. Die hier dargestellte

Anlage vergärt Gülle und NaWaRo im Fermenter in einem einstufigen Verfahren

zu Biogas. Der Fermenter ist das eigentliche Herzstück der Biogasanlage, in dem

Vorrichtungen zur Durchmischung und Beheizung für möglichst gute Rahmen-

bedingungen zur Gaserzeugung sorgen und in dem das gewonnene Biogas unter

dem Foliendach zwischengespeichert wird. Ein gewisses Speichervolumen ist

notwendig, da die Biogasproduktion Schwankungen unterliegt, die eine kontinu-

ierliche Nutzung des Gases nicht beeinflussen sollten. Üblich sind Speicher-

volumen von mindestens einem Viertel einer Tagesproduktion, empfohlen

werden bis zu zwei Tagesproduktionen. Aufgrund wirtschaftlicher Optimierung

der mit zunehmender Zersetzung abnehmenden Biogasausbeute wird das orga-

nische Ausgangsmaterial nicht komplett in der Biogasanlage verwertet

(vgl. 2.1.1). Da die biologischen Prozesse mit Verlassen des Fermenters nicht

komplett stoppen, kommt es im Gärrestlager weiterhin zu einer Gasbildung. Die

dargestellte Anlage fängt dieses auf und erhöht damit die Biogasausbeute. Der

verbleibende Gärrest wird anschließend als Dünger ausgefahren, während das

Biogas je nach Verwendung mehr oder weniger intensiv weiter aufbereitet wird.

26 Vgl. Deutsche Energie-Agentur [dena] (2009).

2 Das Produkt Bioerdgas 18

Bei einer Verstromung am Ort der Produktion in einem Blockheizkraftwerk

stehen Entwässerung und Entschwefelung des Gases im Vordergrund, während

bei einer Einspeisung ins Erdgasnetz den Qualitätsvorgaben des Netzbetreibers

entsprochen werden muss.27

Abbildung 2.4: Wesentliche Komponenten einer Biogasanlage

Quelle: Eigene Darstellung.

2.1.3 Aufbereitung von Biogas zu Bioerdgas

In Deutschland gibt es von den importierenden Ferngasgesellschaften bis zu den

Stadtwerken vor Ort über 700 Gasversorger, die Gasnetze mit einer Gesamtlänge

von über 400.000 km betreiben.28 Zur Förderung der Nutzung regenerativer

Energiequellen hat der Gesetzgeber den Anschluss von Biogasanlagen an das

Erdgasnetz einheitlich – unabhängig von der Netz- oder Druckebene – festgelegt.

27 Anschauliche ausführliche Darstellungen der einzelnen Prozessstufen mit ihren technischen

Ausführungen finden sich bei Aschmann et al. (2008), S. 32-85 und Scholwin et al. (2006). 28 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft [bdew] (2007), S. 4, 20 und 28. Das

Gasnetz wurde über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut. Mitte der 70er Jahre lag seine Länge (in der damaligen BRD) noch bei rd. 120.000 Kilometer (vgl. Bräuninger et al. (2007), S. 8 f.).

2 Das Produkt Bioerdgas 19

Nach § 41c der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV)29 hat der Netzbetreiber

grundsätzlich die Pflicht, Biogasanlagen vorrangig an sein Netz anzuschließen.

Dabei hat der Einspeiser von Biogas gemäß § 41f GasNZV sicherzustellen, dass

das eingespeiste Gas den Qualitätsanforderungen der Arbeitsblätter G 260 und

G 262 der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs e. V. (DVGW)30

entspricht und die Methanemission bei der Aufbereitung des Biogases einen

Grenzwert von 0,5 % nicht übersteigt (für die ersten drei Jahre nach Inkrafttreten

der Verordnung liegt der Grenzwert abweichend bei 1 %). Das Arbeitsblatt

G 260 spezifiziert Anforderungen an Brenngase der öffentlichen Gasversorgung,

wobei innerhalb der Erdgas angehörenden 2. Gasfamilie die Gruppen L- und H-

Gas unterschieden werden, für die jeweils unterschiedliche Anforderungen

gelten. Das Arbeitsblatt G 262 ergänzt diese Anforderungen für regenerative

Gase. Biogas wird mit der Einspeisung einem bestehenden Gasstrom zugemischt

und hat als Neuling seine Qualität dem bereits vorhandenen Gas anzupassen.

Dies betrifft insbesondere die Kennwerte Wobbeindex und Brennwert, aber auch

eine Reihe von Gasbegleitstoffen wie Schwefelwasserstoff, für die Höchst-

grenzen in den Arbeitsblättern festgelegt sind. Während der Brennwert die im

Brennstoff chemisch gebundene Energie angibt, ist der Wobbeindex ein Maß für

die Energielieferung eines Brenners.31

Mit Aufnahme der Sonderregeln für Biogas in die GasNZV hat der Verord-

nungsgeber den Einspeiser von Biogas von der Pflicht entbunden, für eine

Kompatibilität des eingespeisten Gases im Hinblick auf die eichrechtlich

29 Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung –

GasNZV) vom 25.07.2005 (BGBl. I S. 2210), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 08.04.2008 (BGBl. I S. 693).

30 Gegründet von Gaswerksleitern im Jahr 1859 begleitet der DVGW die technische Entwicklung der Gaswirtschaft seit 150 Jahren. Als privater Verein, der von Unternehmen der Gaswirtschaft getragen wird, erarbeitet der DVGW einheitliche technische Regeln für Planung, Bau und Betrieb von Rohrleitungen und Anlagen in der Gas- und Wasserwirtschaft. Der DVGW konkretisiert so Schutz- und Sicherheitsziele, die der Gesetzgeber oftmals nur allgemein festlegt. Vgl. o.V. (2006).

31 Vgl. Cerbe et al. (2008) S. 52, 59 ff. und 71 ff.

2 Das Produkt Bioerdgas 20

konforme Abrechnung von Letztverbrauchern im Netz zu sorgen. Diese im

Arbeitsblatt G 685 des DVGW geregelten Anforderungen sind nun vom Netz-

betreiber sicherzustellen. Solange der Biogaseinspeiser die Vorschriften der

Arbeitsblätter G 260 und G 262 einhält, ist es Aufgabe des Netzbetreibers für

eine ggf. erforderliche Angleichung des Brennwertes von eingespeistem Biogas

und bereits im Netz befindlichen Erdgas zu sorgen, indem er dem Biogas

beispielsweise vor der Einspeisung Luft bei zu hohem Brennwert oder hoch-

kalorisches Flüssiggas bei zu niedrigem Brennwert beimischt.32 Dies ist erforder-

lich, da Erdgas zwar nach Wärmemengen abgerechnet, aber nach Volumen beim

Verbraucher erfasst wird. Für die korrekte Umrechnung von Kubikmetern in

Kilowattstunden ist der exakte Brennwert erforderlich.33

Das Arbeitsblatt G 260 gibt einen Wobbeindex-Korridor von 10,5-13,0 kWh/m³

für L-Gas und von 12,8-15,7 kWh/m³ für H-Gas vor. Biogas hat hingegen einen

Wobbeindex von rd. 7 kWh/m³. Vor einer Einspeisung ist der Wobbeindex durch

Verringerung des CO2-Anteils im Biogas entsprechend anzuheben.34 Für die

Abtrennung von CO2 existieren verschiedene Verfahren. Bei der sogenannten

Druckwechseladsorptionstechnik lagern sich CO2-Bestandteile des Gases an

Aktivkohle oder Molekularsiebe an. Bei absorptiven Verfahren wird das Gas mit

bestimmten Flüssigkeiten in Kontakt gebracht, die CO2-Bestandteile an sich

binden (Physisorption) bzw. mit ihnen reagieren (Chemisorption).35

Mit der Einspeisung in das Erdgasnetz stehen dem Biogas als Bioerdgas nun

sämtliche Einsatzmöglichkeiten des Erdgases offen: Der Einsatz im Wärmemarkt

für Heizkunden, in Kraftwerken zur Stromerzeugung oder in der Prozesswärme –

all dies ist mit Erdgas wie mit Bioerdgas möglich. Die Unterscheidung zwischen

32 Vgl. Altrock/Schmeding (2009), S. 286. 33 Vgl. Cerbe et al. (2008), S. 230 und 238. 34 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2006), S. 63-76. 35 Einen ausführlichen Überblick der Verfahren inklusive am Markt angebotener Anlagen gibt

Fraunhofer Institut Umwelt- (2008), S. 49-75.

2 Das Produkt Bioerdgas 21

Erdgas und Bioerdgas ist nunmehr nur noch eine bilanzielle. Die Gasströme

mischen sich und sind für den Verbraucher nicht mehr zu unterscheiden. Wie

beim Ökostrom kann auch bei Bioerdgas nur rein rechnerisch die Einspeisung

von Bioerdgas und die Ausspeisung von Gas an anderer Stelle aufeinander

abgestimmt werden. Ein Gasverbraucher, der Bioerdgas erwirbt, wird also nicht

stofflich Bioerdgas beziehen, sondern „nur“ bilanziell, ebenso wie es einem

Ökostromkunden passieren kann, dass ihm physikalisch Strom aus einem

benachbarten Atomkraftwerk geliefert wird. In Bezug auf Netz und Verwendung

ist Bioerdgas mit der Einspeisung schlicht eine von vielen verschiedenen

Aufkommensquellen.

2.2 Potential

Das Gasaufkommen in Deutschland setzt sich aus verschiedenen Lieferquellen

zusammen. Bei einer Betrachtung nach Lieferländern steht Russland an erster

Stelle, gefolgt von Norwegen, den Niederlanden und der inländischen Produktion

(vgl. Abbildung 2.5). Obgleich Biogas bereits seit vielen Jahren und in mittler-

weile nennenswertem Umfang in Deutschland produziert wird, ist der Beitrag

von Bioerdgas zum deutschen Erdgasaufkommen bislang noch vernachlässigbar

(vgl. 2.1.2).

2 Das Produkt Bioerdgas 22

Abbildung 2.5: Erdgasaufkommen in Deutschland nach Herkunftsländern 2008

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2008c), S. 13.

Dies soll sich jedoch rasant ändern. Politisches Ziel sind Rahmenbedingungen,

die bis 2020 eine Einspeisung von 6 Mrd. m3 und bis 2030 eine Einspeisung von

10 Mrd. m3 Bioerdgas pro Jahr ermöglichen. Bei einem Heizwert von 10 kWh/m³

entspräche dies einem Anteil von 6,9 respektive 11,5 % des deutschen Erdgas-

verbrauchs im Jahre 2007 (vgl. Tabelle 2.2). Die politischen Ziele im Bereich

Bioerdgas sind Teil der „Eckpunkte für ein integriertes Klimaprogramm“,

welches die Bundesregierung 2007 in einer Klausur in Meseberg beschlossen hat.

Dort werden die 6 bzw. 10 Mrd. m3 Biogas als in Deutschland bis 2020 bzw.

2030 erschließbares Potential genannt.36 Diese Zahlen wurden in die GasNZV

übernommen. „Sonderregelung für die Einspeisung von Biogas in das Erdgas-

netz“ ist ein neu eingefügter Teil der Verordnung überschrieben, der seit April

2008 den Zugang von Biogas zum Erdgasnetz garantiert. Einleitend definiert

36 Vgl. Bundesregierung (2007), S. 21.

2 Das Produkt Bioerdgas 23

dieser Teil in § 41a als Ziel, die Einspeisung von eben 6 bzw. 10 Mrd. m3 Biogas

bis zum Jahr 2020 bzw. 2030 zu ermöglichen.

Als Potential für Bioerdgas in Deutschland tauchen die 6 bzw. 10 Mrd. m3 bereits

in einer Studie auf, die von zwei Spitzenverbänden der deutschen Gaswirtschaft

– dem Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) und der

Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW) – bei mehreren

Forschungsinstituten in Auftrag gegeben und Ende 2005 veröffentlicht wurde.

Diese Studie unterteilt die technischen Potentiale der Biogasproduktion in

landwirtschaftliche Rückstände (Exkremente, Ernterückstände und Grasschnitt),

kommunale Reststoffe (organische Siedlungsabfälle), Reststoffe aus Industrie

und Gewerbe und NaWaRo:37

Bei der gaslichen Verwertung von Reststoffen aus Industrie und Gewerbe wird

davon ausgegangen, dass dieses Gas direkt in den Betrieben verwendet wird,

etwa zur Bereitstellung von Prozesswärme, und deshalb nicht für eine Einspei-

sung ins Erdgasnetz in Betracht kommt. Das Potential von Bioerdgas aus land-

wirtschaftlichen und kommunalen Rückständen wird als konstant angesehen,

jedoch eine im Zeitablauf deutlich steigende Nutzung als möglich unterstellt.

Dabei kommt es allerdings nicht zu einer gänzlichen Nutzung der Potentiale, da

etwa Gülle wirtschaftlich nur wenige Kilometer transportierbar ist und deshalb

nur rund 50 % der Gülle an Stellen vorliegt, an denen eine Bioerdgaseinspeisung

möglich ist.38 Bei NaWaRo wird neben einer steigenden Nutzung auch ein

erweiterbares Potential identifiziert, welches sich aus zwei Entwicklungen

zusammensetzt: Zum einen wird in Deutschland aufgrund zunehmender Ernte-

erträge und Lebensmittelimporte, etwa aus neuen osteuropäischen EU-Ländern,

zukünftig weniger benötigte Ackerfläche für die Lebensmittelproduktion ange-

37 Vgl. Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005). 38 Eine Abschätzung für Transportkosten von Gülle ist zu finden bei Daniel/Scholwin (2008), S.

421.

2 Das Produkt Bioerdgas 24

nommen. Diese Fläche steht zumindest teilweise für den Anbau von NaWaRo

zur Verfügung. Für die detaillierte Abschätzung der prinzipiell für NaWaRo zur

Verfügung stehenden Fläche prognostiziert die Studie auch weitere Flächenver-

bräuche außerhalb der Landwirtschaft und den Ausbau des flächenintensiveren

Öko-Landbaus. Die sich ergebenden Flächenpotentiale für NaWaRo lauten

0,55 Mio. ha in 2005, 1,15 Mio. ha in 2020 und 1,60 Mio. ha in 2030. Zum

anderen wird die seit den 1950er Jahren beobachtete Ertragssteigerung landwirt-

schaftlicher Pflanzen von 2 % per anno fortgeschrieben. Die Studie bezeichnet

letztere Annahme vor dem Hintergrund neuer Züchtungserfolge als eher konser-

vativ. Die beiden Entwicklungen führen dazu, dass der Anteil der NaWaRo am

technischen Biogaspotential von 33 % im Jahre 2005 (vgl. Abbildung 2.6) auf

69 % im Jahre 2030 ansteigt und der mögliche Zuwachs an eingespeistem Biogas

wesentlich von einem Ausbau der NaWaRo-Biogaserzeugung getragen wird.

Abbildung 2.6: Verteilung des technischen Biogaspotentials nach Herkunft 2005

Quelle: Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005), S. 9.

2 Das Produkt Bioerdgas 25

Insgesamt sieht die Studie für das Jahr 2030 ein technisches Biogaspotential von

165 Mrd. kWh/a, wovon eine Biogaseinspeisung von 105 Mrd. kWh (oder rd.

10 Mrd. m³) als möglich angesehen wird (vgl. Abbildung 2.7). Vertreter der

deutschen Gaswirtschaft haben dieses Potential später als Maßstab für die

Entwicklung von Bioerdgas durch die Branche herangezogen. So erklärte

Burckhard Bergmann, damals Vorstandsvorsitzender des größten deutschen

Gasunternehmens E.ON Ruhrgas AG, im Rahmen eines von Ruhrgas einberu-

fenen Pressegesprächs zum Thema Klimaschutz: „Die deutsche Gaswirtschaft

verfolgt das Ziel, dem deutschen Energiemarkt bis 2030 etwa 10 Milliarden

Kubikmeter Bioerdgas zur Verfügung zu stellen.“39 Auf der gleichen Presse-

veranstaltung unterstrich Bernhard Reutersberg, damals Vorstandsmitglied der

Ruhrgas und später Nachfolger von Bergmann als Vorstandsvorsitzender, das

konkrete Engagement der E.ON Ruhrgas in diesem Bereich: Die neugegründete

E.ON Bioerdgas GmbH habe gerade mit der RheinEnergie AG (eines der größten

deutschen kommunalen Energieversorgungsunternehmen) ihren ersten Liefer-

vertrag für Bioerdgas geschlossen.40

39 Bergmann (2007), S. 5. 40 Vgl. Reutersberg (2007), S. 5.

2 Das Produkt Bioerdgas 26

Abbildung 2.7: Biogaspotentiale und mögliche Entwicklung von Einspeisungen

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005). Als „Erreichbare Einspeisung“ ist hier die Einspeisung definiert, die in der zitierten Studie als „realistischer Ausbaupfad“ für aufbereitetes und eingespeistes Biogas bezeichnet wird, wobei für das Jahr 2005 eine noch nicht erfolgte Einspeisung angesetzt ist.

Das regionale Potential für die Biogaserzeugung innerhalb Deutschlands wird

ausführlich in einer Studie dargestellt, die von der Fachagentur Nachwachsende

Rohstoffe e. V.41 herausgegeben wurde und die hinsichtlich des aktuellen Poten-

tials für Bioerdgas zu ähnlichen Ergebnissen wie die BGW/DVGW-Studie

kommt. Die größten Biogaspotentiale liegen danach in den Ländern Bayern,

Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dies ist in erster Linie auf die Fläche

der drei Länder zurückzuführen. In Bezug auf das spezifische technische Poten-

tial je Quadratkilometer weisen andere Bundesländer zum Teil ähnliche Werte

vor. Im Ergebnis ist in jeder Region Deutschlands ein signifikantes Potential für

Biogasanlagen vorhanden, wobei unterschiedliche Strukturen die Ausgangs- 41 Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. wurde 1993 auf Initiative der

Bundesregierung ins Leben gerufen, um Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekte im Bereich nachwachsender Rohstoffe zu koordinieren. Als Projektträger verwaltet sie Mittel, welche für die Programme aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden (www.fnr.de).

2 Das Produkt Bioerdgas 27

bedingungen für bestimmte Arten von Anlagen bestimmen: Beispielsweise

entsprechen große güllebasierte Biogasanlagen den großen Viehbetrieben im

Osten Deutschlands.42

Eine Studie des Instituts für Energetik und Umwelt, die von der Bundestags-

fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem Fachverband Biogas und der Stadtwerke

Aachen AG (STAWAG) in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Ergebnis,

dass das nach Lebensmittelerzeugung verbleibende Potential für Bioerdgas in

ganz Europa so groß sei, dass damit im Jahr 2020 der gegenwärtige Erdgasver-

brauch der Europäischen Union weitgehend ersetzt werden könne. Neben den

Potentialen der anaeroben Biogaserzeugung werden in dieser Studie auch Bio-

SNG-Potentiale (Synthetic Natural Gas) betrachtet, bei denen synthetisches

(Bio)Gas aus der unter Wärmezufuhr stattfindenden Vergasung von Holz

gewonnen wird (ähnlich der Vergasung von Steinkohle zur Gewinnung von

Stadtgas). Diese Technologie steht derzeit noch nicht (wirtschaftlich) zur

Verfügung, wird in der Studie ab 2015 jedoch als marktreif angenommen. Die

europäischen Bioerdgaspotentiale umfassen hier ganz Osteuropa inklusive des

euorpäischen Teils der GUS, wobei für Osteuropa nur solche Potentiale

betrachtet werden, die in Erreichbarkeit des Erdgas-Transportnetzes liegen,

während für Westeuropa auch eine Einspeisung in das Verteilnetz unterstellt

wird. In Summe wird in 2020 ein Potential von 485 Mrd. m³/a Bioerdgas

gesehen, von dem je die Hälfte aus der anaeroben Biogasproduktion und aus Bio-

SNG gewonnen werden könnte. Das deutsche Potential in 2020 beträgt dabei

knapp 40 Mrd. m³/a, das für die EU aus den GUS-Staaten Russland, Ukraine und

Weißrussland zugängliche Potential rd. 200 Mrd. m3/a.43

Die Betrachtungen zeigen: Bioerdgas besitzt ein erhebliches Potential, zur

Erdgasversorgung beizutragen. Die weitgehende Erschließung dieses Potentials 42 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2006), Kapitel 4. 43 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH (2007).

2 Das Produkt Bioerdgas 28

ist politisches Ziel, hat jedoch gerade erst begonnen. Neben dem Ausbau der

Nutzung von Reststoffen wie Gülle kann insbesondere der Ausbau von NaWaRo

zu einer steigenden Produktion von Bioerdgas führen. Es ist zu berücksichtigen,

dass Fläche, welche zukünftig einer anderen Verwendung als der (konven-

tionellen) Nahrungsmittelproduktion zugeführt werden soll, nur einmal genutzt

werden kann –entweder für einen Ausbau der Biogaserzeugung oder für einen

Ausbau der Biodiesel-Erzeugung oder für einen flächenintensiveren Biolandbau.

2.3 Kosten

Die (betrieblichen) Kosten der Erzeugung von Bioerdgas lassen sich in vier

Blöcke gliedern: Die Investitionskosten der Biogasanlage haben fixen Charakter.

Sie variieren in Abhängigkeit von den eingesetzten Substraten und der Anlagen-

größe. Die laufenden Betriebskosten hängen in erster Linie von der Anlagen-

größe ab und umfassen Positionen wie Personal, Wartung und Energie-

versorgung. Während Kosten für Personal und Wartung kurzfristig eher fixen

Kosten entsprechen, so die Anlage nicht komplett stillgelegt wird, haben

Energiekosten variablen Charakter in Abhängigkeit von der erzeugten Biogas-

menge. Wesentlichen Einfluss auf die Gesamtkosten haben die Substratkosten,

die je nach Substrat zudem mit marktpreisinduzierten Volatilitäten einhergehen

können. Den vierten Block stellen die Aufbereitung auf Erdgasqualität und der

Netzanschluss dar, wobei der wesentliche Teil der Aufbereitung in der CO2-

Abtrennung liegt, die sich wiederum in fixe (Anlagen) und variable Bestandteile

(beispielsweise Energie) gliedern lässt.

Eine umfassende Darstellung der Kosten der Biogasproduktion samt Aufbe-

reitung und Einspeisung liefert Fraunhofer Institut Umwelt-, Sicherheits-,

Energietechnik (Umsicht) (2008). Als Referenzanlagen werden dort Anlagen

entweder auf überwiegender Gülle- oder NaWaRo-Basis verschiedener Größen-

ordnung bei jeweils (optimistischen) 8.000 Betriebsstunden pro Jahr betrachtet.

2 Das Produkt Bioerdgas 29

Die Anlage mit überwiegendem Gülle-Einsatz verwendet massebezogen als

Substrate 90 % Rindergülle und 10 % Maissilage (Gülle 90/NaWaRo 10), die

Anlage mit überwiegendem NaWaRo-Einsatz 10 % Rindergülle und 90 %

Maissilage (Gülle 10/NaWaRo 90). Der hohe Wasseranteil der Gülle bedingt

eine deutliche geringere Energieausbeute je massebezogenem Input, so dass auch

für die Anlage Gülle 90/NaWaRo 10 absolut noch erhebliche Mengen an Mais-

silage zum Einsatz kommen. Betrachtet werden verschiedene Anlagengrößen,

abgestellt auf den volumenbezogenen Anlagendurchsatz an Rohbiogas vor Auf-

bereitung. Aufgrund unterschiedlicher Methangehalte des Rohbiogases bei Gülle

und NaWaRo von 57 bzw. 53 Vol-% erzeugen Anlagen gleicher Größe mit

verschiedenen Verhältnissen der Einsatzstoffe unterschiedliche Energiemengen.

Für die Kapitalkosten ist ein einheitlicher Abschreibungszeitraum von 15 Jahren

zu Grunde gelegt. Bei den Substraten werden für die Maissilage Kosten von

35 €/t Frischmasse angesetzt. Gülle wird als kostenfreies Abfallprodukt der

Tierhaltung betrachtet. Die Aufbereitungskosten basieren auf Praxiserfahrungen

und Herstellerangaben. Nachfolgend betrachtet sind die günstigsten Werte, die

sich auf ein Druckwasserwäsche-Verfahren beziehen. Die in der Studie z. T. nur

absolut ausgewiesenen Kostenbestandteile des Bioerdgases sind für ausgewählte

Fälle in Tabelle 2.3 als spezifische Kosten aufbereitet und bezogen auf den

Brennwert angegeben.

2 Das Produkt Bioerdgas 30

Tabelle 2.3: Abschätzung spezifischer Vollkosten Bioerdgas in Ct/kWh (Anlagengröße bezogen auf Rohbiogas)

500 Nm³/h

(Gülle 90 / NaWaRo

10)

500 Nm³/h

(Gülle 10 / NaWaRo

90)

1.000 Nm³/h

(Gülle 10 / NaWaRo

90)

2.000 Nm³/h

(Gülle 10 / NaWaRo

90)

Erzeugtes Methan vor Aufbereitung Heizwert [Mio. kWh/a]* 22,7 21,1 42,2 84,5

Kapitalkosten 0,84 1,20 1,07 0,96 Betrieb (Personal, Wartung, Energie, Sonstiges) 1,49 1,27 1,15 1,00 Substrat (Maissilage bei 35 €/tFrischmasse) 1,75 3,59 3,59 3,59 Aufbereitung (insbes. CO2-Abtrennung)** 1,68 1,56 1,25 1,18 Netzanschluss*** 0,30 0,30 0,30 0,30

Summe Heizwert [Ct/kWh] 6,06 7,92 7,36 7,03 Summe Brennwert [Ct/kWh]**** 5,45 7,13 6,62 6,33 * Bei 9,96 kWh/Nm³ Methan. ** Methanschlupf ist berücksichtigt; für Anlage Gülle 90/NaWaRo 10 ist der Wert Anlage Gülle 10/NaWaRo 90 zzgl. Grobentschwefelung angesetzt. *** Gesamtkosten ohne Differenzierung nach Kostentragung durch Einspeiser und Netzbetrei-ber; abhängig von Anschlussentfernung und Druckstufe des Netzes; ohne Berücksichtigung einer je nach örtlicher Gasqualität ggf. notwendigen Zugabe von Flüssiggas (LPG) durch den Netzbetreiber. **** Brennwert = Heizwert/0,9

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Fraunhofer Institut Umwelt- (2008), Tabellen 5-1, 5-2, 5-3, 5-12 und 5-18.

Die tatsächlichen Kosten von Einzelanlagen variieren je nach Anlagenkonzept,

örtlichen Gegebenheiten, Angebots-/Nachfragesituation für Biogasanlagen und

Substraten und jeweiligem Stand der verfügbaren Technik. Institut für Energetik

und Umwelt gGmbH et al. (2006) kommt zu etwas geringeren Kosten als Tabelle

2.3, wobei eine ähnliche Anlagenausstattung, ebenfalls keine Kosten für Gülle,

2 Das Produkt Bioerdgas 31

allerdings ein abweichender Wert für Maissilage von 30 €/t unterstellt wird:

Danach ergeben sich für eine Anlage Gülle 10/NaWaRo 90 mit 500 Nm³/h bei

Aufbereitung mittels Druckwasserwäsche Kosten von 6,60 Ct/kWh bezogen auf

den Brennwert. Für eine Anlage Gülle 90/NaWaRo 10 mit ebenfalls 500 Nm³/h

sind es vergleichsweise günstigere 4,38 Ct/kWh. Neben den geringeren Substrat-

kosten sind insbesondere die Kosten der Aufbereitung geringer angesetzt.44

Auf die Bereitstellung der Substrate entfällt bei der Bioerdgasproduktion der

größte Kostenblock. Dieser ist zudem einem volatilen Weltmarktpreis unter-

worfen. Zwar mag sich der einzelne Anlagenbetreiber über langfristige Bezugs-

verträge oder über Eigenanbau preislich gegenüber den Marktschwankungen

absichern. Mindestens als Opportunitätskosten bleiben die Marktpreise jedoch

auch in diesen Fällen erhalten. Abbildung 2.8 zeigt c. p. die Abhängigkeit der in

Tabelle 2.3 durchgeführten Vollkostenrechnung des Bioerdgases vom Substrat-

preis für den Fall der 2.000 Nm³/h-Anlage Gülle 10/NaWaRo 90. Das betrachtete

Preisband führt dabei (bezogen auf den Brennwert) zu Kosten für Bioerdgas

zwischen 3,10 Ct/kWh bei kostenfreier Maissilage von 0 €/t Frischmasse und

10,01 Ct/kWh bei 75 €/t.

44 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH et al. (2006), Kapitel 6.

2 Das Produkt Bioerdgas 32

Abbildung 2.8: Sensitivität Vollkosten Bioerdgas (Anlage 2.000 Nm³/h Gülle 10/NaWaRo 90; Kosten bezogen auf den Brennwert)

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Fraunhofer Institut Umwelt- (2008), vgl. Tabelle 2.3 (Basis: 86.580 t Maissilage).

Unter Aufwendung der dargestellten Kosten ist es möglich, Bioerdgas zu produ-

zieren. In wieweit dieses Bioerdgas den gewünschten Beitrag zum Klimaschutz

liefert, versuchen Klimabilanzen zu beantworten.

2.4 Klimabilanz

2.4.1 Gesellschaftliche Resonanz für ökologische Umwelt

Eine Klimabilanz, in der üblicherweise die Klimagase einheitlich als CO2-

Äquivalenz umgerechnet werden, lässt sich als Teilbetrachtung („Wirkungskate-

gorie“) einer Ökobilanz verstehen. Eine Ökobilanz ist ein Instrument zur syste-

matischen Erfassung, Analyse und Bewertung von Stoff- und Energieflüssen.

Basis bildet die Analyse der Stoff- und Energieflüsse des jeweiligen betrachteten

(Produktions-)Prozesses samt seiner Vorstufen: beispielsweise werden in einen

2 Das Produkt Bioerdgas 33

Prozess der Stahlverarbeitung auch die Herstellung des Stahls einbezogen, vom

Erzabbau über den Hochofen bis zur Auslieferung. Darauf aufbauend werden die

Auswirkungen der verwendeten Inputs bzw. erzeugten Outputs auf relevante, als

problematisch bewertete Phänomene untersucht, etwa auf Ozonabbau, Landbean-

spruchung, Humantoxizität oder Treibhauseffekt. Zum Teil erfolgt auch eine –

nicht unumstrittene – Gewichtung verschiedener Phänomene zu einem Wert.

Letztendlich geht es darum, Auswirkungen auf die ökologische Umwelt darzu-

stellen, die gesellschaftlich als nicht wünschenswert erachtet werden.45

Ökologische „Umweltprobleme“ entstehen erst in einem gesellschaftlichen

Kontext, in dem ein Ist- mit einem Sollzustand abgeglichen werden kann. Sie

setzen eine normative Dimension voraus, die die Natur nicht kennt: „Die Natur

hat sich noch nie über das Verschwinden einer Art beschwert“46. Ökobilanzen

haben das Ziel, der Gesellschaft Informationen über (unerwünschte) ökologische

Rückwirkungen ihrer Handlungen zu geben.47 Im systemtheoretischen Sinne

Niklas Luhmanns beobachtet Gesellschaft mit Ökobilanzen ihre Auswirkungen

auf ihre ökologische Umwelt, die wiederum die Lebensgrundlage der Gesell-

schaft bildet. Selbst falls dies problemadäquat gelingen sollte – was aufgrund der

Komplexität der Umwelt und des immer nur vorläufigen Charakters mensch-

lichen Wissens48 keineswegs sicher ist – bedeutet dies nicht, dass diese Informa-

tionen in den relevanten gesellschaftlichen Funktionssystemen, insbesondere der

Wirtschaft, auch verwertet werden. Die Kenntnis des Treibhauseffekts und

dessen wahrscheinliche Folgen hat erst einmal keinen Einfluss auf die Emission

von Treibhausgasen oder die Marktchancen von Bioerdgas. Luhmanns system-

theoretische Betrachtung der Gesellschaft liefert hierfür einen soziologischen

45 Vgl. Siegenthaler (2006), S. 21 f., 32 f. und 123 ff. 46 Siegenthaler (2006), S. 31. 47 Vgl. Siegenthaler (2006), S. 21. 48 Nach Auffassung des kritischen Rationalismus ist Wissen immer nur vorläufiges Wissen,

welches sich zwar bewährt haben mag, welches aber immer als potentiell falsifizierbar zu betrachten ist. Vgl. Musgrave (1993), S. 286 ff.

2 Das Produkt Bioerdgas 34

Analyserahmen, der Aussagen über die Wechselwirkungen zwischen den Funkti-

onsbereichen der Gesellschaft zulässt.

Zentral in Luhmanns Systemtheorie49 ist die Differenz zwischen System und

Umwelt,50 wobei die Umwelt eines Systems all das bezeichnet, was außerhalb

des jeweiligen Systems liegt. Systeme bestehen bei Luhmann aus Operationen:

Biologische Systeme (ein Pantoffeltierchen oder der menschliche Körper) leben,

psychische Systeme (das Bewusstsein eines Menschen) operieren in Form von

Wahrnehmungs- und Bewusstseinsprozessen und die hier relevanten sozialen

Systeme (etwa Gesellschaft mit samt ihrer Ausdifferenzierung in Politik, Wirt-

schaft, Wissenschaft, Religion etc.) kommunizieren. Dabei produzieren Systeme

die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst („Autopoiesis“). So wie Leben

weiteres Leben produziert (falls nicht, hört das System auf zu existieren), erzeugt

Denken weiteres Denken und Kommunikation weitere Kommunikation. In dieser

Basisoperation beziehen sich Systeme immer nur auf sich selbst, sie sind operativ

geschlossen bzw. autonom, so dass Operationen rein systemintern ablaufen.

Soziale Systeme etwa können ausschließlich mit sich selbst kommunizieren – die

Klimaerwärmung ist allenfalls Thema, aber nicht Teil des Kommunikations-

prozesses. Systeme können die eigenen Operationen nicht nutzen, um sich mit

ihrer jeweiligen Umwelt in Verbindung zu setzen. Dies bedeutet nicht, dass

Systeme autark und nicht auf ihre Umwelt angewiesen wären. So benötigt Leben

z. B. Energie, und Kommunikation setzt biologische und psychische Systeme

voraus. Systeme sind vielmehr gleichzeitig operational geschlossen und offen, sie

können durch ihre Umwelt – für soziale Systeme sind psychische Systeme Teil

der Umwelt – angeregt oder irritiert werden.

49 Vgl. zu den Ausführungen zu Luhmanns Systemtheorie Berghaus (2004), S. 39-72, Luhmann

(2008), S. 91-141 und Luhmann (1990), S. 74-88, S. 106 und 170. 50 „Ein System ‚ist‘ die Differenz zwischen System und Umwelt.“, heißt es in einer Definition

von System, vgl. Luhmann (2008), S. 66.

2 Das Produkt Bioerdgas 35

Gesellschaft ist das umfassendste soziale System, welches alle Kommunikation

einschließt. Innerhalb von modernen Gesellschaften haben sich eigenständige

Funktionssysteme herausgebildet, die eine spezifische Aufgaben übernehmen,

beispielsweise das Wirtschaftssystem oder das Politiksystem. Funktionssysteme

haben sich als besonders leistungsfähig erwiesen, wenn sie nach einem zwei-

wertigen komplexitätsreduzierenden Code agieren, der alle dritten Möglichkeiten

ausschließt: Das Wissenschaftssystem unterscheidet wahr und unwahr, das

Rechtssystem Recht und Unrecht und das Politiksystem Innehaben und Nicht-

innehaben von Positionen mit öffentlicher Gewaltbefugnis; im Wirtschaftssystem

geht es um Haben oder Nichthaben in Bezug auf Eigentum bzw. Geld. Dritte

Werte werden dabei ausgeschlossen. Ein Dreiercode wie wahr/unwahr/Umwelt

oder Recht/Unrecht/Leid entspricht nicht der Funktionsweise dieser Systeme. Für

wirtschaftliche Operationen ist also nur das relevant, was sich in Geld bzw. in

Preisen ausdrücken lässt, wobei die Spielregeln (Programme), die festlegen,

unter welchen Bedingungen sich diese Werte einstellen, wandelbar sind.

Systemtheoretisch lässt sich darstellen, wie sind die verschiedenen Funktions-

systeme wechselseitig und wie ist die Gesellschaft insgesamt mit ihrer (nichtso-

zialen) Umwelt gekoppelt. Die Codes untereinander sind erst einmal schlecht

integriert. Die positive Wertung in einem Code, etwa die anthropogene Klima-

erwärmung ist wahr, führt nicht zwangsläufig zur positiven Wertung in einem

anderen Code, etwa klimafreundliches Verhalten ist wirtschaftlich. Dies ändert

sich jedoch, sobald – etwa durch ein neues Gesetz, welches die Politik erlassen

hat – klimaschädliches Verhalten wirtschaftliche Sanktionen nach sich zieht.

Dann legt die Umwelt (in diesem Falle die Politik als Teil der Umwelt) dem

Wirtschaftssystem Beschränkungen auf, hier die Internalisierung externer

Kosten, auf die das Wirtschaftssystem mit dem ihm eigenen Code reagiert. Ein

solches Gesetz wird allerdings nur unter den speziellen Spielregeln der Politik

erlassen. Als Beispiel mag das Ozonloch dienen: Die Freisetzung von Fluorchlor-

kohlenwasserstoffen und Halonen, welche die Ozonschicht schädigen, wurde

2 Das Produkt Bioerdgas 36

weltweit von der Politik in den Fokus gerückt, als entsprechende Satellitenbilder

durch die Medien um die Welt gingen.51

Selbst wenn Gesellschaft die destruktiven Auswirkungen gewisser Umweltent-

wicklungen (frühzeitig) in ihre Kommunikation einbezieht, gibt es keinen Auto-

matismus, dass sie sich (ausreichend) auf neue Verhaltensweisen umstellt, um

die Gefahr abzuwehren. Die Auswirkungen von Klimawandel in Form von

gehäuften Naturkatastrophen werden zwar in steigenden Versicherungskosten

ihren direkten Niederschlag in der Wirtschaft finden, nicht jedoch der Ausstoß

von Kohlendioxid, solange hier keine Eigentumsrechte definiert oder politisch

verbindlich Vorgaben aufgestellt sind. Die systemtheoretische Betrachtung

verdeutlicht, dass es hin zu einer gesellschaftlichen Reaktion ein Weg über viele

Schnittstellen ist: Erst über die Schnittstelle Bewusstsein findet überhaupt eine

Kopplung von Gesellschaft und ökologischer Umwelt statt. Die Kommunikation

innerhalb der zentralen Funktionssysteme richtet sich dann nach binären Codes,

die nur unter bestimmten Bedingungen Irritationen oder Umprogrammierungen

der Spielregeln des Codes ermöglichen.

Ökobilanzen können in diesem Kontext als ein Instrument gesehen werden, die

Resonanzfähigkeit von Gesellschaft auf ökologische Entwicklungen zu steigern,

indem zusätzliche Informationen über die ökologischen Konsequenzen

bestimmter Verhalten zur Verfügung gestellt werden. Sie können mithin zu

veränderten Bewusstseinshaltungen beitragen (etwa Wahlverhalten), der Politik

Argumente für bestimmte Entscheidungen liefern (eine Partei geht in bestimmten

Punkten eine neue Richtung, weil es als ökologisch vorteilhaft kommuniziert

werden kann und die Wähler dies honorieren) oder in der Wirtschaft zu verän-

dertem Nachfrage- und Angebotsverhalten führen (Ökoprodukte verkaufen sich

besser, da Konsumenten die ökologischen Auswirkungen präsenter werden).

51 Vgl. Weizsäcker (1994), S. 56 f.

2 Das Produkt Bioerdgas 37

Aber Ökobilanzen haben keine unmittelbaren Auswirkungen und bilden darüber

hinaus immer nur Teilbereiche des Einflusses wirtschaftlicher Aktivitäten auf die

ökologische Umwelt ab, die zudem immer mit Vereinfachungen, Annahmen und

Wertungsproblemen behaftet sind. Wertungsprobleme bestehen zwangsläufig,

denn verschiedene ökologische Kategorien lassen sich nicht ohne Weiteres

ineinander oder auf eine gemeinsame Basis überführen: Wie viel CO2-

Emissionen entsprechen wie viel Schwermetalleinträgen? Da dies weder theore-

tisch noch konsensfähig beantwortbar ist und nur in seltenen Fällen eine Hand-

lungsalternative einer anderen in sämtlichen (betrachteten) ökologischen Katego-

rien überlegen ist, bleibt diese Abwägung eine gesellschaftliche Entscheidung, zu

der Ökobilanzen allerdings größere Klarheit beitragen können. Anders ausge-

drückt: Da Gesellschaft ihre Wirkungen auf Umwelt nur selbst bewerten kann52,

„entsteht Umweltbelastung auf gesellschaftlicher Ebene durch Kommunikation

und Konvention“53. Sollte Gesellschaft es schaffen, „die Rückwirkungen ihrer

Auswirkungen auf die Umwelt auf sich selbst in Rechnung [zu] stellen“54, wäre

nach Luhmann ökologische Rationalität erreicht. Die Funktionsweise von Gesell-

schaft bedingt jedoch, dass dies nicht einfach umzusetzen ist: „Alles muss durch

das schmale Nadelöhr der Kommunikation geleitet werden“55 – und ist damit

zwangsläufig unterschiedlichen Interpretationen ausgesetzt, die zu gesellschaft-

lichen Auseinandersetzungen führen können.

2.4.2 Klimabilanz von Bioerdgas im Vergleich zu Erdgas

Die Bewertung von Biogas im Hinblick auf seinen Beitrag zur Minderung der

Treibhausgase (THG)56 erfolgt in der Literatur häufig im Vergleich der aus

52 Vgl. Siegenthaler (2006), S. 153. 53 Siegenthaler (2006), S. 180. 54 Luhmann (1990), S. 247. 55 Luhmann (2008), S. 123. 56 Aufgrund der klimapolitischen Motivation der Förderung von Biogas und Bioerdgas als Teil

der Erneuerbaren Energien fokussiert sich die ökobilanzielle Betrachtung von Bioerdgas in dieser Arbeit auf Treibhausgase. Eine umfassendere ökobilanzielle Bewertung von Biogas findet sich bei Gärtner et al. (2008).

2 Das Produkt Bioerdgas 38

Biogas erzeugten Energien Wärme und Strom mit einem Mix aus alternativen

Erzeugungsquellen. Es wird der bestehende deutsche Strom- bzw. Wärmemix

herangezogen (Durchschnittsbetrachtung) oder eine Annahme über den Zubau

zusätzlicher Kapazitäten zur Strom- und Wärmeerzeugung getroffen (Marginal-

betrachtung; z.B. 70 % Kohle und 30 % Erdgas für die Stromerzeugung).57 Ein

solcher Vergleich hinkt jedoch. Für Bioerdgas ist anzunehmen, dass in den

allermeisten Fällen im BHKW oder im Haushalt alternativ eben Erdgas und nicht

etwa anteilig Kohle zum Einsatz käme (gleiches gilt grundsätzlich auch für

Biogas, welches am Ort der Entstehung direkt verstromt wird). Weder ein

Energiemix als Durchschnitts- noch als Marginalbetrachtung werden dem alter-

nativ zu Bioerdgas jederzeit möglichen Einsatz von Erdgas als fossilem Energie-

träger mit geringster CO2-Belastung gerecht (vgl. Abbildung 2.9). Sie führen

deshalb zu verzerrten klimabilanziellen Aussagen. In dieser Arbeit wird

entsprechend Erdgas als Referenz für Bioerdgas im Hinblick auf die Klimabilanz

herangezogen.

57 Vgl. Bundesministerium für Umwelt (2008b), S. 69 f., Gärtner et al. (2008), S. 105 f., Vogt

(2008), S. 13 f., und Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005), S. 34 ff.

2 Das Produkt Bioerdgas 39

Abbildung 2.9: Gesamte Treibhausgasemissionen durch Bereitstellung und Nutzung fossiler Energieträger 2005

Quelle: Fritsche (2007), S. 4 (dargestellt sind die Mittelwerte der jeweiligen unterschiedlichen Verwendungen der Energieträger).

Unter Einschluss der gesamten vorgelagerten Prozesskette von der Förderung

über den Transport bis zum Verbrauch verursacht Erdgas nach Erhebungen des

Öko-Instituts Treibhausgasemissionen zwischen 234 und 256 g/kWh End-

energie.58 Die Spannweite ergibt sich aufgrund unterschiedlicher Verwendungen

und Entnahmen aus dem Netz: Im Gegensatz zu Industriekunden, die ihr Gas

zum Teil aus dem vorgelagerten Netz beziehen, sind bei Haushaltskunden

Methanverluste der lokalen Verteilnetze zu berücksichtigen. Bei der Verwendung

als Kraftstoff im Erdgasauto kommt die Kompression des Gases an der Tank-

stelle hinzu, für die Energie aufzuwenden ist. Unterschiedliche Treibhausgas-

emissionen ergeben sich auch abhängig von der Herkunft des Erdgases aufgrund

unterschiedlicher Transportentfernungen, welche zu unterschiedlichen Bedarfen

an Gas für Kompressorstationen führen, und Förderkonditionen in den Ressour-

58 Vgl. Fritsche (2007), S. 4.; Annahme: 100% des Energiegehaltes bezogen auf den Heizwert

werden auch tatsächlich genutzt. Der Mittelwert beträgt 245 g/kWh.

2 Das Produkt Bioerdgas 40

cenländern. Rein bezogen auf die vorgelagerte Prozesskette, also ohne die

Emissionen des eigentlichen Verbrauchs, gehen mit Erdgas aus Russland die

siebenfachen Emissionen an CO2-Äquivalenten einher wie mit deutschem Erdgas

(67,8 zu 9,6 g/kWh; Norwegen: 13,9 g/kWh, Niederlande: 9,6 g/kWh).59

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) hat im Auftrag

der E.ON Ruhrgas AG eine detaillierte Untersuchung zur Treibhausgas-Bilanz

von Bioerdgas60 erstellt. Aufbauend auf früheren Ergebnissen des ifeu sind erst

Referenzfälle mit durchschnittlichem Technikstand abgebildet, denen dann „best

practice“-Szenarien gegenübergestellt werden. Diese fußen auf als realistisch

betrachteten Annahmen des Auftraggebers, denen zum Teil konkrete Erfah-

rungswerte zugrunde liegen. Basis sind Anlagen mit 500 kWel unterschiedlicher

Ausstattung. Ergänzend wird für Referenz wie „best practise“ untersucht, welche

Änderungen sich bei größeren Anlagen mit 2.000 kWel ergeben:61

Ausgangspunkt ist eine reine NaWaRo-Anlage, die Mais als Substrat einsetzt.

Die Treibhausgasbilanz untersucht die gesamte Prozesskette der Bioerdgas-

erzeugung vom Anbau des Silomaises bis zur Lagerung des Gärrestes, bei dem je

nach Technik ggf. umfangreiche Methanemissionen auftreten. Funktionelle

Einheit der Treibhausgasbilanzierung ist die Biogasjahresmenge, die einer

Aufbereitung zugeführt wird. Dies bedeutet, dass Methanemissionen, die vor

diesem Bezugspunkt etwa im Laufe des Produktionsprozesses auftreten, zu einer

Erhöhung der zu erzeugenden Biogasmenge führen, um die gleiche Energie am

Bezugspunkt zur Verfügung zu haben. Umgekehrt führen Methanemissionen, die

nach dem Bezugspunkt im Rahmen der Aufbereitung entstehen, dazu, dass je

nach Verfahren eine unterschiedlich große Menge an Bioerdgas produziert wird.

59 Die angegebenen Daten beziehen sich auf Fritsche (2007), Anhang A-1, für ausführlichere

Hinweise zu den einzelnen Lieferländern vgl. Fritsche (2006). 60 Die Studie betrachtet sowohl die Erzeugung von Biogas zum direkten Einsatz im BHKW als

auch die weitere Aufbereitung zu Bioerdgas. Hier wird nur der letztere Fall betrachtet. 61 Vgl. Vogt (2008).

2 Das Produkt Bioerdgas 41

Als Referenz für Erdgas wird eine CO2-Äquivalenz von 245 g CO2-eq/kWh

angesetzt. Der Nutzen der Biogaserzeugung liegt in der Bereitstellung von

Energie und Mineraldünger, für die treibhausgasbezogene Gutschriften erteilt

werden. Bioerdgas ersetzt fossiles Erdgas und die Nutzung des Gärrestes als

Dünger vermindert den Einsatz von Mineraldüngern, für deren Herstellung

ansonsten Treibhausgase anfallen. Der Eigenbedarf der Biogasanlage an Strom

und Wärme ist berücksichtigt. Im Falle der Anlagen mit 2.000 kWel wird in der

Studie angenommen, dass dieser Eigenbedarf durch eigene, mit Biogas befeuerte

BHKW gedeckt wird, welche einen Stromüberschuss erwirtschaften. Der Strom-

überschuss wird in das öffentliche Elektrizitätsnetz eingespeist und führt zu einer

zusätzlichen Treibhausgas-Gutschrift.

Die in Abbildung 2.10 betrachteten Szenarien unterscheiden sich hinsichtlich

verschiedener Ausstattungsmerkmale der Biogasanlagen. Wesentliche Punkte

sind: Das Gärrestlager ist entweder offen und verursacht eine Methanemission

von 2,5 % bezogen auf das produzierte Methan (dieser Fall ist kenntlich

gemacht) oder ist gasdicht abgedeckt und mit einer Restgasnutzung versehen, so

dass keine Methanemissionen erfolgen. Die Aufbereitung des Biogases auf

Erdgasqualität erfolgt entweder mittels Druckwechseladsorption (PSA mit/ohne

Nachverbrennung zur Senkung der Restmethanemissionen) oder Amin-Wäsche

(Wärmebereitstellung durch Holz). Letztere führt zu geringeren Treibhausgas-

emissionen, ist jedoch teurer. Die „best practice“ Szenarien betrachten eine

Optimierung entlang der gesamten Prozesskette von geringeren Verlusten bei der

Silierung des Maises über einen höheren Gasertrag im Fermenter und geringeren

Methanemissionen der Anlagen bis hin zu geringeren Stickstoffverlusten bei der

Gärrestverwertung, was zu einer verbesserten Gutschrift für Dünger führt.

2 Das Produkt Bioerdgas 42

Abbildung 2.10: Treibhausgasbilanzen Bioerdgas auf NaWaRo-Basis

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Vogt (2008).

Im Ergebnis zeigt sich, dass Bioerdgas ein deutliches Potential zur Reduzierung

von Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Erdgas aufweist. Im besten

betrachteten Fall erzeugt Bioerdgas nur 35 % der Treibhausgasemissionen der

Äquivalenzprozesse Erdgas, Dünger und Strom (105 zu 301 g CO2-eq/kWh). Der

größte Teil der Gutschriften aus den Äquivalenzprozessen stammt in allen

Szenarien aus dem vermiedenen Erdgas (245 g CO2-eq/kWh), Dünger und ggf.

Strom zusammen tragen je nach Szenario zwischen 13 und 56 g CO2-eq /kWh

bei. Eine positive Klimabilanz ist allerdings nur für Biogasanlagen mit Gärrest-

lager zu verzeichnen. Im Szenario mit 2,5 % Methanemissionen aus offenem

Gärrestlager führt Bioerdgas sogar zu einer Verschlechterung der Klimabilanz

(9 g CO2-eq/kWh mehr Treibhausgasemissionen als im Äquivalenzprozess).

2,5 % Methanemissionen werden in der Studie als untere Bandbreite für ein

offenes Gärrestlager angesetzt. Mit einem als maximal betrachteten Wert von

15 % verschlechtert sich die Bilanz gegenüber einer 2,5 %-Variante um

2 Das Produkt Bioerdgas 43

288 g CO2-eq/kWh.62 In der Praxis sind selbst neuere, nach 2004 gebaute Biogas-

Anlagen nur zu rund einem Drittel mit gasdicht abgedecktem Gärrestlager

ausgestattet.63 Soweit es sich um NaWaRo-Anlagen handelt, dürfte also die

Treibhausgasbilanz der überwiegenden Anzahl der Bestandsanlagen im

Vergleich mit Erdgas negativ sein, so dass diese Anlagen stärker zum Treibhaus-

effekt beitragen als alternativ eingesetztes Erdgas.

Eine signifikante Verbesserung der Treibhausgasbilanz ergibt sich mit dem

Einsatz von Gülle statt mit NaWaRo als Substrat. Gülle, so die implizite

Annahme, wird nicht eigens für den Einsatz in Biogasanlagen (vermehrt) herge-

stellt, sondern ist als Nebenprodukt der Tierhaltung vorhanden, dessen alternativ

reine Verwertung als Dünger mit Klimabelastungen insbesondere aus Methan-

emissionen einhergeht. Der Vorteil eines reinen Gülle-Einsatzes ggü. einem

reinen NaWaRo-Einsatz beträgt bei einer Anlage von 500 kWel mit 2,5 %

Methanemissionen aus offenem Gärrestlager rund 380 g CO2-eq/kWh.64 Dies ist

mehr als der gesamte Aufwand an Treibhausgasen für eine Biogasproduktion aus

NaWaRo (vgl. Abbildung 2.10). Für den Betrieb einer hier angeführten Anlage

mit 500 kWel ist Gülle von rund 4.000 Rindern notwendig. Gebiete mit solch

hohem Viehbesitz sind in Deutschland allerdings nur in Einzelfällen gegeben.65

Für die gleiche Anlagengröße ist alternativ eine Anbaufläche von rund 240 ha

Mais erforderlich.66

Die Aufbereitung von Biogas zu Bioerdgas erfordert Strom und Wärme und geht

– je nach Verfahren in unterschiedlicher Größenordnung – mit Emissionen aus 62 Vgl. Vogt (2008), S. 11, Differenzbetrachtung (Werte dort in kg/MJ angegeben). 63 Vgl. Bundesministerium für Umwelt (2008a), S. 7. 64 Für die Gülle-Variante sind keine Zahlentabellen angegeben, der Wert ist aus den Aufwand-

und Gutschrift-Grafiken für Gülle abgeschätzt. Vgl. Vogt (2008), S. 22. Ähnliche Größenordnungen für den Vorteil von Gülle- ggü. NaWaRo-Anlagen sind auch ablesbar in Gärtner et al. (2008), S. 112, und Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005), S. 69.

65 Vgl. Gärtner et al. (2008), S. 91. 66 10.500 t/a bei 43,6 t/ha. Vgl. Vogt (2008), S. 1 und 10.

2 Das Produkt Bioerdgas 44

Methanschlupf der Anlage einher. Eine Klimabilanz von Bioerdgas ist ceteris

paribus also immer nachteiliger als von Biogas. Allerdings eröffnet die Aufbe-

reitung auf Bioerdgas neue Nutzungsmöglichkeiten. Ins Netz eingespeistes

Bioerdgas ist, anders als Biogas, in seiner Verwendung nicht an den Ort der

Produktion gebunden, ein BHKW kann also an einer Stelle errichtet werden, an

der eine vergleichsweise höhere Wärmenutzung möglich ist, etwa in einem

Industriepark. Eine höhere energetische Nutzung führt dann für Bioerdgas zu

einer besseren Treibhausgasbilanz als für Biogas: Die ifeu-Studie vergleicht ein

Biogas-BHKW mit 20%iger Wärmenutzung und ein Bioerdgas-BHKW mit

vollständiger Wärmenutzung. Unter diesen Rahmenbedingungen führt die

Bioerdgas-Variante im Vergleich mit der Biogas-Variante zu einer Erhöhung der

gegenüber Äquivalenzprozessen eingesparten Treibhausgase um rund 45 %.67

Bioerdgas kann also grundsätzlich einen nennenswerten Beitrag zur Reduktion

von Treibhausgasemissionen leisten. Dies setzt allerdings voraus, dass die

Anlagen daraufhin optimiert sind, was zumindest bei zahlreichen Biogas-

Bestandsanlagen nicht der Fall ist.

67 Vgl. Vogt (2008), S. 40, Abb. 5 (Variante 7 zu Variante 2).

3 Bioerdgas im Markt 45

3 Bioerdgas im Markt

3.1 Gaswirtschaft zwischen infrastruktureller Prägung und Handelswelt

3.1.1 Bioerdgas in der Struktur der Gaswirtschaft Die klassische deutsche Gaswirtschaft zeichnet sich durch einen kaskadischen,

infrastrukturell geprägten Aufbau aus, der von der Förderung bis zum Endver-

brauch immer feingliedriger wird. Die großen Förder- und Verbrauchsregionen

des deutschen und europäischen Erdgasmarktes liegen weit auseinander (vgl.

2.2). Mit der Erschließung der großen Erdgasfelder ab Mitte der 60er Jahre

erfolgte deshalb gleichzeitig Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Transport-

infrastruktur. Rund 50.000 km umfasst mittlerweile das europäische Pipeline-

Verbundsystem, das auf Hochdruckebene für den länderübergreifenden

Transport des Erdgases sorgt.68 Nach Förderung und Aufbereitung lässt sich der

Transportweg bis zum typischen Endkunden in drei Stufen einteilen, in denen

Durchmesser und Druck der Leitungen abnehmen69: Ferngasnetz, Regionalgas-

netz und örtliches Verteilnetz. Große Industriekunden sind häufig direkt an das

Fern- oder Regionalgasnetz angeschlossen. Während Ferngasnetze zum Teil mit

Drücken von über 100 bar betrieben werden, erfolgt die Versorgung über das

örtliche Verteilnetz im Niederdruckbereich mit weniger als 100 Millibar. Aus

bestimmten Regionen wird Erdgas nicht via Pipeline, sondern in verflüssigter

Form mit speziellen Tankschiffen transportiert, etwa aus Afrika oder dem Nahen

Osten. Dieses verflüssigte Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG) wird in Europa

68 Vgl. Fasold (2004), S. 14. 69 Vgl. Cerbe et al. (2008), S. 171 und 177 f.

3 Bioerdgas im Markt 46

an speziellen Anlande-Terminals wieder regasifiziert. Anschließend erfolgt

ebenfalls eine Einspeisung in das Pipeline-Verbundsystem, welches auch für

LNG einen zentralen Stellenwert behält.

Bis zur Liberalisierung des Gasmarktes erfolgten Handel und Transport

typischerweise in integrierten Erdgasunternehmen, die erworbenes Gas in

eigenen Leitungen bis zum Kunden transportierten. Der jeweilige Kunde konnte

dabei ein anderes Gasunternehmen auf einer nachfolgenden Wertschöpfungsstufe

sein oder ein Endverbraucher. Die nach wie vor gebräuchliche Unterscheidung

von Unternehmen in Ferngasgesellschaften, Regionalgasgesellschaften und

örtliche Gasversorgungsunternehmen entstammt diesen Zusammenhängen.70 Die

drei Handelsstufen lassen sich wie folgt charakterisieren71 und neuerdings um die

Kategorie der Händler und Bioerdgas-Produzenten ergänzen (vgl. Abbildung

3.1):

70 Mit der Liberalisierung des Gasmarktes werden die Rollenmuster, in denen Unternehmen

aktiv sein können, vielfältiger. Zur Einordnung von Unternehmen, insbesondere vor dem Hintergrund der sehr langfristigen Importverträge, ist eine Unterscheidung der verschiedenen Stufen aber nach wie vor hilfreich.

71 Vgl. Monopolkommission (2007), S. 111-114, Monopolkommission (2009), S. 61 und Schiffer (2008), S. 170.

3 Bioerdgas im Markt 47

Abbildung 3.1: Struktur deutsche Gaswirtschaft

Quelle: Eigene Darstellung in Abwandlung von Monopolkommission (2009), S. 62, und Schiffer (2008), S. 170.

Ferngasgesellschaften fördern entweder Gas in in- und ausländischen Lager-

stätten oder importieren – in der Regel in langfristigen Lieferverträgen mit zum

Teil Laufzeiten von mehr als 20 Jahren – Gas von ausländischen Lieferanten.

Zugleich sind sie im Besitz der Fernleitungsnetze. Ihre Speicher sorgen für einen

Ausgleich kurzfristiger wie jahreszeitlich bedingter Schwankungen des Gasver-

brauchs und können bei temporären Lieferausfällen die Versorgung aufrechter-

halten. In Deutschland werden nach Abgrenzung des Bundeskartellamtes sieben

Unternehmen zu dieser Stufe gezählt:72 E.ON Ruhrgas, Erdgas Münster (vormals

Erdgas-Verkaufs-Gesellschaft), ExxonMobil, RWE, Shell, VNG und Wingas.

Diese verkaufen Gas an nachgelagerte Handelsstufen, direkt an große Industrie-

kunden oder handeln Gas an europäischen Gasbörsen.73

72 Vgl. Monopolkommission (2007), S. 112. Aktualisierungen der Unternehmensnamen, wie

auch bei den Regionalgasgesellschaften, durch den Verfasser. 73 Einen Überblick über Unternehmensverflechtungen auf und zwischen einzelnen Stufen gibt

Monopolkommission (2007), S. 112-114 in Verbindung mit S. 165-197 und Schiffer (2008),

3 Bioerdgas im Markt 48

Regionalgasgesellschaften beziehen Gas von Unternehmen der vorausgehenden

Handelsstufe, mit dem sie entweder örtliche Gasversorgungsunternehmen oder

direkt private Haushalte, Gewerbe- und Industriekunden beliefern. In Deutsch-

land sind dies acht Unternehmen: Bayerngas, E.ON Avacon, Enovos Deutsch-

land (vormals Saar Ferngas), EWE, Ferngas Nordbayern, Gas-Union, Gasver-

sorgung Süddeutschland und Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen.

Örtliche Gasversorgungsunternehmen kaufen Gas von vorgelagerten Handels-

stufen und verkaufen es an Endkunden im Haushalts-, Gewerbe- oder Industrie-

bereich. Unterscheiden lassen sich auf dieser Ebene noch einmal rund 40 Regio-

nalgasgesellschaften wie E.ON Hanse oder MITGAS und 650 örtliche Gasver-

sorgungsunternehmen, in erster Linie Stadtwerke.

Immer stärker spielen Händler eine Rolle, die Gas an europäischen Handels-

plätzen erwerben und an eine der aufgeführten Handelsstufen oder direkt an

Endkunden weiterverkaufen. Bei Interaktionen verschiedener Händler ist es

möglich, dass eine Tranche Gas mehrfach umgeschlagen wird, bevor sie an

Endkunden oder andere Ebenen weiterveräußert wird. Händler können Parteien

sein, die neu in den Gasmarkt eintreten, aber auch etablierte Teilnehmer, etwa

Ferngasgesellschaften oder Stadtwerke, die eine weitere Rolle besetzen und

neben dem klassischen Gasgeschäft über Trading-Abteilungen im Markt

vertreten sind.74

Mit dem Auftreten von Händlern und Handelsmöglichkeiten aller beteiligten

Parteien wurde der klassische kaskadenförmige Verkauf des Erdgases durch-

brochen. Insbesondere Stadtwerken und Industriekunden stehen neue Beschaf-

fungsmöglichkeiten offen, die sich nicht mehr an der früheren, netztechnisch

S. 180 ff. sowie (für die Zeit vor der Übernahme der Ruhrgas AG durch die E.ON AG im Jahre 2002) Monopolkommission (2002), S. 20 ff.

74 Vgl. etwa die Aktivitäten der E.ON Ruhrgas im Handelssegment, E.ON Ruhrgas AG (2008), S. 26 f.

3 Bioerdgas im Markt 49

geprägten Hierarchie orientieren. Haushalts- und Gewerbekunden haben im

liberalisierten Erdgasmarkt erstmals die Möglichkeit, zwischen verschiedenen

Lieferanten zu wählen.

Bioerdgas trägt mit seiner dezentralen Erzeugung – bei entsprechendem Aufbau

der Kapazitäten – zu einer weiteren Auflösung der bisherigen hierarchischen

Gliederung des Gasmarktes bei. Die Einspeisung des Gases kann im Rahmen der

Aufnahmefähigkeit auf allen drei Netzstufen erfolgen, mithin Gas in Stadtwerke-

Netze strömen, welches zuvor durch keines der vorgelagerten Netze geflossen

ist. Die Produktion von Bioerdgas ist zudem nicht an die sehr ungleich verteilten

Vorkommen von Erdgasquellen gebunden. Sämtliche Handelsstufen können als

Produzenten auftreten, beispielsweise Stadtwerke als Betreiber einer Biogas-

anlage. Darüber hinaus können auch völlig neue Teilnehmer als reine Bioerdgas-

produzenten agieren, die entweder eine der Handelsstufen beliefern oder das

Bioerdgas direkt an Endverbraucher veräußern, beispielsweise an Betreiber von

KWK-Anlagen.75

Die Vielfalt neuer Beziehungen spielt sich in erster Linie auf der Handelsebene

ab. Physikalisch waren und bleiben Netze die technisch notwendige Voraus-

setzung jeglicher Lieferbeziehung, auf die auch Bioerdgas angewiesen ist.

3.1.2 (Bio)Erdgasnetz als natürliches Monopol Ein natürliches Monopol ist gegeben, wenn die Nachfrage nach einem Gut am

kostengünstigsten durch nur einen Anbieter bedient werden kann. Es liegt dann

eine subadditive Kostenfunktion im relevanten Bereich der Nachfrage vor.

Gründe für solche Größenvorteile können u. a. in Fixkosten-Degressionen, in

Economies of Scale oder in Dichteeffekten liegen. Eine typische, wenn auch

nicht zwingende Ausprägung natürlicher Monopole sind sinkende Durchschnitts- 75 Deutsche Energie-Agentur [dena] (2008), S. 24-34 stellt beispielhaft Unternehmen vor, die im

Bereich Bioerdgas aktiv sind.

3 Bioerdgas im Markt 50

kosten im relevanten Nachfragebereich. Erdgasnetze zeichnen sich grundsätzlich

sowohl durch Fixkostendegression, Economies of Scale wie auch Dichteeffekte

aus:

• Vergleichsweise hohe Investitionskosten gehen mit geringeren variablen

Kosten einher. Eine Erhöhung des Auslastungsgrades verteilt – solange

die Kapazitätsgrenze nicht erreicht ist – die hohen Fixkosten der Investi-

tion auf eine größere Outputmenge (Fixkosten-Degression).

• Economies of Scale liegen vor, wenn eine proportionale Vermehrung des

Einsatzes aller Produktionsfaktoren zu einer überproportionalen Erhöhung

des Outputs führen. Dies ist ein typisches Phänomen im Bereich von

Rohrleitungen, bei denen das Volumen rascher wächst als der Rohrum-

fang: Nach der ingenieurwissenschaftlichen Zwei-Drittel-Regel ist –

innerhalb einer bestimmten Bandbreite – eine Verdoppelung der Kapazität

erfahrungsgemäß mit einem Anstieg der Materialkosten in Höhe von nur

zwei Dritteln verbunden.

• Mit steigendem Ausbaugrad von Netzen sinken die Anschlusskosten je

zusätzlichem Kunden, da beispielsweise die Wegstrecke vom Neukunden

bis zum Anschlusspunkt oft kürzer ausfällt als bei einem weniger

entwickelten Netz (Dichteeffekte).76

Bei ausreichendem Marktvolumen können im (internationalen) Ferntransport

Größenvorteile erschöpft sein und die Kostenverläufe effizient mehrere Anbieter

ermöglichen.77 In der Praxis ist die Frage nach dem Vorliegen eines natürlichen

76 Vgl. Fritsch et al. (2007), S. 182-193. 77 So nimmt Recknagel sinkende Durchschnittskosten – was allerdings nicht unmittelbar in

Subadditivität übersetzt werden kann – im Fernleitungsbereich bis zu einer Kapazität von 3,2 Mio. m³/h an. Danach sinken die spezifischen Pipeline-bezogenen langfristigen Kosten zwar weiter, werden jedoch überkompensiert von steigenden Kosten für Verdichtung, zu denen insbesondere auch das zur Verdichtung notwendige Antriebsgas zum Betreiben der Verdichteranlagen zählt. Vgl. Recknagel (1990), S. 165 ff., zitiert nach Hirschhausen et al. (2007), S. 19 und Kesting (2005), S. 566. Eine hohe Auslastung einer Kapazität von 3,2 Mio. m³/h mit 8.000 (von maximal 8.760 möglichen) Stunden pro Jahr ergäbe eine Jahreskapazität von 25,6 Mrd. m³. Zumindest auf europäischer Ebene übersteigen die

3 Bioerdgas im Markt 51

Monopols im Ferntransport umstritten. So kommen für den innerdeutschen

Ferntransport Knieps (2002) (kein monopolistischer Bottleneck) und

Hirschhausen et al. (2007) (Kostenstrukturen eines natürlichen Monopols) zu

gegenläufigen Aussagen.

Bei den lokalen Verteilnetzen mit ihrem hohen Grad an Vermaschung und

kurzen Einzelstrecken, auf denen keine weitere Verdichtung des Gases

notwendig ist, führen die zuvor beschriebenen Effekte zu einem Lehrbuchfall

eines natürlichen Monopols. Hier ist auch unmittelbar einsichtig, dass es

gesamtwirtschaftlich – wie analog bei Strom- oder Telekommunikationsnetzen –

ineffizient wäre, zur Belebung des Wettbewerbs parallel zur vorhandenen Infra-

struktur eine zweite oder dritte aufzubauen, so dass jedes Haus zwei oder drei

Anschlüsse besäße, aber jeweils nur einer genutzt würde. Die Verteilnetze sind

für Bioerdgas besonders relevant, da davon ausgegangen werden kann, dass das

gesamte Bundesgebiet auf regionaler und örtlicher Versorgungsebene

weitgehend mit Erdgas erschlossen und damit für eine Bioerdgaseinspeisung

erreichbar ist.78 Bioerdgas ist hier auf den Zugang zu den bestehenden Erdgas-

netzen angewiesen, der Aufbau einer eigenen Infrastruktur wäre nicht effizient.

Aus ökonomisch-normativer Perspektive erscheint Regulierung insbesondere

dann sinnvoll, wenn die gegebenen Marktbedingungen kein effizientes Ergebnis

erzeugen (können) und staatliche Eingriffe in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit

(unter Berücksichtigung der Kosten solcher Eingriffe) eine Effizienzver-

besserung erwarten lassen. Das Vorliegen eines natürlichen Monopols ist ein

typischer Fall hierfür. Referenzpunkt ökonomischer Bewertungen ist dabei die

Lieferungen aus Russland mit 154,4 Mrd. m³ pro Jahr (inkl. Türkei) diesen Wert um ein Mehrfaches (die deutschen Importe aus Russland betragen 36,2 Mrd. m³). Vgl. BP p.l.c. (2009), S. 30. Die verschiedenen bestehenden Transportwege werden derzeit u.a. vor dem Hintergrund steigender erwarteter Bezüge aus Russland um die zwei durch die Ostsee führenden Stränge der Nord-Stream Pipeline erweitert mit je 27,5 Mrd. m³ Jahreskapazität. Vgl. Nord Stream AG (2009).

78 Vgl. Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005), S. 41 f.

3 Bioerdgas im Markt 52

allokative (Pareto-)Effizienz79 gesellschaftlicher Zustände. Unter bestimmten

Annahmen erzeugen Märkte gemäß dem ersten Hauptsatz der Wohlfahrtsöko-

nomik eine Pareto-effiziente Allokation knapper Ressourcen, wenn sie sich im

Gleichgewicht befinden und die dezentral getroffenen, individuell rationalen

Entscheidungen allein durch den Preismechanismus koordiniert werden. In

diesem allgemeinen Konkurrenzgleichgewicht entsprechen die Preise der Güter

ihren Grenzkosten.80

Monopolistische Marktmacht führt im Falle des Erdgasnetzes zu den üblichen

ökonomischen Problemstellungen wie sie das Modell der Cournot-Preisbildung

veranschaulicht: Mit Gewinnmaximierung eines Monopolisten geht ein gesamt-

gesellschaftlich zu geringes Angebot81 einher (Wohlfahrtsverlust) – sowie eine

insbesondere unter Verteilungsaspekten zu diskutierende Aneignung von

Konsumentenrente. Weiter akzentuiert wird die Marktmachtstellung eines

solchen natürlichen Monopolisten aufgrund der Essential-Facility-Eigenschaft

des Netzes. Der Zugriff auf das Netz ermöglicht es, Wettbewerb auf anderen

Wertschöpfungsstufen der (Bio)Erdgaswirtschaft zu beeinflussen oder zu unter-

binden, die für sich genommen nicht durch natürliche Monopole geprägt sind.

Eine Begrenzung erfährt die monopolistische Marktmacht allerdings durch die

Substitutionskonkurrenz zu anderen Energieträgern wie Erdöl: Bezogen auf die

gesamte Wertschöpfungskette Erdgas begrenzt sie – langfristig – die Preis-

setzungsspielräume auf das Niveau dieser alternativen Energien. Das Marktver-

sagen im Bereich der Gas(verteil)netze führt zu einer ökonomischen Begründung

staatlicher Eingriffe. Neben den Fragen, zu welchen Preisen ein natürlicher 79 Das Pareto-Kriterium bietet eine Definition, wann – bei gegebener Anfangsausstattung – der

gesamtgesellschaftliche Wohlstand maximal wird: Ein Zustand ist dann optimal oder effizient, wenn kein Individuum mehr besser gestellt werden kann, ohne die Nutzenposition eines anderen Individuums zu verschlechtern.

80 Vgl. Fritsch et al. (2007), Kapitel 2 und 7, Schumann (2002), Sohmen (1992), Kapitel 1 und 5 und Weimann (2009), Kapitel 1.2, 3.3 und 4.2.

81 Sollte dem Monopolisten eine Preisdifferenzierung möglich sein, könnten – je nach Art der Preisdifferenzierung – die allokativen Verzerrungen abgeschwächt werden, bei gleichzeitig wachsender Aneignung der Konsumentenrenten.

3 Bioerdgas im Markt 53

Monopolist seine Produkte anbietet und wie er eine diskriminierungsfreie

Nutzung seiner Essential Facility sicherstellt, geht es dabei um eine Klärung, ob

der natürliche Monopolist auch auf vor- und nachgelagerten Wertschöpfungs-

stufen tätig sein soll.82

Dass in der Regulierungspraxis neben ökonomischen Argumenten der Markt-

struktur weitere Aspekte eine Rolle spielen, zeigt die deutsche und europäische

Entwicklung staatlicher Rahmenbedingungen für die Erdgas- und Bioerdgas-

wirtschaft.

3.2 Positiver regulatorischer Rahmen für Erdgas und Bioerdgas

3.2.1 Ziele und Entwicklung staatlicher Eingriffe Die infrastrukturelle Prägung der deutschen Gaswirtschaft (vgl. 3.1.1) spiegelt

sich in der Historie des regulatorischen Ordnungsrahmens für Erdgas, welcher

die Rahmenbedingungen für Bioerdgas setzt. Eine sichere und günstige Energie-

versorgung mit allgemeiner Anschlusspflicht, die „volkswirtschaftlich schädliche

Auswirkungen des Wettbewerbs […] verhindern“83 und statt dessen den öffent-

lichen Einfluss auf die Energieversorgung sichern sollte, stand im Zentrum des

Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz EnWG)

von 1935, welches – mit gewissen Modifikationen – bis 1998 Bestand hatte.

Zusammen mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) von

1958, welches für die Energiewirtschaft Freistellungen von Regelungen des

allgemeinen Kartellrechts vorsah, bildete es die rechtlichen Grundlagen der

klassischen Gaswirtschaft. Demarkations- und Konzessionsverträge84 führten auf

82 Ein Überblick über verschiedene Regulierungsalternativen findet sich bei Fritsch et al. (2007),

Kapitel 8. 83 Präambel zum Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz) vom

13.12.1935 (RGBl I S. 1451-1456). 84 In Demarkationsverträgen vereinbarten Energieunternehmen untereinander, sich in den von

ihnen jeweils beanspruchten Gebieten keinen Wettbewerb zu liefern. Konzessionsverträge

3 Bioerdgas im Markt 54

dieser Basis zu einer weitgehenden Aufteilung Deutschlands in geschlossene

Versorgungsgebiete mit jeweils monopolistischen Strukturen – sowohl bei den

örtlichen Gasversorgungsunternehmen wie bei den Regional- bzw. Ferngas-

gesellschaften, die erstere mit Gas belieferten.85

Die Rahmenbedingungen der Erdgaswirtschaft unterlagen in den vergangenen

Jahren einem tiefgreifenden Wandlungsprozess: Liberalisierung, Regulierung

und Wettbewerb haben zu weitreichenden Änderungen in der Branche geführt.

Das Marktumfeld für Bioerdgas wird wesentlich geprägt von diesen neuen

Regeln, die operative und strategische Spielräume der Akteure bei Erdgas wie

bei Bioerdgas bestimmen. Während Privatisierung, Liberalisierung und

Wettbewerb als „policy paradigm in energy“86 bereits die 1980er Jahre in den

USA und im UK prägten und dort die nachkriegliche Fokussierung auf Versor-

gungssicherheit verdrängten, blieb in Deutschland die Ausrichtung auf Versor-

gungssicherheit weiterhin bestimmend.87

Die wettbewerbsbetonte Ausrichtung der Energiewirtschaft hielt hier erst Einzug

im Zuge der Verwirklichung der im Maastrichter Vertrag über die Europäische

Union verankerten Prinzipien des europäischen Binnenmarktes. Nach der euro-

päischen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie im Jahre 1996 folgte 1998 die

Erdgasbinnenmarktrichtlinie88 mit dem Ziel einer wettbewerblichen und

werden zwischen Kommunen und Energieversorgern geschlossen und regeln die ausschließliche Wegenutzung in der jeweiligen Kommune gegen Entgelt, die zur Versorgung der Kunden mit leitungsgebundener Energie notwendig ist.

85 Vgl. Aumüller (2006), S. 65 f., Klag (2003), S. 254 f., Lohmann (2006), S. 20, Schiffer (2008), S. 196 f. und Schultz (2008) S. 32.

86 Helm (2005), S. 2. 87 Zur Vorbildrolle des UK und der USA für die Entwicklung in Kontinentaleuropa und zur

angelsächsischen Debatte über einen erneuten Paradigmenwechsel zurück zu Versorgungssicherheit und hin zu klimafreundlichen Energieerzeugungen vgl. International Energy Agency [IEA] (2000), S. 39-48 und 70, und Helm (2005).

88 Richtlinie 98/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 204, 21.7.98.

3 Bioerdgas im Markt 55

internationalen Öffnung der Gasmärkte. Die Übernahme in deutsches Recht

erfolgte mit der EnWG-Novelle des Jahres 2003. Spätestens seit diesem Zeit-

punkt ist der deutsche Gasmarkt formal vollständig geöffnet. Bereits zuvor

sorgten das EnWG von 1998 und die 6. Novelle des GWB von 1999 für einem

Bruch mit dem Denken in Versorgungsgebieten: Die bis dahin geltende

Freistellung von Konzessions- und Demarkationsverträgen wurde außer Kraft

gesetzt und damit das allgemeine Kartellverbot des § 1 GWB auch im Energie-

bereich wirksam. Das GWB enthielt nun eine für alle Netzinfrastrukturen

geltende Regelung zum Netzzugang, gemäß der ein marktbeherrschendes Unter-

nehmen missbräuchlich agiert, wenn es einem anderen Unternehmen den Zugang

zu Infrastruktureinrichtungen auch gegen angemessenes Entgelt verweigert. De

facto breitete sich umfassender Wettbewerb jedoch erst auf Basis des EnWG von

200589 aus. Die Richtung gab hier wiederum die Europäische Union vor, die in

der sogenannten Beschleunigungsrichtlinie Gas90 2003 neue Impulse mit einer

wesentlichen Verschärfung der Regulierungsvorgaben setzte. Zusammen mit der

gesellschaftsrechtlichen Separierung („Unbundling“) von Netzbetreibern und

Gashändlern kam es mit dem EnWG von 2005 auch in Deutschland zu einem

regulierten Netzzugang.91 Aus einem Punkt-zu-Punkt-Netzzugangsmodell, bei

dem der Transportkunde transportpfadabhängig den gewünschten Weg ggf. über

verschiedene Netzhierarchien und bei verschiedenen Netzbetreibern buchen

musste, wurde ein Entry-Exit-System mit regulierten Entgelten.92

89 Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970 (3621)), zuletzt geändert durch

Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2966). Wichtige Ergänzungen des EnWG sind die auf seiner Basis erlassenen GasNZV und GasNEV (Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung -GasNEV) vom 25. Juli 2005 (BGBl. I S. 2197), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 4 der Verordnung vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2006)).

90 Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 176 vom 15.7.2003, S. 57.

91 Zuvor hatte sich Deutschland für einen nach der Erdgasbinnenmarktrichtlinie bislang möglichen, von der neuen Richtlinie nun jedoch ausgeschlossenen verhandelten Netzzugang entschieden, bei dem Interessenverbände von Gaslieferanten und Gaskunden die Bedingungen der Netznutzung abstimmten.

92 Vgl. Klag (2003), S. 247-274 und Schiffer (2008), S. 196-206.

3 Bioerdgas im Markt 56

Die heutige Ausgestaltung des Netzzugangs, der Transporte und der Abwicklung

von Kundenbelieferungen ist wesentlich geprägt von der Bundesnetzagentur. In

der Beschleunigungsrichtlinie Gas ist den europäischen Mitgliedsstaaten die

Schaffung einer Regulierungsbehörde vorgeschrieben. In Deutschland wurde

dies im EnWG von 2005 umgesetzt. Betraut mit der Energieregulierung für

Strom und Gas wurde die Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation

und Post (RegTP), die heutige Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Tele-

kommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur BNetzA).93 Nicht

zuletzt durch konsequentes Ausnutzen ihrer gestalterischen Möglichkeiten im

Zuge von Festlegungs- und Missbrauchsverfahren gemäß §§ 29-31 EnWG94

sorgte die BNetzA für einen handelsaffinen Wettbewerbsrahmen, in dem

wesentliche physische Aspekte der Gasversorgung auf regulierte Netzbetreiber

übertragen sind und die Teilnehmer des Handelsmarktes in einer zum Teil

virtuellen, von physischen Gegebenheiten abstrahierten Welt agieren.95 Bioerd-

gas findet mithin ein grundsätzlich wettbewerbsoffenes Marktumfeld auf Basis

eines regulierten Netzzugangs vor,96 in dem jenseits der Importstufe auch die

früher maßgeblichen langfristigen Erdgasbezugverträge durch Untersagungen

des Bundeskartellamtes an Bedeutung verloren haben.97

93 In Deutschland obliegt die Regulierung des Netzbetriebs entsprechend der Regelungen des

EnWG der BNetzA im Zusammenspiel mit den Landesregulierungsbehören (vgl. Koenig et al. (2008), S. 234.

94 Hervorzuheben sind hier die Entscheidungen der BNetzA zur alleinigen Durchsetzung des 2-Vertrags-Modells im Juli 2006 (Bundesnetzagentur (2006)) und zur Einführung der Tagesbilanzierung im Mai 2008 (Bundesnetzagentur (2008b)).

95 Zur Rolle der BNetzA bei der Liberalisierung der deutschen Gaswirtschaft vgl. Lohmann (2009a).

96 Eine umfassende Diskussion über die gegenwärtigen Marktstrukturen mit verbliebenen Schwachstellen und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten des regulatorischen Rahmens führt die Monopolkommission im Rahmen ihres 2009er Sondergutachtens. Vgl. Monopolkommission (2009).

97 Als Folge der in den Jahren 2006 bis 2008 geführten Verfahren durften Gaslieferverträge von Ferngasunternehmen mit Weiterverteilern bei einer Bezugsquote des Kunden zwischen 50 und 80 % beim betreffenden Ferngasunternehmen maximal 4 Jahre und bei einer Bezugsquote oberhalb von 80 % maximal 2 Jahre laufen. Die langfristigen Vertragsbindungen zwischen Ferngas- und Weiterverteilerstufe wurden gelöst, die Lieferantenvielfalt bei Weiterverteilern nahm zu und die durchschnittliche Vertragslaufzeit ab. Nach einer grundlegenden Marktevaluierung kam das Bundeskartellamt Mitte 2010 zu dem Ergebnis, den gewünschten

3 Bioerdgas im Markt 57

3.2.2 Gemeinsamer Marktrahmen für Erdgas und Bioerdgas Für Transportkunden von Erdgas wie Bioerdgas ist die Vielzahl der verschie-

denen Netze und Netzbetreiber auf unterschiedlichen Druckebenen heute nicht

mehr relevant. Auf Basis der gesetzlichen Grundlagen, Ausgestaltungen durch

die BNetzA und Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Netzbetreibern

ergibt sich – skizzenhaft dargestellt – gegenwärtig folgendes Modell eines allen

Marktteilnehmern diskriminierungsfrei offenstehenden Netzzugangs und

Abwicklung des Transports:98

Die Netze sind zu Marktgebieten zusammengefasst. Ein Marktgebiet

besteht aus einer Verknüpfung von Netzen über die verschiedenen Druck-

stufen hinweg, so dass von den Fernleitungsnetzen an den Importpunkten

bzw. Punkten inländischer Produktion bis hin zu den Abnahmestellen von

Industriekunden und Haushalten ein zusammenhängendes Gebilde

entsteht.

Innerhalb eines Marktgebietes werden nur noch zwei Transportverträge

benötigt (2-Vertrags-Modell): Einer zur Einspeisung des Gases in das

Marktgebiet (Entry) und einer zur Entnahme des Gases aus dem Markt-

gebiet zum Verbrauch beim Endkunden oder zur Übergabe in ein anderes

Marktgebiet bzw. zu einem Exportpunkt an der Landesgrenze (Exit). Für

die physische Abwicklung sind die zu Kooperation verpflichteten Netz-

betreiber verantwortlich. Diese betrachten nur noch das Gesamtsystem

und keine pfadabhängigen Transporte mehr: Falls die Händler (Transport-

kunden) A und B jeweils 100 Einheiten Gas an verschiedenen Punkten

einspeisen, um damit je einen Kunden zu beliefern, so ist es möglich, dass

wettbewerblichen Effekt nachhaltig erzielt zu haben, so dass es die bis zum 30.09.2010 befristete Beschränkung der Vertragslaufzeiten nicht verlängerte. Vgl. Bundeskartellamt (2010).

98 Die wesentlichen Bestandteile dieses regulatorischen Rahmens bilden (vgl. Monopolkommission (2009), S. 96-124): EnWG (insbesondere §§ 20 ff.), GasNZV, Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1 b) EnWG zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 29.07.2008 (Kooperationsvereinbarung – KOV III) und die 2008 durch die Bundesnetzagentur erfolgte „Festlegung in Sachen Ausgleichsleistungen Gas“ (GABi Gas) (Bundesnetzagentur (2008b)).

3 Bioerdgas im Markt 58

physisch von dem einen Händler eingespeistes Gas zum Kunden des

anderen Händlers fließt und umgekehrt.

Die von den Netzbetreibern erhobenen Transportentgelte (Entry und

Exit), die intern auf die einzelnen Netzbetreiber verrechnet werden,

unterliegen einer kosten- bzw. anreizbasierten Regulierung durch die

BNetzA.99

In jedem Marktgebiet wird ein sogenannter „Virtueller Punkt“ (VP)

eingerichtet, an dem Mengen ohne Buchung von Transportkapazitäten

zwischen verschiedenen Marktteilnehmern übertragen und gehandelt

werden können. Mit dem Entry in ein Marktgebiet sind die Gasmengen

am VP verfügbar und können dort auch mehrfach gehandelt und über-

tragen werden, bis sie schließlich an einem Exit das Marktgebiet

verlassen.

Die operative Abwicklung der Gastransporte erfolgt über Bilanzkreise, in

denen eingespeiste, ausgespeiste und an andere Bilanzkreise (d.h. an

andere Marktteilnehmer am VP) übertragene Mengen eines oder mehrerer

Transportkunden (TK) erfasst werden. Der jeweilige Bilanzkreisverant-

wortliche (BKV) hat sicherzustellen, dass sich die in seinen Bilanzkreis

ein- und ausgespeisten Mengen in Balance halten. Ist dies nicht gegeben,

wird ihm für die Differenz zwischen Ein- und Ausspeisung vom Bilanz-

kreisnetzbetreiber, der zentralen Abwicklungsstelle der marktgebietsauf-

99 In der GasNEV ist gemäß § 3 Ziff. (2) grundsätzlich die Möglichkeit einer

wettbewerbsorientierten Entgeltbildung angelegt (Vergleichsverfahren), an der sich die Ferngasgesellschaften nach Inkrafttreten der Verordnung auch orientiert haben. Der Verordnungsgeber hat damit anerkannt, dass Wettbewerb auf Ebene der Fernleitungsnetze prinzipiell möglich ist. Im Jahr 2008 hat die BNetzA, auch als Ergebnis einer umfangreichen Sektorenuntersuchung, jedoch festgestellt, dass Fernleitungsnetze in Deutschland „nicht zu einem überwiegenden Teil wirksamem bestehenden oder potentiellen Leitungswettbewerb ausgesetzt“ seien (hier zitiert aus dem Beschluss der Beschlusskammer 4 zum Verfahren E.ON Gastransport, vgl. Bundesnetzagentur (2008a), S. 2). Nachdem diese Entscheidung einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hat, unterliegt nun neben dem Verteilnetz auch das gesamte deutsche Transport- und Verteilnetz neben der Netzzugangs- auch der Entgeltregulierung. Vgl. Lohmann (2010).

3 Bioerdgas im Markt 59

spannenden Netzbetreiber für das Bilanzkreismanagement, Ausgleichs-

energie in Rechnung gestellt.

Mit Beginn des Gaswirtschaftsjahres 2008/09 am 01.10.2008 wurde das

zuvor geltende System einer stündlichen Bilanzierung auf eine Tages-

bilanzierung umgestellt (Festlegung in Sachen Ausgleichsleistungen Gas

(GABi Gas) der BNetzA vom 28.05.2008)100: Ein- und ausgespeiste

Mengen müssen sich damit nicht mehr stundenscharf entsprechen,

sondern auf Tagesbasis ausgeglichen sein. Stundenwerte wurden

allerdings nicht gänzlich aus dem System entfernt: Für den Fall, dass

bestimmte, von der Lieferart abhängige stündliche Toleranzgrenzen für

die Abweichungen zwischen Ein- und Ausspeisung überschritten werden,

greift mit dem Strukturierungsbeitrag eine auf Stundenbilanzierung abge-

stellte Pönale. Aus Sicht des Transportkunden ergibt sich jedoch eine

deutliche Erleichterung dadurch, dass für bestimmte Ausspeisegruppen

virtuell ein über sämtliche Stunden des Tages gleichmäßiger Bezug unter-

stellt wird: Bei der Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden

werden Standardlastprofile unterstellt, bei denen dem Lieferanten bereits

am Tag vor der Lieferung bekannt ist, wie viel Gas er für diese Ausspei-

segruppen bereitzustellen hat.101 Und bei der Belieferung von kleinen und

mittleren Industriekunden wird die tatsächliche Verbrauchsmenge des

jeweiligen Tages in 24 gleiche Stundenwerte umgerechnet. Für den

größten Teil der Endverbraucher kann der Lieferant mithin Tagesbänder

an Gas einspeisen und muss kein stundenscharfes Profil darstellen. Dies

verringert den Aufwand an untertägiger Strukturierung des Gases und

erleichtert den Gashandel mit Standardprodukten.

100 Vgl. Bundesnetzagentur (2008b), Anlage 2. 101 Diese Werte werden von den Netzbetreibern aufgrund von Temperaturprognosen bzw.

Vortageswerten geschätzt. Abweichungen zum tatsächlichen Bezug werden von den Netzbetreibern ebenso wie die stündliche Strukturierung mit Hilfe von Regelenergie bereitgestellt. Dabei wird einerseits interne Regelenergie z.B. aus der Nutzung des Netzpuffers verwendet und andererseits externe Regelenergie, die diskriminierungsfrei auszuschreiben ist.

3 Bioerdgas im Markt 60

Die Ausgleichsenergie für abweichende Mengen zwischen täglicher Ein-

und Ausspeisung rechnet der Bilanzkreisnetzbetreiber mit dem Bilanz-

kreisverantwortlichen auf Basis von tagesaktuellen Marktnotierungen auf

Großhandelsmärkten für Gas ab. Für zu wenig eingespeiste Mengen

(positive Ausgleichsenergie) berechnet der Bilanzkreisnetzbetreiber dem

Bilanzkreisverantwortlichen einen Zuschlag auf den zweithöchsten Kauf-

preises eines definierten Notierungskorbes102. Für zu viel eingespeiste

Mengen (negative Ausgleichsenergie) erstattet der Bilanzkreisnetz-

betreiber dem Bilanzkreisverantwortlichen den zweitgeringsten

Verkaufspreises dieses Notierungskorbes mit einem Abschlag. Bei

Systemeinführung betrugen Zu- und Abschlag jeweils 10 % des rele-

vanten Korbpreises.

Die Entkoppelung der Handelssphäre der Bilanzkreisverantwortlichen (bzw.

Transportkunden) von den physischen Strömen fossilen Erdgases wie Bioerd-

gases in der GABi Gas-Welt ist in Abbildung 3.2 noch einmal veranschaulicht.

102 Den Notierungskorb bilden Tages-Referenzpreise vier liquider europäischer Handelsmärkte,

u. a. der Leipziger Energiebörse EEX.

3 Bioerdgas im Markt 61

Abbildung 3.2: Die GABi Gas-Entkoppelung der bilanziellen Handelswelt von den physischen Strömen

Quelle: Eigene Darstellung.

3.2.3 Spezielle Regeln für Bioerdgas Für Bioerdgas gelten gemäß GasNZV und GasNEV einige Sonderregeln, die

Bioerdgas ggü. konventionellem Erdgas beim Netzzugang, beim Transport und

in der operativen Transportabwicklung privilegieren. Die daraus resultierenden

Kosten werden auf alle Netze eines Marktgebiets umgelegt und über die

Transportentgelte von allen Erdgaskunden getragen (§ 20b GasNEV):

Biogasanlagen sind vorrangig an die Gasversorgungsnetze anzuschließen,

wobei der Netzbetreiber die Hälfte der Anschlusskosten und sämtliche

Kosten für Wartung und Betrieb des Netzanschlusses trägt

(§ 41c GasNZV).

Netzbetreiber sind verpflichtet, Ein- und Ausspeiseverträge vorrangig mit

Transportkunden von Bioerdgas abzuschließen und Bioerdgas vorrangig

zu transportieren (§ 41d GasNZV).

3 Bioerdgas im Markt 62

Begründet mit der dezentralen Einspeisung von Bioerdgas, erhält der

Einspeiser von Bioerdgas (als Transportkunde) ein pauschales Entgelt

vom Einspeisenetzbetreiber in Höhe von 0,7 Ct/kWh für vermiedene

Netzkosten (§ 20a GasNEV)103.

Für Bioerdgas können gesonderte Biogas-Bilanzkreise104 in Anspruch

genommen werden, die einen erweiterten Bilanzierungszeitraum105 von 12

Monaten statt einem Tag und einen Flexibilitätsrahmen von 25 %

aufweisen. Während Bioerdgasmengen auch in konventionelle Erdgas-

bilanzkreise eingespeist oder übergeben werden können, für die dann

allerdings kein erweiterter Bilanzausgleich möglich ist, ist dies umgekehrt

nicht möglich (§ 41e GasNZV).

Vorgaben der GasNZV zum gesonderten, erweiterten Biogas-Bilanzkreis werden

konkretisiert im „Leitfaden Bilanzierung Biogas“106, der von den Verbänden

BDEW, Fachverband Biogas und Deutscher Bauernverband erarbeitet und von

der Bundesnetzagentur im August 2009 angenommen wurde. Wesentliche

Bestandteile des Modells der Biogas-Bilanzkreise sind demnach:

Der 12monatige Bilanzierungszeitraum ist im Normalfall das Kalender-

jahr. Eine kürzere Bilanzierungsperiode kann vereinbart werden, um

beispielsweise im Jahr der Inbetriebnahme in den Kalenderjahres-

Rhythmus zu gelangen.

103 Die Höhe dieses Entgeltes wird im Rahmen des Monitoringberichts, welchen die BNetzA

gemäß § 41g GasNZV für Bioerdgas zum 31.05.2011 und danach jährlich verfasst, überprüft (§ 20a GasNEV).

104 Da die GasNZV den Begriff „Biogas-Bilanzkreis“ verwendet, wird dies hier übernommen, auch wenn im Sinne einer konsistenten Terminologie der Begriff Bioerdgas-Bilanzkreis angebracht wäre.

105 Aufgrund entsprechender Subventionen durch das EEG ist eine bevorzugte Verwendung von Bioerdgas der Einsatz zur kombinierten Strom- und Wärmegewinnung in Blockheizkraftwerken (BHKW). Der erweiterte Bilanzausgleich soll eine relativ konstante Bioerdgasproduktion und -einspeisung bei weitgehend wärmegeführter Nutzung im BHKW ermöglichen.

106 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft [bdew] (2009).

3 Bioerdgas im Markt 63

Bezugsgröße für die 25%ige Flexibilität eines Biogas-Bilanzkreises ist die

physisch durch Biogasanlagen eingespeiste Jahresmenge an Bioerdgas

(nicht gezählt werden Mengen, die aus anderen Biogas-Bilanzkreisen oder

anderen Marktgebieten übertragen wurden, es sei denn Flexibilität wird

explizit zwischen Biogasbilanzkreisen übertragen; unter Einhaltung

bestimmter Fristen und Regeln ist dies möglich, soweit die Bilanzierungs-

zeiträume der Bilanzkreise am gleichen Tag enden). Da diese Menge erst

am Ende des Jahres feststeht, können das Einhalten des Flexibilitäts-

rahmens auch erst ex post festgestellt und das potentielle Nicht-Einhalten

erst anschließend abgerechnet werden.

Der Ausgleich von Differenzen erfolgt nach Ablauf des Bilanzierungszeit-

raums (am Ende des Jahres). Es wird dann die kumulierte Abweichung

zwischen Ein- und Ausspeisung im Jahresverlauf tageweise betrachtet.

Verletzt der kumulierte Saldo am jeweiligen Tag den Flexibilitätsrahmen

von +/- 25 %, wird Gas, welches die 25 % überschießt/unterschreitet vom

Bilanzkreisnetzbetreiber bereitgestellt/abgenommen und entsprechend der

Ausgleichsenergiepreise von GABi Gas abgerechnet. Ab diesem Zeit-

punkt wird nur noch der entsprechend gekürzte kumulierte Saldo weiter-

geführt. Gas, welches vom Bilanzkreisnetzbetreiber bereitgestellt wird, ist

Erdgas und kein Bioerdgas. Der entsprechende Biogas-Bilanzkreis enthält

dann nicht mehr 100 % Bioerdgas.

Am Ende des Bilanzierungszeitraums verbleibende Differenzmengen

werden grundsätzlich vollständig abgerechnet, wobei hierfür der durch-

schnittliche Ausgleichsenergiepreis des Bilanzierungszeitraums

Anwendung findet. Der Biogas-Bilanzkreisverantwortliche hat im Falle

eines positiven Endsaldos jedoch das Recht, diesen auf den nachfolgenden

Bilanzierungszeitraum zu übertragen, allerdings maximal in Höhe des

Flexibilitätsrahmens von 25 % der physisch eingespeisten Bioerdgas-

Menge.

3 Bioerdgas im Markt 64

Für die tatsächlich in Anspruch genommene Flexibilität hat der Biogas-

Bilanzkreisverantwortliche an den Bilanzkreisnetzbetreiber ein Entgelt in

Höhe von 0,1 Ct/kWh zu entrichten (§ 41e GasNZV). Die tatsächlich in

Anspruch genommene Flexibilität bemisst sich nach dem im Laufe des

Bilanzierungszeitraums höchsten angefallenen kumulierten Saldo

zwischen Einspeisemengen und Ausspeisemengen innerhalb des maxi-

malen Flexibilitätsrahmens.

Daneben können vom Bilanzkreisnetzbetreiber Entgelte erhoben werden

für Gasmengen, welche über den virtuellen Punkt zwischen verschiedenen

Bilanzkreisen übertragen werden.107

Der Mechanismus des Flexibilitätsrahmens ist in Abbildung 3.3 veranschaulicht.

Unterstellt ist eine Biogasanlage, die kontinuierlich 100.000 kWh Bioerdgas pro

Tag in das Netz einspeist. Das Gas sei für ein wärmegeführtes BHKW bestimmt.

Im Beispiel wird vom 01.01. bis zum 30.04. vom BHKW 175.000 kWh pro Tag

entnommen – 75.000 kWh mehr als Bioerdgas produziert und eingespeist wird

(die Differenz wird vom Netzbetreiber de facto als Erdgas bereitgestellt, welches

jedoch als Bioerdgas gewertet wird, solange der Biogas-Bilanzkreisverantwort-

liche dieses Bioerdgas später nachliefert). Der Flexibilitätsrahmen ist am 30.04.

nahezu ausgeschöpft und wird anschließend bei niedrigem Sommerverbrauch in

die entgegengesetzte Richtung zurückgeführt. Bei weiterhin konstanter Produk-

tion von 100.000 kWh werden nun nur 25.000 kWh pro Tag entnommen. Am

Ende des Jahres sei der Biogas-Bilanzkreis ausgeglichen (ab 01.10. wird dafür

wieder mehr ausgespeist als produziert). Damit fallen keine Entgelte für den

Kauf von Gas vom Bilanzkreisnetzbetreiber oder den Verkauf an ihn an. Zu

bezahlen ist die in Anspruch genommene Flexibilität. Die kumulierte Flexibilität

107 Dies ist ein übliches Vorgehen, welches auch für Erdgas praktiziert wird. Beispielsweise

berechnet der Bilanzkreisnetzbetreiber NCG für zwischen Bilanzkreisen am VP übertragene Mengen eine Aufwandsgebühr von 0,0009 Ct/kWh, welche sowohl der Gas abgebende Bilanzkreisverantwortliche wie der Gas aufnehmende Bilanzkreisverantwortliche zu entrichten haben (vgl. NetConnect Germany (2009)).

3 Bioerdgas im Markt 65

beträgt am 30.04. genau 9,0 Mio. kWh. Die maximale Flexibilität von 25 % der

Jahresmenge wird damit fast vollständig in Anspruch genommen (die Jahres-

menge beträgt 36,5 Mio. kWh, 25 % entsprechen 9,1 Mio. kWh). Entsprechend

sind 9,0 Mio. kWh x 0,1 Ct/kWh = 9.000 € vom Biogas-Bilanzkreisverantwort-

lichen an den Bilanzkreisnetzbetreiber zu entrichten. Bezogen auf die gesamte

Jahrsmenge des Biogas-Bilanzkreises sind dies spezifisch 0,025 Ct/kWh.

Abbildung 3.3: Beispielhafte Inanspruchnahme des Biogas-Flexibilitätsrahmens (schematische Darstellung)

Quelle: Eigene Darstellung.

Das vom Gesetzgeber für die Inanspruchnahme von Flexibilität festgeschriebene

Entgelt ist vergleichsweise niedrig, wenn es mit Speicherentgelten verglichen

wird, die als Marktpreis für die Strukturierung von Mengen über das Jahr

betrachtet werden können. Die in Anspruch genommene Flexibilität des Biogas-

Bilanzkreises kann bei einem solchen Vergleich dem Arbeitsgas des Speicher-

produkts gegenübergestellt werden. Die am Markt angebotenen Speicher-

produkte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Verhältnisses von

Einspeiseleistung, Ausspeiseleistung und Arbeitsgas sowie der maximalen

3 Bioerdgas im Markt 66

Umschlaghäufigkeit des Arbeitsgases. Beispielhaft sei der spezifische Arbeits-

gas-Preis des nach eigenen Angaben derzeit größten Erdgasspeichers West-

europas, des Wingas-Speichers in Rehden herangezogen. Dieser beträgt

gegenwärtig 0,6 Ct/kWh und liegt damit um den Faktor 6 über dem Entgelt,

welches für die Flexibilität des Biogas-Bilanzkreises zu entrichten ist: Bezogen

auf das Beispiel des Biogas-Bilanzkreises ergäbe sich für die gesamte Jahres-

menge ein Wert von 9,0 Mio. kWh Arbeitsgas x 0,6 Ct/kWh / 36,5 Mio. kWh

Jahresmenge = 0,15 Ct/kWh als Speicherkosten ggü. 0,025 Ct/kWh Kosten der

Flexibilitäten des Biogas-Bilanzkreises.108

Das für Bioerdgas-Einspeisungen gewährte Entgelt für vermiedene Netzkosten

von 0,7 Ct/kWh ist hoch bemessen, wenn tatsächlich vermiedene Netzkosten im

Fokus stehen. Wingas Transport beispielsweise berechnet für die Nutzung ihres

Fernleitungsnetzes 4,32 €/(kWh/h)/a.109 Bei einer Einspeisestruktur einer Bioerd-

gasanlage von angenommenen 6.750 Benutzungsstunden pro Jahr (vgl. 2.1.2)

ergäben sich damit spezifische Transportkosten von 0,064 Ct/kWh.110 Die

108 Der spezifische Arbeitsgas-Preis ist ermittelt als Gesamtkosten der Buchung des

kleinstmöglichen gebündelten Speicherproduktes bezogen auf das Arbeitsgasvolumen dieses Produktes (Winstore-Pack, Arbeitsgasvolumen 35 GWh, 212.500 €) gemäß Speicherrechner der Wingas am 14.11.2009 (www.wingas.de > Speicherung > Speicherrechner). Auch eine probeweise durchgeführte Eingabe der fünffachen Menge führte zum gleichen spezifischen Ergebnis. Speicher und Flexibilität eines Biogas-Bilanzkreises entsprechen sich nicht 1:1, so dass ein Vergleich der beiden Entgelte nur näherungsweise zulässig ist. Grundsätzlich liegt die Flexibilität eines Biogas-Bilanzkreises jedoch über der eines physischen Speichers, da ein Speicher erst zu befüllen ist und anschließend Gas entnommen werden kann. Der Biogas-Bilanzkreis ermöglicht hingegen, wie im Beispiel dargestellt, eine Unterdeckung der Einspeisung, welche erst später ausgeglichen wird.

109 Der Betrag setzt sich zusammen aus 2,22 €/(kWh/h)/a für die Einspeisung und 2,10 €/(kWh/h)/a für die Ausspeisung (Stand 14.11.2009, abrufbar unter www.wingas-transport.de > Download > Netzzugang). Für den Standardfall einer Entnahme des Gases im regionalen oder örtlichen Verteilnetz wird die Ausspeisung aus dem Fernleitungsnetz beim 2-Vertrags-Modell von den Transportkunden nicht separat gebucht, die Entgelte sind jedoch über Wälzungsprozesse in den Exit-Kosten an der Ausspeisestelle enthalten.

110 Die im Beispiel in Abbildung 3.3 unterstellte vollkommen gleichmäßige Bandeinspeisung des Biogases diente Veranschaulichungsaspekten (dies entspräche einer Benutzungsstruktur von 8.760 h/a). Tatsächlich variiert die eingespeiste Menge, wobei auch Revisionen und Ausfälle zu beachten sind. Selbst bei einer Biogasanlage die mit einer typischen Stadtwerke-

3 Bioerdgas im Markt 67

tatsächlich erstatten 0,7 Ct/kWh entsprechen dem 11fachen dieses Wertes.

Zudem erfolgt die Erstattung gemäß § 20a GasNEV unabhängig von der Netz-

ebene. Auch eine Einspeisung ins Fernleitungsnetz, beispielsweise direkt neben

dem Importpunkt, wird bezuschusst, selbst wenn vermiedene Netzkosten

tatsächlich nicht festzustellen sind. Dafür hat der Bioerdgas-Einspeiser im

Fernleitungsnetz, anders als im örtlichen Verteilnetz (hier entfällt nach

§ 18 Ziff. (1) GasNEV ein Entgelt für die Einspeisung, so dass die 0,7 Ct/kWh

ungeschmälert zum Tragen kommen), das reguläre Entgelt zu zahlen: Der Bio-

erdgas-Einspeiser erhält dann 0,7 Ct/kWh angeblich „vermiedene“ Netzkosten

und zahlt im Beispielfall 0,064 Ct/kWh tatsächliche Netzkosten.

Die Sonderregeln für Bioerdgas sind Ausdruck einer politisch gewünschten

Privilegierung eines erneuerbaren Energieträgers gegenüber seinem fossilen

Pendant. Offen kommuniziert wird dies beispielsweise beim Einspeisevorrang

von Bioerdgas. An anderen Stellen werden gaswirtschaftliche Begründungen

angeführt, Bioerdgas finanzielle Gutschriften (vermiedene Netzentgelte) oder

Belastungen (Entgelt für erweiterten Bilanzrahmen) zuzuschreiben. Sachlich

lassen sich diese Zuschreibungen qualitativ grundsätzlich nachvollziehen,

quantitativ zeichnen sie sich jedoch dadurch aus, dass die Gutschriften massiv zu

hoch und die Belastungen massiv zu niedrig ausfallen. Da dies auf den ersten

Blick nicht transparent wird, verschwimmen politisch gewünschte Sonderregeln

und sachlich nachvollziehbare Abweichungen zum Erdgas.

Struktur von 3.000 h/a produzierte, ergäbe sich mit 0,14 Ct/kWh ein Satz, der deutlich unterhalb von 0,7 Ct/kWh liegt.

3 Bioerdgas im Markt 68

3.3 Wettbewerbsfähigkeit von Bioerdgas

3.3.1 Ölindexierung und Preisdifferenzierung auf dem Erdgas-markt

Als technisch vollkommenes Substitut zu konventionellem Erdgas lässt sich

Bioerdgas als Erdgas vermarkten, welches schlicht einen besonderen Produkti-

onshintergrund hat, der für den Nutzer des Produktes jedoch keinen Belang in

Bezug auf die Verwendungseigenschaften des Produktes hat. Dies gilt insbeson-

dere, da sich das von einem Lieferanten für einen bestimmten Kunden einge-

speiste und das von diesem Kunden entnommene Gas physisch – in der Identität

von Molekülen – nicht entspricht (vgl. 3.2.2). Alternativ ist die Vermarktung von

Bioerdgas – analog zu Ökostrom – als grünes Produkt möglich, für das andere

Nutzen und Zahlungsbereitschaften gelten könnten. Im ersteren Falle eines

homogenen Gutes „Erdgas“ stehen die Produzenten von Erdgas und Bioerdgas

im direkten Wettbewerb. Als neuer Marktteilnehmer müsste sich Bioerdgas in

einem freien Markt ohne staatliche Unterstützung preislich gegen konventio-

nelles Erdgas behaupten. Die Preismechanismen konventionellen Erdgases und

deren Entwicklungstendenzen sind daher zentral für eine Einschätzung aktueller

und zukünftiger Wirtschaftlichkeit von Bioerdgas.

Die Bepreisung konventionellen Erdgases erfährt derzeit eine Umbruchphase.

Historisch gewachsenen Indexierungen von Gaspreisen an die Substitutions-

energie Öl stehen zunehmend handelsplatzbasierte Preise mit Spot- und Termin-

notierungen gegenüber.111 Ob beide Preismechanismen mittelfristig eine

Symbiose eingehen, die Preisfindung über Börsen die Ölbindung ersetzt oder die

Ölbindung eine Wiedergeburt feiert und bereits verloren geglaubtes Terrain

111 Handelsplatzbasierte Gaspreise werden einerseits an Börsen generiert. In Deutschland wird

Gas an der European Energy Exchange EEX in Leipzig gehandelt. Andererseits veröffentlichen Informationsdienstleister und Broker Preise für den bilateral abgewickelten OTC-Handel (Over-the-Counter). In beiden Fällen werden Preise nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage generiert.

3 Bioerdgas im Markt 69

zurückgewinnt, wird sich in den kommenden Jahren herausstellen. Solange beide

Systeme eine relevante Marktrolle spielen, sind beide in der Wettbewerbsbe-

trachtung für Bioerdgas zu berücksichtigen.

Die Ölindexierung ist die klassische Form der kontinentaleuropäischen Gaspreis-

bildung. Mit ihr ist auch die Erfolgsgeschichte der deutschen Gaswirtschaft

verknüpft, die sich binnen weniger Jahrzehnte zu einem Pfeiler der deutschen

Energieversorgung entwickelt hat:112 Der Anteil des Erdgases am Primärenergie-

verbrauch der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahre 1960 gerade einmal

0,4 % und stieg bis 1994 (letzter Wert für die „alten“ Bundesländer) auf 18,5 %

an (vgl. auch 2.1.2).113 Als Newcomer galt es für das Erdgas, insbesondere Öl

und zum Teil auch Kohle als etablierte Platzhirsche zu verdrängen. Dies geschah

mit Hilfe des „anlegbaren Gaspreises“, nach dem die Gasverbraucher einen Preis

zahlen, der Erdgas gegenüber der jeweiligen Konkurrenzenergie wettbewerbsfä-

hig hält.114 Für die Gruppe der Haushaltskunden im Wärmemarkt war leichtes

Heizöl die relevante Konkurrenzenergie, für die Großindustrie bzw. Kraftwerke,

für die die anlegbaren Preise zum Teil individuell berechnet wurden, daneben

auch schweres Heizöl und Kohle. Ausgehend von den anlegbaren Gaspreisen für

die Verbrauchermärkte ergibt sich rückwärts nach der „Netback-Preisbildung“

der anlegbare (Misch)Preis für die Importstufe, der Kosten für Transport und

112 Ein bestimmter historischer Entwicklungspfad zeigt selbstverständlich nur an, dass eine

Entwicklung in bestimmter Weise möglich war, er sagt jedoch nichts darüber aus, welche alternativen Wege zum gleichen Ergebnis hätten führen können.

113 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (1998). 114 Der europäische anlegbare Gaspreis geht auf die niederländische Regierung zurück. Mit

Entdeckung des riesigen Groningen-Gasfeldes im Jahre 1959 wurden die Niederlande für Jahrzehnte zum Referenzpunkt der europäischen Gaswirtschaft. Extrem niedrige Produktionskosten von rund einem niederländischen Cent je Kubikmeter hätten Spielraum für unterschiedlichste Preisstrategien gelassen. Mit dem Ziel, die Staatseinnahmen aus dem neu entdeckten Bodenschatz Erdgas zu maximieren, folgte der damalige niederländische Wirtschaftsminister de Pous einem Vorschlag des Unternehmens Exxon, den Gaspreis an den jeweiligen Konkurrenzenergien auszurichten und etablierte so 1962 in der „Nota de Pous“ den anlegbaren Gaspreis, der in der heimischen Verwendung des Erdgases ebenso Anwendung fand wie in den Exportverträgen. Vgl. Energy Charter Secretariat (2007), S. 144-149.

3 Bioerdgas im Markt 70

Verteilung, Steuern und Abgaben sowie Margen der verschiedenen Handels-

stufen berücksichtigt.115

Um die für Gasgewinnung und -transport notwendigen hochspezifischen Investi-

tionen abzusichern, die nach Erstellung sunk costs darstellen und ohne institutio-

nelle Regelungen Anreize zu opportunistischem Verhalten116 bieten, werden auf

der Importseite üblicherweise Langfristverträge über 20 und mehr Jahre

geschlossen. In diesen Verträgen verpflichtet sich der Verkäufer zur Bereit-

stellung einer festgelegten jährlichen Menge und der Käufer zur festen Abnahme

einer Mindestmenge, die auch bei Nichtabnahme zu bezahlen ist (Take-or-Pay).

Die Vermarktbarkeit des Gases stellt – in der Theorie der Ölpreisbindung – der

anlegbare Gaspreis sicher, wobei sich der Gaspreis in vertraglich vereinbarten

Abständen an die sich ändernden Preise der Substitutionsenergien anpasst. Über

diese automatische Anpassung hinaus bestehen üblicherweise in bestimmten

Abständen Möglichkeiten zu Preisrevisionen, in denen systematische

Änderungen der Märkte berücksichtigt werden können. Diese Ausgestaltung der

Verträge führt dazu, dass der Produzent das Preisrisiko und der Importeur das

Mengenrisiko trägt.117

Preisdifferenzierung liegt vor, wenn ein bestimmtes Gut zu unterschiedlichen

Preisen verkauft wird und diese Preisunterschiede keine entsprechenden Kosten-

unterschiede widerspiegeln.118 Auch wenn ein Kubikmeter Erdgas physisch eine

homogene Einheit darstellt, so führt seine Verwendung in unterschiedlichen

vertraglichen Ausgestaltungen zu unterschiedlichen Produkten, hinter denen

unterschiedliche Leistungen und Kosten des Lieferanten stehen. Beispielsweise

stellt der Vertrag mit einem Haushaltskunden, der – im Rahmen seiner

Anschlussleistung – in einem Monat oder Jahr beliebig viel Gas und im nächsten 115 Vgl. Schiffer (2008), S. 361-375, und Konstantin (2009), S. 21-23. 116 Verfolgung des Eigennutzes unter Zuhilfenahme von Arglist. Vgl. Erlei et al. (2007), S. 202. 117 Vgl. Hensing et al. (1998), S. 80-84 und Schiffer (2008), S. 361-375. 118 Vgl. Fritsch et al. (2007), S. 199.

3 Bioerdgas im Markt 71

Monat bzw. Jahr beliebig wenig Gas abnimmt, ein anderes Produkt dar als der

Vertrag mit einem Industriekunden, der sich Take-or-Pay-Verpflichtungen

unterwirft und eine Mindestabnahme auch in Sommermonaten garantiert. Unter-

schiedliche Gaspreise für unterschiedliche Kundensegmente stellen also nicht

zwangsläufig Preisdifferenzierungen dar. Vielmehr können sie begründet sein

durch etwa unterschiedliche Flexibilitäten (mit oder ohne Mindestabnahme),

Transportkosten (direkter Anschluss an das Transportnetz versus Anschluss an

das Verteilnetz), Versorgungssicherheiten (Recht auf jederzeitigen Verbrauch

von Gas durch den Kunden versus unterbrechbare Verträge mit Recht des

Lieferanten, die Lieferung vorübergehend einzustellen). Die Philosophie anleg-

barer Gaspreise setzt allerdings nicht bei unterschiedlichen vertraglichen

Ausstattungen an, sondern bei der jeweiligen Substitutionsenergie. Zwei unter-

schiedliche Industriekunden mit ansonsten völlig identischen vertraglichen

Ausstattungen hinsichtlich Mengenflexibilitäten und anderen relevanten

Bestimmungen hätten danach unterschiedliche Gaspreise, soweit der eine Kunde

alternativ schweres Heizöl als Prozesswärme einsetzen könnte und der andere

Kunde aufgrund des speziellen Produktionsprozesses auf leichtes Heizöl

angewiesen wäre.119 Das Prinzip anlegbarer Gaspreise impliziert mithin

Preisunterschiede, die allenfalls zufällig mit entsprechenden unterschiedlichen

Produktausstattungen einhergehen und anonsten zu Preisdifferenzierungen

führen.

Die ökonomische Theorie unterscheidet drei Arten von Preisdifferenzierungen:

Bei der Preisdifferenzierung 1. Grades ist der Verkäufer in der Lage, die indivi-

duellen Zahlungsbereitschaften abzurufen, jeder Käufer zahlt seinen individuel-

len Reservationspreis. Im Vergleich zu einem einheitlichen Wettbewerbspreis

119 Wie ein anlegbarer Gaspreis in der Praxis tatsächlich gehandhabt wird, ist von dieser

Feststellung losgelöst. Betriebswirtschaftlich sind dem anlegbaren Gaspreis spätestens an der Stelle Grenzen gesetzt, an der die Unterbietung einer Substitutionsenergie für den Gaslieferanten nicht mehr wirtschaftlich darstellbar ist. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Restbrennstoffe verfeuert werden können.

3 Bioerdgas im Markt 72

kommt es zu einer vollständigen Umschichtung von Konsumenten- zu Produ-

zentenrente. Bei der Preisdifferenzierung 2. Grades realisiert der Verkäufer zwar

auch unterschiedliche Preise für ein Produkt, die jedoch nicht käuferindividuellen

Zahlungsbereitschaften entsprechen, sondern denen verschiedener Konsumen-

tengruppen. Durch Kaufentscheidung ordnen sich die Kunden selbst einer

Gruppe zu, wobei alle Gruppenmitglieder den gleichen Preis zahlen. Innerhalb

jeder Gruppe realisieren die Käufer mit Zahlungsbereitschaften oberhalb des

Preises eine Konsumentenrente. Bei der Preisdifferenzierung 3. Grades lassen

sich die Kunden nach objektiven Kriterien Gruppen zuordnen, deren unter-

schiedlichen Zahlungsbereitschaften durch unterschiedliche Preise Rechnung

getragen wird. Auch hier realisieren innerhalb jeder Gruppe die Käufer mit

Zahlungsbereitschaften oberhalb des jeweiligen Preises eine Konsumentenrente.

Voraussetzung für Einführung und Aufrechterhaltung von Preisdifferenzierungen

ist die Separierbarkeit der Märkte, so dass die Preisdifferenzierungen nicht durch

Arbitrage unterlaufen werden.120 In Deutschland ermöglichte der Staat diese

Separierbarkeit lange Zeit durch Ausnahmen der Gaswirtschaft vom allgemeinen

Wettbewerbsrecht (vgl. 3.2.1).

Das Prinzip des anlegbaren Gaspreises führt zu einer Preisdifferenzierung dritten

Grades, soweit unterschiedliche Kundengruppen unterschiedlich bepreist werden,

und ist eines der wenigen Praxisbeispiele, in denen eine Preisdifferenzierung

ersten Grades umgesetzt wird, soweit anlegbare Gaspreise großer Industrie-

kunden individuell berechnet werden.121 Schematisch ist die Situation in

Abbildung 3.4 veranschaulicht.

120 Vgl. Knieps (2007), S. 81-83, und Phlips (1983), S. 11-16. 121 Der letzte Fall setzt voraus, dass dem Lieferanten hinlängliche Informationen zur Verfügung

stehen, den Reservationspreis des Kunden auch tatsächlich bestimmen zu können.

3 Bioerdgas im Markt 73

Abbildung 3.4: Preisdifferenzierung nach anlegbarem Gaspreis

Bei Gaspreisfindung nach Anlegbarkeits-Prinzip ergeben sich – auch bei gleicher Ausstattung des Produktes – unterschiedliche Gaspreise je nach anzusetzender Substitutionsenergie, beispielsweise leichtes Heizöl (HL), schweres Heizöl (HS), Kohle (K) oder Mischungen daraus. Die Produzentenrente erhöht sich um die graue Fläche gegenüber einer Situation, in welcher ein einheitlicher Preis entsprechend des Grenznachfragers (hier P-HS/K) zum Tragen käme.

Quelle: Eigene Darstellung.

Das institutionelle Gefüge der Gaswirtschaft mit Ölpreisbindungen und Realisie-

rung gruppenspezifischer Zahlungsbereitschaften (Abschöpfung von Konsu-

mentenrente) führte zu schnellen Amortisationen getätigter Investitionen, was der

jungen Erdgasindustrie zusätzlichen Aufschwung verlieh und Kapital freisetzte

bzw. anzog, eine verlässliche Infrastruktur mit diversifizierten Bezugsquellen bis

ins unzugängliche Sibirien aufzubauen. Mit zunehmender Ausreifung der Infra-

struktur und Industrie wurde dann verstärkt auf die Kehrseite dieses Arrange-

ments verwiesen. So formulierte die Internationale Energie Agentur in einer

Untersuchung des (kontinental)europäischen Gasmarktes im Jahre 2000:

„These institutional systems have fulfilled the purpose of building mature and secure gas supply systems. They have provided great benefits to Europe’s energy supply in terms of secure energy supply diversification. The drawbacks of these systems are,

Preis

Menge

PHL

PHL/HS

PHS

PHS/K

Nachfrage

3 Bioerdgas im Markt 74

however, that downstream suppliers have enjoyed or enjoy monopoly positions that provide them with relatively weak incentives for cost-efficiency and customer care. This is particularly the case in gas distribution. The results are higher-than-necessary costs and end-user prices.

This represents an economic cost that may have been justified for as long as the gas supply industry in Europe was young. But most of Europe has now passed this stage. [...]

In this environment, by introducing or improving gas-to-gas competition, market forces can be freed that will empower consumers, reduce end-user gas prices, and force companies to increase the quality of the energy services/products they offer. This will add to industrial competitiveness and to domestic consumption – both drivers of GDP.“122

Die Liberalisierung der deutschen (und europäischen) Gasindustrie (vgl. 3.2.1)

hat zu einer neuen Situation geführt, in der sich ölpreisgebundene Verträge nun

im Wettbewerb mit Spot- und Terminpreisen an Börsen bzw. Großhandels-

märkten wiederfinden. Produzenten wie Importeuren ist es möglich, neben Gas

in langfristigen ölgebundenen Verträgen zusätzliche Mengen über Großhandels-

märkte abzusetzen. Und Importeure wie Stadtwerke und große Industriekunden

haben alternativ zu klassischen ölgebundenen Verträgen die Möglichkeit, Gas am

Großhandelsmarkt zu beziehen und die dort angebotenen Produkte zu nutzen

bzw. auf Angebote von Händlern zurückzugreifen, die darauf basieren. Die

Einkaufspolitik eines Stadtwerks entscheidet dabei nicht nur über die eigene

Marge, die bei besonders günstiger Beschaffung c. p. gesteigert werden kann,

sondern auch über die Wettbewerbsfähigkeit bei ihren eigenen Kunden. Selbst

wenn die Wechselquote im Endkundensegment derzeit noch relativ gering ist,123

setzen neue Wettbewerbsangebote Stadtwerke und ihre klassische Produktpalette

unter Druck.124 Darauf reagierend bieten zahlreiche Stadtwerke ihren Kunden

122 International Energy Agency [IEA] (2000), S. 24. 123 Im Jahre 2008 betrug die Wechselquote 2,85 % (Anzahl Lieferantenwechsel bezogen auf

Anzahl der Letztverbraucher). Vgl. Bundesnetzagentur (2009b), S. 228. 124 Dass die deutsche Gaswirtschaft vor einem Umbruch stand und die traditionellen

Lieferpartnerschaften mit gegenseitiger Rücksichtsnahme zwischen Vorlieferanten und Stadtwerken nicht länger Bestand haben würden, zeigte im Februar 2007 der Marktauftritt der neu gegründeten E.ON-Tochter E-WIE-EINFACH Strom & Gas GmbH. Bemerkenswert war dabei nicht nur die Tatsache, dass E-WIE-EINFACH als erstes Unternehmen bundesweit Gas im Endkundenbereich anbot und damit auch den Kunden der E.ON Ruhrgas AG Konkurrenz

3 Bioerdgas im Markt 75

mittlerweile Festpreise (für ein Jahr) an. Um bei Festpreisangeboten nicht in ein

Verlustrisiko zu laufen, welches sich bei gleichzeitig ölindexiertem Bezug dieser

Mengen einstellt125, ist es naheliegend, solche Mengen bereits als Festpreise

einzukaufen – bei klassischen Lieferanten, die ihrerseits ihre Angebotspalette

erweitern, oder auf dem Großhandelsmarkt.

Abbildung 3.5 stellt die Preisentwicklungen der ölgebundenen Verträge auf der

Importstufe und des Großhandelsmarktes gegenüber. Der vom Bundesamt für

Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) monatlich auf Basis von Meldungen

der Importeure veröffentlichte Grenzübergangspreis repräsentiert den Wert des

Erdgases an der deutschen Grenze, in dem sich die (noch weitgehend) ölgebun-

denen Konditionen der Importgesellschaften spiegeln.126 Als Großhandelspreis

sind die Notierungen für den niederländischen Virtuellen Handelspunkt TTF

angegeben. Der Handel dort ist derzeit noch liquider als der jüngere deutsche

Großhandel (dessen Preise jedoch weitgehend auf gleicher Höhe mit den TTF-

Preisen liegen) und bietet eine tiefere Preishistorie.

machte. Bemerkenswert war insbesondere die Art des Angebots: E-WIE-EINFACH unterbot pauschal den Preis des jeweiligen Grundversorgers um 2 Ct/m3 – und garantierte diesen Preisabstand auch für etwaige Preissenkungen dieses Grundversorgers (bei Preiserhöhungen des Grundversorgers wurde zudem der Ausgangspreis für ein Jahr als Preisdeckel garantiert). Vgl. E-WIE-EINFACH Strom & Gas GmbH (2007) und Lohmann (2009a), S. 65.

125 Typisch für den Gasbezug von Stadtwerken über ölindexierte Verträge sind quartärliche Anpassungen des Gaspreises über Gleitklauseln, in die dann beispielsweise der Durchschnitt der Ölpreise von sechs Monaten mit zeitlichem Versatz von drei Monaten einfließt. Vgl. Schiffer (2008), S. 365 ff.

126 Vgl. Schiffer (2008), S. 367. Eine groß angelegte Sektorenuntersuchung der EU-Kommission mit umfangreichen Erhebungen bei Marktteilnehmern (mehr als 3.000 Fragebögen wurden versandt) führte zu dem Ergebnis, dass im Jahre 2004 in langfristigen Gaslieferverträgen mit russischen, norwegischen und niederländischen Produzenten jeweils mehr als 80 % des Gaspreises an die Preisentwicklungen von leichtem und schwerem Heizöl gebunden waren. Vgl. Commission of the European Communities (2007), S. 102 f. E.ON Ruhrgas-Vorstandsvorsitzender Bernhard Reutersberg gibt den Anteil ölgebundener Gasmengen in Langfristverträgen im Jahr 2009 mit über 90 % an, wobei er davon ausgeht, dass mittelfristig eine Indexierung an Großhandelspreise mit 10 bis 20 % höheres Gewicht als bisher bekommt. Vgl. Reutersberg (2009).

3 Bioerdgas im Markt 76

Abbildung 3.5: Grenzübergangspreis vs. TTF

Quelle: Daten aus APX B.V. (2010) und Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA] (2009) mit Veröffentlichungsstand 31.12.2009.

Haupteinflussfaktoren der Spotpreise sind neben den Preisen der Substitutions-

energie Öl vor allem Speicherstände, kurzfristig verfügbare Transportkapazitäten

und Wetterentwicklungen.127 So ist bei den Spotpreisen ein saisonaler Einfluss

127 Vgl. Janssen/Wobben (2008), S. 47. Die Wechselwirkungen zwischen Öl- und Gaspreisen

sind komplex und unterliegen dynamischen Veränderungen. Die kurzfristigen physischen Substitutionspotentiale zwischen Öl und Gas sind weitgehend auf duale Feuerungsanlagen beschränkt. Aufgrund der Kosten, nicht zuletzt durch die notwendige Lagerhaltung für Öl, und aufgrund zunehmend rigiderer Umweltauflagen hinsichtlich der Verbrennung von (schwerem) Heizöl werden solche Anlagenkapazitäten zukünftig eher ab- als zunehmen (vgl. Stern (2007a), S. 6). Über ölgebundene Verträge, deren Gas eine potentielle Angebotsquelle für den Spotmarkt darstellt, ist eine Verbindung zwischen Öl- und Gaspreis derzeit aber auch unabhängig von tatsächlichen Substitutionsbeziehungen gegeben. Zudem existieren auch Beziehungen zwischen Öl und Gas über die Angebotsseite, wie die Internationale Energieagentur (IEA) in einer Untersuchung des nordamerikanischen Gasmarktes, der sich durch einen reinen Gas-zu-Gas-Wettbewerb ohne Ölpreisbindungen auszeichnet, herausstreicht: Da zahlreiche Produzenten sowohl Öl als auch Gas fördern, hängen die Investitionen in die jeweilige Energie auch vom Preisniveau ab: Hohe Gaspreise lenken Gelder in die Gasproduktion, was zu steigender Förderung und wieder sinkenden Preisen führt. Längere Vorlaufzeiten bei Offshore-Projekten und eine verstärkte Förderung unkonventionellen Gases mit besonderen Kostenstrukturen und zunehmender Spezialisierung von Unternehmen könnte diese Beziehung zukünftig allerdings schwächen (vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 513). Eine engere Kopplung könnte auch der Ausbau von

3 Bioerdgas im Markt 77

zwischen Winter- und Sommerpreisen erkennbar, der sich bei den ölgebundenen

Preisen nicht widerspiegelt. Letztere zeigen sich unbeeindruckt von vergleichs-

weise geringen Gasverbräuchen im Sommer aber auch von besonderen Kälte-

perioden im Winter. Der Kälteeinbruch im März 2006 schien dagegen einer der

Gründe der TTF-Preisspitze zu dieser Zeit. Entsprechend wird ölgebundenen

Gaspreisen vorgehalten, keine Knappheitssignale zu erzeugen, welche das

(kurzfristige) Verhältnis von Angebot und Nachfrage repräsentieren.128

In den Jahren 2006 bis 2008 lagen die Preisnotierungen an der TTF in den

Wintermonaten zeitweilig über dem Grenzübergangspreis bzw. im relativ

warmen Winter 2006/07 zumindest nahezu auf dem Niveau des Grenzüber-

gangspreises. Die Preisentwicklung im zweiten Halbjahr 2009 stützt die

Einschätzung einer zukünftig generellen Entkoppelung der handelsplatzbasierten

Gaspreise von den ölgebundenen Verträgen (in ihrer bisherigen Preisgestaltung)

bzw. dem dahinterliegenden Prinzip der Anlegbarkeit und einer damit einherge-

henden nachhaltigen Umgestaltung der kontinentaleuropäischen Gaswirtschaft .

Eine solche Entwicklung skizziert die Internationale Energie Agentur (IEA) im

World Energy Outlook 2009:129

• In den kommenden Jahren ist mit einer Gasschwemme und damit

einhergehenden niedrigen Großhandelspreisen zu rechnen. Auf der Ange-

botsseite führt der rasante Anstieg der unkonventionellen Gasproduktion

in Nordamerika130 zu einer nicht vorhergesehenen Ausweitung der

Gas to Liquids-Verfahren mit sich bringen, bei denen aus Erdgas beispielsweise Kraftstoff für Dieselmotoren gewonnen wird.

128 Vgl. Commission of the European Communities (2007), S. 107. 129 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 432-437 und 518-520. 130 Die Vereinigten Staaten, in denen derzeit rund drei Viertel der weltweiten Produktion

unkonventionellen Erdgases konzentriert ist, haben die Förderung unkonventioneller Ressourcen seit 1990 nahezu vervierfacht. Mit knapp 300 Mrd. m3 machte unkonventionelles Erdgas 2008 über 50 % der gesamten US-Produktion aus und mit knapp 60 Mrd. m3 ein Drittel der kanadischen Produktion. Als unkonventionelles Erdgas werden Tight Gas, Coalbed Gas, Shale Gas und Methan Hydrate bezeichnet, die schwer zugängliche Gasvorkommen in

3 Bioerdgas im Markt 78

Produktion. Zudem nehmen bereits vor Jahren initiierte neue LNG- und

Pipeline-Projekte ihre Produktion auf. Zahlreiche LNG-Projekte waren

ursprünglich für den nordamerikanischen Markt bestimmt, werden dort

nun aber nicht mehr benötigt. Dieses LNG-Gas könnte nun zum Teil

zusätzlich auf den europäischen Gasmarkt strömen. Auf der Nachfrage-

seite führt gleichzeitig die Krise der Weltwirtschaft zu einem Rückgang

des Verbrauchs. Die jährliche Unterauslastung der weltweiten inter-

regionalen gaswirtschaftlichen Pipeline- und LNG-Kapazitäten steigt

gemäß IEA-Prognose von 60 Mrd. m3 in 2007 auf knapp 200 Mrd. m3 in

der Periode 2012-2015.131

• Ein solcher Käufermarkt mit handelsplatzbasierten Gaspreisen, die

deutlich unter den Importpreisen ölgebundener kontinentaleuropäischer

Langfristverträge notieren, treibt diejenigen Produzenten und Importeure,

die bislang noch (weitgehend) an der Ölpreisbindung festhalten, in die

Enge. Aus Sorge um ihren Marktanteil, aber auch auf der Suche nach

zusätzlichem Gasabsatz zur Auslastung getätigter Investitionen könnte

eine Umgestaltung der relativ teuren Langfristverträge hin zu einer

deutlich höheren Bindung an günstige Spotnotierungen erfolgen.132

unterschiedlichen Formationen darstellen. Die Produktionstechnologie hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, so dass in den Vereinigten Staaten die durchschnittlichen Produktionskosten unkonventionellen Gases unter die konventionellen Gases fielen. Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 391 und 397 f.

131 200 Mrd. m3 entsprechen rund dem Doppelten des gesamten jährlichen deutschen Gasverbrauchs.

132 Der mit einer solchen Umgestaltung der Preisfindung einhergehende Einschnitt ist nicht zu unterschätzen. Die beteiligten Unternehmen müssen ihre Rolle neu definieren. Das kurzfristige Agieren unter weitgehend gegebenen Rahmenbedingungen dürfte den meisten Marktteilnehmern wohl nicht schwer fallen, sobald klar erkennbar wird, welche Preise zukünftig relevant sind (alles andere führte wohl schnell ins betriebswirtschaftliche Abseits). Den neuen Preismechanismen auch so sehr zu trauen, darauf langfristige Weichenstellungen und Investitionen vorzunehmen, sollte dagegen nicht von vornherein als gegeben angenommen werden. Hier könnten sich auch zahlreiche Marktteilnehmer in eine Position des Abwartens begeben, die Investitionen verzögert: „Markets only become credible by the herd behaviour of their participants“ (Clingendael International Energy Programme [CIEP] (2008), S. 4).

3 Bioerdgas im Markt 79

• Das mit dem Überangebot an Gas einhergehende niedrige Preisniveau

könnte mittelfristig zu einer Belebung des Absatzes führen, wenn dadurch

insbesondere im Kraftwerkssegment zusätzliche Nachfrage generiert wird.

Den Boden für eine solche preisliche Entwicklung in Deutschland bereiteten die

neuen Rahmenbedingungen der Gaswirtschaft mit ihren komplett veränderten

Zugangs- und Wettbewerbsmöglichkeiten. Damit könnte sich für die deutsche

Gaswirtschaft Michael E. Porters Diktum schmerzlich bewahrheiten, nach dem

es die Strukturen einer Branche sind, die ihre Profitabilität bestimmen – und

Änderungen der Strukturen damit weitreichende Folgen haben können.133 Die

einbrechenden Unternehmensergebnisse des Branchenführers E.ON Ruhrgas im

Kalenderjahr 2009 könnten davon zeugen: Gegenüber dem Vorjahr sank der

Adjusted EBIT des unregulierten Geschäfts der E.ON Market Unit „Pan-

European Gas“ mit E.ON Ruhrgas als Führungsgesellschaft um 54 % oder

882 Mio. €. Der Hauptgrund hierfür lag im gesunkenen Ergebnis des Gashan-

delsgeschäfts der E.ON Ruhrgas AG, das u. a. in wettbewerbsbedingtem Druck

auf die Verkaufspreise begründet wird.134

Eine fortgesetzte Entwicklung sinkender Gaspreise erschwerte die Wettbewerbs-

fähigkeit von Bioerdgas – als Substitut zu Erdgas wie als eigenständiges grünes

Produkt. In einem Marktumfeld anlegbarer Gaspreise könnte Bioerdgas dagegen

insbesondere in den Segmenten antreten, in denen Erdgas die höchsten Preise

erzielt, beispielsweise bei den Haushalts- und Gewerbekunden.

133 „Industry structure drives competition and profitability, not whether an industry produces a

product or service, is emerging or mature, high tech or low tech, regulated or unregulated.“ (Porter (2008a), S. 3).

134 Vgl. E.ON AG (2010), S. 23.

3 Bioerdgas im Markt 80

3.3.2 Bioerdgas in Konkurrenz zu konventionellem Erdgas Soweit Bioerdgas ohne staatliche Förderung und ohne Sonderregeln und soweit

konventionelles Erdgas in einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt vertrieben

werden, gelten bei Einspeisung am gleichen Punkt bzw. in die gleiche Netzebene

für beide anschließend die gleichen weiteren Kosten für Strukturierung,

Transport und Vertrieb.135 Als Referenzpunkte für die Wirtschaftlichkeit von

Bioerdgas als Erdgassubstitut kommen aufgrund der derzeitigen Umbruchphase

der Gaswirtschaft einerseits die klassischen Importpreise in Frage, deren Abhän-

gigkeit vom Ölpreis Rechnung zu tragen ist (Szenario Ölpreisbindung). Daneben

treten andererseits immer stärker knappheitsgetriebene handelsplatzbasierte

Gaspreise, die ebenfalls mögliche Referenzpunkte für die Wirtschaftlichkeit von

Bioerdgas darstellen, insbesondere falls sie zukünftig die ölgebundenen Preise

auch auf der Importstufe als Preisführer ablösen (Szenario Gaswettbewerb).

Für das Szenario Gaswettbewerb wird nachfolgend das langfristig darstellbare

untere Preisniveau herangezogen, das somit eine untere Preisgrenze für Erdgs

darstellt. Dieses Preisniveau wird – von einem Wettbewerbsmarkt ausgehend –

bestimmt durch die langfristigen Produktionskosten des Grenzanbieters. Markt-

konstellationen mit Marktmacht oder staatlichen Eingriffen könnten auf

Handelsplätzen selbstverständlich zu anderen Ergebnissen als kostenorientierten

Grenzpreisen führen. Gas muss sich jedoch immer gegen andere Substitutions-

energien behaupten. Das dem klassischen Importpreis zu Grunde liegende

Prinzip der Anlegbarkeit (Szenario Ölpreisbindung) bildet diese Substitutions-

beziehung bereits ab und kann deshalb als Obergrenze für Erdgas betrachtet

werden, die auch Produzenten mit monopolistischer Marktmacht nicht länger-

fristig überschreiten können.

135 Falls Bioerdgas direkt ins örtliche Verteilnetz eingespeist und in diesem Netz auch

verbraucht wird, entfiele ein Teil der Transportkosten, der mit weniger als 0,1 Ct/kWh aber vergleichsweise gering wäre (vgl. 3.2.3).

3 Bioerdgas im Markt 81

Falls der Preis von Erdgas, wie im Szenario Gaswettbewerb unterstellt, zukünftig

über Angebot und Nachfrage auf Großhandelsmärkten gebildet werden sollte,

wäre selbst bei Marktmacht der Produzenten eine Preisdifferenzierung in der

bisherigen Form nicht mehr möglich: Für ein Produkt gibt es dann nur einen

Preis. Dieser bestimmt sich durch die Grenznachfrage des Gases – entspricht

idealtypisch also dem Preis der Substitutionsenergie, welche das Erdgas gerade

noch verdrängt. Die durch die Anlegbarkeit generierte zusätzliche Produzenten-

marge (vgl. Abbildung 3.4) kommt nicht mehr zum Tragen.136

Das Szenario Ölpreisbindung basiert auf einer Modellierung der Importkondi-

tionen. Die individuellen preislichen Gestaltungsdetails der Importverträge sind

nicht öffentlich zugänglich. Grundsätzlich kann für für den betrachteten Zeithori-

zont jedoch überwiegend von einer Ölindexierung ausgegangen werden (vgl.

3.3.1), so dass eine positive Korrelation zwischen den veröffentlichten monat-

lichen Grenzübergangspreisen und der Entwicklung des Ölpreises gegeben sein

sollte. Bei den Ölprodukten existiert eine große Vielfalt nicht nur hinsichtlich

verschiedener Produkte (beispielsweise leichtes oder schweres Heizöl mit jeweils

unterschiedlichen Schwefelgehalten), sondern auch hinsichtlich der Notie-

rungsorte (beispielsweise internationale Notierungen mit Lieferort Rotterdam

oder deutsche Notierungen des Statistischen Bundesamtes für Rheinschiene-

Lieferungen oder Lieferungen in Hamburg oder München). Ausgangsstoff für die

verschiedenen Produkte ist jeweils Rohöl. Als für Europa relevanter Leitpreis für

Rohöl gelten die in Dollar je Barrel ($/bbl) notierten Preise der Sorte Brent.

136 Entsprechend kann es nicht verwundern, dass Produzenten wie Gazprom zumindest

öffentlich (noch) vehement an der Ölpreisbindung festhalten und Gazprom-CEO Alexei Miller erklärt, es seien „extravagant ideas that we may connect the natural gas price to a spot gas market price“ (vgl. ICIS Heren (2009)). Andererseits gründen sich die auf Wachstum setzenden Hoffnungen einer vermehrten Nachfrage nach Erdgas auf einen verstärkten Einsatz in der besonders preissensiblen Stromerzeugung, in der das vergleichsweise klimafreundliche Erdgas Kohle verdrängen könnte. Vgl. beispielsweise die Energieprognose der ExxonMobil für die Jahre 2009-2030, ExxonMobil Central European Holding GmbH (2009), S. 5 f. Dafür müsste Erdgas – unter Berücksichtigung vermiedener CO2-Zertifikatskosten und geringerer Kraftwerksinvestitionen – preislich mit Kohle konkurrieren.

3 Bioerdgas im Markt 82

Diese Brentpreise werden nachfolgend – in Euro umgerechnet – zu den Grenz-

übergangspreisen in Beziehung gesetzt. Dabei wird (als Hypothese) auf eine bei

Schiffer angeführte lineare Beziehung zwischen Öl- und Gasimportpreisen

zurückgegriffen, bei der die Ölpreise der zurückliegenden neun Monate jeweils

als arithmetisches Mittel in den sich monatlich ändernden Gaspreis einfließen.137

Diese Art der Indexierung, die Abbildung 3.6 illustriert, wird auch als Preisan-

passungsrhythmus 9-0-1 bezeichnet.138 Abbildung 3.7 zeigt die Ergebnisse des

modellierten Grenzübergangspreises139 im Vergleich zu den veröffentlichten

Werten.

137 Vgl. Schiffer (2008), S. 364 ff. 138 9-0-1 ist wie folgt zu lesen: Der Gaspreis errechnet sich in Abhängigkeit des arithmetischen

Mittels der Ölpreise aus 9 Monaten. Es handelt sich dabei um die neun Monate, die unmittelbar dem Preisanpassungstermin des Gases vorangehen, also beispielsweise bei einer Gaspreisanpassung zum 1. November um die Monate Februar bis Oktober (das Time-lag beträgt mithin 0 Monate; ein Time-Lag von beispielsweise einem Monat hätte dagegen zur Folge, dass der erste dem Preisanpassungstermin vorausgehende Monat übersprungen würde, bei einer Preisanpassung zum 1. November also die Monate Januar bis September herangezogen würden). Der so berechnete Gaspreis gilt jeweils für 1 Monat, wird also jeden Monat neu angepasst (bei quartärlicher Preisanpassung nähme die letzte Ziffer dagegen den Wert 3 an).

139 Die Abschätzung der linearen Abhängigkeit des Gaspreises vom Ölpreis erfolgt über einfache lineare Regression, Methode der kleinsten Quadrate, auf Basis der Zeitreihen der Gaspreise und Öl-Referenzpreise von Januar 1993 bis September 2009, in der aufgrund signifikanter Tests auf Heteroskedastizität und Autokorrelation Newey-West Standardfehler verwendet werden, die unter diesen Bedingungen konsistente Hypothesentests gewährleisten (vgl. Hill et al. (2008), S. 235 und Griffiths et al. (2008) S. 174). Die als Monatswerte von der U.S Energy Information Administration veröffentlichten Rohölpreise (vgl. Energy Information Administration [eia] (2010)) werden mittels korrespondierenden monatlichen Referenzkursen der Europäischen Zentralbank EZB von $/bbl in €/bbl umgerechnet. Geschätzt wird die Beziehung P = α + βX mit P als Gaspreis und X als Brent-Referenzwert gemäß Preisanpassung 9-0-1, wobei eine lineare Beziehung zwischen Öl- und Gaspreis als statistisch hoch signifikant einzustufen ist (vgl. Probability-Werte in Tabelle in Abbildung 3.7).

3 Bioerdgas im Markt 83

Abbildung 3.6: Preisanpassungsrhythmus 9-0-1 illustriert

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 3.7: Grenzübergangspreis Ist-Daten und modellierte Werte

Quelle: Eigene Darstellung.

3 Bioerdgas im Markt 84

Die modellierte Formel für den Grenzübergangspreis ist nun – bei gegebenem

Umrechnungskurs $/€ – in Abhängigkeit vom dollarbasierten Ölpreis darstellbar,

so dass unterschiedlichen Ölpreisen die korrespondierenden ölindexierten Gas-

importpreise zugeordnet werden. Die Produktionskosten von Bioerdgas und von

konventionellem Erdgas lassen sich c. p. (als starke Annahme ist insbesondere

eine Abhängigkeit vom Ölpreis ausgeblendet140) diesen Preisen gegenüberstellen

und Break-Even-Punkte identifizieren, ab denen Bioerdgas und konventionelles

Erdgas im Szenario Ölpreisbindung wirtschaftlich sind (Kostendeckung bei

Grenzübergangspreisniveau). Für konventionelles Erdgas lassen sich unter-

schiedliche Kosten verschiedener Vorkommen heranziehen, welche gleichzeitig

für das Szenario Gaswettbewerb als Indikatoren für potentielle grenzkosten-

basierte Spotpreisniveaus betrachtet werden, die sich wiederum mit den Produk-

tionskosten von Bioerdgas vergleichen lassen (vgl. Abbildung 3.8):

Die Kosten der Produktion, Aufbereitung und Einspeisung von Bioerdgas

werden gemäß Kapitel 2.3 angesetzt. Betrachtet wird gemäß Tabelle 2.3

einmal die günstigste Variante für eine Anlage, die hauptsächlich mit

nachwachsenden Rohstoffen betrieben wird (Gülle 10/NaWaRo 90), und

einmal die Variante eines hauptsächlichen Gülleeinsatzes

(Gülle 90/NaWaRo 10). Die Kosten betragen im ersten Fall 6,33 Ct je

eingespeister kWh Bioerdgas und im zweiten Fall 5,45 Ct/kWh.

Für die Abschätzung der Kosten konventionellen Erdgases werden die

Untersuchungen der Internationalen Energie Agentur aus dem World

Energy Outlook 2009 für verschiedene Gasvorkommen herangezogen:141

– Konventionelles Erdgas: Die Produktionskosten für die leichter

zugänglichen Felder liegen zwischen 0,5 und 6,0 $/MBtu142; die

140 Dies bedeutet für Bioerdgas eine vereinfachende Annahme, die zu optimistischen

Kostenstrukturen führt. Eine realistischere Annahme einer positiven Abhängigkeit der Bioerdgas-Kosten vom Ölpreis (Einsatz von Kunstdüngern, Treibstoff, etc.) führte zu Bioerdgas-Preiskurven, die nicht horizontal, sondern ansteigend verliefen. Die dargestellten Schnittpunkte der Kurven der Bioerdgas-Kosten mit dem ölpreisabhängigen Erdgaspreis verschöben sich dann in Richtung höherer Ölpreise nach rechts.

141 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 416 f.

3 Bioerdgas im Markt 85

verbleibenden erschließbaren Ressourcen143 dieser Felder betragen

55.000 Mrd. m3 (zum Vergleich: der weltweite Verbrauch an

Erdgas im Jahr 2008, der nicht nur Vorkommen dieser Felder

umfasste, betrug 3.150 Mrd. m3)144; weitere 220.000 Mrd. m3

zwischen 3,1 und 10,0 $/MBtu machen Sauergase aus, deren

Produktionskosten denen unkonventionellen Erdgases ähneln und

deshalb nicht separat in der Abbildung aufgenommen sind.

– Unkonventionelles Erdgas: Die Produktionskosten liegen zwischen

2,7 und 9,0 $/MBtu; die verbleibenden erschließbaren Ressourcen

betragen 380.000 Mrd. m3, die sich aufteilen auf 110.000 Mrd. m3

Tigth Gas, 180.000 Mrd. m3 Shale Gas und 90.000 Mrd. m3

Coalbed Methane.

– Weitere Vorkommen, deren Preise nicht in der Grafik aufgeführt

sind: Die Produktionskosten betragen für arktische Vorkommen

(50.000 Mrd. m3) zwischen 3,8 und 12 $/MBtu und für

Tiefwasser-Vorkommen (80.000 Mrd. m3) zwischen 5 und

11 $/MBtu; die Methan-Vorkommen in Gashydraten werden von

der IEA noch nicht betrachtet, da deren wirtschaftliche Gewinnung

bislang noch nicht unter Beweis gestellt werden konnte.

Die Transportkosten betragen nach IEA für Pipeline-Transporte zwischen

0,3 und 1,2 $/MBtu je 1.000 km und für LNG zwischen 3,1 und

4,7 $/MBtu.145

Als weiteren Kostenbestandteil bezieht ein dargestellter Fall CO2-Kosten

konventionellen Erdgases ein. Dabei wird nicht nur auf die CO2-Differenz

zwischen konventionellem Erdgas und Bioerdgas abgestellt, sondern auf

142 Million british thermal units; 1 MBtu entspricht rd. 293 kWh; die hier aus International

Energy Agency [IEA] (2009b) wiedergegebenen $/Mbtu-Werte sind in Abbildung 3.8 in €-Ct/kWh umgerechnet.

143 Remaining recouverable ressources, vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 392. 144 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 88. 145 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 417.

3 Bioerdgas im Markt 86

die gesamten CO2-Emissionen konventionellen Erdgases (245 g/kWh, vgl.

2.4.2), die mit einem hohen, für die Wirtschaftlichkeit von Bioerdgas

günstigen CO2-Preis von 30 €/t146 bewertet werden.

Abbildung 3.8: Wirtschaftlichkeit von Bioerdgas ggü. konventionellem Erdgas

Quelle: Eigene Darstellung. Für Herleitung Grenzübergangspreis vgl. Abbildung 3.7, für Produktionskosten Bioerdgas Tabelle 2.3, für Produktionskosten Erdgas International Energy Agency [IEA] (2009b) S. 417, für Devisenkurse Deutsche Bundesbank (2009), für Rohölpreise Energy Information Administration [eia] (2010) und für IEA-Ölpreis-Prognose International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 64.

Wie aus Abbildung 3.8 ersichtlich, ist Bioerdgas auf Basis von nachwachsenden

Rohstoffen (Gülle 10/NaWaRo 90), auf denen die Ausbaubestrebungen ruhen, in

Szenario Ölpreisbindung erst ab einem Ölpreis von 230 $/bbl Brent wirtschaft-

lich. Für Bioerdgas auf Basis von Gülle (Gülle 90/NaWaRo 10) liegt dieser Wert

bei 197 $/bbl. Im Vergleich zu einem möglichen Spotpreisniveau im Szenario

Gaswettbewerb, welches sich an den langfristigen Produktionskosten konventio-

nellen Erdgases orientierte, käme Bioerdgas selbst gegenüber den teureren der 146 Der Höchststand der europäischen Emissionshandelszertifikate der zweiten Handelsperiode

im Jahre 2008 betrug rund 30 €/t. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise verloren die Zertifikate dann bis Ende des Jahres dramatisch an Wert und notierten Anfang 2009 zwischenzeitlich unter 10 €/t (vgl. Parker (2010), S. 4 f.).

3 Bioerdgas im Markt 87

unkonventionellen Vorkommen, welche per LNG transportiert und zudem noch

mit den vollen Kosten der CO2-Emissionen von Erdgas belastet würden, nicht

zum Zuge. Vielmehr bliebe selbst in diesem teuersten Falle ein Fehl zur

Wirtschaftlichkeitsschwelle für Bioerdgas auf NaWaRo-Basis von 2,4 Ct/kWh.

Für Bioerdgas auf Gülle-Basis beträgt dieses Fehl 1,5 Ct/kWh.

Bei einer Einbeziehung der CO2-Emissionen haben variierende CO2-Preise

gegenüber den hier betrachteten 30 €/t Auswirkungen auf die Wirtschaftlich-

keitsbetrachtungen. Abbildung 3.9 stellt die Break-Even CO2-Preise dar, die bei

den einzelnen Gas-Produktionskosten-Szenarien notwendig wären, um die

Wirtschaftlichkeitsschwelle für Bioerdgas unter der Maßgabe zu erreichen, dass

Bioerdgas als regenerative Energie selbst CO2-Emissionen von Null aufzuweisen

hätte und Erdgas in der Gegenüberstellung mithin die gesamten CO2-Emissionen

angelastet würden und nicht nur eine Differenz zu den Emissionen von Bioerd-

gas.147 Selbst im für Bioerdgas günstigsten Falle der teureren der unkonventio-

nellen Ressourcen mit LNG-Transport läge dieser Break-Even CO2-Preis für die

NaWaRo-Variante mit 127 €/t um ein Vielfaches über aktuellen Preisen des CO2-

Emissionshandels.

147 Für die CO2-Emissionen bestehender Biogas-Anlagen vgl. 2.4.2.

3 Bioerdgas im Markt 88

Abbildung 3.9: CO2-Break-Even-Preise für Bioerdgas

Quelle: Eigene Darstellung (für Annahmen vgl. Abbildung 3.8).

Falls die nicht gegebene Wirtschaftlichkeit durch staatliche Subventionierungen

von Bioerdgas überwunden werden sollten, haben diese beachtlich auszufallen,

wie aus Abbildung 3.10 hervorgeht. Bei einem Rohölpreisniveau wie im Jahre

2008 von 62 $/bbl erforderte die Erreichung des staatlich gesetzten Bioerdgas-

Einspeiseziels von 10 Mrd. m3 eine jährliche Förderung von 4,5 Mrd. € (bzw. bei

Berücksichtigung von CO2-Kosten von 30 €/t für Erdgas und keinen CO2-Kosten

für Bioerdgas 3,8 Mrd. €). Bei dem von der IEA für 2030 erwarteten Rohölpreis-

niveau von 115 $/bbl wären es im Falle ohne CO2 jährlich 3,1 Mrd. € und im

Falle mit CO2 2,3 Mrd. €. Die auf das Jahr 2008 bezogenen 4,5 Mrd. EUR

entsprechen 0,52 Ct/kWh bezogen auf den jährlichen Primärenergieverbrauch an

Erdgas in Deutschland (vgl. Tabelle 2.2). Bei einem Ölpreisniveau entsprechend

dem Jahre 2008 könnte die gewünschte Produktion und Einspeisung von Bioerd-

gas also über Subventionen erreicht werden, deren Höhe – bei einer Finanzierung

dieser Subventionen über alle Gaskunden – in etwa der gegenwärtigen Mineral-

ölsteuer auf Erdgas in Höhe von 0,55 Ct/kWh entspräche.

3 Bioerdgas im Markt 89

Abbildung 3.10: Jährlicher Subventionsbedarf von Bioerdgas

Quelle: Eigene Darstellung.

Soweit Bioerdgas und Erdgas als homogenes Gut wahrgenommen werden,

besteht für Bioerdgas keine Erfolgsaussicht, sich gegen Erdgas zu behaupten.

Bioerdgas wäre eine technisch machbare, aber wirtschaftlich nicht rationale

Option der Gaserzeugung. Soweit die Konsumenten Bioerdgas jedoch als ein von

Erdgas differenziertes Produkt erachten, könnten höhere Zahlungsbereitschaften

vorliegen.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 90

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt

4.1 Grüne Produkte und Konsumentenethik

(Moralische) Präferenzen zumindest eines Teils der Konsumenten könnten

Bioerdgas einen eigenständigen Markt als grünes Produkt eröffnen.

„Grünes Produkt“ ist ein eher schillernder Begriff mit inflationären Tendenzen,

wobei die originäre Konnotation auf eine im Verhältnis zu vergleichbaren

Produkten relative Umweltfreundlichkeit eines Produktes abstellt oder – pathe-

tisch ausgedrückt – „just had to do with saving the planet“148. Was genau als

grünes Produkt qualifiziert, bleibt unbestimmt. Anbieter von „Grünstrom“

beispielsweise treten mit sehr unterschiedlichen Produkten an, die sich in der

Erzeugung voneinander abgrenzen (ist beispielsweise der Strom aus alten

Bestandswasserkraftwerken als „grüner“ Strom zu behandeln oder nicht?) als

auch in der Wirkung der Produkte (kommt es beispielsweise „nur“ zu einer

Verbesserung der persönlichen CO2-Bilanz des Käufers oder wird auch ein

Beitrag zur globalen CO2-Bilanz geleistet?).149 Im Rahmen dieser Arbeit soll

unter einem „grünen“ Produkt Bioerdgas eine Vermarktung nicht als Erdgassub-

stitut sondern als eigenständiges Produkt verstanden werden, welches ein preis-

liches Premium gegenüber Erdgas realisiert, in dem sich eine Präferenz des

Käufers spiegelt, die sich wesentlich gründet auf eine wahrgenommene höhere

Umweltfreundlichkeit bzw. Nachhaltigkeit.

148 Mercier (2009). 149 Vgl. Bode (2009). Eine Untersuchung verschiedener Ökostrom-Tarife durch ÖKO-TEST

zeigte, dass zahlreiche Ökostrom-Angebote einer strengen Definition, nach der ökologisch korrekter Strom in Anlagen zu erzeugen ist, die aufgrund der Ökostrom-Nachfrage zusätzlich errichtet werden, nicht standhalten (vgl. Claßen et al. (2010)).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 91

Verschiedene Dimensionen von Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit lassen

sich nicht allgemein konsensfähig zu einer einzigen Kennzahl verdichten (vgl.

Ausführungen zur Ökobilanz unter 2.4). Individuelle Präferenzen für Bioerdgas

könnten in unterschiedlichsten Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten begründet

liegen: Für einen Konsumenten mag die Klimabilanz ganz im Vordergrund

stehen. Ein anderer könnte Bioerdgas völlig losgelöst von der Klimabilanz

dadurch einen Wert beimessen, dass es dem Ideal eines Erntens nachwachsender

Ressourcen entspricht, welches zu keinem Verzehr in Bezug auf menschliche

Zeithorizonte nicht regenerierbarer fossiler Ressourcen führt. Für wieder einen

anderen Konsumenten könnte Bioerdgas das Unbehagen nehmen, das aus dem

Konsum importierter fossiler Brennstoffe aus Ländern resultiert, deren Öl- und

Gasreichtümer nicht zu allgemeinem wirtschaftlichen Aufschwung und

Wohlstand führten, sondern die Entwicklung der Länder eher hemmten und die

Kluft zwischen Reichtum und Elend weiter wachsen ließen.150 So appelliert

„WorldChanging : Das Handbuch der Ideen für eine bessere Zukunft“, welches

durch ein Vorwort des ehemaligen US-Vizepräsidenten und Friedensnobelpreis-

träger Al Gore prominente Unterstützung erfährt:

„Wir können die Veränderungen [hin zu Nachhaltigkeit] schneller herbeiführen, indem wir mit unserer Kaufkraft entscheiden und zeigen, dass wir nach ‚klügeren’ Produkten verlangen, die uns mehr Qualität und weniger Schuldgefühle geben, und indem wir bereit sind, unseren Worten an der Kasse Taten folgen zu lassen.“151

Eindringlich und dem einzelnen Adressaten viel abverlangend äußert sich in

Richtung Konsumentenethik auch Papst Benedikt XVI in seiner Enzyklika

„Caritas in veritate“:

„Es ist gut, daß sich die Menschen bewußt werden, daß das Kaufen nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung ist. Die Konsu-

150 Vgl. Collier (2008), S. 58-76, und Seifert/Werner (2005), S. 187-190. Emotional besonders

eindringlich sind filmische oder photografische Auseinandersetzungen mit dieser Thematik, vgl. für letztere etwa Effendi (2009).

151 Steffen (2008), S. 32.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 92

menten haben daher eine klare soziale Verantwortung, die mit der sozialen Verantwortung des Unternehmens einhergeht.“152

In ökonomischer Einordnung darf individuelles nachhaltiges Handeln nicht

dahingehend missverstanden werden, es könne eine adäquate Wirtschaftsordnung

ersetzen: Selbst ein Utopia, in dem alle Menschen tatsächlich nur nach moralisch

höchsten Handlungen strebten, müsste an der Unmöglichkeit menschlicher

Allwissenheit scheitern: Den einzelnen Menschen fehlt zwangsläufig das Wissen,

welche Handlung den größten Beitrag zum Gemeinwohl liefert.153 Entsprechend

postuliert Walter Eucken: „Von den Menschen darf nicht gefordert werden, was

allein die Wirtschaftsordnung leisten kann: ein harmonisches Verhältnis

zwischen Einzelinteresse und Gesamtinteresse herzustellen.“154 Dies wird umso

einleuchtender, wenn Moral, wie bei Hermann Lübbe, als eine knappe Ressource

verstanden wird, die sich bei permanenter Herausforderung erschöpft. Dies wäre

der Fall, wenn jede einzelne Kaufentscheidung und nicht nur besondere Fälle, in

denen sich der Einzelne engagieren möchte, als moralische Handlung empfunden

würde, da es dann kaum noch möglich wäre, die Moral dadurch zu stützen, „ein

Maximum alltäglicher Lebensvollzüge gewissensentspannt [zu] halten“155.

Allerdings unterliegt der bestehende Ordnungsrahmen beständig Veränderungen.

In derartigen Prozessen sehen Goldschmidt/Habisch (2010) moralischen Konsum

als Beispiel individueller Verantwortungsübernahme, welche es von der

Ordnungsethik „als Motor für verbesserte Regeln“ wiederzuentdecken gelte.156

Individuelles nachhaltiges Handeln lässt sich in diesem Kontext als potentielles

Vorbild zukünftig verallgemeinerter Handlungsregeln begreifen, wobei es in

Wettbewerben mit anderen gesellschaftlichen Interessen um öffentliche

Aufmerksamkeit und Durchsetzbarkeit in allgemeine Regeln steht. In Anlehnung

152 Benedikt XVI (2009), Ziff. 66, Hervorhebung durch den Verfasser. 153 Vgl. Eucken (2004), S. 367, und Matthews (1981), S. 290 ff. 154 Eucken (2004), S. 368. 155 Lübbe (1987), S. 106 f. 156 Vgl. Goldschmidt/Habisch (2010).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 93

an Hayek ist ein Prozess skizzierbar, in dem Mitglieder der Gesellschaft in Bezug

auf gesellschaftliche Konventionen austarieren, „welche Güter knapp, oder

welche Dinge Güter sind, oder wie knapp oder wertvoll sie sind“:157 Wird

beispielsweise echter Pelz geächtet oder nicht?158 Systemtheoretisch (vgl. 2.4.1)

kann es bei ausreichender Aufmerksamkeit gelingen, ethische Anliegen in den

wirtschaftlichen Code zu integrieren – als Wählermobilisierung über die Politik

oder direkt über eine Beziehung zwischen Kunden bzw. Stakeholdern und

Unternehmen.159 Individuellem (moralischem) Handeln kann so eine Vorbild-

und Multiplikatorrolle zukommen.160 Dieser idealtypisch dargestellte Prozess, in

welchem „ein intrinsisch motivierter Antrieb des Handelns“161 zur Übernahme

individueller Verantwortung führt, bürgt im Einzelfall natürlich nicht für eine

bestimmte Qualität der Ergebnisse: Gutmeinende Konsumenten etwa können

inhaltlich irren hinsichtlich vorschnell unterstellter Umweltbeeinträchtigungen

und trotzdem einen solchen (medialen) Druck auf Unternehmen ausüben, dass

diese kostenträchtige Nonsens-Anforderungen übernehmen. Trotz unvermeid-

licher Fehlschläge lässt ein solcher Wettbewerb der Ideen insgesamt aber auf

wertvolle gesellschaftliche Beiträge hoffen.

157 Hayek (1968), S. 7. 158 In England sah sich sogar die Queen veranlasst mitzuteilen, dass sie zukünftig (weitgehend)

auf echten Pelz verzichten werde. Vgl. Der Spiegel (2000). 159 Ein Abwandern von Käufern zu (teureren) Ökoanbietern könnte beispielsweise

konventionelle Produzenten veranlassen, auf umweltfreundlichere Produktionsprozesse umzustellen. Bei entsprechender Massenproduktion und weiteren Innovationen sind diese am Ende ggf. nicht einmal kostenintensiver als die bisherigen Prozesse oder gar günstiger. Kundenverhalten könnte in solchen Fällen auf Unternehmen vergleichbare Wirkungen haben wie Regulierungen, die nach Michael E. Porter oftmals notwendig sind, um Unternehmen zu Innovationen zu motivieren. Porter verweist insbesondere auf begrenzte Informationen, Zeit und Aufmerksamkeit, die dazu führen, dass Unternehmen selbst profitable umweltfreundliche Innovationen unterlassen. Vgl. Porter (2008b), S. 359.

160 Soweit nachhaltiges individuelles Handeln in Situationen von (staatlich bislang nicht adressiertem) Marktversagen erfolgt, kann es zu einem Abmildern von Marktdefiziten führen. Beispielsweise können negative externe Effekte so geringer ausfallen, als nach rein marktimmanentem Kalkül entsprechend dem gegebenen Preissystem zu erwarten wäre.

161 Kromka (2008), S. 216.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 94

Die Bereitschaft selbst der Menschen, die grundsätzlich bereit sind, zur Gewähr-

leistung öffentlicher (Umwelt-)Güter freiwillige Beiträge zu leisten, kennt nicht

zuletzt aufgrund der Trittbrettfahrerproblematik Grenzen: Der Bezieher eines

grünen Produktes hat die vollen Kosten des Konsums zu tragen, den Klima-

schutznutzen erfährt er jedoch nur anteilig in gleicher Höhe wie sein Nachbar,

der sich nicht an den Klimaschutzbemühungen beteilgt. Roland Menges und

Stefan Traub kommen entsprechend bei der experimentellen Untersuchung von

Zahlungsbereitschaften für Ökostromprodukte zu dem Ergebnis, dass die indivi-

duelle Zahlungsbereitschaft für eine staatliche Förderung von Ökostrom, bei der

sich über Steuern alle an der Finanzierung beteiligen und ein Trittbrettfahren

ausgeschlossen ist, auch bei klarem Bewusstsein der persönlichen Belastung aus

dieser Steuer (keine Kostenillusion) wesentlich höher ausfällt als für freiwillige

Ökostrom-Angebote über den Markt.162

Auf der Angebotsseite könnte Bioerdgas über die Bedienung der besonders

zahlungsbereiten grünen Avantgarde hinaus aus strategischen Erwägungen

zusätzliche Impulse erfahren: Erdgasunternehmen könnten bestrebt sein, ihr

Unternehmen bzw. ihr fossiles Produkt durch den ergänzenden Vertrieb von

Bioerdgas in der Wahrnehmung von Konsumenten und Stakeholdern163 nachhal-

tiger zu positionieren und so auch den Absatz von Erdgas langfristig zu sichern.

4.2 Ergrünen von Erdgasunternehmen durch Bioerdgas

Erdgas gehört zu den fossilen Energien, die im Kontext von Klimawandel und

Endlichkeit natürlicher Ressourcen teils empathisch vorgetragener moralischer

Kritik ausgesetzt sind. Scharf ins Gericht mit den großen deutschen Energie-

unternehmen, die auch zu den größten Erdgaslieferanten zählen, geht beispiels-

162 Vgl. Menges/Traub (2008). 163 Nach Freeman sind Stakeholder definiert als „any group or individual that can affect or is

affected by the achievement of a corporation’s purpose“. Vgl. Freemann (2004), S. 229.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 95

weise Sven Giegold, Mitbegründer von Attac Deutschland und Europaabgeord-

neter der Grünen, der als Einleitung zum Kapitel „Die Zukunft der Energie“ im

2009er „Atlas der Globalisierung“ von LE MONDE diplomatique schreibt:

„Nur ein schneller Umstieg auf erneuerbare Energien kann die drohenden katastro-phalen [klimatischen] Entwicklungen noch abwenden. Deshalb sind die Bremser so gefährlich. Das sind in Deutschland zuerst und vor allem die vier großen Energiekonzerne, die immer noch 80 Prozent der Stromerzeugung kontrollieren. Sie betreiben hoch subventionierte Atom- und Kohlekraftwerke. Sie tun, was sie können, um den Umstieg auf grünen Strom zu verzögern oder gar zu verhindern.“164

Kumi Naidoo, Direktor von Greenpeace International, erklärt, beim Klimawandel

habe die Umweltbewegung „mit der Industrie der fossilen Energien die weltweit

am besten organisierte und einflussreichste Lobby gegen [sich]“165. Ähnlich

argumentieren Brunnengräber et al.:

„Nach zweieinhalb Jahrzehnten Klimapolitik ist jedenfalls zu bezweifeln, dass die erforderlichen und dem Klimawandel angemessenen Maßnahmen auf internationalem Parkett in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen erzielt werden können. [...] Es ist zu vermuten, dass den mächtigen fossilistischen Interessen in Markt, Staat und Gesell-schaft, die die energiepolitische Wende zu verhindern suchen, nur über soziale Ausein-andersetzungen und eine breite Öffentlichkeit begegnet werden können.“166

Wie sehr gesellschaftliche Auseinandersetzungen in Bezug auf Operationsweisen

eines Unternehmens relevant werden können, hat besonders plastisch die

Auseinandersetzung zwischen Greenpeace und Shell um die Versenkung der

Nordsee-Ölplattform Brent Spar im Sommer 1995 verdeutlicht. Am Ende stand

ein Sieg der Umweltbewegung Greenpeace über den Großkonzern Shell: Nach

Konsumentenboykotten beugte sich das Unternehmen dem geschickt

orchestrierten öffentlichen Druck und verzichtete auf eine Versenkung der

Plattform.167 Die zunehmende Verbreitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung

von Unternehmen, die mittlerweile von sämtlichen DAX-30-Unternehmen

praktiziert wird,168 kann als Beleg dafür gedeutet werden, dass Corporate Social

164 Giegold (2009), S. 70. 165 die tageszeitung [taz] (2010), Hervorhebung durch den Verfasser. 166 Brunnengräber et al. (2008), S. 126. 167 Vgl. Klaus (1997). 168 Vgl. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH/gemeinnützig und future

e.V. - verantwortung unternehmen (2007), S. 7-11 und 29 f.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 96

Responsibility an Bedeutung gewinnt und Unternehmen hoffen, durch nachhal-

tige Projekte ihre Reputation gegenüber Stakeholdern zu verbessern.169

Für Anbieter fossiler Energie können regenerative Energien zu Projekten

gehören, die gemäß dem Ansatz des Shared-Values gesellschaftliche Anliegen

unterstützen und gleichzeitig Wert für das Unternehmen erzeugen:170

Gesellschaftliches Umwelt-Engagement wäre verbunden mit eigenem Know-

How-Aufbau im Bereich eines (potentiellen) Zukunftssegments.

Für Erdgasunternehmen könnte es mithin Gründe geben, auch dann in ein grünes

Produkt Bioerdgas zu investieren, wenn dies nach kaufmännischen Gesichts-

punkten, die rein auf den Bereich Bioerdgas fokussieren, nicht gerechtfertigt

erschiene. Ergrünten die jeweiligen Unternehmen wie die Branche insgesamt in

der Wahrnehmung von Konsumenten und Politikern, ließe dies auf Absatz-

sicherung auch der fossilen Produkte hoffen. Ob und in welchem Ausmaß eine

solche Absatzsicherung auch die laufende Subventionierung der variablen

Kosten eines grünen Produktes rechtfertigt, dürfte stark vom Geschäftsmodell

und Zeithorizont der jeweiligen Unternehmen abhängen. Ein auf Großmärkte und

Börsen fokussierter Erdgashändler unterscheidet sich hier sicherlich vom lokal

auf Kundenbindung fokussierten Stadtwerk.

Notwendige Bedingung für entsprechende grüne Imagestrategien ist, dass Bio-

erdgas tatsächlich ein nachhaltiges und in den Augen der Verbraucher (jenseits

seiner Wirtschaftlichkeit) gegenüber fossilen Energien vorzugswürdiges Produkt

darstellt. Dass Bioerdgas aus biogenen Stoffen gewonnen wird, spricht grund-

sätzlich für eine solche Sichtweise. Dem gegenüber steht allerdings eine poten-

169 In den Hintergrund scheint hierbei zu rücken, dass Unternehmen an sich bereits einen

positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten: „The most important thing a corporation can do for society, and for the community, is contribute to a prosperous economy.“ Porter (2008c), S. 498.

170 Vgl. Porter (2008c), S. 480 f. und 486 f.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 97

tielle Nutzungskonkurrenz landwirtschaftlicher Flächen zwischen Bioenergie und

Nahrung, die zu der Frage führt, ob Bioenergie den Hunger in der Welt

verschärft oder zumindest ein Grund ist, dass Unterernährung nicht weiter als

eigentlich möglich reduziert wird.

4.3 Nutzungskonkurrenzen mit der Nahrungsmittelproduktion um Landflächen

Bioenergien wie Bioerdgas, Biodiesel oder Bioethanol verknüpfen zunehmend

Energie- und Agrarmärkte miteinander. Eine Ackerfläche, auf der Energiemais

für eine Biogasanlage wächst, steht nicht gleichzeitig für die Nahrungsmittel-

produktion zur Verfügung. Die Preisrallys 2007/2008 auf Nahrungsmittel- wie

Energiemärkten (vgl. Abbildung 4.1) rückten beide Waren in die öffentliche

Aufmerksamkeit. Die hohen Nahrungsmittelpreise waren eines der wichtigsten

Themen des G8-Weltwirtschaftsgipfels im Juli 2008 im japanischen Toyako.171

Sie wurden von verschiedenen Seiten in den direkten Zusammenhang mit der

Produktion von Biokraftstoffen und damit den Entwicklungen auf den volatilen

Energiemärkten gebracht. Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie

Wieczorek-Zeul erklärte: „Der Konflikt zwischen Nahrungsmittelanbau für die

Energieerzeugung und Nahrungsmittelanbau, um Menschen vom Hunger zu

befreien, muss zugunsten des Rechts auf Nahrung gelöst werden.“172 Perus

Präsident Alan García sprach von einem „Selbstmord der Menschheit“ in Bezug

auf die Umstellung der Landwirtschaft von Lebensmitteln auf Biokraftstoffe.173

Die Commodity-Preise für Weizen und Mais erreichten parallel zu steigenden

Energiepreisen zwischenzeitlich Werte, die um rund 300 % über denen im Januar

2006 lagen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten

Nationen (FAO) charakterisiert diese Preisentwicklung bei den Nahrungsmitteln

als bedeutendsten Preisanstieg seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhun- 171 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2008c). 172 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2008b). 173 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2008a).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 98

derts.174 Anfang 2008 herrschten Hungersnöte u. a. in Haiti, Indonesien,

Ägypten und Senegal. In 37 Ländern kam es zu Aufständen und

Demonstrationen, darunter im März 2008 in Kamerun mit mehr als 100 Toten.175

Abbildung 4.1: Relative Preisentwicklung Brent, Mais und Weizen

Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus Energy Information Administration [eia] (2010), Food and Agriculture Organization of the United Nations [FAO] (2010a) und Food and Agriculture Organization of the United Nations [FAO] (2010c).

Jean Ziegler, von 2000 bis 2008 UN Sonderberichterstatter für das Recht auf

Nahrung, klassifiziert die Umwandlung landwirtschaftlicher Produkte in Energie

als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“176 und als ein Element einer zuneh-

menden Aversion der Menschen der südlichen Länder gegen die westlichen

Gesellschaften. Um den 50-Liter-Tank eines Mittelklassewagens mit Bioethanol

zu füllen, werde Mais in einer Menge verbrannt, von der ein Kind in Mexico

oder Sambia ein Jahr lang leben könne. Den Produzenten und Vermarktern von

Bioerdgas sollte gegenwärtig sein, dass sich entsprechende Zahlen auch für den 174 Vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations [FAO] (2009), S. 22. 175 Vgl. Sinn (2008), S. 238 und 244 f. 176 Ziegler (2009), S. 257.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 99

Maiseinsatz zur Erzeugung von Bioerdgas für eine bestimmte Anzahl von Heiz-

stunden eines mittleren Einfamilienhauses errechnen und in einer Mobilisierung

gegen ihr Produkt oder Unternehmen verwenden lassen.

Donald Mitchell kommt in einer Weltbank-Studie zu dem Ergebnis, dass

verschiedene Faktoren für die Preisdynamik der Nahrungsmittel verantwortlich

waren, darunter höhere Energiepreise, die sich über steigende Preise für Trakto-

rentreibstoff und Düngemittel sowie steigende Transportkosten bemerkbar

machten, und ein schwacher Dollar. Bis zu 75 % der Preisanstiege der von ihm

betrachteten Nahrungsmittel-Commodities im Zeitraum Januar 2002 bis Juni

2008 seien jedoch direkt oder indirekt auf die zugenommene Produktion von

Biokraftstoffen zurückzuführen, welche wesentlich durch staatliche Subven-

tionen in den USA und Europa begünstigt wurde: Die Nutzung von Mais zur

Produktion von Ethanol hat sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts vervielfacht

und machte im Jahr 2007 86 Mio. t oder 11 % der weltweiten Maisproduktion

aus. Im Zuge der durch Biokraftstoffe getriebenen Nachfragesteigerung nach

Mais und Ölfrüchten wurden Landflächen umgewidmet und andere Feldfrüchte

wie Weizen und Sojabohnen verdrängt, so dass auch hier eine zunehmende

Knappheit zu anziehenden Preisen führte. Für weiteren Preisauftrieb sorgten im

Verlauf der Nahrungsmittelkrise von verschiedenen Staaten wie Argentinien,

Indien, Ukraine und Russland erlassene Exportbeschränkungen, welche die

heimische Versorgung sichern sollten, die Verwerfungen auf dem Weltmarkt

jedoch weiter anwachsen ließen.177

Diese Entwicklung könnte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was bei

steigender Bioenergieproduktion und sich verschärfender Verwendungs-

konkurrenz landwirtschaftlicher Flächen – Energie oder Nahrung – nach den

Befürchtungen Hans-Werner Sinns in der Zukunft bevorstehen könnte:

177 Vgl. Mitchell (2008).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 100

„Nie werden die Armen der Welt akzeptieren, dass die Reichen in den Tank [oder in den Fermenter (der Verfasser)] stecken, was sie gerne auf dem Teller hätten. Wenn dieser Entwicklung nicht Einhalt geboten wird, indem neue Barrieren [zwischen Energierohstoffen und Nahrungsmitteln] errichtet werden, drohen Mord und Totschlag auf dieser Erde.“178

Es ist evident, dass ein solches Szenario (in christlich-humanistischer Tradition)

weder gesellschaftlich akzeptabel ist noch einen Rahmen darstellt, in dem Unter-

nehmen der Einstieg in die Bioerdgasproduktion nahegelegt werden könnte.

Allerdings ist umstritten, in wieweit Bioenergie und Nahrungsmittel in

Konkurrenz zueinander stehen müssen oder Bioenergie nicht doch nachhaltig

nutzbar ist, ohne die Welternährung zu gefährden.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltver-

änderungen (WGBU) hat ein Gutachten erstellt, das dieser Frage detailliert für

verschiedene Nutzungspfade von Bioenergie nachgeht. Es bestätigt die potentiell

gravierenden Nutzungskonkurrenzen zwischen Nahrung und Energie, die durch

weiteres Bevölkerungswachstum und dem Trend zu einer mit mehr Flächenver-

brauch einhergehenden fleisch- und obstintensiveren Wohlstandsernährung

weiter anwachsen werden: Im Jahr 2030 werden dadurch etwa 50 % mehr

Nahrungsmittel benötigt als gegen Ende der 2000er Jahre. Durch intelligente

Rahmenbedingungen hält der WBGU diese Nutzungskonflikte aber für soweit

beherrschbar, dass für Bioenergie jene durchaus beachtlichen Potentiale genutzt

werden sollten, die ohne Gefährdung der Welternährung nachhaltig erschließbar

seien:179

Unter Einschluss der Verwertung von Reststoffen aus der Land- und

Forstwirtschaft liegt das weltweite nachhaltige Potential für die Nutzung

von Bioenergie in der Spannbreite von 80-170 Exajoule (EJ), von dem

178 Sinn (2008), S. 242. 179 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen

[WGBU] (2009), S. 39, 59, 61-68, 75, 136, 164, 191, 217 f., 224 f., 242 ff., 246, 262 f. und 329-346.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 101

rund die Hälfte wirtschaftlich nutzbar sein könnte (zum Vergleich: der

Weltprimärenergiebedarf im Jahr 2007 betrug 503 EJ)180.

Gerade in ländlichen Gebieten vieler Entwicklungsländer wird heute noch

traditionelle Bioenergie in der Verbrennung von Holz und Holzkohle in

einfachen Öfen auf sehr ineffiziente und gesundheitsschädliche Art

genutzt. Die lokale Produktion und Nutzung moderner Bioenergie bieten

hier Chancen zur Armutsbekämpfung und ländlichen Entwicklung.

Priorität für die Nutzung als Bioenergie sollten Abfall- und Reststoffe

genießen, da hierfür keine zusätzlichen Landflächen benötigt werden. Bei

bestimmten Stoffen wie Gülle können sogar Treibhausgasemissionen

eingespart werden gegenüber der Nichtnutzung als Bioenergie.

Energiepflanzen sollten bevorzugt auf degradierten und marginalen

Flächen angebaut werden, die nur ein geringes Produktionspotential für

Nahrungsmittel aufweisen bzw. ihr ursprüngliches Potential eingebüßt

haben. Durch den Anbau mehrjähriger Energiepflanzen ist grundsätzlich

sogar eine Verbesserung solcher Böden möglich. Insbesondere ist zu

vermeiden, dass Energiepflanzen Wasserstress und Bodendegeneration

verstärken. Bereits heute sind Wasser und Boden in vielen Regionen

prekäre Ressourcen.

Die Umwandlung von Waldflächen und Feuchtgebieten in Agrarland ist

aufgrund negativer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und den

Treibhausgaseffekt abzulehnen.

Die Umnutzung von Ackerflächen für Energiepflanzen ist kritisch zu

sehen, da einerseits direkte Konkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion

erzeugt werden und andererseits die indirekten Landnutzungsänderungen

kaum verlässlich abzuschätzen oder zu kontrollieren sind. Letztere

entstehen, wenn die Nutzung von Ackerland als Anbaufläche für Energie-

pflanzen dazu führt, dass an anderer Stelle (auf der Welt) zusätzliches

180 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 74.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 102

Ackerland geschaffen wird, beispielsweise durch Umwandlung von

(tropischen) Waldflächen mit entsprechenden negativen Auswirkungen

auf die Umwelt. Industrieländer nutzen insbesondere durch Futtermittel-

importe bereits heute oftmals mehr landwirtschaftliche Fläche als sie im

eigenen Land besitzen („virtuelle Flächen“). Eine zunehmende

Konkurrenz von Nahrungsmitteln und Bioenergie um landwirtschaftliche

Flächen führt zu steigenden Agrarpreisen, was insbesondere einkommens-

schwache Länder, die Nahrungsmittel importieren, vor existentielle

Herausforderungen stellt.

Um Rahmenbedingungen zu garantieren, die Bioenergie in Konsistenz mit

Zielen zur Ernährungssicherheit, zum Klimaschutz und zum Naturschutz

bringen, sind die Bioenergiestrategien der einzelnen Staaten abhängig von

ihren sozioökonomischen und agroökologischen Rahmenbedingungen

differenziert zu gestalten und gleichzeitig – möglichst international –

strenge Standards und Zertifikate für die Nutzung von Bioenergie einzu-

führen. Dafür sollte ein globales Landnutzungskataster aufgebaut werden,

welches in der Lage wäre, für jeden importierten Bioenergieträger

Auskunft über die entsprechende Produktionsfläche zu geben. Die

Mindeststandards stellen u. a. auf Schwellenwerte hinsichtlich der

Treibhausgasemissionen ab: erreicht werden soll unter Berücksichtigung

direkter und indirekter Landnutzungsänderungen eine Treibhausgasreduk-

tion gegenüber einem fossilen Referenzsystem von 30 t CO2-eq pro TJ an

eingesetzter Rohbiomasse. Dieser Wert kann bei Einsatz von Bioerdgas

auf Maissilage in GuD-Anlagen bzw. BHKW erreicht werden.

Falls Bioenergie staatlich gefördert wird, sollte als Mindestvoraussetzung

eine entsprechende Treibhausgasemission von 60 t CO2-eq pro TJ erzielt

werden. Diese anspruchsvolleren Werte sind beispielsweise im BHKW-

/GuD-Einsatz von Bioerdgas auf Basis von Grassilage/Gülle möglich.

Daneben sollten zusätzliche Förderkriterien aufgestellt werden, etwa

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 103

Beiträge zur Reduktion von Energiearmut oder zu erhöhtem Klima-,

Biodiversitäts- oder Bodenschutz.

Innerhalb der Gruppe der Bioenergien wird Bioerdgas (Biomethan)

insgesamt als ein besonders vielversprechender Energieträger identifiziert.

Einerseits ist es durch Einspeisung in ein Erdgasnetz möglich, das Gas in

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit besonders guter Wärmenutzung zu

verbrennen. Andererseits ist es perspektivisch vorstellbar, das bei der

Aufbereitung des Biogases auf Erdgasqualität sowieso zu entfernende CO2

zu deponieren. Biogasanlagen könnten somit Teil einer aufzubauenden

Infrastruktur für CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) werden.

Abgelehnt werden hingegen flüssige Biokraftstoffe wie Raps-Biodiesel

oder Ethanol aus Zuckerrohr, Mais oder Getreide, die unter Einbeziehung

indirekter Landnutzungsänderungen allesamt negative Treibhausgas-

Bilanzen aufweisen (d. h. den Treibhauseffekt zusätzlich bestärken statt

ihn abzuschwächen).

Innerhalb der Bioenergien stellt Bioerdgas also eine präferierte Energieform dar.

Die Vorzugswürdigkeit von Bioerdgas gegenüber anderen Bioenergieformen

ließe sich zukünftig noch steigern, wenn es tatsächlich gelingt, Bioerdgasanlagen

in eine CCS-Infrastruktur zu integrieren und das bei der Aufbereitung auf

Erdgasqualität abzuscheidende CO2 dauerhaft einzulagern. Dieses Zusammen-

spiel von Bioerdgas und CCS könnte gerade für investitions- und

technologiestarke große Energieunternehmen interessant sein.

Aufgrund des inhärenten Konfliktpotentials zwischen Nahrung und Bioenergien

empfiehlt der WBGU allerdings die Nutzung auch von Bioerdgas nur beim

Einsatz von Reststoffen oder dem Anbau von (mehrjährigen) Energiepflanzen

auf degenerierten Flächen, die ansonsten kaum einen Beitrag zur Nahrungs-

mittelproduktion leisten. Bei Nutzungskonkurrenz wird der Nahrungsmittel-

produktion – gerade vor dem Hintergrund einer steigenden Weltbevölkerung mit

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 104

zunehmend flächenintensiveren Ernährungsgewohnheiten – eindeutig ein Primat

gegenüber der Produktion von Bioenergie eingeräumt. Nicht nur die bestehende

deutsche Biogasproduktion basiert zu einem wesentlichen Teil auf nachwach-

senden Rohstoffen, vor allem Mais, sondern insbesondere auch die möglichen

Wachstumspfade setzen wesentlich auf den Anbau von nicht mehrjährigen

Energiepflanzen (vgl. 2.1.2 und 2.2). Diese Ausrichtung der deutschen

Bioerdgasproduktion entspricht also nicht dem vom WBGU entworfenen

Leitbild eines globalen Primats der Nahrungsmittelproduktion.181

Wenn nicht die Politik den Empfehlungen des WBGU folgt, so könnten einzelne

Unternehmen natürlich individuell sicherstellen und durch Zertifizierungen

dokumentieren und kommunizieren, dass für ihr Bioerdgas ausschließlich Rest-

stoffe bzw. degradierte Flächen verwendet werden. Die Abgrenzung „normaler“

Flächen zu degradierter Flächen, die ja grundsätzlich auch für eine auszuwei-

tende Nahrungsmittelproduktion herangezogen werden könnten, dürfte allerdings

eine graduelle bleiben und das Konfliktpotential somit latent erhalten.

Zumindest in der heute praktizierten Form der Bioerdgasproduktion kommt der

Nutzungskonflikt zwischen Nahrung und Energie zum Tragen. Er schlägt

mittlerweile bereits Wellen zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben in

Deutschland, was als Ausdruck eines agrarischen Strukturwandels hin zu mehr

Bioenergie gewertet werden kann. So veranstaltete der Westfälisch-Lippische

Landwirtschaftsverband im Juni 2010 in Münster eine Tagung unter dem Titel

„Zwingt Biogas unsere Tierhalter in die Knie?“. Hinter der Fragestellung verbarg

sich die Sorge der Tierhalter, dass die durch Biogas angetriebene Nachfrage nach

Mais die Pachtpreise für Land so verteuert, dass einige auf Pachtflächen ange-

181 Die in 2.2 angeführte Studie im Auftrag von BGW/DVGW, die das mehrfach angeführte

Bioerdgas-Potential von rund 10 % des derzeitigen Erdgasverbrauchs als realistisch für 2030 ausweist, abstrahiert von globalen Märkten und einer weltweiten Interdependenz landwirtschaftlicher Flächen. Vgl. Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie et al. (2005), S. 2-8.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 105

wiesene Betriebe kein wettbewerbsfähiges Fleisch mehr produzieren können. In

den Münsterlandkreisen Borken, Steinfurt und Coesfeld nimmt Biogas bereits

10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Anspruch.182

Jedes Versprechen, der Hunger in der Welt sei trotz verstärkten Ausbaus von

Bioenergien zu lösen, wird immer auch mit dem Erfolg früherer Aussagen zur

Hungerbekämpfung verglichen werden. So etwa mit der Vorhersage des US-

Außenministers Henry Kissingers auf der ersten Welternährungskonferenz 1974

in Rom, in zehn Jahren werde kein Kind dieser Welt mehr hungrig zu Bett gehen.

Im Jahre 2009, 35 Jahre später, sind es immer noch rund eine Milliarde

Menschen, die das Hungerschicksal teilen – jeder siebte Mensch auf der Erde.183

Das erste Ziel der Millenium Development Goals, die auf dem UN-Milleniums-

gipfel im Jahr 2000 von der Generalversammlung verabschiedet wurden, zielt auf

eine Halbierung der unterernährten Menschen auf der Welt bis zum Jahr 2015 im

Vergleich zu 1990. Im Jahr 1990 lag dieser Wert bei rund 850 Millionen

Menschen. Nach Rückgängen in der ersten Hälfte der 90er Jahre erfolgte ab

Mitte der 90er Jahre eine deutliche Zunahme der Hungernden, weit über den

Basiswert von 1990 hinaus. Die wirtschaftliche Krise im Jahr 2009 führte zu

einem nochmaligen steilen Anstieg, der mit der wirtschaftlichen Erholung im

Jahre 2010 weitgehend zurückgeführt werden konnte. Die Ziele des Milleniums-

gipfels bleiben jedoch in weiter Ferne, weiterhin sind (in absoluten Zahlen) mehr

Menschen unterernährt als im Basisjahr 1990.184

So verlockend grundsätzlich die grüne Aufwertung des Produktes Erdgas durch

Engagement bei Bioerdgas erscheinen mag, so sehr sind auch Risiken mit ihr

verbunden im Konflikt mit Nahrungsmitteln, der gänzlich wohl nur durch sehr

rigide Maßnahmen, wie den ausschließlichen Einsatz von Reststoffen zur

182 Vgl. Ries (2010) und agrarheute.com (2010). 183 Vgl. The Economist (2009). 184 Vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations [FAO] (2010b), S. 8-10.

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 106

Bioerdgasproduktion, zu entschärfen ist. Wenn regenerative Energieerzeugung

als Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung verstanden wird, ist zu beachten,

dass nachhaltige Entwicklung, zumindest in der die heutige Begriffsverwendung

prägenden Beschreibung der Brundlandt-Kommission, nicht nur das Wohler-

gehen zukünftiger Generationen im Blick hat, sondern ebenso sehr dasjenige der

heutigen Armen:

„Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. It contains within it two key concepts:

the concept of ‚needs’, in particular the essential needs of the world’s poor, to which overriding priority should be given; and

the idea of limitations imposed by the state of technology and social organiza-tion on the environment’s ability to meet present and future needs.“

Bislang werden die Risiken aus der Konkurrenz mit Nahrungsmitteln auf poli-

tischer wie einzelwirtschaftlicher Ebene allerdings nicht so ausgeprägt wahrge-

nommen, dass die Unterstützung für Bioenergien im Allgemeinen und Bioerdgas

im Besonderen gebremst würde. Die Zielvorstellungen von 10 Mrd. m3 in

Deutschland eingespeistes Bioerdgas im Jahre 2030 (vgl. 2.2) wurde durch die

novellierte GasNZV von September 2010185 nicht revidiert. Der Gesetzgeber

sieht Bioerdgas also weiter als wünschenswertes grünes Produkt an, welches

durch die etablierten und neuen Energieunternehmen bereitgestellt und von den

Verbrauchern nachgefragt werden sollte.

4.4 Grünes Produkt Bioerdgas im Markt

Bioerdgas stellt noch einen jungen Markt dar. Dies zeigt sich allein schon in der

maximal zur Verfügung stehenden Bioerdgas-Kapazität im Jahr 2010 von

189 Mio. m3 oder rund 0,2 % der deutschen Erdgasnachfrage (vgl. 2.1.2). Um

das politisch avisierte Ziel von 10 Mrd. m3 im Jahr 2030 zu erreichen, müsste

185 Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung -

GasNZV) vom 3. September 2010 (BGBl. I S. 1261).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 107

diese Kapazität jährlich um 22 % wachsen. Auch wenn die realisierten Absätze

derzeit noch bescheiden ausfallen, bieten zunehmend mehr Gaslieferanten im

Wärme-Segment der Haushalts- und Gewerbekunden Bioerdgas-Produkte an und

öffnen Bioerdgas damit zusätzlich zur EEG-subventionierten Stromerzeugung

ein zweites Absatzfeld. Gemäß dem Energie-Datendienstleister ene’t stieg die

Anzahl der Gaslieferanten mit Bioerdgas-Angeboten im halben Jahr zwischen

Oktober 2009 und April 2010 um zwei Drittel von 44 auf 73. Neben zahlreichen

Stadtwerken befinden sich unter den Anbietern auch sechs der sieben Regional-

gesellschaften des E.ON-Konzerns. In der Regel handelt es sich um Produkte mit

einem definierten Bioerdgas-Anteil, wobei über die Hälfte der Anbieter ihren

Beimischungsanteil auf 10 % beziffert. Die Spannbreite des Bioerdgas-Anteils

reicht von 5 bis 100 %.186

Abbildung 4.2 zeigt beispielhaft einige Unternehmen mit Bioerdgas-Produkten,

wobei der Bioerdgas-Anteil an der Lieferung in Klammern angegeben ist. Als

Annahme für die Preisermittlung ist eine jährliche Abnahmemenge von 20.000

kWh unterstellt, was in der Größenordnung des Wärmebedarfs eines Einfami-

lienhaushalts liegt. Monatliche oder jährliche Grundbeträge sind spezifisch auf

diese 20.000 kWh umgelegt. Betrachtet werden Nettopreise zum 01.04.2010, in

denen zwar die Erdgassteuer aber keine Mehrwertsteuer enthalten ist. Als Basis

sind die Preise eines Bezuges fossilen Erdgases beim jeweiligen Unternehmen in

dieser Größenordnung dargestellt. Herangezogen werden dabei nicht die Preise

der Grundversorgung, sondern jeweils günstigere Sonderkonditionen für die

angeführte Abnahmekategorie. Anschließend ist der rechnerische Aufschlag für

Bioerdgas für die jeweils angebotene anteilige Bioerdgas-Lieferung dargestellt.

Dieser ermittelt sich als Differenz aus dem Preis für das angebotene Bioerdgas-

Produkt und dem reinen Erdgas-Produkt bei gleicher Abnahmemenge von 20.000

kWh pro Jahr. Erdgaspreis und rechnerischer Aufschlag ergeben also in Summe

186 Vgl. ene't GmbH (2010a) und ene't GmbH (2010b).

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 108

den Preis des jeweiligen Bioerdgasproduktes. In einem dritten Schritt wird aus

dem rechnerischen Aufschlag für das Bioerdgasprodukt mit jeweils individu-

ellem Bioerdgas-Anteil auf ein hundertprozentiges Bioerdgas-Produkt extra-

poliert.

Abbildung 4.2: Anteilige Bioerdgas-Produkte im Preisvergleich mit rein fossilen Produkten

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Produktbeschreibungen der dargestellten Unternehmen mit Stichtag 01.04.2010 (der Bioerdgasanteil der jeweiligen Bioerdgasprodukte ist in Klammern angegeben).187

Bei der Extrapolation auf ein hundertprozentiges Bioerdgasprodukt resultiert im

Durchschnitt der betrachteten Unternehmen (ohne 100 %-Bioerdgas-Produkt von

naturstrom) ein Aufschlag auf das rein fossile Produkt von 4,29 Ct/kWh.188 Die

187 Bei den herangezogenen Produkten handelt es sich bei E.ON Mitte um Erdgas Vario und

E.ON BioErdgas 10+, bei EWE um Erdgas classic und BioErdgas10, bei naturstrom um naturstrom Biogas 100%, bei SW Düsseldorf um Düsselgas Vario 2010 und Naturrhein-Gas 2010 und bei SW Heidelberg um heidelberg GAS vario und heidelberg BIOGAS (alle Informationen abgerufen am 13.04.2010 auf den jeweiligen Internetseiten der Unternehmen).

188 Von der Größenordnung her passt dieser zu in Tabelle 2.3 abgeleiteten Bioerdgaskosten zwischen 5,45 und 7,13 Ct/kWh (an der Einspeisestelle ins Netz, nicht beim Endverbraucher),

4 Bioerdgas als eigenständiges grünes Produkt 109

Aufschläge auf die angebotenen Bioerdgas-Produkte (ohne 100 %-Bioerdgas-

Produkt von naturstrom) betragen im Durchschnitt 0,54 Ct/kWh oder 11,0 %

bezogen auf die reinen Erdgas-Produkte. Bei ausschließlicher Betrachtung der

drei Bioerdgas-Produkte mit 10 % Bioerdgas-Anteil sind es 0,42 Ct/kWh oder

8,5 %. Die zusätzliche Zahlungsbereitschaft von Ökostromkunden für Ökostrom

gegenüber konventionellem Strom taxieren die Beratungsgesellschaften

Neumorgen und brandseven auf 5-10 %.189 Überträgt man diese Werte eins zu

eins auf Bioerdgas wird deutlich, dass bereits die Produkte mit 10%iger Beimi-

schung an die Grenzen des Vermarktbaren stoßen dürften. Schließlich wird dem

Kunden zwar ein „grünes“ Produkt offeriert, welches – anders als bei Ökostrom

– tatsächlich aber nur anteilig aus Bioerdgas gespeist wird. In wieweit ein nur

anteiliges regeneratives Produkt dauerhaft glaubwürdig als „Bioerdgas“ (unter

Angabe einer Mischquote) firmieren und einen Preisaufschlag durchsetzen kann,

bleibt eine herausfordernde Frage für das Produktmarketing.

Die Schwierigkeiten einer wirtschaftlichen Vermarktung von Bioerdgas beheben

könnte eine umfassende staatliche Förderung, für die es aus ökonomischer

Perspektive jedoch hinreichender Gründe bedarf.

von denen ja die Kosten für fossiles Erdgas abzuziehen sind, um zum Aufschlag für Bioerdgas zu gelangen.

189 Vgl. Zeitung für kommunale Wirtschaft [ZfK] (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 110

5 Bioerdgas als staatliches Produkt

5.1 Begründung und Ziele staatlicher Energiepolitik

Es waren fossile Energien, welche die Industrielle Revolution befeuerten, und

nach wie vor sind es überwiegend fossile Energien, welche die Produktions-,

Kommunikations- und Verkehrssysteme der Globalisierung antreiben:190

„Da revolutionierten der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt [mit] Industrien, die nicht mehr einhei-mische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten[.] An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlos-senheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen vonein-ander [-] durch die unendlich erleichterten Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen“191,

beschrieben Karl Marx und Friedrich Engels 1848 die Dynamik eines gerade

anbrechenden neuen Zeitalters, welches Produktion und weltweiten Austausch

revolutionierte, so dass die Welt heute eine globalisierte192 ist.

Der verlässliche Zugang zu günstiger Energie war bereits für vorindustrielle

Gesellschaften eine essentielle Voraussetzung ihrer Wirtschaftstätigkeit.

Während diese jedoch wesentlich auf lokale und regionale Quellen der Energie-

gewinnung wie Wasser, Wind und Biomasse angewiesen waren, bedeutete die

Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit der intensiven Nutzbarmachung von

Kohle einen Wechsel im Energieregime. Dieser brachte etwa für Frankreich,

Italien oder Südchina aufgrund unzureichender heimischer Produktion notge- 190 Vgl. Osterhammel (2009), S. 909-938, und Smil (2006), S. 85-90. 191 Marx/Engels (2007), S. 21, 23 und 24 (die zitierten Aussagen sind aus Passagen

verschiedener Seiten zusammengesetzt). 192 Globalisierung kann verstanden werden als „the widening, deepening and speeding up of

worldwide interconnectedness in all aspects of contemporary social life“. Held et al. (2000), S. 2.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 111

drungen auch den Import von Kohle aus Überschussregionen mit sich.193 Versor-

gungssicherheit erfuhr mit der Industrialisierung und erst recht mit dem partiellen

Übergang von Kohle auf die geographisch deutlich konzentrierteren Energie-

träger Erdöl und Erdgas eine gesteigerte Bedeutung. Geopolitisch wird dies

besonders greifbar im Kontext militärischer Fragestellungen. Als England, im

Angesicht eines wahrscheinlicher werdenden Krieges mit Deutschland, zu

Beginn des 20. Jahrhunderts unter Winston Churchill als Erstem Lord der Admi-

ralität die Schlachtschiffe der Royal Navy von Kohle- auf Ölbefeuerung

umstellte, bedeutete dies auch den Wechsel von einem heimischen Energieträger

auf einen Energieträger, dessen Zugang in Übersee Unsicherheiten beinhaltete.

Churchill betraute Admiral John Arbuthnot Fisher mit der Schaffung der dafür

zentralen Voraussetzung:194

„You have to find the oil; show how it can be stored cheaply: how it can be purchased regularly & cheaply in peace, and with absolute certainty in war.“195

Eine sichere und preisgünstige Energieversorgung bilden bis heute zwei grund-

legende Ziele staatlicher Energiepolitik (vgl. auch 3.2.1). Dazu kommt seit

einigen Jahren der Schutz der Umwelt, der seit 1994 als Staatsziel in Artikel 20a

Grundgesetz verfassungsrechtlich normiert.196

Die Untersuchungen in Kapitel 3.3 haben gezeigt, dass eine Wirtschaftlichkeit

von Bioerdgas gegenüber Erdgas auf absehbare Zeit nicht ansatzweise gegeben

ist. Ein ordnungspolitisch nachvollziehbares staatliches Protegieren von Bioerd-

gas müsste also entweder in der Umweltpolitik, die sich hier als Klimapolitik

manifestiert, oder der Versorgungssicherheit begründet liegen. Der gesellschaft-

liche Nutzen in diesen Feldern müsste die fehlende Wirtschaftlichkeit mindestens

aufwiegen.

193 Vgl. Osterhammel (2009), S. 928-935. 194 Vgl. Yergin (1993), S. 150-164. 195 Brief Winston Churchills an Admiral Fischer, zitiert nach Yergin (1993), S. 157. 196 Vgl. Schöbener (2009), S. 105-129, und Berg et al. (2007), S. 247 f.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 112

5.2 Klimawandel als Ansatz staatlicher Bioerdgas-Politik

5.2.1 Physikalische und politische Realität des Klimawandels Spätestens seit der ersten Weltklimakonferenz im Jahre 1979 in Genf steht der

anthropogene Klimawandel an prominenter Stelle auf der Tagesordnung der

Vereinten Nationen (UN).197 Um den aktuellen Kenntnisstand über Ursachen und

Folgen einer globalen Klimaänderung zu bündeln, darzustellen und zu evalu-

ieren, wurde 1988 der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen

(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) durch das Umweltpro-

gramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltorganisation für Meteoro-

logie (WMO) gegründet. 1990 veröffentlichte der IPCC seinen ersten

Sachstandsbericht mit Darstellung von Situation und Prognosen der globalen

Klimaentwicklung:

„Our judgement is that global-mean surface air temperature has increased by between 0.3° and over 0.6°C over the last hundred years [...] the size of this warming is broadly consistent with predictions of climate models, but it is also of the same magnitude as natural climate variability.“198

Der Bericht legte die wissenschaftliche Grundlage für das 1992 auf dem Earth

Summit in Rio de Janeiro von 150 Staaten unterzeichnete und 1994 in Kraft

getretene Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaände-

rungen (Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). Darin setzt sich

die Weltgemeinschaft als Ziel:

„The ultimate objective of this Convention and any related legal instruments that the Conference of the Parties may adopt is to achieve, in accordance with the relevant provisions of the Convention, stabilization of greenhouse gas concentrations in the atmosphere at a level that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system. Such a level should be achieved within a time frame sufficient to allow ecosystems to adapt naturally to climate change, to ensure that food production is not threatened and to enable economic development to proceed in a sustainable manner.“199

197 Zur nachfolgend skizzierten Entwicklung der Klimapolitik der Vereinten Nationen und des

IPCC vgl. Brunnengräber et al. (2008), S. 87-97. 198 Zitiert nach Hulme (2009), S. 51, Hervorhebung durch den Verfasser. 199 § 2 United Nations Framework Convention on Climate Change, United Nations [UN] (1992).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 113

Der zweite Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 1995 fundierte die

wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimaänderungen und schloss auf

einen erkennbaren Einfluss des Menschen auf das globale Klima: „[T]he balance

of evidence suggests that there is a discernible human influence on global

climate“200. Damit trug er wesentlich zur Verabschiedung des „Protokolls von

Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaände-

rungen“ (Kyoto-Protokoll) im Jahre 1997 bei, in dem konkrete Reduktionsziele

mit Zeitplänen und Instrumenten vereinbart wurden. In den längeren Zeitraum

weiterer zäher Verhandlungen um die detaillierte Ausgestaltung des Protokolls

fiel der dritte IPCC-Sachstandsbericht aus dem Jahre 2001, in dem es heißt:

„[M]ost of the observed warming over the last fifty years is likely to have been

due to the increase in greenhouse gas emissions“201. Nachdem auch Russland

Ende 2004 das Protokoll zertifiziert hatte, waren die Voraussetzungen für ein

Inkrafttreten erfüllt (eine Ratifizierung in mindestens 55 Staaten, welche zugleich

für mindestens 55% der weltweiten CO2-Emissionen der Industrieländer verant-

wortlich sind), so dass es Anfang 2005 in Kraft treten konnte. Im Jahre 2007

legte der IPCC seinen vierten und bislang jüngsten Sachstandsbericht vor, dessen

Botschaft noch einmal deutlicher ausfällt: „Most of the observed increase in

global average temperatures since the mid twentieth century is very likely due to

the observed increase in anthropogenic greenhouse gas concentrations.“202 Der

vierte Sachstandsbericht bildete den wissenschaftlichen Rahmen für den Kopen-

hagener Klimagipfel im Dezember 2009, der jedoch hinter seinen Erwartungen

zurück blieb und keinen belastbaren Grundstein für ein Folgeabkommen für die

2012 auslaufenden Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Proto-

kolls legen konnte.203

200 Zitiert nach Hulme (2009), S. 51, Hervorhebung durch den Verfasser. 201 Zitiert nach Hulme (2009), S. 51, Hervorhebung durch den Verfasser. 202 Zitiert nach Hulme (2009), S. 51, Hervorhebung durch den Verfasser. 203 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2009).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 114

Auch wenn sich der IPCC im Zeitablauf vom ersten bis zum vierten Sachstands-

bericht in der Lage sah, seinen Aussagen zum anthropogenen Klimawandel und

dessen Auswirkungen eine zunehmend höhere Sicherheit zuzuordnen, bestehen

nach wie vor erhebliche Unsicherheiten. Allerdings wäre es ein nicht einzulö-

sender Anspruch an Wissenschaft, letzte Wahrheiten einzufordern, die eine durch

Widerspruch und Falsifizierung voranschreitende Wissensmehrung, die zudem

zwangsläufig durch subjektive Elemente der Forschenden geprägt ist, gar nicht

bieten kann. Politik ist auf die Ergebnisse der Wissenschaft angewiesen, gerade

wenn es darum geht, angesichts potentiell großer zukünftiger Gefährdungen, die

sich aus heutigem Handeln ergeben, weitreichende Entscheidungen zu treffen.

Mit der Institution IPCC hat sich die internationale Politik entschieden, wissen-

schaftliche Erkenntnisse in einem auf Konsens der beteiligten Wissenschaftler

ausgerichteten Modell als Entscheidungsgrundlage zu nutzen. Dies bietet keine

Garantie, dass nicht doch Gefahren aufgezeigt werden, die sich später als unbe-

gründet herausstellen (sei es aufgrund eines begrenzten Wissensstandes, sei es

aufgrund politischen Drucks oder des Anreizes einmal geschaffener Organisa-

tionen, ihr Fortbestehen zu rechtfertigen), oder umgekehrt Gefahren unterschätzt

werden (beispielsweise da eine Konsensbildung bei einer großen Zahl von

Teilnehmern sehr träge verläuft oder politische und wirtschaftliche Interessen

dramatischeren Aussagen mit entsprechend konsequenten Handlungsnotwendig-

keiten entgegen stehen). Falls dieser Konsensprozess jedoch offen, transparent

und gut geführt abläuft, kann er Politik und Bürgern Informationen bereitstellen,

die den Stand der Wissenschaft repräsentieren.204 In Abwandlung von Winston

Churchills berühmtem Aphorismus über die Demokratie als Regierungsform

204 Wie sehr der IPCC auch zukünftig diesem Bild gerecht wird, dürfte nach den jüngsten

Vorwürfen um manipulierte Daten, Umgang mit Kritikern und der Aufdeckung einer falschen Darstellungen im vierten Sachstandsbericht zu Gletscher-Entwicklungen im Himalaja-Gebirge (vgl. Wyssuwa (2010)) auch daran liegen, wie offen und transparent die Vorwürfe aufgearbeitet werden und individuelle Fehlverhalten mit Sanktionen belegt werden.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 115

formuliert Mike Hulme: „[T]he IPCC is [...] the worst of all possible ways of

assessing knowledge about climate change ... apart from all the others.“205

Im vierten Sachstandsbericht (Fourth Assessment Report) untersucht der IPCC

Grundlagen und Auswirkungen des Klimawandels ebenso wie Aspekte des

Klimaschutzes: Fakt ist danach eine Erwärmung der Erdatmosphäre, deren

wesentlicher Teil mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 % durch den

Anstieg anthropogener Treibhausgase bedingt ist. Das bedeutendste Treibhaus-

gas ist CO2, dessen seit 1750 erfolgte anthropogene Emissionen zu rund zwei

Dritteln aus dem Verbrennen fossiler Energien resultieren. Mit hoher Wahr-

scheinlichkeit sind die beobachtete Abnahme des arktischen Eises und der

gemessene Anstieg des Meeresspiegels Folge des anthropogenen Klimawandels.

Die prognostizierten weiteren Auswirkungen des Klimawandels wiegen schwer,

mit negativen Effekten auf menschliche Existenzgrundlagen wie Frischwasser,

Ernährung und Ökosysteme. Besonders gravierend wird dies in zahlreichen der

sogenannten Entwicklungsländer zu spüren sein, während an anderen Stellen der

Welt auch positive Folgen der Klimaerwärmung zu verzeichnen sind, etwa die

Nutzbarmachung von Bodenschätzen in der Arktis. Eine Abmilderung des

Klimawandels im Vergleich zu einem ohne entsprechende Anstrengungen

ausgestalteten Basisszenario ist nach Einschätzung des IPCC grundsätzlich

möglich, sieht sich aber ambitionierten Herausforderungen gegenüber. Die

Hauptlast einer solchen Anpassung des derzeitigen wirtschaftlichen und gesell-

schaftlichen Entwicklungspfades läge in den Sektoren Stromerzeugung und

Industrie, die abhängig vom betrachteten Szenario 60 bis 80 % aller CO2-Reduk-

tionen zu tragen hätten. Selbst eine sehr hohe Anlastung sozialer Kosten in Höhe

von 100 $/tCO2-eq führte bis zum Jahr 2030 „nur“ zu einer Reduktion der CO2-

Emissionen zurück auf das Niveau des Jahres 1990. Die Konzentration der CO2-

Emissionen in der Atmosphäre stiege auch dann noch weiter an. Dies ergibt sich

205 Hulme (2009), S. 98, vgl. Hulme (2009), S. 76-99.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 116

schon aus dem Zusammenspiel einer Bestandsgröße (hier CO2-Konzentration)

und einer Stromgröße (hier CO2-Emissionen), welches grundsätzlich zu einem

weiteren Aufbau der Bestandsgröße führt, solange die Stromgröße oberhalb einer

Abbaugröße liegt. Bei der Klimaänderung geht es zudem um äußerst komplexe

Rückkoppelungsprozesse zwischen Atmosphäre, Biosphäre und Ozeanen, die für

menschliche Zeithorizonte extrem zeitverzögert ablaufen: So führte eine hypo-

thetische Stabilisierung der CO2-Emissionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts am

Ende des 21. Jahrhunderts zu einer CO2-Konzentration, die 60 % oberhalb der zu

Beginn des 20. Jahrhunderts läge. Und selbst eine erreichte Stabilisierung der

atmosphärischen CO2-Konzentration führte aufgrund der thermischen Trägheit

der Ozeane noch über Jahrhunderte zu weiteren Temperaturanstiegen (wenn auch

im Zeitablauf abnehmend).206

Auch bei zahlreichen Kritikern internationaler Klimapolitik ist unumstritten, dass

der anthropogene Klimawandel real ist und im Ergebnis (überwiegend) zu

ernsthaften nachteiligen Auswirkungen auf Menschen und Natur führt. Bjorn

Lomborg beispielsweise betont jedoch, dass ungeachtet allen politischen und

medialen Alarmismus’ die menschliche Zivilisation durch den Klimawandel

nicht unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sei und Klimawandel nur eines unter

anderen, unter Umständen drängenderen Problemen darstelle.207 Ein Abwägen

des Mitteleinsatzes ist auch innerhalb der Herausforderung Klimawandel zu

leisten, zwischen Abschwächung des Klimawandels einerseits (Mitigation) und

Anpassung an den Klimawandel andererseits (Adaptation).

Das Zusammenspiel von CO2-Emissionen, atmosphärischen CO2-Konzentra-

tionen und Klimaerwärmung erfolgt, wie dargelegt, in für menschliche Horizonte

sehr langen Zeiträumen. Dieses zeitverzögerte Verhalten des Erdklimas bedeutet, 206 Eine ausführlichere Zusammenfassung des vierten Sachstandsberichts samt Quellenangaben

und weiteren Hinweisen befindet sich im Anhang (vgl. Anhang: Anthropogene Klimaänderung).

207 Vgl. Lomborg (2007), S. 8 und 148.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 117

dass sehr unterschiedliche Treibhausgasszenarien – die schnell ansteigenden

Emissionen entweder ihren freien Gang lassen oder die mit erheblichem

Aufwand den Anstieg von CO2-Emissionen begrenzen – zwar auf längere Sicht

unterschiedliche Ergebnisse in der resultierenden Erderwärmung ausweisen. In

der mittel- bis kurzfristigen Sicht bis etwa Mitte des 21. Jahrhunderts unter-

scheiden sie sich allerdings nicht erheblich voneinander.208 Die „Früchte“ in

Form nicht materialisierter Schäden werden erst von nachfolgenden Genera-

tionen für Anstrengungen zur CO2-Reduktion geerntet, welche in der Gegenwart

erbracht werden. Dass gegenwärtige Generationen zu solchen Opfern bereit

wären, ist nicht selbstverständlich.

5.2.2 Gesellschaftliche Dynamik des Klimawandels als Rahmen-bedingung der Erdgas- und Bioerdgas-Wirtschaft

Aus Sicht westlicher Industriestaaten, insbesondere aus mitteleuropäischer

Perspektive, fallen für Maßnahmen zur Verminderung der Treibhausgas-

emissionen heute Kosten an, ohne dass zeitnah konkrete klimabezogene Vorteile

damit einhergehen werden: Die Klimaänderungen laufen sehr träge ab und

betreffen zudem in besonderem Maße nichtwestliche Regionen (vgl. 5.2.1).

Wenn gleichwohl eine ausgeprägte öffentliche Debatte geführt wird, die den

Ausstoß von Treibhausgasen moralisch problematisiert, ist dies wesentlich auf

einem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsanspruch gegenüber allen anderen

Menschen auf dieser Welt und/oder nachfolgenden Generationen zurückzu-

führen, welcher durch die „Antizipation zukünftiger Katastrophen in der

Gegenwart“209 herausgefordert wird. Die angenommenen Klimakatastrophen

erlangen dadurch unmittelbar realen Einfluss.

208 Vgl. Solomon et al. (2007), S. 68. 209 Beck (2010), S. 38.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 118

In christlich-humanistischer Tradition ist, wie es auch das deutsche Grundgesetz

in Artikel 1 verankert, „[d]ie Würde des Menschen [...] unantastbar“210. Die

gleiche Freiheit der Menschen und ihre Unverfügbarkeit als Person führen zu

deontologischen Moralprinzipien, die den Menschen Gerechtigkeitspflichten

auferlegen: Normen, mit denen Interessen- bzw. Verteilungskonflikte gelöst

werden, müssen in einer universalisierbaren Ausprägung gerecht sein, wie dies

beispielsweise im kategorischen Imperativ211 Immanuel Kants zum Ausdruck

kommt. Als gerechte Handlungsregeln qualifizieren sich nur solche, die

allgemein als konsensfähig angesehen werden können.212

Auf Konsens baut auch John Rawls’ Konzept einer (hypothetischen) Verfas-

sungswahl, das als Ausgangspunkt die Menschen einer Gesellschaft sieht, die

zwar rein eigennutzorientiert agieren, sich unter dem „Schleier des Nicht-

wissens“213 jedoch auf gerechte Normen verständigen, denen sie anschließend

unterliegen.214 In abgewandelter Form definiert Rawls auch „Gerechtigkeit

zwischen Staaten“215. Danach entsprechen gerechte politische Grundsätze für

gegensätzliche Ansprüche zwischen Staaten solchen Prinzipien, auf die sich

Abgesandte verschiedener Nationen einigen würden, die zwar wissen, dass sie

die eigennützigen Interessen einer Nation vertreten, „doch sie wissen nichts über

die besonderen Verhältnisse ihrer eigenen Gesellschaft, ihre Macht im Vergleich

210 Art. 1 Satz 1 GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im

Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944) geändert worden ist).

211 Eine Formulierung lautet: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“, Kant (1974), S. 61.

212 Vgl. Anzenbacher (2010), S. 326-329. 213 Rawls (1979), S. 29. 214 Verteilungsprinzipien von kooperativ erzeugten gesellschaftlichen Grundgütern (zu denen

nicht nur Wirtschaftsgüter zählen, sondern beispielsweise auch erwünschte Sicherheiten oder Ausbildungschancen) sind dann als gerecht zu betrachten, wenn sie Grundsätzen entsprechen, auf die sich rationale, dem Eigennutz verschriebene Menschen unter Unkenntnis ihrer gesellschaftlichen Position in einer hypothetischen Verfassungswahl verständigen würden. Vgl. Kersting (2001), S. 49 f.

215 Rawls (1979), S. 416.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 119

zu anderen, und sie kennen auch nicht ihre persönliche Stellung in ihrer Gesell-

schaft“216. Analog verdeckt Rawls zur Herleitung gerechter Regeln für generatio-

nenübergreifende Problemstellungen auch die eigene Generationenzugehörigkeit

mit dem Schleier des Nichtwissens.217

Eine Situation, in der die Menschen in den westlichen Industriestaaten (ohne eine

einvernehmlich geregelte Kompensation) ihren Lebens- und Produktionsstil

dadurch aufrechterhalten, dass sie hohe Treibhausgasmengen emittieren, unter

denen insbesondere die Menschen in Entwicklungsländer zu leiden haben, ist mit

keiner der angeführten Gerechtigkeitskonzeptionen vereinbar. Mike Hulme hebt

das Phänomen Klimawandel auf eine Stufe mit einigen der wirkmächtigsten und

konfliktträchtigsten Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit:218

„Climate change is everywhere. Not only are the physical climates of the world every-where changing, but just as importantly the idea of climate change is now to be found across the full parade of human endeavours, institutions, practices and stories. The idea that humans are altering the physical climate of the planet through their collective actions, an idea captured in the simple linguistic compound ‚climate Change’, is an idea as ubiquitous and as powerful in today’s social discourses as are the ideas of democracy, terrorism or nationalism. Furthermore, climate change is an idea that carries as many different meanings and interpretations in contemporary political and cultural life as do these other mobilising and volatile ideas.“219

Heinrich August Winkler begreift die in der Amerikanischen Revolution von

1776 und der Französischen Revolution von 1789 ausformulierten Menschen-

und Bürgerrechte als Maßstab des Westens, auf dessen Verheißungen sich

diskriminierte Gruppen stets wirkmächtig berufen konnten, sei es bei der

Abschaffung der Sklaverei oder der Durchsetzung der Gleichberechtigung von

216 Rawls (1979), S. 415. Ob wir mit dem Phänomen des anthropogenen Klimawandels nicht

sogar bereits in einer Weltgesellschaft angelangt sind, in der Rawls Verfassungswahl im ursprünglichen Sinne heranzuziehen wäre, ist an dieser Stelle nicht relevant für die zu ziehende Aussage und kann deshalb ausgeblendet bleiben.

217 Vgl. Rawls (1979), S. 327-332, und Kersting (2001), S. 149-154. 218 Ökonomisches Ringen um Effizienz und Abwägen alternativer Maßnahmen wird umso

weniger wahrgenommen, je stärker gesellschaftliche Auseinandersetzungen in eine solche totale Auseinandersetzung driften (für oder gegen Demokratie/Vaterland/Klimarettung/etc.).

219 Hulme (2009), S. 322, Hervorhebung im Original.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 120

Frauen. Es handele sich um „Ideen, aus denen sich Waffen gegen eine wider-

strebende Wirklichkeit schmieden ließen“220 – und weiterhin lassen.

Freien Menschen sind Werte selbstverständlich verfügbar, auch Verhaltens-

weisen sind unterschiedlich interpretierbar. So erklärt Friedrich Nietzsche,

Gerechtigkeit nehme „ihren Ursprung unter ungefähr gleich Mächtigen“221, die

eine Verständigung einem „erfolglosen gegenseitigen Schädigen“222 vorziehen.

Falls aber Gerechtigkeit „Vergeltung und Austausch unter der Voraussetzung

einer ungefähr gleichen Machtstellung“223 ist, fehlt eine Rationalität für Gerech-

tigkeit unter nicht gleich Mächtigen. Weder Entwicklungsländer noch zukünftige

Generationen können als gleichberechtigte Partner der westlichen Industrie-

staaten bei der Ausgestaltung ihrer Lebens- und Produktionsweise gelten. Die

metaphorische224 Frage des ehemaligen Direktors der London School of

Economics Anthony Giddens’, „why does anyone, anyone at all, for even a

single day longer, continue to drive an SUV?“,225 könnte hier ihre Antwort

finden: Weil wir es können – weil ein solcher Lebensstil vielen Menschen als

angenehm gilt und kein Geschädigter annähernd gleich mächtig ist, um „Gerech-

tigkeit“ tatsächlich einfordern zu können.

In den heutigen arbeitsteiligen komplexen Gesellschaften und ihren Austausch-

beziehungen untereinander werden der Ressourcenverbrauch und mit ihm weite

Teile der Treibhausgasemissionen über Märkte gesteuert. Deren enorme Produk-

tivität stellt eine wünschenswerte gesellschaftliche Errungenschaft dar, so dass

Märkte das beste bekannte Instrument zur Koordinierung von Knappheiten und

zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil darstellen.

220 Winkler (2009), S. 22. 221 Nietzsche (1990), S. 279 (Hervorhebung im Original). 222 Nietzsche (1990), S. 279. 223 Nietzsche (1990), S. 279. 224 Für Giddens sind wir (die westliche Welt) alle SUV-Fahrer. 225 Giddens (2009), S. 1.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 121

Erreicht wird dies mit Anreizen, die wesentlich in der gezielten Etablierung von

wettbewerblichen Interessenkonflikten liegen. Im Ergebnis steht das eigennüt-

zige dezentrale Handeln freier Akteure im Dienste gesellschaftlicher Kooperation

– aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive und unbenommen eines nicht uner-

heblichen Preises in Form beispielsweise von Konkurrenzdruck und individu-

ellen Härten: „Die Marktwirtschaft ist daher nicht [...] ‚effizient, aber asozial’,

sondern die der modernen ‚großen’ Gesellschaft angemessene institutionelle

Form solidarischer Kooperation.“226

Einer solchen gesellschaftlichen Organisationsweise entspricht es nicht, Ände-

rungen von Konsum- oder Produktionsmustern in einer substantiellen Größen-

ordnung über freiwillige Änderungen von etablierten (unmoralischen)

Verhaltensweisen zu erzielen (vgl. 4.1). Innerhalb des täglichen Wirtschaftens ist

die Beurteilung (moralisch) zulässiger Verhaltensweisen den institutionalisierten

Rahmenbedingungen überlassen, im Wesentlichen dem rechtlichen Rahmen, um

dessen Ausgestaltung selbstverständlich gerungen werden kann. Beim öffent-

lichen Gut Klimaschutz besteht für alle Akteure ein Anreiz zu nicht koopera-

tivem Verhalten (Defektion), unabhängig davon, ob die anderen Akteure

ebenfalls defektieren oder aber ihrerseits kooperieren. Angesichts der Dimension

des Klimaschutzproblems ist dieses Dilemma wirksam nur über (internationale)

staatliche Institutionen auflösbar.

5.2.3 Anthropogene Klimaänderungen aus ökonomischer Perspektive

Aus ökonomischer Perspektive stellen Treibhausgasemissionen negative externe

Effekte dar: Die von den nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen

betroffenen Individuen erfahren Nutzeneinbußen aufgrund von Aktivitäten

anderer Individuen, ohne dass diese Auswirkungen vom Marktmechanismus

226 Suchanek (2007), S. 99.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 122

erfasst würden. Eine Belastung von Treibhausgasemissionen mit ihren externen

Kosten227 wäre aber Voraussetzung, um eine Fehlallokation fossiler Energien und

anderer Treibhausgasemittenten zu vermeiden. Die geschichtlich etablierte

Nutzung fossiler Energieträger ohne preislich ausgedrückte Berücksichtigung der

negativen Auswirkungen, den der durch sie hervorgerufene Klimawandel auf

andere Individuen hat, führt in einem marktwirtschaftlich organisierten System

zu einem höheren Einsatz von fossilen Brennstoffen als gesellschaftlich

wünschenswert ist. Nicholas Stern bewertet den negativen externen Effekt, der

sich im anthropogenen Klimawandel manifestiert als „greatest market failure the

world has ever seen“228.

Eine optimale Allokation setzt voraus, dass die durch die Emissionen entste-

henden Schäden (die Grenzschadenskosten, beispielsweise in Form von Schäden

durch den Anstieg des Meeresspiegels) den durch eine Drosselung der

Emissionen verbundenen gesellschaftlichen Nutzeneinbußen (den Grenzver-

meidungskosten, beispielsweise in Form erneuerbarer Energien als teurere

Substitute) entsprechen. Ökonomisch besteht eine gesellschaftlich optimale

Lösung grundsätzlich also keineswegs darin, sämtliche Umweltschäden zu

vermeiden: „Nothing could be more ‚anti-social’ than to oppose any action which

causes any harm to anyone“229. Vielmehr geht es darum, den Nutzen, den eine

Verwendung fossiler Energien stiftet, gegen die dadurch hervorgerufenen

Schäden auszubalancieren. 230 Aus heutiger Sicht dürfte es nur schwer vorstellbar

sein, was es hieße, in einer Welt zu leben, die im Jahre 1750 aus Sorge vor einer

möglichen Klimaänderung den Entschluss gefasst hätte, nicht den Pfad der

227 Externe Kosten entsprechen der – nicht unproblematischen – monetären Bewertung der

externen Effekte, vgl. Endres (2007), S. 18. 228 Stern (2007b), S. xviii. 229 Coase (1960), S. 35. 230 Zu den umweltökonomischen Grundlagen vgl. Hartwig (2007), S. 205-208, Endres (2007),

S. 16-21, und Tietenberg/Lewis (2009), S. 358-362.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 123

Industrialisierung einzuschlagen, dessen fortgeschrittene Produkte in Mobilität,

Kommunikation und Medizin die gegenwärtigen Generationen so schätzen.231

Da von Menschen empfundener Nutzen nicht direkt messbar und vergleichbar

ist, operieren ökonomische Studien mit monetarisierten Werten in Form von

Kosten und Erträgen. Dies bedeutet für Kosten-Nutzen-Analysen des Klimas und

seiner Veränderung, dass Nutzenpositionen, deren Werte nicht über Märkte

herzuleiten sind, entweder sehr pauschal geschätzt werden müssen oder gar keine

Berücksichtigung finden. Gesellschaftlicher Konsens ist hierfür bei einem so

umfassenden Phänomen wie Klimaänderung schwerlich zu erzielen. Religiöse

oder ethische Imperative zur Bewahrung der Schöpfung bzw. zum Recht zukünf-

tiger Generationen auf gleichen Zugang zur Natur entziehen sich per Definition

sogar gänzlich einer Marktlogik mit Substituierbarkeit verschiedener Güter. Der

Grad der Substituierbarkeit von natürlichem und menschengemachtem Kapital

hat jedoch erhebliche Konsequenzen auf das implizierte menschliche

Wirtschaften. Die gegenwärtigen Wirtschaftsstrukturen sind in starkem Maße

abhängig von klimabeeinflussenden fossilen Energieträgern (de facto wird damit

eine Substituierbarkeit zwischen natürlichem und menschengemachtem Kapital

bejaht). Je nachdem, wie hoch in Bezug auf das Klima die zukünftig als minimal

geforderte Umweltqualität angesetzt wird, sind die bestehenden Kraftwerks-,

Mobilitäts- und Heizstrukturen umgehend radikal umzugestalten: Fossile

Energiesysteme sind durch erneuerbare zu ersetzen, durch Energieeinsparung

231 Wohlstand und Energie sind untrennbar miteinander verbunden. Vor Entdeckung des Feuers

war Nahrung die einzige Energiequelle der Menschen. Sie konnten damit pro Kopf rd 2.000-4.000 Kcal pro Tag für sich an Energie zum Einsatz bringen. Mit Nutzbarmachung des Feuers vor einer halben bis einer Mio. Jahren steigerte sich dieser Wert auf 4.000-6.000 Kcal. Ab dem vierten Jahrtausend vor Christus gelang Zähmung und Einsatz von Tieren für landwirtschaftliche Arbeit und Transport, was die verfügbare Energie auf 6.000-15.000 Kcal anhob. Der massive Rückgriff auf fossile Energiequellen seit Beginn des 19. Jahrhunderts ermöglichte einen industriell geprägten Verbrauch von 70.000 Kcal und mehr pro Kopf, der in Westeuropa im Jahr 2000 auf 142.000 Kcal angestiegen ist. Vgl. Malanima (2010), S. 67 f. und 113.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 124

überflüssig zu machen bzw. durch CO2-Abscheidung in ihrer Klimawirkung zu

neutralisieren.

Klimawandel ist ein langfristiges Phänomen, bei dem Kosten und Nutzen von

Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels zeitlich sehr weit auseinander-

fallen. In ökonomischen Analysen werden solche Größen analog zur betriebs-

wirtschaftlichen Investitionstheorie durch Diskontierung auf den Planungs-

zeitpunkt vergleichbar gemacht. Entscheidend für die Dringlichkeit heutiger

Klimaschutzmaßnahmen und in der Klimaökonomie entsprechend umstritten ist

die Höhe des anzusetzenden Diskontierungsfaktors. Wesentliche Motive einer

Diskontierung zukünftiger (realer) Kosten und Erträge sind die menschliche

Ungeduld oder Kurzsichtigkeit, der fallende Grenznutzen von Konsum bei

allgemeinem Wirtschaftswachstum, die Opportunitätskosten alternativer

Kapitalanlagemöglichkeiten und die allgemeine Unsicherheit zukünftiger

Ereignisse. Ein üblicher Ansatzpunkt für klimaökonomische Betrachtungen ist

die Diskontierung mit der (gesamten) gesellschaftlichen Zeitpräferenzrate, zu der

sich menschliche Ungeduld oder Kurzsichtigkeit (reine Zeitpräferenzrate) und

fallender Grenznutzen von Konsum (wachstumsbedingte Präferenzrate)

summieren.232 Die gesellschaftliche Präferenzrate gibt an, um wie viel die

Gesellschaft eine Einheit Konsum heute höher bewertet als eine Periode später.

Dabei ist die wachstumsbedingte Präferenzrate der unkritische Teil. Eine margi-

nale Ausweitung der Konsummöglichkeiten einer reicheren Zukunft ist mit

weniger Nutzen verbunden als eine marginale Ausweitung der Konsummöglich- 232 In typischen neoklassischen Gleichgewichtsrahmen sorgt ein exogen gegebener Marktzins

für eine Übereinstimmung von individueller Zeitpräferenzrate und Grenzproduktivität des Kapitals (Opportunitätskosten). Die nutzenmaximierenden Haushalte stellen solange Konsum zurück, bis ihre individuelle Zeitpräferenzrate dem Marktzinssatz entspricht. Analog weiten die gewinnmaximierenden Unternehmen ihre Investitionen solange aus, bis die Grenzproduktivität des Kapitals den Marktzins nicht mehr übersteigt. Von dieser Modellwelt ausgehend liegt es nahe, den Marktzins als Diskontierungsfaktor zu verwenden, auch wenn der skizzierte Modellrahmen natürlich immer nur als Referenz einer sehr unvollkommen abgebildeten Welt dienen kann. In diesem Fall ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, dass Marktzinssätze für Jahrhunderte nicht existieren und der besonderen intergenerationellen Fragestellung nicht Rechnung getragen wird. Vgl. Bayer (2000), S. 27 ff.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 125

keiten in der relativ ärmeren Gegenwart. Entsprechend ist bei hier unterstelltem

Wirtschaftswachstum zukünftiger Konsum (bzw. dessen Verzicht) zu diskon-

tieren. Im umgekehrten Fall eines negativen Wirtschaftswachstums hat die

Diskontierung negativ zu erfolgen. Eine zusätzliche Konsummöglichkeit ist dann

in einer ärmeren Zukunft mehr wert als in der reicheren Gegenwart. Die Unter-

stellung einer positiven reinen Zeitpräferenzrate ist hingegen ethisch problema-

tisch, solange heutige und zukünftige Menschen die gleichen Rechte

zugesprochen bekommen.233

Richard S. J. Tol hat in einer Meta-Analyse verschiedene Abschätzungen zu den

Schäden der Klimaänderungen zusammengetragen:234 Die über 200 Schätz-

werte235 der sozialen Kosten des Kohlenstoffs (C), definiert als Netto-

Gegenwartswert des Grenzschadens von Kohlenstoffemissionen, variieren

erheblich und reichen von minus 6,6 $/t C (minus 24 $/t CO2)236 (ein negativer

Grenzschaden entspricht einem Nettonutzen, also einem positiven externen

Effekt) bis zu 2.400 $/t C (8.808 $/t CO2). Während das arithmetische Mittel der

sozialen Kosten über alle Studien 105 $/t C (385 $/t CO2) beträgt, liegt der von

Extremwerten unabhängige Median bei 29 $/t C (106 $/t CO2). Ein wesentlicher

Faktor für die breite Streuung der Schätzwerte ist die Verwendung unterschied-

licher Diskontierungsraten. Die obere Grenze von 2.400 $/t C ergibt sich bei

einer Studie mit 0 % reiner Zeitpräferenzrate. Die gleiche Studie mit einer reinen

Zeitpräferenzrate von 3 % führt zum Ergebnis von 120 $/t C (440 $/t CO2). Tol

legt nahe, in Bezug auf den Klimawandel eine Gegenwartspräferenz zu

unterstellen, wie sie auch bei anderen Entscheidungen zu beobachten ist. Als 233 Vgl. Bayer (2000), S. 31-41. 234 Vgl. Tol (2009). 235 Da sich verschiedene Studien zur Abschätzung der sozialen Grenzschadenskosten auf gleiche

Abschätzungen der Gesamtschadenskosten beziehen und je Studie zum Teil mehrere Werte ermittelt werden, ist die statistische Basis geringer als von der Anzahl der Schätzungen suggeriert wird. Letztlich liegen den Abschätzungen neun Studien zu Gesamtschadenskosten zu Grunde. Vgl. Tol (2009), S. 39.

236 Die molaren Massen von CO2 und C führen zu einem Verhältnis von 44 zu 12 oder 3,67 g CO2 je g C.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 126

Ergebnis seiner Metaanalyse resultiert als bester Stand des Wissens eine die

externen Grenzkosten repräsentierende (Pigou-)Kohlenstoffsteuer von 25-

50 $/t C (92-184 $/t CO2). Der beste Stand des Wissens sei derzeit aber nicht

besonders gut, was die breite Spannbreite in den untersuchten Schätzungen

anzeigt, die zustande kommt, ohne dass extreme Klimaszenarien mit beispiels-

weise veränderten Zirkulationen der Ozeane überhaupt in die Betrachtungen

eingeflossen wären. Tolls Fazit:

„Politicians are proposing to spend hundreds of billions of dollars on greenhouse gas emission reduction, and at present, economists cannot say with confidence whether this investment is too much or too little.“237

Aus ökonomischer Perspektive ist eindeutig, dass bei Treibhausgasemissionen

Marktversagen in Form negativer externer Effekte vorliegt, das politisches

Handeln verlangt.238 Kein einheitliches Bild existiert hingegen hinsichtlich der

Höhe der Schäden, was jedoch zur Ableitung adäquater (weltweiter) Maßnahmen

notwendig wäre. Die Politik erfährt auf der Stufe der Bestimmung des Zielwertes

zulässiger bzw. zu vermeidender Treibhausgasemissionen von ökonomischer

Seite bislang nur sehr begrenzt verlässliche Unterstützung.

5.2.4 Klimaschutz im internationalen Kontext Die deutschen Klimaschutzmaßnahmen, von denen die staatliche Förderung von

Bioerdgas einen Ausschnitt darstellt, fußen auf internationalen Übereinkommen.

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich einen Schutz nachfolgender

Generationen durch Klimapolitik als Ziel gesetzt und als Mittel dafür das Kyoto-

Protokoll kreiert (vgl. 5.2.1). Darin gehen die vertretenen Industriestaaten

Verpflichtungen ein, dass ihre durchschnittlichen Treibhausgasemissionen in der

Periode 2008 bis 2012 gegenüber einem Basisjahr maximal einen bestimmten

237 Tol (2009), S. 46. 238 Die Schwere dieses Marktversagens lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass staatliches

Handeln grundsätzlich gravierendere negative Folgen hätte als durch die Treibhausgasemissionen bewirkt wird und deshalb staatliches Handeln aus Sorge vor einem Staatsversagen von vornherein unterbleiben sollte.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 127

Wert annehmen. Insgesamt verpflichten sich die Industrieländer (Annex I-

Staaten der United Nations Framework Convention on Climate Change,

UNFCCC), ihre Emissionen für diese Periode um 5 % abzusenken.239 Im Jahre

2007 ist gegenüber 1990 zwar bereits eine Reduktion von 3,7 % erreicht.

Allerdings wird diese maßgeblich getragen von den Transformationsländern

Osteuropas, deren Emissionen im Zuge der Restrukturierung ihrer Wirtschafts-

systeme zwischen dem Basisjahr 1990 und 2000 um 41 % zurückgingen. Ohne

Einbezug dieser Länder ergibt sich im Jahre 2007 eine Steigerung von 11,2 %

gegenüber 1990. Und auch die Emissionen der Transformationsländer nahmen

vom Jahre 2000 bis 2007 um 7,8 % zu. Die bisherige Entwicklung zeugt also

nicht davon, dass die Industrieländer ihre Lebens- und Produktionsweise

tatsächlich treibhausgasärmer gestalten. Die USA als Industrieland mit den

höchsten Treibhausgasemissionen haben konsequenterweise das Kyoto-Protokoll

bis heute nicht ratifiziert.240 Gründe für ein entsprechendes Verhalten können

dabei nicht nur auf der Konsum-, sondern auch auf der Produktions- und

Ressourcenseite liegen. Die USA weisen, gefolgt von Russland und China, das

größte CO2-Potential in ihren heimischen fossilen Energiereserven auf, ausge-

drückt als Kohlendioxid, welches durch die fossile Verbrennung sämtlicher

heimischer Reserven an Kohle, Öl und Gas freigesetzt würde, vgl. Abbildung

5.1. Die Bodenschätze dieser Kohlendioxid-Großmächte241 erführen durch eine

rasche Reduktion der Verwendung fossiler Energieträger c. p. eine Entwertung.

239 § 3 Ziff. 1. Kyoto Protocol to the United Nations Framework on Climate Change, United

Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (1998). 240 Vgl. United Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (2010) und

United Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (2009), S. 5-8. Die angegebenen Daten beziehen sich auf Treibhausgasemissionen ohne Berücksichtigung von Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF: land-use, land-use Change and forestry). Die Entwicklung der Transformationsländer ist entnommen Ziesing (2008), S. 63.

241 Zu beachten ist, dass ein Teil dieser Großmächte (weiterhin) zu den sich entwickelnden Volkswirtschaften zählt, in denen hunderte von Millionen Menschen auf ein Leben mit mehr Wohlstand hoffen. In diesen Ländern ist nur schwer vorstellbar, dass günstige heimische fossile Ressourcen nicht zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung genutzt würden. In Indien betrug der Anteil von Menschen mit Zugang zu elektrischer Energie im Jahre 2008 gerade einmal 64,5 % (während er in China bereits 99,4 % ausmachte, vgl. International Energy

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 128

Abbildung 5.1: Kohlendioxid-Großmächte

Quelle: Eigene Darstellung, Basisdaten aus BP p.l.c. (2010).

Ungeachtet dessen haben die in der G8-Gruppe zusammengeschlossenen

führenden Industrieländer, zu denen die USA wie die Bundesrepublik Deutsch-

land zählen, auf dem Gipfel 2009 im italienischen L’Aquila – mit dem Ziel,

einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um mehr als 2°C zu unter-

binden – eine Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 um

50 % proklamiert. Die Minderung in den entwickelten Industrieländern soll sogar

überproportional um 80 % erfolgen.242 Verglichen mit dem derzeitigen Entwick-

lungstrend des relevantesten Treibhausgases CO2 scheinen solche Absichtserklä-

rungen, die zudem mit keinerlei Sanktionen bei Nichterreichung verknüpft sind,

allerdings eher appellativen Charakter zu besitzen. Abbildung 5.2 stellt der

Absichtsbekundung der G8 für 2050 die Entwicklung der CO2-Emissionen der

Welt und ausgewählter Staaten(gruppen) von 1990 bis 2030 gegenüber, wie sie

von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in einem Referenz-Szenario

Agency [IEA] (2009a)).241 Bei einer indischen Gesamtbevölkerung von 1,15 Mrd. Menschen (vgl. United Nations [UN] (2010))241 bedeutet dies rund 400 Millionen Menschen, die noch keinen Zugang zu Elektrizität besitzen.

242 Vgl. Group of Eight [G8] (2009), Ziff. 65.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 129

prognostiziert wird, bei dem die bereits verabschiedeten Politikmaßnahmen zur

Emissionsminderung fortbestehen, jedoch keine weiteren ergriffen werden.243

Evident für wirksame internationale Klimaabkommen wird die maßgebliche

Rolle der beiden größten CO2-Emittenten, VR China und USA.244

Abbildung 5.2: CO2-Emissionen der Welt und ausgewählter Staaten(gruppen) nach IEA-Referenz-Szenario im Abgleich mit der G8-Absichtsbekundung für 2050

Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 629, 633 und 647.245

243 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 75. 244 Ein zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen alternativer Ansatz, der die fossilen

Bodenschätze der Kohlendioxid-Großmächte nicht entwertete, könnte in einem Abmildern der Erderwärmung durch Geoingineering gesehen werden. Ein solcher Ansatz birgt jedoch extremes Risiko- und Konfliktpotential: Wer entscheidet über ob und wie unterschiedlicher Konzepte mit unterschiedlichen (regionalen) Risiken und Nebenwirkungen? Die Forschungen im Feld bewusster künstlicher Klimabeeinflussung, von denen die Emission von Sonnenlicht reflektierenden Kleinstpartikeln nur eine Idee unter vielen ist, werden dessen ungeachtet konkreter. Vgl. The Economist (2010).

245 Die Werte für 1990 und 2007 sind Ist-Daten, die für 2020 und 2030 sind Prognosen der IEA auf Basis ihres Referenz-Szenarios. Dem gegenübergestellt ist die Absichtsbekundung der G8 für das Jahr 2050, ausgelegt auf 1990 als einheitliche Bezugsgröße für die Reduzierung der globalen CO2-Emissionen um 50 % und die der Industrieländer um 80 % (unter den

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 130

Zu den Ausnahmen eines weiter steigenden Ausstoßes von Klimagasen zählt

Deutschland, welches seine Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2007

um 21,3 % gesenkt hat.246 Damit erfüllt es seine Verpflichtungen zum Kyoto-

Protokoll auch innerhalb des europäischen Burden Sharing247. Wie bei den

Transformationsländern Osteuropas ist ein erheblicher Teil der Einsparungen auf

die Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft im Zuge der Wiedervereini-

gung zurückzuführen, jedoch sind diese nicht darauf beschränkt. Nach stärkeren

Rückgängen der CO2-Emissionen in den Jahren 1990 und 1991 setzten sich die

CO2-Emissionsminderungen anschließend nahe um einen Trend von 0,6 % pro

Jahr fort. Bei Fortführung dieses Wertes ergäbe sich 2020 eine CO2-Minderung

von rund 25 % gegenüber 1990. Dies entspräche dann einem Zielwert, welchen

die deutsche Bundesregierung in den Jahren 1995 bis 2001 für das Jahr 2005

kommuniziert hatte.248 Die aktuelle Zielvorstellung unter den Regierungen

Angela Merkels – die Vorstellungen der großen Koalition und ihrer schwarz-

gelben Nachfolgerin entsprechen sich – liegt bei einer Reduktion der Treibhaus-

gasemissionen im Jahr 2020 von 40 % gegenüber 1990.249 Neben einer

Steigerung der Energieeffizienz, einer Erneuerung des Kraftwerksparks durch

effizientere Kraftwerke und anderer Maßnahmen soll der Ausbau der erneuer-

baren Energien in Stromerzeugung und Wärmesektor rund ein Viertel zu diesem

Annahmen, dass die Reduzierung der Treibhausgase proportional für CO2 gilt und das 80 %-Ziel der entwickelten Industriestaaten einheitlich auf USA und EU angewendet wird; für die VR China lässt sich aus der G8-Erklärung kein eindeutiges Ziel ableiten), vgl. Group of Eight [G8] (2009), Ziff. 65.

246 Vgl. United Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (2009), S. 9. 247 Die Europäische Gemeinschaft hat sich im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu einer

gemeinsamen Reduktion ihrer Treibhausgase um 8 % in der Periode 2008 bis 2012 gegenüber 1990 verpflichtet, wobei die Reduktionsverpflichtungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft unterschiedlich auf die einzelnen Mitgliedsländer verteilt sind. Während einigen Staaten wie Griechenland oder Portugal eine Steigerung der Emissionen zugestanden wird, übernehmen andere wie Großbritannien, Dänemark oder Deutschland eine überproportionale Senkung, die im Falle Deutschlands bei 21 % liegt. Vgl. United Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (2002).

248 Vgl. Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (2005), S. 4 und 8 f. 249 Vgl. Gabriel (2007) und CDU et al. (2009), S. 25 f.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 131

Ziel beitragen.250 Nach dem im September 2010 verabschiedeten Energiekonzept

der Bundesregierung wird die angestrebte Reduktion des Jahres 2020 um 40 %

im Jahr 2030 auf 55 %, im Jahre 2040 auf 70 % und im Jahre 2050 auf 80 bis

95 % fortgeführt. Der Primärenergieverbrauch soll dafür gegenüber 2008 bis zum

Jahr 2050 um 50 % sinken und der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromer-

zeugung auf 80 % anwachsen.251

Nach der Systematik des Kyoto-Protokolls kann Ausnahmestaaten wie Deutsch-

land und dem Vereinigten Königreich (-17,3 % Treibhausgasemissionen in 2007

gegenüber 1990)252 eine erfolgreiche Reduktion der Treibhausgase und damit

zumindest ein Einschwenken in Richtung einer nachhaltigen Klimaentwicklung

attestiert werden. Eine Konstruktionsschwäche des Kyoto-Protokolls besteht

allerdings in einem geographischen Ansatz, welcher die Produktions-Emissionen

als relevante Messgröße ansieht. Somit ist es einem Staat möglich, die Treib-

hausgasemissionen auf seinem Staatsgebiet zu senken (beispielsweise durch

Fokussierung seiner Wirtschaft auf Dienstleistungen), gleichzeitig aber die

Treibhausgasemissionen, welche dem Konsum auf seinem Staatsgebiet zuzu-

ordnen sind, zu erhöhen (durch Importe treibhausgasintensiver Industrie-

Produkte). Falls die treibhausgasintensiven Produktionsprozesse in Staaten

verlagert werden, die wie China keinen Reduktionsverpflichtungen unter dem

Kyoto-Protokoll unterliegen, kann es zu einer Erreichung von Kyoto-Verpflich-

tungen ohne jegliche Auswirkungen auf die globalen Treibhausgasemissionen

kommen. Für das Vereinigte Königreich geht eine Abschätzung davon aus, dass

bei einer Messgröße, welche auf die dem Konsum zuzuordnenden Treibhausgas-

emissionen abstellt, die Emissionen des Vereinigten Königreichs zwischen 1990

250 Vgl. Gabriel (2007), Auflistung der einzelnen Maßnahmen. 251 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie [BMWi]/Bundesministerium für

Umwelt (2010), S. 5. Die Ziele des Energiekonzepts wurden von der Bundesregierung auch nach ihrem im Frühjahr 2011 in Folge des Fukushima-Reaktorunglücks gefassten Ausstiegsbeschluss aus der nahezu CO2-freien Kernenergie explizit aufrechterhalten. Vgl. Merkel (2011).

252 Vgl. United Nations Framework Convention on Climate Change [UNFCCC] (2009), S. 9.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 132

und 2003 nicht abgenommen, sondern um 19 % zugenommen haben. Unter dem

Blickwinkel, dass der eigentliche Verursacher der Konsument und nicht der

Produzent ist, sind auch die gewaltigen Emissionssteigerungen Chinas zu einem

erheblichen Teil den Industrieländern zuzuordnen, für die Chinas Exporte

bestimmt sind. 253

Für Bioenergie gelten im bestehenden Kyoto-Vertragswerk besondere Regeln.

Die Verwendung von Bioenergie wird als kohlenstoffneutral betrachtet. Dies

folgt der Argumentation, dass die durch die Verwendung von Bioenergie freige-

setzten CO2-Emissionen in naher Vergangenheit durch Photosynthese der Atmo-

sphäre entzogen wurden, etwa bei einem Anbau von kurzlebigen

Energiepflanzen. Allerdings ist im Rahmen des Kyoto-Protokolls nicht sicher-

gestellt, dass alle durch Anbau und Ernte von Biomasse entstehenden Emissionen

den Anbauländern angelastet werden. Die Annex I-Länder (Industrieländer)

haben bestimmte Optionsmöglichkeiten, insbesondere was den Einbezug von

CO2-Emissionen durch Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirt-

schaft (LULUCF) betrifft. Dies führt tendenziell zu einer Überbewertung der

Einsparungen von Treibhausgasemissionen bei einer Substitution fossiler

Energien durch Biomasse. Das Problem verschärft sich, wenn die Biomasse in

einem Nicht-Annex I-Land angebaut wird. Dann werden die bei der Produktion

anfallenden Emissionen überhaupt nicht innerhalb des Kyoto-Regimes berück-

sichtigt. Ein diese Biomasse importierendes Annex I-Land kommt aber gleich-

wohl in den vollen Genuss der Kohlenstofffreiheit von Biomasse. Selbst eine

Nutzung von Biomasse, die netto zu einer Steigerung der Emissionen führt,

könnte von einem Annex I-Land als Minderung seiner Emissionen verbucht

werden: „Das gegenwärtige Anrechnungssystem unterstützt damit den Import

von Bioenergie aus Entwicklungsländern unabhängig davon, ob Emissionen

253 Vgl. Helm (2008), S. 220 f., darin auch Ausführungen zur konsumbasierten Emissions-

zunahme des Vereinigten Königreichs nach Helm et al. (2007).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 133

damit vermieden oder gesteigert werden.“254 Die aktuelle Ausgestaltung der

internationalen Treibhausgasinstitutionen bestärkt also die Befürchtung, dass

beim Ausbau von Bioerdgas (allgemein Bioenergien) nicht ausreichend

Rücksicht auf nachhaltige Entwicklung inklusive der Konkurrenz zu Nahrungs-

mitteln gelegt wird.

Deutschland hat im Rahmen des Kyoto-Protokolls und des EU-Burden Sharings

verbindliche Treibhausgasminderungen zugesagt, die es im Sinne der Kyoto-

Systematik als eines von wenigen Ländern auch tatsächlich erfüllt. Seine Erklä-

rungen im Rahmen der G8 und der laufenden Verhandlungen zu einem Kyoto-

Folgeabkommen bedeuten – so die politischen Absichtsäußerungen auch

zukünftig als belastbar unterstellt werden – eine erhebliche weitere Absenkung

der Treibhausgase. Die Ausbauziele und Subventionierungen von Bioerdgas als

Teil der erneuerbaren Energien basiseren auf dieser fortgesetzten Verfolgung

deutscher Klimaschutzanstrengungen.

5.2.5 Förderung von Bioerdgas über das EEG Die finanzielle staatliche Förderung der laufenden Produktion von Bioerdgas,

ebenso wie Biogas, erfolgt über das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer

Energien, kurz Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG255 (Bioerdgas erfährt bei der

Einspeisung ins Erdgasnetz daneben eine weitere laufende Vergütung für

vermiedene Netzkosten in Höhe von 0,7 Ct/kWh, vgl. 3.2.3). Über das EEG wird

die marktpreisunabhängige Vergütung von ins Stromnetz eingespeistem regene-

rativ erzeugten Strom geregelt, wobei die Vergütungshöhe von der eingesetzten

Energiequelle abhängt. Von Zwischenstufen der Energieumwandlung wird dabei

abstrahiert: Während beispielsweise Windenergieanlagen und Solarzellen

254 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen [WGBU]

(2009), S. 231, vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umwelt-veränderungen [WGBU] (2009), S. 228-231.

255 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2074), das zuletzt durch das Gesetz vom 11. August 2010 (BGBl. I S. 1170) geändert worden ist.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 134

unmittelbar aus den regenerativen Energiequellen Wind und Sonne Strom produ-

zieren, ist bei Bio(erd)gas eine Zwischenstufe im Umwandlungsprozess gegeben.

Aus den regenerativen pflanzlichen und tierischen Ausgangsstoffen wird Biogas

erzeugt, welches dann in einem separaten Prozess verstromt wird. Im Falle von

Bioerdgas sind diese Prozesse auch räumlich getrennt, da das Biogas erst auf

Erdgasqualität aufbereitet, dann ins Erdgasnetz eingespeist und anschließend an

anderer Stelle zur Stromproduktion entnommen wird. Weder die Produktion von

Bioerdgas an sich noch die reine Verwendung für andere Zwecke wie Raum-

oder Prozesswärme führen zum Genuss der EEG-Vergütungen, sondern

ausschließlich die Bioerdgas-Nutzung für die Stromerzeugung. Als Ziel definiert

das EEG, „den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum

Jahr 2020 auf mindestens 30 Prozent und danach kontinuierlich weiter zu

erhöhen“ (§ 1 Ziff. (2) EEG). Dieses Ziel steht im Dienste des Zwecks einer

klimaverträglichen Energieversorgung unter Einbeziehung langfristiger externer

Effekte sowie der Schonung fossiler Energieressourcen und der technologischen

Weiterentwicklung erneuerbarer Energien (§ 1 Ziff. (1) EEG).

Das EEG verfolgt einen technologiespezifischen Ansatz, der das homogene Gut

Strom je nach eingesetzter Energiequelle und abhängig von verwendeter

Technologie, Anlagenleistung und Zeitpunkt der Anlageninbetriebnahme mit

erheblichen Spreizungen differenziert vergütet. Einen Überblick über diese

Streuung vermittelt Abbildung 5.3, in der nur Grundvergütungen einzelner

Energieträger gemäß der §§ 23 bis 33 EEG in ausgewählten Größenklassen256

dargestellt sind, ohne weitere technologische oder zeitliche Ausdifferenzierungen 256 Hinsichtlich der Größenklassen ist zu beachten, dass eine Anlage einer bestimmten

Leistungsklasse gemäß § 18 Ziff. (1) EEG nicht ausschließlich den Vergütungssatz dieser Leistungsklasse erhält, sondern anteilig auch den Vergütungssatz der niedrigeren Leistungsklassen (in Abbildung 5.3 wird dies augenscheinlich bei der Wasserkraft, bei der für die Leistungsklasse bis 500 kW bei den Anlagen größer 5 Megawatt ein anderer Vergütungssatz gilt als bei Anlagen bis 5 Megawatt). Die Aufteilung erfolgt dabei nicht entsprechend der installierten Anlagenleistung, sondern entsprechend der tatsächlichen Jahresleistung der Anlage, die aus in einem Jahr erzeugter Arbeit und Stunden dieses Jahres ermittelt wird, vgl. Hinsch/Holzapfel (2009), S. 10.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 135

einzubeziehen. Nicht berücksichtigt ist die ab dem Jahr 2010 greifende Degres-

sion der Vergütungssätze (§ 20 EEG). Die Degression bewirkt eine Verringerung

der Vergütungssätze für neu in Betrieb genommene Anlagen im Vergleich zu den

Ausgangsbeträgen bzw. zum Vorjahr. Die bei Inbetriebnahme geltende Vergü-

tungshöhe bleibt dann aber für die gesamte EEG-Vergütungsdauer (§ 21 Ziff.

(2)) von grundsätzlich 20 Jahren zuzüglich des Inbetriebnahmejahres konstant.

Die eigentliche Subventionierung des EEG besteht nicht in der gesamten

Vergütung, sondern im Überschreiten des Marktwertes durch die jeweilige

Vergütung. Der Preis für Grundlaststrom als Indikator257 für den Marktwert lag

im Durchschnitt des Jahres 2009 an der Leipziger Energiebörse EEX bei 3,89

Ct/kWh258 und ist den Vergütungssätzen in Abbildung 5.3 gegenübergestellt.

257 Viele regenerativen Energiequellen sind nicht grundlastfähig und hinsichtlich ihrer

Produktionsbereitschaft nicht steuerbar, da sie auf natürliche Einflüsse wie Sonne und Wind angewiesen sind, so dass der tatsächliche Marktwert geringer ausfallen dürfte.

258 Dieser Preis ergibt sich als in Ct/kWh umgerechneter Mittelwert der vier Quartalswerte 2009 des von der EEX veröffentlichten KWK-Preises, der definiert ist als durchschnittlicher Preis für Baseload-Strom an der EPEX Spot je Quartal, abrufbar unter www.eex.com, vgl. European Energy Exchange [EEX] (2010b).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 136

Abbildung 5.3: EEG-Vergütungssätze (§§ 23-33 ohne Berücksichtigung zeitlicher oder technologischer Sonderregelungen)

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Subventionen durch das EEG sind insofern staatliche als sie gesetzlich

vorgeschrieben sind. Sie fließen jedoch nicht über den Staatshaushalt, sondern

werden über die Stromnetzbetreiber (Betreiber von Netzen aller Spannungs-

ebenen für die allgemeine Versorgung) abgewickelt, die die EEG-Vergütungen

zahlen und ihrerseits von den Übertragungsnetzbetreibern erstattet bekommen.259

Diese gleichen die Strommengen aus erneuerbaren Energien untereinander aus,

vermarkten sie an der Börse und stellen den durchschnittlichen Differenzbetrag

aus Marktwert und EEG-Vergütung (EEG-Umlage) den Stromlieferanten in

Rechnung, die sie an Letztverbraucher weiterreichen (§§ 16, 34-39, 53 und 54

EEG in Verbindung mit der Ausgleichsmechanismusverordnung,

259 Sachlich entspricht die EEG-Förderung damit einer staatlichen Subvention, die durch eine

spezielle Steuer auf den Stromverbrauch finanziert würde. Der fragwürdige Vorteil der im EEG gewählten Umlage ist, dass diese nicht im Staatsbudget ausgewiesen wird und entsprechend bei der Berechnung der Staatsquote keine Berücksichtigung findet. Vgl. Sinn (2008), S. 136.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 137

AusglMechV260). Die jährlich anzupassende EEG-Umlage beträgt 2010 je kWh

2,047 Ct. In 2011 steigt sie aufgrund des weiteren Ausbaus der erneuerbaren

Energien, vor allem der Photovoltaik, um 72 % auf 3,530 Ct/kWh. Für stromin-

tensive Unternehmen und Schienenbahnen bestehen Ausnahmetatbestände, um

ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu sehr zu beeinträchtigen (§§ 4-

44 EEG). Ihre EEG-Umlage ist auf 0,05 Ct/kWh begrenzt.261

Für Bioerdgas, welches im EEG262 unter Biomasse subsumiert wird, greifen für

die Grundvergütung vier Förderstufen in Abhängigkeit von der Anlagenleistung:

Bis einschließlich einer Anlagenleistung von 150 kW beträgt die Grundver-

gütung 11,67 Ct/kWh, bis 500 kW 9,18 Ct/kWh, bis 5 MW 8,25 Ct/kWh und bis

20 MW 7,79 Ct/kWh. Darüber hinaus existieren drei Förderaufschläge in

Abhängigkeit von verwendeter Technologie, eingesetzten Rohstoffen und

Nutzung der bei der Stromproduktion erzeugten Wärme (Technologiebonus,

Bonus für nachwachsende Rohstoffe und KWK-Bonus), die auch kumulativ

geltend gemacht werden können. Abbildung 5.4 stellt die verschiedenen Fallge-

staltungen dar, wieder im Vergleich zum Börsenpreis als Marktwertindikator.

260 Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus vom

17. Juli 2009 (BGBl. I S. 2101). 261 Vgl. Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus

(AusglMechV) vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 2101)), Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2010) und Amprion GmbH (2010).

262 Die Feinheiten der Bioerdgas-Förderung über das EEG, ihre Auslegungen und Auswirkungen stellen ein weites Themenfeld dar (vgl. beispielsweise Loibl et al. (2009)). Diese Arbeit stellt auf wesentliche Punkte und auswählte Details ab.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 138

Abbildung 5.4: EEG-Vergütungssätze bei Stromerzeugung aus Bioerdgas (§ 27 EEG)

Quelle: Eigene Darstellung.

Der Technologiebonus (§ 27 Ziff. (4) 1. EEG in Verbindung mit Anlage 1 EEG)

soll einen Anreiz für die Nutzung innovativer, besonders umwelt- und klima-

schonender Anlagentechnik und deren Entwicklung setzen, ist dabei jedoch auf

eine Leistung bis 5 MW begrenzt. Er kennt zwei Ausprägungen, über die der

Bonus alternativ erlangt werden kann. Ein doppelter Technologiebonus über

beide Wege ist nicht möglich. Zum einen greift er, wenn bei der Aufbereitung

des Biogases auf Erdgasqualität Mindestanforderungen hinsichtlich der

maximalen Methanemission, des maximalen Stromverbrauchs und der Bereit-

stellung der notwendigen Prozesswärme aus erneuerbaren Energien eingehalten

werden. Für diese Fallgruppe beträgt der Technologie-Bonus bis zu einer

maximalen Kapazität der Gasaufbereitungsanlage von 350 Normkubikmetern

aufbereiteten Rohgases pro Stunde 2,0 Ct/kWh und bis 700 Normkubikmetern

pro Stunde 1,0 Ct/kWh. Zum anderen greift er bei der Verwendung innovativer

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 139

Technologien263 wie dem Einsatz von Gasturbinen oder Organic-Rankine-

Anlagen264. Voraussetzung dafür ist jeweils, dass eine Wärmenutzung

entsprechend der Bedingungen des KWK-Bonus erfolgt oder ein elektrischer

Wirkungsgrad von mindestens 45 % erreicht wird. Für diese Fallgruppe beträgt

der Technologie-Bonus 2,0 Ct/kWh.265

Zur Erschließung nachwachsender Rohstoffe zur energetischen Nutzung, insbe-

sondere auch in kleineren Anlagen, soll der Bonus für nachwachsende Rohstoffe,

NaWaRo-Bonus, beitragen (§ 27 Ziff. (4) 2. EEG in Verbindung mit Anlage 2

EEG). Der NaWaRo-Bonus stellt einerseits auf nachwachsende Rohstoffe,

Pflanzen oder Pflanzenbestandteile ab, die in landwirtschaftlichen, forstwirt-

schaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben oder im Rahmen der Landschafts-

pflege anfallen. Andererseits fällt auch der Einsatz von Gülle unter den

NaWaRo-Bonus, wobei als Gülle im EEG-Sinne zwar Exkremente und Urin von

Nutztieren gelten, nicht jedoch Fäkalien von Heimtieren, Zirkustieren und

Tieren, die der Liebhaberei dienen – mit Ausnahme von Pferden, deren Fäkalien,

auch wenn es sich nicht um Nutztiere handelt, für den NaWaRo-Bonus qualifi-

zieren. Eine Positivliste definiert 22 pflanzliche Nebenprodukte, von Biertreber

(frisch oder abgepresst) bis Zuckerrübenschnitzel, die in Kombination mit

NaWaRo und Gülle eingesetzt werden dürfen, ohne dass der Bonus verfällt. Für

den Strom, welcher auf diese Nebenprodukte zurückzuführen ist, wird jedoch

kein Bonus gezahlt. Die Abgrenzung der Strommengen erfolgt über Standard-

Biogaserträge, die allen 22 Nebenprodukten der Positivliste als Kilowattstunden

elektrisch pro Tonne Frischmasse zugeordnet sind. In Kombination mit dem zu

führenden Einsatzstoff-Tagebuch mit Angaben und Belegen über Art, Menge

263 Dabei sind nicht etwa Zielmarken in Hinblick auf Umweltfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit

oder Ähnliches definiert, sondern die „innovativen“ Technologien sind vom Gesetzgeber genau und abschließend aufgeführt.

264 Bei diesen wird die im Blockheizkraftwerk entstehende Abwärme genutzt, um über organische Flüssigkeiten mit besonders niedrigem Siedepunkt weiteren Strom zu produzieren.

265 Vgl. Bredow (2009).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 140

und Einheit sowie Herkunft der eingesetzten Stoffe lassen sich so die bonus-

würdigen Mengen und die nicht bonuswürdigen Mengen abgrenzen. Für Biogas-

anlagen (für sonstige Biomasse gelten abweichende Sätze) beträgt der NaWaRo-

Bonus bis einschließlich einer Leistung von 500 kW 7,0 Ct/kWh. Für Strom aus

Biogasanlagen erhöht sich dieser Satz, falls der Gülleanteil mindestens 30

Masseprozent beträgt, dies gilt jedoch nicht für Strom aus Bioerdgas.266 Auch für

Bioerdgas gilt hingegen eine Erhöhung des Bonusses um 2,0 Ct/kWh, wenn

überwiegend Pflanzen oder Pflanzenbestandteile eingesetzt werden, die im

Rahmen der „Landschaftspflege“ anfallen (ohne dass im Gesetz ersichtlich wäre,

was genau unter Landschaftspflege zu verstehen ist).267

Für Bioerdgas ist gemäß § 27 Ziff. (3) 3. EEG eine Stromerzeugung in Kraft-

Wärme-Kopplung zwingend vorgeschrieben, um überhaupt in den Genuss der

Grundvergütung zu gelangen (dies stellt eine Verschärfung mit novelliertem

EEG im Jahre 2009 ggü. dem zuvor bestehenden EEG des Jahres 2004 dar)268.

Sobald eine Vergütung des Bioerdgas-Stroms über das EEG erfolgt, liegen also

auch die Anspruchsvoraussetzungen für den in § 27 Ziff. (4) 3. EEG angeführten

zusätzlichen KWK-Bonus von 3,0 Ct/kWh vor. Dieser wird gewährt bis

einschließlich einer Leistung von 20 MW – allerdings nur für den Stromanteil,

der der tatsächlich genutzten Wärme zuzurechnen ist. Bei Anlagen, die über

keine Wärmeabfuhreinrichtungen (sog. Notkühler in Form von Kondensations-,

Kühl oder Bypasseinrichtungen) verfügen, gilt die gesamte Nettostromerzeugung

als bonusfähiger KWK-Strom. Bei Anlagen mit Wärmeabfuhreinrichtung wird

der bonusfähige Strom aus der tatsächlichen Nutzwärme rückgerechnet.269 In

266 Die Ungleichbehandlung von Biogas und Bioerdgas in diesem Punkt ist sachlich nicht

plausibel nachvollziehbar. Vgl. Heigl (2009), S. 124 f. 267 Vgl. Walter (2009), S. 88-95, 109 und 111 f., und Poppe (2009), S. 127-134. 268 Damit sollte wohl eine vermeintliche Überförderung von Bioerdgas, auch im Hinblick auf

die Konkurrenz um Einsatzstoffe, die ohne Wärmenutzung nicht effizient genutzt würden, im Verhältnis zu anderen Biomasseanlagen verhindert werden. Vgl. Graßmann (2009), S. 263.

269 Der bonusfähige KWK-Strom errechnet sich in diesem Falle als Produkt aus Nutzwärme (kWh) und Stromkennzahl der Anlage. Die Stromkennzahl ist das Verhältnis der KWK-

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 141

letzterem Falle erfolgt die Vergütung der vollen Strommenge nach EEG also nur

dann, wenn das entsprechende BHKW streng wärmegeführt betrieben wird. Für

die Nutzung der Wärme aus dem KWK-Prozess bestehen weitere Vorgaben.

Entweder sie entspricht den Vorgaben einer definierten Positivliste, in der

beispielsweise Maximalwerte für die anrechenfähige Nutzwärme pro Quadrat-

meter für Gebäudeheizungen vorgegeben sind, Einschränkungen für Einspei-

sungen in ein Wärmenetz gemacht werden oder die Nutzung als Prozesswärme

auf bestimmte industrielle Prozesse begrenzt ist. Oder sie führt nachweislich zum

Ersatz fossiler Energie in einem definierten Mindestumfang und führt gleich-

zeitig zu bestimmten Mindestinvestitionen zur Bereitstellung der Wärme

(technische Einrichtungen wie Wärmetauscher, Dampferzeuger etc.). In diesem

Falle darf die Wärme jedoch nicht für Zwecke genutzt werden, die aus Sorge vor

missbräuchlicher Energieverschwendung zur Generierung der erhöhten Vergü-

tungen auf einer Negativliste enthalten sind, beispielsweise die Beheizung lange

offenstehender landwirtschaftlicher Maschinenhallen oder die Beheizung von

Kirchen.270

Die Wirtschaftlichkeit einer Bioerdgas-Anlage im Hinblick auf die EEG-Vergü-

tungen hängt von der individuellen Ausprägung von Technik, Substratkosten und

nicht zuletzt dem Grad der Wärmenutzung ab. Eine Studie des Fraunhofer

Instituts UMSICHT beispielsweise betrachtet wärmegeführte Bioerdgas-BHKW

mit einem Abwärmenutzungsgrad von 90% und kommt dabei auf Basis einer

Biogasanlage mit 1.000 Normkubikmeter Durchsatz pro Stunde je nach

Anlagentyp auf ein spezifisches Betriebsergebnis von 1,9 bis 2,0 Ct/kWh

bezogen auf das eingespeiste Bioerdgas. Dieses Ergebnis hängt maßgeblich ab

von der Wärmenutzung und dem erzielten Wärmeerlös, für den hier 5,0 Ct/kWhth

unterstellt sind. Bei einem Absinken des Wärmeerlöses auf 3,0 Ct/kWhth

Nettostromerzeugung zur KWK-Nutzwärmeerzeugung in einem bestimmten Zeitraum. Vgl. Loibl (2009), S. 163.

270 Vgl. Loibl (2009), S. 142-157 und Graßmann (2009), S. 263 f.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 142

verringert sich das Ergebnis bezogen auf das eingespeiste Bioerdgas um rd.

0,8 Ct/kWh.271

Für das Jahr 2010 gehen die Übertragungsnetzbetreiber von EEG-Stromein-

speisungen von 90,2 TWh aus: Davon 54 % Wind, 29 % Biomasse, 9 % Solar,

6 % Wasser und 2 % Deponie-/Klär-/Grubengase; Geothermie liegt mit 0,04 %

unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Bezogen auf den deutschen Bruttostrom-

verbrauch des Jahres 2009272 entspräche dies einem Anteil von 15,5 % und damit

rund der Hälfte des für 2020 avisierten Zielwertes (s. o.). Für die 90,2 TWh

prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber Einspeisevergütungen von

12,7 Mrd. €: Davon 34 % Wind, 31 % Biomasse, 31 % Solar, 3 % Wasser und

1 % Deponie-/Klär-/Grubengase (die auseinanderfallenden Werte der Einspeise-

und Vergütungsanteile spiegeln die technologiespezifischen Vergütungssätze,

vgl. Abbildung 5.3).273 Spezifisch sind dies durchschnittlich 14,1 Ct/kWh (in

ihrer Verlässlichkeit höherwertige Baseload-Jahresforwards an der EEX notieren

bei rund 5 Ct/kWh)274. Im Jahr 2011 steigen die erwarteten spezifischen Vergü-

tungen aufgrund der zunehmenden Einspeisungen aus Photovoltaik-Anlagen auf

17,0 Ct/kWh an.275

Der planwirtschaftliche Ansatz des EEG lenkt Ressourcen in Verwendungen, die

bei marktlichem Wettbewerb nicht überlebensfähig wären, soweit die Vergü-

tungssätze als Indiz für Kostenstrukturen herangezogen werden können:276

Wären die Stromlieferanten alternativ verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres 271 Vgl. Fraunhofer Institut für Umwelt- (2009), S. 69-102. 272 Der Bruttostromverbrauch des Jahres 2009 betrug nach vorläufigen Angaben der

Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 582,5 TWh, vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2010), S. 22.

273 Vgl. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2010). 274 Vgl. European Energy Exchange [EEX] (2010d). 275 Die Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren EEG-Einspeisungen von 98,0 TWh und

EEG-Vergütungen von 16,7 Mrd. €. Vgl. 50Hertz Transmission GmbH et al. (2010), S. 26 f. 276 Nach ökonomischen Kalkül haben Investoren zumindest den Anreiz, die Anlagenkapazität

auch auf schlechtere Standorte so lange auszudehnen, bis die staatlich garantierte Vergütung den Grenzkosten entspricht.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 143

Stromes aus erneuerbaren Energien zu decken, müssten sie diesen im Wettbe-

werb um ihre Kunden möglichst günstig produzieren bzw. erwerben. Möglicher-

weise wäre Solarenergie dabei sogar eine Option, falls sie in Südeuropa oder

Afrika wettbewerbsfähig im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien erzeugt

werden könnte – nicht jedoch aus Deutschland zum rund zehnfachen des Börsen-

preises, wenn gleichzeitig Alternativen wie Wasser- oder Windenergie günstiger

zu realisieren sind.

Das EEG erzielt somit zwar den gewünschten Erfolg einer zunehmenden

Einspeisung erneuerbarer Energien, allerdings zu einem hohen Preis, unter den

nicht nur höhere Kosten für erneuerbare Energien (EEG-Umlage) als notwendig

fallen, sondern auch das Aushebeln der Entdeckungsfunktion des Marktes hin zu

innovativen neuen Lösungen: „[E]s sind jeweils die vorläufigen Ergebnisse des

Marktprozesses, die den einzelnen sagen, wonach zu suchen sich lohnt“277. Statt

dessen liegen die Anreize auf Lobbyismus im Gesetzgebungsverfahren278 und

möglichst findiger Ausschöpfung der staatlich bereitgestellten Subventionstöpfe,

die mit einem komplexen bürokratischen Regelwerk bedeckt sind: „Climate-

change policy [...] is likely to be one of the largest sources of economic rents

from policy interventions.“279 20jähriges Festschreiben von Vergütungen für

nicht wettbewerbsfähige Technologien wird nicht den Weg ebnen hin zu einer

globalen Umgestaltung der fossilen Energiebereitstellung in Richtung erneuer-

barer Quellen. Dies wird letztendlich nur möglich sein, wenn Verfahren

entwickelt werden, die zu einer so günstigen Bereitstellung erneuerbarer

Energien führen, dass es nicht mehr lohnend ist, fossile Quellen einzusetzen.

Eine darauf abgestellte umfassende Grundlagenforschung fällt – anders als die

Technologieauswahl des EEG – gut begründet in den staatlichen Aufgaben-

bereich: Grundlagenforschung stellt ein öffentliches Gut dar, welches ohne 277 Hayek (1968), S. 7. 278 Beispielhaft seien hier die politischen Auseinandersetzungen in 2010 um die Kürzung der

Solarförderung angeführt, vgl. Der Spiegel (2010). 279 Helm (2008), S. 225.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 144

staatliche Koordination kaum in gesellschaftlich wünschenswertem Umfang

bereitzustellen ist.

Der Stromkonsument ist in der aktuellen EEG-Welt seiner Wahlmöglichkeiten

völlig beraubt, da er zur Zahlung der Rechnung des EEG-Stroms verpflichtet ist,

aber keinerlei Einfluss auf die Produzenten ausüben kann – mit den Worten Carl

Christian von Weizsäckers: „Der Stromverbraucher wird als Zwangskonsument

eines überteuerten Gutes missbraucht. Die Konsumentensouveränität wird

eingeschränkt und durch ein Konsumdiktat ersetzt.“280 Damit einher geht der

Aufbau von Arbeitsplätzen auf Basis staatlicher Zuwendungen, der es mit

zunehmenden Beschäftigungszahlen politisch umso schwerer macht, einmal

eingeschlagene Subventionspfade wieder zu verlassen: 2009 waren nach Berech-

nungen des DIW rund 340.000 Menschen im Bereich erneuerbarer Energien

beschäftigt, eine Steigerung von 112 % gegenüber 2004, wobei Biomasse mit

128.000 noch vor der Windenergie mit 102.000 Beschäftigen den größten Block

stellt.281

Für sich genommen stellen bereits diese Ausführungen den Ansatz, den das EEG

zur Förderung erneuerbarer Energien wählt, in kein gutes Licht. Noch nicht

berücksichtigt ist dabei, dass der wesentliche Zweck des EEG, die Vermeidung

klimaschädlicher Treibhausgase, gleichzeitig über ein zweites Instrument

verfolgt wird, den europäischen Emissionshandel.

Obwohl die Europäische Union ursprünglich sehr skeptisch gegenüber einem

Handel mit Emissionsrechten eingestellt war, bildet dieser heute das zentrale

Element ihrer Klimaschutzstrategie.282 Die Energiewirtschaft und Teile der

280 Weizsäcker (2009). 281 Vgl. Edler/O'Sullivan (2010). 282 Bevor sich die EU gegen Ende der 90er Jahre dem Emissionshandel zuwandte, war der

Anfang der 90er Jahre initiierte Versuch einer unionsweiten Steuer auf Kohlenstoff am Widerstand von Mitgliedsländern und Industrie gescheitert. Auch die europäische Position in

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 145

energieintensiven Industrie benötigen seit 2005 für den Ausstoß von Kohlen-

dioxid begrenzt verfügbare und im Zeitablauf knapper werdende Zertifikate, die

sie nach erstmaliger Zuteilung durch den Staat untereinander über Märkte

handeln können (Cap and Trade).283 Der Emissionshandel macht sich die von

Ronald H. Coase herausgearbeitete Idee zunutze, dass wohldefinierte Eigentums-

rechte an knappen Umweltgütern (bei vollkommenem Markt) eine ökonomisch

effiziente Allokation erzeugen und Marktversagen wie im Falle des anthropo-

genen Klimawandels entgegenstehen.284 Als Korrektiv der ursprünglich vom

Preismechanismus nicht erfassten Knappheit der klimaneutralen Aufnahme-

fähigkeit der Atmosphäre für Treibhausgase stehen damit nicht nur Steuern und

Ordnungsrecht zur Verfügung, sondern auch (staatlich initiierte) Marktmecha-

nismen. Der europäische Emissionshandel285 befindet sich nach einer ersten, als

Pilotphase einzustufenden Handelsperiode der Jahre 2005 bis 2007 nun in der

zweiten Handelsperiode mit Zeithorizont 2008 bis 2013. Wie die meisten euro-

päischen Staaten teilte Deutschland die Zertifikate der ersten Handelsperiode

kostenfrei zu, im Wesentlichen auf Basis historischer Emissionen (Grand-

den Verhandlungen des Kyoto-Protokolls, einen zwischenstaatlichen Emissionshandel nicht zuzulassen, konnte sich gegenüber den USA, die dieses Instrument befürworteten, nicht durchsetzen. Vgl. Ellerman et al. (2010), S. 9 f.

283 Damit entschied sich die EU für eine Downstream-Regulierung der Emissionen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung und gegen eine Upstream-Regulierung auf Ebene der Produzenten und Importeure fossiler Energien, die alternativ ebenfalls in der Diskussion war, vgl. Ellerman et al. (2010), S. 22. Letztere präferiert beispielsweise der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008), S. 5 f.

284 Coase ist natürlich bewusst, dass die Modellvorstellung eines kostenlosen Preissystems in der Realität nicht anzutreffen ist. In einer realistischeren Welt mit Kosten des Preissystems müssen Wohlstandssteigerungen von Allokationsanpassungen diese Kosten mindestens kompensieren um realisiert zu werden. Dann gilt: „In these conditions the initial delimitation of legal rights does have an effect on the efficiency with which the economic system operates. One arrangement of rights may bring about a greater value of production than any other. But unless this is the arrangement of rights established by the legal system, the costs of reaching the same result by altering and combining rights through the market may be so great that this optimal arrangement of rights, and the greater value of production which it would bring, may never be achieved.“ Coase (1960), S. 16.

285 Grundlage ist die am 25. Oktober 2003 in Kraft getretenen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgaszertifikaten in der Gemeinschaft (2003/87/EG).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 146

fathering).286 Für die Elektrizitätswirtschaft begrenzte es die für die zweite

Handelsperiode kostenfrei zugeteilten Zertifikate. Rund 9 % werden statt dessen

vom Staat veräußert. Seit Anfang 2010 erfolgt dies in wöchentlichen Auktionen

an der EEX in Leipzig, in denen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die

Emissionszertifikate in staatlichem Auftrag vermarktet. In der dritten Handels-

periode ab 2013 sollen die Zertifikate für die Elektrizitätswirtschaft europaweit

nach einheitlichen Anforderungen vollständig versteigert werden, später auch

zunehmend die der Industrie. Der Zuteilungsschlüssel der Erlöse dieser

Auktionen soll sich dabei – abgesehen von gewissen Umverteilungen zugunsten

ärmerer und neuer Mitgliedsstaaten – nach dem Verhältnis der CO2-Emissionen

der Mitgliedsstaaten zum Zeitpunkt des Starts des europäischen Emissions-

handels im Jahre 2005 richten.287

Die Summe der zulässigen deutschen CO2-Emissionen wird im internationalen

und europäischen Kontext bestimmt: Durch das Kyoto-Protokoll und dessen

europäische Umsetzung im Burden Sharing. Ein wesentlicher Teil der deutschen

und europäischen CO2-Emissionen, insbesondere die der Elektrizitätswirtschaft,

unterliegt seit 2005 dem Zertifikatehandel, bei dem die zulässigen CO2-

Emissionen eindeutig über die Anzahl der zum jeweiligen Zeitpunkt ausgege-

benen Zertifikate festgelegt sind. Solange diese Zertifikate zu einem positiven

Preis (> 0 €/t) gehandelt werden, sind sie knapp und werden somit auch in Gänze

in Anspruch genommen. Die zulässigen CO2-Emissionen für die Sektoren, die

nicht dem Zertifikatehandel unterliegen, ergeben sich aus Subtraktion der Zerti-

fikate von den zulässigen Gesamtemissionen. Das EEG fördert die Erzeugung

von Strom aus regenerativen Energien, welcher c. p. Strom aus konventionellen,

insbesondere fossilen Kraftwerken verdrängt, welcher dem Zertifikatehandel

286 Wesentliche rechtliche Grundlagen bilden das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz

(TEHG), der Nationale Allokationsplan (NAP) und das Zuteilungsgesetz (ZuG). 287 Vgl. Ellermann et al. (2010), S. 9-31, Environment Directorate-General of the European

Commission (2010), Umweltbundesamt [UBA] (2010) und Umweltbundesamt [UBA]/Deutsche Emissionshandelsstelle [DEHSt] (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 147

unterliegt. Die Elektrizitätswirtschaft fragt somit weniger CO2-Zertifikate nach,

entsprechend sinkt deren Preis. Dies bedeutet aber nur, dass an anderer Stelle in

den vom Emissionshandel umfassten Sektoren weniger Anstrengungen unter-

nommen werden müssen, CO2 einzusparen, ohne dass jedoch insgesamt weniger

CO2 emittiert würde (zumindest solange der Preis der Zertifikate nicht auf Null

sinkt). Diese grundlegende Kritik an dem Zusammenspiel von EEG und Emissi-

onshandel hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für

Wirtschaft und Arbeit bereits Anfang 2004 ausgeführt, ohne dass dies zu einem

politischen Umsteuern hinsichtlich dieser Instrumente geführt hätte:

„Mit Beginn eines funktionierenden Marktes für CO2-Emissions-Lizenzen in Europa verändert sich die Wirkung des EEG. Hat es bisher, wenn auch mit sehr hohen volks-wirtschaftlichen Kosten, zur Reduktion von CO2-Emissionen beigetragen, so wird sein Gesamteffekt auf die Reduktion von CO2-Emissionen nach der Implementierung dieses Lizenzmarktes gleich Null sein. Es wird dann zu einem ökologisch nutzlosen, aber volkswirtschaftlich teuren Instrument und müsste konsequenterweise abgeschafft werden.“288

Selbst wenn die Instrumente aufeinander abgestimmt wären (beispielsweise

durch eine Stilllegung der durch die Einspeisung von EEG-Strom freigesetzten

CO2-Emissionszertifikate), entspräche dies keinesfalls einer effizienten Lösung

zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, denn dann gälte: Während über

das Instrument des Zertifikatehandels eine zusätzliche t CO2 zu rd. 16 €/t

eingespart werden kann (Grenzvermeidungskosten289), betragen die durchschnitt-

lichen Vermeidungskosten einer t CO2 über das EEG auf Basis der angeführten

EEG-Einspeiseerwartungen des Jahres 2011 rd. 213 €/t: Die Vermeidungskosten

des EEG ergeben sich auf Basis der von Technologie zu Technologie variie-

288 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2004), S. 17. 289 Grenzvermeidungskosten stellen auf nur marginale Mengenänderungen ab und müssen kein

Indiz für die Kostenstrukturen umfangreicherer Änderungen des wirtschaftlichen Entwicklungspfades darstellen. Da einer marktlichen Lösung aber neben allen anderen Optionen auch die Technologien offen stehen, auf die derzeit das EEG setzt, sind die Kosten c. p. trotzdem in jedem Falle geringer.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 148

renden Vergütungssätze und erreichen für die Grundvergütung in der Spitze, bei

kleinen Solaranlagen bis 30 kW, 538 €/t.290

Bioerdgas zeichnet sich im Vergleich zu Biogas durch eine größere Verwen-

dungsflexibilität aus. Nicht eingespeistes Biogas ist kaum anders als zur

Stromerzeugung nutzbar (BHKW direkt neben der Biogasanlage) und unterliegt

damit zwangsläufig dem Spannungsfeld von EEG und Zertifikatehandel – mit

der Einschränkung, dass die Nutzung der KWK-Wärme aufgrund der ländlichen

Standorte der Anlagen im Normalfall nicht in großindustriellen Prozessen

erfolgt, welche dem Zertifikatehandel unterliegen, so dass zumindest ein

gewisser Zusatzeffekt gegenüber anderen EEG-Technologien zu verzeichnen ist

(dies gilt analog bei vergleichbarem KWK-Bioerdgas-Einsatz). Bioerdgas ist

grundsätzlich nicht auf eine Verwendung zur Stromerzeugung festgelegt.

Vielmehr ließe sich Bioerdgas auch primär im Haushalts-Wärmemarkt, der nicht

dem Zertifikatehandel unterliegt, als Erdgassubstitut verwenden. Losgelöst von

allen wirtschaftlichen Überlegungen könnte so zumindest eine Neutralisierung

der eingesparten Treibhausgasemissionen durch den Zertifikatehandel vermieden

werden. Die staatliche Förderung von Bioerdgas hingegen fokussiert – via EEG –

auf die Stromproduktion und ignoriert die Wechselwirkungen zwischen EEG und

Zertifikatehandel.

Während das EEG über Subventionen die Nutzung erneuerbarer Energien

vorantreibt, bedient sich das parallel zum EEG bestehende Erneuerbare- 290 Der den Grenzvermeidungskosten entsprechende Preis für CO2-Zertifikate (Forwards) für

2011 beträgt an der EEX mit Stichtag 08.10.2010 exakt 15,87 €/t, vgl. European Energy Exchange [EEX] (2010a). Die durchschnittlichen CO2-Vermeidungskosten des EEG sind unter der (optimistischen) Annahme berechnet, dass durch EEG-Strom zu 100 % Elektrizitätserzeugung aus Steinkohle substituiert wird (bei Ansatz von 0,8 Kg CO2-Emissionen je kWh Strom aus Steinkohle, vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2004), S. 9) und dass EEG-Strom zu 100 % CO2-frei erzeugt werden kann. Die erwartete durchschnittliche EEG-Vergütung für 2011 in Höhe von 17,0 Ct/kWh ist oben bereits angeführt. 17,0 Ct/kWh / 0,8 kg CO2/kWh = 21,3 Ct/kg CO2 oder 213 €/t CO2. Die Grundvergütung für Solarstrom bis 30 kW beträgt 43,01 Ct/kWh, vgl. Abbildung 5.3.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 149

Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG)291 des Ordnungsrechts: Um den Anteil

erneuerbarer Energien an der Wärmebereitstellung bis zum Jahr 2020 auf 14 %

zu erhöhen, sind die Eigentümer neu errichteter Gebäude seit 01.01.2009

verpflichtet, anteilig erneuerbare Energien zu nutzen, wobei der verpflichtende

Anteil erneuerbarer Energien von Technologie zu Technologie variiert: Während

bei solarer Strahlungsenergie ein Anteil von 15 % auskömmlich ist, wird bei

Geothermie ein Anteil von 50 % vorgeschrieben (§ 5 EEWärmeG). Auch mit

Bioerdgas (oder Biogas) sind die Anforderungen erfüllbar, der Wärmeenergie-

bedarf ist dann zu 30 % hieraus zu decken (§ 5 Ziff. (2) EEWärmeG) – allerdings

unter einer stringenten Voraussetzung: Die Nutzungspflicht erneuerbarer

Energien gilt bei gasförmiger Biomasse nur dann erfüllt, wenn die Nutzung in

einer KWK-Anlage erfolgt (Anlage zum EEWärmeG, II. 1.),292 also wiederum

Strom produziert wird. Eine Nutzung im Rahmen eines rein Wärme produzie-

renden Heizkessels – also im Standard-Fall der derzeitigen Gasnutzung im

Wärmesegment – ist mithin ausgeschlossen. Alternativ zur Nutzung erneuer-

barer Energien können auch Ersatzmaßnahmen vorgenommen werden, unter die

etwa bestimmte Energieeinsparmaßnahmen fallen oder der Anschluss an Nah-

oder Fernwärmenetze (§ 7 EEWärmeG). Gemäß § 3 Ziff. (2) eröffnet das

EEWärmeG den Bundesländern die Möglichkeit, auch für Bestandsgebäude

Pflichten zur Nutzung erneuerbarer Energien festzulegen. Eine solche Pflicht

besteht in Baden-Württemberg über das Erneuerbare Wärme Gesetz

(EWärmeG)293 für Bestandsgebäude, bei denen die Heizungsanlage ausgetauscht

wird, wobei auch hier alternativ die Vornahme von Ersatzmaßnahmen möglich 291 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658), das durch

Artikel 3 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1804) geändert worden ist. 292 Für Bioerdgas ist zudem vorgeschrieben, dass bei Aufbereitung und Einspeisung des Gases

die Methanemissionen in die Atmosphäre und der Stromverbrauch nach der jeweils besten verfügbaren Technik gesenkt werden (dieses wird angenommen, wenn die Qualitätsanforderungen der Gasnetzzugangsverordnung eingehalten werden) und die zur Erzeugung und Aufbereitung des Gases eingesetzte Prozesswärme aus erneuerbaren Energien oder Abwärme gewonnen wird (Anlage zum EEWärmeG, II 1. b).

293 Gesetz zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie in Baden-Württemberg (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWärmeG) vom 20. November 2007 (GBl. vom 23. November 2007, S. 531).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 150

ist. Beim Einsatz von Bioerdgas gilt die Vorgabe gemäß § 4 Ziff. (3) EWärmeG

als erfüllt, wenn hiermit mindestens zehn Prozent des Brennstoffbedarfs gedeckt

werden (eine KWK-Anlage ist nicht vorgeschrieben, so dass eine reine Wärme-

nutzung möglich ist).

Mit der Förderung von Bioerdgas und anderen erneuerbaren Energien und der

Einführung eines CO2-Zertifikatehandels nehmen Deutschland und die

Europäische Union – ungeachtet aller ausgeführten Effizienz- und Abstim-

mungsprobleme – eine Vorreiterrolle in der internationalen Klimaschutzpolitik

ein, die sich auch in den Kyoto-Reduktions-Verpflichtungen manifestiert. Es

sprechen auch gute ethische, gesellschaftliche und ökonomische Gründe dafür,

Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns, der eigenen Emissionen, zu

übernehmen (vgl. 5.2).

Mit zunehmendem Abstand zu anderen relevanten Emissions-Staaten steigt

allerdings gleichzeitig – kontraintuitiv zu den Argumenten der öffentlichen

Debatte – das Risiko eines verebbenden Effektes der eigenen unilateralen

Anstrengungen, die für den weiteren Prozess sogar nachteilige Auswirkungen

entfalten können. Die Emissionsminderungen stellen ein globales öffentliches

Gut dar, bei dem diejenigen, die einen Beitrag zum Gut leisten, die vollen Kosten

für diesen Beitrag leisten, alle anderen aber ebenfalls davon profitieren, ohne

dass ein Nutzenausschluss möglich wäre. Anders als bei öffentlichen Gütern im

nationalen Rahmen, beispielsweise der Gewährung innerer und äußerer

Sicherheit, ist global keine hinreichend mächtige Institution gegeben, welche

durch Zwangsausübung ein koordiniertes kollektives Handeln herbeiführen und

ein Trittbrettfahren unterbinden könnte.294 Unilateral Emissions-Minderungen

vorzunehmen ist nur für wenige Staaten ökonomisch rational. Dafür müsste der

sich im eigenen Land einstellende Vorteil einer Emissionsvermeidung 294 Eine effiziente Bereitstellung des kollektiven Gutes Emissionsminderungen ist somit nicht

möglich.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 151

mindestens den dafür aufgewendeten Kosten entsprechen. Eine solche Konstel-

lation ist nur für die bevölkerungsreichsten, wirtschaftlich leistungsfähigsten und

von der drohenden Klimaänderung am stärksten negativ betroffenen Länder zu

vermuten. Anders als beispielsweise die USA ist Deutschland somit prima facie

kein Kandidat für eine freiwillige Klimapolitik. Politisch beschreitet Deutschland

gleichwohl diesen Weg, was durch ein Aufwiegen der ökonomischen Nachteile

durch ökologische Präferenzen der Bevölkerung erklärt werden könnte. Ein

deutsches und europäisches Voranschreiten bedeutet jedoch, dass für die anderen

Staaten eigene Anstrengungen weniger dringlich werden: Bei weltweit durch die

europäischen Anstrengungen insgesamt geringeren Emissionen vermindert sich

c. p. der Grenznutzen eigener Anstrengungen anderer Staaten. Internationale

Kooperationen unter Einschluss aller (relevanten) Emittenten werden dadurch

nicht nur weniger wahrscheinlich. Ein voranschreitender Staat besitzt auch

weniger Einfluss auf die Verhandlungen hierzu, da seine bereits getroffenen

Festlegungen der Emissionsreduktionen seine Rückfallposition (Drohpunkt)

schwächt.295

Grundsätzlich ist vorstellbar und – auch im Hinblick auf eine Annäherung an

eine effiziente Bereitstellung des öffentlichen Gutes Treibhausgasminderungen –

wünschenswert, dass die geschilderten politökonomischen Anreize durch gesell-

schaftliche Prozesse ausgehebelt werden, in denen der öffentliche Druck auf alle

relevanten Regierungen ausreichend groß wird, wirksame internationale

295 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (2010). Dass das

entscheidende (Hinterzimmer-)Gespräch der aus deutscher Perspektive gescheiterten Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen ohne Beisein europäischer Staaten zwischen Indien, China, Brasilien, Südafrika und den USA stattfand, passt zu diesem Erklärungsmuster. Vgl. Rapp et al. (2010). Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen empfiehlt, um das Problem des Trittbrettfahrens und das Schwächen der eigenen internationalen Verhandlungsposition zu umgehen, statt einer umfangreichen Vermeidungsstrategie ein verstärktes Hinwenden auf Anpassungen an Klimaveränderungen (Anpassung und Vermeidung stellten zwar keine Substitute hinsichtlich der klimatischen Ziele dar, jedoch hinsichtlich des ökonomischen Ziels möglichst geringer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Klimakosten). Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 152

Abkommen herbeizuführen. In einem solchen – visionären – Szenario könnten

voranschreitende Staaten als Vorbild dienen, so sie demonstrieren, dass eine

Verminderung von Emissionen unter Erhalt oder gar bei Steigerung des

Wohlstandes möglich ist. Dies wird jedoch nur gelingen können, wenn sich

voranschreitende Staaten wie Deutschland bei der Emissions-Vermeidung an das

Prinzip des rationalen Mitteleinsatzes halten: Ein gegebenes Ziel ist mit

möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen bzw. gegebene Mittel so einzu-

setzen, dass das damit erzielte Ergebnis möglichst groß ist. Eine ineffiziente

Förderung erneuerbarer Energien, erst recht wenn diese nicht auf einen zugleich

stattfindenden Zertifikatehandel abgestimmt ist, ist damit nicht vereinbar. Ihr

wohnt vielmehr das Risiko inne, ein Beispiel für das Scheitern einer radikalen

Treibhausgas-Minderungsstrategie abzugeben und so nicht zum Vorbild sondern

zum Mahnmal zu avancieren.

5.2.6 Wirtschaftlichkeit einer Minderung von Treibhausgas-emissionen durch Bioerdgas

Losgelöst von der Schwierigkeit, verschiedene Instrumente zur Treibhausgas-

reduktion wirkungsvoll miteinander zu koordinieren, ist grundsätzlich eine

Emissionsminderung durch eine Substitution von Erdgas durch Bioerdgas

möglich, beispielsweise im Wärmemarkt.296 Mit dem Einsatz von Erdgas gehen

Treibhausgasemissionen von rund 245 g CO2-eq/kWh einher (vgl. 2.4.2). Mit

bester Technik ist mit der Produktion von Bioerdgas unter Einbeziehung der

umgebenden Prozesse297 bei einer reinen NaWaRo-Anlage eine Treibhausgas-

minderung von 196 g CO2-eq/kWh möglich, wobei dieser Wert durch anteiligen

296 Voraussetzung dafür ist, dass durch Bioerdgas verdrängtes Erdgas tatsächlich im Boden

verbleibt. Dies kann nicht als sicher angenommen werden, da Preissenkungsspielräume bestehen könnten (das hieße derzeit keine Grenzkostenpreise), durch die die Nachfrage ausgedehnt werden könnte.

297 D. h. unter Berücksichtigung der Emissionen beispielsweise des Stroms, mit dem die Biogas-Anlage betrieben wird, aber auch unter Berücksichtigung von Treibhausgas-Einsparungen, die sich etwa in der Produktion von Kunstdüngern ergeben, deren Einsatz durch die Nutzung des Gärrests vermieden werden kann. Der für Erdgas angeführte Emissionswert berücksichtigt diese Umgebungsprozsse nicht.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 153

Gülleeinsatz noch deutlich steigerbar ist (vgl. 2.4.2). Für nachfolgende Betrach-

tungen wird unterstellt, dass eine vollständige Einsparung der mit dem Erdgas-

Einsatz einhergehenden CO2-Emissionen bei einer Substitution durch Bioerdgas

möglich wäre.

Der Marktpreis für eine Jahres(band)lieferung Erdgas in 2011 beträgt rund

2,02 Ct/kWh298, die Produktionskosten Bioerdgas bei überwiegendem NaWaRo-

Einsatz im günstigsten Fall 6,33 Ct/kWh (vgl. 2.3). Für den Differenzbetrag von

4,31 Ct/kWh wäre also eine Substitution von Erdgas durch Bioerdgas möglich,

die annahmegemäß mit einer Einsparung von 245 g CO2-eq/kWh einherginge.

Diese Treibhausgaseinsparung weist damit einen Break-Even-Preis für CO2 von

176 €/t auf. Mit einem CO2-Preis von 176 €/t und mehr wäre es wirtschaftlich,

zur Treibhausgasminderung Erdgas durch Bioerdgas zu substituieren, darunter

nicht. Selbst bei einem Erdgas-Marktpreis von 3 Ct/kWh und damit einer

Differenz von 3,31 Ct/kWh zu Bioerdgas entspräche dieser Grenzwert immer

noch 134 €/t (vgl. auch 3.3.2).

Eine Substitution von Erdgas durch Bioerdgas zur Verminderung von Treibhaus-

gasemissionen ist damit ein ineffizientes Instrument, solange im Zuge des Treib-

hausgasemissionshandels eine Emissionsminderung zu deutlich geringeren

Kosten möglich ist, die derzeit gerade einmal bei rund einem Zehntel liegen

(16 €/t CO2-Zertifikatepreis zu 176 €/t Bioerdgas-Differenzkosten). Selbst die

Einführung der von Tol propagierten Kohlenstoffsteuer von 25-50 $/t C (92-

184 $/t CO2 bzw. 65-131 €/t CO2299, vgl. 5.2.3) könnte bei derzeitigen Kosten-

und Preisstrukturen nicht dazu führen, Bioerdgas ggü. fossilem Erdgas zu bevor-

zugen.

298 Schlusskurs Gas-Future Kalenderjahr 2011 an der EEX für die Lieferung frei Virtuellem

Punkt Markgebiet NCG am 15.10.2010 exakt 20,15 €/MWh. Vgl. European Energy Exchange [EEX] (2010c).

299 Gerechnet mit Euro-Referenzkurz der EZB vom 15.10.2010 in Höhe von 1,41 €/$. Vgl. Deutsche Bundesbank (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 154

Zur Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen, die aus Gülle resultieren, mag

Bioerdgas eine interessante Option bieten. Hierzu bedarf es jedoch keiner

Subventionierung von Bioerdgas, sondern vielmehr einer Anlastung der externen

Kosten der Gülleproduktion an den Verursacher (solange dies nicht geschieht,

kann Fleisch aus volkswirtschaftlicher Sicht zu günstig angeboten werden). Dann

bestünde ein Anreiz, diese Emissionen zu reduzieren, wozu die Produktion von

Bioerdgas eine Möglichkeit unter ggf. vielen weiteren darstellte.

5.3 Versorgungssicherheit als staatlicher Ausgangspunkt für Bioerdgas

5.3.1 Versorgungssicherheit des Energieträgers Erdgas aus ökonomischer Perspektive

Bestünde im Hinblick auf fossile Energieträger weltweit ein akutes Knappheits-

problem, die Dramatik des Klimaproblems hätte sich bereits verflüchtigt. Dann

hätte der Preismechanismus auch längst zur Wettbewerbsfähigkeit der regenera-

tiven mit den schwindenden fossilen Energien geführt und eine Subventionierung

à la EEG erübrigt. Dass die Realität anders aussieht und die weltweite Verfüg-

barkeit fossiler Energien so umfangreich ist, dass ihre Wechselwirkung mit dem

Klima derzeit als Restriktion gesehen wird und nicht ihre Existenz oder

technische Nutzbarmachung, bedeutet natürlich nicht, dass der Zugang zu

bestimmten fossilen Energieträgern in gewünschtem Umfang am jeweiligen Ort

jederzeit sichergestellt wäre. So ist Kohle als CO2-intensivste fossile Energie

umfangreicher und regional diversifizierter vorhanden als Erdöl oder Erdgas:

Von den Ende 2009 ausgewiesenen Reserven an Kohle, Öl und Gas entfallen,

bezogen auf Energieeinheiten, über die Hälfte auf Kohle und jeweils ein knappes

Viertel auf Erdöl und Erdgas.300

300 Vgl. BP p.l.c. (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 155

In Anlehnung an Böske (2007) kann das Problem der Versorgungssicherheit mit

Energie wie folgt charakterisiert werden: Energie ist im Produktionsprozess zwar

nur ein Produktionsfaktor unter vielen, eine Produktion ohne Energie ist jedoch

nicht möglich, so dass Energie eine wesentliche Ressource darstellt. Staatlicher-

seits werden Energiemärkte entsprechend als strategische Sektoren angesehen,

die entscheidenden Einfluss auf internationale Wettbewerbsfähigkeit, ökono-

mische und soziale Entwicklung (auch im Hinblick auf die Daseinsfürsorge des

Staates) sowie die nationale Sicherheit haben. Da die Verfügbarkeit von Energie

für ein Gemeinwesen essentiell ist, kann Versorgungssicherheit in technisch-

physischer Hinsicht von der Angebotsseite her kommend definiert werden:

„Vollständige Versorgungssicherheit ist die jederzeitige physische Verfügbarkeit

von Endenergiemengen.“301

Das optimale Versorgungssicherheitsniveau lässt sich grundsätzlich in Kosten-

Nutzen-Betrachtung ableiten und ist erreicht, wenn die Kosten seiner Sicher-

stellung gleich sind den (vermiedenen) Kosten eines Ausfalls der Versorgung,

gewichtet mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit für eine bestimmte Periode. Für

eine konkrete Bestimmung wären nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeiten für

Ausfälle der Energieversorgung sondern auch sämtliche Informationen hinsicht-

lich der Angebots- und Nachfragekurven notwendig. Diese Werte sind in praxi

nicht verfügbar. Generell lässt sich jedoch feststellen, dass Angebots- und Nach-

fragekurven auf Energiemärkten sehr preisunelastische Bereiche aufweisen. Da

Nutzenergie durch Energieträger-Technologie-Kombinationen (ETK) bereit-

gestellt wird, sind diese preisunelastischen Bereiche stark vom betrachteten

Zeitintervall abhängig. Während Energie per se eine wesentliche Ressource

darstellt, bestehen zwischen einzelnen ETK Substitutionsbeziehungen, die

allerdings Infrastrukturabhängigkeiten kennen. In kalten Regionen ist ein

Mindestmaß an Heizenergie überlebensnotwendig. Falls zum Betrachtungszeit-

301 Böske (2007), S. 27.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 156

punkt nur eine Ölheizung zur Verfügung steht, wird für diese kurzfristig auch bei

stark steigenden Preisen Öl nachgefragt. Längerfristig jedoch besteht die

Möglichkeit, die Technik zu tauschen und auf Alternativen wie Erdgas-, Kohle-

oder Biomasse zu setzen. Keine Alternativen bestehen zwar in vielen Einsatzbe-

reichen der Elektrizität, insbesondere der modernen Datenverarbeitungstechno-

logie, Elektrizität selber lässt sich jedoch wieder auf zahlreichen Wegen

generieren – unter Einsatz von Kohle bis zu Photovoltaik.302

Langfristig bestehen nicht nur Substitutionspotentiale innerhalb der fossilen

Energien, sondern auch zwischen fossilen und erneuerbaren Energien, die grund-

sätzlich als für menschliche Zeithorizonte unbegrenzt verfügbare Backstoptech-

nologien zur Verfügung stehen. Abbildung 5.5 verdeutlicht diesen

Zusammenhang in Bezug auf den Energieträger Erdgas. Bioerdgas stellt in dieser

Betrachtung ein physisch äquivalentes, wenn auch derzeit noch nicht wirtschaft-

liches (vgl. 3.3.2) Substitutionsprodukt zu Erdgas dar. Gleiches gilt für synthe-

tisches Methan, welches sich unter Einsatz von Strom via Elektrolyse gewinnen

lässt, das sich derzeit allerdings noch im Entwicklungsstadium befindet.303 Da es

in ökonomischer Betrachtung nicht um physische Produkteigenschaften geht,

sondern um Bedürfnisbefriedigungen, sind diese – ggf. mit gewissen Nutzen-

einbußen – auch mit alternativen Energieträgern jenseits von Erdgas und Bioerd-

gas darstellbar, wie der rechte Teil der Abbildung verdeutlicht. Sollte eine

klimapolitische Nebenbedingung greifen und beispielsweise die Substitution von

Erdgas durch Kohle in Frage stellen, könnte letztere mit Kohlendioxid-

Abtrennung und Einlagerung (CCS) kombiniert werden.

302 Vgl. Böske (2007), S. 7-62. 303 Eine Kombination von Wasserstoff-Herstellung via Elektrolyse und Methanisierung dieses

Wasserstoffs durch Reaktion mit Kohlendioxid führt zu synthetischem Erdgas (synthetischem Methan). Eine Nutzung dieses Verfahrens könnte darin bestehen, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien gewissermaßen im Gasnetz zwischenzuspeichern, indem anschließend aus dem Gas wieder Strom erzeugt wird. Vgl. Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 157

Abbildung 5.5: Ökonomische Knappheiten und Substitutionspotentiale von Erdgas

Quelle: Eigene Darstellung.

Zukünftige Reserven können sich aus bereits bekannten oder aber noch unbe-

kannten Ressourcen generieren. Reserven bezeichnen die Mengen eines Energie-

rohstoffs, die mit großer Genauigkeit erfasst wurden und mit den derzeitigen

technischen Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen werden können. Ressourcen

heißen die Mengen eines Energierohstoffs, die geologisch nachgewiesen sind,

aber derzeit nicht wirtschaftlich gewonnen werden können, und die Mengen, die

nicht nachgewiesen sind, aber aus geologischen Gründen in dem betreffenden

Gebiet erwartet werden können. Bei den Ressourcen von Erdöl und Erdgas

werden dabei analog zur Definition von Reserven nur die Teile berücksichtigt,

die unter aktuellen Rahmenbedingungen potentiell wirtschaftlich gewinnbar

sind.304 Die Ressourcenbasis vergrößert sich entsprechend nicht nur durch neue

Explorationserkenntnisse, sondern auch durch neue technologische Entwick-

lungen, die es ermöglichen, bestehende Lagerstätten zu einem höheren Anteil

auszubeuten oder Vorkommen zu erschließen, die zwar bereits bekannt waren,

aber bislang technisch bzw. wirtschaftlich als nicht förderbar galten. Letzteres

304 Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff [BGR] (2009), S. 83.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 158

traf bis vor wenigen Jahren noch auf unkonventionelles Erdgas zu, das mittler-

weile in großen Mengen in Nordamerika gefördert wird (vgl. 3.3.1).

5.3.2 Bioerdgas im Verhältnis alternativer Erdgas-Versorgungs-potentiale

Neue Funde und neue Technologien haben dazu geführt, dass sich die weltweiten

Reserven an Erdgas von 1980 bis 2008 trotz steigenden Verbrauchs mehr als

verdoppelt haben. Dieser Trend dürfte in den kommenden Jahren anhalten: Die

Internationale Energie Agentur (IEA) gibt die Reserven an Erdgas im Jahre 2008

mit 182 Billionen (1012) m3 an. Sie schätzt jedoch, dass unter Einbeziehung noch

nicht hinreichend erkundeter konventioneller wie vor allem unkonventioneller

Potentiale insgesamt – mit bestehender Technologie – tatsächlich noch

785 Billionen m3 wirtschaftlich erschließbar sind (Remaining Recoverable

Resources). Nicht berücksichtigt sind hier Gashydrate, beispielsweise in der

Arktis vorkommende eisähnliche Kristalle aus Wasser und Methan, deren

Erschließung wirtschaftlich noch nicht realisierbar ist, die jedoch noch einmal

1.000 bis 5.000 Billionen m3 an Gas enthalten könnten.305

Abbildung 5.6 zeigt die Entwicklung der Statischen Reichweite der für Deutsch-

land relevanten Produzentenländer306 (vgl. Abbildung 2.5) und der Welt insge-

samt. Die Statische Reichweite ist definiert als Quotient aus Reserven und

aktueller Jahresproduktion und gibt rechnerisch an, in wie vielen Jahren die als

konstant betrachteten Reserven bei gleichbleibender Förderung erschöpft wären.

Sie reflektiert damit die Dynamik aus Reservenzuführung und Produktions-

entwicklung. In Bezug auf die Welt lag dieser Wert im Jahre 2008 bei rund 60

Jahren. Verwendet man statt der Reserven die Abschätzung der IEA hinsichtlich

305 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 390-416. 306 Außerdem ist aufgrund des in Teilen ähnlichen Verlaufs das Vereinigte Königreich als

Vergleich zur deutschen Produktion mit aufgenommen.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 159

der Remaining Recoverable Resources in Höhe von 785 Billionen m3 als

Divident, erhöht sich die weltweite Reichweite von 60 auf mehr als 250 Jahre.

Die Potentiale zur Erhöhung der Ressourcen und Reserven sind dabei ungleich

verteilt. So weist Europa (ohne die frühere Sowjetunion) rund 4 % der unkon-

ventionellen Gasmengen (ohne Gashydrate) auf, während die Staaten der

früheren Sowjetunion auf 17 % kommen, Nordamerika auf 25 % und die

asiatisch-pazifische Region auf 30 %.307 Alleine die europäischen 4 %,

35 Billionen m3, entsprechen, bezogen auf das Jahr 2008308, dem Verbrauch von

rund 70 Jahren der gesamten Europäischen Union. Nicht sämtliche Mengen

dieser Gase werden jedoch technisch zu wirtschaftlichen Konditionen zu fördern

sein. Abgesehen davon wird zu sehen bleiben, in wieweit die europäischen

Staaten bereit sind, die mit der Förderung unkonventionellen Erdgases einherge-

henden Flächen- und Umweltbeanspruchungen zu akzeptieren.309

307 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 397. 308 Der Erdgasverbrauch der Europäischen Union lag im Jahre 2008 bei 489,9 Mrd. m3. Vgl. BP

p.l.c. (2010). 309 Testbohrungen in Niedersachsen werden aufgrund der dabei verwendeten Chemikalien in

Medien und Teilen der Politik bereits als „Riskante Gassuche“ diskutiert, vgl. Schultz (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 160

Abbildung 5.6: Statische Reichweiten an Erdgas im Zeitablauf

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis BP p.l.c. (2010).

Weltweit darf Erdgas für die kommenden Jahrzehnte nach den vorstehenden

Ausführungen als ausreichend vorhanden betrachtet werden. Und auch in Europa

schlummern Erdgas-Potentiale, die die in Abbildung 5.6 dargestellte Tendenz

rückläufiger Erdgas-Verfügbarkeiten potentiell abmildern. Da Europa im

weltweiten Maßstab aber nur überschaubare Mengen an unkonventionellen

Vorkommen besitzt und derzeit völlig offen ist, in wieweit sich diese wirtschaft-

lich und politisch fördern lassen, ist erst einmal von einer weiter rückläufigen

Selbstversorgung Europas mit Erdgas auszugehen. Die entspricht im Umkehr-

schluss einer steigenden Abhängigkeit von anderen Regionen, beispielsweise den

enormen russischen Potentialen.

Die IEA prognostiziert im World Energy Outlook 2009 für die Europäische

Union eine anhaltend hohe Bedeutung des Energieträgers Erdgas, sowohl bei

Fortsetzung aktueller Politiken (Referenzszenario) wie auch bei verstärkten

Klimaschutz-Anstrengungen (450 Szenario). Das 450 Szenario ist so gestaltet,

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 161

dass global die atmosphärische Treibhausgaskonzentration auf 450 ppm CO2-eq

begrenzt und so mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Temperaturanstieg um mehr

als 2°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter verhindert wird.310 In beiden

Szenarien sind die Auswirkungen der Finanzkrise, welche im Jahr 2009 zu

globalen Rückgängen der Energienachfrage führte, berücksichtigt. Im Referenz-

szenario steigt der Erdgasverbrauch gegenüber 2007 bis zum Jahr 2030 um 20 %

an. Gleichzeitig erhöhen sich die Nettoimporte um 65 %. Im 450-Szenario

reduziert sich der Erdgasverbrauch im gleichen Zeitraum leicht um 3 %. Die

Importe nehmen hier um 37 % zu.311 In beiden Szenarien sinkt die heimische

Produktion. Abbildung 5.7 stellt die Entwicklung im Zeitablauf dar, wobei sich

der Erdgasverbrauch aus den beiden Bestandteilen heimische Produktion und

Nettopimport zusammensetzt.

Abbildung 5.7: EU-Gasverbrauch bis 2030 (IEA-Prognose)

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 478. Auch die Linien für das 450-Szenario sind als Stapeldiagramm zu lesen.

310 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 196 in Verbindung mit Barker et al.

(2007), S. 39. 311 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 478.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 162

Die Europäische Union strebt einen gemeinsamen Erdgasbinnenmarkt an.

Wesentliche Impulse in diese Richtung gaben die europäische Erdgasbinnen-

marktrichtlinie von 1998 und die Beschleunigungsrichtlinie Gas von 2003 (vgl.

3.2.1). Einen weiteren Schritt formuliert das im Juli 2009 verabschiedete dritte

Energiebinnenmarktpaket, das u. a. auf eine Stärkung des diskriminierungsfreien

Netzzugangs zielt, der durch eine effektivere Trennung des Netzbetriebs von der

Energieversorgung erreicht werden soll, und von den Mitgliedsstaaten bis März

2011 in nationales Recht umzusetzen ist. Eines der Hauptziele der Gas betref-

fenden Richtlinie 2009/73/EG312 ist der „Aufbau eines wirklichen Erdgasbinnen-

marktes durch ein in der ganzen Gemeinschaft verbundenes Netz“

(Präambel Ziff. 57). Neben die wettbewerblichen Aspekte tritt aus EU-Perspek-

tive beim Erdgas zudem der krisengeeignete Ausbau der Infrastruktur. Gemäß

des Entwurfs der Kommission zu einer Versorgungssicherheits-Verordnung313

sollen die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, für eine Erdgas-Infrastruktur zu

sorgen, die bei Ausfall der größten Infrastruktur mit der verbleibenden Infra-

struktur (n-1) in der Lage ist, die Gasmenge bereit zu stellen, die im jeweils

betreffenden Gebiet bei extrem kalter Witterung, wie sie statistisch einmal in

zwanzig Jahren auftritt, für die Dauer von 60 Tagen benötigt wird (Art. 6 Ziff. 1).

Grenzkuppelstellen sollen so ausgebaut werden, dass sie in der Lage sind, Erdgas

in beide Richtungen zu transportieren (Art. 6 Ziff. 5). Notfallpläne sind zu

erstellen. In definierten Krisenstufen mit weitreichenden behördlichen Befug-

nissen soll dabei auch im Notfall so lange wie möglich auf Marktmechanismen

zurückgegriffen werden. So sollen die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, auch

in Ausnahmesituationen den grenzüberschreitenden Zugang zu Gasspeichern

aufrechtzuerhalten (Präambel 12, Ziff. 9 und Ziff. 10).

312 Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über

gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.08.2009 L 211/94-136, abgerufen am 10.09.2009 unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do? uri=OJ:L:2009:211:0094:0136:DE:PDF.

313 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2009).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 163

In wieweit sämtliche dieser Maßnahmen angemessene Vorschläge darstellen,

führt über diese Arbeit hinaus. Grundsätzlich entfaltet eine weitere europäische

Integration des Erdgasmarktes mit adäquater Infrastruktur, die alternative Last-

flüsse der verschiedenen Lieferanten zulässt, aus deutscher Perspektive eine

diversifizierende Wirkung. Die Bedeutung der wichtigsten deutschen Lieferanten

relativiert sich durch den Zugang zu alternativen Pipeline- und LNG-Quellen.

Russland und Norwegen stellen zwar auch für die EU die wichtigsten Liefer-

länder dar, allerdings zu geringeren Anteilen als für Deutschland. Aus Perspek-

tive des europäischen Binnenmarktes gehen nur von Staaten außerhalb der EU

politische Unsicherheitsfaktoren für die Versorgungssicherheit aus. Abbildung

5.8 zeigt für die EU wie Deutschland den Anteil auf, den in 2008 einzelne Nicht-

EU-Lieferländer an den Nicht-EU-Lieferungen insgesamt einnehmen.314

Während etwa russisches Erdgas 57 % der Importe Deutschlands aus Nicht-EU-

Staaten ausmacht, sind es aus EU-Perspektive nur 37 %.

314 Für die Relation der Nicht-EU-Importe zur heimischen EU-Produktion bzw. heimischen

deutschen Produktion und deutschen Importen aus EU-Staaten vgl. Abbildung 2.5 und Abbildung 5.7.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 164

Abbildung 5.8: Struktur der Erdgas-Importe aus Nicht-EU-Staaten 2008

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Eurostat (2010) und Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA] (2010a).

Ende 2009 verfügten 25 Staaten über Erdgasreserven von jeweils mehr als 1

Billion m3 (Abbildung 5.9).315 Von diesen Staaten gehören die Nummer 1 der

Gasmächte (Russland) sowie die Nummern 17 und 25 (Norwegen und Nieder-

lande) zu den klassischen deutschen Lieferanten, die in der Abbildung schwarz

hinterlegt sind. Unter den Top 10 der Gasstaaten befinden sich weitere drei, die

zwar nicht mit Deutschland, aber mit anderen Staaten der Europäischen Union

nennenswerte Lieferbeziehungen unterhalten (dunkelgrau dargestellt), darunter

Katar, das weltweit die drittgrößten Reserven verzeichnet. Neben den beste-

henden Lieferbeziehungen ist es möglich, zu Kosten, die unterhalb des deutschen

Grenzübergangspreises liegen, Lieferbeziehungen zu weiteren Ländern aufzu-

bauen (hellgrau dargestellt), darunter zu den zweit- und viertgrößten Gasreser-

venhaltern Iran und Turkmenistan.

315 Die deutschen Reserven betrugen Ende 2009 nach gleicher Quelle 0,08 Billionen m3.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 165

Abbildung 5.9: Staaten mit mehr als 1 Billion m3 Erdgasreserven (Stand Ende 2009)

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis BP p.l.c. (2010). Einen Überblick über die wesentlichen Drittlieferanten der Europäischen Union gibt Eurostat (2010).

Die Einordnung dieser hellgrau dargestellten Länder erfolgt auf Basis der

Einschätzung der IEA zu Erschließungskosten inkl. Transport weiterer Liefer-

quellen für Europa bei Lieferung an der deutschen Grenze.316 Abbildung 5.10

stellt die Kosten dieser neuen Erdgasbezüge dar, ergänzt um die Kosten für

Bioerdgas und verglichen mit dem durchschnittlichen deutschen Grenzüber-

gangspreis der vergangenen 5 Jahre (vgl. auch Abbildung 3.8). Nicht berück-

sichtigt bei den Kostenprognosen der IEA sind Steuern, Förderabgaben oder

Zölle. Auch Preiserwartungen der Förderländer oberhalb der Grenzkostenpreise

aufgrund der besonderen Knappheitsrente endlicher Energieträger oder beste-

hender Marktmacht sind nicht enthalten. Die Differenz zum gegenwärtigen

Grenzübergangspreis lässt für derartige Preiselemente allerdings Spielraum.

Selbst eine deutliche Anhebung des Grenzübergangspreises änderte nichts an der

316 Es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Staaten zu ähnlichen Kosten Gas liefern könnten,

insbesondere unter Berücksichtigung von LNG.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 166

Situation, dass Bioerdgas in Konkurrenz zu diesen Potentialen keine wirtschaft-

liche Option darstellt. Absehbar ist auch nicht mit einer Wettbewerbsfähigkeit

von Bioerdgas zu rechnen (vgl. 3.3.2).

Abbildung 5.10: Kosten neue Erdgasbezüge für Europa

Quelle: Eigene Darstellung. Dargestellt sind Kosten-Abschätzungen der IEA für neue Erdgas-Importe nach Europa für das Jahr 2020 (in 2008er Preisen), umgerechnet in €-Ct/kWh (1,47 $/€, Mittelwert 2008) auf Basis Bezugsort deutsche Grenze, sowie die in Tabelle 2.3 angeführten Kosten für Bioerdgas auf hautsächlich Gülle- bzw. NaWaRo-Basis. Nicht berücksichtigt in den IEA-Daten sind Steuern, Förderabgaben und Zölle. Die Werte für LNG-Lieferungen beziehen sich auf die Lieferorte Vereinigtes Königreich (Norwegen, Russland) bzw. europäische Mittel-meerländer (Katar); hier ist unterstellt, dass Lieferungen zu ähnlichen Kosten an ein deutsches LNG-Terminal möglich wären. Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 480-485. Für die Importpreise vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA] (2010b).

Bei der Erschließung neuer Quellen aus Russland, der kaspischen Region und

dem Nahen Osten könnte Deutschland die Rolle einer Drehscheibe für Pipeline-

lieferungen innerhalb Europas zukommen. Deutschland weist nicht nur eine

günstige geografische Lage auf, es existieren auch bereits zahlreiche Pipeline-

Anbindungen, insbesondere Richtung Russland, die vielfach günstiger ausgebaut

werden könnten anstatt komplett neue Trassen zu verlegen. Damit einher gingen

Chancen, Wertschöpfungsstufen des Erdgashandels und der Dienstleistungen

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 167

rund um diese Energiequelle in Deutschland auszubauen. Mit dem Bau eines

deutschen LNG-Anlandeterminals ließe sich eine solche Position noch weiter

festigen. Zwar wurde bereits 1972 eine Projektgesellschaft zur Planung und

Schaffung eines LNG-Anlandeterminals in Wilhelmshaven gegründet. Die Pläne

der Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft mbH, an der aktuell E.ON

Ruhrgas 90 % und VNG 10 % halten, sehen eine Jahreskapazität von 10 Mrd. m3

Erdgas vor. Dies entspricht genau der Zielmarke, die die GasNZV für Bioerdgas

im Jahr 2030 definiert (vgl. 2.2). Grundsätzlich ist LNG auch wettbewerbsfähig,

wie die Terminals in Belgien, Spanien und dem Vereinigten Königreich zeigen317

(vgl. zu LNG-Preisen im Vergleich zu Pipelinegas und Bioerdgas Abbildung 3.8

und Abbildung 5.10). Nicht zuletzt aufgrund der guten Pipeline-Anbindung

wartet das Wilhelmshavener LNG-Terminal, dessen Investment auf rund

1 Mrd. € geschätzt wird, aber immer noch auf eine Realisierung.318 Selbst wenn –

aus Gründen der Versorgungssicherheit – der deutsche Staat dieses Terminal auf

eigene Kosten bauen würde und durch Vermarktung der Kapazitäten nicht

einmal anteilig wieder einspielen könnte, bedeutete dies (zur Realisierung eines

zusätzlichen Gas-Potentials von 10 Mrd. m3/a) im Vergleich mit Bioerdgas eine

einmalige Ausgabe von 1 Mrd. € gegenüber einer jährlichen Subventionierung

von bis zu 4,5 Mrd. € (vgl. Abbildung 3.10).

Voraussetzung für eine Erdgas-Drehscheibenfunktion Deutschlands – mit oder

ohne LNG – dürfte sein, dass Erdgas in Deutschland weiterhin eine politisch

gewünschte Energieform darstellt und politisch die entsprechenden Rahmenbe-

dingungen für eine Diversifizierung mit der für langfristige Investitionen

notwendigen Planungssicherheit geschaffen werden. Zumindest zwischenzeitlich,

bevor in Folge des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima die schwarz-

gelbe Bundesregierung aus ihrem eigenen Ausstieg aus dem Ausstieg der Kern- 317 Für eine Übersicht über die bestehenden und geplanten europäischen LNG-Anlagen und den

LNG-Preisentwicklungen vgl. Bundesregierung (2009b). 318 Vgl. Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft mbH (2007) und Energie

Informationsdienst [eid] (2008).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 168

energie wieder ausstieg, wurde Erdgas nach dem im September 2010 vorge-

stellten Energiekonzept der Bundesregierung eher als Auslaufmodell für eine

Energieversorgung Deutschlands betrachtet. Dem Energiekonzept liegt eine

Studie zugrunde, die die Institute EWI, GWS und Prognos im Auftrag der

Bundesregierung erstellt haben und welche verschiedene Energieszenarien in

Abhängigkeit von der damals noch unterstellten Laufzeitverlängerung der Kern-

kraftwerke und der dafür anfallenden Nachrüstkosten der Reaktoren ausweist.

Das Referenzszenario prognostiziert die weitere Entwicklung bei Fortschreibung

der bislang angelegten Politiken in die Zukunft. Die alternativen Szenarien

berücksichtigen, neben unterschiedlichen Laufzeitverlängerungen der Kern-

kraftwerke, als politische Vorgaben jeweils eine Reduktion der Treibhausgas-

emissionen um 40 % gegenüber 1990 bis 2020 und um 85 % bis 2050, wobei der

Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch im Jahr 2050

mindestens 50 % zu betragen hat (zum Fortbestand der Klimaziele auch nach

dem erneuten Kernenergie-Ausstieg vgl. 5.2.4). Im Referenzszenario reduziert

sich der Erdgasverbrauch gegenüber dem Basisjahr 2008 bis 2050 um 38 %. In

den übrigen Szenarien fällt diese Reduktion deutlich stärker aus. Im Falle einer

Laufzeitverlängerung von 12 Jahren (Szenario II A), dies entspricht dem am 28.

Oktober 2010 im Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf,319 beträgt sie 65 %,

wobei in der Stromerzeugung des Jahres 2050 überhaupt kein Erdgas mehr

eingesetzt wird.320

319 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2010a). 320 Vgl. Prognos AG et al. (2010). Die Angaben zur Entwicklung des Erdgasverbrauchs sind

Anhang A 1-5 und Anhang A 1-12 entnommen. Der Ausschluss von Erdgas zur Stromerzeugung im Jahre 2050 geht auf die angenommene Preisentwicklung von Steinkohle und Erdgas zurück. Bei den in der Studie unterstellten Entwicklungen, die einen Preisrückgang von Steinkohle im Zeitraum 2008 bis 2050 (in 2008er Preisen) um 19 % und einen Preisanstieg von Erdgas im gleichen Zeitraum um 26 % vorsehen, ist Steinkohle als neben der heimischen Braunkohle zur Stromerzeugung verbleibende fossile Energie die wirtschaftlichere Alternative gegenüber Erdgas. Mit anderen preislichen Annahmen wären andere Aussagen zum Gaseinsatz möglich, wie die Studie explizit betont (S. 41). Nicht explizit ausgeführt wird, zu welchem Grad die angeführten relevanten Preisannahmen für Steinkohle und Erdgas Gegenstand des „fortlaufenden Diskussionsprozesses zwischen Auftraggeber (BMWi/BMU) und den Gutachtern“ (S. 1) waren.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 169

Diese Prognosen stehen in einem deutlichen Kontrast zur Abschätzung der IEA

für die Europäische Union, wie sie in Abbildung 5.7 dargestellt ist. Abbildung

5.11 stellt beide Entwicklungen in relativer Entwicklung gegenüber – für die

Referenzszenarien wie für die Klimaschutzszenarien. Deutlich wird die

vollkommen unterschiedliche Einschätzung zur zukünftigen Bedeutung des

Energieträgers Erdgas. Sollte die deutsche Politik auch nach Fukushima

weiterhin eine Marginalisierung des Erdgases in der Energieversorgung sehen,

relativiert sich gleichzeitig die Dringlichkeit der Versorgungssicherheit und der

Diversifizierung von Lieferländern. Dem entgegen steht allerdings erstens eine

durch den erneuten Kernenergieausstieg gestiegene Bedeutung fossiler Energie-

träger und zweitens, dass die Bundesregierung bereits in ihrer Energiestrategie

2010 ausdrücklich die Unterstützung für Infrastrukturprojekte im Erdgasbereich

zusichert. Dies betrifft sowohl die Realisierung der Pipelines Nordstream und

Nabucco wie auch LNG.321

321 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie [BMWi]/Bundesministerium für

Umwelt (2010), S. 31.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 170

Abbildung 5.11: Prognose Erdgasverbrauch bis 2030/2050

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 478, und Prognos AG et al. (2010), A 1-5.

Insgesamt weisen Deutschland und die Europäische Union zwar nur begrenzte

eigene Erdgas-Reserven auf. Dafür liegen sie aber sehr günstig mit (potentiellem)

Zugriff auf die zwei reservenreichsten Regionen der Welt, Russland und dem

Nahen Osten. In mittelfristiger Perspektive besteht also kein Mangel an grund-

sätzlich verfügbaren Erdgasmengen zu wirtschaftlichen Konditionen, so dass hier

kein Ansatzpunkt für staatliche Subventionierungen von Bioerdgas besteht –

ganz abgesehen davon, dass wesentliche Bedürfnisbefriedigungen langfristig

auch von alternativen Energieträgern übernommen werden könnten. In einer

optimistischen Sichtweise lässt sich dieser letzte Punkt mit Julian Simon

ausführen:

„In the short run, all resources are limited. [...] The longer run, however, is a different story. The standard of living has risen along with the size of the world’s population since the beginning of recorded time. There is no convincing economic reason why these trends towards a better life should not continue indefinitely. [...] A higher price [reflecting actual and expecting shortages] represents an opportunity that attracts profit-minded entrepreneurs and socially minded inventors to seek new ways to satisfy the shortages. [...] The main fuel to speed our progress is our stock of knowledge, and the

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 171

brake is our lack of imagination. The ultimate resource is people – skilled, spirited, and hopeful people[.]”322

Die konkrete Versorgung mit Erdgas könnte in kurz- bis mittelfristiger Perspek-

tive allerdings problematischer als dargestellt einzuordnen sein, wenn potentielle

Lieferländer keine verlässlichen Handelspartner darstellten oder aus überge-

ordneten politischen Rahmenbedingungen nicht in Betracht kämen.

5.3.3 Verlässlichkeit und Akzeptanz von Lieferländern Ressourcenimporteure und Ressourcenexporteure fossiler Energien stehen in

enger Verbindung miteinander. Importeure sind auf Energielieferungen ange-

wiesen, die je nach Diversifizierungsgrad auf bestimmte Länder fokussiert sein

können, Exporteure spiegelbildlich auf die Einnahmen aus diesen Lieferungen,

insbesondere wenn ihre Wirtschaft und Staatseinnahmen in wesentlichen Teilen

auf Energieexporten basieren.323 Exporteure und Importeure einander gegenüber-

gestellt ergeben ein äußerst kontrastreiches Bild im Hinblick auf gesellschaftliche

und staatliche Entwicklung: Zahlreiche Ressourcenexporteure, insbesondere im

Nahen Osten und Afrika, zählen zu den weltweit autokratischsten Regimen und

weisen eine hohe Ungleichheit in der Verteilung des Vermögens auf. Das damit

einhergehende Konfliktpotential trägt dazu bei, dass zahlreiche Ressourcenländer

als fragile Staaten eingestuft werden. Abbildung 5.12 stellt den vom Center for

Systematic Peace und Center for Global Policy veröffentlichten State-Fragility-

Index für Staaten dar, die für die europäische Gasversorgung relevant sind bzw.

werden könnten. Neben aktuellen und potentiellen Lieferländern sind auch

Transitstaaten wie Ukraine und Weißrussland aufgeführt. Für potentielle neue

Lieferwege spielt die Türkei eine wesentliche Rolle (vgl. Abbildung 5.10). Der

322 Simon (1998), S. 588 f. 323 Die Energieexporte Katars beispielsweise machen 90 Prozent ihrer Gesamtexporte aus und

entsprechen 36 Prozent des BIP. Vgl. Fischer Taschenbuch Verlag (2010), S. 278 und 395. Auch im Falle der Russischen Föderation, des wichtigsten europäischen Erdgaslieferanten, nehmen diese Kennzahlen hohe Werte an mit 61 % (Gesamtexporte) und 15 % (BIP). Russland ist mit seiner industrialisierten Wirtschaft gleichwohl nicht als typischer, auf Ressourcen basierender Staat anzusehen. Vgl. Handke/Jong (2007), S. 12.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 172

Index berücksichtigt die beiden Dimensionen Effektivität (Security Effective-

ness, Political Effectiveness, Economic and Social Effectiveness) und Legitimität

(Security Legitimacy, Political Legitimacy, Economic and Social Legitimacy). Er

bewegt sich zwischen 0 (keine Fragilität) und 25 (extreme Fragilität). Insgesamt

werden sechs Stufen unterschieden, deren Grenzen in der Abbildung wiederge-

geben sind.324

Abbildung 5.12: State Fragility-Index wichtiger Gaslieferanten und Transitländer

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Integrated Network für Societal Conflict Research [INSCR] (2009).

Im Vergleich mit den westlichen Erdgas-Konsumentenländern weisen die für die

Erdgasversorgung Europas relevanten Drittstaaten eine erhöhte Fragilität auf. Die

Mehrheit der potentiell neuen Lieferanten wie Iran, Turkmenistan oder Saudi

Arabien kommt dabei sogar auf besonders hohe Index-Werte. Katar stellt hier

eine erfreuliche Ausnahme dar. Allerdings geht diese Stabilität mit einer monar-

chischen Staatsverfassung einher: Katar und Saudi Arabien sind weltweit die

324 Vgl. Marshall/Cole (2009) und Marshall/Goldstone (2007).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 173

einzigen Staaten mit mehr als 500.000 Einwohnern, die in der State-Fragility-

Studie als vollständig institutionalisierte Autokratien eingestuft werden. Während

die Fragilität von Lieferstaaten eine Frage der Versorgungssicherheit ist, könnten

deren Staatsformen und innerstaatliche Organisation gesellschaftliche Vorbehalte

in Konsumentenländern schüren (vgl. 4.1).325 In Bezug auf die Versorgungs-

sicherheit ist bei fragilen Staaten jedoch gerade mangels alternativer leistungs-

fähiger wirtschaftlicher Strukturen davon auszugehen, dass selbst politische

Umbrüche allenfalls kurzfristig zu Unterbrechungen von Energielieferungen

führen werden. Egal aus welchen Gruppen sich die neuen Machthaber rekru-

tieren: Sie werden auf die Einnahmen aus Erdöl und Erdgas angewiesen sein.

Besondere Herausforderungen für eine Energie-Sicherheits- und Energie-Außen-

politik stellen die Prävention politisch motivierter Energieblockaden analog der

ersten Ölkrise 1973 und die Sicherung von Transportwegen dar, die nicht zuletzt

Angriffsziele für Terroristen darstellen könnten. Die Sicherung von Versor-

gungswegen sieht auch die NATO als so bedeutend an, dass sie diese in ihr neues

strategisches Konzept integrieren wird.326

Selbst wenn die deutsche Gesellschaft zu dem Schluss käme, die bereits jahr-

zehntelang, insbesondere im Erdöl,327 praktizierte Verbundenheit mit instabilen

325 Eingängliche (journalistische) Schilderungen über Schicksale einzelner Menschen und

ganzer Gesellschaftsschichten in Staaten mit reichhaltigen Energieressourcen, insbesondere Öl, finden sich beispielsweise in Maas (2009). Auf mehr Transparenz in Ressourcenländern und bei den von ihnen generierten Einnahmen zielen Ansätze, die wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) eine nachhaltige und breite gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eintreten. Vgl. http://eiti.org. Selbst für Unternehmen, welche sich gesellschaftlicht engagieren möchten, verweist Michael E. Porter auf ein zwangsläufig verbleibendes Spannungsfeld hin zu moralischen Forderungen, die von verschiedenen Seiten zudem unterschiedlich ausfallen können: „It is the nature of moral obligations to be absolute mandates, [...] while most corporate social choices involve balancing competing values, interests and costs.“ (Porter (2008c), S. 484).

326 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] (2010b). 327 Die in Abbildung 5.12 mit hohem State-Fragility-Index-Wert aufgeführten Staaten Algerien

und Nigeria zählen zu den deutschen Rohöllieferanten. Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB] (2010), S. 11.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 174

Staaten oder aus westlicher Sicht weniger legitimierten Regierungen sei nicht

länger wünschenswert, führte dies nicht automatisch zur Subventionierung von

Bioerdgas als rationales erstes Mittel einer neuen Politik. Erst einmal müsste

politisch vielmehr definiert werden, welche Energieträger aus welchen Staaten

(ggf. in welchen Anteilen) akzeptabel wären und welche annehmbaren Alterna-

tiven bestünden – beispielsweise in Form einer weiteren Verringerung der

Energieintensität insgesamt oder Öl- bzw. Erdgasintensität, etwa durch weitrei-

chende Verlagerungen des Individualverkehrs auf die Schiene. Diese neuen

Restriktionen bildeten dann den langfristigen Rahmen, an dem sich Unternehmen

mit ihren Investitionen orientieren könnten. Dass dadurch in den betreffenden

Ressourcenländern eine Verbesserung im Hinblick auf Menschenrechte und

politischer Mitbestimmung einträte, wenn die Ressourcen dann alternativ

beispielsweise von China abgenommen würden, darf jedoch bezweifelt werden.

Ohne schlüssige Konzepte zur Gestaltung einer wirksamen alternativen Politik

offenbaren sich solche Politikentwürfe also schnell als Utopien, die eher zur

Verdrängung unangenehmer Realitäten führen und damit die Chance

verschließen, im Rahmen wirtschaftlicher Beziehungen zumindest einen

gewissen Einfluss auf die zivilgesellschaftliche Entwicklung bestimmter Staaten

zu nehmen.

Gegenwärtig ist Russland Deutschlands wichtigster Erdgaslieferant. Die Erdgas-

Liaison beider Staaten hatte ihren Ursprung unter den heiklen politischen

Rahmenbedingungen des Kalten Krieges. Trotz unterschiedlicher Blockzugehö-

rigkeit banden sie sich durch langfristige Lieferbeziehungen und den Aufbau

einer entsprechenden Infrastruktur aneinander. Das sogenannte Erdgas-Röhren-

Abkommen von 1970, in dem sich die damalige Sowjetunion zur Lieferung von

Erdgas an die Ruhrgas AG und zum Kauf von Großröhren von der Mannesmann

Export AG verpflichtete, stellte das bis dahin größte Ost-West-Geschäft dar.

Schon damals gab es Bedenken, das ab 1973 strömende russische Erdgas werde

zu sowjetischer Abhängigkeit führen – wie umgekehrt sowjetische Funktionäre

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 175

fürchteten, die russische Wirtschaft mache sich durch die Lieferbeziehung von

dem deutschen Großabnehmer abhängig. Der Aufbau von Gasspeichern und die

weitere Diversifizierung von Lieferländern sollten diesen Bedenken entgegen

wirken. Während des gesamten Kalten Krieges und auch in den anschließenden

schwierigen Transformationsphasen haben sich die Sowjetunion bzw. in der

Nachfolge Russland als äußerst verlässliche Partner erwiesen:328

„The 1990s brought Russia the economic and geopolitical loss of the former Soviet republics, the collapse of the country’s economy after hasty reforms, state bankruptcy due to manipulations by the new oligarchic business elite, and the extension of NATO to its very borders. During all these years, Russian energy companies continued to fulfil all contracts with their European partners and to ship the agreed oil and gas supplies to Western Europe, without any delay or extra demands.“329

Dieses Bild zuverlässiger russischer Lieferungen wurde mit den Gaskrisen der

Jahre 2006 und insbesondere 2009, in denen russisch-ukrainische Dispute zu

Lieferunterbrechungen führten, in Frage gestellt. Die Gaskrisen von 2006 und

2009 spielen sich ab in der Dreiecksbeziehung zwischen Russland als weltweit

größtem Gasproduzenten, der Ukraine als größtem Einzelabnehmer russischen

Gases und gleichzeitig entscheidendem Transitland für russisches Erdgas in

Richtung der übrigen europäischen Staaten (rund 80 % fließen über die Ukraine)

und den übrigen europäischen Staaten (Europa), die zusammen die wichtigsten

Kunden für russisches Erdgas darstellen und für die ihrerseits Russland

wichtigster Erdgas-Lieferant ist.330 Der eigentliche Konflikt betraf die russisch-

ukrainischen Vertragsbeziehungen um Lieferregime (Einbeziehung oder Nicht-

Einbeziehung von Zwischenhändlern und Umgang mit zentralasiatischen Liefe-

328 Vgl. Ruhrgas AG (2004), S. 33-36, Schöllgen (2007) und Ruge (2008), S. 155. 329 Handke/Jong (2007), S. v. 330 Die Gaskrisen zeichnen sich durch ein Neben- und Miteinander staatlicher und

unternehmerischer Akteure aus, wobei die wesentlichen russischen und ukrainischen Unternehmen, Gazprom und Naftogaz, staatlich dominierte bzw. staatliche Unternehmen darstellen. Die Bezeichnungen Russland, Ukraine und Europa stellen an dieser Stelle sowohl auf die staatlichen wie auf die unternehmerischen Akteure ab. Der damalige russische Präsident Putin hat die Rolle des russischen Staates in der Gaswirtschaft einmal wie folgt klargestellt: „We intend to retain state control over the gas transport system and over Gazprom. We will not split Gazprom up. And the European Commission should not have any illusions. In the gas sector, they will have to deal with the state.“ Zitiert nach Giddens (2009), S. 45.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 176

rungen via Russland an die Ukraine), Gaspreise, Transitgebühren und Beglei-

chung ukrainischer Erdgas-Verbindlichkeiten.331 Die Auseinandersetzungen im

Januar 2006 führten zu einer dreitägigen Reduktion der russischen Mengen

Richtung Ukraine: Russland stellte die Lieferungen für die Ukraine ein, hielt die

Transitlieferungen über die Ukraine jedoch aufrecht, die von der Ukraine

wiederum nicht vollumfänglich an die europäischen Kunden weitergegeben

wurden, so dass es in Europa zu Lieferkürzungen, aber nicht Lieferunterbre-

chungen kam. Eine neue Qualität erreichten die Dispute im Januar 2009, als die

konfligierenden Parteien in Kauf nahmen, dass die russischen Lieferungen über

die Ukraine in Richtung Europa für 13 Tage mitten in der kältesten Jahreszeit

komplett zum Erliegen kamen. Während die westeuropäischen Abnehmerländer

aufgrund ihrer diversifizierten Lieferbeziehungen und vergleichsweise komfor-

tablen Speicherausstattung den Ausfall der ukrainischen Transportroute gut

kompensieren konnten, kam es in Südosteuropa, insbesondere auf dem Balkan,

zu echten Versorgungskrisen, in denen Wohnungen nicht mehr geheizt werden

konnten. Eine Reihe von südosteuropäischen Ländern wie Serbien und Bulgarien

ist weitgehend von russischen Lieferungen abhängig und verfügt zudem nur über

geringe Speicherkapazitäten.332

331 Das ukrainische Transitnetz war ehemals Bestandteil des sowjetischen Erdgas-Binnennetzes.

Nach Auflösung der Sowjetunion standen Russland und die Ukraine vor der Aufgabe, den Transit von Erdgas nach Europa wie auch die Lieferung russischen Erdgases an die Ukraine neu zu regeln. In den 1990er Jahren vermischten sich diese Fragen zudem mit Abkommen über die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim und weiteren militärischen Dienstleistungen, so dass die geschlossenen Paket-Vereinbarungen intransparent ausfielen und selten länger Bestand hatten. Ab 2004 zielte Gazprom zunehmend darauf, die Preise im Raum der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) auf europäisches Niveau zu heben und eine Entkopplung von Transitgebühren und Gaslieferungen herbeizuführen. Politische Vermischungen finden jedoch bis in die Gegenwart immer wieder statt. So unterzeichneten die Staatspräsidenten Wiktor Janukowytsch und Dmitri Medwedew am 21.04.2010 ein neues Gasabkommen, das für die Ukraine einen Rabatt russischen Importgases vorsieht. Als Gegenleistung verlängerte die Ukraine den Vertrag mit Russland über die Pacht der Marinebasis Sewastopol (Krim) für die russische Schwarzmeerflotte. Vgl. Westphal (2009), S. 7-13 und Fischer Weltalmanach (2010), S. 491.

332 Vgl. Pirani et al. (2009).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 177

Die Januarkrisen stellen zwar keinen Einsatz einer russischen „Gaswaffe“ gegen

Europa dar. Und sie ändern auch nichts an der wechselseitigen russisch-europäi-

schen Abhängigkeit als Kennzeichen der bestehenden (grundsätzlich weiter

verlässlichen) Lieferpartnerschaft. Allerdings werden die einmal gemachten

Erfahrungen die europäischen Bestrebungen zu mehr Versorgungssicherheit in

kurz- wie längerfristiger Perspektive stärken. Gerade im Hinblick auf die Versor-

gungslage Südosteuropas ist es auch dringend geboten, Konsequenzen aus den

Erfahrungen des Winters 2009 zu ziehen. Hier wurde deutlich, wie verwundbar

Volkswirtschaften sind, wenn sie elementare Energiebedürfnisse nicht durch

diversifizierte Quellen und Speicher zur Überbrückung kritischer Situationen

absichern. In solchen Fällen besteht ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis von

dem einen Lieferanten, der ein entsprechend großes Machtpotential besitzt.

Selbst wenn für Europa als ganzes zuträfe, was Marshall I. Goldman 2008, also

vor der zweiten Januarkrise, wie folgt formuliert:

„Den Europäern ist klar, wie sehr sie sich von Russland abhängig machen, wenn sie jedes Jahr mehr auf russische Erdgasimporte zurückgreifen. Gazprom und somit auch die russische Regierung erfreuen sich schon jetzt einer Macht über ihre europäischen Nachbarn, die weit über die Träume der einstigen Zaren der Romanow-Dynastie oder der Generalsekretäre der Kommunistischen Partei hinausgeht.“333,

bedeutete dies nicht, dass Bioerdgas die sinnvollste und insbesondere wirtschaft-

lichste Alternative darstellte, eine solche Situation zu entschärfen (vgl.

Abbildung 5.10). Das Zitat drückt jedoch eine sehr einseitige Sichtweise aus. Ein

ganzheitliches Bild müsste die wechselseitige europäisch-russische Abhängigkeit

und die (mittelfristigen) europäischen Reaktionsmöglichkeiten auf den tatsäch-

lichen Einsatz einer Gaswaffe aufzeigen, die einer solchen Machtausübung

entscheidende Grenzen setzt.334 Die Frage, in wieweit der derzeitige russische

333 Goldman (2009) 334 Spieltheoretisch handelt es sich bei langfristigen Gaslieferbeziehungen um wiederholte

Spiele und nicht um ein One-Shot-Game. Zudem ist anzunehmen, dass eine europäische Reaktion auf den tatsächlichen Einsatz einer „Gaswaffe“ nicht nach rein kommerziellen, sondern nach politischen Spielregeln verliefe. Über die Dynamik, die eine solche Situation

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 178

Gasbezug aus deutscher oder europäischer Perspektive (bzw. umgekehrt die

europäische Abnahme aus russischer Perspektive) unter Abhängigkeitsgesichts-

punkten eine kritische Grenze erreicht hat, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Wie zweifellos ein Risiko zu großer Abhängigkeit (bestimmter europäischer

Staaten) vom russischen Erdgas gegeben ist, besteht umgekehrt ein Risiko, dass

die Reaktionen auf die Januar-Krisen hin zu mehr Diversifizierung in ein gegen-

läufiges Extrem verfallen und russisches Erdgas wie der Energieträger Erdgas

insgesamt dadurch zukünftig ihr ökonomisches und ökologisches Potential nicht

entfalten können (vgl. 5.3.2 zur Rolle des Erdgases in der Energiestrategie der

deutschen Bundesregierung):

„Over the next 10-20 years, European companies and governments will have options in relation to decisions from where their additional gas supplies should be sourced; and options to reorient energy balances away from gas towards other sources of energy, particularly for power generation. It is certainly possible that choices will include non-gas alternatives, and non-Russian gas supplies reaching Europe via non-Russian routes.“335

Für Russland als Produzent und die europäischen Staaten als Abnehmer bleibt

die Ukraine in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein strategischer Akteur,

den es bei der Schaffung stabiler politischer und energiewirtschaftlicher

Rahmenbedingungen einzubeziehen gilt. Die Fertigstellung der Nord-Stream-

Pipeline als direkte Verbindung Russlands und Deutschlands durch die Ostsee

wird die Bedeutung der Ukraine als Transitstaat zwar relativieren, aber nicht

grundsätzlich in Frage stellen.

Um die russisch-europäischen Gasbeziehungen langfristig auf einer soliden Basis

zu halten bzw. auf eine neue zu stellen, bedarf es Planungssicherheit (analog gilt

freisetzte, kann zwar nur spekuliert werden, außergewöhnliche rechtliche Maßnahmen (beispielsweise Eilgenehmigungen für neue Pipelines, LNG-Anlandeterminals, Speicher, Substitutionsenergien von Atom über Kohle bis zu Erneuerbaren) wie wirtschaftliche Mittel (staatliche Förderung oder Ausführung solcher Vorhaben) der europäischen Staaten könnten dazu zählen und nachhaltig für veränderte Rahmenbedingungen sorgen.

335 Pirani et al. (2009), S. 64.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 179

dies für die aktuellen oder potentiellen Beziehungen zu anderen Lieferländern).

Es sind enorme Investitionen in die russische Erdgas-Infrastruktur notwendig,

insbesondere in die Erschließungen neuer Felder und in Pipeline-Infrastruktur.

Die IEA veranschlagt in ihrem Referenz-Szenario für Russland hierfür Investi-

tionen von 592 Mrd. $ im Zeitraum 2008 bis 2030.336 Eine Erschließung dieser

Ressourcen für den europäischen Markt wird jedoch nur soweit erfolgen, wie

dieses Erdgas – planbar – in Europa auch gewünscht ist und ihm politisch der

Weg bereitet wird. Wie Deutschland und Europa eine Diversifizierung ihrer

Erdgas-Importe anstreben, ist Russland spiegelbildlich um eine Export-Diversifi-

zierung bemüht, die bis 2030 insbesondere den Asiatisch-Pazifischen Raum

erschließen soll. Gemäß Energiestrategie der russischen Regierung soll der

Erdgas-Exportanteil dieser Region dann rund 20 % betragen.337

Falls die deutsche Bundesregierung nach dem erneuten Kernenergieausstieg

nicht eine verlässliche Wertschätzung des Energieträgers Erdgas glabhauft

macht, sollte es nicht verwundern, wenn dies zu Rückwirkungen auf langfristige

nationale wie internationale Infrastrukturprojekte führt. Die Infragestellung der

Versorgungssicherheit mit fossilem Erdgas – gerade falls angestrebte Beiträge

von Bioerdgas aufgrund neuer Bewertung der Kosten oder Konfliktpotentiale mit

Nahrungsmitteln nicht realisiert werden sollten – könnte dann zur Self-Fulfilling-

Prophecy werden, obwohl adäquate Rahmenbedingungen eine sichere Versor-

gung gewährleisten könnten. Ein russischer Beitrag zu solch adäquaten Rahmen-

bedingungen könnte in der Rückkehr zum Energy Charter Treaty liegen.338

336 Vgl. International Energy Agency [IEA] (2009b), S. 447. 337 Vgl. Ministry of Energy of the Russian Federation (2010), S. 21-23. 338 Der Energy Charter Treaty (Energiecharta-Vertrag) wurde nach Ende des Kalten Kriege im

Europa der 1990er Jahre entwickelt und soll internationalen Energiebeziehungen verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für Handel, Transit und Investitionen bieten. Die Russische Föderation, die den Vertrag zwar 1994 unterzeichnet hatte, dessen endgültige Ratifizierung jedoch noch ausstand, erklärte im August 2009, nicht länger Vertragspartei werden zu wollen. Vgl. Energy Charter Secretariat (2010).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 180

Losgelöst von mittel- bis langfristigen Erwägungen verdeutlichen die Gaskrisen

von 2006 und 2009 die Relevanz kurzfristiger Reaktionsmöglichkeiten auf

Versorgungsengpässe.

5.3.4 Beitrag von Bioerdgas bei kurzfristigen Lieferausfällen Der Bedarf an Erdgas unterliegt Schwankungen aufgrund vielfältiger Einflüsse:

Industrielle Leistungsspitzen können (werk)täglich beim morgendlichen

Anfahren von Anlagen auftreten. Die Nachfrage von Gaskraftwerken richtet sich

nicht nur nach dem Strombedarf, sondern auch nach den Verfügbarkeiten alter-

nativer Energieträger zur Stromerzeugung, nicht zuletzt von Witterung abhän-

giger erneuerbarer Energien. Wesentlichste Einflussgröße ist aufgrund der

Bedeutung des Wärmemarktes jedoch die Temperatur, so dass der Erdgasver-

brauch im Winter deutlich höher ausfällt als im Sommer. Einen gewissen Puffer

für untertägige Schwankungen stellen die Erdgasnetze dar, in denen Gas mit

unterschiedlich hoher Kompression enthalten sein kann. Für den saisonalen

Ausgleich sorgen einerseits angepasste Förderprofile der Quellen und anderer-

seits Erdgasspeicher, in denen zu warmer Jahreszeit Gas eingelagert wird,

welches bei kalter Witterung dann zusätzlich zum sonstigen Aufkommen zur

Verfügung steht. Dieser Einsatz von Speichern ermöglicht eine konstantere

Ausnutzung und damit Dimensionierung von Anlagen- und Transportkapazi-

täten. Zudem stellen Speicher Sicherheiten für den Ausfall von Lieferungen dar.

Auf der Angebotsseite können Ausfälle einzelner Lieferquellen oder Transport-

wege über Speicher oder vorhandene, zum Zeitpunkt des Ausfalls nicht

vollständig ausgelastete Infrastruktur kompensiert werden. Bei einem Ausfall

norwegischer Lieferungen könnte beispielsweise verstärkt auf niederländisches

Gas zurückgegriffen werden. Die deutsche Importinfrastruktur lässt für derartige

Ausweichreaktionen Spielräume zu. Eine Untersuchung für das Jahr 2005 gibt

die maximal importierbare Erdgasmenge nach Deutschland, d. h. die Menge, die

bei voller Auslastung der Importkapazitäten an sämtlichen 8.760 Stunden des

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 181

Jahres eingeführt werden könnte, mit 208 Mrd. Normkubikmetern an (rund 2.000

TWh). Die gesamte tatsächliche Einfuhrmenge des Jahres 2005 lag bei etwa der

Hälfte dieser Menge (1.004 TWh). Für die Einfuhren aus den wesentlichen

Lieferländern ergaben Benutzungsstundenstrukturen (maximal 8.760 h/a)

hinsichtlich der technischen Kapazität rund 4.200 für Russland, 5.100 für

Norwegen und 2.900 für die Niederlande.339

Dass tatsächlich nennenswerte Verlagerungen möglich sind, hat die Einstellung

der russischen Lieferungen über die Ukraine zwischen dem 7. und 19. Januar

2009 verdeutlicht. Dies stellte die längste und größte Unterbrechung von Erdgas-

lieferungen in der 35jährigen Geschichte des russischen Erdgasimports dar (vgl.

5.3.3). Ein detaillierter Abgleich der Lastflüsse während dieser Zeit mit üblichen

Strömen durch die Bundesnetzagentur zeigt zum einen Verlagerungen russischer

Lieferungen über Weißrussland – es handelte sich ja nicht um Einstellungen der

russischen Lieferungen an Deutschland oder Westeuropa, sondern um einen

russisch-ukrainischen Konflikt. Zum anderen verzeichnet er Mengenerhöhungen

an Grenzübergangspunkten zu Belgien (Importe aus Großbritannien über den

Interconnector), den Niederlanden und Norwegen (Pipeline-Anbindung an der

deutschen Küste). Insgesamt hat die deutsche Erdgaswirtschaft in Kombination

veränderter Lastströme mit dem Einsatz von Speichern den russischen Liefer-

ausfall relativ problemlos kompensiert. Die Speicher wiesen zu Beginn der Krise

einen Füllstand von 76,6 % auf und an deren Ende von 64,5 %. Die gesamte

Ausspeicherleistung wurde zu keinem Zeitpunkt zu mehr als 63 % benötigt. Der

Gaskonflikt mitsamt Lieferunterbrechung hat nicht einmal wesentlichen Einfluss

auf die Gashandelspreise an den europäischen Großmärkten ausgeübt. Die

Bundesnetzagentur zieht das Fazit, die Lieferunterbrechung in der kältesten

Winterperiode hätte „bei gleichen Bedingungen wohl einen erheblich längeren 339 Vgl. Institut für Energetik und Umwelt gGmbH/Hochschule für Technik (2007), S. 122 f.,

und Wittke/Ziesing (2006), S. 123. Die Benutzungsstrukturen ergeben sich aus der Zusammenführung der maximalen Kapazitäten je Lieferland (für Norwegen ist der Mittelwert der divergierenden Werte angesetzt) und den tatsächlichen Einfuhren.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 182

Zeitraum dauern dürfen, bevor die Versorgungssicherheit in Deutschland

ernsthaft berührt gewesen wäre.“340 Zum Teil war es sogar möglich, Transport-

flüsse umzukehren und Mengen von Deutschland nach Tschechien zu

exportieren. Maßnahmen dieser Art stießen jedoch an Grenzen der derzeitigen

Infrastruktur für andere Länder, so dass hierdurch Versorgungskrisen auf dem

Balkan nicht verhindert werden konnten (zu Planungen der EU zum Ausbau der

Erdgasinfrastruktur vgl. 5.3.2).341

Entscheidend für eine Reaktion auf Ausfälle ist Flexibilität, wie sie auf der

Angebotsseite von Speichern, nicht vollständig ausgelasteten Transportkapazi-

täten oder LNG bereitgestellt werden kann, vorausgesetzt die Speicher sind

gefüllt und zusätzliche Gas- und LNG-Mengen verfügbar. Die deutschen Erdgas-

speicher wiesen Ende 2009 ein technisch maximales Arbeitsgasvolumen von

20,8 Mrd. m3 aus, was mehr als 20 % des Jahresverbrauchs entspricht. Mit dem

Arbeitsgasvolumen steht Deutschland nach den USA, Russland und der Ukraine

weltweit auf Platz vier der Länder mit den umfangreichsten Speichern. Weitere

13,9 Mrd. m3 befinden sich in Planung oder Bau.342 Aufgrund der in Deutschland

durch den Markt bereitgestellten guten (Speicher)Infrastruktur und der diversifi-

zierten Beschaffungswege ist die Bundesregierung auch der Auffassung, dass

„verbindliche strategische Gasspeicher nicht erforderlich und unverhältnismäßig

teuer sind.“343 Der Nutzen zusätzlicher Versorgungssicherheit durch ein staatlich

organisiertes Mehr an Speichern wird also geringer eingeschätzt als die damit

einhergehenden Kosten.

Die Produktion von Bioerdgas ist auf eine möglichst gleichmäßige Anlagenaus-

lastung angelegt. Solange nicht bewusst technische Infrastruktur samt notwen-

diger Einsatzstoffe (Mais) vorgehalten werden, die nur bei Bedarf Bioerdgas 340 Bundesnetzagentur (2009a), S. 16. 341 Vgl. Bettzüge/Lochner (2009), Bundesnetzagentur (2009a) und Lohmann (2009c). 342 Vgl. Landesamt für Bergbau (2010), S. 44-52. 343 Bundesregierung (2009a), S. 3.

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 183

produzieren,344 leistet Bioerdgas – über eine grundsätzliche Diversifizierung der

Bezüge hinaus – keinen Beitrag zur kurzfristigen Versorgungssicherheit.

Abbildung 5.13 verdeutlicht die unterschiedlichen Flexibilitäten: Die gleiche

Menge an Gas, welche eine Bioerdgasanlage idealtypisch über das Jahr

produziert (Bandeinspeisung), kann aus einem gefüllten Speicher bedarfsgerecht

ausgespeist werden – innerhalb einer kürzeren Zeitspanne (hier ist eine

Quartalseinspeisung dargestellt) oder variabel verteilt über das Jahr (hier mit

beispielhafter Temperaturabhängigkeit). Zusätzliches Gas könnte in Zeiträumen

hoher Nachfrage ebenso durch LNG bereitgestellt werden (möglichst konstante

Einspeisung analog dem dargestellten Quartalsprodukt).

344 Dies erscheint aufgrund des organisatorischen Aufwandes der dezentralen Bioerdgas-

Strukturen wie der ungünstigen Bioerdgas-Kostenstrukturen nicht sinnvoll: Marktpreise für Speicher liegen bei jährlich 0,6 Ct/kWh bezogen auf das Arbeitsgas (vgl. 3.2.3), während allein die Kapitalkosten von Bioerdgasanlagen bei Umlage auf eine Bioerdgasmenge aus laufendem Betrieb, bei dem die Anlage nicht für Versorgungssicherheit als reine Reseserveanlage vorgehalten wird, mit spezifisch 0,8 bis 1,2 Ct/kWh darüber liegen, Personal und Wartung noch gar nicht berücksichtigt (vgl. Tabelle 2.3).

5 Bioerdgas als staatliches Produkt 184

Abbildung 5.13: Unterschiedliche Einspeisestrukturen gleicher Jahresmengen

Quelle: Eigene Darstellung.

Insgesamt gilt in lang- wie kurzfristiger Betrachtung von Versorgungssicherheit:

Zwar könnte Bioerdgas technisch zur Versorgungssicherheit beitragen,

ökonomisch ist dies jedoch nicht sinnvoll. Unabhängig davon, dass Deutschland

bereits ein hohes Maß an Versorgungssicherheit bescheinigt wird, ließen sich

weitere Verbesserungen der Versorgungssicherheit günstiger durch alternative

Maßnahmen realisieren – seien es langfristig die Erschließung neuer Lieferländer

via Pipeline und LNG oder kurzfristig die (vom Markt sowieso geplante)

Errichtung neuer Speicher. Ein ökonomisches Kalkül zur optimalen Versor-

gungssicherheit müsste zudem Maßnahmen auf der Angebotsseite wie

abschaltbare Verträge, (kurzfristige) Umstellungen bivalenter Anlagen auf

alternative Energieträger oder (längerfristige) Substitutionspotentiale zwischen

verschiedenen Energieträgern berücksichtigen.

6 Fazit 185

6 Fazit

Bioerdgas hat binnen kurzer Zeit in den Strategien der deutschen Gasunter-

nehmen augenscheinlich einen bedeutenden Platz eingenommen: Die Zahl der

Anbieter von Bioerdgas im Wärmemarkt stieg in dem halben Jahr zwischen

Oktober 2009 und April 2010 um zwei Drittel von 44 auf 73. Von Nischen-

anbietern wie naturstrom über zahlreiche Stadtwerke bis hin zu den Vertriebs-

einheiten des größten deutschen Erdgaskonzerns, E.ON, werben die

unterschiedlichsten Akteure um die Gunst des Konsumenten für ihre neuen

grünen Produkte. Noch fallen die realisierten Absätze allerdings bescheiden aus.

Dies zeigt sich schon anhand der maximal zur Verfügung stehenden Bioerdgas-

Kapazität im Jahr 2010 von rund 0,2 % des deutschen Erdgasverbrauchs.

Hiervon dürfte zudem ein wesentlicher Teil der Stromerzeugung zuzurechnen

sein, die über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) subventioniert wird. Zur

Erreichung der in der Gasnetzzugangsverordnung niedergelegten politischen

Ziele, die Bioerdgas im Jahr 2030 bei 10 Mrd. m3 oder rund 10 % des derzei-

tigen Erdgasverbrauchs sehen, müsste die Wachstumsrate an Bioerdgas-Kapazi-

täten post 2010 jährlich 22 % betragen. Die vorliegende Arbeit hat versucht zu

ergründen, welche Strukturveränderungen mit dem Ausbau von Bioerdgas

einhergehen, welche Marktchancen Bioerdgas jenseits staatlicher Förderung als

Erdgassubstitut wie als eigenständiges grünes Produkt aufweist, in wieweit

bestimmte Hürden nur durch staatliche Förderung zu überwinden wären, welche

staatlichen Ziele dies grundsätzlich rechtfertigen könnten und nicht zuletzt, ob

der aktuell eingeschlagene Weg aus ökonomischer und gesellschaftlicher

Perspektive empfehlenswert ist.

6 Fazit 186

Bioerdgas als auf Erdgasqualität aufbereitetes und ins Erdgasnetz eingespeistes

Biogas öffnet dem in der Vergangenheit meist direkt am Ort der Produktion

verstromten Biogas den Weg in das Erdgasnetz. Damit steht ihm der Zugang zu

jedem Industrieunternehmen, Kraftwerk und Haushalt mit einem Anschluss an

das Gasnetz der allgemeinen Versorgung offen. Technisch ist in Deutschland –

unter Einschluss von freigesetztem Ackerland durch zunehmende Nahrungs-

mittelimporte – ausreichend Potential an Gülle und Fläche für die Produktion von

Bioerdgas nutzbar, um die avisierten 10 Mrd. m3 im Jahre 2030 zu realisieren.

Der weitere Ausbau ruht dabei insbesondere auf Nachwachsenden Rohstoffen

(NaWaRo). Das Aufkommen von Bioerdgas führt zu Strukturveränderungen

innerhalb der Gaswirtschaft. Bioerdgas durchbricht die bislang strikt hierarchisch

ausgerichtete Ordnung der Netzinfrastruktur, die von den Quellen bis zu den

Verbrauchspunkten kaskadenförmig immer feingliedriger verläuft. Denn Bioerd-

gas kann dezentral an nahezu jeder Stelle des Erdgasnetzes produziert und

eingespeist werden. Einer Industrie, die bislang maßgeblich auf wenige Import-

länder angewiesen war, erschließen sich dadurch grundsätzlich neue Freiheits-

grade.

Eine Wirtschaftlichkeit von Bioerdgas im Vergleich zum Substitut Erdgas ist

gegenwärtig allerdings nicht gegeben und auch zukünftig nicht absehbar. Der

Break-Even-Preis für Bioerdgas mit überwiegendem NaWaRo-Einsatz liegt bei

traditioneller ölpreisabhängiger Gaspreisbildung bei 230 $/bbl Brent-Rohöl.

Selbst wenn sich der Ölmarkt in den kommenden Jahren in diese Größenordnung

bewegen sollte, ist nicht davon auszugehen, dass die klassische Ölpreisbindung

(in unveränderter Form) fortbesteht. Mit dem Wegfall staatlich sanktionierter

Gebietsmonopole, der Trennung von Netz und Handel und der Einführung von

Marktgebieten mit diskriminierungsfreien Entry-Exit-Systemen hat sich in

Deutschland durch regulatorische Eingriffe ein neues Marktumfeld eingestellt, in

dem eine Bepreisung von Erdgas nach dem früheren Prinzip der Anlegbarkeit

nicht länger praktikabel ist. Leitfunktion für die Preissetzung von Erdgas-

6 Fazit 187

produkten kommt zunehmend Großhandelsmärkten und Börsen zu, auf denen

sich Preise nach Angebot und Nachfrage bilden. Als Indikator zukünftig

möglicher Preise können – bei Annahme eines Wettbewerbsmarktes – Grenz-

kosten für Produktion und Transport herangezogen werden. Selbst diejenigen der

unkonventionellen Erdgasvorkommen, die im oberen Produktionskostenbereich

liegen und teuer per LNG transportiert werden, liegen mit 3,2 Ct/kWh bei etwa

der Hälfte der Bioerdgaskosten (NaWaRo) von 6,3 Ct/kWh. Das gegenwärtige

Preisniveau von gut 2 Ct/kWh macht rund ein Drittel dieser Kosten aus.

Erst die staatliche Förderung von Bioerdgas ermöglicht eine betriebswirt-

schaftlich lohnende Produktion. Die Förderung setzt dabei an zwei Stellen an.

Auf der einen Seite stehen Privilegien gegenüber Erdgas im Netzzugang und der

Ausgestaltung von Bilanzkreisen für Bioerdgas. Hier verschwimmen offen

kommunizierte Besserstellungen wie der Einspeisevorrang mit versteckten

Förderungen. Bei letzteren fallen sachlich grundsätzlich zu rechtfertigende

Sonderbehandlungen über die Maßen vorteilhaft aus, etwa überhöhte Gut-

schriften für vermiedene Netzentgelte, oder sind sachlich nachvollziehbare

Sonderbelastungen von Bioerdgas zu gering angesetzt, beispielsweise beim

erweiterten Bilanzausgleich. Auf der anderen Seite – auf dieser erfolgt die

wesentliche finanzielle Förderung – steht die Subventionierung der Strom-

produktion aus Bioerdgas durch das EEG. Je nach Anlagenleistung, verwendeter

Technologie, eingesetzten Rohstoffen und Nutzung der bei der Stromproduktion

erzeugten Wärme greifen für Strom aus Bioerdgas unterschiedliche Vergütungs-

sätze zwischen 7,8 Ct/kWh für die niedrigste Grundvergütung345 und

25,7 Ct/kWh in der Spitze. Der durchschnittliche Börsenpreis des Jahres 2009 lag

bei 3,9 Ct/kWh.

345 Hinzu kommt mindestens der Bonus für Kraft-Wärme-Kopplung von 3,0 Ct/kWh für den

Stromanteil der tatsächlich genutzten Wärme, da das EEG für Bioerdgas eine Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung zwingend vorschreibt.

6 Fazit 188

Die klassische Zieltrias staatlicher Energiepolitik vereinigt Wirtschaftlichkeit,

Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, wobei sich letztere im

Spannungsfeld fossiler und regenerativer Energien als Klimapolitik manifestiert.

Da Bioerdgas zur Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung keinen Beitrag

leisten kann, sondern ganz im Gegenteil auf finanzielle Förderung angewiesen

ist, müssten die beiden anderen Ziele eine staatliche Förderung begründen.

Die Versorgungssicherheit mit Erdgas ist nicht durch einen Mangel an grund-

sätzlich vorhandenem und zu marktfähigen Preisen gewinnbarem Erdgas

gefährdet. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die weltweiten

Vorkommen, die mit gegenwärtiger Technologie wirtschaftlich förderbar sind,

eine Reichweite von 250 Jahren bei aktuellem Jahresverbrauch aufweisen. Diese

Vorkommen sind ungleich verteilt. Deutschland und die EU verzeichnen bei

rückläufiger heimischen Produktion in den kommenden Jahren c. p. eine

verstärkte Importabhängigkeit. Die EU insgesamt und Deutschland im Beson-

deren liegen jedoch geografisch günstig zu einer Reihe von Ländern mit großen

Erdgasvorkommen. Neben einem Ausbau der Lieferbeziehungen mit Russland ist

eine Diversifizierung zusätzlicher Bezüge, insbesondere in Richtung kaspische

Region und Naher Osten, zu aktuellen Marktkonditionen möglich. Auch ein

Ausbau von Bioerdgas führte zwar zu einer Diversifizierung des Bezugs, ist

jedoch bei Kosten, die rund das Dreifache des aktuellen Marktpreises für Erdgas

betragen, nicht wettbewerbsfähig.

Investitionen in den Ausbau der Erdgasinfrastruktur für zusätzliche Pipeline-

bzw. LNG-Transporte bedürfen allerdings Planungssicherheit, die gegenwärtig

politisch nicht eindeutig zu verzeichnen ist. Während die Europäische Union

Erdgas als wesentlichen Baustein ihrer zukünftigen Energiestrategie betrachtet,

erfährt Erdgas im Energiekonzept der deutschen Bundesregierung bestenfalls

widersprüchliche Aussagen und schlechtestensfalls eine Marginalisierung. Im

Hinblick auf eine Überbrückung kurzfristiger Lieferausfälle leistet Bioerdgas

6 Fazit 189

abgesehen von einer diversifizierteren Aufkommensstruktur keinen Beitrag. Die

bei kurzfristigen Lieferausfällen geforderte Flexibilität der Einspeisung ist gerade

nicht Kennzeichen möglichst gleichmäßiger Bioerdgasproduktion.

Wie kein anderes Thema stellt der anthropogene Klimawandel etablierte Pfade

der industriellen Energieerzeugung und -nutzung in Frage. Die fehlende preis-

liche Berücksichtigung der negativen externen Effekte der Treibhausgas-

emissionen fossiler Energien führt zu ihrer Nutzung in höherem Maße als

gesellschaftlich wünschenswert wäre und verursacht so das „größte Marktver-

sagen aller Zeiten“ (Nicholas Stern). Eine staatlich (international) herbeigeführte

Belastung fossiler Energien mit ihren externen Kosten entspricht ökonomischer

Rationalität. Der anthropogene Klimawandel mit seinen gravierenden Risiken für

bestimmte Teile der Welt im Hinblick auf Wasser, Nahrung und Naturkata-

strophen, ist – ungeachtet verbleibender naturwissenschaftlicher Unsicherheiten

– eine politische Realität mit immenser gesellschaftlicher Dynamik. Um das

Eskalationspotential mit Menschen und Ländern, die sich in der Rolle der Leid-

tragenden sehen, zu vermindern, ist es den Verursachern auch jenseits ethischer

Imperative geboten, ihre Emissionen zu reduzieren und Alternativen der

Energieerzeugung bereit zu stellen. Staatliche Maßnahmen zur Nutzung erneuer-

barer Energien können hierzu einen wertvollen Beitrag leisten.

Die in Deutschland praktizierte Subventionierung erneuerbarer Energien erfolgt

zu einem wesentlichen Teil über das EEG. Das EEG weist gravierende Schwach-

stellen auf, die es als Instrument diskreditieren und sogar ad adsurdum führen:

Der planwirtschaftliche Ansatz des EEG schaltet konsequent den Wettbewerb

zwischen alternativen erneuerbaren Energien aus. Dies führt zu einer ineffi-

zienten Marktstruktur, unterbindet die Entdeckungsfunktion des Marktes und

verhindert Konsumentensouveranität. Der Strommarkt unterliegt darüber hinaus

bereits dem Europäischen CO2-Zertifikatehandel. Da im Rahmen des Zertifikate-

handels die Gesamthöhe an CO2-Emissionen festgelegt ist, führt die Subventio-

6 Fazit 190

nierung regenerativer Stromerzeugung über das EEG insgesamt zu keinen

zusätzlichen Emissionsminderungen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass

Bioerdgas überhaupt nur in Bereichen einen zusätzlichen Beitrag zur CO2-

Reduktion leisten kann, die nicht dem Zertifikatehandel unterliegen, also insbe-

sondere im Wärmemarkt. Dieser ist jedoch gerade nicht Gegenstand des EEG.

Seit 01.01.2009 bestehen im Wärmemarkt für Neubauten über das Erneuerbare-

Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) Pflichten zur anteiligen Nutzung regenera-

tiver Energien, wobei der jeweilige Prozentsatz von Technologie zu Technologie

schwankt. Bioerdgas qualifiziert grundsätzlich zur Erfüllung dieser Vorschrift,

wenn sein Anteil an der Wärmedeckung mindestens 30% ausmacht. Allerdings

wird der Einsatz von Bioerdgas dadurch erschwert, dass eine Nutzung im

klassischen Heizkessel nicht ausreichend ist. Vielmehr verlangt eine Erfüllung

der EEWärmeG-Anforderungen eine Nutzung in Kraft-Wärme-Kopplung. Damit

wird erneut eine Verquickung mit der Stromproduktion vorgenommen, deren

Emissionen bereits der Zertifikatehandel reguliert.

Eine Substitution von Erdgas durch Bioerdgas ist losgelöst von der konkreten

Ausgestaltung der staatlichen Förderung aufgrund der hohen Bioerdgaskosten ein

derzeit ineffizientes Instrument zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen.

Bei aktuellen Erdgas-Marktpreisen liegt der Break-Even für Bioerdgas bei einem

CO2-Preis von 176 €/t – mehr als dem Zehnfachen des CO2-Preises im Zertifika-

tehandel. Der Wert von 176 €/t unterstellt, dass für Bioerdgas selbst keine Treib-

hausgasemissionen anfallen und somit die kompletten Treibhausgasemissionen

von Erdgas eingespart werden könnten. Moderne Bioerdgasanlagen auf reiner

NaWaRo-Basis, die nach bester Technik betrieben werden, sparen rund 65 % der

Emissionen von Erdgas ein, wenn der gesamte Äquivalenzprozess betrachtet

wird. Eine weitere Verbesserung der Klimabilanz ergibt sich mit zunehmendem

Einsatz von Gülle, da Gülle bei direkter Ausbringung auf das Feld hohe Treib-

hausgasemissionen aufweist, die durch Fermentierung zu Biogas vermindert

werden können. Die Gülle-Emissionen stellen allerdings keine Begründung für

6 Fazit 191

eine Subventionierung von Bioerdgas dar. Aus ökonomischer Perspektive müsste

vielmehr eine Internalisierung dieser externen Kosten durch Anlastung bei den

jeweiligen Verursachern (den Landwirten) erfolgen, die dann zur Produktion von

Bioerdgas oder aber alternativen Vermeidungsstrategien führen könnte. Wenn

die Förderung erneuerbarer Energien losgelöst von der Verminderung von

Treibhausgasemissionen als eigenständiges Ziel verfolgt wird und der Staat dabei

über Grundlagenforschung und Demonstrationsanlagen hinausgeht, ist

mindestens Technologieoffenheit der Förderung einzufordern, so dass verschie-

dene Energiequellen wie Wasser, Wind, Photovoltaik und (nachhaltige)

Biomasse im Wettbewerb miteinander stehen.

Die Mehrkosten von Bioerdgas gegenüber Erdgas übersteigen bei weitem die

zusätzlichen Zahlungsbereitschaften, mit denen bestimmte Konsumentengruppen

vergleichbare grüne, nachhaltige Produkte honorieren. Entsprechend sind die am

Markt anzutreffenden „Bioerdgas“-Produkte in der Regel solche, die Bioerdgas

nur anteilig zu 10 oder 20 % fossilem Erdgas zumischen. Ob Kunden derartige

Mischprodukte langfristig als „grüne“ Produkte akzeptieren, ist zumindest

fraglich. Darüber hinaus ist Bioerdgas wie andere Bioenergieträger mit einer

zusätzlichen Nachhaltigkeits-Hürde konfrontiert, die aus der potentiellen

Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion resultiert. Rund 1 Milliarde

Menschen auf der Erde hungern. Staatliche Subventionen für Bioenergien, die

knappe Landflächen von der Nahrungsmittelproduktion zur Energieproduktion

umwidmen, vermindern und verteuern c. p. die verfügbaren Nahrungsmittel.

Entsprechend empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung

Globale Umweltverändrungen (WBGU) die Nutzung von Bioenergien nur beim

Einsatz von Reststoffen oder dem Anbau von (mehrjährigen) Energiepflanzen

auf degenerierten Flächen. Die bestehende deutsche Bioerdgasproduktion wie ihr

angestrebter Ausbau setzen jedoch wesentlich auf NaWaRo, vor allem Mais, die

in Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung stehen. Ein Primat der Nahrungs-

mittelproduktion wird weder in der staatlichen Förderung noch in der praktischen

6 Fazit 192

Umsetzung gewährleistet. Das repräsentative deutsche Bioerdgas ist somit zwar

als regenerativ, nicht jedoch als nachhaltig zu klassifizieren.

Hieraus resultiert für die immer zahlreicheren Unternehmen, die Bioerdgas

anbieten, ein Dilemma: Im unternehmerischen Alltag sind staatliche Rahmen-

bedingungen, die ja den Ausbau von Bioerdgas in Deutschland forcieren, gege-

bene Leitplanken, innerhalb derer in einer marktwirtschaftlichen Ordnung zum

wechselseitigen Vorteil gewinnorientiert gehandelt wird. Die Auseinander-

setzung um diese Rahmenbedingungen findet mithin grundsätzlich auf

politischer Ebene statt. Gleichwohl haben sich Unternehmen darauf einzustellen,

von ihren Kunden und anderen Stakeholdern für Auswirkungen ihrer Produkte

durch Kaufentscheidungen oder öffentliche Aktionen in Verantwortung

genommen zu werden. Gesellschaftlich kann individuelles nachhaltiges Handeln

als Vorbild zukünftig verallgemeinerter Handlungsregeln wertvolle Dienste

leisten. Wenn es ausreichend Aufmerksamkeit generiert, hat es, systemtheo-

retisch betrachtet, das Potential, ethische Anforderungen in den wirtschaftlichten

Code zu transferieren – direkt über eine Beziehung zwischen Stakeholdern und

Unternehmen oder als Wählermobilisierung über die Politik.

Noch sind die erzeugten Mengen an Bioerdgas überschaubar, so dass ein

Überdenken der Strategien möglich erscheint. Zahlreiche Anbieter von Bioerdgas

befinden sich mit ihrem klassischen, fossilen Produkt Erdgas im Zuge der

anthropogenen Klimaänderung bereits in einer der konfliktträchtigsten globalen

Auseinandersetzung dieses Jahrhunderts. Aufgrund der im Vergleich zu anderen

fossilen Energien geringen Emissionen von Erdgas besitzen sie jedoch relativ zu

beispielsweise Kohle noch eine gute Ausgangsposition. So groß die Versuchung

sein mag, das eigene Unternehmen als auch das Produkt Erdgas durch eine

Verbindung mit Bioerdgas ergrünen zu lassen, ein solcher Pakt könnte sich im

Konflikt um Nahrung oder Bioenergie als faustisch erweisen und zur Diskredi-

tierung auch des Produktes Erdgas führen. Wenn die Produktionsstrukturen für

6 Fazit 193

Bioerdgas auf NaWaRo-Basis im großen Maßstab erst einmal geschaffen sind,

wird ein Rückzug umso kostspieliger.

Staat wie Unternehmen sollten umgehend Ausstiegsoptionen aus dem Energie-

träger Bioerdgas eruieren und wahrnehmen. Wirklich anspruchsvolle Nachhal-

tigkeitskriterien könnten, obwohl sie in der Kommunikation gegenüber

Stakeholdern und Wählern die derzeitige Strategie lediglich nachzujustieren

scheinen, de facto zu einer Abkehr von den bisherigen (NaWaRo-)Ausbauplänen

führen und so ein gesichtswahrendes Verlassen bereits eingeschlagener Pfade

ermöglichen. Solche Nachhaltigkeitskriterien könnten politisch in die regulato-

rischen Rahmenbedingungen einfließen oder auf unternehmerischer Ebene

angenommen werden.

Anhang 194

Anhang: Anthropogene Klimaänderung

Im vierten Sachstandsbericht (Fourth Assessment Report) untersucht der IPCC in

drei Arbeitsgruppen i) die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels mit

Abschätzung zukünftiger Klimaänderungen, ii) die Auswirkungen von Klima-

änderungen auf natürliche, bewirtschaftete und menschliche Systeme sowie

deren Anpassungsfähigkeit und Verwundbarkeit und iii) die wissenschaftlichen,

technischen, umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte des

Klimaschutzes.346

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Grundlagen und Abschätzungen zukünftiger

Klimaänderungen stellt der IPCC fest:347, 348

Die seit der Industrialisierung zugenommene Konzentration von

Treibhausgasen in der Atmosphäre ist der dominierende Faktor für Ände-

rungen im Gleichgewicht von einfallender und abgehender Energie im

System Erde-Atmosphäre (Strahlungsantrieb). Zwischen Strahlungs- 346 Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change [IPCC] (2007a), S. 2, Intergovernmental

Panel on Climate Change [IPCC] (2007b), S. 20 und Intergovernmental Panel on Climate Change [IPCC] (2007c), S. 42.

347 Vgl. Solomon et al. (2007), S. 25, 27, 31 f., 36, 43, 48 f., 51, 60, 65, 68, 70 und 74, Denman et al. (2007), S. 511-515, Randall et al. (2007), S. 629 f, Parry et al. (2007), S. 34, und Barker et al. (2007), S. 27.

348 Für eine vom Fraser Institute herausgegebene Zusammenfassung und Ergänzung der Ergebnisse der IPCC Arbeitsgruppe 1, in der vor allem die Unsicherheiten heutiger Klimaerkenntnisse und –prognosen hervorgehoben werden, vgl. McKitrick et al. (2007). Dort heißt es (S. 9): „There is no compelling evidence that dangerous or unprecedented changes are underway. [...] The hypothesis that greenhouse gas emissions have produced or are capable of producing a significant warming of the Earth’s climate since the start of the industrial era is credible, and merits continued attention. However, the hypothesis cannot be proven by formal theoretical arguments, and the available data allow the hypothesis to be credibly disputed. […] [T]here will remain an unavoidable element of uncertainty as to the extent that humans are contributing to future climate change, and indeed whether or not such change is a good or bad thing.“

Anhang 195

antrieb und Durchschnittstemperaturen auf der Erde ist von einem posi-

tiven linearen Zusammenhang auszugehen.

Die bedeutendsten Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Methan

(CH4), Lachgas (N2O) und Halogenkohlenwasserstoffe. Den mit Abstand

größten absoluten Klimaeinfluss leistet CO2, dessen Konzentration in der

Atmosphäre von einem vorindustriellen Wert von 280 ppm (Parts per

million) im Jahre 1750 um knapp 100 ppm auf 379 ppm im Jahre 2005

zugenommen hat, wobei die Wachstumsraten mindestens seit 1960 nach

oben weisen. In den 8.000 Jahren vor dem Beginn der Industrialisierung

nahm die Konzentration um gerade einmal 20 ppm zu. Seit 1750 sind rund

zwei Drittel der anthropogenen CO2-Emissionen auf das Verbrennen

fossiler Brennstoffe zurückzuführen, der Rest rührt im wesentlichen aus

Landnutzungsänderungen wie etwa der Umwidmung von Wald- oder

Prärieflächen zu Ackerland. Die atmosphärische Methan-Konzentration

hat sich gegenüber ihrem vorindustriellen Wert mehr als verdoppelt, die

von Lachgas hat um knapp ein Fünftel zugenommen. Sämtliche Treib-

hausgase, entsprechend ihrer Treibhauswirkung in CO2-Äquivalenten

ausgedrückt, führen zu einem Wert von 455 ppm CO2-eq. Unter

Berücksichtigung von Kühleffekten, die unter anderem von Aerosolen

ausgehen (kleine Partikel in der Atmosphäre, die die Sonneneinstrahlung

abmildern), ergibt sich eine effektive Konzentration von 311-

435 ppm CO2-eq.

Die Erde hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erwärmt. Dies belegen

konsistente Veränderungen in Atmosphäre, Kyrosphäre (der von Eis

bedeckte Teil der Erde, in dem 75% des weltweiten Frischwassers

gespeichert sind) und Ozeanen. 2005 und 1998 waren die wärmsten zwei

Jahre in der Geschichte der instrumentellen Temperaturaufzeichnung seit

1850. Von den zwölf Jahren 1995 bis 2006 gehörten elf zu den zwölf

wärmsten Jahren seit 1850. In der Zeitspanne 2001 bis 2005 lagen die

Anhang 196

durchschnittlichen globalen Oberflächen-Temperaturen um 0,76°C über

dem Wert der Jahre 1850 bis 1899.

Mit einer Wahrscheinlichkeit größer 90 % sind die anthropogenen Treib-

hausgase für den größten Teil der beobachteten Klimaerwärmung seit

Mitte des 20. Jahrhunderts verantwortlich. Sie haben in Folge mit einer

Wahrscheinlichkeit von größer 66% zur jüngeren Abnahme des arktischen

Eises und mit einer Wahrscheinlichkeit von größer 90 % zum Anstieg des

Meeresspiegels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen.

Zwischen 1961 und 2003 ist ein jährlicher Anstieg des durchschnittlichen

mittleren globalen Meeresspiegels um 1,8 Millimeter/Jahr zu verzeichnen;

für die Jahre 1993 bis 2003 betrug er sogar 3,1 Millimeter/Jahr, wobei

unklar ist, ob es sich dabei um Schwankungen im üblichen Rahmen oder

eine Erhöhung des Trends handelt.

Viele Wirkprozesse der Treibhausgase erfolgen stark zeitverzögert und

mit Rückkoppelungen zwischen Atmosphäre, Biosphäre und Ozeanen.

Dies führt dazu, dass bei einem Übergang von steigenden zu konstanten

Treibhausgasemissionen die atmosphärischen CO2-Konzentrationen noch

lange Zeit weiter ansteigen und dass selbst das Erreichen einer stabilen

atmosphärischen CO2-Konzentration die Erderwärmung nicht unmittelbar

stoppt.349

349 Anders als Methan oder Lachgas wird das bedeutendste Klimagas Kohlendioxid weder durch

chemische Prozesse in der Atmosphäre zersetzt noch von Sonnenstrahlung zerstört. Kohlendioxid ist Teil des Kohlenstoffkreislaufs der Erde. Kohlenstoffhaltige Verbindungen kommen vor sowohl in der Lithosphäre (in der Erdkruste sind weit mehr als 99 % des globalen Kohlenstoffs gespeichert, wobei die fossilen Energieträger gegenüber Carbonatgesteinen wie Calcit und Dolomit einen relativ geringen Anteil ausmachen), der Hydrosphäre (0,05 % des globalen Kohlenstoffs), der Atmosphäre (0,001 % am globalen Kohlenstoff) als auch der Biosphäre (ebenfalls 0,001 %). Über verschiedene Austauschprozesse stehen die einzelnen Systeme miteinander in Verbindung. Für den langfristigen Wirkmechanismus der Treibhausgase ist insbesondere der kontinuierliche CO2-Austausch zwischen Atmosphäre und Ozeanen von Bedeutung. CO2 reagiert mit Wasser und ist darin löslich. Während sich die obersten Meeresschichten innerhalb von Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten durchmischen und so eine Angleichung veränderter CO2-Konzentrationen herbeiführen, dauert dieser Prozess für die Tiefenwasser Jahrtausende. In Bezug auf die Atmosphäre bedeuten die Austauschprozesse, dass 50% einer Erhöhung von CO2-Konzentrationen innerhalb von 30 Jahren wieder aus der

Anhang 197

Die Gleichgewichts-Klimasensitivität gibt an, wie die globale mittlere

Jahresoberflächen-Temperatur – nach Abschluss der langfristigen

Rückkoppelungseffekte – auf eine Verdoppelung des CO2-Anteils in der

Atmosphäre reagiert. Mit einer Wahrscheinlichkeit größer 66 % liegt die

Gleichgewichts-Klimasensitivität bezogen auf die vorindustrielle CO2-

Konzentration (d. h. für eine nachhaltige Verdoppelung der vorindus-

triellen CO2-Konzentration auf rund 550 ppm) im Bereich zwischen 2°C

und 4,5°C, mit einem besten Schätzwert von 3°C. Mit einer Wahrschein-

lichkeit von weniger als 5% liegt sie unterhalb von 1,5°C.

Es werden sechs verschiedene Emissions-Szenarien betrachtet, für die

jeweils eine korrespondierende Spanne der Erderwärmung für das letzte

Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gegenüber dem letzten Jahrzehnt des 20.

Jahrhunderts mit einer Wahrscheinlichkeit größer 66 % angegeben wird

(betrachtet wird hier die globale Durchschnittstemperatur; bezogen auf die

kontinentalen Regionen der Erde ist mit einem größeren Anstieg der

Temperaturen zu rechnen). Die untere Prognosegrenze des Szenarios mit

den geringsten Emissionen liegt bei plus 1,1°C (bester Schätzwert für

dieses Szenario 1,8°C, korrespondierende CO2-Konzentration am Ende

des 21. Jahrhunderts 540 ppm), die obere Prognosegrenze des Szenarios

mit den höchsten Emissionen bei 6,4°C (bester Schätzwert 4,0°C,

Atmosphäre entfernt sind, weitere 30 % nach einigen Hundert Jahren und die restlichen 20 % dort für mehrere tausend Jahre verbleiben. Eine (hypothetische) Stabilisierung der anthropogenen CO2-Emissionen mit Beginn des 20. Jahrhunderts führte dazu, dass die atmosphärischen CO2-Konzentration über das gesamte 21. Jahrhundert weiter anstiegen und am Ende des 21. Jahrhunderts um 60 % höher lägen als zu Beginn. Selbst eine komplette Eliminierung der anthropogenen CO2-Emissionen zu Beginn des 21. Jahrhunderts hätte „nur“ zur Folge, dass die atmosphärische CO2-Konzentration am Ende des 21. Jahrhunderts um etwas mehr als 10 % (40 ppm) unter der zu Beginn des 21. Jahrhunderts läge. Eine tatsächlich erreichte Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen führt insbesondere aufgrund der thermischen Trägheit der Ozeane nicht unmittelbar zu einem Halt der globalen Erwärmung. Vielmehr ist von einer weiteren, zeitverzögerten Erwärmung auszugehen, die im ersten Jahrhundert nach Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen bei rund 0,5°C liegen dürfte und anschließend deutlich geringer ausfiele. Noch zeitverzögerter geschieht der Anstieg des Meeresspiegels, der sich über viele Jahrhunderte vollzieht. Vgl. Kappas (2009), S. 158 f., Denman et al. (2007), S. 511-515, und Meehl et al. (2007), S. 822-827.

Anhang 198

korrespondierende CO2-Konzentration 958 ppm). Die entsprechenden

unterste bzw. oberste Prognosegrenze für den Anstieg des Meeresspiegels

am Ende des 21. Jahrhunderts liegen bei 18 und 59 Zentimetern.

Die Auswirkungen eines Klimawandels werden nach Einschätzung des IPCC

schwerwiegend sein und u. a. in folgenden, nur ausgewählt dargestellten

Bereichen erfolgen (die in Klammern angegebenen Prozentsätze beziffern die

von den IPCC-Experten geäußerte Überzeugung für die jeweiligen Auswir-

kungen im 21. Jahrhundert bei unvermindertem Klimawandel):350

Frischwasser (≥ 90 %): Abnehmende Wassermengen, die in Gletschern

und Schnee gespeichert sind, werden das Sechstel der Weltbevölkerung

betreffen, das an Flussbecken lebt, die von solchen Wassern gespeist

werden. Ein Anstieg der Meeresspiegel führt zu ausgeweiteter Versalzung

von Grundwasser und Flussmündungen. Veränderte Niederschlagsmuster

mit steigender Variabilität erhöhen in zahlreichen Gebieten die

Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen und Dürren.

Ökosysteme (≥ 80 %): Die Widerstandsfähigkeit zahlreicher Ökosysteme

wird mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 66 und 90 % überschritten

aufgrund einer beispiellosen Kombination von Klimawandel, damit

verbundenen Störungen wie Überschwemmungen, Insektenplagen oder

Ozeanversauerungen und weiteren Treibern des globalen Wandels in

Form von Landnutzungsänderungen, Verschmutzung oder Übernutzung

von Ressourcen. 20 bis 30 % aller bekannten Arten sind bei einem

mittleren globalen Temperaturanstieg von 2 bis 3°C gegenüber dem

vorindustriellen Niveau mit zunehmend hohem Risiko vom Aussterben

bedroht (für diese Aussage gilt Überzeugung ≥ 50 %).

Ernährung (≥ 50 %): Während eine gemäßigte Erwärmung in nördlichen

Breitengraden die landwirtschaftliche Produktion begünstigt, führen

350 Vgl. Parry et al. (2007), S. 35-43.

Anhang 199

bereits geringe Erwärmungen in trockenen und tropischen Regionen zu

verringerten Erträgen.

Küstenregionen (≥ 90 %): Viele Küstenregionen sind besonders betroffen,

da sie sowohl zunehmenden Stürmen als auch dem steigenden Meeres-

spiegel ausgesetzt sind.

Gesundheit (≥ 80 %): Der Gesundheitszustand von Millionen von

Menschen wird mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 66 und 90 % in

Mitleidenschaft gezogen, u. a. aufgrund zunehmender Unterernährung,

zunehmender Todesfälle durch Hitzewellen, Überflutungen, Stürme und

Dürren und einer veränderten räumlichen Verbreitung von Überträgern

von Infektionskrankheiten.

Eine Abmilderung des Klimawandels im Vergleich zu einem ohne entsprechende

Anstrengungen ausgestalteten Basisszenario ist nach Einschätzung des IPCC

grundsätzlich möglich, sieht sich gleichwohl aber auch schwerwiegenden

Hemmnissen und großen Herausforderungen gegenüber:351

Die Weltgemeinschaft hat sich im Rahmen der UNFCCC bereits das Ziel

gesetzt, eine Stabilisierung der atmosphärischen Treibhausgasemissionen

auf einem Niveau zu erreichen, bei dem eine gefährliche anthropogene

Störung des Klimasystems verhindert wird, wobei allerdings offen

gelassen ist, auf welchem Niveau die Emissionen konkret stabilisiert

werden sollen und wie genau Anpassungen und Kosten zwischen

verschiedenen Nationen und Generationen zu verteilen sind.

Der Fokus der betrachteten verschiedenen Szenarien liegt jeweils auf der

Reduktion der CO2-Emissionen352 und damit insbesondere auf Entwick-

lungen in den Sektoren Energie und Industrie, die abhängig vom betrach-

teten Szenario 60 bis 80 % aller Reduktionen zu tragen haben. Besondere

351 Vgl. Barker et al. (2007), S. 28, 32 f., 35, 41, 44-47, 49 und 77. 352 Eine Knappheit fossiler Energieträger ist dabei auf globaler Ebene kein relevanter Faktor, der

quasi automatisch zu einer Anpassung der Treibhausgasemissionen führte.

Anhang 200

Bedeutung innerhalb des Energiesektors kommt der Stromerzeugung zu,

für die im wesentlichen drei Anpassungsoptionen bestehen: Effizienz-

verbesserungen fossiler Kraftwerke in Kombination mit einem Umsteigen

von fossiler Energie mit hohen CO2-Emissionen wie Kohle auf fossile

Energie mit relativ geringen CO2-Emissionen wie Erdgas; der Ausbau von

Erneuerbaren Energien und Atomkraft; und dem Abscheiden und der

dauerhaften Einlagerung von CO2 in der fossilen Stromerzeugung (CCS).

Dabei ist zu beachten, dass sowohl konventionelle wie erneuerbare

Energiesysteme durch Klimawandel verwundbar sind. Offshore-Förde-

rungen von Öl und Gas können durch extreme Wetterverhältnisse

beeinträchtigt werden, die Kühlwasser benötigende Atomkraft durch

wärmere oder weniger Wasser führende Flüsse, Wasserkraftwerke

ebenfalls durch veränderte Wasserstände der Flüsse, Solarenergie durch

veränderte Wolkenbildungen, Windkraftanlagen durch veränderte Wind-

geschwindigkeiten und Energiepflanzen durch Trockenheit.

Eine Besonderheit des Transportsektors besteht darin, dass er weitgehend

von nur einem fossilen Energieträger, Öl, dominiert wird und Abscheiden

und Einlagern der damit verbundenen CO2-Emissionen mit heutiger

Technik nicht möglich sind.

Das wirtschaftliche (Treibhausgas-)Minderungspotential ist das Potential

an Treibhausgasminderungen, welches unter Einbeziehung der sozialen

Kosten des Klimawandels gegenüber einem Basisszenario erzielbar wäre.

Die sozialen Kosten lassen sich übersetzen in einen Preis für die Emission

einer Tonne CO2-eq. In Abhängigkeit dieses Preises lassen sich dann

unterschiedliche Minderungspotentiale angeben. Bei einem Preis von

20 $/tCO2-eq ergibt sich für das Jahr 2030 ein Minderungspotential von 9-

18 GtCO2-eq/Jahr gegenüber den eigentlich für 2030 angenommenen

Emissionen. Dies liegt in der Größenordnung der Zunahme der jährlichen

Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2004. Bei 50 $/tCO2-eq sind

es 13-26 GtCO2-eq/Jahr und bei 100 $/tCO2-eq sind es 16-31 GtCO2-

Anhang 201

eq/Jahr. Selbst der maximale Minderungswert von 31 GtCO2-eq/Jahr

führte in einem mittleren Basisszenario für 2030 die Emissionen „nur“

zurück auf das Niveau von 1990. Die Konzentration der CO2-Emissionen

in der Atmosphäre würde auch dabei noch weiter steigen (s.o.).

XV

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Erdgas

Bioerdgas

Sebastian Herold

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tAuf Erdgasqualität aufbereitetes Biogas wurde erstmals im Jahre 2006 in das Netz der allgemeinen Erdgasversorgung eingespeist. Bis zum Jahre 2030, so das Ziel des Gesetzgebers, soll Bioerdgas in der Größenordnung von rund 10 % des heutigen Erdgasverbrauchs zum deutschen Energie-angebot beitragen – dafür müssten Produktion und Vermarktung bis 2030 Jahr für Jahr um mehr als 20 % wachsen.

Dieses Buch bietet aus ökonomischer Perspektive eine systematische Einführung in den Energieträger Bioerdgas und eine fundierte Abwä-gung seiner Zukunftsperspektiven hinsichtlich seiner Konkurrenzfähigkeit gegenüber Erdgas, seiner grundsätzlichen Förderwürdigkeit durch den Staat und der Ausgestaltung seines aktuellen Förderregimes. Dabei führt es mit den Aspekten anthropogener Klimawandel, Sicherheit der Energie-versorgung und Nutzungskonkurrenzen zwischen Anbaufl ächen für Bio-energie und Nahrungsmittel tief hinein in grundlegende gesellschaftliche Auseinandersetzungen unserer Zeit.

Sebastian Herold (Jahrgang 1977) liegen die Themen Energie und Umwelt

seit langem am Herzen – aus theoretischer wie praktischer Perspektive:

1999 bis 2004 VWL-Studium in Münster und Rom; Mitstreiter und später

Vorsitzender der Studenteninitiative Wirtschaft & Umwelt. 2004 Berufsein-

stieg bei einer deutschen Ferngasgesellschaft, seit 2007 Abteilungs leiter

G rundsatzfragen / Portfolio management. 2012 externe Promotion an der

WWU Münster.

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ISBN 978-3-00-037292-6

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Bioerdgas zwischen Markt und Staat

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