auslegung von feinrechen auf kommunalen kläranlagen

15
Auslegung von Feinrechen auf kommunalen Kläranlagen Zusammenfassung Das im Rohabwasser des Kläranlagenzulaufs enthaltene Rechengut verursacht bei unzureichender Entfernung durch die mechanische Reinigungsstufe eine Vielzahl von Problemen im weiteren Reinigungsprozess. Als Beispiele seien hier Verzopfungen an Kabeln, Pumpenblockaden u.ä. genannt. Der Einsatz von Feinrechen auf Kläranlagen ist daher ein fester Bestandteil der Abwasserreinigung, wobei die derzeit bestehenden Vorgaben zur Auslegung dieser Aggregate in den DIN-Normen zum Teil nicht zutreffend und gegenüber den DWA-Empfehlungen und dem Stand der Forschung widersprüchlich oder unvollständig sind. Auf Basis erhobener Daten von bisher 174 Kläranlagen unterschiedlicher Ausbaugrößen und verschiedener Feinrechentypen in Deutschland, Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Italien wurden daher die maßgebenden Vorgaben der Feinrechenauslegung verglichen und auf Richtigkeit überprüft. Schlagworte: Feinrechen, Auslegung, Betriebsergebnisse, Rechengutanfall, Mindestfließgeschwindigkeit, Belegung, Stauverlust, Störungs- und Wartungszeiten 1 Grundlagen der Auslegung von Feinrechen Die Auslegung von Feinrechen erfolgt nach dem Grundsatz, die Passage einer definierten Rohabwassermenge mit den enthaltenen Grobstoffen durch ein Stab- oder Lochgitter sicherzustellen. Hierbei werden mittels Größenausschlussverfahren die Grobstoffe entsprechend der Trenngrenze des eingesetzten Feinrechens zurückgehalten (mechanisches Stofftrennverfahren [1] bei der Fest- Flüssigtrennung). Dabei darf weder das das Rechengerinne überstaut noch die Notumgehung an Anspruch genommen werden. Mag dies noch einfach sein, so stellen die Zusammensetzung des Rohabwassers oder stoßweises Auftreten von Grobstoffen ein ernstzunehmendes Problem dar, wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Abb. 1: Folgen des stoßweisen Rechengutanfalls Nicht nur die Rechenanlage selbst, sondern auch alle Peripherieaggregate (z.B. Förderer, Rechengutpressen etc.) müssen diese Stoßbelastungen sicher bewältigen können. Es ist auch hier nicht möglich, alle Eventualitäten zu berücksichtigen oder einen 100 %-ig störungsfreien Betrieb zu 1

Upload: uni-lu

Post on 14-Nov-2023

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Auslegung von Feinrechen auf kommunalen KläranlagenZusammenfassungDas im Rohabwasser des Kläranlagenzulaufs enthaltene Rechengut verursacht bei unzureichender

Entfernung durch die mechanische Reinigungsstufe eine Vielzahl von Problemen im weiteren

Reinigungsprozess. Als Beispiele seien hier Verzopfungen an Kabeln, Pumpenblockaden u.ä. genannt.

Der Einsatz von Feinrechen auf Kläranlagen ist daher ein fester Bestandteil der Abwasserreinigung,

wobei die derzeit bestehenden Vorgaben zur Auslegung dieser Aggregate in den DIN-Normen zum Teil

nicht zutreffend und gegenüber den DWA-Empfehlungen und dem Stand der Forschung widersprüchlich

oder unvollständig sind. Auf Basis erhobener Daten von bisher 174 Kläranlagen unterschiedlicher

Ausbaugrößen und verschiedener Feinrechentypen in Deutschland, Luxemburg, Österreich, der

Schweiz und Italien wurden daher die maßgebenden Vorgaben der Feinrechenauslegung verglichen und

auf Richtigkeit überprüft.

Schlagworte: Feinrechen, Auslegung, Betriebsergebnisse, Rechengutanfall,

Mindestfließgeschwindigkeit, Belegung, Stauverlust, Störungs- und Wartungszeiten

1 Grundlagen der Auslegung von FeinrechenDie Auslegung von Feinrechen erfolgt nach dem Grundsatz, die Passage einer definierten

Rohabwassermenge mit den enthaltenen Grobstoffen durch ein Stab- oder Lochgitter sicherzustellen.

Hierbei werden mittels Größenausschlussverfahren die Grobstoffe entsprechend der Trenngrenze des

eingesetzten Feinrechens zurückgehalten (mechanisches Stofftrennverfahren [1] bei der Fest-

Flüssigtrennung). Dabei darf weder das das Rechengerinne überstaut noch die Notumgehung an

Anspruch genommen werden. Mag dies noch einfach sein, so stellen die Zusammensetzung des

Rohabwassers oder stoßweises Auftreten von Grobstoffen ein ernstzunehmendes Problem dar, wie die

nachfolgende Abbildung zeigt.

Abb. 1: Folgen des stoßweisen Rechengutanfalls

Nicht nur die Rechenanlage selbst, sondern auch alle Peripherieaggregate (z.B. Förderer,

Rechengutpressen etc.) müssen diese Stoßbelastungen sicher bewältigen können. Es ist auch hier nicht

möglich, alle Eventualitäten zu berücksichtigen oder einen 100 %-ig störungsfreien Betrieb zu

1

gewährleisten. Im Einzelnen sind für die Auslegung der Feinrechen folgende wesentliche

Randbedingungen von Bedeutung:

Abwassermenge je Rechen und Varianz im TagesgangDie genaue Kenntnis der Abwassermengenvarianz ist für die Ermittlung der Fließgeschwindigkeit bei

verschiedenen Betriebszuständen wichtig.

RechengutmengeDie Rechengutmenge beeinflusst neben der Auslegung der peripheren Aggregate auch Belegung und

Stauverlust.

GerinnegestaltungDie Gestaltung des Gerinnes, d.h. dessen Geometrie, Gefälle und Querschnitt, haben erheblichen

Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit bei unterschiedlichen Wassermengen.

Art des FeinrechensDie frühzeitig zu treffende Entscheidung für ein bestimmtes Funktionsprinzip des Feinrechens hat auch

wegen der Räumgeschwindigkeit des Aggregates eminenten Einfluss auf den Stauverlust.

Spalt- bzw. LochweiteDie Spalt- oder Lochweite des Feinrechens hat Einfluss auf die zu erwartende Rechengutmenge und

den Stauverlust des Rechens.

Fließgeschwindigkeit im RechengerinneDie Fließgeschwindigkeit im Gerinne hat, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, maßgeblichen

Einfluss auf die Störungshäufigkeit und auch auf die Rechengutelimination.

Stauverlust mit Berücksichtigung der Belegung und evtl. Rückstau im RechenablaufDer Stauverlust unter Einbeziehung der Belegung ist, da die Rechensteuerung in aller Regel über eine

einstellbare Wasserspiegeldifferenzmessung erfolgt, vor allem für die Festlegung der Höhenpunkte und

die Höhenlage von Umgehungsschwellen von Bedeutung.

Wirksame Rechenfläche mit Berücksichtigung der Belegung und evtl. Rückstau im RechenablaufDie wirksame Rechenfläche stellt die Rechenrostfläche dar, die effektiv für die Rechengutelimination zur

Verfügung steht. Es versteht sich von selbst, dass auch hier Belegung und eventuelle hydraulische

Besonderheiten mit einbezogen werden müssen.

Weiterhin sind die jeweiligen Randbedingungen des Einzugsgebietes zu beachten (z.B. Trenn- oder

Mischsystem, direkt vorgeschaltete Stauräume, Wald- oder Parkflächen etc.).

2 Überprüfung der Vorgaben zur RechenauslegungDie maßgebenden Vorgaben zur Auslegung vor Rechenanlagen finden sich in den einschlägigen DIN-

Normen, den DWA-Arbeitsblättern (z.B. A 122) und Fachgruppenberichten (2.11, 3.11.2) sowie den

Erkenntnissen aus Forschung und Lehre. Hierbei fallen zum Teil deutliche Widersprüche in den

Vorgaben auf, wie z.B. bei:

Mindestfließgeschwindigkeit

Ansatz für die Belegung

Stauverlustberechnung

2

Berechnung der wirksamen Rechenfläche

Nachfolgend werden daher einige Vorgaben zur Rechendimensionierung vertieft betrachtet.

2.1 RechengutanfallDie Untersuchungen von SEYFRIED et.al [2] aus dem Jahr 1985, auf die letztendlich alle Angaben zum

Rechengutanfall zurückgehen, wurden auf einigen Kläranlagen mit unterschiedlichen Rechen

wechselnder Lochweiten durchgeführt. Weiterhin wurden bei dieser Untersuchung Minimum und

Maximum des Rechengutanfalls pauschal mit -50% und +100% des ermittelten Wertes angenommen,

was in Ermangelung einer ausreichenden Datenbasis im ersten Schritt nachvollziehbar ist. In anderen

Quellen, z.B. GUJER [3] werden für 3 mm-Lochsiebe Werte von rund 7 Rechengut gepresst

genannt. Natürlich können diese Werte nicht für alle Kläranlagen gelten, weshalb eine Überprüfung

erforderlich wurde.

Abb. 2: Vergleich Literaturwerte [2] und Werte der Datenerhebung von Durchlassweite und

Rechengutanfall von bisher 174 Kläranlagen

Die in Abb. 2 rechts dargestellten Praxis-Rechengutmengen umfassen jeweils das in der

Datenauswertung von bisher 174 Kläranlagen ermittelte Minimum und Maximum sowie den Mittelwert.

Links sind zum Vergleich die Ergebnisse aus der Untersuchung von SEYFRIED et.al [2] dargestellt. Es

zeigt sich, dass der Rechengutanfall neben der Spaltweite sehr stark von der Spaltgeometrie abhängig

ist und in Minimum und Maximum über die Annahmen von SEYFRIED hinaus geht. Auf Basis der Daten

kann ferner abgeleitet werden, dass gem. Abb. 3 – abgesehen von einem Ausreißer - ab einer

Ausbaugröße von rund 15.000 EW Rechengutmengen von 6 gepresst nicht mehr überschritten

werden.

3

Abb. 3: Rechengutmenge in Abhängigkeit von der Ausbaugröße von bisher 174 Kläranlagen

Dies stellt jedoch nur den mittleren jährlichen Anfall des einwohnerspezifischen Rechengutes dar, die oft

sehr erheblichen Stoßbelastungen können hieraus nicht abgeleitet werden. Als Beispiel sei hier auf eine

Anlage mit einer Ausbaugröße von 10.000 EW verwiesen, bei der in 8 Stunden rund 7 m³ gepresstes

Rechengut anfielen. Dies entspricht 0,7 . Bei einem Jahresanfall an gepresstem Rechengut von

rund 4 fielen also in nur 8 Stunden 17,5% der Jahreseinwohnermenge an Rechengut an.

Weiterhin konnte durch die Auswertung der Daten der Jahre 2004 – 2010 im Mischsystem ein

Jahresgang des Rechengutanfalls nachgewiesen werden. So kann der Rechengutanfall im Spätwinter

und im Spätsommer z.B. durch einen Anstieg von Entlastungsraten an Entlastungsbauwerken bei

Tauwetter bzw. im einsetzenden Herbst im Mittel sinken. Im frühen Sommer ist der höchste

Rechengutanfall zu verzeichnen.

2.2 Fließgeschwindigkeit bei FeinrechenDie Vorgaben zur einzuhaltenden Mindestfließgeschwindigkeit variieren je nach Quelle erheblich, wie die

nachfolgende Gegenüberstellung zeigt:

DIN-Normen, z.B. DIN EN 12255-3 [4]: mind. 0,3 m/s im Zulaufgerinne, max. 1,2 m/s zwischen den Rechenstäben

DWA-Regelwerke und Arbeitsberichte, z.B. ATV- Handbuch, Bd. III [5] bzw. DWA-A 110 [6]:

mind. 0,5 – 0,8 m/s bei Trockenwetter, max. 1,2 m/s, Mischwasserabstrom max. 1,5 – 2,0 m/s

Forschung und Lehre, z.B. LÜTZNER [7] oder IMHOFF [8]:

bei Trockenwetterzufluss im Gerinne mind. 0,6 m/s, zwischen den Rechenstäben max. 1,0 m/s

Es ist deshalb zu klären, wie hoch die Mindestgeschwindigkeit nun tatsächlich sein muss, um die besten

Betriebsergebnisse zu erzielen. Die Auswertung der verfügbaren Daten deutet darauf hin, dass bei einer

Fließgeschwindigkeit im Bereich von 0,2 bis 0,8 m/s die besten Eliminationsergebnisse erzielt werden.

Eine gute Eliminationsleistung ist bis zu einer Fließgeschwindigkeit von rund 1,5 m/s zu beobachten.

4

Abb. 4: Rechengutelimination in Abhängigkeit von der Fließgeschwindigkeit von bisher 174 Kläranlagen

Ebenso kann man in Abb. 5 erkennen, dass im Geschwindigkeitsbereich von 0,45 bis 0,6 m/s die

Störungshäufigkeit deutlich geringer ist, während bei niedrigeren oder höheren Fließgeschwindigkeiten

die Störungshäufigkeit deutlich steigt. Einige Störungsspitzen einzelner Rechenanlagen wurden aus dem

Datenpool eliminiert.

Abb. 5: Störungszeiten als Funktion der Fließgeschwindigkeit von bisher 174 Kläranlagen

Wie sehr das Betriebsergebnis der Feinrechen bereits durch die Auswahl des Rechentyps bestimmt

wird, zeigt Abb. 6. Die Personalkosten haben einen erheblichen Anteil an den Gesamtbetriebskosten

einer Feinrechenanlage. Am Beispiel der Filterstufenrechen wird aber auch aufgezeigt, wie das

Einhalten einer Fließgeschwindigkeit im Zustrom von 0,4 – 0,6 m/s den Personalaufwand einer

Feinrechenanlage positiv beeinflusst.

Abb. 6: Eingesetzte Feinrechentypen und Personalbindung

Auffällig ist hier das signifikante Absinken der Störungszeiten der Filterstufenrechen bei Einhaltung eines

Geschwindigkeitsbereiches von 0,4 – 0,6 m/s. Eine mögliche Erklärung ergibt sich durch den Vergleich

5

mit der Häufigkeit von Sand- und Steinablagerungen im Rechengerinne. Nach Abb. 7 treten bei einer zu

geringen Fließgeschwindigkeit verstärkt Ablagerungen auf, die bei hydraulischen Maximalbelastungen

massiv in den Rechen eingetragen werden und hier zu Störungen führen, Bei zu hohen

Fließgeschwindigkeiten kann sich kein flächiger Filterteppich ausbilden, Steine gelangen so direkt in den

Rechen.

Abb. 7: Häufigkeit von Sand- und Steinablagerungen im Gerinne als Funktion der Fließgeschwindigkeit

In Würdigung all dieser Fakten bleibt festzuhalten, dass die Mindestfließgeschwindigkeit im Zulauf zum

Rechenrost einen Wert von 0,5 m/s nicht unterschreiten sollte. Die in den DIN-Normen, z.B. DIN EN

12255-3 [4], genannte Mindestfließgeschwindigkeit von 0,3 m/s ist weder durch die

Rechengutelimination noch durch die Störungsvermeidung begründbar.

2.3 Ansatz zur Berücksichtigung der Belegung von FeinrechenAuch für die Belegung des Rechens, also das Maß der Verringerung der hydraulischen Durchgängigkeit

des Rechenrostes durch die Ablagerung von Rechengut gilt, dass sich die Auslegungsvorgaben

unterscheiden bzw. die wirksame Belegung nur schwer zu ermitteln ist.

DIN-Normen [9]: 0,2 – 0,6 für Feinrechen bei Zykluszeit 15 s

DWA-Regelwerke und Arbeitsberichte, z.B. DWA-A 112 [10]: Festlegung nach ErfordernisForschung und Lehre: Festlegung nach Datenauswertung

Die Datenerhebung ergibt für die Rechenbelegung eine enorme Spannweite von 20 % bis 80 %, siehe

Abb. 8, die mittlere Belegung beträgt etwa 52 %. Belegungen von deutlich über 60 % deuten auf

möglicherweise zu gering dimensionierte Rechenanlagen hin.

Abb. 8: Ausbaugröße und Belegung des Rechenrostes

6

Wichtig beim Ansatz der Belegung ist auch die Räumgeschwindigkeit des eingesetzten Rechens (DIN

19569-2 [9]). Die Spanne von 0,2 – 0,6 bei 15 s Räumzyklus ist aber für Mischsysteme zu groß und

widerspricht einem effizienten Kläranlagenbetrieb. Erfolgt die Rechenräumung bei zu geringen

Belegungen, wird Antriebsenergie unnötig aufgewendet und die gewollte Ausbildung eines Filterteppichs

verhindert. Durch die steigende Anzahl von Rechen in Entlastungsbauwerken und den Klimawandel

verstärkte Stoßbelastungen nach längeren Trockenperioden [11] im Mischsystem ist auch eine

Steigerung des Rechengutanfalls auf der Kläranlage zu erwarten. Daher sollte zukünftig bei

Mischsystemen der Ansatz einer mittleren Belegung von 50 % mit hydraulischer Reserve gewählt

werden.

2.4 Stauverlust bei FeinrechenDer Stauverlust spiegelt den hydraulischen Verlust am Rechen wieder und wird neben der

Rechengeometrie u.a. auch von der Rechenbelegung beeinflusst.

DIN-Normen: keine Aussage zum StauverlustDWA-Regelwerke und Arbeitsberichte, z.B. ATV Handbuch, Bd. III [5]: Stauverlust nach Kirschmer [12]Forschung und Lehre, z.B. LÜTZNER [7] oder IMHOFF [8]: Stauverlust nach Kirschmer [12]

7

Stauverlust nach Kirschmer: (1)

β – Formbeiwert Rechenstab

b – Stabweite

s – größte Stabdicke

v – Fließgeschwindigkeit

α – Neigungswinkel des

Rechenrostes

8

Die Berechnung des Stauverlustes ist vor allem für den Nachweis der ausreichenden

Gerinnedimensionierung von Bedeutung. Dazu ist die obenstehende Formel nach Kirschmer

jedoch nicht geeignet, da sie weder die Belegung des Rechens noch die hydraulischen

Verhältnisse im Rechenabstrom berücksichtigt. In einem in Betrieb befindlichen

Rechengerinne (Abb. 9) stellt zum Einen der belegte Rechenrost ein Strömungshindernis

dar, zum Anderen kann z.B. ein Wehr nach dem Rechen (lokaler Rückstau) dessen

hydraulische Kapazität weiter verringern.

Abb. 9: Rechengerinne mit Belegung und Rückstau [Fa.Bilfinger, ergänzt durch Verfasser]

Zur Berücksichtigung der Belegung bei der Stauverlustberechnung wurde die Formel nach

Kirschmer mit verschiedenen Rechenansätzen wie z.B. oder

[Hersteller] ergänzt, die aber verglichen mit den erhobenen

Daten als allgemein gültiger Ansatz ungeeignet erscheinen, da auch die

Fließgeschwindigkeit zu berücksichtigen ist. In Abb. 10 werden Ergebnisse der

Stauverlustberechnungen für einen Stabrechen mit unterschiedlichen Ansätzen zur

Belegung von 50% (Fließgeschwindigkeit 1,5 m/s im freien Gerinne) mit den vergleichbaren

Daten aus der Erhebung für verschiedene Aufstellwinkel gegenübergestellt.

Abb. 10: Vergleich verschiedener Terme zur Berücksichtigung des Belegungseinflusses

Aus dem Vergleich mit den erhobenen Daten ergibt sich für die genannten

Randbedingungen eine gute Übereinstimmung mit:

(2)

fB – Belegungsfaktor

Wie bereits erwähnt ist aber auch der Term nicht allgemein gültig. Zur

Berücksichtigung eines lokal begrenzten Rückstaus nach der Feinrechenanlage gem. Abb. 9

wurde seitens verschiedener Hersteller ein pauschaler Aufschlag von 10 – 15 cm beim

Stauverlust berücksichtigt. Um dies nachzuvollziehen, könnte die Stauverlustberechnung

z.B. mit dem bisher nicht verifizierten Term ergänzt werden.

Die Stauverlustberechnung nach KIRSCHMER gilt jedoch nur für Stabrechen. Lochrechen

erfordern einen anderen Berechnungsgang, der aber auf den empirischen Erkenntnissen der

Rechenhersteller beruht. Bei der Datenauswertung wurde die Hydraulik der entsprechenden

Rechen näherungsweise mit guter Übereinstimmung über die Berechnung des Ausflusses

aus einer seitlichen Blende nach BOLLRICH/PREIßLER [13] nachvollzogen:

(3)

QA – Blendenausfluss

µA – Formbeiwert

r – Blendenradius

hS – Sohlgefälle

Es ist klar, dass jede Belegung des Rechenrostes sich zwangsläufig auf die hydraulische

Leistungsfähigkeit der Sieblöcher (Blenden) des Feinrechens auswirkt. Auf der Basis der

ausgewerteten Daten lässt sich der Einfluss der Belegung auf die hydraulische Durchlässigkeit der

Sieblöcher wie folgt berücksichtigen:

(4)

Aus der Berechnung der belegungsbedingt geringeren hydraulischen Leistungsfähigkeit einer Blende

kann die erforderliche Gesamtzahl der Blenden abgeschätzt werden. Über Geometrie und

Aufstellwinkel des geplanten durchströmten Siebgitters ist der Überschlag des Stauverlustes mit der in

einer Linie vorhandenen Sieblöcher und der Gerinnebreite möglich. Zusätzlich kann noch der Freibord

aufgeschlagen und ein lokaler Rückstau über die Höhe des durchströmten Siebgitters berücksichtigt

werden.

2.5 Wirksame RechenflächeBei der Berechnung der wirksamen Rechenfläche stellt sich zunächst die Frage, welche Fläche im

Rechengerinne hier maßgebend ist. So wird z.B. in DIN 19569-2 [9] die abstromseitige, senkrechte

durchflossene Gerinnefläche angesetzt.

DIN-Normen [9]: Berechnung der wirksamen Rechenfläche mit:

(3)

DWA-Regelwerke und Arbeitsberichte [5]: Wirksame Rechenfläche wie in DINForschung und Lehre [8]: Erweiterung der Gerinnefläche um die Stabfläche des

Rechens und unter Berücksichtigung der BelegungA – Rechenfläche entsprechend der abstromseitigen Wassertiefe

Betrachtet man den Prozess der Rechengutelimination genauer, so wird deutlich, dass die Ablagerung

des Rechengutes im Zustrom zum Rechenrost erfolgt. Daher ist festzuhalten:

1. Die Gerinnefläche A darf zulaufseitig erst ab der Höhe berechnet werden, ab der der

Rechenrost abgereinigt wird, d.h. ohne nicht geräumte Sohlbereiche.

2. Die wirksame Rechenfläche ist die frei durchströmbare Fläche, also muss auch ein

Abstromhindernis wie ein lokaler Rückstau rechnerisch berücksichtigt werden.

3. Zwar erfolgt die Anströmung des Rechenrostes senkrecht zum Gerinnequerschnitt, der

Rechenrost wird jedoch entsprechend seiner Neigung mit Rechengut belegt. Daher ist der

Aufstellwinkel hier rechnerisch zu berücksichtigen.

Die Überprüfung der Berechnung der wirksamen Rechenfläche wird somit Gegenstand weiterer

Untersuchungen sein müssen.

2.6 Einfluss von vorgelagerten Stauräumen auf die Funktion der Rechen

Im Mischsystem sind der Kläranlage direkt vorgelagerte Stauräume ein weiterer Einflussfaktor. Sie

vergleichmäßigen die bei Schmutzstößen zeitgleich am Feinrechen anfallende

Gesamtrechengutmenge, teilen aber die Anlagenbelastung in zwei Spülstöße:

1. beim Einsetzen des Regenereignisses (Spülstoß aus dem Kanalnetz)

2. gegen Ende der Stauraumentleerung (Mobilisierung abgesetzter Feststoffe).

Dementsprechend ergibt die Gegenüberstellung der Störungsminima, -mittelwerte und -maxima im

Mittel auch doppelt so hohe Störungszeiten bei Feinrechen mit vorgeschalteten Stauräumen:

Abb. 11: Vergleich der Störungen mit und ohne vorgelagerte Stauräume von bisher 174 Kläranlagen

2.7 Auswirkung des Grobrecheneinsatzes auf die FeinrechenGrundsätzlich muss jede Entlastung der Feinrechen einen positiven Einfluss auf deren

Betriebssicherheit haben. Dies wird durch den Vergleich von Kläranlagen mit und ohne Grobrechen

bestätigt.

Abb. 12: Feinrechen-Personalbindung als Funktion der Grobrechenspaltweite

Bei einer differenzierteren Betrachtung der Personalbindung nach der Grobrechenspaltweite in Abb. 12

zeigt sich jedoch, dass ein wirklich positiver Einfluss auf die Betriebssicherheit von Feinrechen erst bei

Grobrechenspaltweiten ≤40 mm verzeichnet werden kann.

2.8 Einfluss des Sohlsprungs auf die RechenfunktionDie Auswirkungen des Sohlsprunges werden bei der Planung von Feinrechenanlagen oft nur

unzureichend berücksichtigt. Dabei wirkt sich ein Sohlsprung bei richtiger Anordnung positiv auf die

Rechenfunktion aus, wie Abb. 13 zeigt:

Abb. 13: Personalbindung in Abhängigkeit von der Position des Sohlsprungs

Nach Abb. 13 hat jede Anordnung eines Sohlsprunges - ob vor, am Fußpunkt oder nach dem Rechen -

einen positiven Einfluss auf die Rechenfunktion. Die Anordnung hinter dem Feinrechen bietet die

größten Vorteile. In Abb. 14 ist die Personalbindung an den Feinrechen als Funktion der Position des

Sohlsprungs und der Geschwindigkeitsbereiche dargestellt.

Abb. 14: Personalbindung in Abhängigkeit von Sohlsprungposition und Fließgeschwindigkeit

Auch hier ergibt sich ein Vorteil der Position des Sohlsprungs nach dem Feinrechen und der positive

Einfluss des Fließgeschwindigkeitsbereiches von 0,4 - 0,6 m/s.

3 ZusammenfassungNach den Ergebnissen der Datenerhebung von bisher 174 Kläranlagen können folgende Rückschlüsse

gezogen werden:

1. Die Vorgaben zur Feinrechenauslegung bedürfen einer Überarbeitung und Vereinheitlichung.

2. Insbesondere die in den DIN-Normen genannte Mindestgeschwindigkeit (mind. 0,3 m/s im

Zulaufgerinne) ist unzureichend und beinhaltet Potential für erhebliche betriebliche Probleme.

3. Die Belegungsgrade von Feinrechen im Mischsystem sind enger zu fassen. Zudem muss die

Belegung und die wirksame Rechenfläche berücksichtigt werden.

4. Auch ein lokal begrenzter Rückstau hat einen Einfluss auf Stauverlust und wirksame

Rechenfläche und muss ebenfalls in die Rechenauslegung einfließen.

5. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen bestätigen die bisher gültigen Vorgaben zum

mittleren Rechengutanfall.

6. Der Vergleich der Störungs- und Wartungszeiten offenbart erhebliche Unterschiede zwischen

den untersuchten Rechentypen. Dies ist jedoch nicht nur in Defiziten bestimmter Rechentypen

begründet, vielmehr muss hier die Gesamtsituation aus Planung der Rechenanlage, den

Randbedingungen des Einzugsgebiets, Grobrechen, Gerinnegestaltung und eingesetztem

Aggregat betrachtet werden.

4 AusblickNeben den hier dargelegten Abhängigkeiten gibt es viele weitere Randbedingungen, die für die

Auslegung von Feinrechenanlagen maßgebend sind. Diese Ergebnisse werden Gegenstand weiterer

Untersuchungen sein. Ebenso vielfältig sind auch die Möglichkeiten, auf die Betriebsergebnisse von

Feinrechenanlagen Einfluss zu nehmen. Ziel muss es daher sein, auf der Basis der vorliegenden Daten

eine allgemeinverbindliche Vorgabe zur Feinrechenauslegung abzuleiten.

Literatur[1] Karl Schwister: Taschenbuch der Verfahrenstechnik, 4. Aufl., Fachbuchverlag Leipzig, 2010

[2] C.F. Seyfried, M. Lohse, H. Schüßler, G. Bebendorf:

Vergleich der Reinigungsleistungen von Rechen, Sieben und Siebrechen sowie deren Einfluss

auf die weiteren Reinigungsstufen, Veröffentlichungen d. Inst. für Siedlungswasserwirtschaft und

Abfalltechnik an der Universität Hannover, Heft 58

[3] Willi Gujer: Siedlungswasserwirtschaft, 3. bearbeitete Auflage, Springer Verlag, 2007

[4] DIN EN 12255-3 vom September 2000 + AC 2000 vom Dezember 2000, Beuth Verlag GmbH,

Berlin – Wien – Zürich, Herausgeber: DIN Deutsches Institut für Normung e.V.

[5] ATV-Handbuch, Bd. III, 3. überarb. Auflage, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn Berlin, 1983

[6] DWA-A 110, Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und

–kanälen, August 2006

[7] Klaus Lützner: Lehrbriefe für das Hochschulstudium, 2. Lehrbrief Einführung in die

Abwasserbehandlung, Mechanische Abwasserreinigung, Min. f. Bildung d. DDR

[8] Imhoff, Imhoff, Jardin, Taschenbuch der Stadtentwässerung, 31. Auflage, Oldenbourg

Industrieverlag München, 2009

[9] DIN 19569-2 vom Dezember 2002, Beuth Verlag GmbH, Berlin – Wien – Zürich, Herausgeber:

Normenausschuss Wasserwesen (NAW) im DIN Deutsches Institut für Normung e.V.

[10] DWA-A 112, Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Sonderbauwerken und –

kanälen, August 2007

[11] Prof. Dr.-Ing. Theo G. Schmitt: „Risikomanagement statt Sicherheitsversprechen.

Paradigmenwechsel auch im kommunalen Überflutungsschutz.“, Korrespondenz Abwasser, 58.

Jahrgang, Ausgabe1/2011

[12] Dr.-Ing. Otto Kirschmer: „Untersuchungen über den Gefällsverlust an Rechen“, Mitteilungen des

Hydr. Inst. der Techn. Hochschule München, Heft 1, S. 21 – 41, 1926

[13] Gerhard Bollrich, Günter Preißler: Technische Hydromechanik, Teil1, 3. Auflage, Verlag für

Bauwesen GmbH, 1992

AutorenProf. Dr.-Ing. Joachim Hansen

Siedlungswasserwirtschaft und Wasserbau

Universität Luxemburg - Campus Kirchberg

6, rue R. Coudenhove-Kalergi

L – 1359 Luxemburg-Kirchberg

Prof. Dr.-Ing. Manfred Greger

Process Engineering

Universität Luxemburg - Campus Kirchberg

6, rue R. Coudenhove-Kalergi

L – 1359 Luxemburg-Kirchberg

Prof. Dr.-Ing. Klaus Kimmerle

Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes

Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Institut für Physikalische Prozesstechnik

Goebenstraße 40

D-66117 Saarbrücken

Dipl.-Ing. Thomas Uckschies

Entsorgungsverband Saar

Postfach 10 01 22

D-66001 Saarbrücken