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(Aus der Medizinischen Klinik Erlangen [Direktor: Prof. L. R. _M~ller].) Die Ver~nderungen an der Calcarina bei der t~klampsie und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zentralen SehstSrungen ~. Von G. Bodeehtel. 3~it 4 Textabbildungen. Die Augensymptome der Eklampsie werden bekannt]ich naeh zwei Richtungen unterschieden, n/imlieh in jene yon seiten des eigentlichen peripheren Sehorgans, also der Retina und des Sehnerven und in solche von seiten der Sehzentren, in Sonderheit der Sehriade. ~V£hrend die Patho]ogie und Pathogenese der ersteren durch die Untersuehungen yon Leber, Schieck u. a. heute als siehergeste]lt gelten k6nnen, sind unsere A:asehauungen fiber die Entstehung und Pathologie der zentralen Seh- st6rungen weniger gefestigt. Dies ist wohl in erster Linie darauf zurfiek- zuftihren, dab bis vor kurzem noeh einwandfreie histologisehe Befunde nieht nut vonder Sehrinde, sondern aueh yon dem fibrigen Gehirn Eklamptiseher fehlten. Die makroskopisehen Befunde, wie etwa die Feststellung eines HirnSdems, einer Blutung oder einer Konsistenz- vergnderung im Sinne einer Erweichung, konnten diese Frage ja allein nieht beantworten. Was in dieser Hinsieht zudem besonders ersehwerend wirkt, ist die Tatsaehe, dal~ die zentrale Amaurose der Eklamptisehen bei den meisten F~llen nur eine vorfibergehende Erseheinung darstellt; ja meist nut als pr/~monitorisehes Symptom vor den eigentliehen Krampf- anf/~llen auftritt, was sehlieBlich zu den heute altgemein geltenden An- schauungen fiihrte, dag es sieh dabei nur um funktionelle St6rungen handele, die keine greifbaren Vergnderungen am Nervengewebe setzen und yon einer solchen auch nieht hervorgerufen werden. Bei den wenigen F/~llen yon Amaurosen und ttemianopsien aber, die ad exitum kamen und untersueht wurden, entt/iuschte entweder der makroskopisehe Befund oder war zum mindesten unbefriedigend. Wiflmann 2 fii_hrt in seiner ausgezeichneten monographisehen Darste]lung nur einen einzigen yon Celen mitgeteilten FM1 an, bei welchem eine groBe Blutung und Er- weichung in beiden Hinterhauptslappen festgestellt werden konnte. •ber histologisehe Befunde erfahren wit i:n dieser zusammenfassenden Arbeit nut wenig Verwertbares, vor allem aber nichts yon greifbaren Ver/tnderungen in der Sehrinde. 1 Vortrag gehalten am 9. Dezember 1933 anl~glich der 8. Tagung der augen- ~rztlichen Vereinigung zu Erlangen. 2 Wiflmann: ,,Die Eklampsie" Bonn: Hinselmnnn 1924.

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Page 1: Die Veränderungen an der Calcarina bei der Eklampsie und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zentralen Sehstörungen

(Aus der Medizinischen Klinik Erlangen [Direktor: Prof. L. R. _M~ller].)

Die Ver~nderungen an der Calcarina bei der t~klampsie und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zentralen SehstSrungen ~.

Von G. Bodeehtel.

3~it 4 Textabbildungen.

Die Augensymptome der Eklampsie werden bekannt]ich naeh zwei Richtungen unterschieden, n/imlieh in jene yon seiten des eigentlichen peripheren Sehorgans, also der Retina und des Sehnerven und in solche von seiten der Sehzentren, in Sonderheit der Sehriade. ~V£hrend die Patho]ogie und Pathogenese der ersteren durch die Untersuehungen yon Leber, Schieck u. a. heute als siehergeste]lt gelten k6nnen, sind unsere A:asehauungen fiber die Entstehung und Pathologie der zentralen Seh- st6rungen weniger gefestigt. Dies ist wohl in erster Linie darauf zurfiek- zuftihren, dab bis vor kurzem noeh einwandfreie histologisehe Befunde nieht nut v o n d e r Sehrinde, sondern aueh yon dem fibrigen Gehirn Eklamptiseher fehlten. Die makroskopisehen Befunde, wie etwa die Feststellung eines HirnSdems, einer Blutung oder einer Konsistenz- vergnderung im Sinne einer Erweichung, konnten diese Frage ja allein nieht beantworten. Was in dieser Hinsieht zudem besonders ersehwerend wirkt, ist die Tatsaehe, dal~ die zentrale Amaurose der Eklamptisehen bei den meisten F~llen nur eine vorfibergehende Erseheinung darstellt; ja meist nu t als pr/~monitorisehes Symptom vor den eigentliehen Krampf- anf/~llen auftritt , was sehlieBlich zu den heute altgemein geltenden An- schauungen fiihrte, dag es sieh dabei nur um funktionelle St6rungen handele, die keine greifbaren Vergnderungen am Nervengewebe setzen und yon einer solchen auch nieht hervorgerufen werden. Bei den wenigen F/~llen yon Amaurosen und t temianopsien aber, die ad exitum kamen und untersueht wurden, entt/iuschte entweder der makroskopisehe Befund oder war zum mindesten unbefriedigend. Wiflmann 2 fii_hrt in seiner ausgezeichneten monographisehen Darste]lung nur einen einzigen yon Celen mitgeteilten FM1 an, bei welchem eine groBe Blutung und Er- weichung in beiden Hinterhauptslappen festgestellt werden konnte. •ber histologisehe Befunde erfahren wit i:n dieser zusammenfassenden Arbeit nu t wenig Verwertbares, vor allem aber nichts yon greifbaren Ver/tnderungen in der Sehrinde.

1 Vortrag gehalten am 9. Dezember 1933 anl~glich der 8. Tagung der augen- ~rztlichen Vereinigung z u Erlangen.

2 Wiflmann: ,,Die Eklampsie" Bonn: Hinselmnnn 1924.

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Die Ver/inderungen an der Calcarina bei der Eklampsie usw. 35

Erst S i o l i 1 hat einwandfreie, histotpathologische Befunde am Gehirn Eklamptischer erheben k6nnen, wohl nur deshalb, weft er als erster die fiir die Beurteflung histologischer Ver/~nderungen am tgindengrau unerlagliche Methode N i s s l s auf das Eklampsiegehirn anwandte und so imstande war, die in der Tat vorhandenen schweren Nervenzellvergnde- rungen zu erkennen und entsprechend auszuwerten. Allerdings hat S i o l i nicht bis zur letzten Konsequenz seine Beobachtungen insbesondere nicht hinsichtlich ihrer Pathogenese gedeutet; er betonte zwar die Bedeutung des Gef~Bfaktors, setzte ihn aber nicht in Beziehung zu dem iibrigen klinischen Bild der Eklampsie. Dies haben nach ihm erst v. B r a u n m i i h l 2 und B e n o i t 3 nachgeholt. Diese haben die im Gesamt- bild der Eklampsie bedeutungsvollen Erscheinungen am Kreislauf- appara t beriicksichtigt und die bei den Gehirnver~nderungen spielenden vascul~ren Faktoren als die pathogenetisch wirksamsten erkannt und damit die schon friiher immer wieder ausgesprochene Vermutung be- statigt, (lag beim Zustandekommen dieser schweren Ver~nderungen funktionelle Kreislaufst6rungen also Angiospasmen oder Stasen eine ausschlaggebende Rolle spielen. Damit war abet ein sehr wichtiges Glied in der Beweiskette des pathogenetischen Mechanismus der cere- bralen Erscheinungen gefunden. A]lerdings stiitzte sich diese Art der Analyse lediglich auf ein histopathologisches Zustandsbild, und zwar gerade an Fallen, die so schwer waxen, dab die Pat ienten an ihrer Eklamp- sie zugrunde gingen. Mit welcher Berechtigung konnte man aber gerade auf funktionelle St6rungen schlieBen ? Dies lieg sich natiirlich nut per exclusionem entscheiden ! Man sail schwere Nekrosen und Erweichungen, wie sie eben bei anderen sicheren Zirkulationsst6rungen, z .B . bei der Luftembolie beobachtet wurden. Weft der Gef~tBapparat sich dabei als frei yon organischen Verandernngen, also frei yon Thrombosen und Wandver~nderungen herausstellte, nahm man die dnrch das fibrige klinische Bild naheliegenden Angiospasmen oder Stasen Ms Urheber an. ]~ekanntlich hat ja H i n s e l m a n n ~ unter dem Capillarmikroskop den. Krampfzustand der Hautcapillaren beobachten k6nnen und deshalb die angiospastische Theorie beim Zustandekommen der Kri~mpfe und auch der Sehst6rungen vertreten. Auch die prgeklamptische Blut- drucksteigerung lfi.gt sich wohl nur dureh die Annahme solcher Gef~B- kr/impfe erkt~ren. In den meisten F~llen 16sen sich diese Gefai]kr~mpfe aueh ira Bereich des Gehirns wieder, ohne dal] es zu Dauersch~den kommt . Nur bei jenen Fallen, die zum Exitus fiihren, bestehen die Zirkulations- stSrungen z u fangs, das Gewebe erholt sich nicht mehr und im histo- logischen Bild k6nnen wit dann entsprechende Veranderungen sehen, ohne dab nns allerdings mMcros/copisch auger der Hirnschwellung am Gehirn etwas Besonderes auffatlen wird.

i Sioli: ,,Die Eklampsie." Bonn: Hinselman~ 1924. - - ~ ~.Brau~mi~hl: Z. N eur. 117, 698_ (!928). - - a Benoit: Z. Neut. 131, 602 (1931). ~ ~ Hinselmann: Die Eklampsie. Bonn 1928.

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36 G. Bodechtel: Die Ver~nderungen an der Calcarina bei der Eklampsie

Eigene, an anderer Stelle mitgeteilte Untersuehungen 1 fiber die Pathogenese der bei der Ur/~mie zu sehenden Hirnver/£nderungen ffihrten mieh aueh zur Eklampsie. Dabei zeigte es sieh, dal~ zwisehen der yon Volhard insbesondere bei akuten Nephritiden vorkommenden sog. Krampfurgmie und der eigentliehen Eklampsie der Sehwangeren aueh hinsiehtlieh der Hirnvergnderungen kein prinzipieller Untersehied besteht. Bei der eigentliehen Eklampsie sind nut die Rindenseh£digungen viel

Abb . 1. N i t t l e r e VergrSl~erung eines A n s s c h n i t t e s aus IYb der Ca lca r ina , die eine Zell- ver~ inderung ( , , homogen i s i e rende Z e l t e r k r a n k u n g " ) e ine r sog. Ca ja / s chen Sehzelle da~stel l t .

A u c h die i ib r igen k le ine ren Zel le lemente s ind ver~tndert (Nissl-Bild).

sehwerer und ausgedehnter, sie sind aber quMitat.iv und auch patho- genetiseh jenen der Krampfur/£mie Ms vS]lig gleieh zu betraehten. An manehen Eklampsiegehirnen ist mir unter anderen die oft sehwere Ver~nderung an der CMearina aufgefatlen, yon weleher ieh Ihnen nun einige Bilder demonstrieren werde. Leider verffige ieh in nut einem Falle fiber klinisehe Daten, abet die Sehwere der Ver/~nderung 1/~gt es Ms selbstverst/£ndlieh erseheinen, dab der Sehakt bei den betreffenden Individuen sehwer gest6rt gewesen sein muB. Siehere Amaurosen oder Hemianopsien werden sehlieglieh in dem oder jenem Falle gelegentlieh fibersehen, besonders wenn die Kranken benommen oder somnolent sind und yon ihrer Sehst6rung selbst niehts inne werden.

Die Abb. I - - 3 s tammen aus der CMearina einer schweren Eklampsie, bei der sieh kurz vor dem Auftreten der Anf~lle SehstSrungen bemerkbar

1 Bodechtel, G.: Dtseh. Arch. klin. Med. 171, 541 (1933).

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und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zentralen Sehst6rungen. 37

machten, die schliei~lich zu vSlliger Amaurose fiihrten. A m Augenhinter- grund wurde angeblich nichts festgestellt. Die Patientin lebte ungef£hr noch 10--12 Stunden nach Auftreten des ersten Anfa.lles. Bei Lupen- vergr5fterung ist an der Calcarins gar nichts welter erkennbar, nur bei st£rkerer Vergr5Berung sehen wir Mlenthalben schwer vergnderte Nerven- zellen. Besonders deutlieh macht sich diese Schgdigung an den groBen Zellen der 4. Schicht (Abb. 1 u. 2), und zwar an den sog. Riesensternzellen

. . . . . i, ¸̧

a b Abb. 2a und b. Links (a) schwer ver '~nderte Zelle der 4. Schicht bei s t a rke r Verg'rSlterung: dunkler Kern , AuflSsung der N i s s l . S c h o l l e n , P r o t o p | a s m a fast homogen; z u m Vergleich

(b) normale Ze]le m i t bl~isehenf6rm~gem hellen K e r n und den charakter i s t i schen N i s s l s c h o l l e n .

Meynerts, die Cajal als spezifische Sehzellen angesprochen hat, bemerkbar. Auch die noch grSi~eren Exemplare ~ sog. Riesenzellen Meynerls der 5. Sehieht sind schwer ver~ndert (Abb. 3), w~hrend die kleinen plasma- a.rmen Zellen der 4. Sehicht aui3er einem verdunkelten, gelegentlich etwas entrundeten Kern nur wenig Pathologisches erkennen lassen. Bei den Zellver~nderungen handelt es sich um die sog. ,isch~mische" bzw. ,,homogenisierende" Zelierkrankung, wie sie uns yon anderen ZirkutationsstSrungen her dureh Spielmeyer und seine Sehute hinl£nglieh beka, nnt ist. Der Kern ist dabei dunket, oft entrunde~, das Kernk6rper- chen vergr6Bert oder aufgelSst; im Zelleib fehlen die Nissl-Schollen, das

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88 G. Bodechtel: Die Ver/inderungen an der Calearina bei der ]~klampsie

Protoplasma ist vSllig homogen, die Zellgrenzen oft verwiseht und un- deutlieh. Daneben beobaehtet man aber aueh das Auftreten yon sog. perieellul~ren Inkurstationen.

Zweifellos handelt es sieh bei diesen Ver~nderungen um ein sehr frisehes Prozel3stadium 1 ! So erweisen sieh die Glia und aueh das Meso- derm als relativ unver~nder~, die ja sonst bei geniigend langer Einwirkung

der Seh~digung, also bei l£ngerer LebenszN~ des Patienten, sieh sttirmisch bei solchen Kreislauf- stSrungen am Abbau und an der Organisation soleher isehamiseher Bezirke beteiligen; sie zeigen keiner]ei Pro]iferation. Die Zell- ver£nderungen steIlen gewisser- maBen das erste histologiseh fag- bare Stadium des Eklampsiepro- zesses dar. W/irde die Patientin in noeh kfirzerer Zei~ nach dem ersten Anfall gestorben sein, so warden wit gar niehts nachweisen kSnnen, well eben noeh nicht genfigend Zeit blieb, w/~hrend weleher sieh dier Sehaden auch in morphologiseher Hinsicht auf die Zellen auswirken konnte. Den sehlieBlieh braueht eben jeder pathologisehe ProzeB, aueh eine Zellveranderung, Zeit zu ihrer

Abb. 3. t Iomog 'en is ie rende Z e l l e r k r a n k u n g a n Entwieklung. e iner g r o ~ e n Zelle der 5. Sch ieh t ; Zelle Jst in

A.uflSsung begr i f fen , K e r n p y k n o t i s c h . Leb$ eine Kranke aber lgnger (Olimmersion, ~rissbBild). als 12 Stunden naeh dem Einsetzen

der Eklampsie, bessert sich der Zustand nieht und kommt sie doch noeh zum Exitum, dann beobaehten wir nieht nur sehwere Zellver/~nderungen, sondern aueh starke Zellausfglle, und zwar nieht, nur der Nervenzellen, sondern auch der umgebenden Gliaelemente. ])as Rindengrau isg dann an s01ehen Stellen erblagt und wir bezeiehnen solehe iseh£misehe nekrotisehe Ver/~nderungen Ms ,,Erbleiehungen". Diese gehen sehlieBIieh in eine Erweiehung tiber, indem die noeh vorhandenen Gef/~Be im Zen- t rum der Herde oder vom 1%ande her mit Untersti i tzung der Glia den Abbau und die Organisation des nekrotischen Bezirkes iibernehmen. Unter AblSsung yon Fettk6rnehenzetlen ans der Gef/~Bwand und unter Ei~sprossung friseh gebildeter Capillaren geht dies vor sieh, bis wir das

i Aueh das iibrige Rindengrau erwies sich als schwer ver/indert, stetlenweise w~ren schon typische :El-bleichungen zu sehen.

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und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zcntralen Sehst6rungen. 39

bekannte Bild der vollst/~ndigen Erweichung vor uns haben (Abb. 4). Den durchaus gleichen Proze6 konnte ich 1 iibrigens bei F/~llen yon sog. Krampfur~mie (akute Pseudour~mie Volhard) beobachten.

Sowohl die Bilder der Eklampsie wie der Krampfur~tmie= lassen an der Pathogenese di, eser Ver~nderungen keinen Zweifel. Wir sind auf Grund der histologischen Ana- lyse der Zellver~nde- rungen und der sp~teren Proze6stadien ohne weiteres berechtigt, als mal~gebenden Fak tor Zirkulationsst 6r ungen anzunehmen, und zwar solche funkt, ioneller Na- fur, also Angiospasmen oder Stasen ! Erweisen sich doch dio umgeben- den gr61~eren Gef/~e frei yon Wandver/~nde- rungen oder Throm- bosen.

Kommen solche znr Beobachtung, so sind sie meist jfingeren Datums, d . h . frischer als die Gehirnveranderungen ! Solche Herde lassen z. B. eine bindegewebige Organisation vermissen, wghrend eine solche innerhalb der Erwei-

chungsherde schon aus- Abb. 4. E rwe ichnng des ganzen l : t indenbandes in e inem gepr~gt ist. Sie sind WindungstsI. (Nissl-~Dbersicht).

dann nicht Ursache, sondern ebenfalls Folge der ZirkulationsstSrung; dasselbe gilt fiir die h£ufiger zu sehenden Stasen innerhalb der Gef~l~e, yon welchen ich nicht behaupten k6nnte, ob sie Ms prim£r oder sekund/~r aufzufassen sind. Auch die an den Gef/il~en in fortgeschritteneren Stadien zu sehenden Endothelproliferationen usw. sind ebenfMls nieht Ursache, sondern Folge der Zirkulationsst.6rung, was Volha, rd 2 und Schieck s auch fiir die Gcf~fte der Retinitis albuminurica hervorheben.

1 Vgl. Arch. ldin. Med. 174. - - ~ Volhard: Zbl. 0phthalm. ~, (1921) .- s Schieck: Klin. Mbl. Augenheilk. 48 (1910) und Zbl. Ophthalm. 5 (1921) und Klin. Mbl. Augenheilk. 67 (1921).

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40 G. Bodech~el: Die Ver~nderungen an der Calearina bei der Eklampsie

Die yon mir gegebenen Bflder von der Calcarina stimmen voltkommen /iberein mit den ~Ton S id i und von v. Bra.unmiihl und Benoit yon der fibrigen Hirnrinde gezeigten; sie erg/~nzen die Befunde dieser Autoren nur hinsiehttieh der Sehrinde.

Die den OphthMmologen wohl besonders interessierende Frage, inwieweit die Schgdigung dureh die ganze CMearina zu verfolgen ist, ob also ihr vollst£ndiges AreM oder nur einzelne Stellen, so z .B. der hintere Pol, in welehem naeh manehen Autoren die der Miacul~ fiber- geordneten Zellgruppen liegen, besonders stark ver/~ndert sind, kann ieh nieht beantworten, da mir liickenlose Sehnittserien fehlen. Diese Frage miigte an weiteren F/~llen nachuntersueht werden, w/ire abet hinsichtlieh der Maeulafrage einer eingehenden Untersuehung wert. Leider standen mir nur in einem Fall B16eke yon den prim/~ren Sehzentren (Thalamus optieus, Vierhiigelgegend usw.) zur Verftigung. Sie waren unverfiandert! Dort erwarten wit ja aueh naeh dem klinisehen Bild keine Ver~nderung; findeg sich doeh aueh bei der eklamptisehen Ama.urose oder Hemianopsie meist ein Erha, ltensein der Pupillenreaktion.

Ieh m6chte noch besonders betonen, d~l] ich mtr in einem geringen Prozentsatz (in 2 yon 9 F£11e) in dem mir zur Verfiigung stehenden EklampsiemateriM Ver/~nderungen am Hinterhauptslappen, besonders in der Calearina feststellen konnte. Bei anderen F~llen, bei welehen die iibrige GroBhirnrinde schwer geseh£digt war, zeigt sich die Sehrinde intakt. Fiir mieh bedeutet dies keine Uberraschung; hat die Calcarina doeh anderen l~indenbezirken gegeniiber eine besonders gute Gef~13versorgung v o r a u s .

W~hrend man bei vielen KreislaufstSrungen weitwrbreitete herdfSrmige Schadigungen in der sie umgebenden Areae, besonders in ~ter Area peri -- und p~rastriat~, also in den gegeniiber- und anliegenden Windungen sehen kann, erweist sich die eigentliche Sehrinde haufig inta.kt. Diese Tatsaehe isg mir bei Studien fiber eerebrale l~reisl~ufst6rungen immer wieder aufgefallen. Sie laBt es uns anch verstgndlich erseheinen, da.B man bei friiheren Untersuehungen in dem oder jenem histologisch un~ersuehten Fall yon Eklampsie keine Vergnderungen in der Sehrinde vorfinden konnte.

Ein Wort noch zum HirnSdem! Wir k6nnen die gezeigten Verande- rungen, die durehaus vasalen Charakter tragen, nieht auf das h~ufig zu sehende I-Iirn6dem beziehen. Finden wir doeh bekann~lich beim HirnSdem verschiedenster Genese, abgesehen yon den eharakteristischen Vergnderungen an der Markglia (Clasmadodendrose) am Rindengrau, inbesondere an den Nervenzellen meistens niehts Greifbares, jedenfalls nie derartig einwandfrei vaseul/tr entstandene Zellschgden. Aueh kliniseh kann man sieh die Amaurose oder I-Iemianopsie der Eklampsie nieht durch das HirnSdem direkt entstanden denken. Miigten wir doch dann ebenf~lls bei den mit schwerstem I-Iirn6dem einhergehenden Hirntumoren viel h/~tffiger eortieaI bedingte Amaurosen vorfinden. Wi[3mann, der auf diesen Gegensatz besonders hinweist, hebt auch die h~ufig beob-

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und ihre Beziehungen zu den eklamptischen zentralen SehstSrungen. 41

achtete Maeutaaussparung im Gesichtsfeld als Gegenargument an ! Gerade am Pol des Hinterhauptlappens kSnnte sich, rein theoretisch be- t.rachtet, der Druck des geschwollenen Gehirns am stgrksten auswirken und die Funktion des dort liegenden zentralen Areals der Macula mtil3te besonders beeintrgchtigt sein. Aber das Gegenteit ist der Fall, denn Ulrich und Schi5tz haben die Aussparung der 3/Iacu]a sowohl bei der tIemianopsie als auch bei der Amaurose der Eklamptisehen hS.ufig beobachtet und besonders hervorgehoben.

Auch die yon Becher 1 erwogene MSglichkeit, ob nieht die intra- cerebraIe ..... intramurale Liquorzirkulation, also jene innerhalb der perivascul~ren R~ume, infolge der Itirnschwellung leide und zu Ern/~h= rungsstSrungen des Gehirns AnlaB gebe, wird dutch die oben angefiihrt.en Gehirnbefunde widerlegt. Miigten wit doeh dieselben Ver/~nderungen auch bei Hirnschwellungen anderer Genese (Hirntumor, posttran- matischer Hirnschaden usw.) vorfinden.

Das HirnSdem allein rul t jedenfalls diese Sct//~digung nieht hervor und wir miissen deshalb vasale Faktoren bei ihrer Entstehung voraus- setzen. In Analogie zu den Verg~nderungen am peripheren Sehorgan, insbesondere an der Netzhaut ist j edenfalIs die Annahme einer ,,arteriellen Ischgmie", wie sie Schieck und Volhard fiir die I{etinitis proklamieren, am ngehstliegendsten. Ob es sieh atlerdings dabei am ,,passive Iseh£mie" im Gefolge des ttirn6dems handelt, wie Volhard annimmt, oder um ,,angiospastisehe" Zust/~nde, die angesiehts der Untersuehungen Hinsel- manns an den ttautcapillaren und angesichts der prgeklamptisehen Blutdrucksteigerung vor allem in Betracht kommen, dariiber kann uns allerdings das Zustandsbild der histoIogisehen Pr~parate nieht die letzte Auskunft geben. Jedenfalls aber scheinen mir diese vasal entstandenen Himvc~,nderungen auch ein bezeiehnendes Lieht auf die Pathogenese der Retinitis zu werfen, deren Gef~Bbedingtheit Volhard und Schieclc sehon immer betonten, handelt es sieh bei der Netzhaut doeh um nieht~s anderes als um einen vorgelagerten Hirnabsehnitt, fiir welehen dieselben, oder wenigstens ganz/ihnliehe Voranssetzungen gelt, en wie ffir das iibrige Gehirn.

Becher, E.: Pg~hogenese, Symptoma~ologie und Therapie der Ur~mie in Ergebnisse der gesamten Medizin (Brugsch). Bd. 18, S. 51. Wien u. Berlin: Urba~a Schwarzenberg 1933.