die stadt - lichtenberger

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A E s+s lt, nulL. Elisabeth Lichtenberger Die Stadt Von der PoLis zur Metropotis 2.Auflage

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Die Stadt

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Page 1: Die Stadt - Lichtenberger

A E s+s lt, nulL.

Elisabeth Lichtenberger

Die StadtVon der PoLis zur Metropotis

2.Auflage

Page 2: Die Stadt - Lichtenberger

Die Deutsche Nationalbibtiothek verzeichnet diese Pubtikation in derDeutschen Nationalbibliografi e; detaitlierte bib[iografi sche Daten sindim Internet liber http://dnb.d-nb,de abrufbar.

0as Werk ist in alten seinen Tei[en urheberrechtlich geschtitzt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Vertags unzu[dssig.Das gi [t insbeson dere fiir VeMetfti ltigu ngen, Ubersetzungen,Mikroverfi[mungen und die Einspeicherung in und Verarbeitungdurch e[ehronische Systeme.

2., unveriinderte Auflage 2011O 2002 by WBG (Wissenschaftliche Buchgeseltschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitgtiederder WBG ermrig[icht.Layout und Prepress: schreiberVIS, SeeheimEinbandabbildung: Tower of London and >The City< @ Pete Tripp -iStockphoto.comEinbandgestattung: Peter Lohse, HeppenheimGedruckt auf slurefreiem und alterungsbestindigem PapierPrinted in Germany

Besuchen Sie unsim Interneti www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24690-8

Die Buch handelsausgabe erscheint beim Primus VerlagEinbandabbildung: Miami, Ftorida (USA);@ pictu re-atlia n ce/Bi [dagentu r-o n [in e

Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M.ISBN 978-3-89678-766-8

www.primusvertag.de

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhitttich:eBook (PDF): 978-3-534-7 2486-4 (fi.ir Mitgtieder der WBG)eBook (epub): 9 7 8- 534-7 2487 -7 (fi.ir Mitgtieder der WBG)eBook (PDF): 978-3-86312-748-0 (Buchhandet)eBook (epub): 978-3-86372-7 49-7 (BuchhandeL)

Page 3: Die Stadt - Lichtenberger

InhattUoruort .......tr.gesteUungen

Yon der griechischen Polisanr ileuen Stadt

EnlEitungArtikestadtkutturen...................

Die griechische Potis

Die Stadtim Riimischen Reich .........Rom, die Mittionenstadt

EinleitungDiestadtmitte .............. ..........

DiedenkmatgeschUtzteAttstadt .......DieCityinWesteuropa ................Transformation der City

im Postsoziatismus

Die Downtown in Nordamerika ...... . . .

Stadtrender.......Brachfliichen in den USA ..... . . . ......Ubergangssiedlungenin Europa .......GriingiirteI und

ErholungsgebieteStadtvierte l

Ein Exkurs iiber Begriffe ... .

Das normative Konzept

der NachbarschaftPostmoderne lilegastrukturen

als Kennzeichen der Metropolen . . . . . .

Projekte der staatlichen und

8489

7021,02

702

103105

105

106

707

stedtischen Planung ........... ..... 707

Stadtmarketing undPubtic-private-Partnership .......... 109

Erlebnisstadte ..................,.... 111

Determinanten und Leitbilder . .. . . . 1.1.3

Einleitung .......... 774offentlicher, halboffentlirher

undprivaterRaum ................... 115

Zur Begrifkbitdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Das Primat der 0ffenttichkeit inden Stadtkutturen derAntike ....... L15

Der Beginn der Privatheitin der

europaischen Burgerstadt .......... L77

Ein Exkurs: Das Primat der PrivatheitinderorientalischenStadt .......... 118

0ie Privatisierung des dffentlichenRaumes in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . 727

SUidtebauliche Leitbilderund gebaute Kubatw . . . . . . . . . . . . . . . . 729

Die Symbotik der gebauten Kubatur . . . . 129

Representation und Funktionalitiit ..... 130

DerStadtebauim 19.Jahrhundert...... 134

DerStiidtebauim 20.Jahrhundert...... 136

7 Stadtreume9

6869

6911

72

13

73

76

derAntike 77

Entstadterun g und topographischeKontinuitiitimFriihmittetatter ...... 27

0k mittetaltertiche Biirgerstadt . . . . . . . . 22

0berbtick ......... 22

Die Prager Stidte iln Mittelatter . . . . . . . . 25

l,tittetatterlicheWohntiirme ........... 29

tx. Residenzstadt des Absolutismus .... 30

Uberbtick ......... 30

Die Wiener Aggtomerationim 18. Jahrhundert 33

0ie Gesetlschaft derResidenzstiidte .................... 37

Die Residenzstadt Paris ............... 38

lX. Industri€stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4L

Dh -Neue Stadt" 44Das Konzept 44Die Charta von Athen ................. 46

Aktuelle Stadtentwicktun grnd potitische Systeme . . . . . . . . . . . . . 49

Enhitung 50

Instrumente der Kommunalpolitik . . . . . 51

Bauordnungen undFlSchenwidmungspline ............ 51

(om m unate Aufgabenbereiche ........ 55

Steuersysteme 57

Stadtentwicklung impotitischenVergleich ................ 58

EntwickLung imPrivatkapitalismus 58

EntwicklungimPostsoziatismus ....... 62

Entwicktung in den sozialen

Wohtfahrtsstaaten 66

Page 4: Die Stadt - Lichtenberger

Technologien des Bauensund des Verkehrs . ................... L4LUberbtick ......... ......... 747Standardisierte Potarisierung

derBautechnologie ................ 1420ffentlicher Verkehr versus

individuatverkehr ..................'t46

Die Anatomie der Stadt

Die amerikanische Wohnbauentwicklung .

Ein Vergteich der USA mit Europa ... . . ..DieAufspattung derWohnfunktion .....

EinteitungVitta und Vitteggiatura

im Rtimischen Reich ................Villa und Vilteggiatura in derToskana . . .

ZweitwohnsitzederGegenwart.........Segregation im Wohnhaus . .

EinteitungDieWohnklassengeseltschaft ..........Segregation im Mietshaus ...... .. .....()ffentlich keit und Privatheit

in der WohnungDemographische Segregation

inderWohnung .................... 249DiemoderneWohnmaschine...... ..... 250

Die Wirtschaft im Stadtraum . . . . . . . 253

Einleitung .......... 254Vom Wohnladen zur li{ega-Mall . . . . . . . . . . 255

Einleitung ...... 255RaumlicheStandortmuster ............ 255

HistorischeAbfotgederBetriebsformen . 256AuBere Erscheinungsformen

des GeschiifutebensDie Effekte der Gtobalisierung .........

Von der Hinterhofi ndustriezum IndustrieparkEinteitungDie tech nischen Etappen im Industriebau .

Vom Manufakturhauszur Hinterhoffabrik

Die klassische randstdndige Industrie . .

IndustrieparksVom Kleinbiiro zum Biirohochhaus

Die Entwicktung des Bijrosektors .... . ..Betriebs- und Erscheinungsformen . . . ..Der BUrosektor in den USA

und in Europa

Wozu braucht die Gesetlschaftdie Stadt?

Abbildungsnachweise .................. 287Literaturhinweise ...................... 297Register .......... ..................... 297

1.49

223

230?34234

23523623824024024L

243

von StiidtenDieWiener RingstraBe ................Die BertinerStadterweiterung .........Die Wiedervereinigun g von

West- und OstberlinHistorischeGrundriBformen ............

Rastersystem und Sackgassenprinlp . ..UmstrukturierungenEin historischer Exkurs:

751156

158

160

163

-t o5

1.65

247

ZurMetrikdesGrundrisses .......... 168Der Baublock als stadtebauliches Element . 172Boulevards und Plitd:e .................. 776

Die Funktion von Boutevards . . . . . . . . . . . 176Die Funktionvon Pldtzen .............. 178

Die dritte Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181Ein[eitung ........ 181Die Standorte des Hochhausbaus . . . . . . . 181Derwotkenkratzerbau................. 182

Wohnraum und Gesellschaft ........ 187

Einleitung .......... 188Historische Wohnbautlpen . . . . . . . . . . . . . 189

Uberbtick ............................ 189Das Hofhaus der atten Stadtkulturen . . . 189DieeuropaischeStadt................. 193Die historische Kette der Woh n bautypen . . 193Der Wohnturm .............. 195Das europdische Blirgerhaus ........... 196DerAdelspalast ...................... 205Hofhaus und GroBwohnhof ... ......... 2OB

Das kontinentateuropdische Mietshaus .. 212Wohnantagen ............ 276

Mietshaus versus Einfamilienhaus ...... 21,8

EuropiiischerNord-Stid-Geqensatz ..... 278

257

261

264264266

268270277272272273

276

279

Page 5: Die Stadt - Lichtenberger

Vorwort-Stddte sind wie verschliisselte Bitderbiicher Aber, e rqo n gen e u n d gegenwiirtige GeseLbch oftssyste-'e, man muJ3 sie auJschlogen und die Symbotik: - e ntsch lii ssetn versu chen. "

!"t dieser Metapher ist das Anliegen des Buches

--schrieben, ,,die Stadt" in einem nur [[icken-- :ft besetzten dreidimensionaten Informations--:rm von zeitlichen Perioden, riiumticher Diffe--:'zierung und immanenten Fragestellungen.'sret[ ideattypisch zu erfassen.

)ie politischen Systeme [iefern den 0rdnungs-': - men. Mit der Anderung von potitischen Sy-

.::men iindern sich die Konzepte von Stadt undr-idtischer Gese[[schaft . Die historische Veror-:--g der Thematik bedient sich eines politi-::-en Periodensystems. ebenso wie die Darstel--g der aktuellen Stadtentwicklung in der.':sttichen Wett sich in der Spannweite von Pri-. =:<apitatismus und Postsozialismus bewegt.

)ie potitischen Systeme beeinftussen die nor--:iven Prinzipien des Stadtebaus und der)-dtp[anung, den Einsatz der Technologien,:: Struktur der Wirtschaft und die Segrega-::rsprozesse der Geseltschaft im Stadtraum.

:r der konkreten DarsteLlung geht es um die:'-:ringung und VisuaIsierung von Sichtweisen

--l theoretischen Beziigen -von der Gesamt-j--: lt iiber Stadtreume bis zu StadMerteln, Bau-::- und Wohnungen - in einem breiten Spek-:--n von Disziptinen: von der Geschichte des

:-dtebaus und der Architektur bis zu den So-:: .vissensch aften. der Kommunatpotitik und!::dtptanung und [ast, not least der Stadtgeo-: -: phie.

)em Zugang im oetail entsprechend lautete::- urspriingliche Untertitel des Buches ,,Ge-::-te Umwett und Gesetlschaft". Er entstand: -s der Uberzeugung der Verfasserin, daB die.'sratisierung der Information das Hauptmerk--: lan der Wende vom 20. zum 2l.Jahrhundert::'steLlt und hierzu ejne geographische Stadt-':'schung Wissen anzubieten hat.

)er vom Verlag gewiih Lte Untertite[,,Von der::.is zur Metropofis" mag fiir den Buchmarkt

griffiger erscheinen, da er die historische Sicht-weise betont, entsprichtjedoch, das sei den kri-tischen Rezensenten vorweggenommen, nurpartietl den Auswah[kriterien des Stoffes.

Stadtfo rsch u ng 'ist a[s interdisziptiniires For-schun gsfeld stets GroBstadtforschung gewesen.Es sind die groBen Stddte der westfichen Wett,auf die sich Text und Abbitdungen beziehen.

Vorwiirter sind Nachwiirter. Sie werden nachAbschtuB eines Werkes geschrieben. In ihnenkann der Autor auch seine persiinliche Wissen-schaftsideotogie offenlegen.

Die Thematik des Buches hat mich durch vieleJa hre wissenschaft [icher Tati gkeit begleitet. Es

konnte daher im Text auch auf mehrere For-sch un gs m o n og ra phien u n d za h lrei ch e AufsiitzeBezug genommen werden. Die Stadt Wien setbstist fiir den Aufgriff von neuen Fragen ein For-schungsobjekt vor der Haustiire der Universitatgewesen, das eine so[ide Ausgangsbasis f0r Ver-g leich suntersuch u n gen in anderen Stadten Eu-

ropas und Nordamerikas geboten hat.Friihe Kontakte mit Stadtp [a n u ngsbeh iirden

brachten die Kenntnis von der Bedeutung nor-mativer Prinzipien fiir die Stadtentwicklun g.Seit den Jahren der Lehrtiitigkeit in Nord-amerika beschiiftigt mich die Frage nach Kon-vergenzen von Stadtentwick[ungen in der post-industrie[[en Geseltschaft . Wird die europiiischeStadtentwicklung - etwas verspetet - den Weg

der nordamerikanischen einschtagen? Die Ant-wort auf diese Frage ist offen. Sje begleitet aberden Leser.

Vorwtirter sind nicht nur Nachwtirter, sie sindauch Dankeswiirter. Mein Dank geht zuerst an

meinen l"1ann, Herrn 0berstudienrat Prof. JosefLichtenberger, der mich auf vieten Reisen be-gteitet hat. Ich danke ihm besonders dafiir, daB

er auch diesma[, wie bereits oft zuvor, mit Nach-sicht und Gedu[d meine l]naufmerksamkeitwiihrend der Zeit des Schreibens ertragen hat.Seiner Photographierteidenschaft sind vie[e derAbbitdungen zu verdanken. Fiir die Miihe derDurchsicht des Textes bedanke ich mich sehrherzlich bei Frau Dr. Monika Streissler und Herrn

Page 6: Die Stadt - Lichtenberger

Vorwort

Dr. Josef Kohlbacher. Meiner wissenschaft lichenMitarbeiterin Frau Dr. Katja Skodacsek danke ichfiir die Beschaffung von Literatur und Bitdmate-ria[, das Einscannen von Abbildungen und die0rganisation der Ausstattung, Herrn Dr. GerhardHatz fi.ir wertvo[[e Internethinweise und Detaits.SchtieBtich geht mein Dank, wie schon iifter, anHerrn Koltegen Heinz Fassmann, meinen Nach-fo[ger auf dem 0rdinariat fiir Angewandte Geo-graphie, Raumforschung und Raumordnunq ander Universitet Wien, der als kritischer Ge-sprichspartnerin zahlreichen Diskussionen dieFrage,,Whatto putin and whatto leave out?" zuktiiren hatf.

Dem Verlag der WissenschaftLichen Buchge-sellschaft danke ich fiir die Aufnahme des Bu-

ches und das stets erfreuliche Gespriichsktima.In diesen Dank darf ich auch den graphischenProduzenten des Buches, Herrn Joachim Schrei-ber, einschlieflen.

Die geographische Stadtforschung besitzt inWien eine bedeutende Traditio n. Hier hat HugoHassinger, 0rdinarius am Institut fiir Geogra-phie der Universitet, mit seinem Kunsthistori-schen Atlas von Wien (1916) dem Denkmat-schutz eine Grundlage geschaffen und imWiederaufbau nach dem Zweiten We[tkriegdurch seinen persiinlichen Einsatz manchesBaudenkmaI vor der Spitzhacke gerettet.

Dem Andenken an Hugo Hassinger widme ichdieses Buch.

Wien, im Mai 2001 Elisabeth Lichtenberger

Page 7: Die Stadt - Lichtenberger

Fragesteltungen

l'lehrere Fragen werden gestellt, mehrere Zu-gdnge iiffnen sich. welche mittels derVisualisie-rung neue Erkenntnisse ermdgtichen. Hierbei,verden drei Schienen ausgelegt. Die ersten dreiKapiteI beschiftigen sich in der zeittichen undrd um[ichen Dimension mitderStadtaufder Ma-kroebene, das vierte KapiteI schlegt mittetssachlicher Determinanten eine Brlicke zur Mi-<roebene von gebauter Umwett und Gesett-schaft, mit der sich die letzten drei Kapitet be-.assen.

Das erste Kapite[,,Von der griechischen Potisuur Neuen Stadt" ist der Vergangenheit derstadt und der stadtischen Geseltschaft gewid--et. Die Fragen.tauten: Welche historischenStrukturen vergan gener Perioden der Stadtent-.,,icklung reichen in die Gegenwart? Wetche ma-:erie[[en Formen haben sich al,s gebaute Umwelterhalten und welche in der Vergangenheit ent-sundenen Normen, Werthaltungen und Hand-.rngsdirektiven beeinftussen noch die gegen-,rdrti ge Stadtgesettschaft ?

Die Erfassung der Umstrukturierung und Um-

'rn ktionierung des jeweitigen bau[ichen Gehdu-ses vor dem Hintergrund der Abfo[ge der Geset[-schaftssysteme erfordert eine in die Tiefe derZeit hineingreifende Sichtweise. Die historische, erortung der Thematik bedient sich dabei eines:otitischen Periodensystems. bei dem der Bo-

;en von den Reichsbi[dungen der Antike bis zu:en Staaten der entwickelten Weltin der Gegen-aart gespannt wird, soweit - und dies ist eine:rnschrankung gegeniiber Archiio[ogen - histo-^sche Bauwerke in der Gegenwart noch genutzt,terden und zum aktuetten geselschafttichen

-eben gehtiren.Die Leitthese dieses Kapitets lautet: Mit der

ibfotge von politischen Systemen Sndern sich:je Konzeptionen von Stadt und stedtischer Ge-

:ellschaft grundtegend. Jedes politische System

-..hafft neue Stadttypen und bewirkt eine tief-:.eifende Veriinderun g der bereits bestehenden)jdte. Mit den Existenzgrundlagen der Stadt:rdern sich die soziale Wertigkeit und die Funk-:on der Stadtmitte, mit der sozialen 0rganisati-

on werden die tragenden Soziatschichten aus-gewechse[t. Die Stadt-Land-Beziehungen unter-[iegen einem Wande[.

Das Kapitel ,,Aktuetle Stadtentwicklung undpolitische Systeme" thematisiert die Frage nach

der Stadtentwicklung im 20. Jh. vor dem Hinter-grund der potitischen Systeme. Die drei groBenpolitischen Systeme der westlichen We[t bi [dendie Bezugsbasis fiir die Darsteltung von Struktu-ren, Prozessen und Problemen der Stadtent-wick[ung, ndmtichr das soziate Wohlfahrtssystem Europas,r das privatkapitatistische System der USA undr das in Transformation vom Plan zum Markt

befindliche System des ehematigen Staatska-pitatismus.

Die politischen Systeme beeinflussen die nor-mativen Prinzipien des Stadtebaus und derStadtp[anung, den Einsatz der Technologienund die Struktur der Wirtschaft ebenso wie dieSegregationsp rozesse der Gesellschaft i m Stadt-rau m.

Das dritte Kapitet,,Stadtraume" widmet sichder riiumfichen Struktur von Stadten. Stadtesind zentrierte und gegtiederte riiumliche Ge-

bitde. Atte weisen eine Stadtmitte auf, derenAussehen und Funktion im Laufe der Zeit ge-wechsett und kutturspezifische Auspriigungenerfahren haben. Die Darstetlung beschriinkt s'ich

auffolgende Formen: in Europa auf den Gegen-satz von denkmatgesch0tzter Altstadt und Cityin Westeuropa und in den Transformationsstaa-ten sowie aufdie Downtown in Nordamerika.

Stddte sind wachsende riium[iche Gebilde undweisen daher Stadtriinder auf, die ebenfatts sehrunterschiedtich strukturiert sein kdnnen.

Stadtreume sind, wenn auch nicht durchge-hend, in StadtvierteI gegtiedert. AuBerordent-tich wichtig ist die normative Konzeption derNachbarschaft geworden. Stiidtebau und Stadt-ptanung sind dabei, ats neue Superstrukturen,z. T. in Form einer Pub[ic-private-Partnership, insektora[er We'ise Schaustiicke von Stadtumbauund integrierten GroBkomplexen von Shopping-Center, Erlebnis- und Freizeitparks zu schaffen.

Page 8: Die Stadt - Lichtenberger

Fragestettungen

Das vierte Kapitel versucht ,,Determinantenund Leitbi[der" fi.ir die Stadtentwicklung in denBereichen von Potitik, Stiidtebau und Technik zuvisuaLisieren.

Bei der Darstellung der Effekte der Potitikgeht es um die Thematik von tiffenttichen, ha[b-iiffentlichen und privaten Riiumen. Diese The-matik zieht sich durch die Stadtgeschichte. Sieist verbunden mit der Frage nach der Offenheitund Geschlossenheit von Stadtviertetn undStraBenriumen und besitzt eine hohe Aussage-kraft fiir die riumtiche 0rganisation der Geset[-schaft im jeweiligen politischen System.

Der SGdtebau bitdet eine gro[3e, selbstbe-wuBte Disziplin, aus deren Themenkatalog dieFragen herausgegriffen werden, welche fiir dieStadtgestatt besondere Wichtigkeit besitzen.Hierzu zih[t die Frage nach der Symbotik der ge-bauten Kubaturin der historischen Dimensionund bis in die Gegenwart herauf, welche immerneue Facetten aufi,veist. Das Gegensatzpaar vonReprasentation und Funktionalitat bitdet denzweiten groBen Themenbereich, in den auchAussagen i.iber die Diktatur der Profession derArchitekten und Stadtebauer ein gebtendet wer-den. Die Frage nach der Regtementierung dergebauten Umwelt f0hrt zur Abfo[ge der st;dte-bau[ichen Leitbitder im 19. und 20. Jh. bis hinzum normativen Konzept der nachhaltigen Ent-wickLung der Stadt, wetches mit der Forderungnach einer Entkoppe[un g von F[iichenverbrauchund Wirtschafuwachstum verbunden ist.

Die Technotogien des Bauens und Verkehrssind auR engste mit den Ideotogien der potiti-schen Systeme verbunden, we[che nicht nur Pa-radoxa der muttip[en Technologien aufi/veisen,sondern auch eine standardisierte Polarisierungder Bautechno[ogie zwischen dem Massenwoh-nungsbau und dem industriellen Bau von Einfa-mi[ien hii usern. In der Verkehrstechnologie ste-hen die Verfechter der fuBgiingergerechtendenen der autogerechten Stadt gegeniiber.

Das Kapitet sch liigt eine Brlicke zur Mikroebe-ne von Stadt und stadtischer Gesettschaft, derdie [etzten drei Kapitelgewidmet sind.

Das f0nfte Kapitel iiber,,Die Anatomie derStadt" i.ibernimmt die Funktion einer,,Negativ-ptatte der Geseltschaft' oder, um Peter Ha[[ in,,Urban Future 21" zu zitieren,,,die Funktion derHardware fiir die Software", ats welche er dieGese[[schaft auffaBt. Das gi[t besonders fiir dieAussagen iiber die Aufgaben der Freiriiume inder Verbauung, welche in historischem Riick-

btick scheinbar unterschiedliche, de facto je-doch sehr Shntiche Funktionen besessen haben.Sie dienten und dienen zur Machtdemonstrationvon oben, insbesondere in Form von kirchtichenund staattichen Fest[ichkeiten, und von unten,d. h. fUr Revolutionen, Protestmirsche u. dg[.

Das sechste KapiteI untersucht das Verhattnisvon ,,Wohnraum und Gesetlschaft" in einer hi-storisch-komparativen Analyse von Wohnformenin der kompakten und in der offenen Verbauung,

wobei die Unterschiede in der Entwicklung zwi-schen Europa und den USA herausgearbeitetwerden. Die Segregation ist ein Grundprinzipder riiumlichen 0rganisation der Geseltschaft.Historische und aktuette Unterschiede der Se-gregation auf der Ebene des Wohnhauses bietensich ebenso einer visuelten Analyse an, wie sichWohnungen als Indikatoren der sozia[en 0rgani-sation eignen: ftir die Erfassung der Differenzie-rung nach Altersgruppen und Haushattstypen,nach Bitdung, Einkommen und Lebensstiten.

Im Kapitet,,Die Wirtschaft im Stadtraum" wer-den in historischen Szenenfotgen die Entwick-Lung vom Einze[handelsgeschift zur Shopping-Ma[[, von der Hinterhofindustrie zum Industrie-park, vom Kleinbiiro zum Biirohochhaus thema-tisiert und abschtieBend in der Gegentiberste[-[ung der Einrichtungen von Staat und Wirtschaftim Stadtraum die bisher zu wenig beachtetenUnterschiede zwischen den politischen Syste-men herausgearbeitet.

10

Page 9: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis

a o T--E

zur Neuen Stadt

7lN\*tts/fimlaa

Uberbticka 0as erste KapiteI des Buchs ist der vergangenheit der stadt und der stidtischen Gesettschaft

gewid met.r Es werden zwei weltgeschichttiche perioden unterschieden:

- die antiken Stadtkulturen und- die europeische Stadtentwicklung im eigenttichen Wortsinn.Eine Periode der Entstedterung und weitgehenden Zersttirung liegt dazwischen.t Die Leitfraqen lauten:- Wetche materie[[en Formen haben sich als gebaute Umwett- umfunktioniert- erhatten?- Welche Normen und Werte der Vergangenheit reichen bis in die Gegenwart?t oas Erbe der antiken Stadtkutturen ist vietftittig. Dazu zihten:- das Rasterschema des Grundrisses und die Monumentatitet iiffent[icher Bauten,- das Prinzip einer optimaten StadtgriiBe der griechischen po[is,- das Prinzip der Raumordnung von Stiidte- und Verkehrsnetzen und eine- erstauntiche technische Infrastruktur aus dem Rtimischen Reich.r Die europiiische stadt entstand aus der Abfotge von vier politischen systemen. Diese habenspezifi sche Stadttypen mit bestimmten Stadtmittekonzepten geschaffen:- die mitte[atterliche Biirgerstadt des Territoriatstaats mit der sozialen Mitte des Markts,- die Residenzstadt des Absolutismus mit der Mitte des Herrscherpalasts,- die Industriestadt des Liberalismus mit dem sozialen Krater als Stadtmitte und- die,,Neue Stadt" des sozia[en Wohtfahrtsstiats, deren Mitte soziaI neutraIist.

Abb. 1.1:Turmbou zu Bobelund Hochbou von 1900

@l/ffiffi

71

Page 10: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Pobs zur Neuen Stadt

Einleitung

Die Fragen [auten: Wetche historischen Periodender Stadtentwick[ung haben wetch e ,. Erbstiicke"hinterLassen? Welche materielten Artefakte ha-ben sich ats gebaute Umwett erhatten und welchein der Vergangenheit entstandenen Normen,Werthaltun gen und Handlun gsdirektiven wirkenbis in die postindustrie[[e Gesellschaft hineinnach? Diese schticht scheinenden Fragen zu be-antworten ist nicht nur schwierig, sondern letzt-lich nur partiell miigtich. Die Hotzschnittmanierder ideattypischen Antwort bedient sich dabei ei-ner auf der Abfotge von potitischen SystemenfuBenden Periodisierung, wobei der Hauptphasedes jeweits vo[[ entwicketten potitischen Systems

ein dominanter Stadttyp zugeschrieben wird.Hierbei geht es um zwei Zeitreume:r die antiken Stadtkutturen, die bestenfalts

Standortkontinuitit, aber keine Kontinuitiit inden Einzelbestandteiten von Bauten und Woh-

nungen haben, undr die europaische Biirgerstadt, welche erst nach

einem umfassenden EntstadterungsprozeBentstanden ist.

Die antiken Stadtkulturen weisen zwei Ausprii-gungen auf: die griechische Polis und die Neu-grlindungen des rdmischen Weltreichs. co[oniaund castrum. Zwei wesenttiche E[emente derStadt gehen auf die Antike zuriick: dje Monumen-talit5t von 6ffenttichen Bauten und die Geome-

trie des Rastergrundrisses von Stddten.Der Zusammenbruch des riimischen Wettreichs

hat eine europaweite Entstadterung gebrachtund es hat mehr als eineinhatb Jahrtausende ge-

braucht. bis der Stand der technischen Infra-struktur wieder erreicht worden ist. Alterdingsbestand eine regionaI mehr oder weniger ausge-pragte Standortkontinuitet von den einstigenRiimerst;dten zu den Btirgerstadten des mitteta[-terlichen Territorialstaates. Damit beginnt dieeuropiiische Stadtentwicklung. Die Biirgerstadtunterscheidet sich in mehreren wesenttichen Ete-

menten von der Potis. Sie kennt keine Sklaven,wetche ein sehr wesentliches E[ement der anti-ken Stadtkultur nicht nur im romischen Wett-reich, sondern auch in Griechen[and gewesen

sind, und muB sich infotge derTrennung von der

agraren Produktionssphire einen virtuellen Le-

bensraum mittels Hande[ und Gewerbe schaffen.

Sie lebt daher von der Erfiittung der Markt- und

Produktio nsfun ktion.Mitder Entwicklung von Territoriatstaaten zu ab-

sotutistischen Ftichenstaaten entsteht ein neuer

Typus, die Residenzstadt, und mit dieser eine neue

Geseltschaft: Der Ade[ wird in der Stadt ansiissig -aus dem LandadeI entsteht der Hofudet. Die Admi-

nistration des Ftachenstaates erfordert die Lei-

stungen eines neuen Standes, des Beamten-

standes, deraus der Ehrenamttich keit st6dtischerBeamter im Mittetalter zu einer Profession avan-

ciert, in der Bitdung Aufstieg ermdg[icht. Der Re-

prasentationsgedanke umfaBt das gesamte stiid-tische System, von den Bauten bis zur Kleidung

der Menschen. ,,Kteider machen Leute" und ,,stan-desgemiiB" gekleidet zu sein bi[den die Maximen.

GroBbritannien ergriffdie Fijhrung im Libera-[ismus und schuf die ersten Industriesied[ungen.Mit der industrietlen Gese[[schaft haben sich alte

bisherigen Beziige geendert. Die Fabrik konnte indie Stadt nicht harmonisch integriert werden.Lange Zeit btieb die Frage strittig, ob man berech-

tigt sei, Industriesiedlungen zu den Stiidten zu

ziihlen. Die ungeheuren Schattenseiten der In-dustrialisierung bewirkten das Entstehen einerneuen potitischen Weltsicht. Die Stums der brjti-schen Industriestedte gaben den Anschauungs-

unterricht fiir KarL Marx und Friedrich Engets.

Stddtebau[iche Reformideen kamen ebenfalts

dort auf, wo die Desorganisation die groBen

Stadte uniiberschaubar gemacht hat - in GroB-

britannjen. Die iiberschaubare Gliederung der

Stadt und die Schaffung von menschenwlirdigen

Lebensbedin gun gen wurden zur Leiworstetlungfiir die Neue Stadt. Auch hierfiir setzte erneutGrolJbritannien die MaBstabe.

Das 20. Jahrhundert brachte technische Revo-

lutionen, Hochhausbau, Autoverkehr und neue

Kommunikationstechnotogien. Das stadtebauti-che Dogma der Charta von Athen 1927 gtiederte

die Stadt nach den Funktionen von Arbeiten,Wohnen, Verkehr, Erhotung usf. in monostruktu-relte Gebiete. Die Wirktich keit der Stadt erfuh r ei-nen grundsatztichen Wande[. Das Jahrtausendealte Konzept der kompakten Stadt wurde aufge-geben.

72

Page 11: Die Stadt - Lichtenberger

Antike Stadtkutturen

Antike Stadtkulturen

Antike Hochkulturen und Reichsbi[dungen haben

die groBartigsten Beispiete einer monumentatenSymbotik gesetzt, welche iiber Jahrta usende hin-weg uns Nachgeborene immer noch in Erstaunenversetzen. Die meisten Weltwunder der Antikesind inzwischen versunken, sie haben jedoch inder Literatur und Kunst bis in die Gegenwartfort-gelebt. Mit dem Turmbau von Babel sei der Ein-stieg zur Frage nach der monumentalen Architek-tur und Reichsbildung eriiffnet. Herrschaft undstadtplanung stehen am Anfang der Kutturge-schichte der Menschheit (Abb. 1.1). Auf dieseAnfdnge wird hier jedoch nicht eingegangen,sondern der Zielsetzung des Buches entspre-chend stehen zwei antike Stadtkulturen im Zen-trum des Interesses: die griechische Po[is und dieStidte des R6mischen Reichs.

Die griechische Polis

Griechenland hat die Potis, den selbstiindigenStadtstaat, geschaffen. Die Faszination, d'ie bisreute von der Potis ausgeht, hat mehrere Grlin-Je- Diese [iegen einerseits in der ganz auBerge-eiihntichen Entfaltung von Kultur und Wissen-schaft, welche diese, an heutigen StadtgriiBen

3emessen, kleinen Stadtstaaten hervorgebrachtraben. Sie [iegen andererseits in den benutztenlolitischen Instrumenten, um mit der grund-S;tztichen Frage von Untergrenze und 0bergren-ze von Stiidten im EntwicklungsprozeB von de--okratjschen Gemeinwesen fertig zu werden.

Zunachst zur Frage der Untergrenze. Das Pha--omen, daB Stedte nicht die notwendige Beviil<erungszahI erreichen, um stidtische Funktioneneahrnehmen zu kiinnen, ist ein immanentes,:.rrch die Stadtgeschichte hindurchgehendes Pro-

lrem. Die Griechen haben ats potitisches In-r.rument hierfiir den Synoihsmus, die freiwitlige:zw. zwangsweise Zusammensied[ung von klei-'eren Siedlungen verwendet. Athen entstand,-achdem die Beviitkerung der kleineren ZentrenAttikas von Theseus - wie die Legende behauptet- r.iberredet oder gezwungen worden war, sichrn die Akropotis herum niederzulassen.

Nun sind Stadte wachsende Gebilde. Ebenso

wie bei der [Jntergrenze stetlt sich die Frage, waszu tun ist, wenn eine bestimmte 0bergrenze derBev6lkerungszahI erreicht wird. ]n diesem Zu-sammenhang ist eine Koloniegrlindung die Lii-sung gewesen, d. h., es bestand die Regel einerLimitierung der GriiBe der Potis, bei deren Uber-schreitung eine Expedition ausgertistet und eineKolonie gegriindet worden ist. Es erfolgte alsonicht eine Erweiterung der Stadt, wie sie in dermitte[aLtertichen Biirgerstadt die RegeI war undbis in die Gegenwart die Stadtentwicklung be-stimmt, sondern eine Neugrijndung an einementfernten 0rt.

Um eine Vorstettung von den GrdBenordnun-gen der griechischen Stadte der Antike zu geben,

sei angefuhrt, daB Athen zur Zeit des Periktes

ungefdhr 40 000 Einw. zdhtte und nur drei weite-re Stedte, nemtich Syrakus, Agrigent und Argos,mehr ats 20 000 Einw. hatten. Diese fiir heutigeVerhdltnisse bescheidene BeviitkerungszahI gattats Voraussetzung fiir die Entwicktung des sozia-len Lebens. Einerseits muBte die BeviilkerunggroB genug sein, um im Kriegsfat[ ein Heer auf-stellen zu kiinnen, andererseits durfte sie nichtzu groB sein, um die Funktionsfilhigkeit der Biir-gerversamm[ung nicht zu gefiihrden.

Hinsichttich der sozia[en 0rganisation war diegriechische Polis keineswegs eine homogene Ein-heit. Biirgerrecht, Reichtum und Stand teiltendie Bevtilkerung in mehrere Gruppen. Vom potiti-schen Leben waren die Frauen. die Metiiken, d. h.

die freien Zugezogenen, und die Sklaven ausge-sch[ossen,

Hinsichtlich der soziatriium[ichen Organisationder Polis kann man bei Aristoteles folgendes iiberHippodamos von Milet nachlesen: Er nahm einenStaat mit 10 000 Mannern und teitte ihn in dreiTeite: Krieger, Handwerker, Bauern. Das Land

wurde in heitiges, iiffentliches und privates ge-

teitt. Hejtig war das Land, aus welchem die Ko-

sten flir den KuLtus bestritten wurden, iiffenttichjenes fiir die Krieger, privat das Land der Hand-werker und Bauern.

Diese Heraushebung der Krieger legt einenVergleich mit den japanischen Stedten des Feu-

dalzeitalters nahe, ats die Samurai in unmittelba-rer Ndhe der Burg in einem nahezu geschlosse-

73

Page 12: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Itnl1lltt'" l1lll - r.r

l*; -: '-1

nen Quartier wohnten und peripher davon dieHandwerker ihre HIuser hatten.

In Ptatos Ideatstadt, we[che ats Kreisform kon-

zjpiert ist, befindet sich im Zentrum die htjhergetegene Agora mit den Regi eru n gsgebd uden,Tempeln und Gymnasien, rundum sind die Hiiuser

der Biirger in einem Ring angeordnet, wiihrendsich die Handwerkerim duBeren Kreis befinden.Im Hinbtick auf die sozia[e 0rganisation ist dierandtiche Positionierung der Handwerker, dievorwiegend Metirken waren, herauszuheben. Da-

mit unterscheidet sich die Polis ktar von der mit-te[alterlichen Biirgerstadt, fiir die eine Viertels-bitdung von HandeI und Gewerbe, bedingt durch

die Konzeption des,,ganzen Hauses", kennzeich-nend war. Eine derartige Viertelsbitdung derHandwerker ist aus der Po[is nicht bekannt.

Die bau[iche 0rganisation der Stadt erfolgtenach einer strengen Trennung der Funktionen.Im Stadtgebiet sind drei Tei [e zu unterschejden:

1) Der heitige Bereich mit den Tempetn ftir d'ie

Gtjtter: Die Tempel hoben sich deutlich vom

iibrigen Stadtgebiet ab, nicht nur wegen ihrerGrijBe, sondern auch wegen ihrer Lage. Sie

wurden an weithin sichtbaren 0rten errichtet,hiiufig abgehoben von den sonstigen Gebiu-den (Abb. 1.2).

2) Der iiffenttiche Bereich mit der Agora fiir die

Versammlungen der Biirger, mit Gymnasien,

Bibtiotheken, dem Theater, in dem sich eben-

so wie auf der Agora dje gesamte Biirgerschaftversammetn konnte und dessen GrdBe uns

Nachgeborene erstaunt. Doch konnten eben

in der griechischen Demokratie die politischen

Rechte der Mitbestimmung nur persiintich

ausgeiibt werden. Zu der gerne libersehenen

Doppetfunktion des Biirgers auch a[s Krieger

gehiiren die groBziigig angelegten Stadien fiirsportti che Wettkii m pf e.

3) Der private Bereich des Wohnraumes der Stadt,

lrri,l,

Abb. 1.2: AkropoLis,

Gesomtonsichtl9TS

14

Page 13: Die Stadt - Lichtenberger

Antike Stadtkulturen

fLjr dessen AufteiLung in StraBenbliicke undParzetlen das Prinzip der Isonomie gatt, d. h.

der demokratischen Gleichheit und Gteichwer-

tigkeit, wonach bei der Neugriindung einerStadt gteich groBe Parzelten an atle Biirgervergeben wurden. Die von Reichtum, Rang

Jnd Abstammung u na bhiingige Vertei [u n g der'echteckigen, gteich groBen Grundstiicke an

lje Bijrger hat sich atterdings nur in Kotonie-sudten durchsetzen kiinnen. Danach erhiet-:en bei der Griindung neuer Stedte, wie Priene

'n 4. J h., die B0rger gteich groBe Parzetten,:uf denen sie erstaun[ich iihnliche Hiiuser er-:chtet haben. Freitich haben die reaten tikono--ischen Unterschiede sehr schne[[ Anderun-

;en gebracht. Der reichere kaufte den iirmeren\achbarn auf.

r.:: Stadte, deren Struktur noch in die Zeit der: - s:o kratischen Verfassung zurlickging, wie z. B.1:-:n. wurden von diesen neuen Ideen nicht be-:':-en. lJnabhiingig davon fotgten die Wohn--:-ser auch hier dem architektonischen Prinzip::: t-lofhauses und unterschieden sich nur durch. -: I e, in nere Differenzierung und Ausstattung.

::'enge Baugesetze iiberwachten die Einhat-:--: der Rechte der 0ffenttichkeit. Die Miigtich-.:: :er Enteignung sicherte der Polisjederzeit::: Qecht, ijffenttiche oder sakra[e Anlagen zu

:'-:rten. Die Trennung in eine Oberstadt, dier . -: lotis, und in eine meist in ebenem Getiinde

-:=-dliche ,,Zivitstadt", wie im Fat[ von Athen,. : -

_ edoch nicht fiir a[e griechischen Stadte die::=-:.. Manche, z. B. dieionischen, besallen kei--: l<ropolis. Die Tempel auf der Akropotis, die-:- reute noch von alten Seiten sehen kann,

:::-en frei[ich vertoren als To u ristenattra ktion- -':ten einer Mittionenaggtomeration, zu der:::' Bezug fehtt.i:' regetmiiBige RastergrundriB der griechi-

.:-:. Polis ist mit dem Namen des Hippodamos:-:'.1'letverbunden, derim 5.Jh.v. Chr. dieStadt, .:: Dlante (Abb. 1.3). Seit dem 6.Jh. wiesen: . Stiidte Sizitiens und GroBgriechentands::-:..,i n kti ge StraBenraster auf. Die Vorstettung: -:- G leichwertig keit der StraBen wiirejedoch---:-rig. Vietmehr gab es nur einige wenige-:-::straBen, die die Stadtfldche in paraltel:'-:-rende Streifen mit einer Breite von 50 bis

\\

{

I kommerziette Bereiche

E Eereiche fiir iiffentt. Angetegenheiten

t reliqiiise Bereiche

Abb. 1.3: PIdn von l,liLet.Hippodanos, 5. Jh. v. Chr.

300 m auftej[ten, aufdenenjeweits ganze Heu-

serzei[en gebaut werden konnten. Diese Bau-

btockstreifen wurden von kiirzeren, rechtwin ktig

angelegten QuerstraBen in einem Abstand von

30 bis 35 m durchbrochen. Die Breite der Haupt-

straBen variierte zwischen 5 m und 10 m. die der

SeitenstraBen zwischen 3 m und 5 m.

Atte Stedte waren ummauert. Besonders in hel[enistischer Zeit wurden diese stadtmauern mitungeheurem Aufwand an MateriaI und Kosten ge-

baut, um symbolisch den Autonomieanspruchder St;dte zum Ausdruck zu bringen. Anders ats

bei der europiiischen Biirgerstadt des Mittetalters folgte die Mauerbegrenzung der Potis nicht

0 100 200 300 400 500m

-t)

Page 14: Die Stadt - Lichtenberger

Von der grjechischen Potis zur Neuen Stadt

direkt den Baubliicken der Hiiuser, sondern wur-de meist, angepaBt an das GelSnde, in einigemAbstand zu diesen errichtet. Mit dieserfehlendenrege[miiBigen geometrischen Begrenzun g unter-scheidet sich die Polis von den stadten des Riimi-schen Reichs und ebenso von den chinesischenStedten. Gteichzeitig war aufgrund der vorhan-denen Freirdume zwischen verbautem Gebiet undStadtmauer die Mdgtich keit einer inneren Stadt-erweiterung innerhalb des Mauerrings gegeben.

Bemerkenswert ist die Einpassung der Potis indie Landschaft und damit das ausgewogene Ver-heltnis zur Natur. Durch die ungleichmiiBige An-ordnung der Objekte des heitigen Bezirks sowieden unregelmiiBigen Mauervertauf erhiett jedeStadt ihr individuettes Gepriiqe. Aufgrund der be-

wuBten Begrenzung des Wachstums, des ausge-wogenen Verhiiltnisses zur Natur sowie der inne-ren Durchgingigkeit hat die griechische Polis bis

heute eine gewisse Vorbi tdfunktion flir die Stadt-ptanung bewahft.

Die Stadt im Rtimischen Reich

Europa ist vo[[ von monumentaten RestenausderEpoche des rtimischen Wettreichs. Es ist eineDreiheit der Leistungen von Agrarkolonisation,Stadtgriindungen und StraBenbau zu bewun-dern: Die weitftachige Agrarkotonisation im geo-

metrisch vermessenen Rasterschema mit Einzet-

hiifen war die ijkonomische Grundtage und Vor-

aussetzung der Stadtgrlindungen. die ihrerseitsdurch ein neugeschaffenes StraBennetz verbun-den wurden. Das Rasterschema des [Sndlichen

Raumes findet sich z. T. noch im heutigen Stra-Ben- und Wegenetz, wie in 0berita[ien, wlhrendes in anderen Riiumen der Ausbreitung des Kar-

stes bzw. der Wliste zum 0pfer gefalten und nurnoch aus Luftbitdern zu erkennen ist, wie in Dat-

matien und in Nordafrika.

Von den Stadtgriindungen, von cotonia und ca-

strum und den Infrastrukturteistungen des Baus

von StraBen und Briicken vermitte[t die Tabuta

Peutingeriana noch eine gewisse Vorstettung.Stadtgriindungen waren die Elemente der

Reichsbitdung. Bei diesen rijmischen Stadten be-

eindruckt die Dominanz der Offenttichkeitin den

Bauten, von denen sich zahttose Tempet, Thea-

ter, Bader, Amphitheater (Abb. 1.4) und Arenen

ebenso wie die Reste der Wasserteitu n gen, Kana-

lisationsanlagen und Fortifi kationen erhattenhaben. In dem durchgdngigen Gittersystem der

StraBen, we[che hiiufi I einem Schachbrettsche-

ma fotgen, war die 6ffentliche Kontrotte des

StraBenraumes und des Verkehrs im Detaitgere-ge[t, wie wir von Rom wissen. Das Handbuch von

Vitruv, zur Zeit von Kaiser Augustus geschrieben,

belegt die Professiona[isierung der Architektur.Die durch den Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr.

verschiittete Mittetstadt Pompeji gestattet dieFeststeltung einer Abfolge von vier Konzepten

der stiidtischen 0rganisation (vgt. Zanker 1995).Die Wandlunqen im Offenttichen Raum, die sichgerade voltzogen, waren charakteristisch fiir die

italienischen Stiidte. AuBerhatb der Stadttorereihten sich die beeindruckenden Grabdenk-

miiter, ebenso waren prachtvolte Vitlen auBer-hatb der Stadtmauern entstanden. die riimischeKuttur hatte die tokaten Traditionen beiseite ge-

schoben. Pompeji [iegt in der Niihe der Stiidtevon Kampanien, we[che fri.ih unter hetlenischen

EinfluB geraten sind. Die etementaren Vorgange

der kutturetlen Anpassunqen, die nach der Er-

oberung des griechischen, dstlichen Mitte[meers

durch die rtimischen Armeen erfo[gten, sind inden Wand- und Bodenmosaiken ebenso wie inder Innenausstattung der Heuser in Pompeji

nachzuvollzieh en.

icl, tT._r ::

Abb. 1.4: AmphitheateLPuLa 1982

16

Page 15: Die Stadt - Lichtenberger

Antike Stadtkutturen

ler Kaiserkult auf dem Forum war bereits aus-:.litdet, Theater wurden erneuert und ver-

;-iBert, und die Biirger bemiihten sich um die, :-oesserung der Infrastruktur. Die letden Jahre::' Repubtik und die Anfiinge des Kaiserreichs

--: damitdie Etabtierung n euer Wertvo rsteltun -::'sind im Stadtbi[d zu erkennen.

lie Unterschiede zwischen der ktassischen

;-echischen und der rtimischen Stadt sind fun-::-enta[. Nirgends in der griechischen Stadtfin-:=: sjch die markante hierarchische 0rdnung des::

- ns, wetche die riimische Stadt kennzeichnet,-'-;ends die Gliederung nach Nachbarschaften

- -: soziaten Ktassen, wie sie in den Ausgrabun-::- in Pompeji ktar dokumentiert ist.

,',ihrend in den griechischen Stedten Sport-::-:::en, Bitdungsstiitten und Theater vo[[ in denr-:ltlichen Raum integriert waren. hatten die': -ischen Stiidte anfangs keine vergteichbaren::-:en. Erst mit der Heltenisierung entstanden:-: 'r einem vom politischen, iiffentlichen Raum

:::arieden Bereich.In Rom wurden die Kuttur:. -:chtungen der spaten Repubtik auBerha[b der:-:tmauern aufdem Marsfeld errichtet. Die iif-':-:.ichen Bider waren dagegen eine friihe Er---- genschaft des Riimischen Reichs.

Rom, die Mi[[ionenstadt der Antike

i- 'olgenden wird auf Rom eingegangen, nicht- - - ,., eiI hier mit Abstand die griiBte ZahI an Bau-':::en einsch[ieBtich der Stadtmauer aus aure-:-'scher Zeit erha[ten ist, sondern weiI diese

e -.'onenstadt der Antike eine Reihe von Phii--:-enen aufweist, wetche zu einem Vergleich- : :er Gegenwart auffordern (Abb. 1.5).

r -sgegangen sei von dem faszinierenden Dua-

:-rs einer enormen staattichen Investition in:::echnische Infrastruktur der Stadt und des':-:en kapitalistischen Prinzipien fo[genden Miet-.:-lungsbaus. Dabei wurde auf die Anlage der:::-njschen Infrastruktur von Wassertejtungen

- -: Abwasserkaniilen ebenso Wert getegt wie auf

:: jifenttiche Vorsorge fli r die Verproviantierung::' qi[Uonenstadt. Der Staat war sehr effizientinr-iau und Erhaltung einer stedtischen Infra-::--<tur. Insgesamt ist der technische Standard

der Stiidte des Riimischen Reichs erst wieder am

Ende der Grlinderzeit erreicht worden, nicht er-reichtwurde bis heute der luxuri6se Standard des

Wohnens in der Vi[[enkuttur. Andererseits iiber-IeB man die Wohnbaut5tigkeit dem Rentenkapi-ta[ismus. In der Wohnungswirtschaft standen ein-ander drei Parteien gegeniiber: die Eigentiimer,die Mieter und die Verwalter. Die Mietsheuser be-fanden sich in Hiinden einer zahtenmiiBig kteinen

Hausbesitzerschicht. Diese bediente sich zur Ver-mietung der Wohnungen einer spezielten Gruppevon Pachtern. die gegen Abfiihrung eines ver-tragtich vereinbarten Pachtzinses an den Eigen-ti.imer die Wohnungen mit einem entsprechen-den Aufschlag weitervermietet haben. In derAusbitdung dieses gesamten Pacht- und !lietsy-stems entstanden recht komplexe mehrschichti-ge Strukturen der Weitervermietung und Unter-vermietun g. Atle Schattenseiten un kontro[[ierterBauqua litet und einer rentenkapita[istischenWohnungswirtschaft konnten sich aufgrund derenormen Nachfrage nach Wohnungen entwicketn.Dementsprechend erreichten die l,4ieten vor allem im Zentrum des antiken Rom Hiihen, die mitdenen in modernen Wettstedten vergteichbarsind. Bereits zur Zeit von J ulius Cisar muBte manfiir die bescheidenste Wohnung 2000 Sesterzenim Jahr bezahlen, einen Betrag, fiir den man inder Provinz einen Bauernhof kaufen konnte.

Die Eintragungen in den GrundbUchern weisenin bezug aufden Wohnhausbestand Roms gegenEnde des 3. Jh.s n. Chr. fotgende Hiuserzahlenaus: Nur 1790 0bjekte waren ein- oder zwei-stiickige Einfamilien hiiuser (sogenannte domus),dagegen 44 300 jnsu[ae, d. h. mehrgeschossigeMietsheuser, eine doch recht beachtliche Zah[, so

daB bei der geschiitzten Einwoh nerza h I von Rom

von rund 1 Mio. im Durchschnitt nur wenig mehra[sjeweits 20 Personen in derartigen Mietshau-sern gewohnt haben diirften. Rom war zur Kaiser-

zeit eine Mietshausstadt par excetlence, atter-dings kann nicht davon die Rede sein, daB es

eine Mietskasernenstadt gewesen ist.Zur Zeit des Hiihepunkts des Riimischen Reiches

war Rom in eine VietzahI von sozialrdumlichenVierteln gegliedert. In diese Viertel hatten sich

auch die soziaten Aktivititen verlagert, zu denBiidern, Versammtungshdusern und Ladenstra-

1,7

Page 16: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. 1.5: Ron zut Koiserzeit(l,1odell)

Von der qriechjschen Potjs zur Neuen Stadt

Ben. Plbtze mit Springbrunnen und ijffenttichenWC-Antaqen dienten als Treffpun kte. Damit verlordas Forum Romanum seine zentrale Bedeutungund wurde zum Standort fii r die Mon umente undSchauplatz der Zeremonien des Kaisers. Dort be-saBen freitich nach wie vor die reichen riimischenFamitien ihre weitrdumjgen, luxurirjsen Wohn-hiiuser und wirkten iiber die Errichtung von rif-fenthchen Bauten in den dffenttichen Raum

hinein. Dies ga[t in besonderem MaBe fiir dieTempet, wetche die Ein heit von Retigion und Staatauf dem Forum representierten.

Wenn man heute von ,,Festjva[sierung" sprichtund dies ats neuen Trend der Stedte einer postin-

dustrietten Gesetlschaft auffaBt, so sottte man

die Zahten fiir das antike Rom zum Vergleich her-

anziehen. Nahezujeder Kaiser muBte unter dem

Druck der aus alten Teiten des weiten Reichs zu-sammenstrtimenden Beviitkerung neue riesige

Bauten ftir immer spektakuterere Massenveran-

staltungen bauen. Das Colosseum faBte ,,nur"50000 l{enschen, wehrend im Circus Maximus

250 000 Personen Ptatz fanden, eine GrriBenord-n ung, die seither nie mehr erreicht worden ist und

vor der auch die Sicherheitskrafte moderner west-[icher Staaten kapitu[ieren wiirden (Abb. 1.6).A[s Zuschauer in der Arena oder in Zirkus konn-ten sich die Riimer, geschiitzt durch die Anony-

18

Page 17: Die Stadt - Lichtenberger

nritet der Masse. durch Apptaus und Protest poti-tisch iiuBern. Der Kaiser oder ein anderer Repre-

sentant der Macht saB sichtbar, gleichzeitig aberrnerreichbar, in seiner Loge.

Das vietzitierte,,panem et circenses" beziehtsich jedoch nicht nur auf die kostenlosen iiffentti-:hen Spektaket, sondern bedeutete auch, daB iml. J h. n. Ch r. etwa 150 000 Personen, d. h. schet-:rngsweise 15 % der Bevtitkerung, aus tiffentti-:"en Getdern erhaLten wurden. Uberdies gab es inicm zur gteichen Zeit die fiir unsere groBstedti-::re Arbeitsgese[tschaft unvorstetlbare ZahI von132 Feiertagenjehrtich, an denen die gesamte Be-, -,)Lkerung gratisjede Artvon Veranstaltungen be-

: -chen konnte. Die enormen Mittel der l,4etropole

:'^d daraus zu entnehmen. Ge[d, llaterial und die-:nschliche Arbeitskraft der Sktaven kamen aus

:..en Tei len des Reichs ftir die Reprasentation und

::s groBe Spektakel der Weltstadtim Weltreich.lie Versorgung der Beviitkerung mit Lebens-

-'::etn galt ebenso wie die organisation von:. -.reichen Vergn[igungen ats dffentliche Aufga-::. FLjr den Transport von Lebensmitteln tiber-: -',., 6rts war vor der Tiberinsel ein eindrucksvot-:,. System von Lagerhat[en errichtet worden.I .:'n durch das Anhiiufen der weggeworfenen1-fhoren entstand ein beachtlicher Hiigel, der!: -:e Testaccio.

: -rch 13 Aquedukte flossen tdg[ich 1 Mrd. m3

,::;er jn erster Linie fiir tiffenttiche Anlagen,:---nen und Thermen in die Stadt. Das ent-:: -:r'rt etwa der Wassermenge, welche in der Do--: - 'r einein hatb Stunden an der tisterreichisch-

- -:;.ischen Grenze bei Mitte[wasser durchflieBt.

:- ::r l,4ietsheusern gab es in der Regel, keine:::erversorgung, von einigen privilegierten

-: -r:esitzern abgesehen (Abb. 1.7 ).i :' G ro B zLigig keit der An tagen zur Wasserver-

- : - --,rg entsprach die GroBziigigkeit der Abwas-:'::seitigung, mit der schon friih, ndmtich im: - -. v. Ch r. begonnen worden ist und die stan-: ; :-sgebaut und erweitert wurde. Einige der- -:: -'o ischen Abwasserka ndte waren so gerdu-- ; :aB darin zwei Heuwagen aneinander vor-:; --'en konnten.

l-: - ohe BevijtkerungszahI und -dichte der Mi[-: -:-s-adt schufenjedoch auch gravierende Pro-

: :- :. Erstaun lich schtecht war das StraBennetz.

Antike Stadtkutturen

Die Probteme der Verkehrsiiber[astung bliebenungetiist. Die l4ehrzahI der StraBen waren

schlichtweg nur Durchgange fiir FuBgiinger (iti-nera). Die meisten anderen StraBen waren Ein-

bahnstraBen und boten ledigtich Platz fiir einenWagen (actus). Es gab nurwenigestraBen (via),welche so breit waren, daB sie einen Gegenver-kehrvon zwei Wagen zulieBen. Das Stadtzentrumselbst wurde nur durch zwei derartige StraBen er-

Abb. 1,6: Ron, CoLosseun

u n d Kon sto nti n s bog e n 1 9 82

Abb.1.7: AqudduktinSegovia 1978

1,9

Page 18: Die Stadt - Lichtenberger

Von der qriechischen Potis zur Neuen Stadt

Abb. 1.8:Tier, Potto Nigro1989

Abb. 1.9: fier, riinischer undn ifte talte rlic he r G ru n d il3

schtossen, die Via Sacra und die Via Nova, die bei-de am Forum vorbeiftihrten. GemiiB den Zwtitfta-felgesetzen durften StraBen die maxima[e Breitevon 4,80 m nicht iiberschreiten, nur einzelne er-reichten eine Breite von 6,50m. Die meistenStraBen hatten eine Breite von 2.90m. DerStra13enverkehr wurde ferner dadurch erschwert,daB die StraBen unbeleuchtet waren und eine irf-fenttiche StraBenreinigun g iiberhaupt fehlte. Ca-

sar ertieB strenge Gesetze, wonach die Anrainerdie StraBen reinigen und inskndhatten muBten.Um das Verkehrschaos etwas in den Griff zu be-kommen, durften zwischen Sonnenauf- und -un-tergang nur Fahrzeuge zur Be[ieferung der Bau-

stetlen unterwegs sein. Die Folge war, daB dieMehrzahI der Wagen nachts hhren muBte, so daB

die StraBen von Lerm erflillt waren.Vitruvs grund[egendes Werk,,De Architedura",

we[ch es zur Zeit von Kaiser Augustus gesch riebenwurde, gibt uns heute noch die Grundelementedes riimischen Stedtebaus wieder: die Tei[ung inHaupt- und NebenstraBen, die 0rientierung derStraBen nach Himmetsrichtung und Windschutz.die Beschaffen heit der Baustoffe und des Mauer-verbands. Vitruv verwirft den Fachwerkbau aus

Grlinden man gelnder Feuersicherhejt. Bei Vitruvsind auch Detai[s iiber den Hausbau nachzutesen.

Auf das Riimische Reich gehen zwei wichtigeGrundformen des Wohnbaus zuriick: das Hof-haus, welches ursprunglich ein Eigenhaus warund dann im Zuge des Stadtwachstums vomWohnhofzum Mietshaus aufgestockt und umge-wandelt wurde, und die auBerhatb der Stadt ge-legene Vi[[a in den zwei Auspriigungen der Vilta

9 . , , , or5k'

3.,"".,. I+

__.---rF Rdmische Stadtmauer

ffi Mittelatterliche Stadtmauer

....,.... Grenze derinneren Stadtim10.-11.Jh.

r $J."htJ$t["Ji/fujl.)

E 3fb",jlH.Jl: ?31i13H.

z-* :l,fl ',i:k,:,[!,!"**'n!: Rijmische StraBen

=== = l4itteLttertiche HauptstraBen

E Marktlirche 5t, Gangotf

I Friin kischer Adetssitz

o+

[\\\\\N@EEJ

EIGE

bot

Frdnkenturm

Judenghetto

Poppos Gestaltung

Kufiirstt. Gestaltungsetemente

Kirche a us riimischer ZeitKircheaus demfriihenMittelatterl(loster(tosteraufgetassen

Grabeshrche

20

Page 19: Die Stadt - Lichtenberger

Antike Stadtkulturen

irbana und der Vitla rustica. Auf die Grundfor--nen des Wohnbaus wird im Kapitel,,Wohnraum.: nd Geseltschaft' ausfii h rlich eingegangen.

Entstadterung und topographischeKontinuitet im Frii h mi ttela lter

lie Periode der Vtitkerwanderung ist eine Ent-i joterungsperiode par excettence gewesen. [jber:rropa hinweg wurde das gesamte im Riimischeniejch geschaffene System der FernstraBen und:er technischen Infrastruktur, der Wasserteitun-::n und Kana[isationsanlagen zerstijrt. Es soltte-:hezu eineinhatb Jahrtausende dauern, bis die-::r Vertust an technischer Infrastruktur wieder.,,:ttgemacht werden konnte. Zwar btieb in Ita[i-:-. jn Frankreich, liings des Rhein-Donau-Limes,:. T. in GroBbritannien und auf der Iberischen-:lbinsel eine gewisse topographische Konti-- -jtat des Stedtemusters erhalten, doch setbst

-: t, wo St5dte fortbestanden, kam es iibera[[ zu

:'- er wesentlichen Verkteinerung der rdmischen, :'idufer, deren Bauten vielfach aLs Steinbriiche'- - nachfotgende bescheidenere Sied[ungen ge-

: : rt haben.)er europiische Kontinent ist vol[ von groBar-

:;en Resten aus der Zeit des riimischen Welt--:':hs. Trier ist ein besonders gutes Beispie[::'J r (Abb. 1.8 und 1.9). Triers kutturhistorische:::eutung liegt in der auBerhatb ltaIens sette--:- Fi.ilte von erhaltenen GroBbauten und Fun-

::- aus der spetriimischen Zeit, a[s es seit 275-:-ltstadt des riimischen Westreichs war. Es

--de von Augustus 1 v. Chr. gegriindet und be-, = mit der Porta Nigra das griiBte im deutschen

l:-achraum erhattene Stadttor. Ferner besteht-::r die steinerne Rdmerbriicke, deren Pfeiter-::r heute den Verkehr tragen. In der Wieder-: -':auphase nach der Zersttjrung durch die Ate-- : -.ren entstanden der Kaiserpalast und die Kai-

,:-::ermen sowie der Dom unter Konstantin in::- spaten Kaiserzeit. Nach mehreren Zerstdrun-::- in der Viilkerwanderung wurde zuerst im-:.lh. aus Bischofssitz und i4arkt, dann noch--:s erweitert um 1250 ein neues stedtisches

,.-einwesen geschaffen. Der mitte [a lte r[i c h e, : -erring umsch[oB nicht einmaI die Hiilfte der

riimischen Stadt. Trier verblieb darin bis in das

19. J h.

Noch ein zwejtes faszinierendes Beispiel sei

an gefiih rt: die,,Nachnutzun g" der griiBten Vi l,[a

des Riimischen Reichs. die sich Kaiser Hadrian an

der Datmatinischen K0ste errichten lieB.In denMauern dieses Sommerpatastes ist die Stadt Split(Spatato) entstanden (Abb. 1.10 und 1.11).

Abb. 1.10: SpLit, Stadttor1985

Abb- 1.11: PoLast des Koise\Diokletion in Split

21

Page 20: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

Die mittelatterliche Biirgerstadt

Uberbtick

Die Neubildung der europlischen Stadt voltzogsich auf der Grundtage des Feudatsystems: Ausdem Zusammensch[uB von potitisch-herrschaft [i-cher Funktion und Marktfunktion entstand in denJahrhunderten des Mittetalters die B[irgerstadt.Die Einzelheiten ihres Auf- und Ausbaus, die Aus-weitung nach dem 0sten Zentrateuropas hin undandererseits im Siidfliigetdie Entwick[ung in derRecon quista a uf der Iberischen H a lbinset kdn nenhier njcht th ematisiert werden. Es geht vietm eh rdarum, die Besonderheit der mittelaltertichenBlirgerstadt auf dem Hiihepunkt ihrer Entwick-lung im 13. und 14.Jh. herauszustetlen, die Un-terschiede gegeniiber der Potis und den riimi-schen Stadten aufzuzeigen und die Merkmatehervorzuheben, we[che bis heute in den europlii-schen Stadtstrukturen nachwirken.

Mit dem Feudatsystem war die Siedtungsdrei-heit von Burg, Stadt und Dorf verbunden, diefreitich nicht iiberaI im mitte[alterlichen Abend-[and zur Ausbitdung gekommen ist. Im Mediter-rangebiet haben die mdchti gen Stadtrepubtikenden Adetschon damats in ihre Mauern gezwun-gen. Der erzwungene Abbruch seiner Turmbautenin den GroBstedten Itatiens belegt dies ein-drucksvo[t. Ebenso istin Fortsetzung der antikenSoziatorganisation das Land in Italien und im Sii-den Frankreichs im Besitz stiidtischer Schichtengebtieben, die iihn[ich der ,,Vi lleggiatura" der rai-

mischen Kaiserzeit die Pachthiife im weiterenStadtum[and zu 5ommersitzen ausgebaut haben(Abb. 1.12).

Im Norden derAlpen haben sich in weiten Tei-len Zentral und Westeuropas in Abhiingigkeitvom feudaten Oberbau drei Geseltschaften imRaum ktar separiert: Burgen, Stadt und Land unddamit Ade[, B[irger und Bauern. Sie waren ande-rerseits aber in vietfiltiger Weise, vor allem durchWirtschaftsbeziehungen, funktione[[ verkniipft .

Wiihrend jedoch die Grundherrschaft iiber dietdndtichen Gemeinden bis zur Grundentlastung,beginnend mit der Franztisischen Revotution,aufrecht b[ieb, ist es einer ganzen AnzahI vonStddten in der Zeit der Desorganisation der Feu-

da[gewa[ten getungen, sich aus dieser Abhiingig-keitzu befreien. Es entstanden die Freien Reichs-

stadte in Deutsch[and. die ,,vi[[es franches" inFrankreich, die,,vitla franca" in Italien und die

,,freetowns" in GroBbritannien. Fi.ir die erfotgrei-che Vertreibunq der Feudatherren bietet das Exit

des Erzbischofs von Kti[n ein Beispie[. Aus diesen

unabhdngig gewordenen Stadten sind Stadte-b0nde, wie der Ni.irnberger Stddtebund und atsgrOBte 0rganisation des Mitte[atters die Hanse,entstanden.

Die Unterscheidung von Fremden und 0rtsbiir-gern bestand auch in der mittelalterlichen Biir-gerstadt ganz ahnlich wie in der Polis. nur feht-ten die Sklaven, und iiberdies gatt die Regel

,,Stadttuft machtfrei", d. h., zuwandernde Hiirigevom Land konnten, wenn sie von der Stadt aufge-nommen wurden, der Leibeigenschaft von Grund-herren entrinnen.

Die Zersplitterung der Territorien im Feuda[is-mus brachte anstette des riimischen Biirgerrechtssomit eine Stendegeseltschaft. Der gednderteBedingungsrahmen gegeniiber griechischen undriimischen Stadten bestand ferner in der besitz-meBigen Trennung von Stadt und Land. Damitwar die Biirgergemeinde gezwungen, sich mit derProduktion von materie[[en Giitern und Diensteneinen virtuellen Lebensraum zu schaffen. Der

.,Rentenkapitalismus" der vom Boden und derLandwirtschaft und dem Export von Agrarproduk-ten mittels Sktavenbetrieben profi tierenden rii-mischen Blirger wurde durch den ,,produktivenKapitatismus" der mitte[alterlichen Stadtbiirgerersetzt. dessen Friihformen schon im 14.Jh.deutlich zu fassen sind. England gibt mit derKommerzia[isierung der Natura[[eistungen sowieder Hand- und Spanndienste durch die Feudat-herren im 14. Jh. im liindtichen Raum den Auf-takt. Eine Detegierung der gewerblichen Ferti-gung an die tiindtichen Siedlungen erfolgteinsbesondere von seiten der Patrizier in denFern handetsstadten Ftanderns, 0beritaliens undSiiddeutsch [ands.

Insgesamt hatte in der potitischen Landschaftdes Mittetatters die Stadt eine privilegierte Stet-lung. Als freie Reichsstadt bzw. ats Stadtstaat inFtandern und Itatien besaB sie a[[e Institutionenund Aufgabenbereiche. wetche dann spdter vom

22

Page 21: Die Stadt - Lichtenberger

Die mitte[attertiche Biirqerstadt

absotutistischen Ftdchenstaat iibernommen wur-Cen. Dazu ziihtten Verteidigung, Rechtsprechun g

rnd Kontrotlfunktionen iiber die bautiche und

5konomische Tatigkeit der Biirger sowie ver-schiedene Aufgabenbereiche der sozialen und:echnischen Infrastruktur, wie Schuten, Spitiiter,Siechenhauser. Bdder usw.

Entsprechend den Basisfunktionen - Markt und

gewerbliche Produktion - bitdeten Kauf[eute undGewerbetreibende die tragenden soziaten Schich-:en. Aus den Bestrebungen der Handelsherren,aie Handwerker in die Abhiingigkeit des Ver[ags-systems zu bringen, resultierten soziate Span-rungen und Konftikte. Die mittetattertiche Stadt-geschichte ist vot[ davon.

Die StadtgrOBen der mittetatterlichen Biirger-stadt sind nicht mit denen der antiken Wett ver-gteichbar. Die weit iiberwiegende ZahI der Stedte:lieb ktein und ziihlte nur wenige tausend Ein-,.,ohner. Keine Stadt erreichte die GriiBe der

stiidte im damatigen arabjschen Herrschaftsge-triet. wo z. B. fiir C6rdoba eine EinwohnerzahI,on 500 000 geschiitzt wird.

Wesenttiche. bis heute,,sichtbare" Merkma[e

ler mittetalterlichen B0rgerstadt sind fo[gende:r Die Symbo[ik von monumentaten Kirchenbau-

ten weist die Stadt ats ein Mitgtied des christ-lichen Abendtandes aus. Hierzu trdgt die For-

mensprache der Gotik bei, die sich ab dem

13. Jh. ausbreitete, ein neuer Sti[, ,,eine ver-riickt-to ltki.ih ne Technik" (Le Corbusier 1937:

,,Ats die Kathedralen weiB waren"). Das Bi[d

der Stadt wurde durch die Kirchenbauten do-

miniert, man baute sie so hoch wie miigtich,vietfach in kteinen Stedten disproportio na I i m

Gesamtbitd. Le Corbusier hat sie ats ,,die Wot-

kenkratzer 6ottes" bezeichnet (Abb. 1.13).r Der tiffentliche Bereich ist recht komplex

strukturiert, oft bestehen mehrere zentren:eine Burg des Stadtherrn, spiiter als Sch[oB

umgebaut, die Kathedrale, das Rathaus, Tuch-

ha[[en der Kaufleute. Bei Stadterweiterungenbildeten sich neue zentren mit den Ktiisternder neuen religiiisen 0rden, ihren Kirchen und

PHtzen. In den qriiBeren Stddten ist der Ge-

gensatz zwischen re[igiiiser und wettticherMacht, der in der Antike nicht existierte, deut-hch sichtbar.

r In der Aufsch tieB ung iiberwiegen schmatstrei-fige Bliicke, schmate Parzetlen herrschen vor,In der Stadtgeschichte von Freiburg jm Breis-gau ist nachzutesen, daB jeder Angehiirigeder Siedtergitde gegen einen Jahreszins von

lSchitting ein Grundstijck von 50x100 FUB

(ca. 16 x 33 m) erwerben konnte.r Grundsetztich neu ist die Konzeption des

,,ganzen Hauses" mitder Einheitvon Wohnen

und Wirtschaften. Die Baukonstruktion be-

diente sich schmaler Baustreifen mit 2 bis 3Fensterachsen an der StraBenfront. nicht nurauf schmaten Parzellen, sondern auch aufgroBftiichigen Parzelten der Patrizierhauser,wo derartige Streifen nebeneinander ange-ordnet wurden.

a Anders als bei den Hofhiiusern der antikenStadtkutturen ist das Biirqerhaus mit der repri-

Abb. 1.12: AnsichtvonSieno,1340

23

Page 22: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

4bb.1.13: V/ien,

Stephonsdom, 1770sentativen Schaufront zur StraBe hin ausge-richtet. Damit beginnen der bis zur Gr[inderzeitreichende,,Fassadenkult" und die horizontateDifferenzierung des Hauses aufder Parzette.

I Jede griiBere Stadt hatte verschiedene Stadt-teite mit jeweil,s spezifischem Charakter, ofteigener potitischer Verwattung und eigenemWappen. Ebenso bestand eine sehr ausge-prigte Viertelsbildung des Gewerbes.

r Zwischen dem tiffentlichen Raum und dem Pri-vatraum bestanden Verschran kungen: zeitlichgeregette Rechte der Altmende, Durchgangs-rechte, aber auch in Vorwegnahme des gegen-wiirtigen ha lbiiffentti ch en Raums Rechte vonBruderschaften, Ztinften u. dgt.

. Die Stadt kontrotlierte die Bautiitigkeit derBiirger mit sehr genauen Regetungen hinsicht-lich der Baupflichten bei Wiederaufbau u. dgl,.,

aber auch beziigtich der Details der Hausvor-spriinge, Batkons, Treppenaufgiinge, Siiu|,en-giinge u. dg[.

r In sozialrdumticher Hinsicht bestand eine aus-geprligte zentra[-periphere Differenzierung.In der mitte[atter[chen Biirgerstadt war derzentra[e Marktptatz mit Kirche, Rathaus, Markt-halte usw. die soziale Mitte der Stadt. Hierreihten sich die Hiiuser der fiihrenden Ge-schlechter aneinander. Uberatt dort. wo heuteHausbesitz, Handel und Gewerbe noch eineEinheit bitden, wie dies in Kteinstedten der

Fa[[ ist, hat sich das,,Soziate-Mitte-Konzept"der Stadt erhatten, welches die Denkmalschutz-bewegung ganz entscheidend unterst tzt.

Als wichtiges Erbe wiire ferner der vietfdttige Auf-gabenbereich der Stadtbehiirden sowie das Fort-leben zijnftischer Verfassungen und besitzbiir-gerticher Verhattensweisen zu nennen. Gerade indiesen zahtrejchen gewerberechttichen Details.vom Apothekengesetz angefangen bis zu den Ge-

werbeordnungen, bestehen grundsiitztiche Un-terschiede geqeniiber dem Liberalismus in Nord-amerika, wohin die Rechts- und Normenstrukturder Gesellschaft der mittetalterlichen Biirger-stadt nicht mehr exportiert worden ist.

Die Frage nach den Spietrege[n von Wachstum,

Stagnation und Schrumpfun g von Beviilkerungs-zahI und Wirtschaft der mittelalterlichen Biirger-stadt hett eine andere Antwort bereit ats fiir diegriechische Potis bzw. die Stadt des RtimischenReichs. Es feh[t der mitte[a[ter[chen Bijrgerstadtdas Prinzip der Polis mit Synoihsmus und Koto-niegriindung ebenso wie die hierarchische Kon-zeption der stadt im riimischen Weltreich. Sehrvereinfacht bieten sich drei Modelte an:1) Es bestand nur eine formate Grenze gegeniiber

Miirkten und Diirfern Uberat[ dort, wo die zahlreichen feudaten Territorien die Miigtichkeiteneiner Stadtgriindung iiberschatzt hatten undFehtgriindungen von Stadten im Spiit- undHoch mittetatter erfolgten, denen ein entspre-chendes tragfiihiges Hinterland fehtte.

2) Eine qroBe Zaht von im l,littelalter durchauserfotgreichen Stedten, deren Wachstum in derNeuzeit stagnierte, hat sich als Museums-stiidtchen bis heute in ihren Mauern erhalten,wobei sie freitich ihre bautiche Form zumeisterstzwischen dem 15. und'18. Jh. bekommenhaben (Abb. 1.14). Hierbei ist festzuhalten,daB dje zah[reichen Neugriindungen vonStedten in Abhengigkeit von den Intentionendes Stadtgriinders sowie dem reqionaten undzeit[chen Standort bestimmten Modetten fiirdie GrundriBformen fotgten. die sich im Laufe

der Jahrhunderte geiindert haben. Auf dieauBerordenttich breite Literatur zu dieser The-matik kann nicht eingegangen werden.

3) Die meisten Stiidte erhielten ihre Formjedochnicht in einem Zug. Ein kteinziigig komptexes,

24

Page 23: Die Stadt - Lichtenberger

Die mittetaLterliche Biirgerstadt

unregetmSBiges, jedoch zusammenhdngen-

des StraBennetz ist daher die Regel, in dem

zumeist nur die FuBgdngerstraBen zu denje-weiligen Landmarken dem Fremden eine 0ri-entierung gestatten.

Grundsltzlich bestanden beim Stadtwachstumzwei u nterschied [ich e Miigtichkeiten: zum einendie Stadterweiterun g durch Einbeziehung auBer-halb der Mauern entstandener Vorstedte in einenneuen Mauerring, Wien bietet hierftir ein Bei-

spie[, zum anderen der Fortbestand von mehre-ren nebeneinandergelegenen Stidten bis in dieZeit des absotutistischen Flachenstaates. Prag

wird ats Beispie[ vorgeste[[t.Zumeist erfotgte die neue [Jmmauerung erst,

wenn das bisherige Gebiet verbaut war. Nur diegroBen Stadterweiterungen wie in Prag, in Ita[i-en in Florenz, Sien3, Bologna, Padua oder auch

in den Niederlanden in Gent erwiesen sich ats zu

gro13, so daB der neue Mauerring lange Zeit offe-ne, unverbaute Fldchen umschtoB.

Die Prager Stadte im Mittelalter

Prag bietet das beste Beispiel fiir eine zuniichstdurch spontanes Wachstum [dngs der lJferwegezwischen der Burg Vy5ehrad im Sliden und derFurt liber die Moldau zur Prager Burg entstande-'e Marktsiedtung, an die im Hoch- und Spiitmit-:elatter mehrere p[anmaBig angetegte Stedte an-geg[iedert wurden. Durch die im Zusammenhangiit der Griindung der,,Gatlusstadt" (1230) er-

'olgte Ummauerung entstand die.,Prager Alt-stadt" (Abb. 1.15).

5ie war fliichenmdBig mit ca. 140 ha annShernd

;leich groB wie Wien nach der groBen Stadter-

^eiterung unter Leopotd VI. (1198- 1230).

Interessanterweise fehlt in Prag ein Nachweis

ir die Verteihung eines eigenen Stadtrechts. Da-

;egen wurden einer Fern ha n delssied [u ng von

:eutschen Kaufleuten in Prag bereits 1174-:178 von Fiirst Sobeslav II. ihre Vorrechte be-iitigt. Noch wichtiger war ihre Verlegung auf:en zentralen Standort des Altstddter Rings

Abb. 1.17), und zwar auf kiinig[iches Territorium

'- Verbund von Kirche (Teynkirche, Abb. 1.18),

Jottamt" und Spitat. Ats Institution erinnert der

Prager,,Teyn" an das ,,Haus der deutschen Kauf-

teute" in Venedig (Fondaco dei Tedeschi, gegr.1,225) und an die flir Giste bestjmmten Kauf-

mannshiiuser in anderen europiiischen Stiidten.Schon friih siedette sich dortjiidische Beviitke-

rung an. Im Unterschied zum Wiener Ghetto, das

1441 mit der Vertreibung der Juden aufgetiistwurde, bestand das Prager Ghetto (die splitereJosefstadt), trotz mehrerer J udenvertrei bungenmehrfach erweitert und in der Spetgrijnderzeitumfassend staattich saniert, als Wohngebiet jii-discher Beviilkerung bis zum Holocaust.

Fr[iher a[s Wien, ndmtich schon im Spdtmittet-alter, etabtierte sich Prag ats kaisertiche Resi-

denz des Luxemburqers Kar[ IV. Euphorische Be-

schreibungen von Zeitgenossen haben Prag im14. Jh. in eine Reihe mit IstanbuI und Paris ge-

stettt. Die Bezeichnung ats mitteta[ter[che Me-

tropote erscheint gerechtfertigt. Zu den Friihfor-men der Reichsverwattung und der Verwattung

des groBen und durch Sitber- und Gotdbergbaureichen Kdnigreichs Biihmen kam die frlihe Urba-nisierung des Adets, d. h., auch der Ade[ hatte inPrag sein Zentrum. Hier wurden die Landtage ab-gehatten, die LandtafeI ats zentra[e Evidenz altesaltodiaten Ade[sbesitzes gefiihrt, hier tagte das

Landgericht ats Gerichtshof fiir den Adet. Um dieErhiihung Prags zum Sitz eines Erzbischofs archi-tektonisch zu symbolisieren, begann Kar[ IV.

7344 den Bau des Veitsdoms. 1348 erfotgte

Abb. 1.14: Cotcossonne,

Fronkreich

25

Page 24: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

EffiJ amrsiedtungst"r-n

Abb- 1.15: Die ProgerAltstodt um 1230

Abb. 1.16: Die ProgetStiidteuntet Korl IV.

fiiiiil

mmWmffi kLi;sterz.T. spater

rl Bl[?:ill'Attst;dter Ring

Fteisch markt

jiidischer Frjedhof

lJniversiut

Stadtmauer

Attstadt

l(einseite

Hradschin

jiidisch€s Ghetto

tpatere Ghetto-etueiterungFernhandels-siedLung

Gatlusstadt(u. EMeitenrng)

Lange Gasse

Ghetto (speterJosefstadt)

o

o@

-T Torstra8e

o [:x]llH'*'I x;rct"n

(q/' 5ynaqoqe

Kirchen: A= st. Anno, Ae =st. Aegidi, B= Bethl.ehemskirche, c=sL cqstuLLus, G = st. Gauus, HG = HI.-Geist-Kirche, J =5t. Johon.nes (obgetrogen im 18. Jh.), L = St. Linhoft (obgetrugen 1787), La = St. Lowentius, M = St. Moftin on dertiauet. NG = Mutteryotleskiche on det Loke (?), t'tk = it. t4;tin die kLeinere (?). R = Ht. Kreuz (Rotunde). V =SL VoLentin (in josefinischerZeitze5fii) Kliister: k = Klaissinnenkioster, KL = KLiientinum. M = Miioitenktoster

Hradschin@ Attsta(

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ErweiterungKteinseite

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Viehmarkt

l(artsbrLicke

Kleinseitner Rin g

b :.)-rr. rs

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Rathaus

Stadttor

26

Vyaehrad

Page 25: Die Stadt - Lichtenberger

Die mittel.a Lterti ch e Bi.jrgerstadt

Eteichzeitig mit der Errichtung der Universitet,Cer ersten jn Mitteleuropa, die Anlage der Neu-

stadt von Prag. Damit wird die Reihe der Griin-lungen von Prager Stidten, wetche Ottokar II.:urch die Griindung der Kteinseite 1257 begon-ren hatte, auf die um 1320 die Erhebung des

lradschin zur Stadt gefolgt war, fortgesetztAbb. 1.16).

Die Dimensionen der Neustadt, insbesondere:ie beiden groBen PEtze, der Wenzetsplatz und:er Kartsplatz, 0bertreffen attes, was sonst imvittelatter an geptanter Stadtgestattun g nach-aeisbar ist. Der Wenzetsplatz, der einstige RoB-

-arkt, maB in der Breite 2 Seite (die damals iibti-:-e MeBeinheit, d. h. ca.24,2 m) bei einer Ldnge

.ln fast 800m. Der Karlsptatz, der einstige,'ehmarkt, war doppelt so breit und nahezu

;.eich [ang. Mit Fliichen von 3,87 ha bzw. 8,05 ha-a.rdelte es sich um die damats griiBten Ptiitze:..r.opiiischer Stiidte.

Ein Mauerring von 3,5 km Lange mit insgesamt:3 Toren umschloB die Neustadt. In der Anlage:es StraBennetzes, vor a[[em in der Breite ders:-aBen, ist eine Vorwegnahme des barocken

5idtebaus erfo[gt, breite Bou[evards ersetzten:e fuBgiingerbezogene Enge der Gassen der mit-

=-alterlichen Attstadt in Prag. In der Neustadt

:*rdgt damit das Verhii[tnis von Verkehrsfldche

Abb. 1. 1 7 : Pruget Altstadt,Ring

Abb. 1.18: Prog, feynkiche

Page 26: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. 1.19: Stadtzentrum von

Son Ginignono

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

zu Baubtockfteche 1:1 gegenliber 1:3,5 in derAttstadt.

Die vier Prager Stiidte hatten zur Zeit Karts IV.eine Fliiche von rund7,47 km?, davon war mehra[s die Helfte unverbaut und wurde von Gerten

und Weingarten eingenommen. Diese enormeBautandreserve konnte die Entwicktung der Stadtbiszum Beginn des l9.Jh.sauffangen. In diesem

Stadtraum lebten zur Zeit Karts IV. schiitzungs-weise zwischen 35000 und 40000 Menschen,vor dem Ausbruch des Ersten Wettkriegs ijber200 000.

Uber dem gl.anzvol.ten bautichen Erbe der Me-

tropote Prag unter Kar[ IV. werden heute die

Schattenseiten dieser Periode vergessen. Prag

besaB im 14. J h. den ausgepragten Charakter ei-ner Residenzstadt. gekennzeichnet durch das

Vorhandensein einer breiten Schicht nichtpro-duktiver Beviilkerung mit hohen Ansprlichen hin-sichtUch des Konsums von Waren und Diensttei-stungen, in erster Linie Angehiirige des Adets,

des Kterus und des Hofstaates. Durch deren Nach-

frage entstand eine,,Konjunktur", die nahezu

v6tlig von eben dieser Resi denzfu n ktion abhiin-gig war. Konkret bedeutete das die Abhiingigkeitvon den Investitionen des Kiinigshauses in die

bauliche Ausgestattung der Stadt und in die Hof-

hattung. Mit der Residenzfunktion war anderer-

28

Page 27: Die Stadt - Lichtenberger

seits eine starke Zunahme und breite Auffiiche-rung nichtbiirgerlicher unterer Schichten ver-bunden. Diese umfaBten Schreiber, TUrsteher,Boten, Lastentrager usw. sowie das umfang-reiche HauspersonaI ebenso wie Grenzexistenzenin G esta [t vo n Getegenheitsarbeitern, Tag[dhnernund schlieBtich Bettter, Dirnen und fahrendesVoIk. Hier fand die soziatrevolutioniire Richtungder Hussiten eine zahlreiche Anhdngerschaft.

Die politische Kontro[te des Herrschers [iberjje Stadt hat ferner die weitgehende E[iminie-'ung der sozr'alrechtlichen Unterschiede von-r a ndetsherren und Handwerkern begiinstigt.Schon unter Kar[ IV. wird vom Vordringen der-andwerker in die Setbstverwa ltu ng berichtet.\ichtsdestoweniger bestand in Prag weiterhin:ine reiche bi.irgertiche 0berschicht, der man':nten kapitalistische Ziiqe zuschreiben kann.

Mittetaltertiche Wohntiirme

1..:f die Wohnformen der mittelalterlichen Stadt-:esetlschaft wird in dem Kapitet,,Wohnraum und

-.-eltschaft" eingegangen. Hier sei nur eine,i:hnform herausgeste[[t, die nicht an die,i lhntradition der Neuzeit wejtergegeben wur-::: der,,Wohnturm", der sich a[s,,festes Haus"-':ht in die Reihe der Biirgerhiuser einordnen:3, sondern diese iiberragte. Derartige Wohn-

:--me sind im l'4ittelalter ein Kennzeichen von::-ienischen Stedten gewesen, deren erstar-.:-de Gemeindeautonomie die Patrizie rfa mili e n

:L:ng, die Tijrme abzubrechen (Abb. 1.19).: - -1er in zahlreichen itaLienischen Stiidten fin-::- sjch gegenwartig noch Beispiete in Regens-: -'g und Wien, aber auch in einzelnen spa--'::hen Stadten (Abb. 1.20).

, Jn lnteresse erscheint es, darauf hinzu-:'-<en, daB in Prag Ausgrabungen im Raum

::-. Attst;dter Ringes mehr ats 70 derartige- : - a nische Woh nbauten beLegt haben. Ihre:-'hafte Architektur (Abb. 1.21) erinnert an

: : ,lohntiirme ita[ienischer Stadte, ein Stra-:-:ezug fehtt. Feudatmagnaten, Wechster von

i:: neta[Len und Kaufteute werden a[s Erbaueri--utet. 0ie Turmbauten waren nur iiber Au-.:-:'eppen zugiinglich und verweisen uns dar-

Die mittetattertiche Biirgerstadt

auf, daB die Siedtung selbst zur Zeit der Errich-tung noch unbefestigt war.

Die itatienischen Beispiele belegen die techni-sche Mdglichkeit eines,,Hochhausbaus" im mit-tetatterlichen Europa, bei dem nicht die Leiter-technik wie bei den Reihenhlusern Verwendungfand, sondern mit dem Hochziehen der Turm-mauer auch diejeweitige Ptattform flir die Arbeiter angehoben wurde.

Abb.1.20: RomonischetWohntum in Segovio 1978

4bb.1.21: HistoischeWohntime in Prcg

00o0

29

Page 28: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Abb. 1.22: Direr StadtpLonnit zentrotem Schlol3 (1527)

Die Residenzstadtdes Absolutismus

0berbtick

In Vorwegnahme des Konzepts der absolutisti-schen Fijrstenstadt hat Atbrecht DUrer (1471-1528) in der knapp vor seinem Tod 1527 erschie-nenen Schrift ,,Ettiche underricht zu befestigungder Stett, 5chtoB und Flecken" den ldeatptan ei-ner Stadt gezeichnet, die nie gebaut worden ist(Abb. 1.22).In [ibereinstimmung mitdem neuenpotitischen System des Absolutismus gibt Diirerdem SchtoB eine ktare zentrate Position in derMitte der Stadt. Die einzige Kirche mit dem Pfan-haus wird an den Rand der Stadt versetzt, Kliisterfehten iiberhaupt. Der Duatismus zwischen wett-[icher und hrchlicher Macht wird damit ktar stiid-tebau[ich zugunsten der ersteren entschieden.

Mittag

Die Bi.irgerstadt wird beibehalten, aber ebensowie der Markt in einen iuBeren Ring verschoben.Bei den Baubliicken wird von Dtirer die mittetal-tertiche Langstreifenform weiter verwendet, wo-bei ganze und ,,halbe" Parzelten, mit 50 bzw. 25

Schuh Breite (ungefiihr 15 bzw. Z5 m), unter-schieden werden.

Der Aufbruch der Renaissance und des Barockim Stiidtebau des abso[utistischen Landesflir-stentums brachte mit dem Zuriickgreifen aufan-tike Vorbilder neue GrundriBformen. 0ie Wieder-entdeckung von Vitruv flihrte zu einer Ftut vonEntwiirfen fijr Ideatstedte im Rastersystem, neuwar die Betonung der radialen Konzeption. DieRenaissance entdeckte den Menschen: Dessen

unterschied[iche Vorder und Riickansicht spie-gett sich in der Asymmetrie der Stadtantage beineuen Residenzstedten wider. Somit unterschei-den sich die vieteckigen oder strahtenfiirmigenSGdte der Renaissance und des Barock in ihrer

Niedergang

\

Ungen:

,ooschuh -50 Schuh -

25 Schuh -

SSchtoB

3 Krche

lRathaus

ZZeughaus

L tagerhaus

Ftrauenbad

Mennerbad

G GieBhiitten

I Holzwerkstitt

Itl Markt

) stadttor

P o Erunnen

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EflflffiMffiffiHI::E]

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ffiffiffiffiffiffiMW HHHffiffi,JJ,

30

Aufgang Mitternacht

Page 29: Die Stadt - Lichtenberger

Die Residenzstadt des Absolutismus

An[age grundsetztich von den geptanten griechi-schen Stadten der Antike dadurch, daB sie immerauf einen Platz, das Sch[oB oder das Tor hin aus-gerichtet waren und das gesamte umgebendeWohngebiet dem Zentrum untergeordnet wurde(Abb. 1.23).

Die in dieser Epoche entstandenen Stadte sindals Manifestationen potitischer und mititiirischerZentratmacht zu verstehen (Versailtes, Karlsru-he, Mannheim, 5t. Petersburg). Das

SchtoB als Sitz des Herrschers war derl.littetpunkt der Stadt, deren Elemente(StraBen, Pliitze, Baubtiicke und Parkan[a-gen) fotgerichtig zur Konkretisierung dieserneuen Zentralkonzeption eingesetzt wurden.

Der Baublock wurde nicht im Hinblick aufWohnbedingun gen und Wohnmtiglichkeiten, son-dern in erster Linie ats formates stiid-tebau[iches E[ement verwendet.StraBen dienten nicht primir atsErsch [i eB un gselem ente des Stadt-raumes, sondern erhietten vorwiegendstrategische und damit die absolutistische Herr-schaft sichernde Aufgaben. Der St5dtebau ver-ryendete Achsenkonzepte, diagonale und radia[eStraBenziige als neue Grundelemente und ge-staltete StraBen und Ptatze mittels reprasentati-ver Fassaden ats Kutissen fiir hiifisches und mi-litiirisches Zeremonie[[. In Paris kaufte z. B. dieStadt die Fassaden von Heusern an wichtigenStraBen und Pliitzen, tieB daflir von Hof- undStaatsarchitekten neue Entw[irfe anfertigen unddie Fassaden umgesta[ten, wihrend das hinterder Fassade [iegende Haus samt dem Grundstiickweiter im Besitz des jeweitigen Eigentiimersbtieb.

Die Zah Ider neugegriindeten Stidte btieb ins-gesamt klein, doch fotgten zahtreiche Stadter-ireiterungen von wachsenden Stiidten der Geo-metrie antiker Vorbi[der. Ein Beispiet hierfiir istder Ausbau von Turin in den Jahren 7620, 1,673und 1714 (Abb. 1.24).

Die beschriebenen stidtebautichen Merkma[ebitden jedoch nur eine Seite der Medaitle. Es istdie Frage zu ste[[en: Wodurch unterscheidet sichdie Residenzstadt grundsdtzlich von vorange-gangenen und fotgenden Stadttypen? Max Weber(1956) hat die Marktfunktion als entscheidendes

MerkmaI der Stadt angesehen, Werner Sombart(1902) hat von ,,Sttdtegriindern" und ,.Stedte-fiitlern" gesprochen und den Produktions-iiberschuB fiir ein weiteres Hinterland als Grund-[age der stiidtischen Existenz beze'ichnet.

Wendet man diese Theorien von der Bedeutungvon Produktion und Vermarktung aufdie histori-schen Stadttypen Europas an, so kann man starkvereinfacht feststelten, dal'l fUr die mitte[atterli-che Biirgerstadt die Marktfunktion, f[ir die Indu-striestadt die Erzeugung von SachgUtern diewirtschaftliche Basis bitdeten. 0ie Residenzstadtbrach aus dieser von wirtschaft [ichen Funktionenbestimmten Reihe aus. Sie war in ihrer Existenzan nichttikonomische Aufgaben administrativerund kulture[[er Art gebunden.

Abb. 1.2j: StadtpLan von

Mdnnhein

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Page 30: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

Ende 16.Jh-Ab b. 1. 24: Sto dterweite-rungen in fuin in 17. und18. Jh.

Diese Funktionsverlagerung ist atlerdings nurverstdnd[ich vor dem Hintergrund der Entste-hung von FHchenstaaten, welche vom abso[uti-stischen Landesflirstentum in administrative Ein-

heiten gegliedert wurden. Dabei ijbernahm der

Staat die Aufqaben, wetche bereits die vot[ ent-wicke[te mittelatterliche Biirgerstadt wahrge-nommen hatte. Dazu gehiirten die Verteidigung,Rechtsprechunq und Aufgaben der sozialen und

technischen Infrastruktur, aber auch die Kontrot-[e iiber die bautiche und iikonomische Titigkeitder Biirger. Damit subordinierte der Staat diestiidtischen Behiirden unter die neugeschaffenen

0rgane seiner Administration. Gteichzeitig wurde

das Gefiige der Biirgergemeinde durch die Urba-nisierung des Adels gesprengt. A[erdings wurde

der AdeI nicht iibera[[ in der Stadt ansessig. ImRaum des deutschen Altsiede[[ands, im Machtbe-

reich der Hansestedte und vor a[[em in GroBbri-tannien verbtieb eraufdem Lande.

Mittets neuer Verkehrstechnotogien - zuerstdes Kanalbaus (vor altem in Frankreich undPreuBen), speter der KommerzialstraBen in derHabsburger-Monarchie (in Frankreich: Routes

Napo16on) - wurden Stidte der oberen und mitt-leren administrativen Rangstufen an die jewei-[ige Hauptstadt angeschlossen. Zah[re'iche Ktein-

stadte btieben abseits, ihre Erreichbarkeit unddamit i h re Verkeh rsq ua litiit nah men retativ ab.

im Stedtebau steigerte die Barockzeit das aus

dem Mittetalter getaufi ge Reprasentationsprinzip

zum Monumentaten hin. Sichtachsen zu Schtiis-

sern und sonstigen Monumentalbauten entstan-den und ersetzten a[s breite Boulevards fiir Rei-

ter und Kutschen die fuBgiingerbezogene Enge

mitte[atterticher Gassen. Weitraumige Parkanta-gen dienten als erganzende E[emente architekto-nischer Gestaltung. Das SchtoB des Herrschers

bildete die neue ,,sozia[e Mitte" der Stadt und da-mit das Zentrum einer sozialriiumlichen Gtiede-rung, von dem aus sich die sozialen Gruppen

fecherfiirmig zentra[-peripher anordneten.Die Residenzfunktion brachte neue Sozia[grup-

pen in die Stadt: Adetige, Beamte,offiziere. Der

Ade[ driingte in den Dienst des Hofes und wurde

so in der Stadt ansdssig. In GroBbritannien ver-btieb erjedoch weitgehend auf seinen [dndtichenBesitzungen und bezog nur episodisch seine

1:40 000

Page 31: Die Stadt - Lichtenberger

.,town houses". Damit fehlte hier ein wichtigesBeviitkerungsetement, wetches in den Residen-zen Kontinenta[europas fiir die Bautdtigkeit derBarockperiode die MaBstebe setzte. Dem Lebens-stiI der neuen Soziatgruppen entsprechend ent-standen neue Wohnbautypen, niimlich der Adets-patast und das Beamtenwohnhaus.

Besonders ei ndrucksvotte dua[e Stadtstruktu-ren sind 0bera [[ entsta nden, wo mitteta lte rlich e

Blirgerstedte in der Zeit des Absotutismus zu Re-

sidenzen des jeweiligen Herrscherhauses wur-den. Dortverschmotz die eltere Biirgerstadt mitder ,,Flirstenstadt". und angetagert an das SchtoBgetangte ein adetiger und hiifischer Stadtsektorzur Ausbildung.

Aufgrund der absotutistischen Machtstruktu-ren erfotgte ein Transfer des Besitzes an Grund,Boden und Heusern von der alten biirgerlichenElite an die neue Elite des Adets und des Hofes.Das Biirgertum wurde vielfach aus der Stadt inden Vorstadtraum abgedriingt, gleichzeitig damitjedoch die Eigenschaft der Stadtmitte ats soziateUitte versterkt. Der Duatismus des Soziatsystems6uBerte sich im Vorstadtraum ats seldorales Prin-zip, indem liings der AusfattstraBen Gewerbevor-.tddte und in den Interstitien in attraktiver LageJie Sommerpatdste des Adets entstanden.

Im neu aufgeschtossenen Getinde kam es zueiner fliichigen Segregation nach Herkunft, Stand.rnd Vermtigen, wiihrend in der Stadt die vertika-.e und horizontate gesettschaft liche Differenzie--,rng der Mietshduser eine Integration verschie-rener Stende unter einem Dach zur Folge hatte.Aufdiese integrative sozia[e Funktion des iitteren<ontinentateuropeischen Mjetshauswesens wird-och eingegangen. Die duate Struktur der Stadt'Jhrte schtieBtich in weiterer Konsequenz in der:itybitdung des 19. J h.s zur Zweiteitung in Wi rt-;chafu- und Regierungscity.

In einer spiiteren Phase der absotutistischeni.a, die in der politischen Geschichte ats aufge-< ji rter Absotutismus bezeich net wird, waren die

;-oBen Stiidte nicht mehr imstande, ihren Be-:a rf an gewerblichen Produkten fiir den eigenen(onsum und den Fernhandel setbst zu decken.:'ne Delegierung der gewerblichen Fertigung an:'e tlindlichen Sied[ungen erfo[gte, iihntich wie:'es die Fernhandetsstadte Ftanderns, 0beritati-

Die Residenzstadt des Absolutismus

ens und Siiddeutsch[ands bereits im Mittetaltergetan hatten.

In den Stadten setbsttrat eine Differenzierungdes Biirgertums ein: Die neuen wirtschaftlichenFiihrun gskriifte, die GroB hiindter, Bankiers undUnterneh mer des Manufakturwesens, formiertensich zu einer,,zweiten Gesettschaft". die neben

der ,,ersten Geseltschaft", der Aristokratie, wach-sende potitische Bedeutung gewann und sich ineigenen StadMertetn von AdeI und Hofseparier-te.

Die Wiener Agglomerationim l8.Jahrhundert

Wien war mit rund 180000 Einw. um 1770 diedrittgriiBte Stadt des Kontinents und bietet einvorzi.igtiches BeispieI fiir den Dua[ismus von mit-te[alterlicher Biirgerstadt und barocker Residenzund gteichzeitig fiir den Vorgang einer barockenSuburbanisierung (Abb. 1.25). Es kam einerseitszur besitzmiiBigen Abtiisung der bUrgerlichenHausbesitzer durch Adet. Geistlichkeit und hof-zugewandte Schichten und andererseits zu ei-nem enormen Wachstum der Vorstiidte, so daBsich das Verhiittnis zwischen der Stadt und denVorstedten im Laufe des 18. J h.s von 1 : 2 auf 1 : 5

verschob. Hierbei versterkten sich die Unter-schiede zwischen der barocken Stadt und den ba-rocken,,Suburbs".

Die soziaten Kontraste zwischen Stadt und Vor-stadten kiinnen um die Mitte des 18. J h.s auf diesehr einfache Formel gebracht werden, daB inder Stadt in erster Linie die Angehiirigen desAdets und die Vertreter des ter$aren Sektorswohnten, wdhrend in den Vorstiidten die Sozia[-struktur von der in der Produktion tltigen Be-viiLkerung bestimmt wurde. Im Hjnbtick auf dieHerkunft sonderte sich die liberwiegend ortsbiir-tige Beviitkerung in der Stadt von der [iberwie-gend fremdbiirtigen BevOtkerung in den Vorsted-ten ab.

In der Stadt hatten die Patiiste des Adels diegotischen Biirgerhiiuser auf einzetne Gassen ver-driingt (Abb. 1.26). Der GroBhandel befand sichin der Hand ausliindischer Kaufleute. Die Ktoster-aufhebung unter Joseph II. hatte das Probtem

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Page 32: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

Ab b. 1. 2 5 : Sozi s lrii u m Li ch e

Gliederung von Wien un1770

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Vororte

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EEEE Biirgertiche VierteLmit hohem Anteit ffil Viertet mit hiiherem Anteilry von GroBhandel.leuten rrnd B:nkier( E=H von Beamt€n

Biirgerliche Viertet mit hohemAnteiI von Gewerbdreibendan

B ij rgerliche Viertet mithohemAnteitvon Beamten

Sommerpatiste undParkanLagen des Adet5

[ffi tastohneMertet

P;!;-;l BiirqerticheE:o--oJ [rndhaulviertel

VorstiidteGast- und Verkehrsgewerbeta ngs Ausfatl5traBen

iiberqreifende fu n ktionetleEtemente und Landnutzung

ffi 2ff5y;3;c;u,",19i",+ Kloster

fil r"l;t"n

@ miintn

fil zi"g"t"i"n

: HauptgescheftsstraBen

lilll 6".iir"flii.h",

Fl weinserten

[-, -Il eug.End"

M Gewerbevi€rt€t

Kleinhandwerker- undTagtiihietuiertet

(leinhandwerker- undTagtiihnerorte

Wein hauerdii rfer mitSomrnerfrischenfu nktion

34

lffi Gertn"rri"dtrng"n

Page 33: Die Stadt - Lichtenberger

Die Residenzstadt des Absolutismus

der Unterbringung der neu begrlindeten iiffentli-chen Behiirden zumindest kurzfristig getiist, das

Getd- und Finanzwesen begann sich baulich zuverselbstindigen.

In den Vorstadten bestanden Unterschiedezwischen der Stadtgemarkung und den urspriing-tich diirftichen Gemarkungen. Auf der Stadtge-markung reihte sich lengs der FernstraBen das

Gast- und Verkehrsgewerbe an, auf grundwasser-na hem Auengeliinde breitete sich die ins l''!ittet-atter zuriickreichende Standortgemeinschaft vonGemiisegdrtnern und Mitchmeiern aus. WeiteFtlichen nahm die - um einen modernen Termi-nus zu gebrauchen - ,,Zweitwohn ungsperipherie"des Adels ein. Auf der Stadtgemarkung erfolgteauch zuerst die Anlage von Wohtfahrtseinrich-tungen des Staates; Armen- und Waisenheuserentstanden, ebenso Kasernen.

Im westtichen Sektor des Stadtum[andes reich-ten diirfliche Gemarkungen nahe an die Stadt-mauer heran. Sie wurden erst 1689 in den Burg-friedensbezirk der Stadt einbezogen. Seithertegten hier geist['iche und we[t[iche GrundherrenptanmEBi g Vorstiidte an, ats Auffangquartieresowoh I ftir die zwangsweise vom H ofquartiersa mtaus der Stadt ausgewiesenen Gewerbetreibendenats auch fiir Zuwanderer aus dem DeutschenReich und dem westlichen Aus[and, insbesonderedie speter privitegierten Manufakturisten. DieVietfatt der AufschtieBungsformen ist aus Abb.1.27 zu entnehmen.

Sie reichte von der spontanen Aufsied[ung aufdtirflichen Gewannfturen, wodurch ein btockwei-ses Nebeneinander von extrem tiefen Parzetlenund Durchbruchsgassen entstand, bis zu kleinenPtanan lagen, vorwiegend auf Gutsblockfluren.Schon sehr frlih kam es zu spekulativer Grund-stiicksausschtachtung in Form von sehr kLeinenParzellen, wie sie im Vordergrund in der knapp''rach 1700 gegrtindeten Vorstadt Spittetberg zuerkennen sind.

Im Hinbtick aufdie Landnutzung entsprach dieffiener Sjtuation 1770 noch viiltig dem Thiinen-schen Modell der Stadt im isotierten staat. ImSamatigen Augetinde der Donau und des Wien-i.usses breiteten sich in Stadtniihe Gemiiseger-:en aus, die bis ins spiite 19. Jh. ats Barriere ge-

-ieniiber der Verbauung wirkten.

Die im Thiinenschen Modell anschtieBendeZone des ,,Stadtwatdes" war im Wiener Vorstadt-raum auf den Sektor des Auwatdes der Donau

beschrdnkt, der sich im Besitz der Habsburgerbefand. Auf den Terrassenabfii[[en im Vorstadt-raum breiteten sich bis zur zweiten Tiirkenbela-gerung im Jahr 1683 ausgedehnte Weingartenaus. 5ie befanden sich im Besjk der Stadtbiirgerund gelangten dann an den Adel, der an ihrerStelte in der Barockzeit in aussichtsreicher Lage

Sommerpa[aste inmitten weitraumiger Parks er-richtete. Wein- und Gemiisegirten und der Wa[d

waren somit der Neuanlage und Ausweitung der

Abb.1-26: Wien un 1770,goti sche B irgeh ij user u n dborocke AdelspoLi)ste

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Page 34: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

,.blirgertichen" Vorstedte im wesenttichen ver-schtossen. Diese entwickelten sich daher in er-ster Linie auf Kosten des Ackertandes.

Vor attem die Voge[perspektiven aus dem spii-ten 18. Jh. zeigen die Vorstddte und Vororte vonGerten durchsetzt. Aufgrund der verhiltnismdBigniedrigen Verbauung und der ausgedehnten Griin-raume entstand bei modernen Stadtebauern undArchitekten daher die Itlusion einer stddtischenIdytte, eines harmonisch ausgewogenen, iiber-schaubaren Gemeinwesens. Llbersehen werdenhierbei die enormen Probleme der Solalhygiene,wonach in Wien, iihntich wie wir dies aus London

wissen, die Sterbtichkeit hiiher war ats im an-schtieBenden [iindlichen Raum. Auch die Beviit-kerungsdichte in der Stadt war mit rund 5OO

Menschen pro Hektar (um 1780) auBerordentlichhoch, wenn man bedenkt, daB gegenwiirtig inDeutschtand 250 Menschen pro Hektar a[s 0ber-grenze bei Stadtentwicktungsvorhaben gelten.Dazu kam ein weiteres gravierendes Problem,nimtich die Wohnraumbeschaffung seitens derZuwanderer. Gelang es ihnen nicht. in die Haus-hatte der Gewerbeherren und des Adels aufge-nommen zu werden, so ziihlten sie zum Heer derObdachlosen, die attabendlich von der Potizei

Abb. 1.27: Wiener Vorstddte,1785

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Page 35: Die Stadt - Lichtenberger

Die Residenzstadt des Absolutismus

iiber die,,Linie" aufs freie Fetd hinausgeschafftwurden.

Die Gese[[schaft der Residenzstadte

Die Gesetlschaft der Residenzstiidte des absotuti-stischen Staates unterschied sich in wesentlichenMerkmalen von jener der mitte[attertichen Bi.irgerstadt (Abb. 1.28). Das wichtiqste Kriterium fiir dieViertetsbi ldung war die Retigionszugehtirigkeit.Das Prinzip des ,,cuius regio, eius re[igio" iiuBertesich darin. Daraus resuttjerte u. a. die Abkapse-[ung der griechischen Hiindter orthodoxen Be-kenntnisses ebenso wie von mohammedanisch-tilrkischen Hiindtern und jiidischen Fami[ien.

Die gegenwirtig im Fortschreiten begriffenedemographische Segregation, d. h. die riiumticheSeparierung der stedtischen Bevtitkerung nachAttersschichten und Haushaltsformen, wie siei nsbesondere Nordamerika kennzeichnet, fehtte.Vielmehr wiesen die einzelnen Stiinde spezifischedemographische Merkmate und ein spezifischesgeneratives Verhatten auf. Nicht nur der Ade[fotgte dem aufwendigen Personaltuxus des Ho-fes, sondern ebenso die Angehiirigen der.,Zwei-

ten Geseltschaft", welche iiber das Finanz- undManufakturwesen zu Reichtum gekommen wa-ren. Der Dienstbotentuxus am Ende des 18. Jh.s,also vor dem Beginn der Industria[isierung, ats

aufjeden erwachsenen Angehiirigen des Adelsund des Beamtentums ein Dienstbote entfiet, istz. T. mit heutigen Verh5ltnissen in den Stedtender Dritten Wettzu vergleichen. Im Wien des Vor-mirz waren in Palesten des Hochadels bis zu 100iiberwiegend tedige Personen mit der Aufrechter-haltung einer aufwendigen H a us ha ltsfii h ru ng

beschiiftigt. Gteichzeitig bestand in der Adetsfa-milie selbst auch eine recht komplizierte Strukturinsofern, ats neben dem Dreigenerationenver-band der Hauptfami[ie noch eine AnzahI entfern-ter Verwandter i m setben PaLast lebte.

Der AdeI setbst war um diese Zeit eine iiuBerstvietgtiedrige Schicht. Diese reichte vom altenHof- und LandadeI iiber geadette Angehiirige des

Beamtenstands und Hofdienstes bis zu den Vor-boten der,,Zweiten Gesetlschaft ' des Vormiirz,GroBkaufleuten, Manufakturisten und Getdge-bern der Regierung.

Im Hinbtick auf die Kinderzahlen bestandenbeachtliche Unterschiede zwischen den einze[-nen Standen. Die Adelsfamitien hatten mit Ab-

Abb.1.28: Groben in Wien

un 1715

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Page 36: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

stand die griiBten Kinderzahlen, nicht zuletztdesha[b, weil bei der AuswahI der Ehefrauen derAspekt der Sicherung der Gesch lechterfo[ge vielfach den Ausschlag gab und iiberdies das Alterder Frau meist wesentlich niedriger war ats dasdes Ehemannes. Anders beim Gewerbeblirger-tum, wo aufgrund der Institution der Einheiratviete Ehen kindertos btieben. Der Beamtenstandsonderte sich vom Stand der biirger[ichen Gewer-betreibenden durch ein anderes generatives Ver-hatten ab. Ein hdherer Prozentsatzvon Ledigenund im Fatle der Famitiengriindung eine niedri-gere KinderzahI ziihlten zu seinen demographi-schen i4erkmalen, Es kann kein Zweifeldariiberbestehen, daB der Beamtenstand bereits in vor-industrie[[er Zeit ats erste stedtische Beviitke-rungsgruppe iiberhaupt mit der Geburtenbe-schriinkung begonnen hat. Dies ist begreiftich,war doch fiir den Beamten das Vorhandensein ei-ner Hausfrau fi.ir die geordnete Betriebsflihrungkeineswegs so notwendig wie fiir den Gewer-betreibenden, der fiir die Wahrnehmung ver-schiedener Aufgaben, wie die Verkiistigung undVersorgung der Lehrlinqe und Gese[en, die Be-treuung der Kunden sowie die Pftege und In-standhaltung des Hauses, ganz wesenttich aufdie Tiitigkeit seiner Frau angewiesen war. Vie[-fach lebten Beamte mit weib[ichen Verwandten,der verwjtweten Mutter oder der [edigen Schwe-ster, gemeinsam in einem Haushalt.

Ein sehr wesentticher Faktor war das MerkmaIder ortsbiirtigkeit bzw. der,,Fremdbi.irtigkeit",wetches seinerseits mit der demographischenStruktur gekoppe[t war. Vom Beamtenstand ab-gesehen, lebte die einheimische BeviiLkerungzum GroBteiI im Famitienverband, wihrend diefremdbtirtige Beviitkerung, mit Ausnahme derGruppe der fremden GroBhiindter, im groBen undganzen aus [edigen Personen bestand. Zu diesengehiirten nicht nur die gewerb[ichen Hitfskriifte,Lehrlinge, Gesetten und das Dienstpersona[, son-dern auch Angehiiriqe der i ntettektuellen Schicht,wie z. B. Arzte, ferner Angehiirige gehobener Po-sitionen in Adetshdusern, wie Sekretiire, Lehr-personen u. dg[. Ebenso zahlte dazu aber auchein GroBteiI der Gewerbetreibenden, welchenicht den Ziinften der biirgerlichen Meister an-gehiirten, sondern etwa ats Stiirer (ohne festen

Arbeitsstandort) oder Dekretisten (mit einemverliehenen Dekret) einem Gewerbe nachgingen.Insgesamt muBte diese fremdbiiaige Beviitke-rung, nicht zuletzt unter dem Druck der enormenWohnungsnot der rasch wachsenden barockenResidenz, stets mit den schtechtesten Quartierenvorliebnehmen und wurde erst spiit und auch nurin einem sehr beschrAnkten AusmaB bei entspre-chender stiindischer Etablierung. so z. B. durchEinheirat, integriert.

Sowoht bei der ortsbiirtigen a[s auch bei derfremdbiirtigen Beviitkerung hatten bestimmteStende die Funktion einer Schiene in der soziatenMobititat der stdndisch gegliederten Gese[t-

schaft. Bot der Beamtenstand der einheimischenmiinn Lichen Bevtitkerun g die Chance, mit Talentzu den hiichsten Stetlen zu getangen, so botenandererseits GroBhandet, Finanz- und Manufak-turwesen die Chance fiir die gesellschaftlicheEtab[ierung der Zuwanderer.

Fragt man schlieB[ich nach den Miig[ichkeitender soziaten Integration und kulture[[en Anpas-sung der Beviilkerung, so sind zwei Faktoren zu

nennen: Einerseits waren es die bereits erwiihn-ten GroBhaushatte des Adets und des Biirgertumsund andererseits die Hofquartierspfticht, d. h.die Pfticht der blirgerlichen Hausbesjtzer, derhoft ugewandten Beviilkerung Wohnraum zur Ver-fiigung zu stellen. Beide Faktoren zusammen ha-ben durch die mitihnen verbun den e Weitergabevon Normen und Verhattensweisen oberer Schich-ten die gesamte Bevtitkerung tiefgreifend beein-ftuBt. Dies ging so weit, daB Kteiderordnungennotwendig waren, um die Imitationsbestrebun-gen unterer Schichten abzufangen.

Die Residenzstadt Paris

Frankreich setzte das Vorbild fiir das potitischeSystem des Abso[utismus. Seine Hauptstadt Paris

war auch das Vorbi[d fiir die Bautdtigkeit in dengroBen Residenzstedten Europas. 1528 [ieBensich die franziisischen Kiinige endgi.ittig in Paris

nieder. Franz I. begann mit dem Aufbau des Lou-vre, Heinrich IV. begann mit umfassenden staat-lichen Programmen die Neuorganisation des

StraBennetzes, der Kanatisation und der Wasser-

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Page 37: Die Stadt - Lichtenberger

Die Residenzstadt des Absotutismus

leitungen in Paris, wetches damats rund 100 000Einw. zihtte. Ein fester Stab von Fachteuten wur-de eingesetzt und eigene Amter gegriindet. Der

finanzminister erhie[t die Verantwortung fUr das

Bauwesen und den StraBenbau iibertragen. Seitdamals untersteht die franziisische Hauptstadtdem Innenministerium und hat bis heute direk-ten Zugang zum staatlichen Budget.

AuBerha[b von Paris errichtete Ludwig XIII.eine neue Residenz in Saint-Germain-en-Laye.Damit wurde das Konzept des Lebens auf Som-meM[[en riimischer Eliten im Abso[utismus wie-

der aufgegriffen. Die SommeM[a verwandettesich in das SommerschloB des Herrschers. Lud-

wig )GV. verlieB den Louvre (Abb, 1,29) und iiber-siedelte mit seinem Hofin die neue Residenz von

Versaittes (Abb. 1.30), die nach und nach zu ei-ner kleinen

"kiinstlichen" Hauptstadt erweitert

wurde und schtieBtich eine gteichgroBe Fliiche

einnahm wie die Hauptstadt Paris. LudwigXIV.

besaf3 die organisatorischen und finanziellenMiigtichkeiten, um eine ganze Landschaft zu ver-iindern und neu zu gestatten. Die Hinausvertage-rung des Hofes und der aristokratischen GeselL

Abb.1.29: Pais, Louvre ge-

gen Westen

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Page 38: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Abb. 1.30: VersoiLLes schaft aus Paris ist damit weit mehr ats nur eineFortsetzung des gese[schaftlichen Lebens derrdmischen Patrizier in den SommeMtten, wet-ches a[s,,Vitleggiatura" in die Kutturgeschichteeingegangen ist. Sie bedeutet vietmehr eine tei[-weise Emanzipation vom stiidtischen Leben derHauptstadt, wo Kirche, Universitet und Blirger-tum ihren Standort hatten.

Die,,exzessive barocke Suburbanisierun g" vonHof und Ade[ in Frankreich hat in Europa keingteichwertiges Gegenstiick gefunden. In GroBbri-tannien b[ieb der AdeI i.iberhaupt auf dem Lande

und schuf sich hier im selben Zeitraum groBartigePatdste und Vi[[en.In London, wetches nach demgroBen Flichenbrand von 1664 nicht durch eineumfassende Bautatigkeit der Regierung oder derStadtptanung wiederaufgebaut worden ist, son-dern durch eine VielzahI privater lnitiativen, er-richtete der Ade[ nur seine Zweitheuser in der

Stadt. Sie unterschieden sich von den ,,town hou-

ses" der biirgertichen Oberschicht kaum undunterbrachen auch nicht die StraBenflucht der

Reihenhausverbauung, wie dies bei den Stadt-paliisten des franziisischen Adels mit dem zuriick-gesetzten Ehrenhofder Fa[twar. Auch sonst hatGroBbritannien mit dem Paltadianischen Ktassi-

zismus, derim 18. Jh. die engtische Landhausar-

chitektur behenschte, eine Sonderentwicktunggenommen, aufdie noch eingegangen wird.

ReprAsentative WertmaBstiibe im Stldtebau,in der materie[[en Kuttur und in den Verhattens-

normen der stddtischen Beviilkerung, ferner eineVietfatt von nichtdkonomischen Motivations-strukturen. definiert i.iber einen spezifischenStandeskodex, zdh[en zu den persistenten Pha-

nomenen der Residenzstadt, wetche ebenfattsanatog zur mittetaltertichen Biirgerstadt nichtnach Nordamerika,,auswanderte".

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Page 39: Die Stadt - Lichtenberger

Die Industriestadt

Die Industriestadt

Die okzidentate Stadt, wie sie Max Weber (1956)beschrieben hat, die Stadt des europiiischenBi.irgertums im hohen Mittelalter, die Stadt des

Adets in der itatienischen Renaissance, die ba-rocke Residenzstadt des absolutistischen Landes-ftjrstentums, diese historischen Stadttypen sindjn unseren Vorste[[ungen zu einem diffusen, viet-schichtigen Begriff von,,Stadt" verschmolzen. Er

geh(jrt zu der Sorte von Begriffen, die Wittgen-stein in den Gewohnheiten und dem Selbstver-stiindnis der eingespielten Alltagspraxis auf-spiirt: Mjt unserem Begriff der Stadt verbindetsich in europiiischer Sicht eine Lebensform.

Ats eine iiberschaubare Lebenswett konnte dieStadt architektonisch gesta[tet, sin n [ich reprii-sentiert werden. Die gesettschafttichen Funktio--en des stiidtischen Lebens, potitische und wirt-schaftliche, private und iiffentfiche, die der<rtturelten u,td der kirchtichen Representation,:es Arbeitens, des Wohnens, der Erholung und:es Feierns, konnten in Formen und Funktionen:er zeittich geregetten Benutzung von gestatte-:en Raumen iibersetzt werden. Es ist kein Zufatt.:aB die Darstettung von Max Weber (1956) von:er ,,ittegitimen Herrschaft der Stadt" in seinem," erk iiber,,Wirtschaft und Geseltschaft" im vorin-:.rstrietlen Zeitatter endet. Es ist kein Zufa[t, daB

:'e Erhattung historisch gewachsenerStadtquar-:ere, wenn auch a[s Luxussanierung vielfach kri-:sch reftektiert, in diesem Kontext weltweit an

S:eltenwert qewinnt.lit der industrietlen Geselschaft sind die be-

;:.rriebenen Bezuge derstedtischen Lebenswelt:, Ende gegangen. Die Fabrik a[s industrielte:-:duktionsstltte konnte in die Stadt nicht stdd-:=:autich harmonisch jntegriert werden. Es ist.:'n Zufat[, daB in der geographischen Stadtfor-::-ung lange Zeit umstritten war, ob Indu-::-esiedtungen zu den Stedten geziihLt werden: --fen. Mit der Industrialisierung undVergroB-;-dterung brechen die Schnittste|,[en zwischen::- urirtschafttichen und politischen Institutio--:" und den kleinriiumigen Interessenbereichen: :' stiidtischen Beviilkerun g auf.

l: der industrietten Gesetlschaft btieben Potitik

- -: Wirtschaft separiert. Ptanung fiir eine neue

industrielte Ordnung war selten. Wenn Ptanungerfolgte, dann sporadisch und ohne bewuBteWahrnehmun g der tikonomischen Zielsetzungen.Sie bewegte sich zwischen der Abhattung von Ar-

chjtekturwettbewerben bei reprdsentativen GroB-

vorhaben - wie der Wiener RingstraBe - und derVergabe von Auftrdgen fUr iiffent[iche Arbeiten.

Der Kapitatismus brachte die Mobitisierung von

Arbeitskrdften, Boden und Kapita[. Die Gebrauchs-

und Presti gewertorientierung des Hausbaus wur-de durch die 5pekutations- und Profitorientierungabgetiist.

In der fuBtdufigen stiidtischen Gesetlschaftwar die mit der biologischen Existenz des Men-schen eng verbundene Territoriatitiit die Grund-lage der Einheit von Realobjektraum, Aktions-und Wahrnehmungsraum. Aufgrund der neuenVerkehrs- und Kommuni kationstechnotogien ent-standen und entstehen laufend immer weitereindividuette und institutionetle Kon g[omeratevon Aktions- und Wahrnehmungsrdumen, diesich vom Reatobjektraum der stadt separieren.Hierzu kommtferner, daB mittets der Massenme-

dien bei der Weitergabe von Informationen Di-stanzen vernichtet werden und punktuettes Wis-

sen i.iberhandnimmt.Last, not least ist entscheidend, daB die Indu-

strialisierung und die Schiipfungen der Indu-striestadt bis heute in ftichenhafter Weise dieStedte pregen und ihre Erbschaft mit at[ den da-mit verbundenen Problemen, z. T. ats schwere Hy-

pothek. hinterlassen haben (Abb. 1.31 und 1.32).GroBbritannien ist das MutterLand der Indu-

stria[isierung gewesen, die von hier ausgehendzuerst in einer West-Ost-Bewegung und dann ineiner Nord-Si.id-Bewegung den europdischenKontinent grundlegend verandert hat. Der Zeit-punkt der Anlagerung der ]ndustrie an den ette-ren stadtischen Baukiirper war dabei von ent-scheidender Bedeutunq. In GroBbritanniensetzte die Industria[isierung schon um die Wende

vom 18. zum 19. Jh. ein. Um die Mitte des 19.Jh.s lebte bereits iiber die Hiitfte der Gesamtbe-vtitkerung in Stiidten. Dementsprechend explosi-onsartig wuchsen auch vie[e stddtische Sied[un-gen wdhrend der ersten Hatfte des 19. Jh.s. Es istbegreiftich, daB Gro13britannien daher mit a ltenProbtemen der Verstiidterung, der Wohnungsnot,

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Page 40: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Abb- 1.j1: Ei ne .chtistliche"Stodt, 1440

Abb. 1.32: Eine ,,industiqLi-siefte" Stodt, 1840

t'r1

der Uberalterung des Baubestands und der Slum-bitdung am frtihesten konfrontiert wurde.

In den englischen IndustriegroBstadten er-fo[gte nahezu iiberatt die Anlagerung eines oftrecht breiten Fabrikgiirtets an die Attstadt, die imVertaufe der Gri.inderzeit zur City umgebaut wur-de, Nach auBen entstanden riesige monotoneFldchen niedriger Reihenhiiuser, welche durchdie sogena nnte ,, By-Law-Gesetzgebu n g" im Jah-re 1884 in eine innere Zone der Back-to-Back-

udA=

Reihenhiiuser und eine iuBere Zone von ,,By-Law-Heusern" getrenntwurden, in denen die bis-tang katastrophale Raumenge etwas gemildertwar. Die innere Zone wurde inzwischen durchumfangreiche Stum-Clearing-Programme fast zurGenze erneuert, die Back-to-Back-Hauser durchWohnbtockverbinde des Pubtic Housing, verein-zelt sogar durch Hochhduser, ersetzt. Die vera[-tete innere Industriezone ist vietfach durchSch nellstraB en ringe aufgebrochen worden.

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Page 41: Die Stadt - Lichtenberger

Die Industriestadt

Grunds6tztich getangt man von innen nach auBenin immer jiingere Wohngebiete.

Im Industriezeitatter veriinderte sich dasStadtmittekonzept entscheidend. Die britischeIndustriestadt brach mit der Tradition der,,Sozia-Ien Mitte". Ihre Schtipfung, die Fabrik, brachteein von den Produktionsstatten ausgehendeszentrifugales 0rdnungsmoment ins Spie[. In derbritischen Stadt, in wetcher, anders ats in Konti-nentateuropa, eine Urbanisierung des Adetsnicht stattgefunden hat. gewann daher mit derlndustriatisierung die,,soziate Inversion" denVonang, d. h., die Stadtmitte wurde aus der so-ziaten Mitte zuerst im Gefotge der Citybitdung zueinem,,Beviilkerungskrater" und sch[ieB[ich zueinem ,,sola[en Krater", Es warvon entscheiden-der Bedeutung, daB Nordamerika mit der Indu-strialisierung die Konzeption der Industriestadtvon GroBbritannien iibernahm.

Verg[ichen mit GroBbritannien vottzogen sichVerstiidterung und Industrialisierung in Deutsch-land mit einer Phasenverschiebung von nahezueinem hatben Jahrhundert. Die Haupfuerstddte-.ungs- und Industria[isierungsphase fiittt hieriniie zweite Hiilfte des 19. Jh.s, genauer gesagt inCie Jahrzehnte zwischen 1870 und 1910, und da-nit in die Periode, die auch ats Hoch- und Spit-E riJnderzeit bezeichnet wird.

Inzwischen waren, dem franziisischen Vorbitdles l"lanufakturzeitatters folgend, vor den Toren1er grtiBeren Stiidte Gewerbevorstiidte emporge-,rachsen. Konkurrenzangst des eingesessenenGewerbebUrgertums und die stiindige Revotuti-rnsfurcht der Herrscherhiuser und der Aristokra-ie verhinderten in vielen Stiidten die Niedertas-;ung groBer Fabriken in unmittelbarer Niihe derStadt und bewirkten, daB sich die Industrie ver--SttnismiiBi g abgesetd von der Wohnverbauung:m AuBenrand der Stadt ansiedelte. Die freien;.ichen zwischen dem elteren Vorstadtraum und:iner peripheren hochgriinderzeitlichen Indu-::riezone wurden dann meist erst spiiter durch:'e Mietshausverbauung geschlossen.

Anders ats in GroBbritannien konnte sich die

;'ii n de rzeittiche Bautdtigkeit in der Attstadt-.eibst nur in den wirktich groBen Stiidten (Paris,3eriin, Wien, Budapest u. dg[.) durchsetzen,-'cht dagegen in den Klein- und Mittetstddten, in

denen schon relativ frtih eine Suburbanisierungder 0berschichten in neue Vi[[envierteI einsetzteund daher vorindustrietter Baubestand erhattenb tieb.

Der Erste Weltkrieg bedeutete fiir das deutscheStadtewesen eine schirfere Zdsur als fiir das bri-tische. Seit damats wurde der Stadtrand zumExperimentierplatz und Konkurrenzfeld verschie-dener Bautypen und Rechtsformen des Woh-nungswesens. Ein Stiickwerk von Nutzungen ent-stand, teil,s im AnschluB an das vorgegebeneSied[ungs- und Verkeh rsnetz. tei [s [osgeliist da-von auf dem Stadtgebiet und 0ber die Stadtgren-ze ausufernd. Mit dem Ersten Weltkrieg war dieZeit fliichenhafter zonater Ausbreitung des Stadt-kiirpers endgiittig vorbei. Neue Siedtungs- undIndustriebiinder folgen seither radialen und tan-gentiaten Schneltbahnen und SchnettstraBen.Griinderzeit[iche und jUngere Bebauung schei-den sich iiberal[ scharf voneinander, nicht zu-letzt auch desha[b, weiI die Zeit eines ,,perfektenkapitatistischen Systems". vor altem auf demWohnungsmarkt, mit dem Ersten Weltkrieg zuEnde war.

In den siideuroplischen GroBstiidten ist dieIndustriatisierung der Verstddterung nicht wie inGroBbritannien vorangegangen, sondern ge-fotqt. Ahntich wie im kontinentalen West- undMitteleuropa entwickette sich eine gewerberei-che Vorstadtzone. Die iiuBere Industriezone derGrijnderzeit ist dagegen, wenn [iberhaupt, nur inAnsiitzen ausgebitdet. Der Erste Wettkrieg bedeu-tete hier keinen so scharfen Einschnitt fiir dieStadtentwicktung wie im Raum der Mitte[miichte.

Kompakte Mietshausstrukturen schtieBen bishin zur Gegenwart zieml,ich unmittetbar an die ii[-tere geschtossene Reihenhausverbauung an. ZurEinzelhaussied[ung kam es nur in den soziatenExtremschichten. 5o entstanden seit dem speten19. Jh. einerseits die Vitlen der Oberschicht undandererseits die squattermdBigen Behelfssied-lungen der armen Leute. Letztere konnten inzwi-schen dank eines beachtlichen sozia[en Woh-nungsbaus zum GroBteiI beseitigt werden. Derrasche aktuetle Industrieaufbau, oft mit austen-dischem Kapita[ finanziert, [ieB [angs der Auto-bahnen neue Industriesatettiten aufwachsen.Mailand bietet ein Beispiet dafiir.

43

Page 42: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Die,,Neue Stadt"

Das Konzept

GroBbritannien hat die Weichen fiir die Indu-striatisierung und die Verstadterung geste[tt; inGroBbritannien waren die negativen Auswirkun-gen beider Prozesse am stiirksten; in GroBbritan-nien wurde daher auch zuerst nach einer Abhi[fegesucht und diese schtieBtich im Konzept der,,Neuen Stadt" von Ebenezer Howard (1902) ge-funden. In Vorwegnahme von Ideen des soziatenWohlfahrtsstaats getang es, einen neuen Stadt-typ zu schaffen, der sich in nahezu atlen wichti-gen Merkmalen von den iilteren Stadttypen ab-hebt (Abb. 1.33).

Im fo[genden seien die Grundziige vorgestet[t.Grundsitzlich ging es um die Neuorganisation der

,,form[osen" und,,inhumanen" grauen Masse derindustrielten GroBstadt und um ein Zuriickfiihrender StadtgriiBe auf einen ,,menschtichen MaB-stab", d. h., man wollte die vertorengegangeneUberschaubarkeit der Stiidte zurilckgewinnen.Dabei ging es Howard keineswegs - wie dies inder spateren Literatu r vielfach i rrttim [ich gesehen

wurde - nur um die Schaffung von Gartenstidten,sondern um ein stiidtisches Siedtungsgebitde fiir250 000 Menschen, in dem rund 58 000 Menschenin der Zentralstadt und die iibrigen in sechs rings-um gelegenen Gartenstedten mit jeweits rund32 000 Bewohnern u nterqebracht werden sottten.

Der ideengeschichtlich interessierte Leser wirddie Zuordnung von sechs Stiidten zu einer Zen-tratstadt mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen undsich daran erinnern, daB eine Generation spiiterW. ChristaLter im Rahmen der zentratdrttichenTheorie ats optimales Anordnungsprinzip fiir ad-ministrative Funktionen die Zuordnung von sechsGemeinden zu einem Zentraten Ort angegebenhat. E. Howard hat iiberdies eine Gtiederung derGartenstedte in Tei[e mit unterschiedLichen Funk-tionen vorgesehen, ohne dabei exptizit die erstspeter entstandene Nachbarschaftsidee anzu-sprechen.

Gerade in einem Land, in dem die sozia[e 5e-gregation durch genormte Bautypen ein derarti-ges AusmaB erreicht hatte wie in GroBbritannien

im 19.Jh,. ist besonders bemerkenswert, daB

Howard von einer soziaten Differenzierunq so-wohI der Kernstadt als auch der Gartenstadteganz und gar Abstand nahm.

Recht interessant erscheint esjedoch, daraufhinzuweisen, daB er wenig attraktive Einrichtun-gen, darunter psychiatrische K[iniken, in den in-terurbanen Raum verbannte. Mit diesem Vor-schtag beschritt er i.ibrigens einen Weg, den auch

die Kommunalbehtirden in der Gegenwart gehen.

Sie sind bestrebt, Einrichtungen der soziaten undtechnischen Infrastruktur mit gerin ger Attrakti-vitat und hohen Stiireffekten in das Umland derStidte abzuschieben.

Der groBe Erfolg, den die Idee der,,NeuenStadt" tangfristig hatte, [iegt zweifetlos in demneuen Konzept der Stadtmitte begriindet. Ge-

staltung und Funktion der Stadtmitte atter Stadt-typen wurze[n in den po[itischen Leitideen ihrerZeit. Im Absolutismus bitdete der Patast des

Herrscherhauses den Mittetpunkt der Stadt, inder arbeitsteitigen industrietten Geseltschaft istdie Wirtschaftscity das Zentrum der GroBstadte.Im Zentrum der ,,Neuen Stidte" wurden nun - inVorwegnahme der Ideologie einer KonsumgeseLl

schaft - die fiir die menschlichen BedUrfnissezentralen Einrichtungen der Versorgung mit Gii-tern und Diensten angesiedett.

Ausgektammert aus den Ubertegungen btiebdie dynamische Komponente der Entwicklungvon Bev6tkerung und Arbeitsstetten. Eine Erwei-terung einer einmaIgegriindeten Stadt war nichtvorgesehen, sondern nur die NeugrUndung wei-terer Stddte an anderen Lokalit5ten.

Ebenso einem Gleichgewichtsdenken verhaftetwar auch die Vorstetlung, daB derartige

"NeueStedte" auf dem Sektor der Arbeitsplatze autarksein und die ZahI der Arbeitsptdtze und die derArbeitsbeviitkerung im Einktang stehen soltten.Nur am Rande sei eingefiigt, daB gerade dieseVorste[[ung der Realisierung dieses Konzepts diegrdBten Schwierigkeiten bereitet hat und daB es

auBerha[b von GroBbritannien den meisten derin der Nachkriegszeit geschaffenen

"Neuen Sted-

te" nicht getungen ist, geni.igend Betriebe an

sich zu ziehen, so daB sie zu hiufig zu ,,Sch[af-stiidten" am Rand von Aggtomerationen gewor-den sind.

44

Page 43: Die Stadt - Lichtenberger

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Die "Neue

Stadt"

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Abb. 1-3i: Die Goftenstqdtvon Howord, 1902

Von

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genossen zweifet-

-os ats revolutionirempfunden wurde die For-Cerung von E. Howard, daB sich

6rund und Boden im Eigentum der Stadt befin-ren miiBte, um Spekulationen zu verhindern undie Entwicklunq der Stadt steuern zu kiinnen. ImJbrigen verbtieb auch die Idee der,,Neuen Stadt"'1 der ersten Hetfte des 20. Jh.s mehr oder min-:er im Experimentierstadium, wobei sich fo[gen-:e Haupttypen herausgebi[det haben::) Der Prototyp der,,Neuen Stadt" konnte selbst

in GroBbritannien nur in einer einzigen stiidti-schen Siedtung, ndmlich in Letchworth, denPrinzipien von E. Howard fotgend, ohne direk-ten Eingriff des Staates verwirklicht werden.59 km niirdtich von London gelegen, besitztdiese 1903 gegriindete Gartenstadt atte we-sentlichen Ftechennutzun gsetemente, wie ei-nen zentra[en Geschiiftsbereich, einen Indu-

tiere, die nahezu aus-schtieB[ich aus Einfamitienreihen-

heusern bestehen, und einen Griingiirtet.Auch das Zie[ eines ausreichenden Arbeits-platzangebotes wurde erreicht. 1965 besal]Letchworth etwa 200 kleine Gewerbe- und In-dustriebetriebe bei einer EinwohnerzahI vonrund 25 000 Menschen.

1934 \,urde die ldee der Neugr[indung vonStedten dann von der britischen Raumord-nungspolitik aufgegriffen und ats Strateg,iezur Dezentratisierung des Wachstums der Re-

gion von London verwendet. Der eigentlicheBoom der Neugriindung von Sudten setzteje-doch erst nach dem Zweiten Wettkrieg ein.

2) Die Konzeption der,Neuen Stadt" als Zentrater0rt wurde ferner iibera[[ dort verwendet, wo -wie in Itatien und den Niedertanden - in einem

eim Ansch[uB an

die Bahn, Wohnquar-

ar,lfrJota a,rrrt rrarlat \

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45

Page 44: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Polis zur Neuen Stadt

letzten Aus[aufen physiokratischer Bestrebun-gen des aufgektiirten Absolutismus Agrarkolo-nisationen erfolgten. In ltalien stelten dietrockengetegten Pontinischen Siimpfe, in derCampagna von Rom gelegen, ein Kernstlick derBonjfikationen der dreiBiger Jahre dar. Ats

zentrale Stadt wurde Latina, das bis 1947 Lit-toria hieB, gegri.indet. Aus derZeitvon Musso-[ini ist heute nur noch die zentrate Ptatzantagemit ansch[ieBenden Wohnb[6cken erhalten. Inder Nachkriegszeit erfolgte ein starker Ausbaudurch Industrieanlagen und Mietshduser, nichtzutetzt aufgrund der Zuwanderung von Ko[oni-sten, so daB zahtreiche Einzethtife nach dererst vor zwei Generationen durchgefiihrtenMetioration wieder verfatten sind.

3) GroBe Bedeutung erhiett das Konzept der,,Neuen Stadt" im Zusammenhang mit der Er-richtun g von industrielten GroBbetrieben. AtsVorliiufer dieser neuen Industriestiidte kiin-nen in Deutschtand die Werksiedtungen ange-sehen werden, ftir die vor altem die FamilieKrupp im Ruhrgebiet beispietgebend war. Aufdiese Industriellenfamitie geht auch dieKruppsied[ung in Berndorf in Niederdsterreichzuriick, deren Kirche 1917 eingeweiht wurde(Abb.1.3a). Im Hinblick auf die Wohnbaufor-men haben diese Werksiedtungen durch diebevorzugte Verwendung des Einfamitienhau-ses mit Garten bereits das Gartenstadtkonzeptvorweggenommen.

Das beste BeispieI fiir eine neuangelegte Indu-striestadt im Westen des Eisernen Vorhangs bi[-det Wotfsburg, 1938 als ,,Stadt des KdF-Wagens"gegrlindet. Durch das NS-Regime wurden groB-ziigi ge Sonderverhiiltnisse geschaffen, wetcheder Trigergeseltschaft einen raschen Erwerb vonGrund und Boden gestatteten. Die urspriingticheP[anung sah aufder H0he des Riickens im Siidendes Werksgettndes - und damit gteichsam inAkropolislage - die Parteibauten vor, darunterein Forum mit dem Rathaus. Diese Anlage wurdenach dem Zweiten Weltkrieg umgeplant, ats dieGemeinde auch den Namen der atten Gutssied-[ung annahm. 7947 wutde ein P[an fiir 35 OOO

Einw. erstettt, an die Stelte der Parteibautentrat ein Krankenhaus, die BahnhofsstraBe wurdezur zentraten GeschiftsstraBe. Uber diese ur-

sprtingliche Planung ist Wolfsburg inzwischen[ingst hinausgewachsen; es zahlte 1981 bereits131000 Einw.

In Westeuropa ist die Zahtvon neuen Indu-striestddten auch nach dem Zweiten Weltkriegbescheiden gebl'ieben, wihrend im 0sten Euro-pas in den ehematigen Comecon-Staaten in RuB-

[and und in Sibirien zahtreiche neue Industrie-stiidte gegriindet wurden.

Die Charta von Athen

In den oben vorgestetlten Konzeptionen undRealisierungen von,,Neuen Stddten" ist einegrundsiitztich wichtige stiidtebautiche Idee impti-zit enthatten, ndmtich die der siiuberlichen rdum-[ichen Trennung von stidtischen Funktionen, ins-besondere der Daseinsgru n dfu n ktion en desArbeitens und des Wohnens. Damit wurde einerder wichtigsten, im vollen FluB begriffenen Pro-

zesse der jiingeren Stadtentwicklung keineswegsnur im nachhinein sanktioniert, sondern, wasnoch vieI wichtiger erscheint, vorweggenommen.

Zu diesen Feststeltungen sind einige Bemer-kungen angebracht. DieSeparierung stidtischerFunktionen vo[zieht sich grundsitztich auf zweiEbenen, und zwar einerseits in Form der bereitsangesprochenen Trennung der Daseinsgrund-funktionen Arbeiten und Wohnen und anderer-seits in Form einer Differenzierung der Arbeits-staftenstru ktu ren. D'ie Vorgange auf beidenEbenen verliefen und vertaufen nur teitweise syn-chron. Im Hinbtick auf den riumlichen Nieder-schlag kommt der StadtgriiBe eine entscheiden-de Bedeutung zu. Separierun gsprozesse, wetcherArt auch immer, setzten zuerst in den groBenStedten ein. Dementsprechend ist die Trennungder Standorte von Wohnen und Arbeiten keines-wegs erst ein Produkt des industriellen Zeitat-ters, sondern begann in den groBen kontinentat-europiiischen Stadten bereits im Mittetatter mitden Anfdngen des Mietshauswesens und demEntstehen von VerlaBgewiilben (vermieteten Lii-den und Werkstatten) fiir Handels- und Gewerbe-

treibende. Beide Phinomene lassen sich in dengroBen europiischen Stidten, wie Paris, Prag

undWien, bereits im 1.4.Jh. nachweisen. Mitder

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Page 45: Die Stadt - Lichtenberger

Die,,Neue stadt"

Ab b. 1.34 : Kru p p-Grii n clu n g

B e rn d o rf , N i e d e rd ste r rei c hffiffi--. '" -i19di[$1-r-i-,1ff7- ,

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Page 46: Die Stadt - Lichtenberger

Von der griechischen Potis zur Neuen Stadt

Etabt'ierung der staatlichen Behdrden im Zeitat-ter des Absotutismus setzte ferner auch die in-nerstiidtische Pendetwanderung der Beamtenein, die in Wien bereits flir das 16. Jh. dokumen-tiert werden konnte.

Ebenfalts ins l,4ittelatter zuriick reichen klein-zijgi ge Viertetsbil,dun gen spezifi scher Branchendes Einzelhandets und der gewerb[ichen Produk-tion. Erst mit dem Stadtwachstum im industriellen Zeitalter erwies es sich ats notwendig, Aus-grenzun gen und Restri ktionen fiir industrietteNutzungen vorzunehmen, wie sie iibrigens fiirbestimmte Gewerbe schon die mittelalter[cheStadtgemeinde gekannt hatte.

In allen GroBstedten des deutschen Sprach-raums entstanden im spaten 19. Jh. die Vorleuferdessen, was wir heute ats Ftichenwidmungspliinebezeichnen. Im fo[genden sei auf den Bauzonen-p[an von Frankfurt am Main hinqewiesen, der invorbildlicher Weise bereits im Jahr 1891 zweiLeitprinzipien herausstet[te:r Es erfolgte eine Regutierung der Gebdudehtihe

durch die Einfi.ihrung von zentrat-peripher ab-nehmenden Bauktassen und damit GeschoB-zahlen sowie

r eine funktionetle Trennung zwischen Wohnge-bieten, Misch gebieten und Industriegebietenunter Beriicksichtigung der Bahn[inien und -im spezietlen Fat[ von Frankfurt - des Hafen-getiindes entlang des Mains.

Diese Separierung der stiidtischen Funktionenwutde 1.927 von der Bewegung der Urbanisten,angefii hrt von Le Corbusier, in der sogenannten,,Charta von Athen" verankert, in der einegrundsiitzliche Separierung der Daseinsgrund-funktionen der Bev6tkerung, ndmlich des Woh-nens, des Arbeitens, der Verkehrsbediirfnisse,der Erhotung, der Bi[dung usw., gefordert wurde.Es ist hier nicht der Ptatz, um aufdie Bedeutungdieser Doktrin einzugehen. In weiterer Konse-quenz fiih rte sie dazu, daB von Architekten undStddtebauern nicht nur die oben qenanntenFunktionen riiumtich getrennt wurden, sondernebenso die einzetnen Wohnformen wie das Ein-und Mehrfamilienhaus. das Mietshaus und dasHochhaus. Wegen des steigenden FHchenbedarfsder einzetnen Funktionen muBte schIeBtich vorallem den ebenfalts nach Verkehrsarten getrenn-

ten Verkehrsbiindern und -fliichen zunehmendmehr Raum zugewiesen werden.0bwoh[ man

heutein der theo retisch en Diskussion schon wie-der von dieser strikten F[iichentrennung und demNachbarschaftskonzept abgeriicktist, getang es

bisherjedoch noch nicht, die inzwischen in ein-gespielten biirokratischen Prozeduren veran ker-ten Prinzipien durch neue zu ersetzen.

Festzuhalten ist, daB in der,,Neuen Stadt" -und das beeinftuBt die Stadtptanung der Gegen-

wart entscheidend - die Frage der riiumlichen Se-

gregation der Geseltschaft von vornherein aus

den Entwlirfen ausgeklammert wurde. Ihre l,4itte

ist als soziaI neutraIzu definieren. Das Konzeptwar vietmeh r getragen von der Uberzeugung derNotwendigkeit einer Verbesserun g der Lebensbe-

dingungen der gesamten stiidtischen Bevbtke-rung. Es ging um mehr ats die planmiiBige Zuord-nung von Menschen zu Arbeitsstitten. Es gingum die Befriedigun g der Daseinsgrundbediirfnis-se der Beviilkerung, d. h., bezogen auf die Ein-wohnerzahl, um eine Ausweisung bestimmterFliichen fiir Wohnen, Arbeiten, Erhoten, Verkehr,Geschiiftswesen, Schulwesen u. dgt.

Das Konzept der,,Neuen Stadt" hat als gesetlschaftspolitisches Leitbitd weit iiber die stddti-sche Sphiire hinausgegriffen und auch die Re-gionatpotitik und Regionatplanung des soziatenWo h lfa h rtssta ates ti efg reifen d beeinfluBt. Brach-

te bereits der Liberatismus eine gewisse Aufwei-chung der diirftichen Strukturen im stiidtischenUmtand, so vottzog sich im Zeichen des soziatenWo h lfa h rtsstaates mit immer weiter ausgreifen-den Arbeitsmarktregionen der groBen Stedte mit-te[s der Pendetwanderung der Ubergang zu dem

,,Stadt-Land-Kontinuum". Die urspri.ing[ich viet-fach zwischen Stadt und Land gelegenen Indu-striesiedlungen sind inzwischen zu Stddten avan-ciert. Zweitwohnungswesen und Fremdenverkehrtragen wesentlich zur jmmer starkeren stedti-schen Durchdringung des liindtichen Raumes bei,bedingen andererseits jedoch eine wachsende Be-

nachteitigung dessetben iibera[t dort, wo die iiko-nomische Marginalitat nicht durch iikologischeAttraktivitet ausgegtichen werden kann. Mit die-sen Aussagen sind wir bereits tief in das 20. Jh.vorgestoBen, dem im potitischen Systemvergteich

ein eigenes KapiteI gewidmet ist.

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Page 47: Die Stadt - Lichtenberger

Aktue[[e Stadtentwicklu n g

und politische Systeme

tritt-lrillrr^l

Uberbtickr Das Leitthema lautet: Konvergenz oder Divergenz der Stadtentwicktung zu Beginn des 2].. Jh.s?r Die drei groBen politischen Systeme der westtichen Wett bilden die Bezugsbasis:

- das soziale Wohtfahrtssystem Europas,- das privatkapitatistische System der USA und- die Transformationsstaaten des Postsozialismus.

r Die potitischen Systeme tragen entscheidend zur Divergenz der stadtentwicktung bei. sie beein-flussen- die normativen Prinzjpien des Stedtebaus und der Stadtptanung,- den Einsatz der Technotogien,- die Struktur der Wirtschaft,- die institutionellen 0rganisationsformen und- die Segregationsprozesse der Gesellschaftim Stadtraum.

r Fotgende Instrumente der Kommunatpolitik besitzen besondere Bedeutung:- Bauordnungen und Ftdchenwidm ungsp [i ne,- kommuna[e Aufgabenbereiche und- Steuersysteme.

I Weitere Faktoren bedingen die Divergenz:- die ererbte bautiche Struktur und Landnutzung,- die tradierten Normen und verhattensweisen der Beviitkerung sowie die tradierten Formen des

Wohnbaus.

2-*rAbb.2.1: Fronkfutt,H oc h h o u ssi Lh o uette 1 I 9 0

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Page 48: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuette Stadtentwjcktung und potitische Systeme

Einleitung

Die Effekte der Gtobalisierung bestimmen die Ge-

genwart. Konvergenzen der Entwicklung auf altenEbenen von Staat, Gesetlschaft und Wirtschaft sind

das Ergebnis. Es steltt sich die Frage, ob die eu-ropliische Stadtentwick[ung - wenn auch mit Ab-stand - der nordamerikanischen folgen wird oder,wie bisher, einen eigenen Weg in die Zukunft hat.Die Antwort vertangt eine Differenzierung von va-rianten und invarianten Faktoren der Entwicktunqvon Stiidten und stidtischen Systemen.

Verfechter derThese einer Konvergenz der Ent-wicktung kiinnen eine Reihe von invarianten Fak-toren ins Treffen fiihren.r Hierzuzahten sa mttiche Tech no [ogien des Bau-

ens, der Sachgilterproduktion, des Verkehrs,der Infrastruktur von Versorgung und Entsor-gung, der Kommunikation und Information.

r Sie ktinnen dari.iber hinaus darauf hinweisen,daB die Abfotge der riiumlichen 0rganisations-systeme der Geseltschaft von der arbeitsteili-gen Gesellschaft iiber die Konsumgesetlschaftbis zur Freizeitgesettschaft sich weitgehendunabhdngig von den potitischen SystemenvoItzieht.

I Ats ein schliissiges Gtied in der Beweiskettek6nnen sie belegen, daB die Instrumente derStadtptanung, wie die Charta von Athen, HngstinternationaI giittigen MaBstiiben folgen.

Verfechter einer Divergenz der Entwicktung kiin-nen auf fotgende variante Faktorenkomptexe ver-weisen:I die aktuetlen politischen Systeme mit den

Leitbitdern und MaBnahmenpaketen zur rium-lichen 0rganisation und Strukturierung vonStedten;

r die persistenten Strukturen der Stadtent-wicktung ats ererbte bautiche Struktur undLandnutzung, die tradierten Normen und Ver-hattensweisen der Beviilkerung und die insti-tutionet[en 0rganisationsformen;

t die stedtebautichen G esta ltu n gspri nzipien,darunter insbesondere die Formen des Wohn-baus.

Drei Unterschiede der nordamerikanischen undeuropiischen Stadtentwicktun g erscheinen vonwesentticher Bedeutung:

r In Europa ist der Raum nicht wie in Nordame-rika eine ubiquitiire Ressource. Der Boden istknapp, die Bodenpreise sind hoch. Die hoheBev6tkerungsdichte fiihrt zu anderen Formen

im Stadtebau, aber auch in a[Len anderen Ka-

tegorien stedtischer Existenz. Phinomene derlJnternutzung, der Extensivierung und des

Brachfatlens von F[dchen, das Leerstehen von

Objekten werden sehr rasch wahrgenommenund fiihren zu Gegenaktionen und MaBnah-

men seitens der Beh0rden und der Bev6[ke-

rung.r Stadtische Systeme in Europa unterliegen

Woh lfa h rtsstrategien des Soziatstaates unddamit ptura[istischen 0rganisationssystemen

-in derWohnunqswirtschaft, im Verkehr, beider Entwicktung der sozia[en und technischenInfrastruktur und, abgeschwicht, auch aufdem Arbeitsmarkt.Durch diesen Pluratismus werden Segmenteauf den genannten Ebenen definiert, welchedurch unterschiedtiche Zugan gsbedingungen

voneinander separiert werden und jeweils spe-zifischen Atlokationsbedingungen unterlie-gen. Besonders ausgepragt ist diese Segmen-

tierung auf dem Wohnungssektor, da durch

die spezifischen nationa[en Strategien in Eu-

ropa Mechanismen der Marktwirtschaft, wiesie in Nordamerika funlrtionieren, partiet[auBer Kraft gesetzt wurden. Die Prinzipien dersoziaten Chancengleichheit haben ferner mas-

sive sachliche und riiumtiche Umverteilungs-strategien im Gefotge und bedingen damiteine Reduzierung der Disparit6ten jnnerhatb

der Gesellschaft und ebenso innerhatb des

riium[ichen Siedtungssystems.r Wesentliche Unterschiede zwischen Europa

und Nordamerika erqeben sich schtieBtichaufgrund der politisch-administrativen 0rga-nisationsformen, a[[en voran der Gemeinde

a[s unterster Ebene des Staates, und damit ei-ner Institution, die in Nordamerika ebensofeh[t wie der Verwaltungsaufbau, der auf den

aufgeklarten Absolutismus und die biirgerli-chen Revolutionen zuriickgeht.

50

Page 49: Die Stadt - Lichtenberger

Instrumente der Kommunatpotitik

Instrumenteder Kommunalpotitik

Im folgenden sei ausschlieBtich aufden Komplexder persistenten Strukturen eingegangen, undzwar auf Bauordnungen und Ftiich enwidm u n qs-ptiine, kommunale Aufgabenbereiche und Steu-e rsysteme.

Bauordnungen und FlSchenwidmungsptilne

Die physische Struktur von Stedten ats dreidi-nensionales Gebitde von Freifliichen und verbau-:en R;umen wird entscheidend durch die Miig-.ichkeiten der EinftuBnahme von Stadtbehiirden'n Form von Bauvorschriften und Bauordnungenrestimmt. Die vertikale Struktur des Baukiirpers'r5ngt nicht nur von der Bautechnotogie ab. 5ogab es z. B. die technische Miigtichkeit des Hoch-.ausbaus bereits im mittelalterlichen ItaIen. Die,lohntiirmevon 5an Gimignano beweisen es. Dielegierungen der Stadtstaaten zwangen jedoch:'e Adetsfamilien. ihre Turmbauten abzubrechen.lre Periode eines mittelatterlichen Hochhaus-:aus in Europa war damit zu Ende.

Die Begrenzung des Bauk0rpers der Stidte in::. Vertikalen wurde auch im Absotutismus bei-:e:atten. Aufgrund der Technik der Zieqetbau-,1eise mit dem Leiterngerust entstand die ein--:it[iche, ruhige Trauflinie einer maximaten3:rhiihe von 26 Metern. welche. erstma[s in Pa--i 1795 in Bauordnungen verankert, [iber Euro-: : hi nweg als,,Traufhiihenprinzip" Nachahmun g

=-d und den europiiischen Stddtebau bis zum:->:en Wettkrieg bestimmte.

\ordamerika hat Beschrenkungen des Bauens- ler Vertikalen nie gekannt. Die Fortschritte::' Bautechnotogie kiinnen am Htiherziehen der,: lvscraper" abgetesen werden. Traditionetle:-Ctebauliche Vorstettungen. genormte bau-:::. njsche Regulierungen und eingespiette, :-,rattungstechnische Durchfiihrungsbestim-- -- gen verziigerten den Hochhausbau in Europa

-:: um ein Jahrhundert. Die zentral-peripherer:s:ufung der Bauhdhe in Form ejnes Bauklas-::-:rinzips behielt bis in die 50er Jahre des: - . J h.s ihre Gilttigkeit und wurde erst durch die

Einf0hrung der GeschoBfliichenza h I und damitdurch einein derVertika[en elastische Bauweiseabgeliist. Damitistauch in Europa der Hochhaus-bau auf die Biihne getreten (Abb. 2.1).

A[[erdings unterscheidet sich seine Verortungim europiiischen Stadtraum grundsdtz[ich vonder in Nordamerika. Die neuen Landmarken derCity - Banken, Versicherungen, Biirobauten vonGroBkonzernen und Hotets - hatten einen Re-

spektabstand zu den historischen Landmarkender Kirchen, Rathiiuser und Schtiisser. Es sind -und dies mag den Stadthistoriker interessieren -die historisch-topoqraphischen Grenzen, dieNarbenzonen der Stiidte. in denen man die tech-nische Infrastruktur einbringen kann, die not-wendjg ist, damit Hochhiiuser errichtet werdenkiinnen. Hochhiiuser entstehen ferner dort, wotraditionetle Bauk[assen aneinanderstoBen. undmarkieren damit den Eingang zu iitteren Vorstad-ten und Vororten. Hochhiiuser sind iiberdies einInstrument der 5[umsanierung, ebenso werdensie aber auch bei Wohnsatettiten am Rande derAggtomeration verwendet. 5ie markieren dieWachstumsfront des zentraten Geschiftsbezirksund bitden Cityauslieger, wie die lJN0-City inWien und La D6fense in Paris (Abb. 2.2).

Ein neues architektonisches Etement bilden dieBahnhofsljberbauungen. wie Montparnasse inParis und der Franz-Josefs-Bahnhofin Wien.

Verkehrsknoten des Massenverkehrs werden inden Mi ttio n en stiidten dadurch markiert. Hin-sichtlich des anzustrebenden Musters von Hoch-hausbauten im Stadtgebiet bestehen jedoch nir-gends stadtebauliche Leitbitder.

Vergleichen wir mit Nordamerika. Hier nahmendie stiidtischen Behtirden vor dem Ersten We[t-krieg im wesenttichen in zwei Richtungen EinftuBauf die physischen Erscheinungen von Stedten:Erstens in Form von Brandschutzordnungen, zuderen wohtwichtigsten Bestimmungen die An[a-ge von AuBenstiegen zdhtte, die man daher analten Gebiiuden bis zur Mitte der 5OerJahre des20.Jh.s findet. Erst der technische Fortschrittdurch die Anlage absotut feuerfester Stieqen-schiichte im Innern lieB sie iiberfliissig werden.

Zweitens bewahrten sich - noch aufdie Land-nahmezeit zurtickgehend - amerikanische Stadt-behtirden eine gewichtige Position in der Fest-

57

Page 50: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuelte Stadtenty/icktung und potitische Systeme

Abb.2.2: Pais, Lo DAfense

von Westen

Abb. 2-3: AtLonto um 1s70

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legung des.,open space", des Freiraums derStidte, und damit in der StraBenp[anung. Vonder rechttichen Seite aus ist es damit den U5-Stadtbehiirden sehr viel leichter miigtich, neueAutobahntrassen zu realisieren (Abb. 2.3). Unterdem Druck der groBen Automobilkonzerne, de-ren i.iberdies seit 1962 die Bundesregierungdurch ein Autoba h n s ubvention sgesetz entge-gengekommen ist, werden 90 % der Kosten vonstadtischen Interstate-Highways vom Staat iibernommen, sobald ein gesamtstidtischer Ver-kehrsptan vorliegt. Aufgrund dieses Bedingun gs--ahmens des Zusammentreffens von Rechtstage,;on Interessen der GroBindustrie und staattichenSubventionen ist ein gigantischer innerstiidti-scher Autobahnbau schon in den 196Oer Jahrenangetaufen, der den Niedergang der Downtownsa uf der ejnen Seite und die Suburbanisierung derBeviilkerung auf der anderen wie die Auseinan-Cerlegung von Fliichennutzungen und die weite--e 5egregierung der Beviitkerung mitbedingt hat.

-os Angetes sei ats BeispieI angefiihrt, wo der1971 vortiegende Stadtentwicktungsptan ein Git-:ernetz mit einer tlaschenweite von 5 km fiir denAutobahnbau vorsah.

Erst sehr viel spiiter ats in Europa, ndmlich in:er Zwi sch en kriegszeit, entstanden in den USA3auordnungen und F[dchenwidmungsptdne. New'rcrk machte 191.6 den Anfang. 1926 wurde von:er Bundesregierung der ,,Standard State Zoningi"abting Act" ertassen, der Ko ntroltbestjm m un---en fijr dje Landnutzung, die H0he der Gebiude

-sty. umfaBte,jedoch noch jmmer nichtvon a[[enS.jaten angenommen worden ist,

Gru ndsiitzlich weisen [.JS-amerikanische Ftii-:- e n wi d m u n gsp lii ne ei ne g ro B e Ah n ti ch keit mit'-'en europiiischen Gegenstiicken auf, da sie::enfalts in der Charta von Athen des Stiidtebaus.e'ankert sind. Sie kamen aber zu spet, um die. :rhandene, ausgepriigte physische und sozial: <otogische Gliederung der Stidte zu veriindern::e Hochhaussithouette der Downtown, die Indu-;:iezone im AnschtuB an den CentraI Business:'strid (CBD) und die Position der Bahnhiife,v J lla btagerungsf[iichen u. dgt.

Anderungen dieser Strukturen erwiesen sich: -: unmiiglich, nicht zuletzt aufgrund der man-::-nden Bereitschaft der groBen Hypotheken-

Instrumente der Kommunatpotitik

banken, teure 0bjekte in bittiqen Nachbarschaf-ten zu finanzieren. Trotz atter Zoning-Vorschrif-ten war es nicht miigtich, den Umbau in neueBahnen zu lenken und Stadterneuerung in gro-Bem Umfang durchzuftihren, so wie dies notwen-dig gewesen wiire.

Die Ftiichenwidmungspliine wurden jedochwichtig fiir die Suburbs. Hier erhietten sie freiticheine ganz andere Funktion ats in Europa. Suburbsder oberschicht begannen seit den zwanzigerJahren sich gegen die aus der Stadt f[iichtendeMittelklassebeviilkerung durch Vorschriften iiberdie GrtiBe der Grundstiicke und die Hdhe derHauswerte zu verba rri ka dieren. Die Vororte derMitte[schicht schlossen sich diesem Vorbi[d an.WohIwaren ihnen campusartig aussehende In-dustriebetriebe als Steuertrager durchaus witt-kommen, ihre Restriktionen richteten sich abergegen das Eindringen von Niedrigeinkommens-beziehern und insbesondere afroamerikanischerBevtitkerung.

Eine Art SchachspieI zwischen verschiedenenSuburbs begann, um unerwiinschte Bewerber(welcher Art auch immer) abzuweisen. Ftdchen-widmungsptiine wurden von den 5uburbs zu ei-nem Instrument der Segregation hochstilisiertund sind es iiberall dort gebtieben, wo einegriiBere Differenzierung der Nachfrage nachGrund und Boden besteht.

Ein weiterer Unterschied kommt hinzu. Auf-grund der enormen Bautiitigkeit war es nichtmiigtich, die auf die Einzetparzette bezogenenVorschriften, wetche in den europiiischen Rechts-normen der Verbauung verankert sind, flir Bau-ptiine aufrechtzuerhalten. Es entstand das 5y-stem der,,Subdivision-Control,": Eine Aufsch[ie-Bung wurde iiberhaupt nur bei Verbauung einesgrtiBeren Terrains gestattet, und dann musstefiir das betreffende Landstlick eine private FirmaAufsch [ieB ungsp lii n e vortegen und die Durch-fi.ihrung der AufschlieBung iibernehmen. DiesePrinzipien ftirderten private GroBbaugesettschaf-ten und GroBbauprojekte und iibertrugen derPrivatwirtschaft eine Aufgabe, die in Europa denstedtischen Behiirden zukommt, niimtich die An-[age von StraBen, Kaniiten, Lichtteitungen usw.

In den 1960er Jahren votlzog sich der Schrittzum,,P[anned lJ nit Devetopment", dem gebi.in-

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Aktuette Stadtentwicktung und potitische Systeme

Abb. 2.4: Toronto, Luftbiu,1954

Abb. 2.5: foronto, Luftbiu,1968

detten Paket des Angebotes von Schuten, Frei-zeiteinrichtungen, Geschiiftszentren, Einfamiti-enhdusern und Arbeitsstetten, darunter neuenLeichtindustrien. Damit emanzipierten sich dieSuburbs endgiiltig von der Kernstadt.

Ebenso wie im europiischen Mittelalter nichtalte Stadtgriindungen reiissiert haben, war auchd'ie Antage derartiger integrierter ,,Neuer Stddte"in den USA nicht immer und iibera[[ erfotgreich.

Eine Vorsteltung vom Tempo der Bautitigkeitvermittetn Luftbitder von Toronto aus den Jahren1954 und 1968, denen die planmiBige Struk-turierung des mosaikfiirmigen Aufsch[ieBun gssy-

stems der Suburbs im oben angesprochenen Sinnezu entnehmen ist (Abb.2.4 und 2,5).

Grundsdtzlich beruht das Konzept dieser;nte-qrierten Suburbs" auf dem der Neuen stadt, wie

sie von E. Howard in Gro[3britannien als Reaktionauf die MiBstiinde des industrielten Stidtewe-sens erdacht worden war. Zu den Grundvoraus-setzungen von Howards Modelten ziihlte dieKommunatisierung von Grund und Boden, weilnach seiner Auffassung nur dadurch die Boden-spekulation und atle daraus resultierenden Aus-

wlichse beseitigt werden kiinnten.Die Bodenfrage ziihtt seit Howard zur zentraten

Thematik der stedtischen Gesetlschaftspotitikund Stadtplanung, Im Zusammenhang mit ihrerIdeotogisierung brechen auch in der Forschung

Griiben auf, z. T. zu lJnrecht. Die nordamerikani-sche Entwicklung beweist nemlich, daB sich auch

in einem marktwirtschaftlichen System aufgrundder Ideologie der bestmiiglichen Vermarktung

des Gesamtproduktes Ptanungskonzepte, wie das

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Page 53: Die Stadt - Lichtenberger

der,,Neuen Stadt", verwirk[chen [assen. Die Rea-[isierung ist sogar sehr vie[ leichter und in einerquantitativen Breite mOglich, die den aufmerk-sam durch Nordamerika reisenden Europlerimmer wieder in Erstaunen versetzt (Abb.2.6).Freilich muB eine Einschriinkung angebrachtwerden: Fiir margina[e Bev6lkerungsschichten istin derartigen neuen Suburbs kein Ptatz.

Der angesprochene Suburbanisierun gsvorganghat in Europa andere Rahmenbedingungen a[s inNordamerika. Hierzu ziihten:r Die historischen Siedlungsstrukturen eines

Netzes von Kleinstedten und Ddrfern und da-mit das daraus entstandene kleinzligige Mosa-ik der Gemeinden rings um die groBen Stadte,in denen die Biirgermeister die oberste Bau-aufsicht innehaben und gemeinsam mit denIokaten Etiten die ftichennutzung bestimmen.Parzetlenweiser Grundstiicksverkauf und indi-viduele Verbauung erfotgen daher vietfachohne iibergeordnete AufschtieBungs- und Pta-n u ngsprinzi pien.

r lrlit Recht wurde flir Frankreich das Wort vond er ,,a narchischen lJrbanisation" geprigt, dasnun fiir weite Tei[e Europas GUttigkeit besitzt(Abb. 2.7). Aus Griinden, die hier nicht niiherausgeflihrt werden kiinnen, okkupieren seitder Zwischen kriegszeit, teits im Ansch[uB an0iirfer und K[einstadte, teits unabhengig da-von, Ei nfa mjtien hausgebiete in atlen Grii13en,

QuaUteten und Arten von Bau- und Rechtsfor-men, von genossenschaftlichen Reihenhaus-siedtungen bis zu Ubergangsnutzungen mitBrachparzellen ats Kapitalanlage und Zweit-,vohnungen, weite F[dchen des Stadtum[andes.

t Der aktuetle SuburbanisierungsprozeB wirdganz wesentlich durch den Ausbau der Mas-;enverkehrsmitteI und durch den Verkehrsver-rund von Kteinstidten im Rahmen der Stadt-'egion mit der Kernstadt getragen.

Tomm u nale Aufgabenbereiche

--': Stadtbehiirden in Europa haben einen weit;-: jeren Aufgabenbereich a[s die in Nordameri-.:- Dieser gehtim wesentlichen auf die Funktio--:- der mittelattertichen Biirgergemeinde zu-

Instrumente der Kommunatpolitik

riick, die in der Zeit des Absolutismus z. T. von Abb. 2.6: Sun Ciqder staattichen Biirokratie [ibernommen wurden.Das St5dtewachstum des 19. Jh.s brachte neueAufgaben. Sie wurden vom technischen Stedte-bau, zuniichst vielfach unter Beteitigung von Pri-vatgeseltschaften beim Bau der Massenverkehrs-mitteI und der Ver- und Entsorgungseinrichtun-gen, getiist. Dieser Munizipatsoziatismus an derWende zum 20. Jh., dessen MaBstebe in Wien vonB0rgermeister Lueger gesetzt wurden, brachteein neues Kapitel der europiiischen Kommuna[-potitik. Recht spektaku[er vo[[zog sich in Wiennoch die Verstadtlichunq der iiffentlichen Ver-kehrsmitteI und anderer Versorgungseinrichtun-gen, wie der Gas- und E[ektrizitdtswerke. Weit un-auffS[[iger fotgten in der Zwischenkriegszeit diemeisten Stadte Europas dem Wiener Beispiet.

Geseltschaftspotitische Grundsatze des sozia-len Wo h lfa h rtsstaates finden in die Investitions-und Tarifpotitik Eingang. Mit der Verbannung desProfitdenkens und der generetlen Akzeptierungdes Gemeinnutzenprinzips bei Sozial- und In-frastruktureinrichtungen bzw. einer Subventio-nierungsmaxime bei den ijffentlichen Verkehrs-mitte[n unterscheiden sich die Verhiittnissegrundsdtzlich von denen Nordamerikas: Dort

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Page 54: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuelle Stadtentwicktung und politische Systeme

!::,{'''"n.

Abb- 2.7: PLonung und choo-ti sc h e U h o ni s oti o n, Fra n k-rcich

werden die anfattenden technischen und soziatenInfrastrukturleistungen fast durchwegs vonPrivatunternehmen erbracht, vielfach GroBbe-trieben, die, wie die der Etektrizitiitsversorgung,hiufig mehrere Staaten umspannen. Eine Ver-stiirkung der Suburbanisierung entstand durchden Zusammenbruch der Massenverkehrsmitte[,der, un geachtet einer gewissen Subventionierungdurch das Federal Government fiir den U-Bahn-Betrieb. bereits die Ebene von Mi[[ionenstedtenerreicht hat. Auf die Unterschiede sowohI ge-geniiber den europiiischen Wohlfahrtsstaaten atsauch vor atlem gegeniiber den postsoziatisti-schen Staaten wird noch zuriickgekommen.

Die Konsequenzen der unterschiedtichen Auf-gabenstruktur der Kommunalbehijrden im Hin-btick aufdie riumtiche 0rganisation von Stadtenliegen auf der Hand. Dort, wo der Magistrat dieBetriebsf0hrung hat, besteht in der Regel ein

Quatitdtsgradient vom Zentrum zur Peripherie

und in vielen Fiilten eine [Jnterversorgung des

Stadtrandes. In den USA sind die Verhiiltnisseumgekehrt. Die Innenstadt und altere Stadtteilesind hdufi g katastrophaI sch lecht ausgestattet,die technische Infrastruktur wurde vietfach erstnachtriiglich eingebracht, wdhrend andererseitsdie technische Ausstattungsquatitat der jtinge-ren Suburbs. nicht zuletzt seit dem ,,Unit Area

Development", durchwegs vorziiglich ist.Die lJnterschiede im Bereich der sozialen Infra-

strukturakzentuieren die obigen Aussagen. Un-ter den Einrichtungen der soziaten Infrastrukturkommt zunechst dem Schutwesen ganz altgemeineine besondere Bedeutung fiir die soziate Diffe-renzierung von Stedten zu. In den meisten eu-ropeischen Staaten ist das Schutwesen verstaat-[icht und durch einheitliche Lehrpliine undeinheittiche Bezahtung der Lehrer geregett. Bit-dungspotitik ist ejn MitteI des Disparitatenaus-gteichs, u nd zwa r sowoh I a uf der interregiona [en

als auch derintraurbanen Ebene.

Anders in Nordamerika: Es gibt kein staattichfinanziertes Schutwesen im europdischen Sinn.Die Schuten werden als lokale Schulen liberSchutdistrikte verwa[tet, die Erhaltung erfotgtmittets Lokalsteuern, wetche im wesentlichen aufEinnahmen aus dem Haus- und Grundbesitz be-ruhen. Da es zu den Verhattensnormen des Mit-telstandsamerikaners zihtt, den Kindern einemiig[ichst gute Schutbitdung angedeihen zu [as-sen, ist es fiir jeden Famitienvater selbstver-stiindtich, daB er in den Suburb zieht, dessen

Wohnstandard er sich mit seinem Einkommen ge-

rade noch [eisten kann. Der Soziatstatus des Sub-

urbs findet niimtich i.iber die Lokatsteuern in der

ouatitet der Schuten, sprich Ausstattung, Aus-

wahI und Bezahtung der Lehrer usw., seinen Nie-dersch[ag. Auf diese Weise zAhtt das Schulsystemzu den entscheidenden Faktoren der tikonomi-schen und auch der ethnischen Segregation. Atte

Versuche seit der Regierung Kennedy, dieses 5y-stem mittets Schulbussen und Stipendien fiirAusbi[dun gspldtze fUr ermere bzw. afroamerika-nische Schiiter zu iindern, sind bisher auf demExperimentierfeld verbtieben. Der euBerst mobi-[e Nordamerikaner reagiert, wenn er es sich fi-nanzietl leisten kann, sehr rasch durch lJmzug

t."/AI.S,rlio\.f,

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Page 55: Die Stadt - Lichtenberger

Instrumente der Kommunatpotitik

auf vermeinttiche Verschtechterungen der Schut-qualitet.

Weitere Unterschiede zeigt der soziate Woh-nungsbau: Er wurde in Europa in Zeiten der Woh-nungsnot,,geboren" und ist heute vielfach einInstrument der Wah[geometrie fiir sozialdemokra-tische Stadtverwaltun gen: Kommunate Wohnbau-:en werden mit Vorliebe in biirgerlichen Wohn-lezirken errichtet. Ganz anders ist die Situation

'n Nordamerika. Von fliichtigen aus[SndischenEesuchern hdufig mit dem ,,Urban Renewal"

:l.eichgesetzt, war und ist das Pubtic Housing:usschtieBlich als HilfsmaBnahme fiir die Arm-sren der Armen zu sehen. das heiBt: Mit der Ak-<.Jratesse nordamerikanischer Biirokratie wird

;edes Jahr iiberpriift, ob die Einkommen der Mie-:er nicht ein bestimmtes Limit iiberschreiten.,r,er mehr verdient, muB ausziehen. Diese Aus-:'ebung der Aufstiegswi[[igen hat das katastro-: rate Ergebnis erbracht, daB viete dieserWohn-!'.os zu Horten des Verbrechens qeworden sind

-rd ha[b leerstehen, weil die Angst vor der Kri--inatitiit die Menschen vertreibt. Da der sozia[e,', c h n ungsbau laut Gesetz nur 55 % des privaten,r,ohnungsbaus kosten darf, muB er mit den::. lechtesten Standorten, zwischen Eisenbahn-: -eisen, auf ha[b verfatlenem Industrie- und La-:e'ptatzgetiinde usw., vortiebnehmen. Von ein-::.nen Stadten wie NewYorkabgesehen, hatder;:zr ate Wohnungsbau mit insgesamt nur rund ei--:r Prozent des Wohnungsbestands iibrigens: -cn eine seh r vie[ geringere zahlenmiiBige Be-:.rtunq als in den europiiischen Staaten. Auf::'-e Lage in der Transitionszone rings um die::,rntown hat Schneider-Sliwa (1999) beson-::'s aufmerksam gemacht.

\iit dem soziaten Wohnbau ist in Europa das

.::zia[e Griin" untrennbar verbunden. Auch\: -damerikas Stadte besitzen Stadtparks, die zu--:'st aus der Zeit der Stadtgriindung stam men.:: 'andett sich um Fliichen, die von der Auf-::-.ieBung ausgenommen und als Parkangetegt

^ -'Cen. Spiiter haben einze[ne Mezene weitere::-<s gestiftet. Seit dem Ersten Wettkrieg sind.-:-r meh r tiffentfiche Grlinfliichen entstanden.\:-antagen, vom Klubsystem getragen, be-::-'dnken sich auf die Suburbs der Mittet- und

-::'schicht.

Steuersysteme

Im Zusammenhang mit dem Schutsystem wurdebereits auf die Bedeutung der Lokatsteuern hin-gewiesen. GrundsetzIch besteht im privatkapita-listischen Wi rtschaftssystem der USA nach wievor eine hohe Besteuerung auf Haus- und Grund-besitz, aus der das Budget der [okaten Behtirdengespeist wird. Daraus erktiirt sich auch das obengekennzeichnete Bestreben der woh[habendenBev6lkerung eines Suburbs, einkommensschwa-che Schichten fernzuhalten. um damit die Qua-litet des Schulsystems nicht zu gefiihrden. Dieses

Interesse erlischt begreiflicherweise bei Reduzie-

rung der HaushaltsgrtiBe info[ge des Wegzugs

der Kinder. Spitestens beim Eintrittin das dritteLebensalter wird der Standort gewechsett und je-ner Suburb gewiihtt, in dem keine Schuten vor-handen sind. Durch die privatkapita[istischeRegutierung des Wohnungsmarktes und die Kop-pe[ung des Schutwesens mit dem Lokatsteuersy-stem werden somit Prozesse der demographi-schen Segregation bedingt und beschleunigt. Es

entstehen in groBem Umfang Seniorenghettos,die ats eine der wichtigsten und zugteich er-schreckendsten Entwicktun gstendenzen der mo-dernen Suburbanisierung in den USA zu bezeich-nen sind. Sie spieten vor altem in jenen Staateneine Ro[e, die im Winter mildes Ktima aufweisen,wie etwa Ftorida.

In Europa haben wir zumeist vergessen, daB

vor dem Ersten Wettkrieg die Besteuerung vonHaus- und Grundbesitz ebenfatls eine Hauptstiit-ze des staatfichen Budgets war. A[s Beispiel sei

die tisteneichisch-ungarische Monarchie ge-nannt, in der auf die Hauszinssteuer 40 % des ge-samten Staatsbudgets entfi eten. Inzwischen sindim Gefotge der Entwertung von Haus- und Grund-besitz, der f4ietersch utzgesetzgebu n g usw. dieSteuern zu Anerkennungsgebiihren herabgesun-ken. Es zih[t daherzu den atsimmanentangese-henen Strukturprobtemen von Wohnvororten,daB sie selbst dort, wo Mitte[- und 0berschichtenwohnen, aufgrund ihrer geringeren Steuerein-nahmen Schwierigkeiten haben, ihre iiffentti-chen Aufgaben zu erfiilten.

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Page 56: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuelte Stadtentwicklung und potitische Systeme

Abb. 2.8: Ptozesse der Stadt-e ntwi ckLu n g i n N o rd o n ei kou n d de n posLso zi o Ii sti schenStooten

Stadtentwicktungim politischen Vergleich

Der politische Systemvergleich betegt, daB derStadtverfa[[zu den die politischen Systeme iiber-greifenden Erscheinungen in der westlichen Wettgehdrt. Die aus dem Gleichgewicht geratenenProportionen zwischen dem Wachstum der stddti-schen Struktur und ihrer Erneuerung sind alsHauptursache anzusehen. Die Abb. 2.8 verdeut-licht dies.

Hierzu einige Aussagen: In Nordamerika istaufgrund der Stadtflucht der Beviilkerung aus derKernstadt Suburbia ats neues Siedlungssystementstanden. Es tragt die Counterurbanization,die Entstiidterung. In diesem selbstiindigen so-ziodkonomischen Siedtunqssystem lebt heutemehr ats die Hilfte der Bev6lkerung der USA.

Diese Beviilkerung von Suburbaniten hat frei-lich die Probteme in den Kernstedten aus demB[icKetd geschoben. Hier sind in der Nachkriegs-zeit in einem sehr komptizierten Circulus vitiosus

i{ordameri ka postsoziatistische Staaten

.--.+ Abfotge der Prozesse der StadtenMcklung

nen objekte zumindest in unmittetbarer Nach-barschaft der Downtown zu beseitigen.

Nun ist Stadwerfatt gteichzeitig Zustand undProzeB. Ats letzterer fotgt er den Innovationsge-setzen und erfaBt dementsprechend einerseitsimmer j[ingere Bausubstanz und breitet sichandererseits zentra[-peripher aus. Konkret be-deutet dies, daB er sich, ausgehend vom grlin-derzeit[ichen Baubestand der Kernstidte, gegen-

wertig auch schon auf die iitteren Suburbs unddie Kteinstedte am Rande von groBen Verdich-tungsriiumen ausbreitet.

Auch die Riickkehr von Tei len der Bevdtkerungiiber die Gentrification hat das Fortschreiten desVerfatts nicht aufhalten kiinnen. Entsprechenddem Take-off des quartiiren Sektors hat sich nurin einzelnen groBen Stiidten ein partielter LJm-

bau der Innenstadt votlzogen.Boston bietet ein Beispie[ (Schneider-Stiwa,

199e).Es besteht hinsichttich der Verfatlserscheinun-

gen eine erstaunliche Para[te[e zu den Stiidtendes Staatskapita[ismus iistticher Pragung, in de-nen die Verfaltserscheinungen ebenfalts auf feh-lenden Reinvestitionen in den Baubestand beru-hen. Die Griinde dafiir sind hier freitich andere:Der private Mietshausbesitz wurde vielfach ent-eignet und steht - zumindest vorldufig noch -weitgehend unter staatlicher Verwaltung. Die

staatlichen Budgets reichten nicht aus, umStadterweiterung in Form des Baus von GroB-wohnan[agen sowie der Errichtung von Massen-

verkehrsmitteln zu betreiben und gteichzeitig inden iilteren Baubestand zu investieren.

Entwicklung im Privatka pita [i sm u s

Von der kurzen Phase kotoniater Abhiingigkeitabgesehen, vollzog sich die Stadtentwick[ung inNordamerika im Zeichen des Liberalismus unddamit auf einem von Angebot und Nachfrage dik-tierten Bodenmarkt, auf dem Bodenpreise, Ren-

dite und Spekulation Regulative bilden.Nachdem das potitische System in den letzten

200 Jahren im groBen und ganzen unverandertgebtieben ist, kiinnen die Stadte Nordamerikasgeradezu ats Modellfa[[ dafiir angesehen werden,

StadtfluchtSuburbanisierungCount€rulbanization

StadtwanderungStadterweiterungAufspattung der llrohn-funktionZweitwohnungsbewegung

----+ Verfall im gr0nder2eittichen Stadtgebiet

in eteren Suburbs

-____> Erneuerung

Riickkeh r einer neuenCitybeviitkerung zuden lGrnst-iidtenGentrification

Um5chichtung derBeviilkerungZuwanderunq anhaltendAltstadterneuerung

von fehtenden Reinvestitionen in den Baube-stand. sinkenden Steuereinnahmen und bevdtke-rungsmiiBiger Margina[isierung ausgedehnteVerfaltsgebiete entstanden. Von diesem moder-nen WiistungsprozeB in den Kernstiidten kannman sich in Europa kaum eine Vorstetlung ma-chen. In den 1990er Jahren haben die Behiirdeniiberatt mit massiven Sprengungs- und Abtra-gunqsarbeiten versucht, einen TeiI der verfa[te-

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Page 57: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtentwicktung im potitischen Vergteich

Abb.2.9: LuftbildPhilodeLphio 1970

Abb. 2.10: VetfoUende Wohn-gebiete in Philodelphio 1981

wetche Konsequenzqn sich aus der Anwendungprivatkapitatistischer Spietregeln bei gteichzeiti-ger Veranderung der Techno[ogie der Produkti-on, des Bauens und des Verkehrs fiir das stiidti-sche system ergeben.

Zum Verstendnis der Stadtentwicktung bedarfes der Beachtung fotgender Etemente:

r Renditedenken und Gewinnmaximierung be-stimmen die sozialen Normen. Sie beein-fl ussen zutiefst das Investitionsverhatten derBev6tkerung und bedeuten konkret, daB Kapi-tatinvestitionen in Bauobjekte nur sotangestattfinden, wie diese zur Steigerung desMarktwertes beitragen. Da besonders Banken

und Versicherungen ihre Getdan[agen nur dorttiitigen, wo sie eine entsprechende Renditeer\,Yarten, ist es verstindlich, daB abgewohnteGebiete der Kernstddte als finanzietl,,toteZonen" aus den Investitionsstrategien ausge-ktammed werden. Selbst wenn einzetne Perso-nen bereit wiiren, verfatlende 0bjekte zu repa-rieren, so wlirden sie hierfiir keine Krediteerha lten.Es ergibt sich daraus weiterhin, daB Stadter-neuerung im Zuge eines 6konomischen Recy-

cting-Denkens nur vo[[stdndige Abriiumungehematiger Wohngebiete und deren Umfunk-tionierung zu Verkehrsfliichen bzw. die Adap-tierung asthetisch attraktiver Teile in histo-risch-musea[er Form fiir eine zahlungskriiftigeneue Citybeviilkerung bedeuten kann.

im Wohnbaubestand (- Leerstehen von Gebeuden)Verfutlserscheinungen

! kein erottem

fl serins

ffimiBigB rtarlausgepregt

59

Page 58: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuetle Stadtent\,,/icktung und potitische Systeme

Die auBerordenttich hohen Neubauraten zu-sammen mit dem technol'ogischen Fortschritthaben die durchschnittliche Lebensdauer vonBauobjekten [iingst auf die mensch[iche Le-

benszeit verktirzt und in j[ingster Zeit eineweitere Reduzierung auf eine Generation be-wirkt. In weiterer Konsequenz bedeutet dies,daB sdmttiche Neubauten sehr rasch in diegraue Zone von verschatteten Gebieten bzw.btighted areas (Btight = Pitzbefat[) einriicken.Der Hausbesitz wird dementsprechend aus

den aktuetlen Bediirfnissen von einze[nenPersonen und Haushalten und dem iikonomi-schen Nutzen fi.ir sie definiert, hatjedoch nureine geringe Funktion im intergenerationalenBesitztransfer.Die kontinuierliche Anpassung an den Markterfordert eine extrem hohe Mobititit der Pro-duktionsfaktoren Arbeit und Kapita[. KapitaIwird sehr rasch abgezogen, wenn es in einembestimmten Raum keine Ertriige tiefert. Leer-stehende Objekte,,sttiren" niemanden, dakei n ertei ko llektive Verantworttich keit fii r dasgepflegte Aussehen von Stedten auBerhatbder,,eigenen Nachbarschaft" besteht. Die Mo-bititiit auf dem Arbeitsmarkt ziihtt zu den in-ternatisierten Normen eines aufstiegsorien-tieften Sozialverhaltens.Durch den geringen Budgetanteildes iiffent-lichen Sektors sind MaBnahmen gegen dieAusbreitung von physischen Ve rfa [[s e rs ch ei-nungen aus dffent[ichen Mitteln kaum finan-zierbar. Im Gegentei[, in einer von den Vor-ziigen des Privatkapitalismus tiberzeugtenMittetschichtqese[tschaft wird vor a[[em dar-aufgeachtet, daB das AusmaB der Soziatpake-te nicht ausgeweitet wird. Dieses Verhaltentregt wesentlich dazu bei, daB die Verfatts-,Segregations- und Marginatisierungsprozesseweiter fortschreiten und sich die davon be-troffenen Area[e ausweiten.Von entscheidender Bedeutung f0r die Vor-genge von Verfall und Erneuerung ist dasSteuersystem. Die Steuern auf Grund und Bo-den bitden die Grundtage fiir das Budget derLokatbehdrden und die Finanzierung der so-ziaten Einrichtungen. Dies bedeutet, daB da-mit kein Weg aus dem Teufelskreis von margi-

naler Beviilkerung - geringer Steuerkraft -geringen Einnahmen der Lokalbehtirden -schlechten ijffenttichen Einrichtungen, wieSchuten und Spitdter, herausflihrt.

Aufgrund dieses Bedingungsrahmens hat derVerfat[ von weiten Teiten der Kernstadte der USA,

der in den 1950er Jahren das erste und einzigeMaIstatistisch zu erfassen versucht wurde, inzlvi-schen ein flir europiiische Verhaltnisse nahezu

unvorste[[bares AusmaB erreicht. Riickwirkungen

der enormen suburbanen Erweiterung der Metro.politan Areas auf die Kernstidte haben a[[e funk-tionetlen Bereiche derselben betroffen.a Es kam zu einem Niedergang zahtreicher zen-

traler Geschiiftsbezirke. Dieser enorme Um-fang des CommerciaI Blight wurde zum ersten(und tetzten!) Matvon B. J. L. Berry fiir Cl.rica-

9o (1963) dokumentiert. Seither ist dieserVorgang gleichsam aus dem iiffenttichen Be-

wulitsein wie aus der,Wahrnehmung" derStadtforsch ung ausgeb [endet worden.

r Mit der riiumtichen Ver[agerung und [Jm-

schichtung der Industrie erfolgte ein ebensoeindrucksvotler Verfa [[ des inneren Industrie-giirtets um die Downtown (Industriat Btight)(v9t. Abb. 3.35).In den letzten Jahrzehnten sind diese ausge-

dehnten Areate von teerstehenden Ha[[en undverwahrtosten Fllichen verschiedenttich ab-geraumt und durch Autobahntrassen ersetztworden. Es gibt keine Statistik i.iber leer-

stehende 0bjekte. Doch sind Schdtzungen von

rund 300000 Industrieobjekten, die leer-

stehen, vermutlich zutreffend (Holzner 1997).r Der Verfat[ der Wohnbausubstanz (ResidentiaI

Btight) und die Stumbitdung ziihtenjedoch zu

den am stdrksten ftdchenbestimmenden Phii-

nomenen. In diesen innerstiidtischen W0-

stungsgebieten der spdt- und postindustriet-len Gesettschaft sind die Bodenpreise auf Nut[

gesunken. Trotz der staatlichen Initiierung ei-ner,,Frontierbewegung", welche Interessen-ten fiir die Gebiihr von 1 U5-$ den Besitztitelan einem leerstehenden Objekt zuerkennt,schreitet der Verfa[[ in den Wohngebieten um

den CBD weiterfort. Das BeispieIvon Phi[adet-phia belegt den 5 bis 10 km breiten Ring des

Verfa[[s in dieser groBen Metropole im Nord-

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Page 59: Die Stadt - Lichtenberger

osten der IJSA. Hier stehen rund 40 000 Hau-ser teer (Abb.2.9 und 2.10). Ahntiche Wertewurden in jiingster Zeit fii r Baltimore angege-ben. In St. Louis wurden soziate Wohnungs-bauten auf abgeraumten Flechen errjchtet(Abb.2.11).

S:eltt man die Frage, wetche stlidtischen Gebiete.:n der,,Produktion" von KapitaIdurch Boden-

:'eissteigerungen profi tieren und neue Struktu-i- e'hatten, so [autet die Antwort keineswegs,:ai die Wotkenkratzer immer hiiher wachsen,,,'e dies noch vor einem Viertetjahrhundert zu-

:-:f. Eine atlgemeine Aussage ist nicht mehr-:gtich, zu differenziert entwickeln sich die Me-

:-:poten der USA. Dagegen ist andererseits der

- -ban Spraw[" keineswegs abgestoppt, sondern: -:itet sich in Exurbia in den 6koloqisch attrakti-. :- Gebieten im mer weiter aus. Auf die Thematik

::- Differenzierung der Downtown deramerika-- ::hen Metropolen in der Gegenwart wird noch- (a piteL ,,Stadtri u me" eingegangen werden.

..:pitatbitdung durch Bodenspekutation undi: - en preissteigerung in Interessenverftechtung- : Autofirmen, 0ltrusts sowie GroBunterneh--.- der Bauindustrie, der Hypothekenbanken

Stadtentwjcktung im politischen Vergteich

und des Autobahnbaus haben die Suburbanisie-rung zu einem setbststeuernden Vorgang ge-

macht. Suburbia ist zum tragenden Sied[ungssy-stem der lJ SA geworden.

Es zahlt zu den faszinierenden Phanomenen,daB vor dem Hintergrund von weiten Wande-

rungsdistanzen und einer fi.ir europiiische Ver-

h6ltnisse geradezu ungtaubtichen Mobititet dieAussage, daB demographische, soziale und eth-nische Kohorten ,,in getrennte Quartiere mar-

schieren", nach wie vor Gi.ittiqkeit hat. Die nahezu

ubiquitere Ressource des zur Verfligung stehen-den Sied[ungsraumes hat bisher weder seitens

der Beviitkerung noch seitens der Behtjrden zur

,,Wahrnehmung", geschweige denn zu MaBnah-

men gegen das Entstehen ,,zentrater W[istungs-gebiete" in den nordamerikanischen St;dten ge-

fii h rt-

Die antiurbane Haltung, welche den ,,suburbanway of life" ats tragende Siiute des amerikani-schen Siedtungssystems etabtiert hat, fuBt frei-[ich nicht nur a uf der tech nologisch en Vorausset-zung einer altseitigen Zugiingtichkeit moderner

Kommunikationsformen, von Konsumgiitern und

Dienstteistunqen, sie beruht vietmehr auf der hi-

Abb. 2.11 : Sozi aLwoh n ungsbauan Cityrondbereich, 5t. Louis,

1999

=.

61

Page 60: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuette Stadtentwicktung und potitische Systeme

storisch-politischen Tatsache, da[3 die nordame-rikanische Stadtentwick[un g - zum Unterschiedvon Europa - das Vehiket der ,,biirgerlichen Stadt-gemeinde" und des ,,Stadtbiirgers" nicht mehr,,importiert" hat.

Lutz Holzner (1996) hat mit Recht auf die po[i-tisch-ideotogischen Unterschiede im Demokratie-verstdndnis zwischen den USA und Deutschtandhingewiesen. Sie sind sehr ausgepregt und vonRelevanz ftir den Gegensatz von kompakter eu-ropdischer Stadt und Suburbia in den USA. Das

Demokratieverstiindnis der USA wird getraqenvon der Selbstverantwortung des Biirgers, der dasRecht auf Leben und Freiheit, auf persiinlichesGlick @ursuit of happrness) einschtieBtich Besitz(propefty) undPivatsphire (pnvary) fiir sich be-ansprucht. Die Gteichheit wird nur als equol op-poftunily gefodert, bei der jedoch nicht equolresults erwartet werden. Zentralismus und hierar-chische Administration gelten ats obrigkeittichund undemokratisch und werden abgetehnt.

Das deutsche Grundrechtsverstandnis beruhtdagegen aufdem Anspruch auf Sicherheit der so-zialen Existenz, d. h. atso auf,,equaI resu[ts" auseinem ega[it6ren Gesetlschaftsverstiindnis her-aus. Hierzu gehtirt auch die Gteichwertigkeit derLebensverhittnisse in atlen Teilriumen. Leitbi[-der einer weitgehend obrigkeittich reglementier-ten Erhattung und Pflege des Kutturerbes, darun-ter insbesondere von Stedten, gehiiren zu denStaatsgrundgesetzen (2. B. im Freistaat Bayern).Ideen von Sozia[- und Umweltvertraglichkeit bzw.von soziater (und/oder ethnischer) Mischung imgefiirderten Wohnungsbau werden atlgemein ak-zeptiert.

Entwicktung im Postsozialismus

Entsprechend den Grundprinzipien soziatisti-scher Planung und Ideologie haben die Stadt unddie stiidtische Lebensform im Staatskapitalismusdas Vorbitd fiir die Gese ttschaftspo litik abgege-ben. Stadtp[anung und Stedtebau waren zentra[eInstrumente der zentralistischen und sektoralenPtanung (Abb. 2.12). Insgesamt hat der Staats-sozialismus durch staatlich vorgegebene einheit-liche WohnungsgriiBen im 6ffentlichen Woh-

nungsbau, durch ko[[ektive Lohnschemata u. dg[.eine verei n heitli chen de Decke 0ber die stiidti-schen Siedlungen gebreitet und damit auch dieneue Geseltschafu klasse einer egalitdr-gewerk-schafttich organisierten, kommunjstischen Ar-beiterschicht erzeu gt.

In einem ersten Take-offgetang in Polen in den

60er Jahren des 20. Jh.s der Wiederaufbau derkriegszersttirten Stadte. Danzig, Posen, Warschau

seien ats Beispiete genannt, eine staunenswerteLeistung und ein architektonisches Bekenntniszum europdischen Urbanismus. Die sozialwissen-schafttiche Forschung muB erst die Griinde fiirdiesen beachttichen, auch wirtschaft [ichen Auf-schwung erhetlen, der damats die Staaten Ost-mitteleuropas erfaBte - so lag z. B. das BNP derCSSR Ende der 1960er Jahre annihernd in derse[-ben Hiihe wie in 0sterreich, und ebenso fiir das

Abstoppen desselben in den ].97Oer Jahren.Der Verfa[[ zahtreicher Innenstedte setzte in

massiver Form erstin den 1970erJahren ein, ats

sich das Syndrom von GroBorganisationen derBauwirtschaft - Plattenbauweise und GroBwohn-anlagen - zu verfestigen begann und die Stadter-weiterung nach einem kurzen Zwisch enspieI vonAltstadterhaltung und Denkmatschutz in Form

von GroBwohnan[agen den Vorrang erhie[t (Abb.

2.1.3).

Die staattiche Bautatigkeit in den sozialisti-schen Staaten konzentrierte sich atlerdings imwesenttichen aufdie groBen Stadte und darliberhinaus im Zuge der massiven Industriatisierungs-politik auf die p[anmaBige Anlage von neuen In-dustriestadten. Sie wurden atlerdings keineswegs

a[s Innovationstriger in abgelegene ldndlicheRaume, sondern vie[mehr in das weitere Umtandvon Agg[omerationen hinein gesetzt. Eine p[an-maBige Ind ustriea nsied tu n gspolitik, wie sie imwestlichen Mitteteuropa in entwicklungsschwa-chen Riumen ats Mittel zum Disparitetenaus-gLeich betrieben wurde, fehtte. Damit ist gleich-zeitig auch noch ein weiterer wesentticherUnterschied in der Zentra [e-0rte-Po litik ange-sprochen.

Die sozia[istischen Staaten haben den Zentra-[en 0rten eine Funktion zugewiesen, die sie imWesten nicht besaBen. Sie wurden aus konsu-mentenorientierten zentren fiir ein [indliches

ot

Page 61: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtentwicktung im potitischen Vergteich

2/4/

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Abb. 2.12: Halle-Neustodt,g ep Lo ntes Stodtzentru n,ehen. DDR

Abb. 2.13: Grol3wohnanloge

Chemnitz, ehen. Sitz derSED in det DDR 1996

63

Page 62: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuetl.e Stadtentwicklung und potitische Systeme

Umland zu,,agrartechno[ogischen Vororten" fiirdie koltektivierte Agrarwirtschaft des [5ndIchenRaums umfun ktioniert. Maschinenreparatursta-tionen u. dgl. ersetzten das traditionelte zen-tratiirtliche Gewerbe. Die Zentralen 0rte wurdenso vom soziatistischen System aus der konsu-mentenorientierten Ausrichtung herausgeliistund a[s Instrument fiir die Steigerung der Pro-duktion verwendet.

Entsprechend der Top-down-Verteilung derzentralistischen Budgets kamen bei der Zutei-lung von Einrichtungen der technischen Infra-struktur und von ,,soziaten Gtitern" die unterenStufen der Zentralen 0rte zu kurz. Die Zentrale-0rte-Potitik der sozialen Wo h lfa h rtsstaaten inden 1960er Jahren, die Bil'dungs- und Sozialein-richtungen der mittleren zentraliirttichen Stufezuteilte, fehtte und wird atler Voraussicht nach inden postsoziatistischen Staaten kaum mehr nach-geho[t werden.

Auch unter der Wirkung von Marktkriiften isteine Wiederbelebung der unteren Renge des zen-traliirtlichen Systems nicht zu erwarten. Fiir die-se Annahme sprechen Anatogien hinsichttich derReduzierung des Einze[handels in den K[einstiid-ten zum nordamerikanischen Siedtungssystem.Konzentrationsprozesse bei der BetriebsgriiBen-struldur und die daraus resultierende Etiminie-rung von Kleinbetrieben im Einze[ha ndeI bi [densomit bei a[[en Unterschieden im Warensorti-ment und in der Branchendifferenzierung ein dieSysteme des Privatkapitalismus und des Staats-kapita[ismus iibergreifendes gemeinsames Merk-ma[. Die kteinen und selbst die mittleren Zentra-len 0rte waren die Vertiererim Staatssozia[ismus,und sie werden es alter Wahrscheinlichkeit nach

auch in der Marktwirtschaft bleiben. Ausnahmenbilden nur jene iikotogisch begiinstigten Raume,

in denen eine europiiische Freizeitgesetlschaftim Sied[ungssystem FuB fassen wird und wo Zen-trale 0rte zu Zentren von Freizeitregionen avan-cieren.

IrreversibeI erscheint in ostmitteleuropa fer-ner die Beseitigung einer besitzbiirgertichenGesellschaft durch Enteignung und Diskriminie-rung, wetche ats tragende Schicht der Klei nstedtekaum wiederherste[bar ist. Die vermuttich nochJahre andauernde [lnsicherheit hinsichtlich der

Eigentumsverhaltnisse an Grund- und Hausbesiu

wird hierzu maBgebtich beitragen.Ein entscheidender Eingriff in die potitisch-ad-

ministrative 0rganisation der ostmitteleuropei-schen Staaten war die Beseitigung der Gemein-

deverfassung. Damit wurde das im westtichen

Mitteleuropa fiir die riiumliche Ordnung ent-scheidend wichtige autonome territoria[e Wider-

lager der staattichen Gesamtverfussung und Ver-

waltung beseitigt. Die Zusammenfassung der

Gemeinden zu GroBeinheiten, deren Gr6Be mitamerikanjschen Counties vergteichbar ist, HBterneut einen Vergteich mit Nordamerika zu. Es

wird daher ein Langer und mlihsamer Weg sein,

eine Gemeindeverfassung wieder ats Kernstiick

der demokratischen 0rganisation, vor atlem des

tdndtichen Raumes, aufzubauen und Gemeinden

mit entsprechenden rechtfichen Befugnissen und

den kommunaLen Aufgaben addquaten Budgets

auszustatten.Wie erwahnt, riickte der ldndfiche Raum nicht

ins Btickfetd sozialistischer Siedtu ngsp [a n u ng.

Eine weitere Ausbreitung der anarchischen Urba-

nisation der Zwischenkriegszeit war die Konse-

quenz. Mit Nachdruck sei betont, daB aufgrund

der informelten Strukturen und der vormonetiiren

Marktsituation eine Gteichsetzung dieser von

spontaner privater Initiative getragenen extensi.ven Siedlungsbewegung mit der Suburbanisierung

nordamerikanischer und westeuropdischer Stiid-te, wie sie in der Literatur aufgrund des formalen

Merkma[s der Einze[hausverbauun g vielfach vor-genommen wird, unzutreffend ist. Dazu kommt

ein Weiteres: Die soziatpolitische Einbeziehun g

der Wohnung als soziales Gut in das ,sociaI over-head" und die Zuteitung von Wohnungen zum

Nulttarifan die Staatsbiirger haben eine mdchtige

Bewegung der Aufspaltung der Wohnfunktion inArbeitswohnungen und Freizeitwohnungen, und

zwar einerseits in Form der z.T. verstaattichtenMietshduser und andererseits in Form der privaten

Datschen entscheidend gefiirdert. Damit wurde

das Zweitwohnungswesen staatlich subventio-niert, das, in den LebensstiI i ntegriert, vermut-lich auch weiter fortbestehen wird. Atlerdingskann unter dem Druck steigender Mieten eine

lJ mwand[ung von zweitwohnungssiedLungen inDauerwohnsiedtun gen erwartet werden.

64

Page 63: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtentwicktung im potitischen Vergteich

Auf die Schwierigkeiten der Anflinge des Mark-tes kann hier nicht eingegangen werden. Es sindim wesenttichen drei ,,Marktschrauben", an de-nen gleichzeitig, jedoch nicht synchron, gedrehtwird: auf dem Bodenmarkt, dem Wohnungsmarktund dem Arbeitsmarkt.

Die Privatisierung des Bodenmarkts ziih[t zuden mittetfristig wesenttichen Konsequenzen derLiberalisierung. Die Bedeutung der Kapitatbit-dung aus Eigentumstiteln an Grund- und Realita-tenbesitz fiir die Entwicktung der Wirtschaft kanngar nicht hoch genug eingeschetzt werden. Ein

Vergleich mit der Aufhebung feudater Nutzungs-rechte und der Umwand[ung in marktfihige Ei-gentumsrechte in den [iberalen Revotutionen desbiirgertichen Zeitalters drengt sich auf. Ebensovie dama[s entstehen damit neue Klassengren-zen nicht nur nach.dem Einkommen, sondernauch nach dem Vermiigen an Realitetenbesitz.Erst im Postsoziatismus erfolgt damit eine ,,neue"erotetarisierun g, separieren sich Besitzende und\jchtbesitzer; Wohnklassen - analog zur briti--.chen Gesetlschaft - bitden sich. Die Stadtpta--ung wird mit einer ,,neuen Bodenfrage" kon--ontiert, ebenso mit dem Grunderwerb durchiustiinder in attraktiven Lagen von Primatstid-:en und Freizeitregionen. Das aus dem westti-:ren Mitteleuropa bekannte Ditemma von Pla--rngsbehiirden, zwischen den Interessen der: -tIchen und der austiindischen Bevtilkerung ab-

"3gen zu mlissen, weitet sich in die postsozia[i-;:schen Stiidte aus.

\ach dem Wegschieben der gemeinsamen

:=cke des Staatskapitatismus kommen in 0stmit--:,europa nationa[e Strategien der Wohnungs-

"+'schaft zum Zug. Durch die vermutlich noch

-:-ge splirbaren Fotgen der soziatistischen Stad-::: a upolitik auf dem Wohnungsmarkt wird im en-::-en Stadtumland eine neue Wetle der anarchi-::-en Urbanisierung zu rotlen beginnen. Sie wird- :_retragen von der zu erwartenden steigenden,r::crisierung und den steigenden Mieten in den( :--stedten bei gteichzeitig starkem Riickgang::: iffenttichen Wohnungsbaus.

i ihrend der Wohnungsmarkt aufgrund des do-- -'erenden privaten Einfamitienhausbesitzes::- lindtichen Raum, den kteinen Orten und::- stadtischen Uml,and neuen Wert verteiht.

weisen andererseits auf dem Arbeitsmarkt alseinzige die groBen Kernstiidte positive Effekteauf. Nur hier ist die notwendige Tertidrisierungder Wirtschaft erfotgt, ist der Umbau der staatli-chen GroBbetriebe und der notwendige Techno-[ogieschub im Gang. Atlen voran werden wieder,wie in der Griinderzeit, die Primate-City-Effektezum Tragen kommen. Nur in den Hauptstedtenbaut aus[iindisches KapitaI den quarteren Sektorauf. Nur in ihnen hat ein gr6Berer TeiI der Ar-beitsbeviitkerung die Chance, Erfahrung mitsetbst wiihtbaren Karrierepfaden zu machen unddie Ausbitdung in ein marktfiihiges Gut zu ver-wande[n. 5ie sind die Innovationszentren flir dieTransformation des Arbeitsmarlrtes und ferner flirdie Ubergangserscheinungen auf der Riickseiteder modernen Kaufhaus-Konsumgesettschaft,wetche im stldtischen System euBerst rasch dif-fundierten. Es handett sich einerseits um diemassenhafte Neuauflage des Wanderhandels ats

eines Produkts z. B. des polnischen Gesett-

schaftssystems. In einem handetsmiiBigen Vaku-

um, nicht zuletzt bedingt durch den Holocaust,sind hier im Zuge der Liberatisierung neue For-

men des ambulanten K[einhandets mit Waren

atler Art entstanden. Woh Ieine etwas liingerfri-stige Ubergangsform stelten andererseits dieKleinliiden dar, die in einer Gr0ndungswetle ganzgroBen Stils. begiinstigt durch Kredite fiir Ar-beitstose, Passagen und Hinterhdfe z. B. der un-garischen Metropole zu Tausenden besetzt ha-ben. Ein Paradoxon, wenn man bedenkt, daB inWien derzejt rund 10000 Liiden aufgrund derGriindung von Shopping-Centers am Stadtrandbereits leerstehen. und gteichzeitig ein organisa-torisches Pendant zur skizzierten anarchischen[Jrbanisation.

Fassen wir zusammen: Die kiinftige Entwick-lung in 0stmitteleuropa [dBt sich a[s neue Griin-derzeit interpretieren.I Primate-City-Effekte werden a[s technologi-

sche [jbersprungseffekte den positiven rium-[ichen Kontext bestimmen.

r Paratlel dazu wird eine neue ptutokratische0berschicht entstehen.

r Im Gefolge von Entstaatlichung, Entagrarisie-rung und Entindustriatisierung wird sich einebreite Pufferzone von Subsistenz- und Doppet-

65

Page 64: Die Stadt - Lichtenberger

Aktuetle Stadtentwicktung und potitische Systeme

existenzen aufdem agraren und kommerzie[-[en Sektor herausbilden.

r Entsprechend dem historisch hier stets gerin-gen Besatz von Mittetschichten wird auch inunmittetbarer Zukunft keine Mittetschichtsge-se[[schaft entstehen.

r Es ist vielmehr eine Eindrittetgesettschaft imEntstehen, d. h., daB zwei Drittel der Gese[[-schaft aus der kargen Sicherheit der sozialisti-schen Planwirtschaft in die Unsicherheit undRisiken des Marktes transferiert wurden undmehr ats die Halfte mit einer,,neuen Armut"konfrontiert ist.

Entwicklung in den sozialenWoh lfa h rtsstaate n

Eine deuttiche Ubergangsstellung im Hinbtick aufreum [iche Muster und Vorgiinge von Sta dtverfa [[,Stadterneuerung und Stadtumbau nehmen die so-ziaten Woh lfa h rtsstaaten Westeuropas ein, woatterdings aufgrund der Differenzierung der natio-naten Strategien der Wohnungswirtschaft vonStaat zu Staat beachtliche Unterschiede auftre-ten. Einige Gemeinsamkeiten seien herausgestellt:t Es bestehen segmentierte Mirkte des Woh-

nens, Arbeitens und der Freizeit, d. h., spezifi-sche Segmente des Angebots an Wohnungen,ArbeitspHtzen und Freizeitgetegenheitensindjeweits aus dem Markt herausgenommen,entweder aufgrund spezifischer Eigentums-verhiiltnisse (Staat, Gemeinden, Genossen-schaft usw.), durch Subventionierungen alterArt oder durch LegisLatorische Einschriinkun-gen i hrer ,,Marktfiihigkeit". Sehr wichtige In-strumente bestehen hinsichtlich der Ab-schiipfung von Speku lationsgewi n n en beiGrund und Boden. Restriktionen der F[iichen-nutzung sind die Reget. Ferner bilden Aufla-gen des Denkmalschutzes einen sehr wichti-gen [imitierenden Faktor, insbesondere inStadtzentren.

I Die Segmentierung des Wohnungsmarktesziih[t zu denjenigen Faktoren der Stadtent-wicklung, deren Bedeutung man nicht hochgenug einschitzen kann. Grundsdtzlich habendie einzelnen Segmente unterschiedtiche Zu-

gangsbedingungen: 5o besteht ein von Staatzu Staat unterschiedliches BiindeI von Privite-gierungen der Angehiirigen bestimmter Insti-tutionen (Parteien, Betriebe, Berufsstiinde),welche Wohnungen unter dem Marktpreis er-hatten ktinnen. Eingriffe des Gesetzgebers re-duzieren ferner das freie Verf[igungsrecht derHausbesitzer und weisen gleichzeitig den Mie-tern eine Art Pseudoeigentumsrecht zu. Getra-gen von politischer Doktrin, wird die Woh-nungspotitik in bestimmten Staaten vietfacha[s Instrument einer Antisegregationsstrate-gie und in manchen Stadtgemeinden auch atsMittet der Wahlarithmetik benutzt.

r AuBerordenttich wichtig ist in a[[en sozialenWohlfahrtsstaaten die Tatsache, daB der Staatbzw. die Gemeinden die Aufgaben der techni-schen und soziaten Infrastruktur seit liinge-rem wahrnehmen. Besondere Bedeutungkommt der BiLdungspolitik und der Integrati-on verschiedener Bev6lkerungsgruppen iiberdas iiffenttiche Schulwesen zu.

Stadtverfattfeh tt ats Begriff und a[s Erscheinungin Nordeuropa, in Deutschland und in derSchweiz fast viittig. Die Zerstdrungen des ZweitenWettkriegs haben in Deutschtand weithin jenenBaubestand vernichtet, der heute in anderenStaaten vom Verfa[[ bedroht ist. Die ordnungspo-litischen MaBnahmen seitens der iiffentlichenHand unter Bezug auf die physische Struktur derStadte haben ferner eine alte und bedeutendeTradition. Der technische Stadtebau im spaten19. Jh. erbrachte die Leistung der Sanierung deralteren Stadttei[e durch dje nachtragliche Ein-bringung technischer Infrastruktureinrichtun-gen.

Schon zu Beginn des 20. Jh.s hat sich zudemim deutschen Sprachraum der Denkmatschutzetabtiert. Flechensanierungen und kompletteUmbauten von Attstedten, wie sie die Stadtpta-nung in GroBbritannien bereits in der Griinder-zeit und dann wiederin den 1960erJahren durch-gefiihrt hat, fanden im deutschen Sprachraumkeine Nachahmung. Vielmehr vereinigten sichAttstadterhattung und Denkmalpflege rasch zueiner stadtebau[ichen Ideotogie, welche dieGrundtage fiir das neue Paradigma der nachha[ti-gen Entwicklung bi[det.

66

Page 65: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtrfrume

Uberbtickr Stiidte sind zentrierte und gegliederte rdumliche Gebitde. Folgende riumliche Gtieder werden

behandelt: die Stadtmitte, Stadtviertet, Stadtrender und postmoderne Megastrukturen.r Die Stadtmitte ist der Motor der Stadtentwicklung und SymboI fiir das Image der Stadt.

- Die denkmatgeschlitzte Attstadt ist ein weit verbreitetes produkt des Denkmalschutzes inEuropa und in den postsolalistischen Staaten; in den USA gibt es nur wenige Beispiele.

- 0ie City in Westeuropa ist ein Produkt des tertiiren und quartiren Sektors.- Die Transformation zur City im Postsozialismus weist Sonderformen auf.- Die Downtown in Nordamerika befindet sich infotge der Suburbanisierung alter Teite der Wirt-

schaft in einer Existenzkrise gegeniiber den AuBenstddten.r StadtvierteI sind wichtige Begleite[emente der Stadtentwicktung.

- Ethnische, soziate und 6konomische VierteIbitden sich neu und liisen sich auf.- Das normative Konzept der Nach barschaft ist im 20. Jh. in a[[en politischen Systemen verwen-

det worden.! Stadtrender weisen in Abhengigkeitvon den politischen Systemen mehrere Erscheinungsformen

auf:- Vacant [and in den IJSA,

- Ubergangssiedtungen in Europa sowie- Griingiirtel und Erholungsgebiete.

I Postmoderne Megastrukturen entstehen gegenwerHg- ats Projekte der staatlichen und stiidtischen Planung,- durch Stadtmarketing und Public-private-Partnership,- als Ertebnisstidte und integrierte GroBkomptexe von Freizeit- und Shopping-Centers.

Abb.3.1: fhe Town (VictorSevroncb( 1922)

:1:

67

Page 66: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr;ume

Einleitung

Das Kaleidoskop der riiumtichen Organisationvon Stadten deskriptiv einzufangen ist unmiig-Lich, zu groB sind die lJnterschiede in den histo-rischen Entwicktungsprofi [en und den aktue[[enProzessen. Es wird daher von drei Priimissen aus-gegangen:

Die erste Pramisse lautet: Die Stadt ist ein zen-triertes System. Sie weist daher eine Stadtmitteauf, deren Aussehen und Funktion im Laufe derZeit gewechselt und kulturspezifische Auspre-gungen erfahren hat. Die DarstetLung beschriinktsich auf die groBen Stadte und hier auf 4 Typen:auf die denkma[geschUtzte Attstadt und die Citysowie auf die Transformation der postsoziatisti-schen City in Europa und auf die Downtown inNordamerika.

Die zweite Primisse geht davon aus, daB Stad-te wachsende riiumliche Gebitde sind,

bei denen die Stadtmitte als Motor derEntwicktung jeweils spezifi sche neue

Funktionen erhalten und 6ltere pe-

ripher abgegeben hat. Stedte wei-

sen daher auch historische und aktuelle Wachs-

tumsrender auf, die nach den spezifischen, hi-

storischen Entwicktun gsprofi [en und potitischen

Systemen sehr unterschiedtich strukturiert sein

k6nnen.SchtieBtich gitt ats dritte Prdmisse: Stiidte sind

gegtiederte riium[iche Gebi tde. Sie sind daher,wenn auch nicht durchgehend, in Stadtteite und

StadMerteI qeq[iedert. AuBerordentlich wichtigist die normative Konzeption der Nachbarschaft

geworden, welche bei der Viertelsg[iederung der

Neuen Stadt und ebenso bei amerikanischen

Suburbs Modell gestanden hat. Zu den zumeist

kleinziigigen und feingtiedrigen, historisch ge-

wachsenen Strukturen einer primiiren und sekun-

diren Viertetsbi[dung kontrastieren die von den

dominanten Institutionen von Staat und Wirt-schaft gegenwartig gebauten bzw. in Planung

begriffenen Superstrukturen des metropotitanenStadtraumes. Sie sind ein Produkt der neuen

Doktrin des Stadtmarketings und Stadtmanage-

ments, wonach Metropoten mittets Pubtic-priva-

te-Partnership Schaustticke von Stadtumbau und

integrierten GroBkomptexen von Shopping-Cen-ters, Erlebnis- und Freizeit-parks als neue Landmarkender Konsum- und Freizeitge-

seltschaft erzeugen miissen

(Abb.3.2).

Abb.3.2: NewYorkin Los

Vegas

68

Page 67: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Die Stadtmitte

Die Stadt ist ein zentriertes System. Ihrer Existenz

liegt daher bis heute die Priimisse zugrunde, daB

die Stadtmitte der ort bester Erreichbarkeit istund gleichzeitig a[s Motor der Stadtentwicklungf un gied. In zeitlich-riium [icher Perspektive wirddabei dem Stadtzentrum vom jeweitigen Gesetl-

schaftssystem eine unterschiedtiche Funktion zu-gesch rieben. In der mitte[attertichen Biirgerstadtund in der Residenzstadt des Barockzeitatters war

das Stadtzentrum stets auch die,,soziate Mitte"der stadt. Die arbeitstei[ige Gesettschaft des Indu-striezeitatters hat im Stadtzentrum die Arbeits-sutten mit der hbchsten Rendite [okatisiert (City).Damjtverschob sich der Zentrumsbegriff aus demgesellschaftlichen in den dkonomischen Bereich.Die gesetlschaft [iche Zentrenfunktion wurde aus-

;ebtendet bzw. ats unwesenttich betrachtet. Die-eue Stadt des 20. Jh.s definierte die Stadtmitte: s solaI neutraI und wies ihr andererseits Dienst-.eistungsfunktionen zu. Damit war der Weg fiir die5'chtweise der modernen Konsumgesettschaft ge-:ahnt, we[che der Stadtmitte das Einkaufsver-

;.Ligen sowie die Freizeit- und Ertebniswelt zu-: :r'eibt. Die Verkniipfung von FuBgiingerzonen

--d Kaufhauskomplexen kommt dieser Ideo[ogie: estens entgegen.

Die Zugiingtichkeit der Stadtmitte und des ge-

::.rten Stadtraums wird von der AufschlieBung

--l der Verkehrstechnotogie bestimmt. Festzu--:.ten ist: 5o|,ange das Primat der iiffentlichen,:'<ehrsmitteI gewahrt wird, bteibt das Stadt-::-trum der 0rt der besten Zugdngtichkeit imS-dtraum (und in der Aggtomeration). Mit dem:.,',-Verkehr sinkt aufgrund der Stauungen und::'<ptatzschwieriqkeiten die Eneichbarkejt deri-dtmitte und ebenso der inneren Stadtteite im,:-qLeich zu peripheren Standorten der Stadtre-

; :- (Abb.3.3).l'e eingangs erwahnte Pramisse der besten Er-

':':rbarkeit der Stadtmitte ist heute nur noch::'.r, eise giiltig. Bodenpreiskrater und sichtbarer, :- l[ der Innenstadte sind ein Indikator fi.ir den

. ,:'lust der Mitte" von Stadtreumen in den USA

--: abgeschwechtauchin Europa. Dies ist einer-.:':s das Ergebnis reduzierter Zuging[ichkeit,:-:ererseits aber auch die Fotge der Preisgabe

historischer Leitbilder von Stadten zugunstendes Leitbilds von Suburbia. das verschiedene Ver-

sionen besitzt.Aus der groBen ZahI von Typen der Stadtmitte

werden im fotgenden vier ausgewiih[t: die denk-matgeschiitzte Attstadt, die City in Westeuropaund jn den postsozialistischen Staaten in Mittelund osteuropa sowie die Downtown in Nordame-rika.

Die denkmalgesch0tzte Altstadt

Der Denkmolschutzim 20, Jh.in EuropaDie Idee des Denkmatschutzes fiir den Profanbauisterstim 20. Jh. entstanden und damitverhitt-nismdBig jungen Datums. Vergangene Bauperi-oden, da runter i nsbeso n dere die Barockzeit, ha-ben mit griiBter Unbekiimmertheit den iitterenBaubestand beseitigt und dies ats eine wesentti-che Verschiinerung des Stadtbitdes aufgefaBt. Im19.Jh. hat die Idee des ,,embe[[issement" inFrankreich die Haussmannsche Umgestattung von

A. Stadt der FuBganger- und PferdewagenzeitAbb. 3.3 : Die ZugdngLich keitder Stadtnitte

I

@,,nr,rn,nn",,!:ir,,r'B. Stadt mit 6ffentti chen Verkehrsmitteln

C. Stadt mitlndividuatverkehr

Zeit-Distanz

Zeit-Distanz

Zuqenqfichkejt

69

Page 68: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. j.4: Sobburg mitHohensalzburq 1998

Stadtriume

Paris ats Beispiel gesetzt. Die Epoche der Griin-derzeit hat unter dem Motor der Industria[isie-rung und des enormen Beviilkerungswachstums,wie keine Zeit vorher und keine nachher, zer-stiirend in das attere Gefiige der Stiidte eingegrif-fen. Zu Beginn des 20.Jh.s entsteht eine ersteGegenreaktion. Die Krefte zur Bewahrung deswertvollen Bauerbes sammetn sich im Denkmalschutz.

1902 ertieB Baden-Wlirttemberg und 1907PreuBen ein Gesetz gegen ,,die Verunsta[tung"von Siedtunqen. Andere Lender und Staatenfolgten. Durch die Entstehung der City in den hi-storischen Stadtkernen ergibt sich, daB dort dieInteressengegensatze zwischen den wirtschaft li-chen Exponenten der Citybitdung und den Ver-fechtern des Denkmatschutzes am scherfstenaufeinandertreffen.

Auf die Ziisur des Ersten Wettkrieges fiir dieStadtentwicktung in Europa wurde hingewiesen.Die Bautiitigkeit verlagerte sich an den Stadtrandund in das U mtand der Stedte. Der Druck auf denStadtkern [ieB nach, nicht zutetzt dadurch ge-[ang es dem Denkmalschutz seit der Zwischen-kriegszeit, Terrain zu gewinnen.

Zu einer miichtigen Bewegung ist der Denkmalschutz atlerdings erst nach dem Zweiten We[t-

krieg geworden. Nach einer Periode der Indu-stria[isierung des Wohnungsbaus, wetche mit den

,,grands ensembtes" in Frankreich beginnend iiberEuropa hinweg z.T. monstrilse GroBanlagen am

Stadtrand errichtet hat, und nach einer Periode

der Stadterweiterun g, der Trabanten- und Sate[i-tensiedtunqen, findet man wieder zu den attenStadtraumen zuriick. Schrittweise wird der Alt-baubestand ats ku[turette Ressource entdeckt.Attstadterhattung und 0enkmatpftege vereinig-ten sich rasch zu einer stedtebau[ichen Ideo[ogje.

1975, im europeischen Den kmalschutzjahr,wurde erstmats die Gesetzestage des Denkmalschutzes in den europiiischen Staaten offenge-[egt. Die Perspektive konzentriert sich auf einzet-ne Stddte, die sich a[s Modetlprojekte etabtierenkdnnen. Ihre Reihe ist bereits beacht[ich [ang:Briigge in Betgien, Rouen und Colmar in Frank-

reich, Rothenburg ob der Tauberin Deutschtand,

Amsterdam und [liddteburg in den Niedertanden,

Chester und Edinburgh in GroBbritannien, Arcos

de [a Frontera und Trujilto in Spanien, Venedig,Sjena und Botogna in Italien und Satzburg int)steneich (Abb. 3.4), um nur einige der bekann-testen Beispiele zu nennen. In Nordeuropa wur-de u. a, die Attstadt von Stockhotm unter Ensem-

bteschutz geste[[t (Abb. 3.5).

70

Page 69: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Abb.3.5: Stockhobn,Altstodt 1980

I .'.,.:

Der Preis fiir die fabethafte Asthetik der unterDenkmatschutz stehenden Attstedte ist hoch; ererfordert eine ausgedehnte Vermarktung der hi-storisch-architektonischen Inhatte und eineebenso tiefg reife n de Verdnderung in der soziaten0rganisation.

Die Notwendigkeit einer,,soziaten Erneuerung"Jer Attstedte im Gefo[ge der bautichen Investiti-cnsma Bnahmen ist nicht sofort erkan nt worden.)enkmatschutz ga[t vielmehr ats TeiI der physi-schen Ptanung. Man iibersah, daB die Aufgabe

-it der sehr kostspieligen Erneuerung der histo--schen Bausubstanz und der gteichzeitigen Mo-:ernisierung der technischen Infrastruktur ausj{entlichen Mitte[n noch nicht erledi gt ist. son-:ern daB es, um die laufende Instandhattung zu

;ewehrleisten, des privaten Interesses und Mit-:eteinsatzes bedarf.

Eine soziate Aufi^/ertung der unter Denkma[-i:hutz stehenden Bauten, eine Gentrification, um

:'esen aus der angelsiichsischen Wett stammen-:en Begriff zu verwen den, ist da her erforderlich.

-:erat[ dort, wo diese Gentrification infolge zu

;erjngen Potentials einer Stadt im Hinbtick aufT" kommensstarke und/oder an Denkma[schutz-::jehen interessierte Schichten nicht stattfi ndet,<:rnen den kma lgesch iitzte Objekte auch nicht

auf Dauer in gutem Zustand erhatten werden. Die

ostdeutschen Stedte, in denen in den 1960er Jah-ren SanierungsmaBnahmen im Attbaubestand imgro13en Umfang erfotgten, die laufenden Kostenjedoch nichtvom Staat iibernommen wurden, bie-ten ein Exempelfiir diese Festste[tunq.

Die europiiische Bewegung des Denkmalsch utzes hat im letzten Drittel des 20. Jh.s zwei

wesenttiche Verschiebun gen der Perspektive er-fahren, und zwar einerseits in Richtung auf denEnsembleschutz hin und andererseits durch Ein-

beziehun g immer jiin gerer Bauten.A[s Ensembles kiinnen ganze StraBen, Ptetze

oder 0rtskerne einschtieBtich der darin vorhan-denen Wasserftiichen, Freiftiichen und GrUnan[a-gen unter Schutz gestetlt werden. Ih re Erhattungist atlerdings nur miigtich, wenn die Belange des

Denkmatschutzes in ein stddtebauliches Gesamt-

konzept eingebunden sind, das a[[e Bereiche wieWi rts c h aftsfij rd e ru n g, Wohnungsbau, SoziaLpo[i-

ti k, Kulturfiirderun g, Verkehrspotitik usw. um-fa Bt.

Die Zeitgrenze, bis zu der Zeugnisse der Ge-

schichte und Kultur unter die Begriffsbestim-mungen des Denkma[schutzes fallen, hat sich inder Nachkriegszeit synchron verschoben. Regi-

strierte man zu Beginn des 20,Jh.s nur Bauten

77

Page 70: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtrau me

Abb. 3.6: Alberobello,Siditotien 1978

' 'i"!

L

bis zur ltlitte des 19. J h.s, d. h. vor der historisie-renden Stitperiode der Griinderzeit, als denkmalschutzwlirdig, so riickt heute in Deutschtand be-reits die sogenannte Wi edera ufbaup h ase derfiinfziger Jahre ins Btickfetd von Schutzbestim-m ungen.

Im abgetaufenen Viertetjahrhundert hat sichder Denkmatschutz aufgrund der Wiederent-deckung der Urbanitat von historischen Stadt-kernen und mitgetragen von dem Vorgang derGentrification in Europa stetig ausgebreitet(Abb. 3.6). Deutschland hatdem Denkmalschutzdurch ein 1991 begonnenes st;dtebauIches Ftir-derprogramm eine neue GrtiBenordnung ver[ie-hen. Mehr ats 100 Stiidte in den neuen Ldndernpartizipieren daran.

Von GroBbritannien ausgehend, sind seit den1970er Jahren auch Bauten der sogenannten In-dustriearchSotogie a[s schutzwiirdig,,entdeckt"worden. Damit geraten Bauwerke des technj-schen Stedtebaus zunehmend in das Interessen-fetd des Denkmatschutzes.

Insgesamt haben sich in Westeuropa seit den1970er Jahren die nationa[en Akzente verscho-ben. Staaten wie ltatien und Spanien, die relativspetin die Bewegung eingeschwenktsind, haben

aufgrund der atten urbanistischen Tradition nun-meh r weitft6chig Denkmalschutzprogramme in-staltiert und gleichzeitig auch den Autoverkehraus den historischen Stadtkernen verbannt. FuB-giinger und Radfahrer beherrschen die Szene.

Getragen vom rasch steigenden internationa-len Stedtetourismus ist der Denkmalschutz inden 199Oer Jahren eine ,,unhei[ige Attianz" mitden Tourismusinteressen ein gegan gen.

Am Beginn des 21. J h.s, in einer Zeit der Li be-

ralisierung des Boden- und Immobil,ienmarktes,ist es schwierig abzuschiitzen, ob in den groBen

Stddten die Aufrechterhaltung des Denkmalschutzes von Einzelobjekten gegenliber den In-teressen von internationa[en Investoren auf Dau-

er Prioritet besitzen bzw. ob und mit wetchenKriterien die Behtirden den Eigenti.imern gestat-ten werden, unter Denkmatschutz stehende Ein-zetobjekte, die ihnen ,,keinen Nutzen bringen",abreiBen zu lassen.

Ubertregt man die Konzentrationstendenzender Wirtschaft auf das historische Bauerbe von

SUdten, so ge[angt man zur Aussage, daB Modett-

stiidte und Modet[vierteI des Denkmatschutzes ei-nerseits als ,,nationate Monumente" bzw. anderer-seits ats Vermarktunqsobjekte des internationaten

72

Page 71: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Tourismus die grdBten Chancen auf Fortbestandhaben. Die unteren Range des historischen Bau-

und Kuttursortiments bediirfen dagegen starker[oka[er Lobbies, um weiter erha[ten zu werden.

Der Denkmalschutzin den USA

Der Begriff,,tokate Lobbies" gestattet ein Uber-blenden zu den uSA. Im Unterschied zu derstaattichen Verankerun g des Den kmalschutzes inEuropa wird die Konzepton der histoical distictsin den IJSA iiberwiegend von Privatpersonen undprivaten Institutionen getragen.

Es gibt zahlreiche private 0rganisationen, So-zietaten und Vereine, die sich die Denkmatpftegesowie die historische und kulturette Erhaltungvon Stadtchen. historischen Stadtkernen. einzelnen Vierte[n, StraBenz[igen und Einzetobjektenzum ZieI gesetzt haben, wobei sie frei[ich unter-schied[iche Interessen verfotgen. Genannt seien\ew orteans, Charleston und Savannah im Siidensowie an der 0stkiiste insbesondere Phitade[phia(Abb.3.7) und Boston, in deren AltstadtteitenStraBenzi.ige a[s hrstoicoI disticts untet Schutzgestellt sind.

Nicht verhindern kann der Denkmalschutz inlen USA die Ausnutzung der arrnghfs iiber histo-ischen Bauten, die mit Parkhiiusern iiberatt dort-Jberdacht" bzw.,,ummantelt" werden ktinnen,,ro ejne Ausweitung des Cityrandes auf ettereSta dttei te erfotgt (Abb. 3.8).

Der Den kmolsch utz in denpo stso zi a li sti s c h e n Sto ote n

2clnische Stiidte)as Wegziehen des Eisernen Vorhangs hat dieS'cht auf den osten Zentrateuropas wieder frei

;emacht. Hier kann Polen fiir sich in Anspruch-eh men, a[s erster europeischer Staat nach denlerstiirungen des Zweiten Wettkriegs den Wieder-:.rfoau in Richtung aufeine Rekonstruktution der{rtstadte in ihrem vorindustrielten Ambiente,:. h. unter Weglassen der durch das 19. Jh. vor-

:enommenen Veriinderungen, durchgeflihrt zu-aben. Bereits in der unmittelbaren Nachkriegs-:eit wurden bekannte, aber auch weniger bedeu-:ende mittetalterliche Stiidte nach atten Ptanen,r:ederaufgebaut: Warschau, Krakau, Danzig,

Ab b. 3. 7 : Phi Lode Lp hi o,

Denknalschutz 1970

Abb. 3.8: Washington, denk-

m a Lgesch i.)tztet B o u u n n a n-teLtvon Park- und Biitohdu-sern

73

Page 72: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. 3.9 : Posen, wiederauf-g e b o ute t H o u ptplotz n itRothaus 1962

Stadtr:iume

Posen (Abb. 3.9), aber auch Stedte des Deutschen

Ritterordens. wie Thorn, Kutm und Schwetz. Mitdem Wiederaufbau der historischen Stadtkernehat Poten ein klares Bekenntnis zur europiiischenArchitekturtradition abgelegt.

A[s wohl einzigartiges BeispieI der Demonstra-tion nationaten SelbstbewuBtseins darf der Wie-deraufbau von Warschau gelten (Abb.3.10).

Hier fiigte man liebevott an die bis ins kleinsteDetaiI rekonstruierte spatmittelaltertiche undfr0hneuzeitLiche Altstadt, der man urspriin gtichnur !luseums- und Wohnfunktion zuwies und dienunmehr zu einer Touristenattra ktion gewordenist, ein barockes Palastviertet ats Regierungs-und Reprasentationsviertel an. In den 1970erJahren wurde das Kiinigssch [oB wiederaufgebaut(Abb.3.11).

Deuttich abgesetzt entstand die neue CiW. IhreHochhauskonzeption vereinigt representativeund funktionelte Ideen (Abb. 3.12).

Als ein Geschenk der damaligen Ud55R sotttedas Kutturhaus. von den Warschauern spiittischals,,Die Torte" bezeichnet, das neue Warschau

symbotisieren.

Die histoische Stodtvon Prog

Unter den Hauptstiidten der postsozia[istischen

Staaten kann im Hinbtick aufdas historische Bau-

erbe Prag den ersten Rangptatz beanspruchen.Die historische Stadt von Prag gehtirt zum Wett-kutturerbe. Die Zeitspanne der Existenz des po[iti-schen Systems des Staatssozia [ism us war zu kurz

und das Erbe der historischen Vergangenheit zu

michtig, ats daB eine durchgreifende Umgestaltung des etteren Baubestandes, wie z. B. in Sofia

oder in einze|,nen Stiidten der DDR, hette erfo[gen

kiinnen. Es ist bezeichnend f0r die Entwicktungvon Prag, dal!, obwohtin der Stadtentwicklungs-planung ein zentriertes Modell zur Anwendungkam, sich ein ,,sozialistischer Stedtebau" in derInnenstadt nicht durchsetzen konnte. Es fehten

damit in Prag die totalitiiren Leitbildern gemiiBengroBen,,SchaustraBen" und Ptatze. Gesamtstaat-[iche und gese[[schaftliche GroBbauten der kom-munistischen Ara haben in Prag das Stadtzentrumnicht,,erobern" kiinnen. Aufgrund des,,zentrier-ten" Modelts btieb die historische Stadtvietmehrdas Zentrum der staatfichen Ejnrichtungen undauch das Zentrum des ,,ko[ektiven Konsums".

Hier wurden neue Kaufheuser errichtet, wie

das Kaufhaus Maj, das Kaufhaus Druzba, das Haus

der l,lode, das Haus des Kinderbuches, das Kauf-haus Kottwa, ferner internationa[e Hotels, wiedas Intercontinentat, das Biirohaus 0mnipot usw.

Auch diese Einzelobjekte fiigen sich in die bishe-rige Skytine ein und zerstdren sie nicht. Der be-rejts in der Zwischen kriegszeit etabIerte Denk-malschutz wurde nicht nur beibehalten. sondernats Ensembteschutz auf den gesamten Bereich

der historischen Stadt ausgedehnt. Dje verkehrs-potitische Ideologie tautete Shnlich wie in derWiener Altstadt: Verkehrsberuhigung (Parkbe-

schriinkung), Einrichtung von FuBgangerzonen

und Verkehrsbedienung durch die lJ-Bahn.

In Prag umfaBt der Bestand an sogenanntenBaudenkmd[ern L K[asse in der historischen Stadt1423 0bjekte, der Ensembteschutz erstreckt sich

aufinsgesamt 3673 Gebiiude. Diese Zahlen bele-gen den in zahttosen Kunstfiihrern dokumentier-ten Umfang des zu schutzenden Baubestandes

und geben eine Vorstetlung von den Schwierig-keiten der Instandhattung (Abb.3.13 und Abb.

3.14).

74

Page 73: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Die Erneuerung der historischen Stadtraumeist vor der politischen Trendwende ausschtieBtichals ,,nationa[e" und gteichzeitig kutturelte Aufga-be gesehen worden. Im ,,Strategischen Plan" fiirPrag ist im Internet (Januar 2001) nachzulesen:

"The histoicolcentre hosfound it had to resist thestrcng commercioI pressure ond has been overcomeby the tide of cors ond touists, These are probLems

thot need to be resolved in accord with the long-term qoo[s ofthe city and in retotion to the oppor-tunities avaitobte," Ein konkretes Konzeptfiir diemittel- bzw. tangfristige Nutzung der histori-schen Stadtreume wird jedoch nicht ausgewiesen.0ie Fassadenrenovierungen tiuschen iiber Unter-nutzung und Renovierungsbedtirftigkeit von Tei-len des historischen Baubestandes hinweg.

Abzuwarten bteibt, wetche Standortpotiti k derStaat in seiner Hauptstadt im Hinblick auf dieBauten von Kuttur und Bitdung betreiben wird. Es

aiire denkbar, daB in Prag, iihntich wie in Wien,:ie Innenstadtorientierung von Universiteten

-nd htiheren Schuten atler Art nicht nur bestehenlieibt, sondern ausgebaut wird.

Nicht unterschiitzt werden sottte aufgrund der:erzeitigen Rechtsschwdche der Stadtp[anung:e 6efahr der Errichtung von Hochhiiusern durch

^esttiche Spekutanten. Die Idee australischer In-:eressenten, die Kteinseite zu einem ,,histori--hen Disneyland" umzugestalten, miige nicht- -' als Schimiire abgetan werden. Offen--. in welcher Weise die histori-sire Stadt von Prag kiinftig::rutzt werden so[[ und wer::tijr bezahlen kann und.'-d. Ein Probtem fiir die Er--:-tung und Erneuerung ist:- -n Unterschied von Wien

:-ch darin zu suchen, daB:-e ein kommensstarke Pra-

::' Bevtitkerung, welche:-e autochthone Gentrifi ca-::- tragen kiinnte, fehtt.l:-rit ist die Altstadterha[-:-g auf Finanzmittel von:-*drts angewiesen, deren!e:er freilich auch die Ziele:e. Erneuerung vorschreiben.a-1ten.

Abb.3.10: Worschou,HsuptpLotz, ZeichnungKorger

Abb. i.11: Worschsu,

Kd ni g ssch Lol3, Zei ch n u n gKaryet

Abb. 3.12: Worschou,

Stqdtnitte, ZeichnungKarger

ll a ililE E

I m lll[ts

75

Page 74: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtraume

Abb. 3.1 i : Prog, Korbbrickenit Veitsdom und Hrudschin

Abb. i.14: qie PrqgerSti)dte

un 1770 und der gegenwiir-

tiqe Denkmolschutz

GeschtossenetAttbaubestandunterDenkmalschutz

i::+litlt:nl[+ti]:+t]:tlr!:i:llli:1jGriinfl;chenEDerzeitigerBestand an

O Patiisten

I rrcrren

ll spitiitern

76

Page 75: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Die City in Westeuropa

Der von der Londoner City abgeteitete Begriff be-zeichnet die Arbeitsstiittenkonzentration desterHaren und quart5ren Sektors im Stadtzentrumder europiiischen GroB- und Mittionenstiidte. Eine

direkte Gteichsetzung mit dem in Nordamerikagebriiuchlichen Begriff des CentraI Business Dis-

trid (CBD) ist aufgrund der unterschiede im Hin-btick auf Strukturen und Prozesse nicht miig-ti ch.

oer Einfilut3 politischer SystemeDie Citybitdung wird im altgemeinen als Pendantder Industrialisierung aufgefal3t. 0jes ist nurteitweise richtig. Die Anfiinge reichen in den eu-ropiiischen Kapitaten wie London, Paris, Neapelund Wien vietmehr ins 18. Jh. zurtick, ats dieseStidte mehrats 100000 Einw. zdhtten. Der Auf-bau eines biirokratischen Apparats, des sich or-ganisierenden, absolutistischen Staates machtedie Errichtung von Staats- und Verwattungsbau-ten, hiiufig im AnschtuB an den Herrscherpa[astund teitweise durch Umwidmung von Adetsbau-ten in Regierungsbauten. notwendig. Derart ent-stand eine sehr charakteristische Polaritet vonRegierun gscity und spaterer Wjrtschaftscity. Mitder Ausweitung der Regierungscity in die bestenWohn[agen der Stadtmitte hinein wurde ein Vor-bitd geschaffen, dem spiter die Wirtschaftscityfotgte. Hierbei gaben heufig representative Bou-tevards, wie die Champs-Elys6es in Paris, der Kur-ftirstendamm in Berlin, die Zeugen eines abso[u-tistischen Stedtebaus und Leitschienen fiir dieAusdehnung der City ab. Charakteristische riium-tiche Strukturetemente der City, namticht Asymmetrie im Hinblick auf Struktur und Dy-

namik (Wachstumsfront und Hinterfront) so-wie die

r Ausbitdung von Leitstrahten der City,

ziihlen in den oben genannten Stedten somit be-reits zu den vorindustrielten Citymerkmaten.

Die tiberate Periode des laissez faire, laissezpasser hat die elteren stiidtebautichen Traditio-nen in Europa nicht beseitigen kiinnen. Bau-hijhenvorschriften folgten den iilteren, bereitsgenormten und eingespielten Regu[ierungen so-wie verwaltungsrechtfichen Durchfiihrungsbe-

stimmungen. Derart kam der technische Fort-schritt der Sta h [- Beton- Kon stru ktion um ].900noch nicht zum Tragen. Die Befriedigung derwachsenden Raumansprtiche brachte daher einebeachtliche Breitenausdehnun g der City.

Die Verortung der einzelnen Cilfunktionenfotgte hierbei grundsijtz[ich den Distanzprinzipi-en des FuBgdngerverkehrs. Nicht nur die persiin-lichen Kontakte, sondern ebenso der Transfer vonSchriftsti.icken durch Boten u. dgt. wurden biszum Ende der Gri.inderzeit davon bestimmt. Das

Resuttat war eine extreme Viertetsbj[dung, insbe-sondere in den groBen europiiischen Kapitalen,die sich seither. zuerst im Wachstumsschock derZwischenkriegszeit, dann aufgrund der neuenVerkehrstechnotogie, des Autoverkehrs und derInformations[ibermittlun g, wohI verSndert, aberstetig auch neu formiert hat.

Die nicht zutetzt durch die Steuerpotiilk des

[iberalen Zeitalters begUnstjgte, enorme undg teichzeiti g kostspieti ge U m bautati g keit der Ci-

tyakteure in der Griinderzeit hat eine bau[icheSubstanz hintertassen, die ein schwierig einzu-schiitzendes beharrendes Etement im Rahmen

der gegenwiirtigen Entwicktung darste[tt.Die europdische Stadtptanung hat sich bis in

die fri.ihen 1960er Jahre kaum in der Mitte vonstedtischen Gemeinwesen engagiert, wenn man

von Beispieten wie Stockhotm bzw. dem Engage-

ment einzetner stadtverwaltungen jn Deutsch-[and im Zuge des Wiederaufbaus absieht.

Unter dem Druck der Verkehrsmisere in derLondoner City (Abb. 3.15) wurden zuerst von derbrjtischen Stadtptanunq Restriktionen im Hin-b[ick auf die Ausweitung der City vorgenommen.Wenig speter folgte Paris. Diese MaBnahmenwurden gesetzt, ohne daB i.jber die Dimensionie-run g und Feingtiederun g bzw. LJmstrukturierun g

der City konkrete Vorste[[ungen bestanden.Es zeigte sich ferner, daB diese MaBnahmen in-

sofern zu spiit kamen, als sich in Reaktion auf diegeiinderten Standortbedingungen bereits einspontaner Auszug bzw. die Niedertassung vonCitybiiros im Randbereich der Agg[omeration er-eignet hatten. Auf dieses Probtem der Dezentrati-sierung der City aufgrund der verenderten Ver-kehrs- und Kommunikationstechnologie sot[ noch

spater ein gegangen werden.

77

Page 76: Die Stadt - Lichtenberger

StadtrSume

Abb- i.15: Innenstadt,London 1988

Ahntich wie die Citybildung ats solche, setztdieser Vorgang zuerst wieder in der oberstenGriiBenstufe der Stiidte ein, wihrend in mittlerenRingen der KonzentrationsprozeB im eng um-grenzten Citybereich weiter anha[t.

Citybi ld u ng u n d Ci$bevdlkeru n gIn der geliiufigen Definition wird der Beginn derCitybitdung im attgemeinen mit der Abnahme derWohnbeviilkerung im Stadtzentrum gteichgesetzt.Die "perfekte City" hat demnach keine Wohn-funktion mehr. Diese Separierung der Betriebs-funktion des tertiiren und quartiren Sektors vonder Wohnfunktion hatdamitin der Postmoderneeine bemerkenswerte Parallele zur orientalischenStadt geschaffen, in wetcher der Basar, a[s iiko-nomisches Zentrum der traditionelten orientati-schen Stadt, in der Nacht geschlossen wird. Da-mit werden auch Probteme der Krimina[isierungdes 6ffenttichen StraBenraums nachts,,ausge-schtossen". In den Cities der westtichen Gese[[-schaften bedarf es des Einsatzes von privatenWach- und SchtieBgeseltschaften bzw. staatli-cher oder stiidtischer Sicherheitsorgane zur Auf-rechterhaltung der Sicherheit, ohne diese frei-lich gewihrleisten zu kiinnen.

Uberbtickt man die letzten 200 Jahre, so sind

im Verhiltnis von City und Wohnfunktion dreiPhasen zu unterscheiden:

Die erste Phase umspannt die Manufakturpe-riode und die Zeit der Fr[ihindustriaLisierung biszur Mitte des 19.Jh.s. Gteichzeitig mit dem

Wachstum des tertieren Sektors der Wirtschaft inden groBen Stddten nimmtim Stadtzentrum auch

die Wohnfunktion zu. Dies ist dadurch bedingt,daB in den meisten InnensHdten das Hiihen[imitder Bauordnung ausgesch6pft, d. h. hiiher unddichter verbaut wird.

In der zweiten Phase, we[che der Grlinderzeit,d, h. den Jahrzehnten von der Mitte des 19. Jh.sbis zum Ausbruch des Weltkriegs, entspricht, er-fo lgt die Ausweitung der Wirtschaftsfun ktion aufKosten der Wohnfunktion. Es kommt zur schriti-weisen Reduzierung der Wohnbeviitkerung. Die-

ser in der Vertikaten der Mietshauser von untennach oben, von Stock zu Stock fortschreitendeProzeB ist u. a. in Wien von der damals ganz vor-ziigtichen Stadtstatistik bei GroBzdh lun gen er-faBt worden.

Die Mieterschutzgesetze der kriegsfiihrendenStaaten und verschiedene weitere Notstands-maBnahmen, welche im Verlaufe beider Kriege

erlassen wurden, stoppten die Entleerung der In-nenstddte und leiteten einen Ubergang zur drit-

78

Page 77: Die Stadt - Lichtenberger

:en Phase ein. in der wir gegenwar6g stehen. Der,tiederaufbau in bombenzersttirten Stedten so-.1'e in jiingerer Zeit die Zuwanderung einer neu-er .Citybeviitkerung" brachten der Wohnfunktion'- Citybereich erneut einen gewissen Wert. Es-andelt sich dabei um familiiir ungebundene, in:er City beschiiftigte Beviitkerungsteite - darun-:er viete atleinstehende, berufstdtige Frauen und:erufstatige Paare-, we[che die Wohn[age in deri'ry bzw. an ihrem Rande bevorzugen. Eine Abtti-s-ng des representativen durch den funktionel..'r WertmaBstab hat sich somit voltzogen. Das

:rst leitende Kriterium, nimlich der fiir das An-seren ma Bgebende repriisentative Wohnstand-:1. hatan Gewicht vertoren. Die Berufstafigkeit

'- der City wird immer mehr zum ausschtagge-:e.den Faktor. Diese Entwicktung wird weiterhin, ='std

rkt durch die in vielen Staaten Europas zu--e'mende Trennung von,,Arbeitswohnung" und.:'eizeitwohnung", wobei ats Standort der Ar-:eswohn ung Wohnlagen in der Innenstadt prii-

=-ert werden. Dariiber hinaus bestehen in Re-::e" zwei a[te Konzepte des Wohnens in derS=dtmitte weiter fort.

A,rs der mittetalterlichen Konzeption des,,gan-:=- Hauses" ist in den Mietshdusern der Neuzeit:: \Yohnkonzeption der Einheit von Wohnung

Die Stadtmitte

und Betriebsst5tte entstanden. Den GroBhan-del'sherren und Gewerbebiirgern folgten speterBankiers und Kauf[eute. dann die Angehiirigender freien Berufe, Rechtsanwette, Steuerberater,Architekten und Arzte, deren Zaht sich im tibe-ralen Zeitatter stark vermehrte. Heute ist dieseEinheit von Wohnen und Arbeiten weitgehendaufgettist. Ein Comeback ist in spezie[[en Infor-mationsberufen miig[icherweise zu erwarten.

Das zweite atte Konzept der Wohnung in derStadtmitte, nim [ich das des Abstei gequartiers,welches bis zu den Abten und Endlichen Grund-herren des Mitielatters zurl]ckgeht, ertebt gegen-wirtig eine Renaissance in den [uxuriiisen Apart-menthdusern, in denen sich Angehiirige derinternationalen High Society und des Jet-setseinmieten, um an der Erlebniswett der City zupartizipieren. Frei[ich ist dieser Typ nicht nur eu-ropiischen Miltionenstiidten, sondern den We[t-stiidten schtechthin eigen.

Cilybildung und Civba utenIm Unterschied zu nordamerikanischen Stiidtenhaben Wirtschaftsunternehmen, wie Banken undVersicherungsgese[[schaften, Zentralen von In-dustriekonzernen usw., bis in die Gegenwart nursetten die dominanten Positionen im Stadtzen-

Abb- 3.16: Innenstadt, Pois1986

79

Page 78: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtreume

Abb, 3.17 : Wiener Innen-stadt von Stephonsdon1996

Abb. 3.18: Groze( Innen-stodt vom Schwberg 1997

trum gewinnen k6nnen. Nurin den stark zerstiir-ten deutschen Stadten konnten im Zuge des Wie-deraufbaus die Bauten der Wirtschaft gteichsam

in ihrem Standortrang aufriicken. Sie bestimmenmanche Stadtkerne nunmehr viel nachdriickli-cher ats vor dem letzten Krieq (Diissetdorf, Frank-

furt am Main, Hamburg).Den Citybauten der Wirtschaft gelang es im we-

sent[ichen erst in der liberalen Periode, f0r ihre

Aufgaben eigenstiindige architektonische Ltisun-

gen zu finden. Banken und Kaufhiiuser waren die

ersten Exponenten.Die Masse der Cityfunktionen, vor altem die

zahttosen Ktein- und K[einstbetriebe, waren und

sind bis heute nicht imstande, sich unterkunfts-miiBig von den Wohnhiiusern der Stadtmitte zu

emanzipieren. Daraus ergibt sich der fiir Konti-

nenta[europa charakteristische ProzeB der,,Ent-

80

Page 79: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

fremdung der Mietsheuser", der letztlich bereitsmit den Anfengen der Citybitdung in den GroB-stadten der friihen Neuzeit einsetzte und mit dem

Mietshaus in weite Teile der kompakten Verbau-

ung expandiertist. Eine iihntiche Entwicklung hatsich nach dem Zweiten Wettkrieg mittets der 0kku-pation von ehemats groBbi.irgertichen Vilen derGriinderzeit durch Cityinstitutionen vouzogen.

N ur kurzfristig, niim lich im spiiten 19. Jh., ent-standen in den groBen europdischen Metropolenwje Paris, Bertin und Wien die sogenannten Ge-

schiifts- und Wohnhiiuser, bei denen der Archi-tektenentwurf die Nutzung der unteren zwei bisdrei Geschosse f0r Geschiiftszwecke, der oberenGeschosse fiir Wohnungen vorsah. Mit der ldeeei ner funldionetlen Entflechtung der stiidtischen:unktionen, die seit Beginn des 20. Jh.s zum at[-

;emei nen Glaubensbekenntnis von Stadtebauern

-rd Architekten avancierte, btieb dieser gemisch-

:e Bautyp ats historisches Retikt zuriick. Es btieb

'-m auch eine Ausweitung in die Wachstums-:o',sen der City und in die Subzentren versagt.

Der Boom der Griinderzeit und der damit ver-: -: dene radikate Umbau der In nenstadtgebiete.'erer europdischer GroB- und Mittionenstidte-ai bis heute keine Wiederhotung gefunden,,,ern man von dem gteichsam erzwungenen Wie-:e.aufbau in den im Zweiten Wettkrieg beschii-:'g:en deutschen und anderen Stadten absieht.\:ch lyie vor bestehenqebtieben ist das Korsett::'Bauordnungen. durch das der Hochhausbau.- Sonderbestimmungen gebunden ist. Nichts-:estoweniger ist das Interesse an einer Erweite----g der vertikaten Kubatur durch Dachausbau-::- ein Kriterium fiir die Wirtschaftskraft einer

-'q,. vie der Vergteich der Pariser, der Wiener

- -l der Grazer Dachtandschaft betegt (Abb. 3.16,a .'-7. 3.18).

)e Fotgen der Beibehattung dieser traditionet-,:- stddtebautichen Prinzipien fiir die Cityent-.r'cklung [iegen auf der Hand. Der zentra[e Ge-

-.:-iifubezirk kann sich nicht in der Vertikalen,

-. :''dern nur fliichen haft i n benachbarte Bezirke-'.ein ausweiten. Dadurch muB aber zwangstdu-=g - in Abhiingigkeit von der StadtgrdBe - der::solute und retative AnteiI der Stadtmitte am

::rtiaren und quartiiren Sektor aufgrund des stei-:enden Fliichenbedarfs aLler Funktionen abneh-

men. Wenn die Dezentratisierung der Wirtschafu-funktionen aus der amerikanischen Downtown

und als Ergebnis deren Niedergang thematisiertwird. dann wird vietfach iibersehen, daB ganz

iihn[iche Dezentra[isierungsvorgiinge in den gro-

Ben europiiischen Metropoten bereits im 19. Jh.abgetaufen sind. A[[erdings mit dem Unterschied,daB hierbei nicht eine Suburbanisierung, son-dern eine Aussiedtung von Cityfunktionen inperiphere TeiLe des kompakten Stadtraums er-fotqte ( l).

Erst im letzten Drittetdes20.Jh.ssindin ein-zetnen Eurometropolen Auslieger der City bzw.

Superstrulduren geschaffen worden.

Der Bauplan der City im deutschen SprochroumDas Probtem der Standortdifferenzierung vonFunktionen innerhatb der City spattet sich auf indie Frage nach der viertetsweisen Auseinanderle-gung von einzetnen Branchen bzw. in die nach

dem Zusammentreten von charakteristischen As-

soziationen, und zwar sowohlim Bereich des Ge-

schdftslebens ats auch auf dem Biirosektor.GriiBenordnungen von Stiidten sind die wich-

tigste Determinante fiir die riium[iche Konfigura-tion aller stadtischen Erscheinungen. Das gi[tauch fiir die riiumliche Strukturierunq der City.Im fol,genden wird auf die Standortdifferenzie-rung fi.ir die kleine GroBstadt mit 100000 bis200 000 Menschen (Abb. 3.19) und fiir die Hatb-mi[[ionenstadt ein gegangen (Abb. 3.20). SchtieB-tich wird ats Beispie[ fiir die Mi ltionenstadt Wien

vorqefi.ihrt (Abb. 3.21).Bei der kteinen GroBstadt formieren sich Ein-

zethandet, Getd- und Versicherungswesen sowieWirtschaftsdienste zum ,,harten Kern" der City.

Die Banken sind noch nichtzahtreich genug, um

ein eigenes VierteI zu bitden. Ge[dinstitute schat-ten sich vietmehr in die Front der Hauptge-sch aftsstra B en der In nenstadt ei n. Dasselbe gi ttauch fiir die Kaufhiiuser, bei denen getegentlichzwei oder drei blockweise zusammentreten. An

diesen harten Kern sch[ieBen randtich an: ein Ci-

tygewerberayon mit Werkstiitten iiberwiegendspeziatisierter Fertigungen. ferner Ergenzungs-

straBen des Geschiiftstebens ftir den sporadi-schen ([angfristigen) Bedarf, in denen Miibet,Hausrat und Autos angeboten werden. SchlieB-

81

Page 80: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr;ume

Citygewerbe

Kleine GroRstadtGeschifte

Pedodischet Bedo g:Bekteidurgschrnuck

EMLongJistiger Beddrt

14iibet

Ha rterKern

@HotelsPensionen Ergenzungs-Kaffeeh;user oebietVerqnijqunqslokale

Desgleichen existiert ein spezietles Hotet- undVergniigun gsquartier, dem sich Luftfahrtlinienund Rejsebiiros zuordnen. Eine randstiindigeBiirozone sondert sich meist von diesem Ergiin-zungsgebiet des harten Kerns der City. Hier bilden iiffenttiche Dienststetten griiBere Komptexe.

Versicherungen hiiufen sich, die eine oder ande-

re Industriebranche kann bereits durch eine

Schwarmbitdung ihrer B[iros jn Erscheinung tre-ten.Im Geschiftsteben separieren sich Ladenzei-

[en filr Kraftwagen bzw. Miibet.

Die Ausgestaltung der City auf der Ebene derMillionenstadt vottzieht sich durch eine stiirkereDifferenzierung im Bereich der Industrie- und

GroB handelsbiiros. Ein Textilviertel entsteht,Verwattungszentraten von Bergbaubetrieben und

Speditionen gruppieren sich, Zeitungen und Ver-

lage erscheinen in einem oder mehreren Viertetn.Setbst die 6ffenttichen Dienststetten fichern sich

auf, der stiidtische und der staatliche Behiirden-apparat beziehen getrennte Standorte, eigenePost- und Gerichtsviertel gel,angen zur Ausbj[-dun g.

Wdhrend somjt einerseits nahezu geschlossene

VierteI mit der Dominanz einer bestimmten Be-

triebssparte entstehen, gewinnt andererseits derCitykern an Vietfatt.

CiA und StadtpldnungDie europiiische StadtpLanung hat sich, wennman von Frankreich absieht, ganz atlgemein erstreich[ich spiit in der Stadtmitte engagiert. Dies

hat gute Griinde, denn die Hauptprobteme derkapitatistischen Wachstumsperiode der GroB-stadte [agen nichtim Stadtzentrum, sondern be-trafen in erster Linie die vti[[ig unzureichendeUnterbringung der hereinstrijmenden Arbeiter-massen. Das New-Town-Mode[[ ebenso wie der inden 1920er Jahren mit Macht einsetzende sozia-le Wohnungsbau sind ats Reaktionen auf dieseMiBstiinde aufzufassen. Das Aktionsfeld von bei-den war der Stadtrand, nicht der Stadtkern.

Erst die Nlotorisierungswe[te der Nachkriegs-zeit und die damit ausqetiiste Verkeh rsmisere derdicht verbauten Innenstedte brachten eine Hin-wendung der Ptanungsbehiirden zu Cityfragen.Man fiirchtete um den Vertust der Anziehungs-kraft des Stadtzentrums. In nenstadterneuerung

[ich befinden sich noch Bauten der iiffentlichenVerwa ltun g, Industrie- und GroB handetsbiiros inder Randzone der City. Eine Viertetsbitdungkommt in ihr meist nur ansatzweise oder tiber-haupt nicht zustande.

Demgegen liber weist die Ha[bmittionenstadtbereits eine AnzahI spezifischer Viertel auf. Im,,harten Kern" sondern sich die Kaufhduser meistals geschtossener Komptex von den kleinen Ge-

schSftslokalen ab. Diese Zweiteilung ist in Kii[nim Gegensatzpaar von Schildergasse und HoherStraBe, in Frankfurt in dem von ZeiI und Kaiser-straBe sehr schiin ausgebitdet. Am Rande des Ge-

schiftsdistrikts gruppieren sich die Banken in ei-nem eigenen Viertet. Damit verbindet sich ofteine Batlung von Rechtsanwdtten und Notaren.

Biiros

Witttchafts-dienste

offentticheVerwattung

Biiros vonGroBhandetIndustrie

B0ro5

Wittschaltsdienste:fmmobitienRechtsanw;lteSteuerberaterWerbebiirosVertage

VersicherungenKrankenkassenIndustrieb[irosGroBhafdetSpeditionerBaubiirosVereine und Verbende

HarterKern

Erganzungs-gebiet

offentlicheVerwaltung

Halbmi[[ionenstadt

Citygewefte:BekteidungGraphik

Abb. 3.19: CiA einet kLeinen

Grol3stodt

Abb. i.20: City einerHaLbniLLionenstodt

Geschefte

KaufheuserPeiodischer Bedort

14odesatons

Pel-ze

SchmuckBiicher

Langlistiger Bedo6:ReisebiirosLuftfa h rlli ni en

Autohandei

Wohnungsejnrichtung

82

Page 81: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

heiBt seitdem das Schlagwort des Stddtebausund der Stadtbehiirden.

Wetche Ptanungskonzepte stehen derzeit fiirdie City zur Verfiigung?

Die meisten Projekte konzentrieren sich aufMaB nahmen des Verkehrssektors und betrachtendie Verbesserung der 6ffenttichen Verkehrsein-ichtungen ats Hauptaufgabe der stiidtischenBehri rden.

Da das Geschiiftsteben vielfach als Motor fiir:ie Dynamik der City angesehen wird - wie nach-

;ewiesen werden konnten, zu Unrecht -. wurde,:ls neues Patent des Stddtebaus ab den 197oerJahren, die FuBgingereinkaufsstraBe fiir das A[[--eitmittel zur Erhattung und Wiederherste[ung:er Attra ktivitet der Innenstadt gehatten.

Eine weitere Gruppe von Behdrdenvertretern:'opagiert ferner dqn Schutz des historischenS-dtbitds, meist recht unbek0mmert hinsicht[ch:er Fragen nach der Wirtschaftlich keit eines der-:tigen Vorgehens und der Kostentibernahme.

Beide Zietvorgaben sind schwierig zu vereinen.,l lhrend niimtich die Bewahrung kunsthistorisch,:rwolter Bausubstanz mittets des Denkmat-!:''rutzes zwangstliufig zu einer gewissen Verstei--:r'ung des Bodenmarkts und zur Abwanderung.<iver Cityelemente fiihrt, bewirken anderer-::'s atte kommunaten MaBnahmen zur besseren.:'keh rsbedienung einsch [ieBtich der Errichtung. :r FuBgiingereinkaufsstraBen einen Anstieg::- Bodenpreise und damit eine Betebung deri : rtiitigkeit. Konflikte zwischen den privatwirt-::-afttichen Exponenten der Citybildung sowie:.- stiidtischen und staattichen Baubehiirden: -l damit an der Tagesordn u ng.

\achdem die Erfahrungswett der Ptanung nach

'-= vor sehr stark von den Faktoren des Stadtran-::-.. niimtich der Schaffung von Wohnraum und-' - :erciri gen Versorgun gsei nrichtun gen sowie.:- Verkehrsteitbitdern bestimmt wird, ist ein-, :-ig, daB bisher fiir die Ftirderung des Biiro-: :cors kein Instrumentarium entwickett wurde.l"='wird seit den 1990er Jahren der Freizeit---: Ertebniswert der City, inspiriertvom Leitbitd::- rodernen Konsum- und Ertebnisgesettschaft,-: ,rogramm des Stadtmarketings aufgenom--:-. doch ist die City mehr als nur das iisthetisch:::-aktive und abwechs[ungsreich gestaltete

/;=. x_1:i8i

=-x :-- ./

V offenttiche Dienststelten

H.0. Inst. H a hofFziette Institution en

III

rfl

SubrGnlrumTaborllra0g

l=7 G)!:--@:I-

CitUgewerbe-seklor

Neubau

Mariahill

Schema der Wiener City

M lliibetviertetLGH Leb€nsmittetgrol3handel p post

@ (uttur- u. Unterrjchtsbauten B BotschaftenX Riickzugsgebiete der City +++ Viert€tfreier Berufe

Zentrum fiir konsumfreudige GroBstddter. Sie istvie[mehr das komptiziert gebaute Arbeitsstetten-zentrum des tertieren und quafteren Sektors derWirtschaft. Diesbeziigtich rea[istische, d. h. denGrtiBenordnungen und Kultursituationen ange-paBte Arbeitsstettenmodette gibt es jedoch kaum.

Die Niedertiindische Ptanung hat in Rotterdamden erstaunlichen Nachweis erbracht, da13 es

mtigtich ist, eine H och ha us-In nenstadt ats Ban-kenvierteI mit dem iiffentlichen Verkehr zu ver-binden, FuBgiingern und Radfahrern eine Chancezu geben (Abb. 3.22) und dariiber hinaus in Pri-vate-public-Partnership mit einem der grdBtengtobaten LJnternehmer in der Produktion vonneuen Ertebniswetten, de Jerde, die Beurspleinneu zu gestalten.

Abb. 3-21: Die riiunLicheStru ktu der Wiener City

83

Page 82: Die Stadt - Lichtenberger

Abb.3.22: Rotterdqm,Be u rs p lei n, Ei n ka ufsw eLt

Abb. 3.23: Budopest, West-

0 st-f ro d e-Ze ntru n 1 9 9 4

Stadtriiume

Transformation der City im Postsozialismus

AberbtickCitybitdunq im Sinne der westlichen Welt war inder komm unistischen Ara kein stiidtebautichesAnliegen. Der Produktionsideologie der 0stblock-staaten entsprechend, hatte die industriatisie-rung Vorrang. Dabei wurde durch die Nationati-sierun g der Industrie ein KonzentrationsprozeBgefiirdert, d. h., kteinere Betriebe wurden aufge-

[assen bzw. griiBeren angeschtossen. Die Natio-natisierung des Handets fiihrte zur Entstehungneuer staatlicher GroBbetriebe, der kleinbetrieb-tiche Einze[handelb[ieb aufder Strecke. Nur Po-

len bildete eine Ausnahme.Durch die Verstaattichung von Grund und Bo-

den wurde das Hindernis, wetches Privateigentumfiir eine umfassende P[anung darstettt, ausge-schaltet. Damit wurde aufeines der miichtigstenInstrumente der Bitdung von Kapita[ - mittelsBodenspekutation und steigender Bodenpreise-verzichtet. Aufgrund der Tragheitseffekte staat[i-cher Ptanungssysteme kam es vietmehr zur An-wendung eines Reserveprinlps, d. h., sowohI bei

der Gesamtftiiche einer Stadt a[s auch bei derAusgrenzung von Nutzungen wurden stets Reser-

ven einka[kuIert. Diesem groBziigigen Umgangmit Stadtftache stand andererseits eine duBerstsparsame Zuweisung von Wohnftiiche an den ein-zelnen Haushalt gegeniiber.

Das Ende des kommunistischen Systems hatEntscheidungs-, Informations- und Vertei[un gs-instanzen. Immobitien-, Arbeits- und Wohnungs-mirkte aus dem festgefiigten Korsett des staatti-chen Dirigismus herausgetdst. Die Privatisierun g

des Bodenmarkts zahtt zu den wesenttichen Kon-sequenzen der Liberatisierung. Ein Vergleich mitder Aufhebung feudater Nutzungsrechte und derUmwandtung in marktfahige Eigentumsrechte inden [iberal,en Revolutionen des biirgertichenZeitatters liegt nahe. Auf das Entstehen neuerK[assengrenzen nach Vermiigen und Reatiteten-besitz wurde bereits hingewiesen.

Citybitdung ist wieder ein Thema der Stadtent-wicklung geworden. Budapest und Moskau die-nen ats Beispiele.

EudopestCitygestattung wurde in Budapest in der kommu-nistischen Ara nicht thematisiert. Im Stadtent-wick[ungsp[an war der Bereich der City eng um-schrieben und ging nicht iiber den schon in derGriinderzeit mit Durchgiingen und Passagen aus-gestatteten ni,rdlichen Teil der Altstadt von Pesthinaus. Uberpriift man die Ei nwo h n erentwick-[ung im V. Bezirk, dem eigentlichen Citybezirkseit der Griinderzeit, so registriert man mit Er-

staunen, daB das Kriterium der BevOlkerungsab-

84

Page 83: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

Abb.3.24: Eudapest,

Donaufront von Pest 1995

-a'

-:-me fehtt, welches nach atlgemeiner Lehr-: -:: auffassung ats erstes das Einsetzen der City-: .: ung anzeigt. Inden1960erJahrenistsogar::r eine Zunahme der Zahl der Einwohner er-

': .;: und erst jn den 1980er Jahren haben sich- :''ekt die Phiinomene des Protomarktes, einer-:.'essanten ungarischen Friihform der Markt--:;chaft, bemerkbar gemacht und die Beviilke-,-;szahI ist unter 50000 Einw. abgesunken.:r -'t har die Budapester City noch immer eine

: - r beviitkerung im AusmaB einer Mittetstadt.- : :'ne Reduzierung der Wohnbeviilkerung ent-::'::hend den Interessen des internationaten: - -: sektors in ziigigem Tem po kaum miigtich ist,: =::t sich als einzige Liisung eine Cityauswei-:,---'n Nachbarbezirke hinein an.

::' Hauptmotor jst die Internationalisierung::: --n mobilien marktes. Diese hat Budapest nach

: =- -iolitischen Systemwechsel in extrem kurzer

-: : -.rreicht. Der rasantsteiqende Bliroftiichen-::::'f steuert seine Aktivitiiten. Es sind zwei

, : :: Nachfragesegmente vorhanden:r :-sldndische Firmen, die a[s Reprasentanzen

.!:ndne Biiros" mit ca. 200m2 in Budapest:-:lchen,

r --Earische Unternehmer, dje sich nur Ktein-: -'os mit zwei bis drei Raumen leisten ktinnen.

i . ::'den Gruppen unterscheiden sich deuttich

.. 4-. o-

!t@'"

hinsichttich der Auswirkungen auf den funktio-nelten und bautichen Vorgang der Citybitdung.Die erste Gruppe ist der Motor fiir den Biironeu-bau, die zweite Gruppe bedingt den Entfrem-dungsvorgang von Wohnungen.

Fi.ir die austdndischen Nachfrager waren zu-niichst die iitteren Biirofliichen von Interesse, diedurch Detogierung von B[iros staatseigener Be-

triebe im Stadtzentrum verfiigbar wurden. ImStadterneuerungsgebiet kamen altein 1992 ca.

100 000 m2 aufden Markt. Sehr rasch setzte dann

der Biironeubau ein, ebenfatts in erster Linie fiiraustiindische Firmen. Attein im Zeitraum 1990 -1993 wurden insgesamt 63 Biirohauser mit einerGesamtfteche von 3oO00o m2 errichtet. Bisjetzthaben Biirohochhiiuser die Skytine von Budapestnoch kaum verandert, es gibt auch keine Bahn-

hofsiiberbauungen, keine Imitation von Mont-parnasse, sondern die Priiferenz von guten Eck-

positionen des HauptstraBennetzes (Abb. 3.23).Gleichzeitig erfo[gen starke Overspit!Effekte des

Biironeubaus iiber den Raum der City hinweg aufAuBenposten, darunter auch auf die Budaer Seite.

Das Stadterneuerungsgebiet profitiert fernerbesonders von der lJmwandtung von Wohn ungenin Bi.iros vor a[[em durch ungarische Unterneh-mer. Der sehr zUgige lJmwandtungprozeB wirddurch zwei Faktoren beqi.instjgt: Erstens sind in

'l' '

85

Page 84: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtreume

Citybildung

I citykern - Einzethandetscity

Stumbi[dung aus d€r Zwischen kriegszeit

I Verfatt iiber 70%

Abbruchemeuerunq

ff, 1. Etappe=Abbruch iiber 15%

f[ z. nappe- tleubau iiber20%

Altere Renovierung

ffihodnungiiberzutIn der Nach kriegszeit

n verhtt ober 60"/,

I zwischen 50 und 60%

gewinner ist der VII. Bezirk, in dem zwischen1990 und 1993 mehr neue Bi.iros errichtet wurden ats in der Innenstadt. Diese Umwidmung von

Wohnungen in Biiros wird weiter anhatten.In der rdumtichen Differenzierung der City ist

eine neue Etappe eines Waterfront-Deve[opmentin Sicht (Abb. 3.24). Schon die Grlinderzeit hatineiner ersten Etappe die Lage Budapests an derDonau zu nutzen verstanden, Damats waren na-

tionate Prestigesymbo[e, wie das Parlament,

Kernstiicke des Stiidtebaus. Die hohen Hypothe-

ken fiir diese Schaustlicke hat erst die Inflationnach dem Ersten Wettkrieg getitgt.

Infotge des ziigigen Take-offs des tertjiiren undquartaren Sektors verstiirkt sich die sektora[eDifferenzierung in den an die Innenstadt an-schtieBenden Sektoren. Diese profitieren in un-terschied[ichem MaBe vom Vorgang der Citybit-dung.

Die kommerzielte Stadterneuerung a[s ein z. T.

selbsttragender Vorgang fotgt dabei den rdumti-chen Sukzessionsprinzipien des hochrangigenBiiroseldors, wetcher stets an die besseren Wohn-quartiere einer Stadt anschIeBt. Von dieserkommerziellen Stadterneuerun g a[s Pendant zur

Citybitdung kannjedoch nur ein kleiner TeiI des

Stadterneuerungsgebiets profitieren. In den nach

wie vorvon derWohnfunktion bestimmten Gebie-

ten ist vielmehr eine Potarisierung der Entwick-

[ung zu erwarten. und zwar einerseits eine Fort-setzung der,,sozjatistischen Gentrification"mittels der Mechanismen eines kapitatistischenWohnungsmarkts und der vorgeschatteten Mark-

te aufqrund des Interesses iikonomisch potenterNachfrager, darunter zah lreiche Austinder, undandererseits eine fortschreitende S[umbitdung

iiberat[ dort, wo sich bei den Liegenschaftsver-waltun gen der Lokatbehiirden keine Interessen-ten fUr die abgewohnten Mietwohnungen einfin-den (Abb. 3.2s).

Die fliichenhafte Ausdehnung von Verfatlsge-bieten in direktem Kontakt mit Regierungs- undWirtschaftscity erzwingt die Frage, ob auch Buda-pest dem sozialiikotogischen Modetl der nord-amerikanischen Stedte fotgen wird und ob diePo[arisierunqsthese richtig ist, we[che heute dieangloamerikanische Stadtforschung als Paradig-ma ftir die metropotitane Entwicklung verktindet

Ir+i

i

tinanzcjty und Regierungscity

Citywachstumssektor

HauptqeschrfustraBenDiptomatisches Korps

Rathaus

U niversiutscity

Guter Bauzustand und Erneuerung

N verf" ttender cityrand

-- -- Bezirkgrenze

Abb.3.25: Budapest,Cityscheno

Budapest bisher noch keine Biirogebiete ausge-wiesen worden, so daB die Umwandlung vonWohnungen in Biiros im Unterschied zu Wienohne Restriktionen miigtich ist, und zweitenskommt die anhaltende staatliche Subventionie-rung der Privatisierung von Wohnungen, wetchedie Privatisierungsgewinne dem ehema[igen Mie-ter der Wohnung zuschreibt, dem Umwand[ungs-prozeB zugute.

Deraft verbreitert sich der Citymantel mit zah[-reichen Biiros vor attem im VI. und VII. Bezirkzwischen dem GroBen und K[einen Ring. Haupt-

86

Page 85: Die Stadt - Lichtenberger

und nach der die Innenstedte aufgrund von City-und Stumbitdung in zwei vOttig verschiedeneStadthiitften auseinanderfatten,,m iissen". Fiirderen Entwicklung zeichnen einerseits Citybildung durch das beschriebene Take-0ff des quar-'jiren Sektors und andererseits S[umbi[dung in-'otge des entstandenen sozialen Kraters vonArmut und sozialen Desorganisationserscheinun-

;en verantwortlich.Festzuhalten ist, daB vor 1989 physischer Ver-

=[[ und sozia[e Marginalisierung keineswegs:eckungsgLeich waren und Gebiiude in schtech-:em Zustand nicht nur von Randschichten be-aohnt wurden. Es handelte sich zwar im Durch-schnitt um ermere Beviilkerungsschichten, aber<eineswegs um ,,0utcasts", ,,0uttaws" oder.Drop-outs". Jetzt beginnen die Phiinomene der:cziaten Desorganjsation zu greifen, es iiffnet;ch die Schere in den Einkommensverhiiltnissen,:'e lt4arginalisierung steigt, die Antei[e von a[-::n, a[teinstehenden Personen, um die sich nie--and klimmert, von Resthaushatten, von Arbeits--:sen bzw. Erwerbstetigen mit nur sporadischem:''rkommen, von Leuten in desotaten Lebensver--3ltnissen nehmen zu. Es kommtzur massenhaf-::r Infittration von Randgruppen.

Seit 1990 ist eine drastische Reduzierung derv':tet erfotgt, so daB de facto Stadterneuerung:s iiffent[iche Aufgabe nicht mehr existiert. Atsr-fgabe der Privatwirtschaft ist Erneuerung an-::rerseits nur miigtich, wo eine Veriinderung der\-tzung in Richtung von der Wohn- zur Ge-

;:"iifts- und Biironutzung erfotgt und die Kapita[-'-. estitionen durch entsprechend angehobenee'eten honoriert werden. Dies ist der derzeit.'chtigste Trend.

)ie zweite Mdg[ichkeit der Gentrification, einerS-jdtwanderung einer neuen Citybev6lkerung in.:-Dindung mit einer bausozialen Aufwertung,-:: bisher jedenfatls noch nicht zu in gteicherl :ise sichtbaren Erneuerungsprozessen gefiihrt.': in westtichen Stedten. Unmittetbar neben:.- City, am ,,grauen Cityrand", stoBen daher die;:ra[en Kontraste hart aufeinander.

irenso wie in anderen Metropo[en erfolgt auch- 3udapest die Ausdehnung der City in die bes-

='en Viertel hinein, lengs der genannten Haupt-::schaftsstraBen und in die westlichen Vi[ten-

Die Stadtmitte

ur"rt?KremtE.uer: I Haupteingang II Garderobe Itr (assen, Kioske W Eingang Rusttammerv offizietter Eingang vI Grabmal des unbekannten Sotdaten VII obetiskfiir bekannte Revolutionare1 Borovlthj-Turm 2 Geheimgangsturm 3Zarenturm 4 Erloserturm5 NikoLaustor 6 Dreifittigkeitstor 7 Kutiita-Turm

Kremlgebiude: a LustschtoB b Riistkammer c KongreBpalast der Sowjetsd Patriarchenpalrst (liluseum) mit Zwiitf-Apostet- Kathed rate, davor GroBe Kanonee ltlariS-EntschLafu ns-Kathedrate f l(irche ltlarie GewandniedertegunggTerempalast h Facettenpatast i (rem [-Pa Last mit G roBem Kremt-Palastj Marie-Verkiindigungs-(athedrale k ErzengeLKathedrate IGtockenturm Jviin derGro[3e".davor 6roBe G locke m Kremt-Theater (ehem. Sitz des obersten Sowjet). gegenijber l-enin-oenkmat n Senat oArsenat

voro rte. Der Stadtverfa [[ ist a n dererseits ein un- Abb. 3.26: Der Krenl. in

aufhattsamer ProzeB in den zwischen den City- Moskou

strahten [iegenden Interstitien. Abbruchser-neuerung - von wem auch im mer finanziert - istdie einzige Liisung.

MoskauMoskau besa13 auch im kommunistischen Regime

eine Sonderste[tung und besitzt sie durch die Zu-griffs miig [ich keiten auf das staatliche Budgetnoch heute. Aufgrund der GriiBe der russischenMetropo[e voltzieht sich der Umbruch von Gesellschaft und Wirtschaftin einem anderen MaBstabats in kteineren Hauptstedten der ehematigenComecon-Staaten. Die Entwicklungsstriinge setbst

sindjedoch identisch mit denen in Budapest:

87

Page 86: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr:i ume

Abb. 3.27 : ltloskau, RoterP Lotz nit B a si Li us- Kothe-droLe

Abb. 3.28: Moskou, EingongZUM GUN

r ein Take-off des Einzethandels und des Biiro-seldors,

r die Nachfrage nach erstktassigen Wohnungensowie

r Ambitionen des Blirgermeisters der Stadt,Moskau miigtichst rasch in die Liga der Wett-stadte zu bringen.

Diese haben zu weitftdchiqen Renovierungen des

historisch wertvotlen Baubestands im Zentrum,darunter auch von zahtreichen orthodoxen Kir-chen, gefiihrt (Abb. 3.26 und 3.27). 50 hat dieStadt in eigener Regie den a[ten HandetsstadtteiIKitaj Gorod komptett rekonstruiert. wie iiberhaupt die Wiederbetebung vorrevotutionarerStandorte fiir die Ausweitung der Biirocity we-senttich ist. Dabei beliiBt man die historischenFassaden und verbaut FreiftSchen und Hinterhti-fe, um Kleinbiiros zu schaffen. Hierbei schtieBtdie Stadt Vertrage mitlnvestoren ab, we[che sich

verpflichten, die Hiitfte des Bauvotumens ats

Wohnungen der Stadt zur Verfiigung zu stelten,wiihrend die andere Hiilfte in ihrem Eiqentumverbleibt und in Biiros umgewandett werden kann.

Gleichzeitig wurden groBe stedtebauliche Pro-jekte zur Schaffung von Biiro- und Einzethandets-ftlichen internationaten Standards tanciert. Miteinem Zuwachs zwischen jihrtich 180000 bis

350 OOO m2 Biiroftiiche der oberen Qualitatskate-gorie ab 1994 (Lenz 2000) hat Moskau bisher frei-lich noch nicht den Durchschnitt der Zunahme von

Frankfurtin den spiten 1980erJahren erreicht.Im Ei nzetha n deI wi rd das westti ch e Wettstadt-

modetI sehr rasch nachgehott. Luxusgiiter tren-nen sjch ktarvom Normatangebot. Die Nachfrage

der sogenannten ,,neuen Russen" nach Konsum-gi.itern hat eine Ausweitung der Einzethandets-ftdchen und ein breites Spektrum von neuen

Dienstteistungen in der Innenstadt gebracht.Dem russischen Winterktima gemiiB ist ein dem

Montreater Mode[[ nachgebildetes Untergrund-Einkaufszentrum entstanden.

Im Hinbtick auf die Sektoren der Wirtschaftfotgt auch Moskau dem skizzierten Transformati-

88

Page 87: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

onsmodetl der Primatstiidte, wobei die EinbuBenan Industriearbeitsptetzen durch den Gewinn an

Stetlen im tertiiiren und quartdren Sektor nichtnur gedeckt, sondern soqar wesenttich i.ibertrof-fen werden. Die Moskauer City erlebt daher eineneue Griinderzeit. Aufgrund der Nachfrage haben

Mieten und Kaufpreise auf dem BiiroimmobiLien-markt Weltmarktniveau erreicht.

Eine voltstiindige Liberalisierun g des Boden-marktes ist atlerdings noch nicht in Sicht. Viet-mehr werden von der Stadt Erbpachtvertriige miteiner Laufzeit von 49 Jahren geschtossen. An

Einnahmen durch die Grundsteuer und den Han-del mit Nutzungsrechten an Immobi[ien bezogdie tiffenttiche Hand im Jahr 1995 umgerechneteine hatbe Mitliarde US-$ (Stadetbauer 1996).

Auf dem Wohnungsmarkt der Moskauer Innen-stadt orientierten siph die Preise der renoviertenWohnungen an den Bliromieten und betragendas 30fache der Peripherie. Gentrification undein zUgiges Abschieben vor atlem der Bewohnerin Gemeinschaftswohnungen und der Angehiiri-gen der einstigen politischen Nomenktatura an

den Stadtrand sind das Ergebnis. AustiindischeIanager und.neue" Russen kommen als Nach-fi-ager zum Zug.

Amtlicherseits ist ein zentra[-peripheres Bo-denwertgefd[[e vorgegeben. Damit wird dieStadtmitie von Moskau auch von der P[anung zursozialen Mitte erkldrt. Eine Analogie zu den Resi-

denzen und Metropolen des Kontinents in der6rinderzeit, wie Wien, Bertin oder Paris, tut sich

auf (Abb. 3.28, 3.29).

IliG Downtown in Nordamerika

fufttic*Zum Verstendnis der Downtown in Nordamerika

ri der Ausspruch eines Potitikers iiber Chicago.n den Anfang gestelltt

"Chicago wos not only a

*q buta process. Every generation putits hondn itand around it, leaving a markifnot a meno-*L Still Chicago eisted 0t leost as nuch for to-ronow os for today. Tomorrow will hove its owne!tsso. " Die Aussage [autet daher: Die 0owntownrann man nicht ats einen Standort beschreiben,sndern muB sie als einen ProzeB begreifen, in

dem Auf- und Abstieg einander ab[6sen. Um einBi[d zu gebrauchen: Der Aufstieg ist mit demImage der Wolkenkratzer verbunden und zumeistmit New York oder San Francisco assoziiert. Den

Abstieg bis zum WUstwerden hin symbolisierendie ,,fabutous ruins of Detroit", die man im Inter-net bestaunen kann. Fiir beide Vorgiinge ist keinVergleich mit europdischen Verhiiltnissen miig-[ich und angebracht.

Anders ats in Europa besteht keine Generatio-nen iiberdauernde relative Stabilitiit einer kom-paktverbauten Stadt, in der die Frage nach dem

sozioiikonomischen Wandet der jeweils hiichst-rangigen Einrichtungen des Arbeitsstetenzen-trums im baulichen Gehause thematisiert werdenkann. Vietmehr bitdet der CentraI BusinessDistrict a[s Konzentration von hochrangigen Ar-beitsstetten in der Downtown das in stindigemAbbruch und Neubau befindtiche bauLiche Pen-

dant einer wachsenden und sich veranderndenmetropolitanen Mrtschaft .

Um den Wendepunkt der Entwicktung und den

Niedergang zu verstehen. ist die Gesamtentwick-[ung der Metropolitan Areas einzublenden. Auf

Abb. 3.29: furmhaus an derMoskwo, Wohnungen undBiltos

89

Page 88: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtreume

Abb. 3.30: Detroit poki-sches VierteL 19 70

die Entwicklung des fiir europiiische MaBstiibeung[aubtich weitftdchigen Stadttandes mit einemimmer extensiver werdenden Mosaik von Sied-[ungsfldchen, Shopping-Matts, IndustriaI Parks

und Biirostedten im anhaltenden Vorgang derCounterurbanization wurde bereits hingewiesen.Der Raum ist in Nordamerika zum unterschiedvon Europa - wie schon mehrfach betont- einescheinbar unbegrenzte, ubiquitiire Ressource.

Bis zu den ersten Jahrzehnten der Nachkriegs-entwick[ung war der CentraI Business District einSpiegetbitd des Aufstiegs der Wirtschaft. ihrerKrisen und Einbriiche. Dann emanzipierte sich

die Wirtschaft von diesem Standort. Zuerst fotgteder EinzethandeI der Wohnbevtitkerung hinaus indie Suburbs bzw. eitte dieser sogar rasch voraus,dann folgten die Industrie und schtie13tich derB[irosektor, der sich in Form der Edge Cities in Di-

stanz zu den alten Downtowns langs der Ringau-tobahnen neu etab[ierte.

Die Verflechtun g der Wirtschaftsentwick[un g

und der Entwicklung des CentratBusiness Districtreichtjedoch ats Erkliirung nicht aus. Der ent-scheidende Unterschied gegeniiber Europa be-steht im gesetlschaftlichen ProzeB der ziigigenZu- und Abwanderung sowie der innerstiidtischenSortierung der Beviilkerun g.

Die Sortierung der BevdlkerungIn Amerika war und ist die Stadtmitte nicht diesozia[e Mitte der stadt, sondern durch die Uber-

nahme des britischen Industriestadtmode[[s hatsich ein zentrifugater geseltschaft [icher Schich-

tungsvorgang vottzogen, Bereits der dritte Presi-

dent der Vereinigten Staaten, Jefferson, hat eine

ktare antiurbane Hattung vertreten. Er hat den

Stiidten atles moratische U beI zugesch rieben und

die europaische Stadtidee schtichtweg abgetehnt.

Die amerikanische Stadt hatte dahervon vorn-herein die geseltschafttiche Funktion, die Zuwan-

derer in den ,,American way of [ife" einzufiihren,sie zu akkutturieren, um sie dann in Suburbs zie-

hen zu lassen! Dieser Vorgang voltzog sich inmehreren We[[en: von der europiischen Einwan-

derung vor dem Ersten Weltkrieg aus Nordwest-

und Zentrateuropa bis sch[ieBlich aus Siid- und0steuropa hin. Hierzu kam die Binnenwanderung

der Afroamerikaner von Siiden nach Norden im

20. Jh. und nach dem Zweiten Wettkrieg die Zu-

wanderung aus Lateinamerika und Ostasien. Die-

ser sehr differenzierte vorgang wies in den ein-zetnen We[[en ein unterschied[iches Tempo derAkkulturierung, Anpassung. Integration und

Subu rba nisieru n g auf. Die Bereitschaft zum Kon-nubium und damit zur echten Integration war da-bei auf seiten der angloamerikanischen Mittet-schicht sehr unterschiedtich. Ein Beleg hierfi.ir istder U5-Beviilkerungszensus, wetcher exp[izit dieraces anfiihrt und hierbei auch alte ,,Misch u ngen"

unterscheidet, darunler hisponics, white undother roces.Im Zensus des Jah res 2000 sind nur2,4% der Bevtitkerung ats mrxed roces eingestuft.Setbst unter der,,weiBen" Bevtitkerung hiettensich siid- und osteuropdische Zuwanderer [ange

separiert. Intakte osteuropaische Nachbarschaf-

ten bestehen in einzetnen Metropoten aber bisheute (Abb. 3.30).

Das ModeI des Schmetztiege[s trifft daher aufdie amerikanische Stadt nur sehr eingeschriinktzu, sie wjrd vietmehr von extremer Segregation

nach ethnischen, retiqiiisen, sozioiikonomischen

und demographischen f4erkmaten bestimmt, un-

ter denen die erstgenannten absolute Prioritiitbesitzen. In diesem mehr ats 100 Jahre umspan-nenden Migrations- und SortierungsprozeB sindin den groBen Kernstedten Ghettokong[omeratemit einer VietzahI von ethnischen Ghettos ent-standen, dje a[lerdings in den GroBregionen des

Kontinents unterschiedtiche Zusam mensetzun-

on

Page 89: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

gen aufweisen. Chicago bietet ein gutes BeispieI(Abb.3.31).

Die Daten des Zensus 1981 betegen zum [etz-:enmatim DetaiI das Muster der ethnisch-anthro-:ologischen Viertetsbitdung. Der Haupworgangseit den 1960er Jahren war die Ausweitung derz,vei Megaghettos der afroamerikanischen Bevii[-<erung bis zur Grenze der Kernstadt im Siiden und

'Vesten, und zwar [engs der Haupttinien der Sub-

,rays, welche ats Verkehrsmittel weitgehend von:er afroamerikanischen Beviitkerung benutzt wer-:en. Durch das afroamerikanische Megaghetto,turde im Siiden die University of Chicago viiltigein geschtossen, das ausgedehnte j[idische Ghetto::enso weggeschoben wie die Wohnbereiche deri-tiener; von den europaischen Immigranten ver-:.ieben als einzige westeuropeische Gruppe die:'en im Kontaktbereich zu den Afroamerikanern.

Die Zuwanderungswe[l'e der Nachkriegszeit hat-eue Etemente in das ethnische Mosaik von Chi-

-go gebracht, und zwar Hispanier und Asiaten.laischen und an den Rendern der Ghettos derr.noamerikaner haben sich die rasch wachsenden\achbarschaften der hispanischen Zuwanderer:rziert, deren AnteiIan der Beviitkerung im ab-

;elaufenen Jahrzehnt von 18 auf 26 % (2000):-genommen hat und die zu mehr ats 60% ausvexiko stammen. Sie haben Polen, Tschechen und

- -den zu peripherer Abwanderung verantaBt. Fi-

-':inos und Inder bilden den HauptanteiI der Zu-

^:nderer aus Asien, daneben sind die Vietname-

=r dje am schnetlsten wachsende Gruppe. Sie atte

^:hnen in klar abgegrenzten, verhiltnismiiBig. -einen Vierteln in einer Art Pufferzone zwischen::r Ghettos der Afroamerikaner und dem weiBenY':tetschichtmi[ieu.

]ieses Ghettokonglomerat in der Kernstadt von

--'cago steltt keineswegs eine festgeschriebene':-mIche Einheit dar, sondern untertieqt standi-::- Veranderungen. An der citywer gen Seite.'-d die verfallene Bausubstanz, sobatd die Lo-(: steuern [dnger ats ein Jahr nicht bezah[t wer-::-. durch die Behiirden abgerdumt. Riesige, ki-: -eterbreite, ungenutzte Freiflechen entstehen--gs um die Wolkenkratzer und isolieren diese--er mehr von verfa[tenden Wohnvierteln.

3ereits 1980 war im Bericht der President's

-: - mission (S. 76) nachzutesen: ,,Es erfotgt eine

@

-a[EMffiEEEffi WesteuropSer

E Mischgebiete E Nichtwohngebiete

3km

o 3ml

Afaoam erikaner

Hispanier

Iren

Asiaten

Deutsche

Itatiener

osteurop6er

Poten

zunehmende Ghettoisierung der Armen und eth-nischen Minderheiten in den Kernstadten mitgteichzeitig an haltender hoher Arbeits[osigkeit.In den Armutsbezirken verfiiltt die 0rganisationder t ffent[ichen Dienstleistungen, wetche fiirWohtfahrts- und Armutsprogramme zustendigsind, die Kriminatitdt steigt an."

An dieser Aussaqe iiber die residua[e sozioijko-nomische Position der Gebiete um die Downtownhat sich bis heute nichts geiindert. Die Aussageerfordertjedoch in riium[icher Hinsicht eine Er-

weiterung insofern, als der ProzeB der ethni-

Abb. 3.31: Dos Ghettokon-gbnerotin Chicogo

91

Page 90: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. j.j2: Verschiebung ei-nes Houses in Chicago

Stadtreume

schen Ghettoisierung immer weiter auf neueStandorte im metropolitanen Raum ausgreift.

Die Suburbanisierung des Ghettos ist der letzteSchrittim Gefo[ge der Top-down-Suburbanisie-rung der Beviilkerung. Ethnische Aufsteiger wan-dern in die Suburbs ab. Zurick bteiben die Ar-beitstosen, Armen, Unfiihigen, Hitf[osen und Aus-steiger sowie diejenigen, die sichjenseits des Ge-

setzes bewegen. Die im Ghetto aufwachsende Ju-gend gerat in eine immer tiefere Isolierung, da siemiigtiche Vorbilder und Eliten vertoren hat. DavidHarvey (2000) hat in seinem Buch ,,Spaces ofHope" eindrucksvot[ die Nachbarschaft des inter-nationaI berlihmten Johns-Hopkins-Spitats inBattimore beschrieben. deren Bewohner besten-falts als ReinigungspersonaI in den Aids-Abtei-lungen arbeiten diirfen, jedoch nur dann eineChance haben, ats Patienten aufgenommen zuwerden, wenn sie an einer extrem seltenenKrankheit leiden.

Im Vergleich zu den beschriebenen Megaghet-tos sind die durch Gentrification entstandenenViertet flichen mii Big ktein, ebenso die neuen In-town-Entwicklungen am Rande der Downtown,welche zumeist als ,,gated communities" entste-hen. Auf das Phenomen des ,,gating" wird nocheingegangen.

Da s Wolken krdtzer-I m o g eDie Entwicklung der amerikanischen Stadt be-ginnt mit einem ReiBbrettschema, das aus demRepertoire der Stadtptanung in Europa stammt,im Hi n btick auf Stra Ben breite, Btock- und Parzel

[enform jedoch Unterschiede aufweist. Diesem

Aufschl.ielSungsprinzip ist iiberdies bej der Uber-tragung nach Nordamerika die Corporate Identityder europiiischen B[irgergemeinde ats iiberge-ordnetes 0rdnungsprinzip abhanden gekommen.

Sehr vereinfacht [assen sich drei Bauperiodender amerikanischen GroBstadt unterscheiden:r die Hotzhausstadt der Pionierzeit,r die kompakte Stadt der Ziegetbauweise nach

europiiischem Vorbitd sowier die Wotkenkraterstadt.Mit Abstand die beste Dokumentation einerDowntown als permanente GroBbaustelte bietetdas Werk von Haro[d M. Mayer und Richard G.

Warde (1969) ,,Chicago. GroMh of a Metropolis".[]ber lOOO Bitder begteiten den Leser von der vi-sue[[en Dokumentation des Prariehafens 1830 -1851 bis zum Eisenbahnknoten 1851- 71. Chica-go war ebenso wie die anderen Stiidte in dieserPeriode eine aus Holz gebaute Stadt, die sich aufdas Verschieben von Hotzbauten von einem Ortzu einem anderen hin spezialisiert hatte und da-mit beri.ihmt geworden ist (Abb. 3.32). Der groBe

Brand von 1871, der nahezu 100 000 Menschen

obdach[os machte, hat der Holzbauweise in derDowntown ein Ende bereitet. Dem Einfami[en-hausin den amerikanischen Suburbs b[ieb dieseatlerdings bis heute erhatten.

Nur kurz ist die Periode einer scheinbarenAhntichkeit mit der kompakten Reihenhausauf-sch[ieBung europaischer Stedte. In den 1870er

und 1880erJahren entstanden ganze StraBenz0-ge mit 5- bis Tgeschossiqen Zieqelbauten und hi-storisierenden Fassaden. Der stadtebauliche Ent-

wurfvon Chicago von Burnham (Abb.3.33) aus

dem Jahre 1909 orientiert sich am Stiidtebau von

Camitto Sitte.Das Panorama aus dem Jahr 1913 von J. W.

Taylor betegt dagegen schon zahtreiche Hoch-hduser, die dem damaligen Htihentimit von 20

Stockwerken folgten. Der Erste Wettkrieg war fi.ir

die amerikanischen Stiidte ebenso eine Zdsur wieftir die europdischen, atterdings im positiven 5inn.

Die Zwischenkriegszeit brachte den wirtschaft-lichen Aufschwung und schlieBlich den Vorsprungvon Nordamerika gegenliber dem europiiischenKontinent. Das,,Chaos der Urbanisierung", um

Mumford (1979) zu zitieren, beginnt mit der Er-

9?

Page 91: Die Stadt - Lichtenberger

Dr'e Stadtmitte

richtung von Wotkenkratzern in der Zwischen-kriegszeit. GemdB der Devise,,Individualismusjst Trumpfl' entstehen die Einzetobjekte ohneRr.icksicht auf dje Gesamtperspektive der Stadt.Sie repriisentieren die tjkonomische Macht vonEinzelunternehmen der Wirtschaft. In der Skytinespiegett sich die Otigarchie der ftihrenden Kon-zerne, die fUr das Priviteg, den hiichsten Tower ineiner Stadt zu besitzen, zunechst die stadtischenBehiirden unter Druck setzen. um die Hiihen-[imits der Bauten hinaufzusetzen, um dann inKrisenzeiten die neuerbauten 0bjekte rasch wei-terzuverkaufen.

Die Architekturschute von Chicago erreichte inder Zwisch en kriegszeit Weltrang. ZahtreicheKreationen der Architektenwettbewerbe wurdenin den Jahren vor der Wirtschaftskrise 1929 inChicago setbst errichtet und das erste Waterfront)evetopment hochgezogen.

Die Voraussetzungen fiir das Ende des Wachs-

:ums des zentraten Arbeitsstattensektors ent--<tanden bereits in der Zwi sch en kriegszeit, ats

'rfotge der Ftucht der l.4ittetschichten in die 5ub-

-rbs die Stadtgrenze zu einer sozialen Grenze.rurde und sich die Durchfiihrung von weitereni'ngemeindungen aufgrund des Widerstands dert"ft etschichten ats unmtig[ich erwies.

Die endglittige Fragmentierung und Auf[Osung

:er amerikanischen Stadt erfotgte jn der Nach-. iegszeit. Die Kernstiidte vertoren Beviilkerung

-"d SteuermitteI durch massive Austagerungen

--d SchlieBungen von Betrieben von der Produk-::n bis zum Biirosektor hin.

\ahezu in jedem Jahrzehnt wurden Versuche

=-:startet, den Niedergang der Kernstadte aufzu-

-:,ten, zuerst durch ,,urban renewa[" in den: i i0er und 1960er Jah ren, dann in der giganti-::- en Aktion des Stadtautobahnbaus im Zuge der: - ldesautobahnprogramme unter Eisenhower bisl: - nson, we[che die Haussmannschen Boulevard-:--chbrliche in Paris im 19. Jh. weitin den Schat-::- steltten. 8600 Meiten Stadtautobahnen wur-::- vietfach in einer Breite von zwei Stadtbliicken:--ch attere Arbeiterwohnviertel und ethnische\::'rbarschaften gefiihrt. Dabei trennte man: - -:h die Autobahntrassen zumeist die Downtown.:- anschtieBenden Stadtraum. Die Errichtung:::er Verkehrsbarriere kann a[s Zeichen dafi.ir ge-

+> -:-.$a-Q>

sis\wertet werden, daB man der Downtown kein son-dertiches Fliichenwachstum mehr zugetraut hat.

Inzwischen war der ProzeB der 5uburbanisie-rung weit fortgeschritten. AuBenstiidte, die so-qenannten,,Edge Cities". entstanden, wetcheebenfa[[s eine Downtown aufweisen. Die Umori-entierung der Arbeitsstatten auf die Downtownsder Edge Cities war der wichtigste Vorgang imletzten Dritteldes 20. Jh.s, der noch nicht abqe-schtossen ist. Die Entstehung dieser Biirostadteam AuBenrand des suburbanen Raums steht ineinem Zusammenhang mit dem miltionenstarkenNeueintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt auf-grund der steigenden Scheidungsraten und sin-kenden Realtiihne Ende der 1970er Jahre. Die

Schaffun g von Biiroarbeitsptiitzen im suburba-nen Raum gestattete es ihnen. die Rolte ats

Hausfrau aufzugeben. Die Anschaffung einesZweitautos, zuerst von VW, dann von japanischen

Firmen, war eine weitere Voraussetzung. Diese

Feminisierung des Arbeitsmarktes kam der Au-toindustrie, dem Individuatverkehr, der Suburba-nisierung und den Downtowns der Edge Cities zu-gute. Dabei hat sich der Zeitaufi,vand der Pendternicht erhiiht, sondern, wie die Statistik betegt.im Durchschnittvon rund einer hatben Stundeinden 197oer Jahren auf 20 l.4inuten am Ende der1990er Jahre verringert.

Abb. 3.i3: Burnhons stiidte-b0uLicher Entwurf ftir Chicogo,

1909

93

Page 92: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr:iume

,i..

fffiifi ,r6S

Abb. 3.34: Kofte der Innen-stodtvon Detroit mit Ruinen

Hall, ,.o

Der Wotkenkratzer ats bautiches SymboI derDowntown ist in die neuen Downtowns ausge-wandert, we[che versuchen, eine ausgepriigte ar-chitektonische Identitet zu entwickeln, wennauch ihre Skytine bisher noch flacher gebtiebenist ats die Sithouette der Downtown in den Kern-stedten.

Die Diversifizierun g der E ntwicktun gDie Nachkriegsentwicklung hat das Erschei-nungsbi[d der amerikanischen Downtown diversi-fiziert. Mehrere Faktoren zeichnen dafiir verant-worttich.I Von derin den 1960erJahren massiv einset-

zenden Entindustriatisierung, die atle Innen-stadte betraf, wurde besonders der sogenannterustbett befi off en, das einstige,,5uper-Ruhr-revier" im Nordosten und in der Mitte der Ver-einigten Staaten. Hier befand sjch das Zentrumder Stah[-, Automobit- und Riistungsindustrieder USA. Hier erfotgte der spektakutiirste Nie-dergang von Kernstadten. Auf die ,,fabutousruins of Detroit" wurde bereits hingewiesen.

r Entscheidend fiir das Stadtzentrum wurde das

Standortverhatten der Zentra[biiros von GroB-konzernen. 5ie sind infolge der Kiirperschafu-steuern wichtige Steuerzahler fiir die Stadtund beniitigen einen ManteI von weiteren un-ternehmensbezogenen Dienstteistungen.FUr die Investitionstiitigkeit selbst sind, durch

die Gesetzgebung gestiitzt, seit den 1980erJahren Pubtic-private-partnership-Unterneh-men entstanden, welche z. T. die ktassischen

Ptanungsbehdrden abgetiist haben. Sie sindim a[[gemeinen ein MerkmaL der groBen Me-

tropoten und agieren in den alten Downtowns

ebenso wie in den Downtowns der AuBensted-

te. Diese neuen GrolSagenturen sind von derpolitischen Verwattung der Stadt unabhiingigund ktinnen Entscheidungen ohne iiffentlicheAnhiirung treffen sowie Wertpapiere zur Fi-

nanzierung ihrer Projekte ausgeben. Konkrethandelt es sich um eine neue 0rganisations-form derAufschIeBung, der Bautatigkeit unddes Marketing, bei der Entscheidungsfindungund tiffenttiche MitteI im Interesse iikonomi-scher Erfotge und Renditen eingesetzt werden.Es ist einsichtig, daB eine fliichendeckendeSanierungspolitik fiir verfaltene Stadtgebietedaher kein Thema darste[[t.Die Megaprojekte selbst werden durch wenigefiihrende Firmen ausgefiihrt: Es handelt sichum KongreBzentren, Sportstadien, Luxusho-tets. !luseen, Theater, Konzerthalten, Luxus-

Woh na n[agen und,,Superstrukturen" mit ge-

mischter Nutzung in ejnem internationalenarchitektonischen Design.

Die Effekte der Konsum-, Freizeit- und Erleb-nisgesettschaft kommen in der Kreation von

Freizeit- und Ertebnisstiidten bzw. Superstruk-turen zur Gettung.Durch die Planung wird z. T. bei groBen Metro-polen eine neue funktionale Aufteitung fiirausgewiihtte Nutzungen am Rande der Down-

town vorgenommen. Es werden VierteIfiir Ho-

te[s, fUr Behiirden, fiir das Einkaufen usw.

ausgewiesen und die Reatisierung erfolgt stetsdurch p rivatwirts c h aftli ch e Unternehmungen.Die sogenannten ,,new towns" in town kdnnenats ,,gated com munities" auch eine Wohnfunk-

tion fUr mitttere und hiihere Einkommensktas-sen iibernehmen, wie auch sonst E[emente der

0td

94

Page 93: Die Stadt - Lichtenberger

Suburbs, z. B. Einkaufsma[[s, nunmehr von denDowntowns der Kernstiidte iibernommen wer-d en.

r Die Effekte der Einwanderung von Hispaniernaus Kuba, Zentratamerika und Mexiko betref-fen starker die Downtowns in Kafifornien,Texas und Florida, wiihrend die Nord-Stid-Wanderung von Senioren und jungen Berufs-tatigen aus dem .,Frostbelt" in den ,.Sunbett"in erster Linie auf die Suburbs gerichtet ist. An-hand von Beispielen aus zwei Metropo[en, De-troit und Los Angeles, seien atlgemeine Phi-nomene im fotgenden ittustriert.

Aufstieg und Verfatl: Detroit)etroitist mitAbstand das beste BeispieIfiir den'asanten, auch in seinen Ruinen architektonisch'och immer greifbaren Aufstieg einer Mitlionen-;r-adt in der ersten Hetfte des 20. Jh.s und gteich-zeitig ein noch mehr beeindruckendes BeispieI:es Verfatts seit den 1960er Jahren. In einer

;roBartigen Internetserie hat der Kiinstter und:omputerfachmann A. Boiteau, beginnend 1997,:'e Gebiiude der Innenstadt von Detroit in dem3emiihen dokumentiert, vor der Spitzhacke zu-etten, was in einer ehematigen ,,corporate city",:'ner Stadt der Konzerne, die in dieser Stadtje-: och nicht mehr investieren, zu retten ist.

DetroitistdieStadtdes Automobi[sim 20. Jh.-,nan muB hinzufiigen: gewesen. In den ersten::jden Jahrzehnten des 20. Jh.s begann hier die:,r eite i nd ustrielte Revolution in einem ungtaub-.' :hen, nichtvorhersehbaren Tempo. Heute sind:'e meisten Bauten aus dieser Zeit verlassen,.:'fatlen und zum G roBtei I zerstij rt. Im fo[gen-::r einige Detai[s (Abb. 3.34 bis 3.38).

1904 errichtete Henry Ford die erste Autofa-: - <, die sogenannte Piquette Avenue P[ant. Sie:.'eb bis 19'1.1. in seinem Eigentum. Das Objekt::eht heute mit Ausnahme einer Wiischerei im:-:gescho13 [eer. Europiier mag erstaunen, daB- :iesem Gebiude nicht schon [dngst ein ameri-.:.isches Automuseum entstanden ist. 1909 er-::-te Atbert Kahn eine der ber hmtesten Fabri-.:- in der Industriegeschichte, die sogenanntev: le[ T Ptant von Ford, in der tiiglich 1000 soge--:-nte Tin Lizzies erzeugtwurden. speter dann-?<toren, der Betrieb wurde 1970 stittgetegt.

Die Stadtmitte

Detroit ist ein besonders gutes BeispieI fiir dasWustwerden des atten Zentrums auf Kosten derneuen Edge Cities an den Riindern der Metropo[i-tan Region. 1975 wurde in Detroit von der Ameri-can Motors Corporation 20km auBerhatb desStadtzentrums in dem Southfield genannten5hopping-Center ein erster Biirohochhauskom-ptex errichtet. 1988 hatte Southfietd atlein, dieweiteren 7 inzwischen entstandenen AuBenstadt-zentren im Detroiter Raum nicht mitgerechnet,mit iiber 7 i{io. m2 bereits mehr Biirofl.iiche a[sdas Stadtzentrum mit 6 Mio. m2. Weitere 11 Biiro-gebeude mit iiber 700 OOO m2 wurden bis 1990fertiggestettt. Southfietd ist damit zu einerB[irostadt mit 75 000 Einw., iiber 300 000 Arbeits-ptiitzen und iiber 4000 Geschiften geworden.

Abb.3.35: Detroit. The

lvlodetf Plont2001

Abb. 3.36: qetroit, FordModeLf (li-) und ModelS(rc.) 2001

g5

Page 94: Die Stadt - Lichtenberger

StadtrSume

, /r('

80 der 500 gritBten Firmen der USA haben hierentweder ihren Hauptsitz oder zumindest ihre re-giona[e Haupwerwattung. Ferner gibt es 35 Ban-

ken und 70 Werbeagenturen (Holzner 1996, S. 99).Zeittich komprimiert auf zwei Generationen ha-

ben sich damit in Detroit Neubau und Verfalt votlzogen. gegriindet auf Standortverlagerun gen der

Corporate Investmenls. Die Investitionen wurden

auf a[[en Gebieten, beginnend mit dem Einzelhandet, iiber das Hotetgewerbe bis zur Autoindu-strie und zum Geldwesen hin, aus der Downtownabgezogen und an die Peripheriein neu gegriin-dete Suburbs und Stidte verlagert. Die spren-gung der sogenannten ,,Seven Sisters", des Kraft-werks fiir die Detroiter Autoindustrie und einsteine Landmarke von Detroit am Seeufer, besitzt

Symbolcharakter fiir das ijkonomische Ende der

Autostadt Detroit. Der nahezu vii[tige Nieder-

gang des Eisenbahnpersonenverkehrs wird in De-

troit durch den isoliert stehenden, verfattenden

Hauptbahnhof besonders eindrucksvo[[ demon-

striert. Die Innenstadthotets sind verfatlen und

wurden zum GroBteit berejts gesprengt. Das ehe-

matige YMCA Hostel wird dieses SchicksaI in ab-

sehbarer zeit tei len.Das National Theater war eines der ersten

Theater der 1920er Jahre. Es ging den Weg von

vielen anderen Theatern in der Downtown, aus

denen zuerst bi[[ige Kinos, dann ,,strip joints"geworden sind und die schtieBtich leerstehen,bevor sie abgetragen werden. Derzejt werden

Ubertegungen angestellt, aus dem ehematigen

NationaI Theater ein auf afroamerikanische Filme

speziatisiertes Kino zu machen.

Besonders makaber fi.ir Mitgtieder der sozia[en

Wohlfah rtsstaaten ist das SchicksaI der psychia-

trischen Ktjnik, die 1870 a[s Eastern Michigan

Asytum errichtet worden ist. Sie verfiigte iiber31OO Betten, wurde 1997 geschtossen und sodann

gesprengt. Das ungtiicktiche Stigma von geistiger

Krankheit hat eine Umnutzung des prachtvolten,

riesigen und gut erhaltenen Gebiiudekomptexes

auf einem AreaI von iiber 25 000 m2 verhindert.Niemand wottte dariiber nachdenken, jedermann

wlinschte nur, diese Einrichtung zu etiminieren.Eine andere Klinik im Raum von Detroit wurde in

ein Gefiingnis umgewandett. Hinzugefiigt sei, da13

mit der Einfiihrung ambutanter medikamentdser

Behand[unq seitden spaten 1960erJahren nichtnur sehr viele Ktiniken dasselbe SchicksaI erlit-ten, sondern daB Mitlionen von geistig kranken

und behinderten Menschen einfach aufdie StraBe

gesteltt und ihrem 5chicksaI iiber[assen worden

sind.Aus der ethnisch vietfittigen Vergangenheit

von Detroit haben sich interessante bautiche 0b-jekte erhalten, darunter die sogenannte ,,Greek-

town", welche in den 1960er Jahren ein betieb-tes Unterhaltungsviertel war. Ats die Downtown

zusammenbrach, konnte sich die Gemeinde der

griechischen Eigentiimer von Restaurants, Kaf-

feehiusern, Biickereien und Gemischtwarenlii-den ats einzige hatten. Erst ats es pliitzlich in den

198oer Jahren schick wurde, in die ,,Greektown"

I

Abb. 3.37: Sprengung des

H u dso n's De po ft n e nt sto re,

Dow nto h/ n, Detroit 2 00 1

96

Page 95: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

auszugehen, wurden die Lokate aufgekauft unddurch dem Trend entsprechende Lokate und Bou-tiquen ersetzt. Das einstige F[ai r i st vertorenge-gangen, die griechische Bevtilkerung ist in dieSu burbs abgewandert. Die U nterha ltungsfu n kti-cn des StraBenzugs bestehtjedoch weiter.

Auch die ji.idische Bevdtkerung ist aus derStadt in die Vororte gezogen. In der Detroiter In-renstadt haben sich noch 14 Synagogen erhat-:en, wetche heute ilberwiegend von christlichenSekten genutzt werden.

Die Frage nach der Wohnbevijtkerung in einerStadt mit Hunderten leerstehenden Industrie-.nd Kutturbauten stel,[t sich mit Notwendigkeit.is jst die afroamerikanische Bevtitkerung, welche

'r der Kernstadt geblieben ist. Sie stetlt heute:.ei Viertel der Bewohner. Damit nimmt Detroit:ei insgesamt knapp.unter 1 Mio. Einw. die ersteS:ette unter den amerikanjschen Metropoten im-inb[ick auf den AnteiI der Afroamerikaner ein.:s ist daher auch nicht erstaunlich, daB inletrojt das bisher einlge ['!useum flir afroameri-(: !rische Geschichte errichtet worden ist. Grund-; j-:[ich besteht derzeit ein von der Bundesregie--,rg und den Stedten gefiirderter Trend, neue

'"' rseen ei nzurichten.In den 1970er Jahren wurde in Detroit, wie

: - ch in anderen groBen, vom Verfa[[ gezeichne-

::r Kernstiidten der U5A der Versuch unternom--en, ein Comeback der Wirtschaft und eine Er--:uerung des Baubestandes zu starten. Bun-::smittel dienten ats Starthitfe. Es entstand die

;:genwiirtige Landmarke von Detroit, das Re--:'ssance-Center, das vor kurzem von GeneraIu::ors a[s Standort des Zentratbiiros fiir 72 Mio.

-S-5 erworben wurde. Die Errichtung hatte vori I Jahren jedoch 350 Mio. U5-$ gekostet.

ler Experimentcharakter dieser Downtown-Er--:.erung geht auch daraus hervor, daB der

=-:'chzeitig mit dem Renaissance-Center ats

- : :r ba h n errichtete,,Peop[e f4over" mit eineri-ge von 5 km a[s,,The Train to Nowhere" be-::':hnet wird (Abb. 3.38). Ein [eerer Zug fdhrt-- .eerstehende 0bjekte.

l- der Nachbarschaft der Wayne State [Jniversi-:. s':rd Bestrebungen zur Erhaltung von architek-:: -'sch wertvolter Bausubstanz in jiingster Zeit::':et[ erfotgreich. Die aus Bundesmittetn un-

terstiitzte jiin gste Bewegun g der Finanzierun g

von Stadions und Kasinos hat auch Detroit er-reicht. Das alte Tigerstadion wurde abgetragen.Zwei neue Stadien sind im Bau, drei groBe Hotel-kasinos in Ptanung.

Wlhrend die Metropotitan Region weiterwiichst, angefacht von Steuernachlassen, wetche

Neuaufsch[ieBungen begUnstigen, hat inzwi-schen der ProzeB des Verfalts und des Abbruchs

auch die Suburbs von Detroit erfaBt. Auch hierbegegnet man wieder dem Zyk[us von Nieder-gang und Verfa[tin ei ner neuen Generation, wo-bei die aus den 1960erJahren stammenden Ge-

biiude nicht mehr die architektonische 0ua[iHtder in der Downtown abgetragenen erreichen.

New Downtown (?): Los AngelesLos Angeles wird a[s eine Stadt angesehen, ,,inder 100 Suburbs eine City suchen", d. h., Los An-geles gi[t ats das Pa radebeispi e[ fiir die aufgelti-ste Stadt. Gteichzeitig wird Los Angeles immera[s die Stadt mit den meisten Rassenkrawaltenbeschrieben, der Nichtkenner wird daher eine

Abb. 3.38: Detoit, People

Mover fiihi un Ruinen,2001

97

Page 96: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtreume

Pueblo,/C-hinato$,n

,g

{.,

HistoricCore

Whol6.le Districr/

rro*0, iarrrr skid Ftow

FashionDistrlct

verfaltene Downtown erwarten. Noch dazu, wenner die historischen Daten heranzieht und diesenentnehmen kann, daB im Jahre 1920 noch iiberdrei Viertel atler kommerziellen und professio-ne[ten Unternehmen von Greater Los Angetes inder Downtown angesiedett waren, wohin tlgtichiiber 1.,2 Mio. Menschen aus den Suburbs und derMetropoUtanen Region zur Arbeit und zum Ein-kaufen pendelten, mehr Menschen ats die dama-lige Wohnbev0lkerung von Los Angeles City be-trug (Fogelson 1970). Im Jahre 1930 befand sichschon 0ber die Hdlfte atter Unternehmen auBer-hatb der Downtown von Los Angetes, und heutearbeiten dort nur noch 8 % der Bescheftigten derMetroregion. Vom Standpunkt des Verlusts an Ar-beitsplitzen gesehen, besteht damit durchauseine Para[[ele zu Detroit.

Atterdi ngs manifestiert sich ein wesentlicherUnterschied in bezug auf die Bev6tkerung. Los

Angeles ist eine l4etropo[e mit sehr starker Zu-wanderung von hispanischer und ostasiatischerBevdlkerung. Damit mag es zusammenhingen,daB die atte Downtown nicht ftdchig zersttirtworden ist. sondern in Dutzenden StraBenzligenund Baubtiicken sowie in Hunderten von Gebiiu-den noch das Aussehen einer amerikanischenGroBstadt aus der Zwischenkriegszeit bewahrthat. In diesem bautichen Gehiiuse ist ein ent-scheidender WandeI der Beviitkerung und Nut-zung eingetreten.

1m fotgenden einige Streiftichter. 5ie stammenaus der im Internet zugiingtichen Watking Tourdurch die Downtown Los Angeles, welche vomGeographicaI Institute of Southern Catifornia un-ter der Leitung von C. Roseman eingerichtet wur-de.

Der Komplex der Downtown besteht aus meh-reren Teiten, dje eine auBerordenttich groBe ar-chitektonische, kulturel,[e und tikonomische Di-versitet aufweisen (Abb. 3.39):I Der historische Kern [iegt beiderseits des

Broadway, der einstigen Hauptgeschiifts- undUnterha ltunqsstraBe der europiiischen Immi-granten mit zahtreichen Kaufhiusern, Spezia-

litetengeschaften sowie medizinischen undkom merzie[[en Dienstteistu ngsu ntern eh men.Der Broadway ist heute im ErdgeschoB zurEinkaufsstraBe fiir die spanischsprechendeBevtitkerung geworden, von der ein GroBteitmit dem Bus kommt, die oberen Geschosse

stehen leer. Der Broadway Department Storewurde in ein Verwaltungsgebeude mit mehrals 1700 Staatsangestetlten umgewandett.Ebenso wie der Broadway verdankt der Grand

CentraI Market zwischen Broadway und Hi[tStreet, das erste 1917 in Los Angeles errichte-te feuer- und erdbebensichere Gebiude, denhispanischen Zuwanderern seinen lebendigenFortbestand. Za h[tose Kteinstinde flir exoti-sche LebensmitteI atler Art und ein pittoreskesAmbiente machen es zu einerTouristenattrak-tion. Ebenso erhiett sich der J uwelendistrikt,der zweitgr(iBte in den USA. ZahtreicheThea-ter sind zu Kinopaliisten fiir die spanischspre-chende Beviilkerung geworden (Abb. 3.40).Das 1906 gegriindete Nobelhote[ ,,Alexa ndria"ge htirt i nzwisch en zu den ,,Los Angetes Histo-ricaI Monuments", wie iiberhauptin Los Ange-les ein viel stirkeres BewuBtsein fiir histori-sche Baudenkmiiter besteht als in Detroit. Es

istatlerdings zu vermuten, daB der Bedarfanhistorischem Ambiente durch die HoltywooderFilmindustrie zur Erhattun g zahtreicher 0bjek-te ganz wesentlich beigetragen hat. Jeden-fatts ist die groBe ZahI an Theatern, welche zu

GroBkinos umfunktioniert worden sind, aufHotlywood zuri.ickzufiihren. Die siid[ich para[-lel zum Broadway verlaufende Spring Street

a

a

a

SouthPark

Abb- 3.39: Los Angetes,Dow n tow n, Vi e rte lsg li e de-rung

98

Page 97: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

gatt seinerzeit ats die Wallstreet des Westens,bevor 1960 die Wanderung nach Bunker Hit[zur New Downtown begann. 1972 verlagertedie Los Angetes Bank of America ihr Haupt-quartier nach Bunker Hitt. Ats letzte Einrich-tung hat die Pacific Stock Exchange in denspaten 1980er Jahren ihre Pforten geschtos-

sen.

I Das nach Norden anschtieBende Civic CenterumfaBt die grdBte Konzentration von Regie-ru ngsstetten und Regierungsangestettten derVereinigten Staaten auBerha[b von Washing-ton. Die Griinde liegen auf der Hand. Es han-dett sich um die Bi.iros des griiBten County imStaat Katifornien, Los Angetes, und der zweit-griiBten Stadt mit mehreren Staats- und Bun-desfunktionen.

! Auf der Siidseite des historischen Zentrumsliegt der Modedistrikt, der einen starken Auf-wiiftstrend besitzt. Hier befinden sich Tausen-de von GroBhdndlern, Gewerbebetrieben undEinzelhandetsgeschaften. An den meisten Ta-gen, besonders an Samstagen, sind dieStraBen vo[[ mit nach Billigangeboten su-chenden Menschen. Das KteidungsvierteI brei-tet sjch in das ehema[ige Texti[industrieviertelaus und iiberlagert das ehema[ige Wohngebietler afroamerikanischen Gemeinde, deren Feu-erwehrgebdude heute ein Museum ist. Es ha-ren sich einzelne Subviertel flir bestimmte,'/aren, Softimente und Herkunftslinder ent-n'ickett. Die Mannerbekteidung istin der Hand

ier ltatiener. Durch die Zuwanderung von-ispanischer Beviitkerung hat auch dieserlistrikt sehr an Lebendigkeit gewonnen, wo-:ei das Einzetgeschiift den Ton angibt. Die,latl Street, in der sich ein Geschiift an das an-:ere reiht, ist eine wichtige DurchfahrtsstraBe:urch den Fashion District (Abb.3.41). ImZentrum des Viertets [iegt der California Mart,:er griiBte GroBhandetsmarkt in den Verei--jgten Staaten mit 1200 Mietern und einer9odeschule. Hinsichtlich der Architektur bie-:et das Viertel eine groBe Vietfatt an Gebiu-:en, wobei die Pa[ette von um 1910 errichte-

!:: . 3 .40: Los Angeles fheatert: : 3. 4 1 : Los An g eles, Wdll Street, Ei nzelho n d el 1 99 I

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Page 98: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr5ume

Abb.3.42: Los Angeles, neues

Co u nty-Gefii n g ni s 2000

4bb.3.43: Los AngeLes,

Union Rescue I'lission 2000

ten Bauten bis zu brandneuen Einzetgeschdf-ten reicht, Bemerkenswert sind ferner dieMarkte, der GroBhandelsmarkt fur Blumenund ein von Japanern, Russen und Chinesenum 19'1.0 gegriindeter City Market, der inzwi-schen durch den vie[ griiBeren Seven StreetTerminaI Market eingehott worden ist. Als eineder Landmarken von Los Angetes liegt im0sten des Modeviertets das Coca-Cola Build-ins.

r Im Osten des historischen Stadtkerns schtieBtein Stadtteit mit GroB handetstagerhtusernund einem Spielwarendistrikt an, der in we-sentlichen TeiLen ats das Gebiet der ehemati-qen S\\( Rorl, {urc\ hessnders scNnerrqesoziate Desorganisationsphiinomene gekenn-

zeichnet ist. Die [.]nsicherheit wird recht ein-drucksvot[ durch das festungsartige Gebaude

der Polizeizentra[e in Los Angetes dokumen-tiert, wetches mitten in der 5kid Row getegen

ist. Die zwei Parkanlagen in diesem zur afro-amerikanischen Gemejnde geh6renden Ge-

biet, Gtadys Park und San Julian Park, sindbeide ,,gated green areas". Los Angetes wurde

vielfach ats die Hauptstadt der 0bdachlosig-keit beschrieben, und es gibt eine Flitle von

Artike[n tiber die Versuche der mexikanischen

Zuwanderer in Los Angeles, Squattersied[un-gen, so wie sie es von den Randern mexikani-scher StAdte gewohnt sind, zu errichten. Diese

Ansatze zum ,,squatting" wurden meist binnenkurzer Zeit von der Polizei geriumt, ohne daB

damit Versuche endgiittig gestoppt werdenkonnten. Die itlegate Zuwanderung aus Mexiko

hatt weiter an. In der Skid Row sind mehrere,

von karitativen Stetlen organisierte privateEinrichtungen fUr 0bdachtose entstanden.Darunter befindet sich die Union Rescue Mis-sion, das griiBte private 0bdach[osenheim inden Vereinigten Staaten mit 25 OOO m2 Fteche,

in dem 1000 Obdachtose iibernachten kiin-nen. Staatliche bzw. sHdtische Einrichtungenfiir die 0bdachtosen fehten bisher (Abb. 3.43).

r Langsam geht die Transformation im Vierteldes South Park vonstatten, wo die Ptaner einegemischte Wohn- und kommerzielte Nutzunganstreben. Ats Elemente der Pubtic-private-Partnership entstanden die KongreBha[[e und

ein Stadion, wetche den AutobahnanschluBnutzen. Noch nicht entschieden ist die weitereNutzung der Postzentra[e, die noch in Hotty-

woodfi[men Verwendung findet, und des altenBahnhofsgebdudes, das ebenso wie die Post im

spanisch-mexikanischen Stil errichtet wurde.r Im Nordosten des Behiirdenviertels und der

Stadtautobahn ist jm Zuge der extensivenBauwette von neuen Gefiingnissen in den Ver-

einigten Staaten das groBe neue County-Ge-fangnis errichtet worden, eines unter vielen,mit dessen Neubau der Staat versucht, den

Bedarffiir die Unterbringung von 2 MitlionenHiifttingen zu decken (Abb. 3.a2).

\n {\esem S\a(\te\\ \\eq\ auc\ d\e !\\natsN,wetche - zwar riiumtich verschoben - ein histori-

100

Page 99: Die Stadt - Lichtenberger

Die Stadtmitte

sches ReLikt aus der Zeit darstetlt. ats die chinesi-sche Beviilkerung durch Gesetz in einem ge-schtossenen Viertel siedeln muBte. Es handeltesich dabei um eine Form der primiren Ghettobi[-dung, welche durch Anordnung der jeweiligenpotitischen Machthaber entsteht. Durch den Tou-ismus hat sich dieses Retikt in Los Angetes wieauch in anderen Stddten erhatten. Dagegen istCas historische Littte Tokyo im Sliden des CivicCenters in den 1970er und L980er Jahren nahezu,,ottstiindig der Stadterneuerung zum 0pfer ge-:a lten. Nur 13 Hiiuser an der First Street sind er-ratten gebtieben und stehen seit 1986 unterDenkmalschutz. Ebenso unter Denkmatschutzsteht die ehematige Dorfkirche, die Missionskir-.he Queen ofAngets Church, we[che 1822 erbaut

^orden ist (Abb. 3.45). Der 0rdenspfarrer Bruder

-uis 0tivares hat sie zum CentraI Sanctuary flirZentralamerikaner und itlegate Immigranten er-<tii rt.r Die New Downtown ist zum GroBteil das Pro-

dukt der Anstrengungen der Community Rede-vetopment Agency der Stadt. Seit den 1960erJahren koordiniert diese Agentur die Investi-tionen von Mitlionen Dottars, um eine neueDowntown mit einem ausgepragten Wo[ken-kratzerprofi[zu erzeugen, wetches zum We[t-stadtstatus von Los Ange[es beitragen sot[. InLos Angeles und anderen groBen Metropolensind die exorbitanten Leerstiinde in den be-reits bestehenden Biirotiirmen kein 6rund. umInvestoren von der Errichtung weitererTiirmeabzuhatten. Der sogenannte Library Tower istmit einer Htihe von 1017 FuB (310m) dashijchste Gebdude westlich von Chicago unddsttich von Hongkong. Seinen Namen erhielter durch den An kauf der Air rights von der Los

Angeles CentraI Libraryfijr eine Untersttitzungzur Renovierung dersetben (Abb. 3.44).

)e Neue Downtown von Los Angetes partizipiert:r deraktuellen Entwicktung auf dem Shopping-:ektor, wonach das Design der suburbanen Matts-.rnmehr die Downtown erobert. Auf diesen mit:em Prob[em des,,gating" zusammen hingenden, organg wird ebenso wie auf die Situation der:{enttichen Verkehrsmittel in Los Angeles imqpite[,,Determinanten und Leitbi[der" einge-

;angen.

Abb. 3.44: New Downtown,Librqry Towet 2000

Abb.3.45: Los Angeles,

Queen of Angeb Church 2000

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101

Page 100: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtr:iume

Ab b. 3. 4 6 : B rochfliichen omStodtrond in den USA

( l ocksonvi lle, ILLi noi s )

Stadtrinder

Stiidte sind wachsende Systeme: Hierbei sindzwei Regetkreise zu unterscheiden, die ejnerseitsvon der Zunahme der Bevd[kerung und anderer-seits vom zunehmenden Ftichenbedarf fiir die

stadtischen Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Bit-

dung, Freizeit, Verkehr usw.) unter den jewei [igen

Gegebenheiten von wirtschaft [ichem Wachstum

und technischer Innovation gesteuert werden.

Die pofittikonomischen Effekte von Ptan und/oder Markt bewirken wichtige Unterschiede des

Wachstums der physischen Stadtstruktur. Im fol-genden werden in vereinfachter Form die Effektedes Privatka pita [ism us, des ehema[igen Staats-kapitatismus und von sozialen Wohlfahrtsstaatenauf das Stadtwachstum dargestet[t.

BrachflSchen in den USA

Im p rivatka pita tistisch e n Gesettschafusystem derUSA gehiirt es imptizit zu den Mechanismen des

Wachstums von Stedten, daB die von der Privat-

wirtschaft aus der Bodenspekulation und damitden steigenden Bodenwerten gemachten Gewin-

ne dazu verwendet werden, den ProzeB der Auf-

schlieBung voranzutrejben und in technischeEinrichtungen zu investieren. Damit wird eine

sich aufwiirts drehende Spira[e in Gang gesetzt.

Die AufschlieBung bewirkt ein weiteres Anstei-gen der Bodenpreise in randlichen Lagen, wo-

durch weitere Gewinne erzielt werden. Konkret

bedeutet dies. daB im nordamerikanischenStadtsystem zwei breite Spekutationszonen vor-handen sind: Auf die innere Spekulationszoneum das Stadtzentrum (CBD), welches gegenwlr-tig durch Verfa[[ und Stumbitdung in groBen

Kernstedten gekennzeichnet ist, wurde schon

eingegangen, ebenso auf die Antage von Stadt-autobahnen in dieser Zone. Weit eindrucksvo[[er,

zumindestim FldchenausmaB. sind die um Kern-

stiidte und Suburbs vorhandenen, ausgedehntenperipheren F[iichen von Spekutationsbrache, von

,,vacant [and". Das AusmaB des vacant land wur-

de zum ersten und letzten Ma[ Mitte der ].950erJahre registriert, betrug damatsje nach der Ein-

wohnerzahI der Kernstiidte und Suburbs zwischen

20 und 60 % und war in den kteinen Suburbs reta-

tiv am griiBten (Bartholomew 1955) (Abb. 3.46).Das vdltige AuBerachttassen der riesigen Brach-

fEchen in den wissenschafttichen Lehrbi.ichern

und in der Offentlichkeit demonstriert, dali die

Nichtnutzung von Ftlichen bzw. 0bjekten im kapi-

tatistjschen System der USA nicht ats Probtem,

sondern ats eine Setbstversti nd [i ch keit betrach-tet wird. Das Beispiel von Detroit hat dies ktar

gezeigt.

0bergangssiedlungen in Europa

An den Stadtriindern von kontinentaleuropei-schen Stiidten kann man ablesen, was ein potiti-scher SystemwechseI bedeutet. Auch sie besaBen

im Liberatismus der Griinderzeit ein Speku[ati-

onsvorfetd. Es ist in den Notjahren des Ersten

Wettkriegs von sogenannten,,Notgarten", diespiiter in Kteingartenantagen (,,Schrebergdrten")

umgewandett wurden, besetzt worden. Vielfach

entstanden ausgedehnte Ubergangssied[ungen,

z. T. Vorlliufer einer Zweitwohnungsperipherie.

702

Page 101: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtrender

Nach dem Ende des Ersten We[tkriegs kenn-zeichneten in ganz Kontinenta[europa spontaneSied[ungen das Weichbitd der GroBstidte in na-hezu alten Staaten. Sie sind ats ein Resuttat despolitischen Systemwechsels nach dem Erstenl{eltkrieg aufzufassen, Info[ge des Fehlens vonkontro[[erter Ftichennutzung und staattichenOrdnungsmechten entstanden ausgedehnte Uber-gangssiedlungen, zu denen die Pavittons derrhaotischen Urbanisation" in Frankreich ebensozihten wie die vietfach i[[egaten 0kkupationenvon Grund und Boden in der Umgebung vongroBen Stedten Zentra[europas (Wien, Budapest,Bukarest, Betgrad, Sofia, Warschau). Darin iiuBer-:e sich die Tatsache, daB die Nachfolgestaaten'echtsschwScher waren a[s die 6sterreichisch-.rngarische Monarchie, in der es nicht m0glich

3ewesen wdre, daB prme Zuwanderer iltegaIamRande der groBen Stiidte ihre Hiitten errichtet'atten. Der Vergleich mit den Squattersiedtun-gen am Rande der groBen Stiidte in der Drittendelt, in denen die staattiche und stiidtische Ord-'ungsmacht den Stadtrand nicht mehr erreicht,:riin9t sich auf.

6riingiirteI und Erholungsgebiete

+insichttich der Planung und Regulierung deslachstums von Aggtomerationen setzte GroBbri-::nnien zu Beginn des 20. J h.s die Standards mitrrei wichtigen Konzepten: Auf das Konzept der

,\euen Stadt" wurde schon eingegangen. Das

r.eite Konzeptwar der GrtingUrte[ (,,Green Bett").)ie Schaffung eines Griingiirtets setzt eine staat-

-'che Kontrolle der Fliichennutzung voraus und:"nultiert damit [iberale Spielregeln des Boden-

-arkts hinsichttich der freien Verfiigbarkeit tiberje Nutzung stidtischer Grundstiicke. Von London:.isgehend, ist der Grtingtirtet auch in anderenS€dten des ehemaligen britischen Empire zu ei--em rechtsverbindtichen BestandteiI von F[dchen-r'dmungsptanen geworden.

Der Stadtentwicklungsp[an von Ottawa (Abb.:-47) zeigt den mehrere Meiten tiefen Grlinglirtet,l.rrch das anhattende Stadtwachstum entstand

=re charakteristische 0verspi[[-Bewegung von:e/6[kerung und Einrichtungen zu den Satet[i-

O.a

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0 5km

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tenstedten. Man gelangt zur atlgemeinen Aussa-ge, daB das Wachstum der Stadt grundsetzlichdurch einen GrtingiirteI nicht behindert werdenkann und diesem daher nur Gtiederungsfunktionin der stidtischen Agglomeration mit eventuet-[en,,Wohtfahrtswirkun gen" zukommt (Wesche/Kug[er-Gagnon 1978).

Setbst die Metropole, welche das Vorbitd fiirdie Gri.ingUrtet gesetzt hat, London, sieht sichheute trotz vorausschauender Positionierung desGriingiirtets vor einem ganz iihnlichen, jedochinsgesamt weit groBftiichigeren 0verspi[-Pro-btem wie Ottawa.Im GroBraum von London sindmit den Edge Cities in Nordamerika vergleichbareStrukturen im Entstehen.

lJnter den dichtverbauten kontinentaleuropai-schen Stedten ist der Griingiirtet vor a[[em inWien (Abb. 3.48) beispiethaft verwirklicht wor-den. Auf den Begriinder des Munizipalsozia[is-mus, B[irgermeister Lueger, geht der BeschtuBdes Wiener Gemeinderats von 1905 zuriick,4400 ha Watd und Wiesenflichen im Stadtgebietunverbaut zu erhalten. Hierbei ging es in Wienzum Unterschied von der englischen Green-Be[t-Idee darum, der fortschreitenden Mietshausver-bauung ein Gegengewicht zu bieten. In der Nach-kriegszeit getang sogar eine Erweiterung durchdie Einbeziehung der Area[e von internationatenGartenbauausstellungen. Aber auch in Wien ist in

Abb. 3.47 : GriingiiteL und,,

qverspi U" vo n SoteLLiten -stiidten in Ottowo

103

Page 102: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtrau me

Derzeit bestehende stiidtischeWald- und Naturtehrpfade:

12

345

Schafberq (2,4 km)tobau (2 km)Prater (0,8 km)

LajnzerTiergarten (1,5 km)l.4aurerWatd (2,7 kn)

I Als "Schutzge_bietWald- und

wresengunet" (55w) gewr0met

lmmlm Bereits du rch oefiih rte Erweite-rung oes wau- un0 wresenguneE

iiilllLii trweiterungskonzept

Abb. 3.48: GringifteLin Wien

Daneben gibt es 268 kmmarkierte Wanderwege

und 280 ha[aqerwiesen.

f---.I Eestandteiledes G riinq ii rtets,

- jedoch nichtats SSWqewidmet

O watd- und Naturtehrpfade

----- Stadtgrenze.....'. Bezjrksqrenzen

der Nachkriegszeit die Stadterweiterung im Sii-den und Osten iiber den Gri.ingiirtel hinweg in bis

dahin unverbautes Terrain gegangen.

Auch in den LJSA wurden verschiedenttichGriin giirtelkonzepte in die Stadtentwicklun gspla-

nung aufgenommen, sie konntenjedoch aufgrund

der enormen Suburbanisierung nirgends ats rand-

liches Etement von Kernstadten rea[isiert wer-den. Die Schaffung von iiffentlichen Grlinftiichenund Erho[ungsantagen fehlt ats aktueller Vor-gang in den USA. Bei den elteren City Parks han-

dett es sich um Areale aus der Zeit der Stadtgriin-dung bzw. um private Stiftungen aus derZeitvordem Ersten Wettkrieg. Ktubsystem und Privatbe-

sitz, d. h.Institutionen der mittteren und oberen

Schichten, sind Voraussetzunqen fiir die Schaf-f u n g vo n Erh o l,u n gsei n ri chtu n gen, Sporta n [a gen

u. dgt. Sie beschriin ken sich auf die Suburbs.Ganz anders ist die Situation in den ehematigen

sozialistischen LIndern, wo es zu einer Dichotomievon ausgedehnten staattichen Erho[ungsgebietenund umfangreichen privaten Zweitwoh nungsge-

bieten (Datschen) gekommen jst. Diese beidenwichtigen E[emente des Umtandes von Stadtregio-nen fehten in den l,letropotitan Areas der USA.

Abb.3.49 zeigt das staatliche Erho[ungsareaI

von Moskau, dessen Antage mit einem schon 1935

im Stadtentwicktungsptan integrierten Griingiirtetkonzept begonnen hat. Die Erholungszone hatinsgesamt eine Tiefe von 20 bis 40 km und schlielJtumfangreiche Sport- und Kulturzentren ein. Inden meisten griiBeren Stadten der UdSSR ist das

Griin giirtetkonzept in die Stadtentwicktungspla-nung integriert worden. Vor der potitischen Wen-

de waren in Moskau weitere Areale in Ptanung.

Die Transformation in den postsoziatistischen

Staaten wird die bestehenden Unterschiede inder Strukturierung der Stadtrdnder nicht beseib-gen. Alterdings ist auch hierbei eine,,Riickkehrder Geschichte" zu erwarten. Historische sekto-

ra[e Unterschiede in der Attraktivitat des Stadt-randes leben mit der Etabtierung des Boden- und

Immobi[ienmarktes akzentuiert auf. Dies betrifftdie Entwicktung der ausgedehnten Ftichen vonZweitwohnsitzen zu Dauerwohnsitzen ebenso wiedie Privatisierung von dffenttichem Eigentum,

we[che bisher von Staat zu Staat unterschiedti-che Tendenzen aufweist.

10 km

+ Sport- und Ku ltu rzentren

. Unterliinfte,einscht.Sommertager

EE GriiBereWasserflachen

- G renze d es Wa tderho tu ngsg iirtets

m St dtfliichevon Moskau

m wichngsFwaldgebiete

- Bestehende Autoba h nen

- - GeptanteAutobahnen

Abb. 3.49 : WolderhoLu ngs-gAfteLvon I'loskou

ffiffi

1.04

Page 103: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtviertel

Ein Exkurs iiber Begriffe

l' den GroBstiidten verdichtet sich das kultureltetrstentiaI und potenzieren sich die Probteme undr:nfhkte der Gesettschaft. LJnsere groBen Stidte;'-d nicht nur vielfach unwirtlich geworden, son-:ern haben auch die iiberschaubaren Dimensio--:n gesprengt. Diese Aussage gitt nicht nur fi.ir:'e Bewohner, sondern auch flir die potitischen:-Gcheidungstreger. A[s Utopie bteibt freitich::' Wunsch nach einer Riickkehr zum ,,menschli-:-en MaBstab", zu iiberschaubaren,,kleinen"i:2dtreumen bestehen.

-rotz a[[er Einwiinde gegen die Brauchbarkejt::s Konzepts von Viertetn al,s gtiedernde Instru--:nte fiir die gesarlte rdumtiche Organisation, : r gro&en Stiidten hat der Viertetsbegriff setbst::'re Griffigkeit in der a[[tig[ichen Lebenspraxis::ensowenig verloren wie seinen Stetlenwert ats-.-mtiche Grundkategorie in der Stadtptanung

--: Stadtforschung.)er Begriffstammt aus dem territoriaten Ein-

.-::undensein des Individuums in fuBtiiufigel'::anzen und damit verkniipfte Wahrnehmungs-- : izonte. In den europajschen Stadten versucht: -e soziatwissenschafttiche und vo[kskundtiche::'schung mit theoretischen Konstrukten wie. -:'ritoriatitlt",,,Identitet" und,,Heimat",,le-

::-sriium[iche Areate" zu erfassen. Vorausset-:--g fiir deren Existenz ist freiIch das Vorhan-: :- sein kleintei[iger. historisch-topographischer::- Jkturen (ehemati ge Dtirfer, Vororte, Vorsted-:: . eine Dominanz des FuBginqerverkehrs, eine::,risse Immobi[isierung traditionetter (einge-.:ssener) Schichten und das Vorhandensein [o-, -:.:r Kom munikationsorgane und Institutionen

-:'tungen, Vereine bzw. Institutionen, Kirchen

- :gi.) sowie damit letzttich das Entstehen von.i -lkulturen".

l- den amerikanischen Stiidten hat der Markt:: :unktion eines viertetsbildenden Instruments

-:.'nornmen. []ber die Faktoren Bodenpreis,

" ::e und Hauswert erfolgt bei der Neuauf-::-.'eBung von Suburbs eine rigide iikonomi-::-:, soziate, ethnische und letzt[ich demogra-:-'sche Segregation der Bevotkerunq, wobei

Stadtuiertet

derartige Neua ufsch [ieB ung en nur fiir mittlereund obere Schichten der Beviitkerung und nichtfiir die Grundschichten vorgenommen werden.

In den ehemats p[anwirtschaftlich gesteuerten

Stiidten ist das normative Prinzip der Nachbar-schaft in einem hierarchischen 0rdnungsprinzipder Stadtgestattung verwendet worden, we[chessich an den Bediirfnissen der Grundschichten derBevii[kerung orientieren so[[te.

Der Vierte|,sbegriff sensu strido gehtzuriick aufdie Antike und tritt uns erstmats in der iigypti-schen Hieroglyphe fiir ,,Stadt" entgegen (Abb.

3.50). Ein Kreisring umschtieBt ein schregge-stelttes StraBenkreuz und symbo[isiert damit die

Gtiederung der Stadt in vier Tei[e. In den Stedtendes europiiischen Mittelalters wurden Stadtvier-tel ats potitisch-administrative Einheiten verwen-det. Im Fatte von kriegerischen Ereignissen sam-metten sich die wehrfihigen Minner in deneinzetnen Vierteln auf bestimmten Ptiitzen. InWien bestand eine derartige Viertetsei ntei lu ng

bis zur Entfestigung im 19. Jh. Bei diesen po[i-tisch-administrativen Vierte[n hande[t es sich um

ktar begrenzte rdumliche Einheiten, die jedochnicht mit sozialer und iikonomischer Homoge-nitet gteichgesetzt werden kdnnen.

Viertetsbitdungen sind atten Gesettschaften mitKtassenschichtung eigen. Dazu gehdrt die Viertelsbi[dung der rtimischen Antike ebenso wie diedes industrielten Zeitatters, mit Arbeiter, Mittet-und 0berschichtvierte[n. Die sozialen Woh[-fahrtsstaaten haben eine Wohn ktassengesetlschaft nach institutione|,[en Bautrigern undWohnformen in staatsspezifischer Form hervor-gebracht, wiihrend derzeit die Konsumktassenge-

settschaft unterschiedtiche Lebensstile in Berufund Freizeit und damit auch im Wohnumfeld ent-stehen [58t.

Abb. 3.50: HiercgLyphe fAt

"Stadt"

105

Page 104: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtriiume

!lijgtichst 60 -65 ha in offenerBauweise. Aufjeden Fatl miissengeniigend [inwohnerda sein, um eineVoLksschute zu rechtferti gen.UmriBformen im einzetnen nichtwesent[ch; am besten, wenn Kirche,Schute etc. miigtichst zentra L qeteqen.

tad envierteI a uBen inder Nahe derVerkehrsknotenpunkte undmiiq[ichstin Gruppen

+ Zum Gescheftszentrum HauptverkehrsstraBe v€rkehrsknotenpunkt

-ll-1l-ll-

Abb. j.51 : Nochbarschofts-einheitnoch C. J. Perry

Von den tikonomischen Funktionen bestimmteVierte[, wie Bankenviertel. Einkaufsviertel oderHafenvierte|,, sind ebenfalts zu nennen. Die ge-nannten VierteI gehiiren im wesenttichen der ge-schlossenen Verbauung an, d. h., sie besitzen ei-nen StraBen- und Baub[ockbezug.

In der wissenschaftlichen Forschung wird derViertetsbegriff sowohI fiir strukturetle ats auchfiir fun ktionelte Raumeinheiten verwendet. Imerstgenannten Fatt tiiBt sich ein Viertel als einerelativ homogene Einheit definieren, wetche spe-zifische Merkmate besitzt. Diese Merkma[e kiin-nen aus der [ebenswe[t[ichen Erfahrung derStadtbewohner stammen bzw. auf sachwissen-schaft[ich fundierten, theoretischen Zugiingenberuhen. Daraus ergibt sich in weiterer Konse-quenz, daB je nach Sichtweise und Merkmatenunterschiedtiche Viertelsgtiederungen von einund demsetben Stadtraum entstehen kiinnen.Die Ausfiihrungen des Historikers kdnnen z. B.ein ViedeI unter Bezug aufden ehematigen Wohn-

standort bertihmter Menner und Frauen eingren-zen, die des Kunsthistorikers unter Bezug auf diedenkmalgeschiitzten Attbauten. Zum Unterschiedvon diesem strukturett defi nierten Viertetsbegriffjst die zweite Kategorie des Viertetsbegriffs aufMittetpunkte zentrieft. Dazu zahlen u.a. Ge-

scheftsviertel, welche Einzugsbereiche von Be-

nutzern aufl/veisen.

Nun sind derartige Viertel keineswegs stabiteEinheiten. Mit der Anderung der Za h t der vierte[s-bildenden 0bjekte bzw. Beviilkerungsetementek6nnen sich VierteI vergriiBern, aber auch auftii-sen bzw. zerfa[[en. Es ziihttzu den Grundtatsachen

der bisherigen Entwicktung von europiiischenStlidten, daB sich die sozioiikonomischen Veriin-derungen sch netter vottziehen ats der Umbau und

Neubau der physischen Substanz. In einem bau[i-chen Gehduse kommt es daher zur Sukzession von

Beviitkerungsgruppen und Betrieben. In jederneuen Entwicktungsperiode des stiidtischen Ge-

samtsystems erneuert sich daher auch der sozjo-iikonomische Inha[tvon Viefteln. Umfang und Artder Veriinderungen sind dabei abhiingig von dengeseltschafttichen und iikonomischen Prozessen

im gesamtstiidtischen System, a[so externen Ef-

fekten, dje sich in zentrumsnah gelegenen Vier-teln zumeist sehr viet rascher gettend machen als

an der Peripherie einer stiidtischen Siedtung.Tiefin die Stadtgeschichte zuriick reichen eth-

nische Viertetsbitdungen. Hierbei gibt es poti-tisch-institutionet[ geschaffene pri mlre Viertet,zu denen dasjiidische Ghetto gehiirt bzw. dieFernhandelsvierte[. Auf die sekunddre Ghettobit-dung wurde bei der Darstetlung der amerikani-schen Downtown eingegangen. Nach ethnischenund/oder retigiiisen Merkmaten entstandeneViertel in Stiidten waren durch die gesamte

stadtgeschichte hindurch krisenanfiittig und ge-

legenttich Krisenherde. Die Viertelsbildung in Je-rusal,em ist woht noch fiir einige Zeit das besteBeispieI fiir einen internationaten Konftiktherd.

Das normative Konzept der Nachbarschaft

Auf das normative Konzept der Nachbarschaftwurde bereits bei der Darste[lung der Neuen Stadthinqewiesen. Es stammtaus Nordamerika, wo es

im Gemein-

schafuzentrum

- -tttt[tttg

106

Page 105: Die Stadt - Lichtenberger

Postmoderne Megastrukturen

von C. [. Perry in den 20er Jahren des 20. Jh.sentwickett wurde. Es hat seither die privatwirt-schaftliche AufschtieBung der amerikanischenSuburbs tiefgreifend bestimmt. Bedingt durchdie famitienorientierte Gesetlschaftsordnun g

rurde ein Votksschutsprengel a[s Grundlage fiirdie Bemessung der GriiBe der Nachbarschaft ge-ivi h lt. DieVolksschute wurde im Verein mitande-'en Einrichtungen, darunter der Kirche und ei-rem Gemeinschafuhaus, zumeistim Zentrum der\achbarschaft angeordnet. Geschaftszentrenrurden eher an die umgrenzenden Durchfahrts-straBen der Nachbarschaft getegt (Abb. 3.51).

Die Vorstetlungen [.iber die zweckmiiBige6rdBe schwanken in den einzetnen Staaten umeinen Mittetwert von 6000 Einw. zwischen 4000-rnd 12 000 Menschen. Bei der Ubernahme der\achbarschaftsideqin andere geseltschaftspoli-jsche Systeme wurde nicht beachtet, daB auf-

;rund der Finanzierung der Schuten aus derieatitetenbesteuerung das Soziatmi[ieu von:nerikanischen Schuten weit homogener ist ats:rderswo. Eine derartige Nachbarschaft stellt:aher eine [ebendigere territoriate Interessen-

-'rd Kontaktgemeinschaft dar a[s die aus der:-idtebaulichen Retorte stammenden Gegen-::rcke in vielen europeischen Stedten.

Eine hierarchische Zusammenfassung von der-:tigen Nachbarschaftseinheiten war in den Neu-

:- Stadten die Reget. [Jnabhiingig von der Idee:er Neuen Stadt hat das Nachbarschaftskonzept;e ptanmiiBige AufschtieBung von StadtrSndern,:r altem nach dem Zweiten Wettkrieg mitbe-::mmt und auch in die Stadtplanung der soziati-

=schen Liinder Eingang gefunden.

Oabei war die kommunistische Stadtplanung:-'n Unterschied vom Westen sehr wohIimstan-:e. ein hierarchisches Sprengelsystem mit der\?chbarschaftseinheit als unterster Basis Uber

::rze Stiidte zu sti.itpen. Moskau [ieferte hierzu-': ei n er vierstufigen riium[ichen Hierarchie das. :.bi [d fii r andere G ro B stedte. Die oberste Stufe::' P[anungszonen mit 600 000 bis 1 Mio. Einw.

'-'rte iiber zwei Stufen hinunter zur Stufe des

:.:_:enannten Mikrorayons mit 4000 bis 20000i'-w. In diesem Pendantder Nachbarschaftwa-'.- Versorgungszentren freitich nur mehr teil.€'se vorhanden.

Postmoderne Megastrukturenals Kennzeichen der Metropolen

Projekte derstaatlichen und stadtischen Planung

Die Gtobatisierung der 0konomie jst mit dem sehrraschen Wachstum des quartdren Sektors verbun-den. Die Verortung des entstehenden B0robe-darfs ist unterschied[ich getiist worden. Die fran-ziisische Stadtp[anung bietet mit der Schaffungeiner zweiten City unmittetbar an der Grenze derkompakten Kernstadt von Paris ein in der stiidte-bau[ichen Tradition der groBen barocken Sicht-achsen des franziisischen Absolutismus veran-

Abb.3.52: Lo DefenseinPois, LuftbiLd 2000

707

Page 106: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtreume

4{,{o{o

kertes Mode[[. FranzOsische Architekten haben

Paris auch ats die Hauptstadt der,,Repubtik derPharaos" bezeichnet, nicht ganz zu Unrecht.Paris untersteht seit der Zeit des Abso[utismus

direkt dem Innenminister und hat iiberdies di-rekten Zugang zum staattichen Budget. Die na-

tionatstaattiche Doktrin, den Status von Paris als

Kutturmetropole der We[t zu erhalten und auszu-

bauen, haben von de Gau[[e iiber Mitterrand bis

zu Jacques Chirac, dem gegenwirtigen Staats-prasidenten und vorherigen 0berbtirgermeisterder franziisischen Kapitate, a[[e franziisischenPresidenten vertreten.

Die Konzeption der groBen Ost-West-Sichtach-

se, wetche vom Louvre iiber die Champs Etysdes

mit der Fortsetzung nach Versailtes bereits vor-handen war. wurde mit dem Ausbau von La D6-

fense (Abb. 3.52) akzentuiert und gleichzeitig

durch den U-Bahn-Bau auch in das iiffentticheVerkehrssystem integriert. Die Pariser Traditionvon Haussmann wird damit fortgefiihrt, gteich-

zeitig iiber die Stadtgrenze hinausgegriffen und

eine enorme bausozial'e Aufwertung im ehemaLi-

gen Vorortebereich bewirkt. Wenn auch die Ge-

samtangaben Uber die Biiroftdche im AusmaB

von 1,6 Mio. m2 und 100 000 Beschiiftigte sowie

ein Einkaufszentrum von 120 ooo m2 im interna-tiona[en Vergleich beachttich sind (immerhin t+von 20 der fiihrenden franziisischen Firmen be-

sitzen hier ihr Zentratbiiro), so verdient die Kon-

zeption der Beseitigung schlechter Wohnquartie-

re, welche schon vor Haussmann die Pariser

Stadtplanung beherrscht hat, st6rkere Beach-

tung.Die gteiche Kombination von stddtebauticher

Repriisentation und Stumbeseitigung kennzeich-

nete auch die Bahnhofsi.iberbauung von Mont-parnasse, wo mit 209 m der hdchste Bliroturmauf dem Konti nent errichtet wurde, der erst 1990

durch den Messeturm in Frankfurt am Main mit256 m auf den zweiten RangpLatz verwiesen wor-den ist.

Zu den ebenfa[[s internationaI renommiertenGroBprojekten der staatlichen und stiidtischenPtanung gehiirt die Integration der Donau in die

Stadtla ndschaft von Wien (Abb. 3.53). Anders als

in Budapest war Wien in der Gr0nderzeit nicht an

die Donau gerlickt. Die dama[s durchgefiihrte Do-

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GeschlosseneReihenhausverbauungoffeneverbauung

Industriegebiete

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Chaotische Urbanisierung

Erhol.ungsgebiet

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Autobahn

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108

Abb.3.5i: Wien on der Donou

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Page 107: Die Stadt - Lichtenberger

Postmoderne 14egastrulduren

-:JreguIerung separierte durch Bahngteise,:-:ustrieantagen und das sogenannte ,,Uber,:-,vemmungsgebiet" den iisttichen vom west-:-en Stadtraum. Die Einbindung des Donau-

::.iindes in den Stadtkiirper begann mit dem Bau

:.- UN0-City durch den iisterreichischen Staat

- - I wurde von der Stadtgemeinde in der sch ritt-.:'sen Entwicktung eines,,Waterfront Deve[op--:''rt" fortqesetzt, welche sich mit dem GroB-.:'raben der Docktands in London und dem-:'enumbau in Rotterdam vergleichen liiBt.l--ch den Bau eines zweiten Donaubetts, um. --ff ge Flutkatastrophen auszuschlieBen, ent-

= -d eine Insel von 21 km Liinge und einer Brei-.: . on 70 bis 210 m. Durch die Errichtung eines. -:-twerks unterhatb von Wien bi[dete sich ein:: <nr [anger Stausee. Mit dem Ausbau des kol:.:ven Freizeitraums der DonauinseI wurde in---':v eine richtun gsweisende stiidtebau[iche

-:- kreiert und fiir das bipotare Konzept von Ar-::-s- und Freizeitgeseltschaft ein neues P[a----gsleitbi[d gefunden. Demnach gehtiren die.;-:je, 9rline Wiese", Erhotungsftechen undi::*.antagen in einer Zeit der Freizeitgeselt-;:-:1 nicht mehr an den Rand, sondern in die

Mitte der Stadt mit bester Erreichbarkeit flir al,[e

durch den tiffentlichen Verkehr.Dem Konzept.,Wien an die Donau" entspricht

in weiterer Konsequenz die Schaffung einer,,Do-nau-City" mit einem umfungreichen Komplex vonB[iro- und Wohnbauten, wetche in einer Pubtic-private-Partnership errichtet werden und derenKern die UN0-City bitdet (Abb. 3.5a).

Stadtmarketing undPublic-private-Partnership

Die Wachstumsorientierunq der neotiberalen Po-

titikin den 1980erJahren hatin den USA und inGroBbritannien den Wettbewerb zwischen den

Stedten gefiirdert und gleichzeitig Verantwort-[ichkeiten und Interventionen seitens des Staatszuriickgenommen und teitweise neu definiert. ImZentrum dieser wachstumsorientierten Po liti kstehen Strategien zur Herste[[ung eines positiven

,,Business Climate". Dazu qehiiren tiffentliche In-vestitionen in Kuttur- und Freizeiteinrichtun gen

sowie massive direkte und indirekte Subventio-nen fiir Unternehmer. In den USA und in GroB-

Abb. 3.54: Wien, UN1-City

1999

109

Page 108: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtriume

Abb. i.55: London,DockLonds 2001

britannien werden vor attem die Unternehmender Bau- und immobilienwirtschaft bei der Er-

richtung von Biirobauten, Ein kaufszentren, Ho-tets und Wohnungen fiir den gehobenen Bedarfgefdrdert. Es wurde bereits darauf hingewiesen,daB damit neue hatbiiffentliche Agenturen auBerha[b der traditionetten Strukturen der Kommunat-verwattung entstanden sind.

Diese neuen Formen wurden zunachst in den

USA und GroBbritannien angewendet, habensich aber auch in den europaischen GroBstddten

- wenn auch unter anderen institutionetlen undpotitischen Rahmenbedingungen und mit unter-schiedtichen Schwerpunkten - entwicke[t. Auchhier wird akzeptiert, daB groBe Stiidte im Wett-bewerb zueinander stehen und Firmen wie Spit-zenmanagern attraktive Angebote a[s mtigticheStandorte machen mtissen. In Broadgate, Lon-don, wurde zu Beginn der Ptanungen eines Biiro-komplexes eine Umfrage bei potentietlen Mieterndurchfiihrt, wetche zusam menfassend fo[gendeAussage erbrachte: ,, They otlwonted pretty muchthe same prestige high quality headquarters build-ings with vost floor oreas for deoting rooms ondprovision through raised floorc and suspended ceil-ingsfor atlthe cabling andsenzries" (New BuitderBroadgate Supptement, 1.991). Neben der Insta[-tatio nsmiig [ich keit von moderner Kommunikati-onsetektronik ist atso das Prestige der Hauptfak-

tor fiir die Ansiedtung der Zentra[bliros von Un-

ternehmen. Die Gebiiude solten GroBziigigkeit,Einzigartigkeit und Internationatitet vermittetnund von weltbekannten Stararchitekten entwor-fen und gebaut sein. Es besteht die Auffassung,

daB mit internationaler Medienprisenz bei der

Ertiffnung eines derartigen 0bjekts der Bekannt-

heitsgrad einer Stadt erhebtich gesteigert wer-den kann. Architektonisch auffd[[ige Ltisungen,

wie die groBftiichige Uberbauung von Verkehrs-

fliichen, werden daher auch ats Teit des Stadt-marketings angesehen, um sowohI Investoren ats

auch Touristen anzuziehen und die Internationa-titet einer Stadt herauszustetlen. Nicht i m mer istfrei[ich der 0ptimismus gerechtfertigt, daB der-artige GroBprojekte sich zu Kristaltisationsker-nen f(ir die Aufi^,ertung ganzer Stadtteile ent-wickeln k6nnen.

Zu den GroBprojekten dieser Art zahlt die Revi-

tatisierung der Hafenstandorte in GroBbritanni-en. Hierbei ist es z. T. zu spektakuleren Umbau-ten gekommen. Die Entwicklung begann in den

1980er Jahren unter der Thatcher-RegieIung,welche in kommunale Entscheidungsprozesse

eingriff und die Wettbewerbsorientierung derKommunatpolitik gefiirdert hat. Ahntich wie jn

Paris bei La Defense war auch in London nationa-les Prestige im Spie[, als man die abgewirtschaf-teten Londoner Docktands v6[[ig umzugestaltenbegann (Abb.3.55). Atterdings war der Staatnicht im gteichen Umfang a[s Finanzier beteitigt.Investitionsorientiert waren die Unternehmun-gen aber auch hier, ebenso wie in Liverpool,Manchester, Newcastle und Cardiff. Doch die An-nahme der 1980erJahre, daB sich die Betebung

der Immobi[ienmiirkte, konkret der Anstieg der

Grundstiickspreise, positiv auf andere Wirt-schaftsbereiche auswirken wiirde, hat sich kei-

neswegs iibera[[ ats richtig herausgeste[[t. Das

Probtem der,,Be[ebun9" der revitalisierten Ha-

fenzonen konnte nur in Hu[[ durch einen privaten

Yachthafen get6st werden. In Southampton er-folgte - initiiert durch die iirttiche Universitat -der Ausbau des Hafengebietes zu einem ozeano-graphischen und schiffahrtstechnischen For-

schungsstandort. In Swansea wurde ein Mari-

time-Quarter ats touristisches Ausftugszie[ ge-

schaffen.

110

Page 109: Die Stadt - Lichtenberger

Postmoderne I'l ega stru ktu re n

Ertebnisstedte

EurodisneyDie franziisische Hauptstadt hat nicht nur ats er-ste Stadtin Europa eine echte zweite City bekom-nen, sondern erhielt - ebenso von der Regierunggefiirdert - die Erteb nisstadt ,,Eu rodisn ey" ats ei-ren BestandteiI der Agg[omeration. 1987 akzep-ierte die soziaHstische Regierung das Projekt,1988 unterzeichnete Jacques Chirac den Vertragrit der Disney Company. Die erste Er|,ebnisstadtauf dem Kontinent entstand in Marne [a Va[[6e imSiidosten von Paris. Der franziisische Staat er--offte sich von der Unterzeichnung des Projekts)isneytand eine Rettung des schon fast geschei-:erten Regionatptanunqskonzepts fiir Marne l,a

,atl6e, der vierten Trabantenstadtim Raum von,a ris. Sie war im Boom des Spiitgaultismus in ei--er Entfernung von 30 km von der Hauptstadt er--chtet worden. Die Stadt verfiigte damals bei',nd 200 000 Einw. iiber nur 62 500 Arbeitsp[et-:e, so daB ein beachtlicher Teitder Einwohner-ach Paris pendetn muBte.

Der Vertrag mit der Disney Company war mehr:s ein schtichter Pub[ic-private-Partnership-Deat.ler franziisische Staat libernahm fiir 40% des('ediWo[umens die Ausfattshaft ung, verliin gerte:'e S-Bahn und die Autobahn a[s Verbindung mit::m TGV und dem F[ughafen und schuf damit die--iastrukturetten Voraussetzungen fiir die Errich-:-rg von Eurodisney. AuBerordentliche Bauge--:hmigungen wurden gewiihrt und in einem Son-::rgesetz der Mehrwertsteuersatz von 18,6 auf-', ermiiBigt. Ats Gegenleistung erhoffte sich der::at rund 12 000 neue Arbeitsptetze und eine Er--:rung des Steuereinkommens der Region.

Dieser von der Watt Disney Company gebaute

,-'5Bte Vergniigungspark von Europa umfaBte im:-jten Bauabschnitt 1.992 einen Komplex von: -hs groBen Hotels mit insgesamt 5200 Betten:-' einem Geliinde von 600ha mit weiteren

-: I ha fiir ParkpHtze. In der zweiten Bauphase.-rden ein Einkaufszentrum mit 22000m2, eini -'okompl.ex mit 30 000 m2 und Gewerbefliichen-': 57 OO0 m2, ferner 570 Einfa mitien hd user und:-- GotfpLatz errichtet. In der Projektion des

:'indungskonzepts hatte man eine Frequenz.:-jiihrtich 10 bis 12 Mio. Besuchern, darunter

die Hiitfte Franzosen, 40 7o andere Europaer so-wie 10% aus aL[er Wett erwartet. Diese Erwar-tungshaltung hat sich nicht gleich am Anfang,jedoch nach knapp einem Jahrzehnt realisiert.Zum Jahresbeginn 2001 wurde der einhundert-mit[ionste Besucher begriiBt.

Entsprechend ihrer Corporate Identity bietendie Erlebnisparks von Walt Disney iiberat[ in derWett dasse[be Muster von thematischen Attrak-tionen, die sie aus der Comics- und Kinoprodukti-on des Begrlinders schiipfen. Das Magic Kingdommit Achterbahnen, De[phinarien, Miirchenschlds-sern und Planetarien sowie mit Popcorn-, Zucker-watte- und Hamburgerverkaufsstenden wurdedirekt aus Ftorida importiert. Auch die Hotelssind TeiI einer wohtdurchdachten Inszenierung.Eurodisneyland ist eine miichtige, wirtschaftticheund massen ku lturelte Freizeitindustrie, die nichtmit anderen bereits vorhandenen Freizeitparksvergteichbar ist. Ihre Manager verfiigen iiber 35

Jahre an Erfahrung. Jedes Jahr werden von Wa[tDisney Imagineering Zerstreuungsautomatenund neue techno[ogische Spiete erfunden.Wiihrend der Ausbau von Eurodisneytand nach

P[an voranschreitet, stagnieren die anderen Frei-zeitparks Europas. In Frankreich sind es beson-dersjene, die sich von nationaten Comic- und Li-teraturfiguren inspirieren [assen, da sie mitvieIzu wenig KapitaI ausgestattet sind. Andererseitswird Eurodisney mit Gesamtinvestitionen vonrund 10 Mrd. EUR0 ausgebaut.

Die Architektur der -Event City"A[s gelungene Beispiele der Wiederbelebung derStedte werden die sogenannten Event Cities ge-

feiert, Erlebniswelten fiir Spektake[, Vergniigen,Konsum und Unterhattung. Shopping Matts, The-

menparks und Vergniigungszentren, Unterhat-tung und Event in einem sind zu neuen Marken-zeichen der Metropoten geworden.

Der,,Papst" der Event Cjties und Architekt des

U niversat City Watk ist Jan Jerde, ein GroBunter-nehmer auf dem Sektor der Shopping Cities, dem

etwa 80 Mio. m2 Ftache gehiiren. Erist iiberzeugtdavon, daB eine angenehme Atmosphare derSch ltissel zum Erfo[g eines Einkaufszentrums ist.,,Shopping is a communal oc(' (Holznet L996,

777

Page 110: Die Stadt - Lichtenberger

Stadtre ume

Abb. 3. 5 6: U niversol CityWqk, Los AngeLes 2001

S. 87). In der An [age seiner Shopping-Centers ister vor atlem am Raum zwischen den Objekten in-teressiert. H'ierbei hat er sich am fr0heren Disney

Art DirectorJohn DeCuir orientiert, dessen spek-taku[iirster Erfo[g das iiuBere Design der 0tympi-schen Spiele 1984 in Los Angeles gewesen ist(mit Fahnen, Zettptanen, Lichteffekten, Symbo-tik, kurz: ,,die We[t ats Ptakatwand").

Im Zeitraum von 1977 bis 1998 wurden vonseinem lJnternehmen 24 derartige Event Centerin den USA gebaut, 19 in Asien (in Japan, Si.id-

korea, Taiwan, Indonesien, Peking und Kuwait),vier in Fran kreich undje eines in GroBbritannienund in den Niedertanden.

Seiner eigenen Aussage gemaB versucht Jerdeder Veriinderung von Stadt und Architektur in derErlebnisgesellschaft Rechnung zu tragen. Er setztdabei stidtebautiche Mittel ein und versucht. derEntfremdung des Menschen in der Stadt entge-genzuwirken und eine neue Form des tiffentfi-chen Raumes zu gestalten. Quasi in Riickbesin-nung auf klassische Formen der Urbanit5t setzt

er sich ,,gegen innerstiidtische Wiisten ein, die

von suburbanen Wucherungen" umgeben sind.Statt einer Architektur der Funktion entstehteine Architektur des Vergntigens.

Fiir die 0lympischen Winterspiele in Salt Lake

City 2002 wird das verfatlene Stadtgebiet um den

ungenutzten Bahnhof im Rahmen einer ArtStadterneuerung in Form einer lvlischung von Un-

terhaltungseinrichtun gen und Einzethandetsge-

schdften wiederbelebt werden.

Ats Beispiet fiir Jerdes Konzept sei der [Jniver-

saI City Watk, eine Ftaniermeil'e auf dem Getdnde

der ehematigen Universal-Studios, im Norden

von Hotlywood in Los Angetes, kurz vorgestettt(Abb.3.56).

Der llniversal City Watk ist ein 500 m langerBoulevard, der verstreute Tei[e des UniversalFitmstudiokomplexes verbindet. Die Quintessenzvon Los Angeles' architektonischem F[airwurdebei der Gestaltung verwendet. Sie umfaBt Ge-

schefte, Restaurants, Bars, Nachtklubs, Theater,

Biiros. Konferenzreume und Hotels in interessan-

ter Abfotge und bietet eine stimu[ierende Atmo-sphire fiir den da hi nsch [endern den FuBgenger.

Es ist ein Ptatz, um zu arbeiten, zu lernen und

sich zu unterhalten - ein ,,urban vittage".Ganz diesem neuen Trend der ,,ktinstlichen Pa-

radiese" fotgen auch die Betreiber des Europa-

viertets in Frankfurt am Main. Unter dem Slogan

.,Innerstiidtisches Wohnen mit hohen quatitati-ven Anspriichen" werben sie fiir das umstritteneProjekt.

An dieser Stelle sei innegehalten und mit ei-nem historischen Verweis abgeschlossen. Er

blendet zuriick zur griechischen Polis und erin-nert daran, daB jn deren Amphitheater die ge-

samte Beviilkerung der Stadt dem SchauspieI aufder Biihne zusehen konnte.

772

Page 111: Die Stadt - Lichtenberger

Technologiendes Bauens und des Verkehrs

Uberblick

Drei Sektoren dertechnologischen Entwicktungsind fiir die Stadtvon besonderer Bedeutung: dieTechnologie des Bauens, die Entwicklung dertechnischen Infrastruldur (auch ats unterirdi-scher Stlidtebau bezeichnet) und die Technotogiedes Verkehrs. Diese Technotogien sind in den ge-nere[[en technischen Fortsch ritt ein gebunden.Ihre Entwicktun gsstufen sind jedoch nicht gleich-gescha[tet. Es gehiirt vielmehr zum Charakteristi-kum der Stadtentwicktung, daB in bestimmtenzeittichen Abschnitten jewei [s bestimmte Tech-

'rologien beherrschend aufgetreten sind. Dabeisaren der Einsatz der Technotogien und ihreKoppetung stets von gesettschaftspotitischenZietsetzungen abhiingig.

Ein Zeitschema bitdet das Auftreten neuerTechnotogien in den genannten Sektoren abt.Abb.4.22).

Der technische Fortschritt begann in der Griin-lerzeit mit der Einrichtung von PferdestraBen-:ahnen, wetche sich in den 50er Jahren des19. J h.s in den USA und in den groBen europii-schen Stedten ausbreiteten (1850 New York,1854 Paris). In den spiiten 80er Jahren desi9. Jh.s fotgten die etektrischen StraBenbahnen.Sie waren um L890 schon in iiber 50 nordameri-<rnischen Stedten in Betrieb. Wenig spiiter, 1895,,rurde in Boston die erste Untergrundbahn ertiff--et. lJ m die Jahrhundertwende folgte eine Reihe:nderer SHdte jn Nordamerika und in Europa:iesem Beispiet.

Die GroBteistung der Griinderzeit warjedoch:er unterirdische Stlidtebau und damit die soge--an nte Assanierung der alten GroBstedte, vor a[--em jn der Mitte und im Westen Europas. Sosehr-an heute unter sozialpolitischen Gesichtspunk-:en geneigt ist, diese Epoche im Hinb[ick aufihre, ers;umnisse im Wohnungsbau zu kritisieren, so

-rehr muB man doch andererseits ihre G[anzlei--ungen im unterirdischen Stadtebau bewun-:ern. Erst im letzten Drittel des 20. Jh.s, nach

=st 100 Jahren, war in den griinderzeittichen

Technotogien des Bauens und des Verkehrs

Stadtgebieten eine Erneuerung der damats ein-gebrachten unterirdischen Netze erfordertich.

Zum Unterschied von den Fortschritten der Bau-

und Verkehrstechnologie hat die technische In-frastruktur der Versorgung und Entsorgung derStidte bisher keinen echten Fortschritt erfahren.Nach wie vor sind Leitungsnetze erfordertich,auch wenn in den letzten Jahrzehnten die Kapa-zitiiten der Antagen (2. B. Fernheizwerke, K[iran-[agen u. dgt.) ganz wesentlich erhiiht wurden.Der unterirdische Stedtebau ist damit technoto-gisch gegen0ber seinen beiden Partnern, demoberirdischen Stiidtebau und den Verkeh rsleit-systemen, retativ zurtickgebtieben und seine Er-neuerung wird i.iberdies zunehmend kostenauf-wendiger.

Die geringe Kapazitdt von traditionetlen Lei-tungssystemen stetlt einen wesenttichen Faktorfiir die hohen Kosten einer durchgreifendenStadterneuerung dar, da nicht nur ein Austauschder lokalen Netze, sondern die Neuanlage vonVerbindungen h0herer 0rdnung zu Vorfluternu. dgt. erforderlich ist.

Hinsichttich der Technotogie des Bauens zeich-net sich in der Gegenwart eine Zweitei[ung ab.Auf der einen Seite hat die Stah tbetonbauweise(in Form von Montage- oder Fertigteilbauweise)die Wohnantagen und den Wohnhochhausbau er-obed, auf der anderen Seite ist es aber zu einerStandardisierung der Einfamitienhduser in Form

Bauen Verkehr

. ziegetbauweise 0ffentticherhrunoerzert erste Hochbauten verkehr1880

Zwischen-kriegszeit

Nach-kriegszeit

StahtbauweiseCBD, USAEtektr. Auftiiqe

bauweise

Holzfertig-teilbauweise

Ab b - 4 - 2 2 : Entwi ckfu n g s-

sch e n o vo n fech n ologi e n

TechnischeInfrastru ktu r

Glanzzeit unter-irdischen Stidte-baus

Liniennetze:(analisationLicht, Gas, Wasser

Pturde-straBenbahnStra fl en bah n

StadtbahnU-Bahn

BusEt€ktrifizierungderStraBenbahnPt(w

I

lilontagebauweise InnersUidtischeGlas-Atuminium- AutobahnKonstruktion I Eernwarme

741

Page 112: Die Stadt - Lichtenberger

Determinanten und Leitbi[der

Ahh. 4.23: SubuhoneE ntwi c kLu n g 0o kLo n d B oy,

Kolifornien 1980

von Fertigheusern gekommen. Auch hierfiir hatNordamerika das Vorbi[d abgegeben.

Diese Zweiteitung in Montagehochhaus und(Hotz-)Fertighaus entspricht auch den beidenderzeit zur Anwendung kommenden stedtischenVerkehrstechno[ogien: den Massenverkehrsmit-

teln auf der einen Seite und dem Individuatver-kehr auf der anderen.

Es gehtirt zu den faszinierenden Tatsachen desgegenwiirtigen Stadtewesens, daB sich zweiStaaten, die nur diinn besiedett sind und in de-nen der Boden keine knappe Ressource darstet[t,ndmlich die IJSA und RuB[and, aufgrund der bisvor kurzem unterschiedlichen politischen Ideoto-gien fiir die Extremttisungen entschieden haben:

einerseits f0r das Primat des Pkws und des Einfa-mi [ien hauses und andererseits fiir das Primat derMassenverkeh rsmitte I und des Montagehoch-baus. In Europa versucht man hinsichttich derTechnotogie des Bauens und des Verkehrs, eben-so wie in anderen Bereichen, einen mittlerenWeg zu gehen.

Aufgrund des Gesagten zeichnen sich auch

ganz generell die Artefa kte vorindustrietter Tech-

notogien ab, wje sie vor attem ktejnere Stlidtekennzeichnen, nemlich erstens die Ziege[- und

Steinbauweise, vor allem in den Einfami[ienhaus-gebieten Europas. und zweitens der FuBgenger-

verkehr. Auch hier geht die Tendenz dahin, den

FuBgiinger in ,,Reservate" zu verweisen, und zwar

in die FuBglngerzonen der Innenstadt, auf die

FuB gIn gerwege europiiischer Stadtrandsiedlun-gen und in die Shopping-Center amerikanischerSuburbs und damit in einen hatbOffentticherRaum. In jiingeren amerikanischen Suburbs istder fuBliiufige Verkeh r so ,,aus der Mode gekom-

men", daB man die Gehsteige abgeschafft hat.

StandardisiertePolarisierung der Bautechnologie

Wohn- und Monumentatbau unterscheiden sicl^

in Vergangenheit und Gegenwart nicht nur hin-

L42

Page 113: Die Stadt - Lichtenberger

Technotogien des Bauens und des Verkehrs

sichtlich der Gesamtarchitektur, sondern auch inbezug aufdie verwendeten Materiatien. Die Inno-vation zukunftsweisender Materia[ien erfotgtestets beim Monumentalbau. Die Backsteingotikvon Kirchen und Rathiiusern Nordwesteuropasentstand zu einer Zeit, ats die l4asse der Wohn-bauten in diesem Raum noch der iilteren Traditi-on des Fachwerkbaus verhaftet war. In der Zeitder mittetalterlichen Blirgerstadt und der ba-rocken Stadt des absolutistischen Landesflirsten-iums wurden in erster Linie [okate Baumateria[i-en (Fachwerk, [okate Steine) verwendet, welche,'m Verein mit lokalen Bauweisen, zum besonde-'en Reiz des aus dieser Periode erhaltenen Bau-restands beitragen.

Erst in der Grlinderzeit getang es der Ziegelin-lustrie, das Bauen mit lokalen Materiatien zu;erdrlingen, vor a[[em dort, wo sich das Miets--aus durchsetzen konnte. Nur in Siideuropa, ei--em Raum mit einer alten Steinbautradition,.terden beim Einfamitienhausbau bis in die Ge-

;enwart [okate Steine verwendet.Die in der Grlinderzeit auf der Basis von Ziege[-

^erken entstandenen Kapitatgese[schaften bit-:eten ihrerseits wieder ein verziigerndes Element

;egeniiber der Einftihrun g der Betonferti gteit-:auweise in der Nachkriegszeit.

Anders war die Situation in Nordamerika. Vor:-[em in den Nordstaaten beherrschte die Ho[z-:auweise die gesamte ettere Stadtentwick[ung.:s wurde bereits darauf hingewiesen, dall die:rerikanische Downtown im 19. Jh. ats Holz--ausstadt begonnen hat.

\ur auBerst kurz war die Phase der Ziege[indu-rie. Diese wurde bereits nach einer Generation,:n der Stah lbeton bauweise abgeliist. Zusam-

-engedrangt auf ein halbes Jahrhundert hat\ :rdamerika eine erstaun[iche Hochhausentwick-

-19 in den Downtown Areas erlebt. Wiihrend sich:e ersten Hochbauten Mitte der 80er Jahre des:!. Jh.s aufder Basis hyd ra u [ischer Aufz0ge noch

:rer gemischten Staht- und Ziegelbauweise be-:enten, setzte in den 90er Jahren, nach Einfiih---rg der etektrischen Aufziige (1887), bereits die5:htbetonbauweise ein. Schon 1913 erreichte in\--,r York das Woolworth-Gebeude 60 Geschosse.

]ie Hotzbauweise btieb atlerdings dem Einfa--'.ienhaus erhalten. Die Anfdnge der Massen-

produktion von Einfamilienhiiusern in den USA

reichen weit zuriick. Sie beruhen auf den soge-nannten Baltonrahmenhiusern, deren leichteHohrahmenkonstruktion auf die Mitte des 19. Jh.szuriickgeht. Schon gegen Ende dieses Jahrhun-derts konnten bei Sears Hiiuser mit Preisen zwi-schen 2000 und 2500 US-$ gekauft werden. Das

vorgeschnittene MateriaI kam in Eisenbahn-waggons und wurde mit Wagen und Pferd zu den

einze[nen Hausstandorten gebracht. Die BoxenumfaBten alte Teile des Rahmens, bereits ent-sprechend bearbeitet und numeriert. Schrankeu. dgt. waren bereits ats Einbauten vorgesehen.Nur das Fundament, der Kamin und die StukkaturmuBten am ort der Errichtung erzeugt werden.Schon 1900 konnte das Versandhaus Sears in ei-ner Werbung feststel'[en, daB man in den bereitsgebauten Hausern eine Stadt mit ca. 25 000 Per-

sonen unterbringen kiinnte. Zwischen 1900 undL937 verkaufte Sears auf diese Weise L00 000Hiiuser.

Der eigenttiche Boom des Fertighauses begannunmittetbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Un-

Abb. 4.24: Holzfeftigboueines Ei nfani Lien houses,

usA 1988

743

Page 114: Die Stadt - Lichtenberger

Determinanten und Leitbitder

:k\

Abb. 4.25 : Sozioler Woh-

nungsbau in Kotowice 1999ternehmer Levitt, Eichler und Henri J. Kaiser or-ganisierten den Hausbau im groBen MaBstabund erzeugten standardisierte Hiiuser, wetchemit den traditionetlen, vor 0rt gebauten Heusernnahezu identisch waren. Die Veteranen, die aus

dem Zweiten Wettkrieg zuriickkamen, erwartetena[s Dank fiir ihren Einsatz ein eigenes Haus. Miteinem entsprechenden Kredit ausgestattet,kon nten sie i hre Triiume i n kurzer Zeit verwirkti-chen. Es war genug bitliges Land in der Weite desRaumes vorhanden. Die Hiuser wurden mit Last-wagen zu den Standorten hin transportiert undin Reihen aufgeste[[t, dhntich den Montagehattender Autoindustrie. Die groBen Bauunternehmenkonnten L50 Hiiuser pro Woche aufstelten unddie Kiiuferzwischen mehreren Mode[en wihten.1947 entstand Levitt-Town als erster Fertighaus-Suburb. Er umfaBte insgesamt 6000 Hiuser mitviereinhatb Zimmern, welche rund 12 % ihrerje-weils 60 x 100 FuB groBen Grundstiicke besetz-ten (Abb. 4.23 und 4.24).

Sehr rasch fotgten weitere Suburbs. Heute be-deutet der Hausbau das Zusammensetzen vonstandardisierten Teilen sehr unterschiedticherGestalt. Die Zusammensetzung der einzetnen Tei-[e erfotgt nach wie vor auf der Baustelte.

Im Unterschied dazu werden seit den 1970erJahren Wohnwagen anatog wie Autos erzeugtund ebenso finanziert. Ihre Produktion bean-

sprucht nur drei Tage, und sie kommen bereitsfertig miibtiert und ausgestattet vom Band und

werden in den meisten Fiilten nur einmal zu

ihrem ersten Standort hinbewegt. Wohnwagen-parks kiinnen aufgrund der symbotischen Formen

ihrer Umwett, d. h. umgeben von Terrassen, Gar-

tenanlagen u. dg[.. nicht von norma[en Suburbs

unterschieden werden. Die Industrie bezeichnetden Wohnwagen daher auch als ,,industriettesHaus".

Wenden wir uns Europa zu. Die Unterschiede

sind gravierend. Der erste wesentliche Unter-schied besteht darin, daB eine derartig friiheEntwicklung der Bauindustrie wie in Amerikafehtt. Aus Griinden, die schwer zu fassen sind,btieb das Baugewerbe (vergteichbar der Land-

wirtschaft ) [ange vorindustrietlen Strukturenverhaftet, nicht zuletzt info[ge des Nachwirkens

ziinftischer 0rganisationsformen. Erst auf dem

Wege iiber die groBen technischen Infrastruhur-leistungen, vor altem des unterirdischen Stadte-

baus, und die umfangreichen Regutierungsarbei-ten (2. B. die Donauregutierung bei Wien, die mitden Maschinen, die auch beim Suezkanalbau zum

Einsatz kamen und mit rund 50 000 Arbeitern von

1870 bis 1873 bewerksteltigt wurde) entstandenin den GroBstedten um die Jahrhundertwendegleichfalts groBe Bauunternehmen.

In der Nach kriegszeit ist den Kommunatbehiir-den bzw. Genossenschaften ats GroBauftraggeberdie Ro[[e von Innovatoren zugefatlen, indem sie

aus Kostengriinden beim sozialen (genossen-

schafttichen) Wohnungsbau die Fertigteitbau-weise einfiihrten und damjt einem Beispie[fotq-ten, das sozialistische Lander schon frliher ge-

boten haben. Die Einfiihrung der Betonplatten-bauweise und die sukzessive Verdriingung des

Ziegelbaus bei der Errichtung von groBen Wohn-

an[agen hatten weitere Konsequenzen. Montage-

bauweise und KranstraBe erfordern GroBbaustellen und bewirken derart eine VergrOBerung derAufsch[ieBungseinheiten. In Westeuropa hatFrankreich mit den ,.grands ensembtes" zweifet-

los die mitAbstand griiBten Wohnbtiicke erstettt,die als,,Sarcetlites" Engst erstran gige soziateKonffiktherde darstelten, um deren Sanierung

sich eine massive ,,Sozia ltherapie" bemiiht.Die GroBbautechnotogie, beruhend auf GroB-

144

Page 115: Die Stadt - Lichtenberger

Technotogien des Bauens und des Verkehrs

baukombinaten, Plattenbauweise und GroB-wohnanlagen, bestimmte den Baustitin den ehe-maligen sozialistischen Staaten. Von oben nach

unten durchstrukturierte, mehrstufi ge territoria-Le Einheiten prdgten die ftdchenhafte Stadter-weiterung unter dem EinftuB der ehemaligenUdSSR. Der Mikrorayon mit rund 1500 Wohnein-heiten bildete die unterste Einheit, wetche iibereine mittlere Ebene zu GroBeinheiten von100 000 Einw. zusammengefaBt worden ist. Das

Prager Beispiel spiegett am deutlichsten von at-len ehematigen Hauptstedten des Comecon dieLeittinien der Stadtgestaltung mit weitreumi gen

Eingemeindungen, U-Bahn-Bau und der Errich-tung von,,Neuen Stedten" in Form von hierar-chisch organisierten GroBwohnsiedtungen wider(Abb.4.26).

0riginelte Liisungen von Kubatur und Fassaden

sind trotz sparsamster Ausfiihrung zu finden

lAbb.4.25).Die beiden industrietten GroBfertigungen, die

H olzferti ghausindustrie und die Betonplatten-:auweise der GroBwohnantagen, verdriingen tra-litionetle Bauformen aus der Neubautatigkeit.Derart sind z. B. mehrgeschossige Bauten in Nord-

amerika aus der Pa[ette der Neubauformen weit-gehend verschwunden.

Ebenso ist einsichtig, daB sich die anfangsJurch GroBbautriiger gestiitzten Fertigtei[indu-;trien nunmehr ats eigenstiindige Bauinitiatorenentwicke[n, die ihrerseits ihre Promotoren unterDruck setzen kiinnen und einen GroB(wohn)-: a u stiI fo rtsch rei b en, den der,,Btirger" setbst, zu-nindestin Mitte[europa, nicht mehr haben wi[[.

Fassen wjr zusammen: Insgesamt sind es der-zeit drei Produkte der Bauindustrie, wetche die:ntwicktung der groBen Aggtomerationen be-:tjmmen, wobei deren Bedeutung in Zukunft noch,reiter zunehmen wird:. der monumentate Hochhausbau des tertiiren

und quarteren Sektors (fiir Bliros, Kranken-hduser, Konferenzzentren u. dgt. bzw. fiirWohn- und Wi rtschaftsn utzu ng ). der zumeistats individuette architektonische Liisung kon-zipiert ist. Architektenwettbewerbe sind hier-bei die Regel. Sein Standort ist keineswegsausschtieBtich die City, vietmehr entstehenCityausleger an Verkehrsknoten des Massen-

I [rr

@ Hi.torir.h" st.dt

""""" Einqemeindunq 1901

aoo

ffi st"dg"ri"tn"ch der Eingemeindung 19zz

GroBwohnanlagenzaht derWohnunqen

---- Einqemeindunq1968

-

Eingemeindung 1974

-@- u-aahn-Linien

verkehrs bzw. der Autobahnen im Randbereich

von Aggtomerationen, in den USAin den Edge-

Cities;r der Montagewohn(hoch)bau in standardisier-

ter Ausfi.ihrung undr die standardisierte Vietfatt des Fertighauses

ats Einfamitien haus.

Wie das nordamerikanische Beispiel zeigt, sinda[s Konsumgiiter bewertete H o tzfe rtig h ii us e r,entsprechend dem technischen Fortschritt, ei-nem sehr raschen Wertverfa[[ ausgesetzt (Zunah-me der ZahIder Badezimmer, der Schtafriiume,der GaragenplStze usw.). Packard (1971) konntedaher in seinem Buch ,,The Wastemakers" die Zu-kunftsvision einer Stadt entwicketn, die jedes

Jahr von ihrer Bevtilkerung verlassen und danndem Erdboden gteichgemacht wird, um die anfu[-lenden Reinigungs- und Reparaturarbeiten zu

vermeiden.

1001bis 3000

3001bis 5000

5001 bis 7000

7001und mehr

Abb- 4.26: Eingeneindun-g en, N e u bo u sto n dotte u n dU-Bohn-Linien in Prog 1991

1,45

Page 116: Die Stadt - Lichtenberger

Determinanten und Leitbitder

Mjttlerer Halbmesser des Stadtgebietes Etektrische Vorortebahn :Halbmesser der 30-Minuten-Zone

1800 14 68 96 1902 1926 Jahr

Abb. 4.27: Das Wochstum der StodLfl.iiche in Abhiingigkeitvom iiffentlichen Personen-

nohverkohr

0ffentticher Verkehr versus Individualverkehr

Die ZusammenhSnge zwischen den Fortschrittender Verkehrstechnologie und der Stadtentwick-[ung sind iullerst vietschichtig, die rlumlichenAuswirkungen dagegen unmitteLbar einsichtigera[s bei den Fortschritten der Bautechnotogie.Imfolgenden kiinnen nur einige wichtige Aspekte

herausgegriffen werden.

Aufgrund der oben skizzierten Abfotge der Ein-

fiihrung immer rascherer innerstddtischer Mas-

senverkehrsmittel ergab sich ganz a[[gemein

eine Ver;nderung des Bewegungsraums der stdd-tischen Bev0tkerung. Anhand des Bertiner Bei-

spiels sei diese Wechselwirkung zwischen dem

Wachstum der Stadtftiiche und dem Ausbau derinnerstddtischen MassenverkehrsmitteI skizziert(Abb.4.27), Hierbei wurde als Gradmesser flirdie Reichweite eine auf das Stadtzentrum bezo-gene 30-Minuten-Isochrone gewehtt. Betrug inder Zeit des FuBglngerverkehrs der in diesem

Zeitraum zu durchmessende Radius rund 2,5 Ki-

lometer, so erhiihte er sich durch die Einfiihrungeines regetmiiBigen Droschkenverkehrs (1814)bereits auf 4km. Die Einrichtung von Pferde-

straBenbahnen und 0mnibussen (1868) erwei-

terte ihn auf knapp 5 km, Mit der Hochgriinder-zeitwar bereits eine potentie[[e Ausdehnung der

Stadtfleche auf das knapp Sechsfache des FUB-

gangerzeitalters erfo[gt. Eine sprunghafte Erwei-

terung des Verkehrseinzugsbereichs brachte um

die Jahrhundertwende die Anlage von elektri-schen StraBenbahnen (1896) und innerstadti-schen Schnetlbahnen (1902). Letztere bedienten

bereits ein Stadtgebiet mit einem Durchmesser

von rund 25 km. Dieser Durchmesser verg 16Berte

sich mit der Erbauung der elektrischen Vororte-bahn (1926) auf40 km.

Mit den genannten Verkehrsmitteln sind unter-schiedtiche Standortm uster von Funktionen ver-

bunden. Die Linien von StraBenbahnen und Auto-

bussen haben im dichtverbauten Gebiet aufgrund

des geringen Hattesteltenabstandes zur Entwick-

[ung eines [inienfiirmigen Musters des Geschiifu-

[ebens beigetragen. Die,,ribbon developmenf in

den amerikanischen Stiidten fotgte dem gteichen

Prinzip wie die GeschefustraBen in den europai-schen Stadten. Aufgrund der Bedeutung von Bahn-

1700

746

Abb. 4-28: Moskou, U-Bohn-Netz

Page 117: Die Stadt - Lichtenberger

Technologien des Bauens und des Verkehrs

hiifen ftir den innerstidtischen Que[[- und Ziet-verkeh r entwickelte sich die BahnhofsstraBe hiu-fiq zur fiihrenden GeschiiftsstraBe einer Stadt.

Infotge der drastischen Reduzierung des Bahn-verkehrs in den USA sind die Bahnhiife und mit ih-nen die BahnhofsstraBen seit den spaten 1960erJahren vielfach veriidet. A[s Gegenbeispiel seiJapan angeftihrt, wo bei enorm steigendem Per-

sonenverkehr Bahnstationen und Gescheftszen-tren als integrierte Einheiten geschaffen wurden(Schiitter 1976). Diesem BeispieIistinzwischendie 5chweiz gefo[gt.

0ie Abhiingigkeit der Stadtmitte im Hinblickauf die Zugingtichkeit wurde bereits dargestetlt(vgt. Abb. 3.3) und darauf verwiesen, daB dasPrimat der 6ffentlichen VerkehrsmitteI nur so [an-ge gewahrt bteibt, als das Stadtzentrum den ortder besten Zugiingtjchkeit im Stadtraum dar-ste[[t. Mit dem Pkw-Verkehr sinkt hingegen auf-grund der Stauungen und Parkptatzschwierigkei-ten die Erreichbarkeit der Stadtmitte und ebensoder inneren Stadtteite im Vergteich zur Peripherie.

Oas Primat der iiffentlichen Verkehrsmittel wur-de in den ehema[s soziatistischen Staaten zurPtanungsdoktrin erhoben und dementsprechendder iiffentUche Verkehr, insbesondere der U-Bahn-Bau, forciert.

Die Moskauer U-Bahn ist heute mit 8,9 Mio.Passagieren pro Tag und 3 Bitlionen im Jahr dieam sterksten frequentierte U-Bahn der We[t. IhreKonstruktion begann 1932 mit eleganten undiveitreumigen Stationen. Sie gatt ats Kunstwerkund gteichzeitig ats nationales Symbol. Die Mos-<auer U-Bahn ist 269 km lang und hat 160 Sta-tionen (Abb, 4.28). Die Ziige sind identisch mitjenen in anderen zur ehemaligen UdSSR bzw.einst zum Comecon gehtirenden Mi[[ionenstiid-:en. so z. B. in 5t. Petersburg, Nowqorod, Minsk,Kiew, Charkow und setbstin Budapest und Prag.

Im Unterschied zu Europa, wo atle Mitlionen-stiidte [iber U-Bahnen verfiigen, war der Bau vonU-Bahnen in den USA in der 2. Hatfte des 20. Jh.s<ein Thema. Die Verkehrspolitik wurde und wirdrom Individualverkehr diktiert. Ats Gegenbei-spieI zu Moskau sei auf Los Angetes verwiesen,eine Metropolitan Area mit 12 Mio. Einw. Los An-

Eetes gatt bis in die 1980er Jahre a[s diejenige6roBmetropo[e der westlichen Wett, d'ie keine iif-

fentlichen Verkehrsmittel besaB. Die letzten Stra-Benbahnen wurden 1961 eingestettt. Der Bau ei-nes U-Bahn-Netzes startete 1.985 mit groBartigenPliinen. Gebaut wurde nur eine U-Bahn-Streckezwischen der Un'ion Station in der Downtown undNorth Holtywood mit einer Ldnqe von 17,1 Mei-len, zwei weitere Strecken mit einer Lange von 20bzw. 23 Meilen stetten Reaktivierungen von vor-handenen Bahntrassen dar. Insgesamt stehenflir den schienengebundenen Verkehr rund100km zur Verfiigung. Dies wdre an sich einedurchaus beachtliche Strecke. Die Frequenz istjedoch bisher iiuBerst bescheiden geblieben. Aufatlen Strecken zusammen werden am Tag (SchnittJuti 2000) 205 000 Fahrgaste befiirdert. Zum Ver-[auf der Strecke im Soziatraum der Metropole seiangemerkt, daB analog zu Chicago auch in LosAngetes die Nord-Siid-Strecke der Metro vonNorth Holtywood nach Long Beach am Pazifikdurch den Armutskorridor der l,4etropole flihrt.Dies belegt eindeutig, daB der Offenttiche Verkehr im geseltschafttichen System der amerikani-schen Metropo[en einen anderen Stettenwert be-sitzt ats in Europa.

Nun wiire es unrichtig anzunehmen, daB derAusbau von StraBen und Autobahnen in der sozia-tistischen Stadtp[anung kein Gewicht besessenhiitte. Das Beispiel von Moskau mit vorbi[dlichausgebauten, an die historischen TorstraBen an-kniipfenden Radialen und einem krejsfiirmigenNetz von SchnellstraBen und Autobahnen belegtdas Gegenteil.

Ab b. 4. 29 : Verkeh sftich e nin Los AngeLes

1,47

Page 118: Die Stadt - Lichtenberger

Determinanten und Leitbilder

Ab b. 4. 3 0 : F uJigii n ger-

strolien in Kopenhogen

i/

^.'v,

Ahntiches gitt fiir Prag, wo sich die tschechi-sche Regierung seinerzeit bemiiht hat, das Mos-kauer Vorbi[d im U-Bahn- und StraBenbau nichtnur zu erreichen, sondern wenn miiglich sogar zuiiberbieten. In monumentaler Granitbauweiseausgefiihrt, mit sorgfaltig ausgebi [deten 0ber-fliichen der Wdnde und Decken, perfekten Be-leuchtungsverhiittnissen und iibersichtlicher 0ri-entierung ausgestattet, werden die U-Bahnenvon den tschechischen Architekten mit Stotz ats

,,eine a[tttigtiche Schule des Geschmacks und derbi.irgerlichen Mora[" bezeichnet.

Los Angetes gi[t trotz des lJ-Bahn-Baus nochimmer ats die mitAbstand griiBte ,,autogerechteStadt" Amerikas. Eine Dokumentation hierzu bie-tet die Karte der Verkehrsfldchen der Kernstadtvon Los Angetes (Abb.4,29\, in welcher auBerden Autobahnen auch die Ftdchen ftir den ruhen-den Verkehr, AutoabstellpLatze und die F[iichendes Autohandets eingetragen sind. Der F[iichen-bedarfdes Autoverkehrs in der Metropotitan Areaist aus der Landnutzungsstatistik zu entnehmen.Diese belegt, daB ein Drittetder Ftiiche der Me-

tropotitan Area von Los Angeles ats Verkehrs-f tdch e ktassifi ziert ist.

Zum Unterschied von Amerika hat die autoge-rechte Stadt in Westeuropa nur kurzfristig alsLeitbitd gedient. Es erfolgte bereits in den 1960erJahren eine Abkehr von der ,,autogerechtenStadt" mit StraBendurchbrijchen, FuBgiingerun-terfiihrungen usw. Ein duales Modetl der Ver-kehrsentflechtung iiberschwemmte unter dem5logan ,,Jeder Ktein- und Mittetstadt eine FuB-gangerzone" Europa mit Liisungen verschiedenerArt. Neue Zielsetzungen standen Pate:

r oem FuBganger soltte d'ie Stadt wieder ,,zu-riickgegeben" werden (Verkehrsentflechtung),

I das zentrale GeschSfuzentrum sotlte gestiirktund

r der historische Baubestand erhalten werden-In der Reatitat sind in Abhingigkeit von der

historisch-topographischen Struktur der jeweili-gen Stddte sehr unterschied[iche L(isungen ent-standen.

FuBgiingerbereiche rUckten seit dem Denkmalschutzjahr 1975 aufden ersten Ptatz derZielset-zungen der Innenstadtptanung. In den 1980erJahren gewann das Zie[ der fldchenhaften Ver-kehrsberuhigung an Bedeutung. In den 1990erJahren trat dazu die Zietsetzung, in der Innen-stadt eine gehobene Lebensqualitat zu ,,insze-nieren" (Abb. 4.30).

Zu Beginn des 21.Jh.s besitzt nahezu jede

deutsche Stadt in den atten und neuen Bundes-liindern FuBgiin gerstraBen und grtiBere Berei-

che umfassen oft Netzwerke von 4 bis 9 km. FuB-

gdngerbereiche sind nunmehr Instrumente des

Stadtmarketing geworden, wobei nach einerPhase der Fun ktionatitet derzeit Lebensqua[it;tund die Inszenierung von Events im Vordergrundstehen. In der wettbewerbsorientierten We[t wirdmit dem Image von Produkten geworben. Dabei

werden auch Ereignisse und Symbote vermarkteLFuBgiin gerbereiche sind inzwischen die Biihne

einer hedonistischen Freizeitgesetlschaft. Dazu

gehtiren die von dffentticher wie privater Seiteinszenierten Freiraum-Events, 0pen-air-Konzerte,ja ganze Kutturprogramme auf zentralen Platzen,

Biirgerfeste, historische Mdrkte und Festivats, diesich oft i.iber die gesamte Innenstadt erstrecken.

J/<,t i,t*JrA

1.48

Page 119: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomieder Stadt

IberbtickDas KapiteL demonstriert die Langtebigkeit des Stadtp[ans:I Das Nachwirken von Grenzen wird durch die Entfestigung der europdischen Stidte und durch die

Beispiete der Errichtung derWiener RingstraBe aufdem ehematigen Befestigungsgetiinde sowieder Gestaltung des einstigen Mauerbereichs im Gefotge der Wiedervereinigung von West- und0stbertin demonstriert.

r Der Stadtptan wird auf zwei Ebenen erschlossen: Auf einer mittleren Anatyseebene werden die hi-storischen Grundformen der Aufsch[ieBung von Stiidten - Raster- und Sackgassensystem - mitihren Variationen und Ubertagerungen einander gegeniibergestet[t.

r Ein historischer Exkurs zur Metrik des Grundrisses belegt auf einer tiefer gelagerten Ebene dieauBerordenttiche zeit- und kulturspezifische Variabilitit des parzettensystems.

r Den Baublticken als wichtigen P[anungsein heiten in der kompakten Stadt wird die Struktur vonAntagen in der aufgetockerten Stadt gegeniibergestettt.

I Die Funktionen von Boutevards und Ptiitzen a[s tiffentl.iche Freirdume in der kompakten Stadtwerden im historischen Riickb[ick aufgero[[t.

t Stadte s'ind dreidimensionate Gebi[de, daher wird abschtieBend auf die dritte Dimension derStadt eingegangen: auftraditionelte stidtebautiche Leitbitder, das Auftreten des Hochhausbausund dieVerziigerung des Wolken kratzerba us in Europa, aufdas Fran kfurter Wo Lken kratzermodellund die Entwicktungsperioden des amerikanischen Wolkenkratzers.

Abb. 5.1: AusschniX aus demP[on von Pois, 1873

749

Page 120: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Einleitung

tlit dem Kapitet iiber die Anatomie der gebauten

Umwett wird die Reihe der Kapitel eriiffnet, diesich mit der lt4ikroebene der Stadt bescheftigen.Peter Hatt (2000) hat in seinem Kommentar zurUrban Future 21 dje physische Struktur der Stadta[s die Hardware bezeichnet, deren die Geselt-

schaft a[s Software bedarf. Dieser zuniichst at-traktiv ktingende Vergteich setzt eine [iberein-stimmung zwischen physischem Stadtraum undder Geset[schaft vora us, die in Wirklichkeit nichtbesteht. und zwar aus drei Griinden:1) Die Bestandtei[e der physischen Struktur der

Stadt weisen eine unterschiedliche Lebens-dauer auf. So ist der Stadtplan ats Stadt-grundriB im engen Wortsinn viel [angtebigerals die da ra uf errichteten Gebeude und sonsti-gen Einrichtungen und iiberdauert vielfachmehrere historische Perioden der Stadtent-wicklung.

2) Die Voraussetzung, daB synchron zur Abfolgeder Generationen eine komptette Auswechs-[ung der physischen Struktur von Stidten er-fotgt, trifft nicht zu. Im Gegenteit, bisher hatdie soziatwissenschaft [iche Stadtforschun g -zumindest jn Europa - in erster Linie den Wan-

del der Gesellschaft im baulichen Gehiiusethematisiert.

3) Der VergLeich enthiLt ferner impLizit einenU mweltdeterminism us, weil auf einer be-stimmten Hardware - wie a[[gemein bekannt -nur eine bestimmte Software imptementiertwerden kann. (onkret wiirde dies bedeuten.daB die gesetlschaftliche Entwicklung vomphysischen Stadtraum determjniert wird. Die-

ser Determinismus sotlte zu einem Possibitis-mus retativiert werden.Die folgenden Ausfiihrungen demonstrieren,daB die GrundriBstrukturen von Stddten viettangtebigersind als die da ra uf errichteten Ge-

biiude. Eine Spurensuche ist angesagt. Diese

sucht nach den Spuren vergangener histori-scher Perioden im Stadtp[an. Die AuswahI derBeispie[e ist auf die europeische Stadt ausge-richtet, da diese aufgrund ihrer [angen Ver-gangenheit eine sehr komplizierte Anatomieaufweist.

Der erste Abschnitt ist dem Thema der Befesti-gung und Entfestigung der europdischen Stidtegewidmet. Mauer und Graben waren bis zur [ibe-

ra[en Gemeindeverfassung des 19. Jh.s Ausdruck

stiidtischer Existenz und damit zugleich einerrechtlichen Sonderstettung, die die Stadt von

dem umgebenden ftachen Land abhob.ObwohIinden meisten Stddten des Kontinents bereits mehr

ats ein Jahrhundert seit der Abtragung der Stadt-

mauern verstrichen ist, ge[ang es nirgends, diese

ehematige Grenze im Stadtplan auszutiischen.

Nicht zuletzt deswegen, da das ehematige Befe-

stigungsareaI im Zuge der griinderzeittichen Bau-

tatigkeit gleichsam ats eine setbstiindige Bauauf-gabe behande[t wurde.

Der Stadtplan wird auf zwei Ebenen ersch[os-

sen: auf einer mitt[eren Ebene unter Beriicksich-

tigung der grundsiitzlichen lJnterschiede in der

historjschen Typotogie der Aufsch[ieBung zwi-

schen der geschlossenen Reihenhaus- und der

offenen Verbauung. In der offenen Verbauun-c

wjrd durch das Prinzip der AufschtieBung von

,,ptanned unit areas", um den amerjkanjscherBegriffzu verwenden, eine neue Zwischendecke

eingezogen, welche dem Mosaikprinzip des Stadt-

wachstums seitdem Beginn des 20. Jh.s und de-

Charta von Athen entspricht.Auf einer unteren Ebene wird den Baubtiicke.

ats wichtigen Planungseinheiten in der kompak-

ten Stadt damit die Struktur von Anlagen in de-

aufge[ockerten Stadt gegeniibergeste[[t und au'den dadurch bedingten. grundsetzlichen Bruc'in der Sta dte ntwi cklu n g eingegangen.

Ein wichtiges Element der kompakten Stad:

sind die Freiriiume in der Verbauung, welche irhistorischen Riickbtick scheinbar unterschiedlr-che, in Wirktichkeitjedoch sehr iihn [iche Fun ktic-nen besessen haben.

In einer Zeit, welche die Metrik von Aussage-

einfordert, ist ein kleiner Exkurs iiber Parzeller-griiBen und -formen angebracht, die eine e'-staunliche zeit- und kulturspezifi sche Variations-

breite besitzen.Stidte sind dreidimensionate Gebilde, dahe-

wird abschtieBend auf die dritte Dimension de'Stadt und insbesondere auf die Wolkenkratzers'.-

houette amerikanischer Stiidte ein gegan gen.

150

Page 121: Die Stadt - Lichtenberger

Grenzen und Grenzziehungen

Befestigung undEntfestigung von Stadten

Historische Stadte waren befestiqte Stiidte. tlauerund Graben waren seit der Antike bis in die Neu-zeit Ausdruck stidtischer Existenz. WohI hat es

auch befestigte Miirkte und sogar Diirfer gegeben,

aber sie btieben stets eine Ausnahme. Die Befesti-gungen hatten mehrere Funktionen: Sie besaBenzunachst mit den Mauern, Tiirmen und Toren einemibtiirische Funktion. Sie sotlten eine Sicherheitgeben, die im liindtichen Raum nicht in dieserForm gewehrleistet war. Die Mauern trennten aberin historischen Perioden auch zwei Rechtssphd-ren. Die Metap her ,,Stadttuft machtfrei" erinnertan diesen RechtsvorteiI der Stiidter gegeniiberden Bewohnern des Landes. Dieser RechtsvorteiIjst durch die Liberatisierung und die Aufhebungder feudaten RechtstiteI annultiert worden.SchtieBtich waren die Befestigungen auch dieG renze zwischen zwei,,Steuersphiiren". Stadttore,varen wie Mautstetten an GrenziibergengenSteu erei n na h meste[len der jeweiligen potiti-:chen Herrschaft fiir Produkte atter Art. Sie warenebenso Kontro[[stetten fiir a[[e Personen, wel,cheIie Stadt betreten wottten. Stadtbefestigungen,,.aren damit sehr vie[ ,,besser kontro|,[ierte"Grenzen als die weit,,offeneren" Staatsgrenzen:er demokratischen Staaten der Gegenwart.

Als Bauwerke haben Mauern und Tore im Laufe:er Stadtgeschichte eine sehr unterschiedtiche3 rchitektonisch e Ausbitdung erfahren. AntikeStadtkulturen haben monumentate Mauern und-ore hinterlassen, in denen die potitisch-mititiiri-:che Macht von GroBreichen repriisentiert wor-:en ist. Bei Vitruv sind Angaben Uber die Stadt-rauern nachzutesen und dariiber, dalS Tiirme auf:en l,lauern einen PfeitschuB voneinander ent-'ernt sein soltten. Vom Mittelalter zur Neuzeit:rtwickelte sich die mi titdrische Verteidigungs-:echnik von den einfachen Mauern des Mittetat-:ers zu den vieI Platz beanspruchenden barockenln tagen.

In den Stadtplanen europdischer Stiidte sind:ei niiherem Hinsehen die ehematiqen ilauerbe--eiche zumeist ebenso zu erkennen wie die ein-

Grenzen und Grenzziehungen

stigen TorstraBen. Selbstin groBen Stedten fin-det man einen Fortbestand von spezifischen Tor-fun ktionen.

Die Thematik der Befestigung und Entfestigungist mit der Thematik der Stadterweiterungen ver-bunden. Diese beschrankten sich keineswegs aufdie Neuzeit. Schon im Hochmittetalter kam es invielen grtiBeren Stadten zur Antage eines weite-ren Mauerrings, sei es, um bereits bestehendenVorstedten Schutz zu bieten, sei es, um Raum fiirneue Stadtteite zu schaffen. Manche groBe italie-nische Stadt, wie Florenz und Bologna, aber auch

Stiidte im deutschen Sprachraum, wie Kijtn undWien, haben sogar mehrmals ihre Mauern iiberden rdmischen Kern hinaus vorgeschoben. Das-setbe gi [t fiir Paris.

Beviilkerungswachstum und Ausbau der liindli-chen Siedtungen durch Rodung und Intensivie-rung der Agrarwirtschaft bildeten die Voraus-setzungen fiir die Expansion des stiidtischenLebensraums. Bei sorgf5ttiger Anatyse der Grund-risse sind diese etteren Ausbauten meist nochdeutlich jm StraBen- und Parzeltensystem zu er-kennen, oft wirken sie sogar in der baulichen Ge-

statt und im Fu n ktio nsgefiige nach.Waren stark befestigte Stiidte schon im Mittet-

alter Schrittsteine und Bastionen der politischenRaumbildung gewesen, so konzentrierten sichmit der Ausformung der absotutistischen Staatenmititerische Ubertegun gen und Investitionen vorattem auf die Residenz- und Festungsstedte undbescherten ihnen einen platzheischenden Um-und Ausbau der Fortifikationen.

Flir die sternftirmigen An[agen mit Bastionen.Ravetins und dem Gtacis, einem SchuBfetd vorden Mauern, schufen italienische Festungsbau-meister der Renaissance meisterhafte Modette. Inder iisterreichischen Monarchie vottzog sich dieErneuerung der wichtigsten Verteidigun gsanta-gen meist unter der Leitung jta[ienischer Inge-nieure und Stadtbaumeister. Von dieser Umbau-tetigkeit btieb jedoch die llasse der europiii-schen Kteinstiidte unberiihrt. Diese [Jnterschei-dung ist von Betang, sind es damjt doch zweigrundverschiedene Typen von Wehranlagen. diespater von der Entfestigung betroffen waren.

Po [itische Machtentfattung, friih kapita tistische0rganisationsformen und von m erka nti [istischen

1,51,

Page 122: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Ideen qeftirdertes Manufakturwesen verliehenFrankreich im 17. und 18. Jh. die politische undkulturette Hegemonie auf dem Kontinent. Dje da-durch ausgeliiste friihindustrielte Welte der Ver-stadterung spiegett sich in der Entwicklung derstedtischen Einwohnerzahlen (1715: 18 f4io.,1789: 27 Mio.) wider. Getragen von den Ideendes ,,Aggra ndissement" und des ,.Em betlissement"vottzog sich die Neu- und Umgestaltung der stad-tischen Bausubstanz. Auf diese Weise setzteFrankreich jene urbanistischen Vorbi[der. die bisins 1.9. Jh. wettweite Nachahmung fanden.

Dabei iiberschneiden sich im franztisischenStiidtebau zwei z. T. gegen [dufige Tendenzen. Die

forcierten Fortifi kationsmaBnahmen schufen ei-nerseits neue Barrieren gegen das Wachstum derStedte, das man andererseits durch die ptan-miiBige Anlage von neuen Stadtteilen und dieSprengung des einengenden l4auerrings zu ftir-dern und in geordnete Bahnen zu lenken ver-suchte.

Die ersten Stadterweiterungen des 17. J h.s wa-ren Kompromisse zwischen beiden Konzepten.5ie vottzogen sich noch im Schutz von neuerrich-teten Mauern. wie etwa im Fat[von Marseit[e, das

im 0sten der mittelatterlichen Altstadt [ings ei-ner Nord-Siid-Tangente eine Neustadt erhielt.Ahntiches gitt fiir Li[[e, wetches Vauban 1674 miteinem neuen, wesentlich grdBeren Festungskteid

versah.Im Zeitatter Ludwigs XIV. iibertraf Frankreich

im Festungsbau batd die zuerst imitierten itatie-nischen Muster und errichtete seine 5perrforts an

der vorgeschobenen Nordgrenze in Flandern undentlang der soeben gewonnenen Rhein[inie.(1679 Huningue, Sarretouis, Longwy, 1681 llont-louis, 1.692/93 Mountdauphin, 1698 Neuf-Bri-sach). Attere, frontnahe Stedte bekamen einenneuen Festungsgiirtet, wie Litte, Arras, Diinkir-chen und Valenciennes im Norden, StraBburg,Betfort und Besangon im 0sten, Perpignan undBayonne im Sijden, im Vorland der Pyreniien,Touton und Calais an der Kiiste des Mittelmeeresbzw. des Atlantiks. Im Gegensatz dazu beganndas Ancien r6gime im Innern von Frankreich mitder ,,Entfestig u ng" groBer Stedte.

Das maBgebliche Vorbitd hierzu setzte Paris.

Nachdem noch Ludwig XIII. die Stadtmauer nach

Westen vorverteqt hatte, um die Tuilerien einzu-schtieBen, gab Ludwig XIV. den BefehI zur Abtra-gung dieser Fortifikationen und damit den Auf-takt zur Anlage des innersten Boutevardrings.

Die Ptiine von Bultet und Btondel (1676) [assen

den grollziigigen Entwurf erkennen, bei dem de-

korative Tore und Brunnen die repriisentativeWirkung der baumbepflanzten Aleen erhijhensotlten. Freilich gelangten von den gep[anten

Monumentaltoren nur zwei zur Ausfi.ihrung.

Die erste ,,Entfestigung" von Paris war keine

endgiiltige. Trotz heftigen Protestes der Pariser

Beviitkerung wurde 1785 mit der Errichtung einerneuen Umwa[[ung, der l,lauer der Fermiers G6n6-

raux, begonnen, die nach anfdnglichem Ziigern

der Direktorialregierung wii hrend der Revotutionihre Vottendunq fand. Sie diente in erster Linie

ats Steuergrenze und bestand als sotche bis 1859.

Erst Napoteon III. tieB sie abtragen, als er dieNachbargemeinden in die Hauptstadt eingtieder-te. Unangetastet btieben die auBerha[b dieserZo[[mauer erst 1841-45 errichteten neuen Forti-

fi kationen der franz6sischen Metropote.Die Geschichte der Festung Paris zeigt ktar, daB

den Hauptstedten der modernen staaten bis irdie Gegenwart eine iiberragende strategischeSchtiissetposition bei kriegerischen Auseinander-setzungen zukam. In Wien versuchte man beim

Anri.icken Napoteons in fieberhafter Ei[e, dieliingst schadhaft gewordenen Basteien wiede'instandzusetzen, ein frei [ich vergebtiches Be-

miihen. Die Einnahme der Festung Paris beende-

te den Deutsch-Franzijsischen Kieg 7870/71.der Fat[ von Bertin den Zweiten Wettkrieg.

Die Festungswerke besaBen aber nicht nur mi-

titarische Bedeutung. Sie bitdeten dariiber hin-aus eine eminent wichtige soziale und wirt-schaftliche Barriere zwischen der Stadt und de'vor altem in der Neuzeit aufwachsenden Vorstid-ten. Ein hiiheres soziales Prestige schied de'Biirger der Stadt vom Bewohner der Vorstac:ebenso wie die im Gefolge davon andersartige-wirtschaft [ichen Aufgaben.

Vergessen wir nicht, daB es vor at[em die per-

manente Angst des irsterreichischen Kaiserhau-

ses vor den unzufriedenen Arbeitermassen de-Vorstedte war, die die Entfestigung von Wien s:[ange hinausziigerte. Ahnliche Motive haben i-

1,52

Page 123: Die Stadt - Lichtenberger

fast atten griiBeren Stedten eine nicht zu unter-schatzende Rotle gespiett.

Kaum hoch genug bewerten kann man die Auf-gabe der Stadtmauer ats Steuerschranke. Die

Stadttore waren iihn[ich modernen Grenziibergiin-gen potizeiliche Kontrottstationen des Verkehrsvon Reisenden und Giitern, zugleich Mautste[[enund damit Einnahmequetlen fiir die stadtischenund [andesfiirsttichen Finanzen. In Wien gingdiese Funktion an den '1701 rings um die Vorstad-te errichteten Linienwat[ iiber, in Berlin iiber-nahm dieselbe Aufgabe die von Friedrich demGroBen errichtete Akzisemauer. Die Anlaqe derl'lauer der Fermiers G6n6raux in Paris erfolgte aufBetreiben der Steuerpiichter.

Die Entfestigung der Stiidte hatte auch im [ibe-raten Zeitalter mit Schwierigkeiten zu kiimpfen.Es ging nicht nur um die Abtragung der Stadt-mauer, die Zuschiittung des Stadtgrabens unddie Verbauung des Gtacis. Die Stadterweiterungwar mehr a[s eine b[oBe st6dtebau[iche Aufgabe.Sie hatte eminente Konsequenzen in administra-tiver, sozialer und wirtschaftticher Hinsicht, nichtzutetzt auf dem Umweg iiber den Bodenmarkt unddamit die Beeinftussung der Bodenpreise. Die mitder Stadterweiterun g verbundene verwaltungs-miiBige Ausdehnung des Stadtgebiets wurde da-mats wie heute von beiden Parteien. den zu in-korporierenden Vorstadten und Vororten auf dereinen und der Stadtgemeinde auf der anderenSeite, oft mit recht schee[en Bticken betrachtet.Erstere fiirchteten die hiiheren Steuersatze unddamit ein Ansteigen der Lebenshattungskosten,,vas vor attem die unteren Bevii[kerungsschichtenempfindtich traf, [etztere die enorme Blirde, diesie u. a. mit der Sanierung, d. h. der An|,age von',Vasserteitungen, Kanatisation usw., aber auchsonstigen stiidtischen fftichten i.ibernah m, wo-oei sie hdufi9 nur wenig zahtungskr5ftige Biirgerrinzugewann.

Das zumeist recht ausgepriigte periphere Ge--litte von soziatem Status und wirtschaftlichem,Voh lstand bildete in vielen europiiischen GroB-jtedten eine nur m0hsam zu beseitigende und.ange nachwirkende Hiirde gegen tiingst fiittigeEingemeindungen. Der Verlauf der heutigen Pari-ser Stadtgrenze entspricht noch immer im we-senttichen der oben erwiihnten friihgriinderzeit-

Grenzen und Grenzziehungen

[ichen Befestigungsantage, die inzwischen frei-[ich beseitigt worden ist und an deren Stette heu-te der Boulevard P6riph6rique ats kreisftirmigeAutobahn ver[5uft-

Fragen wir nach dem Ablaufdes Entfestigungs-vorgangs und der damit verbundenen Stadterwei-terung auf dem europaischen Kontinent, so kdn-nen wir feststetten, daB sich darin bis zu einemgewissen Grad die Ausbreitung der Verstddterungwiderspiege[t. Dementsprechend waren zuerstauch nur die groBen Stiidte davon betroffen.

In Frankreich fotgte Bordeaux ats erste Stadtdem Pariser Vorbitd. Diese Stadterweiterung wardas Werk von Tourny (1754 - 57), wetcher die Zi-tadelte durch eine groBziigige Platzantage undden l,4auerkranz durch Boutevards ersetzte. Dijon,Nevers und Nanry setzten diese Reihe fort.

Auf deutschem Boden ahmten zuerst nord-deutsche Stadte das franziisische BeispieI nach.Bertin, ats Hauptstadtvon B ra ndenburg- Preu Ben,machte den Anfang (Stadterweiterung 1734).Hannover, die Hauptstadt des gteichnamigenKurfiirstentums, schtoB sich 1763 an. Das bayeri-sche Kiinigshaus griffdie g[eichen Intentionen inseiner Hauptstadt (Miinchen 1791) und in denvon ihm erworbenen Provinzen im Rheingebiet(Mannheim 1798. Hauptstadt des KurfiirstentumsPfalz; Diisse[dorf 1801, Hauptstadt des Herzog-tums Berg) auf.

Diese Entwicktungsphase fiel bereits in dieNapoteonische Zeit, in der vor altem die freienReichsstddte zur Sch leifun g ihrer Festun gswerkegezwungen wurden: 1801 U[m, 1802 Bremen.1804 Frankfurt am Main, Hamburg und Liibeck.Weitere Exempel gehtjren derselben Ara an, wie1797 Braunschweig (Hauptstadt des gleichnami-gen Herzogtums), 1805 Hildesheim (Sitz desBischofs von Hildesheim) und 1807 Brestau(Hauptstadt von Schtesien, preuBische Provinz).

Watlpromenaden und Griinfliichen entstandenan der Stetle des Befestigungsareats. Damit btiebunter anderen Vorzeichen die Trennunq zwischender nunmehrigen,,Altstadt" und den Vorstadtenerhatten.

In den Jahrzehnten nach dem Wiener Kon-greB, im Vormiirz, siegten erneut die Krefte derBeharrung. Erst das Zeitalter des Liberatismusmit seinem geradezu explosionsartigen Bevtitke-

753

Page 124: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

rungswachstum zerbrach die wehrhafte Geschtos-

senheit der Stedte. In rascher Fo[9e enttedigtensie sich ihrer [dngst hemmend und iiberftiissiggewordenen Mauerringe.

Wien stand im deutschen Sprachraum am An-fang dieser Entwicktung und setzte das wohI be-riihmteste Beispielfiir die Antage von Ringstra-Ben, das in den folgenden Jahrzehnten, wennauch in abgewandelter und bescheidenerer Form,

von vielen Stedten nachgeahmt wurde. Die fot-gende Aufsteltung erhebt keinertei Anspruch aufVotbtandigkeit 1857 W[irzburg, 1862 Augsburg,1873 Stettin, 1875 Mainz, 1881 KOtn und 1895Danzig.

Die Entfestigung der grtiBeren deutschen Stid-te dauerte bis zum Ersten Weltkrieg an, nahmjedoch ebenso wie in Frankreich die Festungs-stadte aus. Erst 1920 beschtoB die Deutsche Na-

tionalversamm[ung ein Gesetz fiir a[[e Festungs-stedte, wonach das ehemalige Festungsgetindefiir Sied[ungen, K[eingdrten und Sportantagen ge-nutzt und enteignet werden konnte. Diese MaB-nahme betraf vor a[[em Kd[n und Kiinigsberg,Ebenso wurde in Paris seit 1919 das Festungs-getdnde (La Zone), das bis dahin Bausperrgebietwar und zu einem Elendsquartier zu werdendrohte, durch Sportptiitze, Parkantagen (Bois deBoutogne, Bois de Vincennes) sowie mit moder-nen Wohnbliicken verbaut. Die Cit6 universitaireund das Luftfahrtministerium entstanden aufdiesem Area[.

Die Stadterweiterungen auf spanischem Bodengehiiren durchweg der zweiten Hdlfte des 19. Jh.san. Altzusehr hatte das iiber Jahrhunderte dau-ernde Abenteuer der Kotonisierung Amerikas Be-

viitkerung und Wirtschaft des Landes geschwiicht.Erst der Verlust der wertvollsten Uberseebesit-zungen brachte eine Wiederbesinnung auf dieBelange des Mutterlands. Die Sprengung derMauergiirtel setzte bei den GroBstiidten ganz a[[-gemein um 1860 ein. Ats Prototyp diente dieNeustadt von Barcelona. Ahntich wie in Wien

schrieb man auch hier einen Wettbewerb fiir dieStadterweiterung aus. Der preisgekriinte Entwurfvon Antonio Royira yTrias gelangtejedoch nichtzur Durchfiihrung, sondern der schon friiher vonder Regierung insgeheim gebittigte Vorschtagvon Itdefonso Cerda y Suner. An der Stelle der

Wiille wurden die Rondas, 30 bis 40 m breite At-leestraBen, um die Stadt herumgelegt. Die Ver-

bauung der nach auBen anschlieBenden Stadt-erweiterungsgriinde erfolgte in Form groBerBtijcke, deren Hauptvorzug die groBen Frei-

ftechen im Inneren waren.Die Madrider Erweiterung folgte dem Ptan von

Barcetona (1868). Vatencia begann 1865 mitdem Abbruch der verfattenen mittelalterlichenStadtmauer. Sevitta, Bitbao und San Sebasti6nfotgten gteichfatts in den 60er Jahren. Der Ein-

ftuB des Haussmannschen Konzepts ist bei den

Durchbriichen durch die Altstadt und den neu an-getegten Paseos nicht zu iibersehen.

Spdter ats in Spanien begannen die Entfesti-gungen in Italien. Nur die Hafenstedte Genua

und Neapel hatten sich schon so friih ihrer Befe-

stigungen enttedigt, daB ihre Spuren nur mitMiihe im GrundriB feststetlbar sind. Ansonsten

verharrte noch um die Wende zum 20.Jh. dieMehrzahI der itatienischen Stidte in dem Mauer-

kteid, das ihnen das spate Mittetalter oder diefrlihe Neuzeit angemessen hatte. Bei manchenvon ihnen, wie Siena und Arezzo, war es nicht ein-maI vo[[ ausgefiit[t, sondern umsch[oB noch

ansehnliches Gartengetiinde. Brescia, Ferrara,

Parma, Piacenza, Modena und Lucca k6nnen ats

weitere Vertreter dieser Gruppe genannt werden.Die heutige Metropo[e 0beritatiens, Maitand, be-fand sich damats gerade in Umgestaltung. Teil-weise hatte man den Mauerring bereits durchBoulevards ersetzt, teitweise standen noch dieWiitle. Nur F[orenz war schon friiher in die Reihe

der,,RingstraBenstiidte" eingeschwen kt. Bereits

1865 hatte es seine dritte Stadtmauer (Terzo Cer-

chio), die 1284 - 1327 gleichzeitig mit dem Dom

erbaut worden war, abgetragen. Franziisischen

Vorbildern folgend, [ieB man nur die Tore a[s hi-storische Monumente stehen. An der Stetle derBefestigungen wurde der breite Viale di Circon-va[[azione angetegt, der unter verschiedenen Na-

men die rechtsufrige Attstadt umschtieBt.Die unterschied[iche Wachstumsintensitet der

stadtischen Gemeinwesen im Industriezeitatterbi[dete zweife[[os einen wesentlichen Faktor fiirden Zeitpunkt und die Art der Stadterweiterung,obgteich keineswegs ein ktarer Zusammenhangzwischen wirtschaftticher Expansion, Einwohner-

754

Page 125: Die Stadt - Lichtenberger

Grenzen und Grenzziehunqen

zahI und dem Zeitpunkt der Abtragung der Fe-

stungswerke besteht.Roms Innenstadt wird bis zum heutigen Tag

von der spatantiken Aurelianischen f4auer umge-ben; Mittelstddte, wie Siena und Ferrara in ltati-en oder Chester in GroBbritannien, zeigen sogarmit einem gewissen Stolz ihre atten Tore, Tiirmeund Zinnen. Bei den zahlreichen Kteinstiidtenund den wenigen Mittetstidten, die ihre mitte[alter[ichen Wehrantagen meist im Verein mit einemhistorischen Stadtbitd bis in die Gegenwart er-halten haben, verschmelzen nunmehr Traditions-bewuBtsein und die Interessen der Fremdenver-kehrsindustrie. Wa[[ und Graben. in vielen Fdt[enAusdruck einer konservativen Geisteshaltun g derBeviitkerung und zugleich sichtbares Zeichen fiirdie wirtschaftliche Stagnation in der j[jngerenVergangenheit, sind.eine Sehenswiirdigkeit unddamit Kapitat fiir den Fremdenverkehr geworden.

Zwei Grundkonzepte stedtebaulicher Gestaltung fanden im Zuge der Stadterweiterung An-wendung:r Die radia[e oder tangentiate Boutevardaltee

ats Hauptachse von neugegriindeten Stadttei-len bzw. Vorstiidten (Beispie[e: Berlin. M[in-chen, ltlarseit[e, Madrid usw.), wobei die Ideeder barocken Sichtachse Pate stand. Eine

asym metrische Ausweitung des Stadtgebieteswar die Konsequenz. Bei groBen Stidten wur-den hiiufig mehrere derartige Radien bzw.Tangenten an die Attstadt angefi.igt.

I Der Boulevardring, d.h. die Verbauung des

ehemaligen Fortifi kationsareats durch einenrepresentativen, kreisfiirmigen StraBenzug,der hiiufig ats Basis fiir die peripher fort-schreitende An[age neuer Quartiere diente.

3eide Ideen wurden zweifellos in Frankreich gebo--en und hier bereits in verschiedener Weise mit-:inander kombiniert und variiert. Die Effekte derStadtgriiBe auf die Gestaltung des RingstraBen-<onzepts sind an den Beispielen von Mittet-,3roB- und Mi[[ionenstadten ktar zu erkennen::) Periphere Erscheinungen, wie Industriebetrie-

be und Lagerptitze, stedtische Versorgungs-einrichtungen, wie Gaswerke usw., fanden aufdem ehematigen Gtacis stets dann ihren Platz,

wenn die Vorstiidte ktein und von weiten Frei-flechen umgeben waren und die Bodenpreise

dementsprechend nur niedrige Werte erreich-ten. Dies traf zumeist fiir die Mittelstiidte zu.Amiens in Nordfrankreich ist als BeispieI zu

n ennen.2) Einen wichtigen Schritt bedeutete die Einpta-

nung von Parkantagen und Promenaden aufdem ehemaligen Gl,acis. Eine sotche Ldsungfand vor altem dort Anklang und Verwirk[i-chung, wo die A[tstadt setbst bereits so dichtverbaut war, daB der Besitz eines Privatgar-tens innerhalb der Mauer schon als Luxus ga[t.Verschiedene Richtungen der europiiischenGartenarchitektur haben bei der Ringgesta[-tung in den deutschen Stadten mitgewirkt. So

wurde z. B. in Bremen eine,,engtische Antage"geschaffen. Derartige Parkan[agen gaben hiu-fig den Anreiz zur Aussiedtung gehobener Be-

vdtkerungsschichten aus der Attstadt. Wiirz-burg bietet ein schtines Beispie[ fOr diegetungene Verbindung zwischen Griinftiichenund guten Wohnviertetn in der Pufferzone zwi-schen Altstadt und Vorstadten. Wiihrend sich

in Wiirzburg die neuen Wohngebiete an derAuBenseite des Ringparks hinziehen, wech-setn in Braunschweig abschnittsweise Griinan-lagen und gute Wohngebiete. Auch dort, wo

keine Parks die Stetle des ehemaligen SchuB-fe[des einnahmen, weist diese Ringzone nichtsetten eine bessere Wohnquatitet als die Att-stadt auf (2. B. in Kiiln).

3) Die Ausweitung der Cityfunktionen in den

Ringbereich fand schtieBtich iiberatt dortstatt, wo, durch das anhaltende Wirtschafts-wachstum bedingt, der in der Altstadt zur Ver-fiigung stehende Raum zu knapp wurde bzw.auf Repriisentation an gewiesene Wirtschafts-betriebe den Standort am Rinq dem in der Alt-stadt vorzogen. Dabei kam es zwischen derRingstraBe und der Altstadt meist zu einerAufgabenteilung im Geschiifts[eben, imGroBhandel und im Getd- und Versicherungs-wesen.

4) Sonderfi[[e ste[en sch[ieBtich die Hauptstid-te oder Regionalzentren dar, in denen das Ter-

rain des ehema[igen Festungsgiirtets, iihntichwie in Wien, fiir die Anlage von reprasentati-ven Bauten Verwendung fand (2. B. Kopenha-gen, in kleinerem AusmaB Briinn).

755

Page 126: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. 5.2: TiefbLick auf dos

,,Koiserforum" in Wien

Die Anatomie der Stadt

In Abhingigkeitvon den [okaten Gegebenheitentreten se[bstverstandtich iibergreifende Kombi-nationen der genannte E[emente auf. So wurdeder Standort des Hauptbahnhofs sehr wesentlichvon derim 19. Jh. herrschenden Verkehrssituati-on bestimmt.

In atlen Fiitlen, besonders aber bei den beidenletztgenannten, kam es zu einer unterschiedti-chen Ausformung der einzelnen Abschnitte derRingstraBe sowohI in baulicher ats auch soziat-wirtschaftticher Hinsicht, wobei die Einfliisse ausden benachbarten Altstadt- und Vorstadtquartie-ren sowie das Verkehrsnetz zur Gettung kamen.

An Hand von zwei Beispielen aus dem deut-schen Sprachraum, den ehema[igen ResidenzenWien und Berlin, sollen die erwiihnten Grundkon-zepte von Stadterweiterungen kurz vorgefi.ihrtwerden.

Die Wiener RingstraRe

Die Wiener RingstraBe zih[t zu den G[anzLeistun-gen europaischen Stedtebaus im 19. Jh. Das viet-zitierte Handschreiben von Kaiser Franz Joseph,Ende 1857, in dem dieser die Abtragung der Ba-

steien befaht, ist die erste und letzte GroBtat desHerrscherhauses in seiner Hauptstadt, bei derdie Stadtbehiirden erst gar nicht um ihr Einver-

st5ndnis gefragt wurden. Sie steht damit an ei-nem Wendepunkt der europiiischen Geschichte,am Ende des absolutistischen Landesfiirstentums

und am Beginn der tiberaten Ara und ist in ihremWesen bejden Epochen verhaftet.

Zwar erfolgte die Ausschreibung eines interna-tionalen Architektenwettbewerbs, doch erhiettdann das Baudepartement des Innenministeriumsden Auftrag, auf dieser Grund[age einen neuerPtan auszuarbeiten, in dem auch die Funktion derRingstraBe ats mititiirisches AreaI Beriicksichti-gung finden muBte. Dje Durchfiihrung iibernahndie Stadterweiteru n gs ko m missio n. Auch dieseunterstand dem Innenministerium. Die Bautatig-

keit selbst gehorchte bereits kapitatistischenSpietregetn. GroBe Baugesettschaften schattetensich bei der Finanzierung ein und libernahmen die

Errichtung der Monumental und Wohnbauten.

Das Reprisentationsbediirfnis eines GroB-

staats, der sich dama[s mit 34 Mio. Einw. (1860)

durchaus mit Deutschtand und Frankreich mes-

sen konnte, bediente sich der Tradition der ba-rocken Residenzstadt. Wie in der Barockresidenzbtieb der Herrscherpatast g[eichsam die ,,soziateMitte" der Stadt. Glanz und Kernstlick des gesam-

ten stedtebautichen Konzepts ist das Kaiserfo-rum der Hofburg, von dem atlerdings infolge de:Ausbruchs des Ersten Weltkriegs der zweite Fli]-gel nicht mehr errichtet werden konnte, so da3

756

Page 127: Die Stadt - Lichtenberger

die SchlieBung des Forums, mit Museen und Hof-stattungen, unterbtieb (Abb. 5.2).

Die RingstraBe bot der iisterreichisch-ungari-schen Monarchie das repriisentative Forum fijrdie Symbote der potitischen und kuttureltenMacht. Hier entstanden Partament, Rathaus, Uni-versitat, Museen, 0per und Burgtheater. Es warejn historjsch gebildetes Zeitatter, das baute.!1an wiihtte das Stilkleid der griechischen Antikefiir das Partament, orientierte sich beim Rathausan den Vorbi[dern derfreien Reichsstiidte des Mit-tetalters und fotgte bei der Universitiit der Bauge-

Grenzen und Grenzziehungen

sinnung der ita [ienischen Renaissance (Abb. 5.3).Der RingstraBe fieI die Aufgabe zu, den oberen

Beviitkerungsschichten Wohnraum zu bieten. Soerscheint die RingstraBe gleichsam al,s der sozialaufgewertete Rahmen um die Attstadt. Abb. 5.4bietet einen Beteg fiir die ausgepregte sozialeund tikonomische Segregation in der liberalenGriinderzeit. Vieft etsweise separierten sich dieAngehtirigen des Adets. der b0rgerlichen Ober-schicht, z. B. der Bankiers und Unternehmer, so-wie des Bil,dungsbiirgertums und der freien Beru-fe, etwa der Arzte und Rechtsanwelte.

Abb- 5.3: Ringstrol3e: ParLq-

n e n t, Rq th o u s, U ni ve rsitiit

-i

l.: t.

757

Page 128: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

@ e^ublark" d", aingstra Benzon e

lffil P"rk, rnd Grunflechen der RingstraBenzone

l--l ltt t"dt. vooudt"

llffi Sperrende Btiicke der Altstadt und Vorstedte

-r.r.| Atte Aushl|straBen

+ Neu eriiffnete DurchganqsstraBen

Ab b. 5. 4 : Sozi a Lgeo g ra p hiedet Ringstrul3e, Wien, 1910

Urspriing[ich nicht ats Ausweitungsfetd fiirwirtschaftliche Aktivitaten vorgesehen, wurdedie RingstraBejedoch bald von den Kraften derCitybitdung erfuBt. Der ProzeB der ,,Entfremd un g"der MietshAuser setzte ein, wenn auch viertels-weise mit unterschiedticher Intensitet, und hettbis in die Gegenwart an.

Diese Einbeziehung in die Citybitdung durch-ldcherte schon im kaiserlichen Wien die stiidte-bauliche Konzeption, wetche Monumentalbau-ten, Nobelmietshauser und Parkanlagen a[s ihreBausteine verwendet hatte.

Die RingstraBe entstand in einer Epoche stiirk-sten Wachstums der stadtischen Aggtomeration

und damit der stiidtischen Wirtschaft, in einerZeit freitich, in der die Schaffung zentraler Ge-

sch5fts- und Biirodistrikte noch nichtaG Aufqabe

des Stiidtebaus erkannt war.Bei dieser Ansiedlung von Ci\funktionen im

RingstraBenbereich iibertagerten und ergiinzteneinander drei Vorgiinge:

Erstens kam es zu einem sektorenweisen Aus-greifen von Unternehmen aus der Altstadt, z. B.

von Textitniederlassungen, Banken, Verlagen und

Modesatons.

Zweitens gewann die RingstraBe neue Tiitig-keitsbereiche, darunter die Hiiheren Schuten, dieMehrzahtder Zentratbiiros der im Zuge des In-dustria[isierungsprozesses neu auft retenden gro-Ben Wirtschafu unternehmen, die Hauptquartie-re der Berg- und Htittenwerke, der eisenverarbeitenden Industrie und der Zuckerindustrie. Dazu

kamen die Generalrepresentanzen des Versiche-run gswesens. die Dienstleistungen des Verkehrs,die Schiffahrtstinien und der Autohande[. Die er-sten halboffi zielten Einrichtun gen, wie Kammern

und Vereine, faBten hier ebenfatts FuB.

Ferner iibernahm die RingstraBenzone, unter-stiitzt durch die groBen iiffentlichen Gr0nftdchen

des Stadtparks, des Votksgartens und des Rat-

hausparks, jene Erhotungsfunktion ftir die Bevti[-kerung der Attstadt, wetche vor der Abtragungder Basteien das Glacis innehatte. Die zah[rei-chen Restaurants und vor attem die groBen Eck-

kaffeehduser waren nicht nur Treffpunkte von Ge'

lehrten. Klinstlern und Studenten, sondern be-saBen auch eine wirtschaftspolitische Aufgabe,indem zahtreiche geschiifttiche Transaktionen inihnen zur Abwicktunq qelangten. Nicht in den

stidtebaulichen Projekten vorgesehen, entstan-den erst nachher aus Pa[dsten bzw. Wohnhdusemdie internationaten Hotels, wie das ImperiaI oderdas Grand Hotel (heute Internationate Atom-energiekommission), am Kirntner Ring fiir ein

internationales Pub[ikum.

Die Bertiner Stadterweiterung

Im deutschen Sprachraum beschritt Berlin zuemden Weg neuzeitlicher Stadterweiterung. Diese

verdient unser besonderes Interesse. weiI sicl

In der RingstraBeendende VorrtadtstraBen

In der RingstraBeendende AltstadtstraBen

158

Page 129: Die Stadt - Lichtenberger

Grenzen und Grenzziehunqen

dabei der absotutistische Stadtebau gteichsam

an einem SchutbeispieI demonstrieren liiBt. VierHohenzolterngenerationen, vom GroBen Kurfiir-sten bis zu Friedrich dem GroBen, haben dazubeigetragen, Berlin in einem Umfang repriisenta-tiv auszugestalten wie sonst keine deutsche Re-

sidenz. Sie vertraten damit eine viitlig anderePotitik ats die in ihre internationa[en Angelegen-heiten verstrickten Habsburger.

Der GroBe Kurfi.irst begann mit der baulichenErweiterung von Berlin in Form der Neuantage vonF[iichttingsstadten, die frei[ich keine rechtlicheSetbstindigkeit besaBen. Er griindete im Westen

der an sich nur kleinen Berliner Attstadt Fried-richswerder (seit 1658) und die Dorotheenstadt(beiderseits einer Esplanade Unter den Linden,1674). Sein Sohn Friedrich III. (speter KitnigFriedrich I.) fiigte im Sijden eine weitere Neu-stadt, die Friedrichsstadt (1686), im Rastersche-ma hinzu. Sein Enkel Friedrich Withetm I. tieB1730 einen neuen Erweiterungsplan erstellenund umgab das Ausbaugebiet mit einer Mauer.Bertin erhielt damit einen, dem Wiener Linien-wa[[Shntichen, zweiten Mauerring. Er bestand bis

1861 und diente wie in Wien ats Steuergrenze.Gteichzeitig begann 1734 die Abtragung der

Befestigungen um die Altstadt. Das frei geworde-ne AreaI wurde in Baustelten eingeteitt und dieGrenze zwischen Altstadt und Vorstddten ver-wischte sich attmihtich (Abb. 5.5).

Vergleichbar der spiteren Wiener RingstraBewurden die neuen Stadttei[e representativ aus-gestaltet. Diese Aufgabe 0bernahm Friedrich derGroBe. In der Fotge konzentrierte sich die ge-

samte Bautiitigkeit des preuBischen Staats inunerhiirtem AusmaB aufdie Hauptstadt. Die ktei-neren Provinzstbdte haben davon kaum etwasgesptirt.

Zwischen der Eertiner Stadterweiterung undder Mener RingstraBe bestehen manche Para[te-

ien. Freilich nicht auf dem Felde bauticher Ge-

staltung, sondern mehr im soziafen und funktio-netten Bereich. Auch in Bertin riickte dieses

neuparze[[ierte Getiinde rasch zurvornehmstenWohngegend auf. Adet, Geheimrate und Unter-rehmer waren im speten 18. Jh. die tragendenSozialgruppen. Im 19. Jh. wurde es von der City-oildung erfaBt. Verschiedene spezielte Viertel

0per(r741)ttarstau mit Akademie (1745)lGthotische Hedwiqshrche (1747)Patais Prinz Heindch (1754)Bibtiothek (1775)Brii.ke (1774) am LustgartenBrticke mit den Spitteuotonnaden (1776)(itnigsbdicke (1777)

MohrenstnBenbrUcke (17E0)(ombdienhaus (1774)$rchtlinne am Gendamenmarkt (1780-E5)LeipzigerstraBeXasernenneubauvoigttand, xotonie fiir BauhandwerkerPanlemiihteInvalidenhaus (1747)Neuer oon (1747-50)

Abb. 5-5: Die BerlinerStodteweiteru n g zur kitFriedichs des Gro[3en

123456789

1011t213

16t70

entstanden.Im Ansch[uB an das Regierungsvierte[,,Unter den Linden" und das damit verbunde-ne DiptomatenvierteI siedetten sich nach Siidenhin die GroBbanken, der Texti[groBhandet, das

Zeitungswesen und die zentraten Verwaltungs-b0ros der ftihrenden Industriekonzerne an. Die

Ahntichkeit mit der Wiener RingstraBenzonedringt sich auf. Frei[ich hat dieser Vergleich heu-te nur noch historische Bedeutung, Die BertinerCity wurde im letzten Weltkrieg radikal aus-geliischt. Bei der Teitung Berlins kam das Arealder ehemaligen City zu Ostbertin und wurde im

StiI des soziatistischen Stedtebaus der Sta[inerawieder aufqebaut.

lJnterden Linden

759

Page 130: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb.5.6: Be in, CheckpointCho ie 1985

CHECKPO

Die Wiedervereinigungvon West- und ostberlin

Bertin ist mehr ats vier Jahrzehnte lang eine ge-

teitte Stadt gewesen (Abb. 5.6). Die Einigung

Deutschlands hat auch die beiden Stadthdtftenwieder vereint. Das Luftbild enttang der ehema[igen Mauer zwischen West- und 0st-Bertin belegteindrucksvot[, we[ch riesige Area[e unmitte[barim Ansch[uB an die.,griine Lunge" des Tiergar-tens zur Verbauung zur VerfUgung stehen (Abb.

5.7).Eine Jahrhunderttbsung hette Ptatz gehabt.

Eine Jahrhunderttiisung kam jedoch nicht zu-stande. Die Bundesrepubtik Deutschtand ist einftideralistischer Staat; eine stedtebauLiche De-

monstration des Staates in der Mitte seiner wie-dergewonnenen Hauptstadt, wie sie ein zentra-[istischer Staat wie Frankreich unternommenhitte, war daher nicht zu erwarten. Dies auch aus

einem weiteren Grund, denn Bertin ist nicht nur

die Hauptstadt eines

Bundesstaates, dessen einzetne Liinder keine zu

groBartige Hauptstadt wiinschen, sondern Berlin

ist auBerdem die Hauptstadt eines Staates, der

mit groBer Sorgfalt,.nationa[e" Reprisentations-attit0den vermeiden muB.

1999 ist die Bundesregierung von Bonn nach

Bertin iibersiede[t. Berlin wurde zum Schauptatz

einer Diskussion ijber die Zukunft der Gestattung

der europiischen Stadt, dementsprechend diver-gierend waren die Meinungen. Dje stedtebauti-che Liisung der Gestattung der ,,neuen Mitte"verbtieb schtieBtich im Rahmen der traditionellen Etemente des europiiischen Stadtebaus mitBeibehaLtung der Traufhijhe und der B[ockstruk-

tur.Nun stetlt sich die Frage: Was baut der Staat in

seiner Hauptstadt, und was baut die Wirtschaft?

Zunachst zum Staat. Hier [autet die Antwort: i4itder Anordnung eines etwa einen Ki[ometer Lan-

gen ,,Bandes des Bundes" wird ein Symbol fiir die

Verbindung der beiden ehemats geteilten Stadt-hiitften geschaffen. In monumentater Form neu

errichtet wurde das Bundeskanzteramt, weitereBauten werden z. T. unter Verwendung der Bau-

kubatur der D D R-Verga ngen heit kom ptett erneu-

ert. Der Umbau des Reichstags in das Gebiiude

des Bundestags ist abgeschtossen. Damitist eine

neue Landmarke entstanden. Die BautetigkeitumfaBt die Bereiche Spreebogen, Spreeinsel und

Wil,hetmstraBe/LeipzigerstraBe. Der lJmbau der

lvluseumsinseI wird der internationaLen Qualit;tder Bertiner Museumstradition zu neuem G[anz

verheLfen.

Nun zur Fraqe: Was baut die Wirtschaft? Hieristsofort eine Einschriinkung angebracht. um zu

hochgestochene Erwartungen zuriickzuschrau-

ben. In der Zeit der Bonner Regierung hat der

westdeutsche Fiideratismus die hochranqiqenFunktionen des quartiiren Sektors in mehreren

Stedten gleichsam verteilt: Frankfurt wurde zum

Bankenzentrum und zum griiBten Flughafen,

K(itn zur Kapita[e der Versicherungen. Hamburg

iibernahm die Hafenfunktionen, Mtinchen eta-

b[ierte sich im EDV-Bereich und ats Kulturmetro-pole und Stuttgart ats ein weiteres Fenster der

westdeutschen Exportindustrie. Ein,,Run" vorseiten der GroBunternehmen der Wirtschaft au'die Bertiner,,Baustelte" war daher nicht zu er-

tffi,*rl'*u*Wiilkommen,

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160

Page 131: Die Stadt - Lichtenberger

Grenzen und Grenzziehunoen

Abb. 5. 7 : BerLi n, Luftbi Ld,

lrlouerhPrpi.h im Johr 2000

: -:en. Auch die BautetigkeitderWirtschaftist- 3ertin. vergtichen mit Frankfurt am Main, daher

: -:' bescheiden, wenn man die herzeigbare ar-: -':ektonische Kubatur ats MeB latte verwendet.

l'sher ist ein Komplex weitgehend fertigge-.::.-t. namtich im Bereich des Potsdamer Ptatzes.

Hierbei haben drei GroBunternehmen ihreGroBprojekte rea ljsiert: Dai m lerch ryste r, Sonyund ABB.

Daim lerChryster hat die sogenan nte ,,Debis-Ge-setlschaft" fiir das Potsdamer-Ptatz-Projekt unddas Immobilienmanagement gegriindet. Sony

161,

Page 132: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb- 5.8: BerLin, Sony Center

am Potsddner Plotz, Berlin

und ABB sind zur Umsetzung ihrer ProjekteJoint-ventures mit internationaI etablierten Bau-

und Immobitienunternehmen eingegangen. Ins-gesamt wurden durch die drei Unternehmen rund3 l,4rd. Eu R0 investiert und 750 OOO m2 Bruttoge-schoBfliiche errichtet. Hierbei ist die Europazen-trate von Sony mit der Errichtung eines 100 mhohen gtiisernen Uhrturms bereits aus dervorherbeschriebenen stldtebau[ichen Diktion einer ru-higen Horizonta[e ausgebrochen. Insgesamt istein eigener StadtteiI mit ausgepragtem Gastro-nomie- und Entertainmentcharakter mit Thea-tern, einer Spielbank, dem Grand-Hyatt-Hotelund der Niedertassung der Berliner Fitmfestspieteentstanden. Den Mitte[punkt des Sonyzentrumsbitdet das Forum, ein mit Glas und Stoff Uber-dachter, 4000 m2 groBer iiffentticher Ptatz (Abb.

5.8).Insgesamt ist ein Touristenmagnet entstan-

den. Dies entspricht auch der Initiative derWirtschaft bei der Neuschaffung von baulichenStrukturen in der Stadtmitte, wetche auf dieFreizeitgeseltschaft ausgerichtet ist. Mit dem

Sony-Uhrturm ist ein vertikaler Akzent in der

Stadtmitte gesetzt worden, ein weiterer wird inunmittelbarer Nahe der Gedichtnishrche in Form

eines Btiroturms in der City West entstehen. Die

Schaffung einer Wo lken kratzersi[h o uette wie inFrankfurt ist bisher aber noch nicht in Sicht. Die

Stadtptanung und der Stadtebau in Berlin sind

iiberdies in den n;chsten Jahren noch damit be-

schiftigt, die Infrastruktur zu erneuern und bei-de Stadtteite wieder zu verbinden. Auch der Zen-

tralbahnhof harrt der Fertigstettung.

Berlin war mehr ats vier Jahrzehnte [ang einegeteitte stadt. Es war das Experimentierfeld fiirden Stedtebau in West und Ost. Die ehemalige

Stadtmitte von Bertin wurde zum Schaustiick des

Stiidtebaus im Comecon. In Westbertin iibernahm

der Kurfi.irstendamm die Funktion der City. Der

ProzeB der Veriinderung in der Stadtstruktur und

insbesondere in der Stadtmitte kann nach einem

Jahrzehnt noch nicht abgeschtossen sein. Es

bteibt abzuwarten, ob es gelingt, den Dua[ismus

zwischen West und Ost durch eine integrierte

,,neue Stadtmitte" zu iiberwinden.

762

Page 133: Die Stadt - Lichtenberger

Historische GrundriBformen

Historische Grundri Rformen

Rastersystem und Sackgassenprinzip

Mit den Begriffen der ,,geschlossenen" und ,,offe-nen" Verbauung werden zwei Bereiche der Auf-sch [ieBung umschrieben, die gegenwdrtig einer-seits mit der Ideologie der kompakten Stadt undandererseits mit der Ideologie der aufge[ok-kerten Stadt unscharf verbunden werden k6n-nen. Die geschtossene Verbauung ist das ktassi-sche AufschlieBungsprinzip a[[er Stadtkutturender Erde bis zum Ende des 19. Jh.s gewesen. Sieist durch StraBenreume, welche Baubtticke um-schtieBen, gekennzeichnet. In der offenen Ver-bauung stehen die Bauten ats Einzetobjekte bzw.als Antagen frei inmitten unverbauten Areals. Diegeschtossene Verbauung endet nicht abrupt,sondern weist einen [0ckenhaften Rand auf, dersich mit der offenen Verbauung verzahnt.

Uber beide Bereiche hinweg Lassen sich - sehrvereinfacht - zwei Grundformen der Aufschtie-Bung gegeniiberstelten: der a[seits durchgdngi-ge StraBenraster und das Sackgassenprinzip.

Der StraBenraster wird gerne als ,,Schachbrett-schema" etikettiert. Zu Unrecht, denn ein echtesSchachbrettschema hat selbst Hippodamus vonMitet nicht verwendet (vgt. Abb, 1.3), vietmehrsetzt sich sein vielzitiertes ModeI aus rechtech-gen Bt6cken zusammen.

Das Rasterschema findet sich auch im Hoch-mitte[atter ats AufschtieBungsprinzip der Bi.irger-stadt und kennzeichnet den Kotonisationsraumeinerseits in 0stmitteleuropa bis weit nach Ostenrrinein und ebenso den SUdftiiqet mit den Basti-des in Frankreich und den Stiidten der Reconqui-sta in Spanien. Freilich weist es nicht die geome-:ische Exaktheit der antiken Grundrisse auf.

Gegeniiber der antiken Stadt verendert dasnittelatterliche Rasterschema seine funktione[eAusrichtung insofern, als sich die Stadtmitte -:urch einen Rechteckptatz reprasentiert - zumsoziaten Organisationszentrum der Stadt ent-.icke[t. Damit entsteht ein soziater G radient vomStadtzentrum zur Mauer hin. Die wen'ig angesehe--en und stiirenden Gewerbe saBen an der Mauer.

Der von Diirer entworfene Stadtptan (vgt. Abb.1.22) beteqt sehr klar zwei Besonderheiten des

Abb. 5.9 : Sovonnah, khochbrcttschemo (Intenet) 2000

Ar Ftuklin S{!.rc

B: N.w City Mark t

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D: Tclfrir Sou.E

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Abb. 5.10: Werkssiedlung auf Longstreifen, TeLl el Anarna, Agypten

163

Page 134: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb. 5.11: Hintetqosse nitInro stru ktu r, Vq n co uve r1970

Abb. 5.12: Feuerstiegen,

Dotntown Chicogo 1994

Grundrisses der mittelattertichen Bijrgerstadt,welche bis in die Gegenwart Bedeutung besitzen:r die Verwendung von Langstreifenbtiicken,

wetche von Durchgangen gequert werden, undr das damit zusammenhiingende Vordergassen-

Hintergassen-Prinzip, wetches auf der Struk-tur des mittelaltertichen Biirgerhauses be-ruht. Es kennzeichnete die Ackerbiirqerheuserebenso wie die groBen Patrizierhiiuser derFernhlndter, in deren Hduser von hinten dieWagen einfuhren, wiihrend man von der Vor-derseite her die GewiiLbe betrat. Auf diese ho-rizontate Differenlerung der Hiiuser wird sp5-ter noch eingegangen werden.

Die [jbertragung des Rasterschemas nach Nord-amerika erfotgte bereits mit neuzeittichen Ver-messungsstandards und ging mit einer zu wenigbeachteten Umwand[ung einher.

Wie das Beispiel von Savannah zeigt, wurdedas Vo rdergassen- Hi ntergassen -Prin zi p in das

amerikanjsche Schachbrettschema integriert(Abb.5.9). In den Siidstaaten waren derartigeHintergassen (,,atteys") zugteich die Gassen derSklavenquartiere, in den Nordstaaten brachteman in die Hintergassen die Infrastruktur ein(Abb.5.11). Dorthin iiffneten sich vietfach auch

die Feuerstiegen (Abb. 5.12).

Das Vordergassen-Hintergassen-Prinzip hatseine Bedeutung bis hin zu den FuBgiingerzonen

der Stedte in der Gegenwart behalten und SuBert

sich im intensitetsgefiitte des Geschiiftslebens inden Durchgiingen, welche von der HauptstraBezur Hintergasse fiihren.

Langstreifenbtiicke wurden nicht erst als Auf-schtieBungsetemente in der mittetalter[ichenBi.irgerstadt verwendet, sondern bereits in deriigyptischen Hochkuttur, wo sie bei ptanmiiBig

angelegten Arbeitersied[ungen im Zusam men-

hang mit dem Pyramidenbau Verwendung fan-den. Hierbei wurden Reihenhiuser nach dem

Prinzip der Minimierung der StraBenftiiche in

schma[en, [angen Streifenb[iicken aneinanderge-fiigt, wobei die Hauseingiingejeweits auf einer

Seite laqen (Abb. 5.10).Dieses 0rdnungsprinzip der Langstreifenauf-

schtieBung mit sehr schmaten Reihenhiuserrbeherrscht die Entwick[ung der britischen Indu'striestadt (vqt. Abb. 4.19) und findet sich in Va-

riationen auch sonst im Nordwesten Europas.

Derartige Schmatstreifen konnten in GroBbrita n-

nien eine Liinge von bis zu 250 m erreichen. Mi:

dem Britischen Empire wurde die Schmatstreifer-

aufschtieBung auch in die Ko[onien, vor alternach Indien, iibertragen.

1,64

Page 135: Die Stadt - Lichtenberger

Historische GrundriBformen

Wiihrend bei der Schmalstreifenaufsch [ieBungHofriiume feh[en bzw. nur in ganz minimaler Form

vorhanden sind, ist es bei der AufschtieBungliindticher Flurformen (Gewann- und Streifenf[u-ren) im stiidtischen Umtand. insbesondere imkontinenta[en Mitte[- und Westeuropa, zur Aus-bitdunq extrem tiefer Parzelten (Lanqparze[[en)gekommen, die speter durch Durchbruchsgassenmit ganz schmalen Grundstiicken z.T. ersetztbzw. im Zuge von Durchbriichen auch quer zer-hackt wurden.

Auf das zweite Grundprinzip der AufschtieBung,die Sackgasse, wurde bereits im Kapitet,,Offent-Lichkeit und Privatheit" ausfiihrIch einqeqanqen(Abb. 5.13). Zum Unterschied vom grundsatztichaltseits offenen Rasterschema, in wetches wohInachtriiglich zentrierende bzw. Hierarchien erzeu-gende E[emente eingebaut werden kdnnen, ent-spricht das Sackgassensystem der orienta[ischenStadt a priori einer hierarchischen Raumstruktu-rierung. Es besteht ein rdumticher hierarchischerAufbau von Famitie. GroBfami[ie und [okater Vier-telsbitdung nach herkunftsmiiBigen, retigiiisenund ethnjschen Gruppen. Der hierarchischen An-ordnung von Wohnquartieren und Subzentrenentsprechen spezifische StraBen- und Gassenty-pen (Abb.5.14).

Es ist nicht weiter erstauntich, daB das Sack-gassenprinzip, wetches iiber die Nachbarschafu -idee auch in die moderne Stadtp[anung Einganggefunden hat, in Neubaugebieten p[anmdBig an-gewendet wurde und im Gefotge der Suburbani-sierung immer wieder neue Variationen erlebt1at.

Umstrukturierungen

)ie Stadtgeschichte demonstriert, daB die Auf-schtieBung, d. h. die Festtegung von StraBen,Baubtiicken und Parzetten, bei geordnetenqechtsverheltnissen immer der Verbauung voran-gegangen ist und daB die einmal festgelegtenGrundrisse stets eine griiBere Stabititiit bewiesen

aG die darauf errichteten 0bjekte. Die ,,gehejme.{errschaft des Katasters" und Investitionen in

-eitungssysteme u. dgt. haben zur Persistenz:Der [ange Zeitraume beigetragen.

,==__

Abb. 5.1i: Socl,gossen, Altstodt, feheran

Abb. 5.14: qos hierqrchische Sockgossensystem der oientoLischen Stddt

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:i;iIt

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2c304o

Jama'ah

0riba

Patio

Verblndungen

E 6as!e

- Durchgang

- squiftu

Grupp€n

Gemeinde

tokaLeGruppe

offentliGh kelt

iiffenttich---". halbiiffenttich

erweiterte Famitie - ..- -. halbprivat

tamitie .-- .... privat

765

Page 136: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie derStadt

EN

- Istamischbs Weqenetz, das heute noch dem Attes, antikes:' antiken StraBennetzfotqt --- Schachbrettmuster

Abb. 5. 15: Reoientolisie-rung eines dinischenS c h o c h b rettg ru n d i s s e s

Abb. 5.16: Schrittweise Un-wa n d Lung ei n er rij mi sch enKobnie in eine isLonischeStodt

Grundsdtz[iche Umstrukturierungen des ein-mal festgelegten Stadtplans sind nur durch denZusammenbruch von potitischen Systemen, durchEingriffe totalitiirer Systeme bzw. schwersteKriegszerstiirungen erfotgt. Im fotgenden einigeBeispie[e:r Die sterksten Verinderungen haben sich nach

dem Zusammenbruch des Riimischen Reichesin den Stiidten votlzogen, die in den orientati-schen Kulturbereich der Beviilkerung einge-gtiedert wurden. Eines der bekanntesten Bei-spiete stelt die Adaptierung von Damaskusan das orientalische Sackgassenprinzip dar(Abb. 5.15). Wiihrend hierjedoch ein TeiI derStraBenzUge aus der riimischen Zeit weiter-verwendet wurde, hat sich in anderen Stadtenein schrittweiser Ubergang von der Gitter-struktur einer rtimischen Kotonie zu einemorienta[ischen StraBennetz hin vottzogen(Abb. 5.16). Die tiffenttichen Einrichtungender rdmischen Stadt, das Amphitheater undein offener Markt, wurden privatisiert und dasBaub[ocksystem sowie der rechtwinketigeStraBenraster durch kteine Gassen innerhatbder Btiicke aufgebrochen. Nach der Umwand-[ung gibt es kaum noch offene Pletze in derStadt. Ledigtich die geraden Passagen erhie[-

166

Page 137: Die Stadt - Lichtenberger

Historische GrundriBformen

1837I tJt-"-.:lL..ii t"r' r' ' 'rrLItrnEtf flE--rlt

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ten sich ats Reststlicke des einst durchgehendoffenen StraBenrasters.Bei der Antehnung europaischer B[irgerstadtean riimische Vorleufer blieben im Falte einerRestbevtitkerun g die riimischen Stadtmauernund Teile des Baubtocksystems erhalten. Flo-renzist ein Beispiel dafiir, wo im Mitte[atterinden auf die Riimerzeit zuriickgehenden Bau-btiicken im Attstadtkern der AdeI Wehrtiirmee-baute. Die mittelattertichen Siedtungen inrbmischen Stadtanlagen weisen eine beachtli-che Spannweite auf. Im Fatle von Trier konntedie mittetaLter[che Stadt den r0mischen Mau-erring nicht fiitten (vgt. Abb. 1.9), anderer-seits sind manche Stidte, wie z. B. Wien (Vin-dobona), batd iiber den rtimischen Mauerringhinausgewachsen.Das Rastersystem beherrschte die Stadtent-wicktunq in Nordamerika. Versuche, Radial-straBen einzubauen, um die Monotonie zu

durchbrechen, erwiesen sich ats Fehlschtige.Nicht rechteckig zugeschnittene Parzelten;varen auf dem liberaLen Grundstiicksmarktnicht marktfihig, d. h., sie waren nicht ver-<duflich. Das SchicksaIvon Circtevi[te, wo eineRiickfiihrung einer Radia[an[age in ein Schach-

brett erfotgte, bildet einen Beteg hierfiir(Abb.5.17).Andererseits hat das Durchbruchsystem derBoutevards nach dem Pariser Vorbitd wettweitErfotge gehabt. Es wurde auch in unterschied-.'cher Intensitit bei der Modernisierung ori-entatischer Stiidte angewandt. Es ist begreif-.jch, daB bei Hauptstiidten, wie z. B. Teheran,ein besonders dichtes, die gesamte AttstadtJbertagerndes System von Durchbruchsstra-jen Anwendung fand (Abb. 5.18). Durch der-artiqe DurchbruchsstraBen ist nicht nur das

1 F!tFi-i!l..r r,=inf="?rl F

altere Strallen- und Blocksystem zerhacktworden. sondern gteichzeitig ist damit ein[inienfiirmiges Muster neuer wirtschaftti-cher Aktiviteten (Geschefu straBen, Citybiirosu. dg[.) und eine ebenfa[[s [inienfiirmige Aus-breitung oberer Beviitkerungsschichten ent-standen, wetche sich partietl zu einem - stetsjedoch nur [osen - Netzwerk verkniJpft und dieFtechen atter Baustruktur, mit anderer sozio-iikonomischer Differenzierung, umschIeBt.Besondere Brisanz kommt derartigen ptura[i-stischen Strukturen gegenwartig in den orien-tatischen StSdten zu.

Abb. 5-17: Die Umfornungvon RodioL- zum khoch-b rettsc he na i n Ci rcLevi lle,0hio, 1837- 1852

Abb- 5.18 AberLogerung ei-n es oi enta Li sch en StoJie n-netzes d u rch B oulev1 rd-dutchbtiche

10/

Page 138: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb. 5.19: Abil3 und Umge-stoLtung von Bernou, ehem.DDR

I Die schweren Zerstiirungen des Zweiten Welt-kriegs sind nicht spur[os an den betroffenenStiidten vorbeigegangen. Auf Poten wurde be-reits hingewiesen, wo man mit minutiiiserSorgfalt zahlreiche Stiidte im mittelatterti-chem Gewand unter Beriicksichtigung desGrund- und Aufrisses ohne die spiiteren Zu-und Umbauten vor altem der Griinderzeit wie-dererrichtet hat. In Deutschland, insbesonde-re in Ostdeutsch[and, sindjedoch beachtlicheVeriinderungen von mittetatterlichen Grund-

rissen erfolgt. Abri13 und Umgestaltung vonBernau sind ein Beispietdafiir (Abb.5.19).

r Die zweite Hetfte des 20.Jh.s hat verschie-denttich ftiichenhafte Riumungen von Slum-gebieten gebracht. In Madrid wurden ebensowie in anderen siideurope'ischen StedtenSquattersied[ungen am Stadtrand durch Ptan-

an[agen des soziaten Wohnungsbaus ersetzt.r In nordamerikanischen Metropolen wurden im

Zuge des Stadtautobahnbaus breite Breschen

durch verslumte Wohnquartiere der Grund-schichten rings um den CentraI Business Dis-trid geschtagen und im letzten Jahrzehnt flii-chige Raumungen von leerstehenden Stadt-teiten durchgefiihrt. GroBe Ftiichen sind zu ur-banen Wi.istungen geworden, teilweise sindsozia[e Wohnbauten (vgt. Abb. 2.11) oder so-genannte ,,Infitlings" in Form von Reihen-hausanlagen, zumeist a[s,,Gated Com m uni-ties" entstanden.

Ein historischer Exkurs:Zur Metrik des Grundrisses

Zur Erteichterunq des Verstindnisses fiir histori-sche Stadtstrukturen, StraBenraster, Baubtiicke,Parzellen und Heuser ist es erfordertich, dem hi-storischen Exkurs zur Metrik des Stadtgrundris-ses eine kurze []bersicht iiber die derzeit gi.ittigenVorschriften des Stidtebaus in Deutschtand be-ziig[ich der Grundformen von Wohnhdusern vor-anzustetlen (Mtitter 1979, S. 100 f.), wobei je-weits Untergrenzen angegeben sind:

Freistehendes Einfamitienhous 20 m x 30 m = 6(n nfEi nJo mi li e n rei h e n h a us

Goftenhofltous

8nx32n-256if12mx15m-180nf

MeBsysteme finden sich bereits in den Hochkut-turen der Antike. Hierbei benutzte man die MaBe

des menschlichen Kiirpers, die, wie die Liinge des

Unterarms (Ette) oder des FuBes, die Spanne zwi-schen gestrecktem Daumen und kleinem Finger,die Handbreite (riimisch patm) und die Finger-breite (Zott), ats Mittel zur Ldngen- und - daraufaufbauend - zur F[ichen- und Raummessung ver-wendet und durch 'idealisierte ganzzahlige Bezie-

hungen miteinander verkn[ipft wurden. Das 0uo-

168

Page 139: Die Stadt - Lichtenberger

Historische GrundriBformen

dezimal- und das Dezimatsystem haben beide atsGrundeinheit das FuBmaB verwendet, wobei esa[[ein in Deutschland vor der Einfi.ihrung des me-trischen Systems tiber 100 verschiedene FuB-ma8e gegeben hat. Das englische MaBsystemhat in der Relation von inch und foot noch dasD u od ezi m a tsyste m beibehatten.

Ue Vermessungstechnik der RdmerVitruv informiert iiber die Vermessungstechnikder Riimer. Im [Jnterschied zu anderen Kulturgii-tern haben die riimischen MaBe (Ette = 24 Zott,FuB = 16 Zott) den Zusammenbruch des Rijmi-schen Reichs nicht iiberlebt.

Die Vermessung des Lands wurde von Fachleu-ten, den aginensoi oder gromotici, dutchge-fiihrt. Die r6mischen Stadte waren nach einemein heitlichen Ptan. angetegt. Am Schnittpun ktder beiden einander kreuzenden HauptstraBen,von cordo und decumonus, lag das Forum mit dengrdBten tiffenttichen Gebiiuden. Die An[age derStedte orientierte sich aber nicht an den Him-melsrichtungen, sondern paBte sich der Land-schaft an. Von Vitruv wird die Ausrichtung nachden Windrichtun gen empfohlen.

0as Vermessungsgeriit, die grumo, mit der dierechtwinklig zueinander stehenden Linien desStraBennetzes markiert wurden, bestand aus vierjeweits 45 cm langen Hotzstangen, an deren En-den Bleilote hingen. Die Stange, an der die Lei-sten mit den B[eiloten befestigt waren, wurde soin den Boden gesteckt, daB das Leistenkreuz ge-nau [jberdem Mittelpunktdes Kreises lag, derineinem fest im Boden verankerten Stein einge-zeichnet war (Abb. 5.20).

Vitruvs grundlegendes Werk,,De Architedura"gibt uns heute noch die Grundziige des riimi-schen Stiidtebaus wieder: Teitung in Haupt- und\ebenstraBen, orientierung der StraBen nachHim me[srichtung und Windschutz, Beschaffen-neit der Baustoffe und Mauerverbdnde. Ein Teitder neuen Stadtgriindungen, die aus den Koloni-en des alten Riimischen Reiches iiberliefert sind,zeigt noch die Grundformen des riimischen Ca-strums.

GriiBe und Form der Baublticke hengen direktnit der AnzahI der Grundstiicke zusammen, inJie sie unterteitt sind.

Die Stre'ifenb[6cke dergriechischen Gitternetzewaren z. B. fiir 4 bis 10Heuser konzipiert, wetcheRiicken an Ri.icken [agen.Ats Beispiet sei 0tympusgenannt, wo 37 x 90 m(3330 m2) groBe Btiicke derLinge nach durch eineGasse untertei[t wurden. InPriene hatten dieBliicke ein AusmaB

von 37x49 m. Auf q\jedem Btock

standen 4 bzw. 8Hiiuser. Dieses For-

mat entsprach etwa demriimischen Gitter, dessen Btiicke jedoch wesent-[ich griiBer waren.

In Ftorenz hatten die Bliicke eine Se'itentiingevon etwa 60 m (3600 m2), in Aosta von 70 x 80 m

(5600 m2). Die B[6cke waren dem Forum ange-paBt, dessen AusmaBe verschieden groB waren,dementsprechend variierten auch GrtiBe undForm der Blticke in der Nachbarschaft. Die Nut-zung der Btiicke war hdchst unterschiedtich, esgab reine Ladenblticke, B[6cke von mehrstdcki-gen Wohnh;usern oder Einfa mi [i en-Atriu m he u-sern m'it Geschaften im ErdgeschoB. Die Propor-tionen btieben jedoch gteich, da meist nur ein-oder mehrstdckige Gebeude mit einem Innenhoferrichtet wurden.

Die lrletik der nitteloLtertichen B rgestodtAuf die Unterschiede der mittelalterlichen Bi.ir-gerstadt im GrundriBsystem gegenliber der rtimi-schen Stadt wurde hingewiesen. Dort, wo eineSiedtungskontinuitiit aus riimischer Zeit bestand,konnte sich das Baublocksystem der riimischenStedte nur in Ausnahmefiilten erhalten. Hiiufigwurden zwei Bliicke miteinander verbu nden undin Lengsrichtung in schmalere Streifen unterteilt.

Die Forschungen zum Stadtplan der hochmit-te[atter[ichen Grtindun gsstedte Mitteleuropasverwenden Begriffe wie Axiatantage mit Rippen-grundri[3 oder Gitternetzg rund riB. Die bei derVermessung zugrundegelegten MaBe waren re-gionaI unterschi ed [i ch: Im a[[gemeinen wurden

Abb- 5-20: Riinische Gtunonach Wttuv

769

Page 140: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

das Ful3, die Ette (= DoppetfuB) und die Rute mit12 FuB Lange verwendet. Die Werte in Schlesien

betrugen 28,8cm, 57,6cm und 3,46m. Der

Marktptatz in Breslau wurde in Nord-Siid-Rich-tung mit 30 Ruten = 104 m und in West-0st-Rich-

tung mit 36 Ruten = 125 m, d. h. im Verhiittnis5 : 6 ausgesteckt. Die Baublocktiefe betrug 70 bis

73 m = 20 bis 21 Ruten, die Baubtocklange 42 Ru-

ten = 147 m (Nitz 1998).Die Btiicke bestehen im Normalfat[ aus zwei

G rundst[icksrei hen, die mitihren Rtickseiten an-einanderstoBen, d. h., die rechteckigen Btiicke

sind enttang ihrerinneren Ldngsachse halbiert.Die Lenge des FuBes variierte zwischen 29 cm

in Deutsch[and und 32,5cm in Frankreich, dieRute zwischen 3,50 m und 3,90 m. In den schlesi-schen und potnischen Stedten wurde in Elten ge-

messen, die Rute zu 6 Etlen. In Frankreich gab es

schon das Delmatsystem.Im Hochmittelalter entstanden teitweise ex-

trem schmale,jedoch tiefe Parzet[en, in Baselfin-det man Hiiuserzeiten mit einer Grundfldche von

4 x 46 n (784 n2), in Bern von 7 x 53 m (371 m2)

und rn bent von / x 05 m (455 m').In den Neugrtindungen des spiiten Mittetatters

wurden liberwiegend Langbtiicke mit schmatenStraBenfronten der Grundstiicke verwendet. Da-

bei wurde die GrdBe der Btiicke und der einzelnen Grundstiicke von Anfang an durch diejewei-tige Art des Gebiiudes und die Nutzung bestimmt.Sehr tiefe Grundstiicke finden sich noch bis ins'1.9. Jh.In Lodz, einer polnischen Stadt mitTexti[-produktion, wurde das Viertel der Leinenweber

um 1820 so konzipiert, daB es den Bewohnern

mtigtich war, auf den [angen. schmalen Grund-

stiicken (20 x 300 m) ihren eigenen Flachs anzu-bauen.

Die l4etrik derAufschliet3ungen im 19. Jo hrhu ndertIm 19.Jh. entstanden in Engtand. auf bittigemBautand am Rande der Stiidte, schma[e, [anqeB[0cke mit Reihenheusern ohne Zwischenrlume.Die extreme Ausschtachtung der Grundstlickedurch die sogenannten Back-to-back-Heuser istaus der Angabe ersichtUch, daB auf einem Hektar

im Durchschnitt 150 Hauser errichtet wurden,deren Frontseite nur etwa 3 m maB.

Erst der Pub[ic Heatth Ad von 1875 verbesserte

die Bauweise durch die Festlegung einer Minima[-

straBenbreite von 12 m und die Vorschrift eines

Mindestabstands zwischen den Hiiuserreihen.Jedoch blieb die StraBengestattung weiterhin jm

Ermessen der Ptaner und die Liinge der Btiicke

hing von der GrtiBe des zur Verfiigung stehenden

Area[s ab. Hiiuserreihen von 250 m Lenge waren

entlang von Bahng[eisen keine Seltenheit. Im-merhin lagen bei den sogenannten ,,By-[aw'1Hdusern nur noch 50 bis 75 Hauser auf einem

Hektar.In den USA gehen die Dimensionen von Stra-

13en, B[6cken und Grundstiicken aufdie Kotoniat-

zeit zuriick. Dje HauptstraBen wurden breit an-

gelegt und waren kaum schmiiler als 23 m. Als

typische GrundstlicksmaBe ktinnen diejenigenvon Savannah von 18x27 m (20x30Yards bzw.

486 m2) oder Marietta, ohio, von 27 x57 n (30x65 Yards oder 1538m2) gelten. Die Standard-grtil3e der Grundstiicke in den Stedten der Eisen-

bahngesettschaften tag bei 15 x 43 m (645 m2).

Da in der angelsiichsischen Wett bis heute die

eng[ischen MaBe getten, seien sie hier angefiihrt:

2,54cm l inch

i0,48cm = l foot91,44cm = l yord

5,O3m1pole = 5yord20,12 m l choin = 4pote

Mit zunehmender Bev6lkerungsdichte wuchs

jedoch der Druck, die urspriing[ichen Btbcke durch

neue StraBen und Gassen zu unterteilen. In Phi-

tadetphia setzte die Fragmentierung bereits friihein. Die groBen Blticke wurden durch schmale

GeBchen zertei[t. Atlerdings konnten durch die

AuffiitLung der Btticke auch wesent[ich mehr

Menschen Grundbesitz erwerben. So waren um

1930 ca. 50olo der Hduservon Phitadetphia von

ihren Eigentiimern bewohnt.

A[s Beispiel sei New York angefiihrt, wo die

2OOO Btticke des Ptans von 1811 (vgt. Abb. 4.20)in 8 x 30 m (240 m2) groBe Grundstiicke mit der

Schmalseite zur StraBe hin unterteilt wurden.

Um die Mitte des 19. Jh.s entstanden aufGrund-stiicken, die fiir Einfamilienhduser konzipiert

waren, f,4ietshauser, die 90% und mehr der

Grundfliiche einnahmen, die sogenannten Dum-

710

Page 141: Die Stadt - Lichtenberger

Historische GrundriBformen

/:j

..t 2.:'4./-

Df,.trif,

:et!Heuser. Die Wohnverhdttnisse waren in ih--en noch schlechter ats in den Back-to-back--dusern in GroBbritannien.

Retativ spdt, erst um 1900, wurden die kata-::rophalen MjBstdnde endtich erkannt. Die er-::en groBen Slumsanierungen fiihrten zu einerirsammentegung von Parzetten. Alterdings wur-:e auch damit das grundsiitztiche Probl.em derS:haffung von humanifiren Anspriichen genii-

=-enden Wohnquartieren flir die Grundschjchten

:er Beviitkerung nicht getOst.

Die lt4etrik des Grundrisses wird in den konti--: nta |'eu ropiiisch en Stiidten in der Griinderzeit:'rerseits durch das Vorbitd der HaussmannschenI rrchbriiche in Paris und andererseits durch eine, eitftdchige AufschtieBun g mit Reihenmietshiiu-!:rn bestimmt. Auf die Umgestattung von paris

:-rch Haussmann wird noch eingegangen. Mas-.' . e Eingriffe in die Baustruktur, Enteignung und

=--oBfldchiger Abbruch schufen die Einteitung in

neue, groBe Blijcke und ersetzten das feinma-schige StraBennetz des Mittelalters.

Auf die Planung von otto Wagner. 1910 in sei-nem Buch ,,Die GroBstadt", in dem er die Anlageeines weitmaschigen Gitters mit b[ockfiitlenden,siebenstiickigen Wohnhiiusern um den histori-schen Stadtkern von Wien herum ptante, wurdebereits eingegangen. Ahntiche Ptiine wurden vonJames Hobrecht bei der Erweiterung von Bertinund von Itdefonso Cerdas in Barcetona verwirk-[icht. In Hobrechts Bertin wurden die vorgesehe-nen Btiicke in der GriiBe von 25Ox15Om mitfiinfstiickigen Mietskasernen in hintereinander-gestaffelten Trakten zugebaut.

Cerda ptante auBerha[b der mittelattertichenStadtmauern von Barce[ona ein gteichfdrmigesGitter von iiber 26 km2 Ausdehnung auf ebenemGetande. Die StraBenbreite und die Hiihe der Ge-blude betrug jeweits 20 m. Fiir Cerdas war derquadratische BlockderAusdruck mathematischer

Abb. 5-21: PLon von Barce-Lonq (1858) von Cetda

171,

Page 142: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

I

atsrErr

und sozialer Gteichheit. Dabei setzte er ein Limitvon 4 Stockwerken je Haus und 28% bebauterFticheje Btock. Doch im Laufe der etwa 100 Jah-re, in denen Cerdas Ptan umgesetzt wurde, ver-vierfachte sich die Wohndichte. Heute sind tei!weise bis zu 90% der Btiicke mit l2stiickigenHiusern bebaut.

Der PLan aus dem Jahr 1858 (Abb.5.21) zeigtdas Blockgitter und die geptanten Boutevards,

welche im Sti[e Haussmanns das StraBennetz derAltstadt aufbrechen.

Die klassische Metrik beruht auf dem MaBstab

der kompakten Stadt, auf Baub[dcken. Einzelpar-

zetlen, Reihenhiusern, StraBen und Ptetzen. Der

Aufbruch der Reihenhausverbauung ist die griiB-te stadtebautiche Revotution gewesen. Zusam-men mit dem Hochhaus iinderte sich damit dergesamte dreidimensionate Stadtraum.

Abb. 5.22 betegt die Unterschiede hinsichtlichdes Grundrisses zwischen den ktassischen Bau-blticken von Paris, den Baubliicken von NewYork,

wo sich 0ber StraBenschluchten Hochhauser auf-tUrmen. und der Wolkenkratzerstadt von Le Cor-

busier, wojede Wohnung eine freie Aussicht aufdie Griinan[agen und den HimmeI bietet.

Der Baublockals stddtebautiches Etement

Der Baublock ist das stddtebautiche Basisete-

ment der kompakten Stadt und in der modernen

Stadtstatistik die unterste Aggregierungseinheitfiir die statistischen GroBzdh[ungen. Nichtsdesto-

weniger hat der Baublock ein sozioiikonomisches

Janusgesicht, da er zwei Wetten angehiirt, die

zwar aufeinander bezogen sind, aber getrenntvoneinander existieren: einerseits die Wett der

iiffentuchen Ptatze und StraBen und andererseits

die We[t der Hduser, deren private ]ndividuaLitetdadurch gesichert ist, daB der Zugang zu jedem

einzelnen Objekt im attgemeinen nur iiber den

iiffenttichen Raum erfolgt. [Jntereinander haben

die einze[nen 0bjekte kaum Verbindungen. Die-

ses Faktum des Nebeneinanders von unterschied-

[ich atten 0bjekten auf z.T. unterschiedtichgroBen Parze[[en, wetche unterschiedtiche Funk-

tionen und qese[[schaft [iche Strukturen aufwei-

sen, gehtirt zu den spezifischen Merkmalen von

mehrfach iiberbauten Teilen der europiiischenInnenstddte.

Daraus erwechst auch das Problem, das Para-

digma der nachhaltigen Stadtentwicklung beigrollen, komplex gebauten Stldten zu realisie-ren. Das 20. Jh. hat die Idytte beseitigt, welche

Bahrdt (1961, S. 67) beschreibt, wonach in der

Mitte dieser Btiicke Garten lagen und ,,das Privat-

leben, sofern es sich unter freiem Himmel ab-

spiel.te, durch die Hauser setbst von der Offent-tichkeit der StraBe geschieden und die Wohn-

riiume durch die Mauern von der StraBe, auf der

es keinen motorisierten Verkehr gab, ausrei-

chend geschi.itzt waren. Die Fenster der represen-

tativen Raume waren Fenster zur offentl.ichkeit.Bei Bedarf konnten Fensterladen und Vorhdnge

vor dem Einblick von auBen schiitzen."Um das stedtebauliche Probtem einer sanften

Stadterneuerung zu erktdren, sei zuniichst daraufhingewiesen, dal! bei der Festlegung von Bauord-

nungen - tiber Europa hinweg - in den Stedten

mit Mietshausstruktur verseumt worden ist, klare

Vorschriften iiber dje Verbauung der hofseitigenAnteile von Grundstlicken zu machen, d. h., es

fehten Regelungen iiber die Art und Weise der

IIEIEEJlEEEIEIETEtrtrE

ttewvork I 2?o 4oo,m

La VitLe Radieuse

Abb.5.22: Boubldcke inPois, New York und Lo ViLLe

Rodieuse

772

Page 143: Die Stadt - Lichtenberger

Verbauung der Innenhiife. Erst das Prinzip desMi nim ums an,,l,ichter Weite" hat fiir die einzetneParze[[e den Gebiiudeabstand im Falte der Staffe-[ung von Bauobjekten auftiefen Parzetten gere-gett, ohne jedoch eine mitttere Ebene kottektivgLiltiger Bestimmungen fiir die privatwirtschaft-lich und damit auch besitzmaBig zersp[itterteNutzung derinneren Baubtockstruktur zu fi nden.Nun muB man gerechterweise betonen, daB einederartige neue rechtliche Ebene mit drastischenEinschrdnkungen der privaten Nutzungsrechte imaiberaten System des stedtebaulichen P[anungs-lrozesses in den meisten westeuropaischen Staa-:en nicht miigtich gewesen wdre. Nicht zuletztdeshatb, weitdie aus der historischen Entwick[ungder groBen Verbauungsperioden der Stadt ererb-:e Baublockstruktur kaum einer [ibergreifenden,reuen stiidtebau[ichen 0rdnung zugiing[ich ist,auBer wenn eine kommuna[e Bodenpotitik ent-sprechend vorgearbeitet hat bzw. eine Absied-.ung der Beviilkerung vorgenommen wurde.

Drei Beispiete aus Wien und ein Beispie[ ausBudapest demonstrieren im fo[genden die stiid-:ebautiche Probtematik.

Festzuhalten ist erstens, daB Baubliicke schwie-iger zu sanieren sind ats Wohnan[agen am Stadt-'and, und zweitens, daB weitrSumige Btiicke in;uter Lage [eichter kommerzieltwieder in Wert zu:etzen sind a[s ein Stiickwerk von kteinen Parze[-.en. Daraus entsteht das Paradoxon, daB Arme-

-eute-Quartiere zu Schaustiicken des Denkma[-sch utzes avancieren ki,nnen.: r oie Vorstadt Spittelberg im VII. Mener Gemein-

debezirk ist ein Beispietdafiir (Abb. 5.23). ImZuge der Denkmatschutzbewegung wurde derSoittetberg zu einem der ersten Sanierunqe-biete des Magistrats. Er steht damit als Proto-typ fiir andere. ebenfalts kteinziigig aufge-schlossene StraBenziige und Baubtiicke. indenen ein Fortbestand der Attbauten durchden Denkmatschutz gesichertist. Die VorstadtSpittetberg stetlte den ersten Fa[[ ejner echtenEodenspekutation mit extremer Ausnutzungvon kteinen Parzetten im Raum der Mener Vor-stadte dar, ats um 1700 - nach der Tiirkenbe-Lagerung - Fliichttinge, Ungarn, Stowenen undKroaten, angesiedelt wurden. Info[ge der un-gewiihntichen Kleinheit der Parze[[en konnte

Der Baublock ats sEdtebautiches Etement

Attbauten im Besitz der Gemeinde WienRevita lisjerung im Ga nge (vorqesehen)Wohnbaugenossenschaften,Baufirmen

Neubauten, sonstiger Besitz

Attbauten, sonstiger Besitz

sich der alte Baubestand trotz der Nahe zurCity in der Grijnderzeit erhatten. Diese weitiiberdurchschnitttiche Persistenz von auf be-sonders kleinen Parzelten stehenden 0bjektengeh6rt zu den attgemeinen Regetn der Stadt-entwicktung.Der sehr schtechte Bauzustand und die v6ttigunzureichenden sanitdren Verhattnisse hattennach dem Zweiten Wettkrieg den Verfa[[ undden Abbruch von einigen Hdusern zur Folge.Die Gemeinde Wien hat daraufhin einen Tei[der Hiiuser aufgekauft und eine komplette 5a-nierung mit Entkernung durchgefiihrt. Das 5a-nierungsgebiet umfaBt 80 objekte mit 573Wohnungen. Im Auftraq der Gemeinde Wien

ffi U nverbaute G rundstiicke

l=I=l P"*

ffi FrBgang"rron"

ffi ve.httserscheinungen

l_J Totalsanierung, Revitalisierung

Abb. 5.23: Wien, DenknzL-schutz, SpiXeLbery (WI.Bezirk)

fltTrnlr

ffi

173

Page 144: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb. 5.24: Wien WI, Durch-

b ru c h sg os se n u n d B o u b liickenit Hof- und Seitenfliigel-hausern

m Werkstitten und Fabriken

fi Verhttserscheinungen

[ibernahm eine Genossenschaft die Bau-fiihrung und Wohnungsvergabe (GESIBA). DieFinanzierung erfolgte mitte[s Wohnbaufijrde-rung und Altstadterneuerungsfonds. Der Spit-telberg ist eines der Paradebeispiele fi.ir eine

,,konseMerende" und gteichzeitig,,revitatisie-rende" Stadterneuerung im Wiener Stadtge-biet geworden, bei der man frei[ich das soziateMitieu viiltig verindert hat. Aus der einst iiber-fiiltten Ktein handwerker- und Tag[dhnervor-stadt, in der u. a. Gatanteriewaren hergestetltwurden, ist, unterstiitzt durch die Einrichtungvon FuBgiingerstraBen, z.T. auch eine Frei-zeitattraktion (mit Kteinbiihne und periodi-schen Marktveranstaltungen) geworden.

2) Das Nebeneinander von extrem tiefen Parze[-

I.- IX. Anzah I der Geschosse

Attlauten (bis 1840)

Friihgriinderzeit (1840-1870)

Hochgriinderzeit (187G-1890)

l-----j Zwisch en krieoszeit ( 1918- 1938)

[en und Durchbruchsgassen mit aus verschie-denen Bauperioden stammendem Baubestandsei anhand eines weiteren Beispie[s ittustriert(Abb. 5.24). Das Hauptprobtem bitdet derauBerordentlich hohe Uberbauungsgrad der

Parzelten, der durchgehend die gegenwiirti-gen Normen der Bauordnung iiberschreitet.Die beiden durch den Durchbruch der Stuck-gasse getrennten Baub[ticke bieten einen

Querschnitt durch die Wiener Bauentwicklung.

Der Baubestand umfaBt Seitenftiige[hiiuserdes Bjedermeier, Stutzf lligelhiiuser der Frii h-griinderzeit, das interessante Durchhaus des

Adlerhofs, wetches 1874 errichtet wurde undein Extrem beispieI fiir die Verbauung von ehe-maligen Hausackerfturen bi[det, bis hin zu ei-nem der in Wien eher seltenen StraBenhi,feaus der Spatgriinderzeit.Aufgrund der oben be[egten Zementierung derBauentwicklung durch das vorhandene Parzellensystem ist eine durchgreifende Neustruktu-rierung derzeit sch lecht vo rste[[bar und i nfo Ige der extrem hohen Verbauungsdichte einesoziate Margina[isierung zu beflirchten.

3)Im Wiener Gemeindebezirk Wieden, in dem

rund ein Viertel atler Hauser Innengerten be-

sitzt, ist das sogenannte,,Ptanquadrat" einModell, fiir die Begriinung von Innenhdfengeworden (Lichtenberger'1.978). Hierbei wardie Zie[setzung der Stadtgemeinde, durch dieSchaffung eines Gartenhofes zu demonstrie-ren, daB es nur der Einbindung der Bevtilke-

rung in den P[anungsprozeB bedarf, um einealtgemein akzeptierte, kottektiv genutzte Park-

anlage an der Stelte des urspr0ngtich besitz-rechtlich zersptitterten Parze[[ensystems vonprivaten Hausgerten und Innenhbfen zu schaf-fen. Leider hat dieses mit vieI Publicity iiberdie Massenmedien bekanntgewordene Bei-

spie[, dessen Auswahlvon derVerfasserin ge-

meinsam mit einem Team des OsterreichischenFernsehens erfotgte, nicht Schu[e gemacht.

Fo[9ende Grlinde sind hierfiir anzufiihren:I erstens die hohen Kosten fiir den notwendi-

gen Erwerb von zumindest Teilen des Baube-

standes durch die iiffentliche Hand, wetcherfiir die Realisierung derartiger Modetle eineunabdingbare Voraussetzung darstet[t,

ffim%m SpeB.iindetzeit (789G1g78) f] Tota Lsa ni eru n g, Revitatisierung

774

Page 145: Die Stadt - Lichtenberger

Der Baubtock ats sfiidtebautiches E[ement

zweitens der hohe 0rganisations-, Arbeits-und Materialaufwand fiir die Instandsetzungund die hohen Kosten fiir die laufende Pftegeund Kontrolte eines altgemein zugiing[ichenGartenhofareats und

drittens Interessen konftikte zwischen Privat-besitz bzw. Privatnutzung und kollektiver Nut-zung.

Aus Abb. 5.25 lassen sich ferner interessanteIndividua[isierun gstendenzen erkennen, wetchebei den l,lietern in den Gemeindebauten aufge-treten sind, die jeweils hauseigene ,,Privatgiirten" aus der koltektjven Nutzung durch den Gar-tenhofuerein ausgegrenzt haben. Damit wirdbetegt, daB die in der Stadt i nsgesa mt festzustet-lenden Abgrenzungstendenzen des,,kleinen, pri-vaten Grtins" gegeniiber dem,,groBftdchigen,<oltektiven Gr0n", die auch sonst in der Gri.in-fl.dchennutzung in Wien vorhanden sind (2. B.Schrebergaten versus frei zugiing[iche Donauin-set), bereits aufder Mikroebene bestehen.

Die rechttiche Differenzierung des StadtraumsIn iiffenttichen, halbtiffenttichen und privatenRaum iibertagert derart als [ibergeordnetesgesettschaft [iches 0rganisationsphiinomen das<ommunatpolitische Probtem der GrUnflachen-versorgung in Stiidten.4) AbschtieBend sei noch das Stadterneuerungs-

experim ent der 80er Jah re i n B udapest vorge-stetlt. Der Baublock 15 im VIII. Bezirk stetltedas,,Herzeigeobjekt" dar. Zu Ptanungsbeginnbefanden sich im Btock 9 staatseigene Wohn-gebeude mit 303 Wohnungen, mehrere Indu-strieha[[en, eine Synagoge und ein Wohnhausim Eigentum der Israelitischen Gemeinde, eineSchu[e und drei leere Parzetlen im Besitz desStaates. Im Laufe der Erneuerung wurden 143Wohnungen und 6 Gebiiude abgerissen, Woh-n ungen, die im Durchschnitt nur 42 m2 Wohn-fl5che hatten, zusammengetegt und neueWohnungen mit durchschnitttich 68m2 ge-schaffen, ErdgeschoBwohnungen in Geschiifteund Dienstleistungsein richtungen umgewan-dett. Die Beviilkerung wurde nahezu komplettausgesiedett. Aufden leeren Parze[l'en wurdenzwei Wohngebiiude mit 47 Komfortwohnun-gen mit einer Durchschnittsfteche von 64 m2

errichtet (Abb.5.26). Federfiihrung und Kon-

0 50m

NeueWohnbauten

Ga rten hofuerei n

Privatgerten bei Gemeindebau

Hofriume

ffi nom;i+" [,]-ffi1 Offenttiches cebaude

S - Schute,l'l - Museum

O = synagoge

JI-l ffiffi

I ffi1ffi

liwNaw diolaIr-

@ eftbarinordnuns

VV olfruu,"no,l,"n

f reuuau

Griinfliiche

Baustelle

Leere Parzette

iiiiiiiii;ffi::::::::::::::::::'::'i!liii

=ssiififi#i{iii#,ti.i,;r!;;;;p4i1;r;r;

liffiifi.-a:::t:::t I Ll_t_.

MargaretenstraRe

ffimh rTll.::::t::::::i:i:i:i:i:l

Attb.uten im Besitz dercemeinae I l:f"[Trfiil,[--l sonrtig" Wo h nb"ut"n

@ tutoabstetLn ttitze

Abb.5.25: Wien IV, ,,PLqnquodrat" mit Park

- "Barrieren"zum

Gartenhofuerein

----> Zugang

100 m

ffiffixAbb. 5.26: Budopest,

"Herzeige'rBlock, 1993

175

Page 146: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb. 5.27: Etoppen von

Strl[Sen d u rch b rich e n, Paris

trolte erfolgten durch verschiedene Liegen-

schaftsverwaltun gen bzw. Fachunternehmen.Sie wurden vom 0perativen Komitee des Be-

zirksrats koordiniert und unterstanden derAufsicht des Hauptstiidtischen Rats.

Der Baublock umfaBte auBer der Synagoge,

die bei der Erhebung 1993 noch funktionslos war,zwei weitere dffentliche Einrichtungen, niim[ichdas Industriemuseum und eine Schu[e, welchemit ihrem funktionstosen Nebeneinander die feh-[ende fun ktionelte Sichtweise der B[ockerneue-

rung eindrucksvoI demonstrieren.Der in der P[anung vorgesehene, koltektive

Grlinraum des Innenhofs wurde von der Bevii[ke-

rung nicht akzeptiert. Die Griinflache wurde an

die Schute angebunden. Die durch ,,sozialistischeGentrification" geken nzeich n eten, renoviertenAltbauten sind ebenfatts - was derzeit in Buda-pest noch die Ausnahme bi[det - abgesperrt undfiir Passanten nicht mehr zuginglich.

Die Reduzierung der a[[gemeinen Zugdng[ich-keit von Wohnbauten und Griinftechen zeh[t inBudapest zu den sehr rasch wirksamen Effekten

der Liberalisierung, welche sich in Form von ver-starkter Beachtung von Privateigentum nieder-schlagen. Auch in der ungarischen Metropolekiinnen sich die bisher [.ib[ichen Zwischenformendes halbiiffenttichen Griins nicht halten.

Boulevards und Pletze

Die Funktion von Boulevards

Die ldeabtadte im Sinne des Stiidtebaus haben,

setbst wenn man ihre Variationsbreite ins KatkiiI

zieht, nur einen Bruchteitder Stddte gesteltt. Der

Stiidtebau a[s ordnende Gestattungsaufgabe hat

stets nur einen TeiI der tatsichlichen Stadtent-

wicktung beeinflussen kiinnen. Bereits verhiilt-nismiiBig fri.ih, und zwar ab der Barockzeit, ver-

schob sich der Schwerpunkt auf Teilaufgaben.Dabei ist es, wenn man von sozialistischen Ldn-

dern absieht. im wesenttichen auch bis in die Ge-

genwart geb[ieben.

Die im Barock geschaffene architektonisch-stiidtebau[iche Grundordnung d era rti g er Tei [a uf-qaben mit dem Erlebnis der Raumsteigerung vom

Tor (Auftakt zur StraBe - Platz, Sammtung) zum

Zielbau (SchtoB bzw. sonstiger Monumentalbau)

hat sich mit der Konzeption groBer axialer Durch-

brtiche und Ptatzgestaltungen seit damats be-

hauptet. Die Entdeckung perspektivischer Wir-kungen, von GesetzmiiBigkeiten des Kontrasts

bau[icher Gestattung, der Steigerung und auch

der Harmonie haben ohne Einbeziehung extre-mer vertikaler Dominanten zweife[[os eine Vott-

endung erfahren.Die Entwicklungsreihe gehtvom ersten Auftah

in Rom unter dem Papst Sixtus V., der die Verbin-

dung atler Hauptkirchen durch StraBendurch-briiche und die Neugestattung der Pletze zum Ziel

hatte, bis hin zu den Durchbrlichen der franz6si-

schen Kiinige in Paris. Auf die StraBendurchbrii-che in Form groBartiger Boulevards wurde be-

reits hingewiesen. Die vii[[ige Zerhackung elterer

GrundriBstrukturen, die kaum mehr zu rekon-

struieren sind, istAbb.5.27 zu entnehmen. Seit

Ludwig XIV. hat nahezu jede Generation zu die-

sem Muster von Durchbruchen beigetragen, so

daB auch die Durchbriiche von Haussmann im

Prinzip bereits eltere Vorlaufer besitzen (vg[.

Abb.5.1).Georges Eug6ne Haussmann (1809 - 1891) ge-

lang ats Prifekt von Paris eine ungtaub[iche Lei-

stung. Mit Hitfe des Gesetzes iiber die Sanierung

ungesunder Wohnungen im Jahr 1850 legte er

1853-70 in Paris ein Netz breiter Boutevards

776

Page 147: Die Stadt - Lichtenberger

Boutevards und Ptiitze

.rnd StraBen von iiber 100 km Gesamtlinge an

Jnd fiihrte selbst im historischen Stadtkern

'ldchenhafte Abbriiche durch. Die Antage der'reuen Boutevards verband er mit der Einbrin-

;ung dertechnischen Infrastruktur, von Wasser-

.eitungen, Kanatisation und Gasteitungen sowie:er Schaffung eines iiffenttichen Verkehrsnetzes,zu nichst mit fferdeomnibussen. Gteichzeitig,rurde auch die aus dem 18. Jh. stammende Zotl-

;renze abgeschafft und eine Reihe von 5ied[un-

3en bis zu den iiuBeren Befestigungsanlagen hineingemeindet. Die Durchflihrung des Programms,erschtang die enorme Summe von 2.5Mrd.:'ancs, die als Bankkredite aufgenommen wur-:en.In dieser Periode des Haussmannschen Re-

;'nes stieg die Einwohnerzah Ivon Paris von 1,2:Jf 2 l''lio. Das von Haussmann installierte Prinzip:er Boutevards ats DurchbruchsstraBen vereinig-:e mehrere Prinzipien. Es sottten damitt Truppenbewegungen ermOg[icht.r der Verkehr verbessert,! Stumgebiete beseitigt und

t langs dieser Boulevards die Nobelbauten derBourgeoisie angetegt werden.

i'ese Grundprinzipien im Hinbtick auf die Ver-:esserunq desVerkehrs und derinneren Sicher--eit sowie die bausoziale Aufwertung habenicutevarddurchbri.iche auch zu einem wichtigen

--strument der Umstrukturierung von orientati-::ren Stlidten, aber ebenso zu einem Instrument:e' Neubautdtigkeit in spanischen und latein-: reri kanischen Stiidten werden lassen.

\'lit dem Boulevard hat Haussmann - ohne es

.:raussehen zu ktinnen - auch einen StralSentyp::schaffen, der ats einziger im Autozeitalter dem:- jgiinger eine Gleichberechtigung neben dem:-:ofahrer einriumt. Ansonsten haben FuBgin-

;:'diese Gteichberechtigung verloren, da sie

::enso wie Kinder und J ugendliche auf bestimm-:: Pliitze und ausgeschilderte FulSgiingerberei-:-e verwiesen werden. Uberatldort, wo es keine::T wege mehr gibt, wiein den meisten Suburbs::- ll5A, kdnnen sie den StraBenraum auch nicht-:''r r benutzen.

Aufdas seh r facetten reiche Probtem der Retati-:- von FuBgdnger und Autofahrer in der Stadt::' hier nicht eingegangen, illustriert sei nur die,:';nderung des StraBenraumbezugs durch den

Autofahrer im Vergleich mit dem FuBginger. Es isteinsichtig, daB der Autofahrer nicht nur die De-

taits von Bauten und Geschdften, sondern eben-so die FuBgiinger setbst ausbtendet (Abb. 5.28).

Aufgrund des Wahrnehmungshorizonts vonAutofahrern ist in Nordamerika die Imageanalysevon Stadten entstanden (Lynch 1960). Die wahr-genommenen E[emente der physischen Gesta[tder Stadt sind de facto orientierungshitfen fiirdie Bewegung des Autofahrers im Stadtraum.

Ab b. 5. 2 I : Strol3e nwa h m e h-nung: Fu$gdnger vs. Auto-

fohrer

777

Page 148: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Hiiufigkeit StraBen l<anten

iiberT5 -50-75 -25-50 --

12,5-25 -:--

Abb. 5.29: Dos Inage von

Boston

Abb.5.30: Lo Ploce de

Vend.me von Ludwig xN.in Pois

Hierbei handelt es sich um dom'inante Vertika[-strukturen, Landmarken, Leittinien von Schne[t-straBen und Knoten, zwischen denen amorphe,.graue Ftechen" [iegen, welche der Aufmerksam-keit keinen Anreiz bieten. Es ist einsichtig, daBder einze[ne Autofahrer iiberdies aufgrund seinerBi[dung, seines Einkommens und seines persijn-tichen A ktivitiitsfe tds unterschied[iche Informa-tionen speichert (Abb. 5.29).

Die Funktion von PlStzen

Platze gehoren zum wesentlichen Inventar der

stadtebautichen Substanz. Ubera[[ dort, wo sieauf die mittetatterlichen Marktptetze zuriickge-hen, sind sie nach wie vor wirtschaftliche Zentrenund Mitte lpu n kte stidtischer Aktivitit gebtieben.

Die groBartigsten Pletze in Europa stammenaus der Renaissance bzw. wurden in der Barock-

zeit im Zeichen des aufgekliirten Absolutismus -wie in Paris der Place de VendOme - in bereitsvorhandene bauliche Strukturen hineingesetzt(Abb. 5.30). Zum Unterschied von den mitte[at-tertichen Marktp[;tzen erhielten sie Representa-tionsaufgaben.

Den griinderzeittichen Ptatzantagen, in einemfunktionsneutralen StraBenraster ausgespart,getang es dagegen im altgemeinen nicht mehr,stedtisches Leben an sich zu ziehen. Selbst be-deutende stadtebautiche Konzepte der Griinder-zeit, wie die architektonisch gut getungene, ar-kadengeschmiickte Piazza-Imitation an der Riick-

front des Wiener Rathauses auf der RingstraBe,konnten die Erwartungen beztiglich eines leben-digen Geschlifu lebens nicht erfiilten.

unabhingig von diesen und anderen nicht er-folgreichen, zur Geschichte des Stadtebaus undder Architektur gehiirenden Erwartun gen ist je-doch europaweit - verstarkt durch die Etabtie-rung der Einrichtung von jdhrtich wechselndenKulturhauptstedten - die Festivatisierung des

stadtischen Lebens zu einem neuen, durchaus er-folgreichen Konzept geworden, wetches an dielokate und die von auswarts herbeistrdmendepostindustrietle Freizeitgesettschaft erfo[greichvermarktet wird (Abb. 5.31).

Wenn von einem Wiedeffinden der,,wahren Di-

mensionen des stadtischen Lebens" gesprochen

wird, so sotlte man nichtvergessen, daB die archi-tektonisch attraktiv gestalteten Stadtraume in der

vorindustrie[[en Stadt ats ,,Biihne zur Inszenie-rung der groBen Spektake[" dienten, angefangenvon Hinrichtungen und Hexenverbrennungen,hrchtichen Umziigen, iiber die pompiisen Kut-schenauffahrten bei persiintichen Anldssen des

Herrscherhauses bis zu den im Kirchenjahr fix ein-geptanten groBen Prozessionen. An diesen sehst-verstindtichen Attraktionen des stlidtischen Le-

Knoten District LandmarkeOo+P q V(_,) \, v

0@v

118

Page 149: Die Stadt - Lichtenberger

BouLevards und Phtze

::rs nahmjeder Biirgerin seinem besten Gewand::'.. Der Korso aufbestjmmten Boulevards gehiir-:: zu den Ritualen der adeUgen Gesettschaft und. ::ter der b[irgerlichen 0berschicht.

.'or allem die gro&en Ptetze waren mjt den mi-::rischen Aufmerschen Schauplatze der Macht-

r:-onstration von oben (Abb. 5.32), und sie wa-:- und sjnd auch die Schaupliitze der Reaktion

: :' Biirger, von Revotutionen, Protestmarschen,' --dgebungen atter Art. von Streiks sowie Auf--: -schen zum 1. 14ai usw. In den mediterranen::. dten ziehen sie die abendl.iche Heerschar der- -:erdlichen an. Davon machten setbst kommu-

:'sche Systeme, wie Atbanien. keine Ausnah-:. rlo man die am Tag viitlig leeren, groBen

: ::ze von Tirana am Abend mit zehntausend'=-schen gefii[[t erteben konnte.::raBenparaden in groBen europdischen Me-

: ::oten, setbst in Ziirich, die Verhiiltung des::'::stagsgebdudes in Bertin, K[angwotken in-:, pastetlfa rben e Lichtinszenierungen der: : ze jn Lyon und aufgeriistete Er(ebnisbahnhrj--.::ugen davon, daB die biihnenkonforme Aus-::::ung der Stadt in den iiffenttichen Riiumen

'nmt-.-eichzeitig betegen z.T. bereits Liber das In-

:: --et arrangjerte Diskussionsforen, Experten-. -(statten und Koordinationsausschrisse die,.':isch vermarkteten Bestrebungen der Ent-:-:idungstreger, den BLirger in den Planungs-

, . : :eB zu integrieren. Demokratisierung desse!

::-rstangesagt.:''le Fiitle von Begriffen aus demjournatistisch

.-:': mten Jargon der Ptaner- wie stddtische Le-: -.

- sq uatitat, U rbanitet, Stadtgesta [t usw.- wi rdr - Betroffenen und Entscheidungstregern in-::-schiedticher Weise verstanden und benutzt- l:ragt deshalb nicht setten zur Verwirrung.- zu gegensdtztichen Interpretationen bei.' ": dem Begriff der ,,Urbanitat" verbjnden vie-

. i::Ctbewohner das Bitd einer i.ebhaften Sozia-r ::t irn iiffentfichen Raum und in besonderem

, :: aufden stadtischen Pliitzen.Im Vergteich: ::n iibrigen Kategorien cjffentlicher Riiume: r;s3gen, Grlinraume, Bautiicken, StraBen usw.).::t der stedtische PLatz einerseits Raum fiir

. ': !/ielfalt von tradjtjonelten Nutzungsarten::. B. das Flanieren und die Begegnung. Erjst

Abb. 5.31: Siena, Piozzo delConpo nit Rothaus 1997

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4bb.5.32: Sieno, P[an der Pi0zzo d'elC0mpo

1,7 9

Page 150: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie der Stadt

Abb. 5.ii: Ron, PeterspLotz

1975

Abb- 5.i4: Modid, Plazo

Mayot1972

andererseits auch eine Plattform fiir das Entste-hen neuer StraBensportarten (intineskating,Citybiking, Skateboarding usw,) geworden.

Entsprechend der Ausrichtung bedarf der Ptatz

nunmehr neuer,,Mtib[ierungen", die frei[ich ei-nem raschen WechseI der Mode unterworfen undauf bestimmte Nutzergruppen zugeschnitten

sind bzw. Nutzungsvietfatt stimulieren, unter-stiitzen oder behindern k0nnen.

Nur wenig beachtet wird von den zahlreichenNutzern der architektonische Rahmen selbst,

dessen Erhaltung zumindestin Europa mit griiB-ter Selbstversti ndtich keit von der A[tgemein heiteMartet wird (Abb. 5.33 und 5.34).

180

Page 151: Die Stadt - Lichtenberger

Die dritte Dimension

llie dritte Dimension

Einteitung

Die stadtgeschichte belegt, daB die vedikaleStruktur des Bauk0rpers nicht nur von der Bau-technologie abhdngt, sondern auch von denBauordnungen. Die Uberreste mitte ta tte rtich e rWohnturme in itatienischen Stiidten beweisendies ganz deutlich. Vermuttich wiire in denma ueru msch lossen en, dicht beviilkerten eu-ropiiischen Stlidten bereits in der friihen Neuzeitder Hochhausbau attgemein gebriiuchlich gewor-den, wenn nicht die Stadtrepubliken Itatiens dieAbtragung derartiger Wohntlirme angeordnetheften, um den inneren Frieden der Stedte si-cherzustetten.

Seit dem Mittelalter blieb daher der Symbotge-halt der baulichen Hochstruktur unangetastetmit dem Kirchenbau verbunden. Im fiberatenZeitatter wurde auf der Pariser Weltaussteltung1855 zwar die Hdhe der Stahlkonstruktion desEiffelturms (317 m) viel. bestaunt. Doch btiebsetbst im Bauboom der Griinderjahre das Trauf-niihenprinzip der Bauordnungen unangetastet,fur welches die Bauordnung von Paris 1795 mit25 m Traufhohe das Vorbild gesetzt hatte.

Die Vertreter der Citybitdung konnten in Euro-ra einen Hochhausbau nicht durchsetzen. DieDurchsetzung gelanq den Exponenten der Wirt-schaft nur in Nordamerika, wo sie darin wett-eiferten, die okonomische Kapazitdt und zu-gteich fi nanziette Stabilitet ihrer Unternehmen ineinem sich gegenseitig [iberbietenden Wolken-<ratzerbau zur Schau zu stellen. Der enorme Ein-satz von KapitaI erforderte freilich auch eineSuBerst rasche Amortisierung und enorme Stei-gerung der Grundstiickspreise und Mieten. Dieivolkenkratzer werden damit zum Spiegetbitd'ur die gteichsam in den Raum projizierte Verti-<ale der im Stadtzentrum enorm angestiegenenGrundstlickspreise.

Grundsdtztich unterscheidet sich von dieserYerwendung des Wolkenkratzerbaus fiir die Re-Dresentanz von Wirtschaftsunterneh men diestiidtebautiche Verwendung von Hochbauten inehemats sozialistischen Liindern. Hier iibernahm

der Hochbau monumenta[e reprasentative Auf-gaben im Verband einer gesamtstedtischen Kon-zeption und hatte die Funktion, politische undkulture[[e Werte (Kutturheuser, Universitiitenu. dgt.) zu akzentuieren (Abb. 5.35).

Die Standorte des Hochhausbaus

Die Verortung des Hochhausbaus in Europa un-terscheidet sich grundsdtzlich von der in Nord-amerika. Dort reflektiert die Vertikalstruktur derSkytine den Gipfet der Bodenpreise in der Stadt-mitte, wehrend umgekehrt in den europ;ischenStidten unter dem EinfluB des Denkma[schutzesund dem Druck der tiffenttichen Meinung dieStadtmitte von Hoch hdusern ausgespart bteibt.Damit halten die neuen Landmarken der Banken,Versicherungen, GroBkonzerne und Hotets einenRespektabstand zu den traditione[[en Landmar-ken der Kirchen, Ratheuser und Schttisser. AusGr0nden des Anschtusses an die Hauptstriingeder Ent- und Versorgung etablieren sich Hoch-hiiuser in den Narbenzonen der sHdtischenVerbauung vor a[[em dort, wo traditionelte Bau-

Abb. 5.35: WoLken krotzer-si lho uette von e u ropiii schen,n orda mei koni sch e n u n d ru s-

si sch en Mi Lli o nen stiidten

Europaische Stadt

Russische Stadt

Nordameri ka nische Stadt

ffi ilf*sLd, r--- Efflti#::' I ff;fll",'"T* F;-l 9"5:",,,n

181

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Die Anatomie der Stadt

ktassen aneinanderstoBen und ehema[ige Stadt-grenzen durch Freifliichen oder niedrige 0bjektenachwirken. Hiiufig markieren neue stadtebauti-che Dominanten nicht nur den Rand der Altstadt.sondern in zentripetaler Weise auch die Eingiingezu alteren Vorstadten und Vororten. Mit dem An-steiqen der Bodenpreise wird der Hochhausbauimmer starker ein E[ement von 5tadtrand- undSatetlitensiedtungen.

Entsprechend der Stadtgr(iBe bestehen cha-rakteristische Unterschiede in bezug auf GrdBe

und Standort der Hochhiiuser. In Miltionenstiid-ten kennzeichnen Hochbauten die Wachstums-front des zentralen Geschiiftsbezirks, durch den

Nahverkehr stark frequentierte Bahn htife, dieKnoten der stadtischen Massenverkeh rsmitteI so-wie Austieger der City, ferner sind sie zu einemInstrument der Stumsanierung geworden.

In den Mittebtadten fehtt im allgemeinen dieStadterneuerung durch Hochbauten, und in den

kteinen Stadten sind Hochhiiuserin der Rege[einKennzeichen neuer Wohnanlagen am Stadtrandund auf diesen beschriinkt.

Der Wolkenkratzerbau

Hoch h a u s u n d jUolke n kratze rHochhaus und Wotkenkratzer werden in der Lite-ratur nicht exa kt getrennt. FaBt man al,s Hoch-hiiuser alle 0bjekte auf, we[che die Traufhiihe derBauklassen deuttich 0berschreiten, so sind be-reits nach dem Ersten Weltkrieg in einzelnenGroBstiidten Europas derartige Objekte entstan-den. Sie haben sich in der Nachkriegszeit bis indie Mittelstadte und selbstin K[einstadte ausge-breitet. Die europdische Stadtentwicktung ist da-mitim 20. Jh. durch eine Top-down-Ausbreitungvon Hochhdusern gekennzeichnet.

Bereits in der Zwischenkriegszeit hat Nordame-rika das,,gotdene Zeita[ter" des Wotkenkratzersertebt und eine neue vertika[e Si[houette errich-tet. Die Hochhausentwicklung in Europa ist daherauch nicht mit der amerikanischen Wotkenkratzer-entwicktung zu vergteichen, weiI die Vergteichs-objekte verschiedene verti ka [e MaBe aufireisen.

Setzt man eine Marke von i100 m ats Hiihen-unterqrenze fiir Wolkenkratzer an, so gelangt

man zur Aussage, daB objekte dieser Hiihe bis-her in Europa eine Raritit gebtieben sind.

Die Entwicklungspeioden in Nordomei kaDer Wotkenkratzer hat das Image der nordameri-kanischen Stadt gepragt. Mit dem Aufbau einerWolken kratzersi [houette haben sich die groBen

Metropolen sichtbar profitiert, a[[en voran New

York und Chicago, qefolgt von Boston, Philadel-phia, San Francisco und den Aufsteigern Daltas,

Houston und Attanta.Schuetter (1990) unterscheidet unter Bezug

auf die technischen Fortschritte und die Archi-tektur fo[gende Generationen der Wolkenkratzer

in den USA (Abb.5.36, Abb. 5.37):

Stadt Jahr Gebiude Zahtder Fu[!Geschosse

Chicago

Chicago

Chicago

Chicago

7872

1883

1888

1891

Porttand-Block

Montauk-B[ock

The Rookery

Monadnock-Gebiude

6

10

77

76

NewYork

NewYork

NewYork

NewYork

NewYork

1908

1909

7973

1931

7932

Singer-Gebdude 47 674

Metropolitan Life Ins. 50 615

Wootworth-Gebdude 60 79?

Empire State Building 102 1250

Chryster Buil.ding 17 1045

Chicago 1974 Sears Buitding 709 7454

Abb.5.36: Generqtionen der Wolkenkrotzer in den UsA

1) Die erste Generation gehiirte dem letzten Vier-

tel des 19. J h.s an und war durch ihren Experi-

mentiercharakter gekennzeichnet. Der techni-sche Fo rtsch ritt fti h rte zurStahtsketettbauweise

mit freistehenden Tiirmen sowie vom dampf-getriebenen Aufzug zum hydraulischen und

schtieB[ich zum elektrischen Aufzug. Die Archi-

tektenschute von Chicago setzte die MaBstiibe-

2) Die zweite Periode begann im 20. Jh. Der .,iiko-nomische" Wolkenkratzer begann sich heraus-

zubilden. Der Schwerpunkt der Bautatigkeit

NewYork 1972 Wortd Trade Center 110 1358

782

Page 153: Die Stadt - Lichtenberger

0ie dritte Dimension

!il:

Singercebaude Metropolitan Life Ins. Tower Wootwoth-Gebiiude th ryster Euitdinq Empire State Buitding

verschob sich nach NewYork, wo mit dem Sin-ger Building und dem Metropotitan Life Insu-rance Tower bereits vor dem Ersten Weltkriegein deutlicher ,,Sprung in die H0he" getang.Zum erstenmaI wurden historische Turmmode[-te nachgebitdet. Der gotische StiI wurde 1913beim Woolworth Buitding verwendet, welchesoft als die,,Kathedra[e des Commerce" bezeich-net und ats erster,,echter" Sryscraper geprie-sen wurde. Durch die mehrgtiedrige Strukturhat der Architekt Saarinen vermutlich die Revi-

sion des New Building Code (1916) mit der De-

finition des Setback-Towers beeinfluBt, durchdessen Form Belichtung und Beti.iftung be-nachbarter Lagen gesichert werden sottten.Knapp nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieScyscrapercity von Architektur und Stadtpta-nung bereits ats Symbot der amerikanischenStadt und ats Grundtage der stiidtischen Ord-nung angesehen. Nur ein Jahrzehnt spdter hatLe Corbusier als Reaktion auf die StraBen-schluchten in New York seine in Griinantagen

eingebettete Wolkenkratzerstadt kreiert. Inder Zwischenkriegszeit wurde bei den Wotken-kratzern vielfach der Art-d6co-5til a [s Verklei-dungsetement verwendet, unabhingig von derinneren Struktur. Hierher gehiiren das Chrys-

ler Building und das Empire State Building, dem

es getang, 40 Jahre [ang den Rekord zu halten,das hochste Gebdude der We[t zu sein. Es wardies die Krtinung des goldenen Zeitatters des

amerikanischen Wolken kratzerbaus, Lineare,geometrische Muster driicken Funktion, Effi zi-enz und 0konomie aus, gtorifizieren Materiatis-mus und Business. Wolkenkratzer werden fUrGroBunternehmen Symbol und Werbung zu-gteich.

3) Vorziigtich ausgestattete und sicher funktio-nierende Wolkenkratzer waren das Resuttatder dritten Periode des Wotkenkratzerbaus, wet-che nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Ats

Hauptvertreter entstanden das World Trade

Center in New York und das Sears Buitding inChicago.

Abb. 5-37: Be lhnteWolkenkrotzer in den USA

183

Page 154: Die Stadt - Lichtenberger

Eiffetlower

Abb. 5. i8: WoLkenkratzer-

si Lhouetten von europiii-sch en, n ordon ei ko ni schenu nd russi sch en l,li LLi o nen -stiidten

CNTower TransnrlsslonTow€t

Toronto Warschau1915 79741815', 2108'.

Chryster AmocoBuitdingNewYork Chic.qo1930 19731048', 7736'

Paris18989a4',

Die Anatomie der Stadt

4) Nach einer gewissen Zesur bietet in der ge-genwiirtigen vierten Periode Art d6co erneuteine Inspirationsquelte.

Die Errichtung von Hochhiusern beinhaltet aufeinem privatkapitatistischen Grundstlicksmarktstets stark spekulative Etemente. Da die Fertig-stetlung von Wotkenkratzern meist einige Zeitbeniitigt, kann inzwischen eine Marktsiitti gun g

eintreten. Musterbeispiel hierfiir ist das EmpireState Buitding in New York, der groBartige Ab-schtuB des Wolken kratzerboo ms derfrlihen 3OerJahre, bei dem von seiner Fertigste[lung im Jah-re 1931 bis zur vo[stiindigen Vermietung der zurVerfligung stehenden BiirorS um [ich keiten 11Jahre vergingen. Auf das gegenwartige Probtemder Wolkenkratzercity in Nordamerika wird im Ka-pite[ ,,Biirosektor" ei n gega ngen.

Die Wolken kroaersi lho u efteder USA ols sozioiikonomischer IndikotorIn Europa liiBt sich die tikonomische Bedeutung

John Hancock 8an* Empire State Wortd Trade Sears TowerIowd ofchine Buitdilg CenterChicigo Hong (ong NewYork NewYork Chicago1968 1968 1931 1972 79147727', 1209', 7250', 1368' 7454'

einer Stadt nicht aus der Hochhaussithouette ab-lesen. Wenn in Frankfurtam Main Wolkenkratzererrichtet werden, in Miinchen und Hamburg je-doch nicht, dann kann man daraus - anders a[s inden USA - keine Riicksch [[isse auf die Wirtschafu-kraft ziehen, sondern nur vermuten, daB juristi-sche und menta[e Barrieren gegeniiber dem Wo[-

ken kratzerbau bestehen.Es stettt sich die Frage, ob die Wolkenkratzer-

sithouette in den USA als sozioiikonomischer In-dikator getten kann. Im fotgenden hierzu dieAntwort: Die Metropolitanisierung der Bevii[ke-rung iiuBert sich in Form einer klaren Zweiteilungin kteinere und grtiBere Metropoten, wobei dieEinwohnerzahIvon 1,5 Mio. Einw. dieTrennmar-ke bildet, ab der die ZahI von 8 Wolkenkratzerngteichsam obligatorisch wird.In den kleinen Me.

tropolen besteht kein Zusammenhang zwischender ZahI der Wolkenkratzer und der Einwohner-zah[. Metropolen mit 1Mio. Einw. weisen einenbis sechs Wotkenkratzer auf. Der AnteiI der Afro-

784

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Die dritte Dimension

:nerikaner variiert in einer Bandbreite von nahe\ rLI bis 70 %, auch sonst ist die sozioiikonomi-,i:he Strukturierung sehr unterschiedlich.

1n den Metropolen mit mehr ats 1,5 Mio. Ein-nohnern besteht andererseits ein signifi kanterirsammenhang zwischen den Wolkenkratzern

- - d der Einwohnerzah [: Die Zahl der Wolkenkrat-:er steigt mit der EinwohnerzahI an. Interes-::rterweise ist der Zusammenhang mit der Ein-,:hnerzahtder Kernstadte weit schwacher aus-::priigt. Dies ist ein ktarer Hinweis auf deren un-::.schiedtiche Situation, wetche als Verfall oder-:uer Aufstieg am Beispiel der Downtown von:etroit und Los Angeles beschrieben worden ist.

Ein interessanter und gleichzeitig i.iberra-::render Zusammenhang besteht zwischen derl:rtder Wolkenkratzer und der ethnischen Zu-::'imensetzung der.Bevtilkerung. Die Aussage

=rtet: Je mehr Wolkenkratzer eine groBe Metro-::.e aufweist, desto hiiher ist der Anteil der-'.htweiBen Beviilkerung. DieseAussage bedarf:'-er Interpretation, weiI darin das Paradoxon::' wirtschaftlichen Kapazitet, gemessen an derl:-tder Wotkenkratzer und der Dominanz einer,t : hnbev6tkerung mit unterdurchschnitttichem:'-kommen, die nicht ats Verursacher des Wot-.:-kratzerbaus angesehen werden kann, ent--: -:en ist. Die Aussage ist deswegen brisant, weil: : sich nicht nur auf die Kernstadt, sondern auf:': gesamte Metropotitane Region bezieht.

lamit getangen wir zu der Feststetlung, daB- :rt mehr nur eine Suburbanisierung, sonderni -e Exurbanisierung der weiBen Bevtitkerung: -: den groBen Metropotitan Areas erfolgt, die- : der Entstehung von Edqe Cities in einem Zu-:..-menhang steht. Der ,,Prod u ktio nszyk[us" der,r:.kenkratzer in den Downtowns der meistenv::ropoten ist an einem Wendepunkt ange[angt.

- . lvotkenkratzer sind das Symbol des Hiihe-: -- kts der Wirtschaftskraft der Downtown, der-:.rischen im a[[gemeinen iiberschritten worden::. Die [ange Zejt miigliche, eine phantastische-:-e erreichende Steigerung von Bodenpreisen

--: Mieten ist beendet. Zwar werden ats Ergeb---: eines Wirtschaftsbooms bei gteichzeitig nied--:em Zinsfuli immer noch Wolkenkratzerin ein-:: -- en 0owntowns errichtet, ihre Rentabititet ist:::ch in Frage gesteltt. In den Edge Cities be-

gniigt man sich mit,.niedrigeren Hochhdusern"und niedrigeren Mieten. Diesen gehiirt die Zu-kunft.

Die . R iic kstii n di g keit" Eu ro po sTraditionetle stiidtebau[iche Leitbilder, Bauord-nungen und Vorsteltungen iiber das Image vonStiidten haben den Wolkenkratzerbau in den eu-ropiiischen Stedten bis zur Geqenwart heraufweitgehend verhindert. Erst an der Wende vom20. zum 21..Jh. ist in Deutschtand wieder eineDiskussion dariiber entbrannt, nachdem sichFrankfurt in der Nach kriegszejt zur bisher einzi-gen Wolkenkratzerstadt Kontinenta[europas ent-wicke[t hat.

Im Vergleich zur globaten Ausbreitung desWotkenkratzers in alten ehema[s dem Common-wealth an gehirrenden Staaten, in Lateinamerikaund in vieten Metropolen Asiens sind Wo[ken-kratzer von amerikanischen Dimensionen in deneuropiiischen Metropoten bisher eine Ausnahmegebtieben. Es fehtt nicht nur, von wenigen Stand-orten abgesehen, die Nachfrage auf dem Immo-bilienmarkt, wetche die hohen Investitionenrechtfertigen wiirde, sondern es bestehen nichtzu unterschatzende mentale Barrieren bei denEntscheidungstregern. Es ist derzeit schwierigabzuschiitzen, ob diese kiinftig abgebaut werdenkOnnen oder ob unter dem 0ruck der Freizeitge-settschaft und des Stadttourismus, vereint mitder griinen Bewegun g die historisch-architekto-nisch wertvotlen Innenstadte auch weiterhin fiirden Wotkenkratzerbau tabu bleiben werden.

Selbst Weltmetropolen wie London und Parishaben noch keinen H och hausentwicktungsplanbeschlossen. wie dies 1999 in Frankfurt mit denStimmen atler Fraktionen geschehen ist. Zwarsind in London seit der Beseitigung der Hiihenbe-schrdnkungen (1963) in wachsender ZahI Hoch-heuser entstanden, nur etwa ein Dutzend iiber-schreitet jedoch die genannte Marke von 3OO

FuB. Ahntiches gitt fi.ir die Kernstadt von Paris.

D a s Fro n Au fter Wo lke n kratzerm ode llFrankfurt am Main ist das Bankenzentrum vonDeutsch[and und hat durch die Etab[ierung derEuropiiischen Zentratbank andere kontinentateu-ropiiische Konkurrenten iiberrundet. Das 1997

185

Page 156: Die Stadt - Lichtenberger

Die Anatomie derStadt

errichtete Commerzbankgebeude ist mit 259 m

derzeit das hiichste Biirohochhaus Deutsch[ands.Freund hat 1999 drei Hochhausgenerationen un-terschieden, von denen die erste in den 50erJahren die Htihe des Doms (95 m) nicht erreichthat, ebenso wie die Objekte der 60er Jahre, vondenen eine erhebtiche Anzah I inzwisch en entwe-der totaI saniert oder bereits abgebrochen (l)wurde. Erst die 70er Jahre generierten einigeWotkenkratzer, wie den Attbau der Commerzbankund den Turm der Hessen-Thiiringischen Landes-bank. Mit der dritten Generation setzte der ,,ex-travagante" Wolkenkratzerbau mit postmodernerArchitektur ein. Insgesamt [istet Freund in Frank-furt 20 Wolkenkratzer auf. Nichtsdestoweniger,,wire es unrichtig, in Frankfurt von einer ameri-kanischen Stadtstruktur zu sprechen". Die Wot-kenkratzer stehen in beachtlichem Abstand von-

einander. Dank der bautichen Kontinuitet zurAttstadt und der Wa[[grlinflichen besteht ein ,,at-traktives Frei[ichtmuseum moderner B0rohausar-chitektur" (Freund 1999, S. 102).

Frankfurt besitzt unter den deutschen GroB-stedten eine singuldre Position. In den beidennach Berlin gr0Bten Stiidten, Hamburg und Miin-chen, ist die Errichtung von Wotkenkratzern durchkommuna[politische Entscheidungen bisher be-wuBt verhindert worden. Die Argumentation istbekannt. Sie [autet, daB die traditionsreiche Silhouette mit dem Image der Stadt verbunden istund durch ihre iisthetische Einma[igkeit nicht nurdie Identifikation der Einwohner bewirkt. son-dern auch einen iikonomischen Wert fiir dieStandortwahlvon Unternehmern und den Stddte-tourismus darste[[t.

186

Page 157: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesellschaft

Uberbtickt Das KapiteI bietet eine historisch-komparative Analyse der stiidtischen Wohnbauformen und ih-

rer spezifi schen soziaten 0rganisation.r Die historische Kette der Wohnbauformen beginnt mit dem Hofhaus, we[ches seit der Antike bis

zu modernen Wohnanlagen immer wieder Neuauftagen erlebt hat. Der Wohnturm ist dagegen einkurzfristiges Im portprodukt feuda [er 0berschichten des Agrarraumes im Mittetatter, wiihrend dasBiirgerhaus ebenso wie das spiitere kontinentateuropeische Mietshaus Eigenschiipfungen dereuropiiischen Stadt darste[en und flir a[[e Beviitkerungsschichten gebaut wurden.

r Die historische Dichotomje von Einfamitienhaus und Massenmietshaus bietet die Grundlage fiirden Nord-Siid-Vergteich in Europa ebenso wie fi.ir einen Vergteich zwischen den USA und Konti-renta[europa.

t Die Aufspaltung der Wohnfunktion in Europa ats schichteniibergreifendes Massenphiinomen desZweitwohnungswesens der Gegenwart liiBt sich iiber das biirgertiche Landhauswesen im 19. Jh.zur Vitteggiatura in der Toskana und bis zur Vitta und Vitteggiatura im Rtimischen Reich zurijck-verfo [gen.

r Historische und aktuetle Unterschiede derSegregation im Wohnhaus werden thematisiertats- 5chichtenmodettvon Wohnkarrieren,

- 'm Hinblick auf horizontale und vertikale Segregation in den Mietsheusern und- Jnter Bezug auf die Wohnungen hinsichttich 0ffenttichkeit und Privatheit, demographischer Se-

g regation, innerer Zugtingtichkeit und ihrer Funktionalitiit a[s moderne Wohnmaschine.

Abb.6.1: Hundeftwasserhaus, Wien

787

Page 158: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Geseltschaft

Einleitung

Zwei Begriffe stehen in der Kapiteli.iberschrift:Wohnraum und Gesellschaft. Sie stehen fiir denzweigeteitten Aufgriff des Themas. Es geht er-stens um die Frage nach den stiidtischen Wohn-bauformen im Rahmen einer historisch-kompara-tiven Anatyse und zweitens um die riumticheAnordnung und Einbindung der jeweiligen Ge-

seltschaft in den Wohnraum der Stadt auf der Mi-kroebene von Wohnhiiusern und Wohnungen.

Einen Zugang zum Thema bieten die Aussagen

von Aristotetes. In der griechischen Potis war dasHaus des Biirgers ein Eigenhaus, fiir dessen Er-richtung er fotgende vier ,,U rsach en" a ngab:

An erster Stel[e steht die cousafnafis, d. h.der Zweck, zu dem ein Haus erbaut wird. Damitwird in die Zukunft hinein gedacht, und zwar ineinem aus der Generationenfotge resultierendenZeitbegriff. Diese zukiinftige Funktion des Hauses

wirkt ihrerseits auf a|,[e Entscheidungen, die mitdem Bau des Hauses zusammenhdngen, zurlick.

Die cousa efficiencio umfaBt die Aussagen

iiber die Mittet, d. h. iiber den Einsatz von KapitaIund Arbeitskraften, mit denen das Haus gebautwird.

Ferner bedarf es der causa formalis, des Bau-plans, der auswdhtend die l{aterialien ordnentiiBt, die als cousl mateialis ebenfatts beimHausbau notwendig sind.

Erweitert man das Beispie[ durch die Einfii-gung einer Anderung der Geseltschaftsstruktur,so kiinnen sich Zwecke und Mitteleinsatz und da-mitdie Funldion des Hauses dndern.

In die wissenschaftliche Sprache der Gegen-wart iibersetzt, geht es um die Frage nach derinstitutionelten 0rganisation der Bautetigkeit,d. h. nach den Bautriigern, es geht um die Wohn-formen und Wohnverhiiltnisse der Beviitkerungund schtieBlich um die Kapita[aufbringung.Einige Zusammen hiinge seien aufge[istet:1) Die historischen Wohnverhiiltnisse bitden die

prlziseste MeB latte fiir die,,sozia[e Distanz"zwischen spezifischen Sozialschichten. Den ineinem potitischen System fiihrenden soziatenSchichten gelingt es stets am besten, ihreWohnvorstettungen zu realisieren. Legt man

die Konzeption des Eiqenhauses zugrunde, so

kttnnte man in diesem Zusammenhang eineListe vom Eigenhaus des Rdmischen Reiches

(domus) i.iber das Patrizierhaus des Mittetat-ters, den barocken Adetspatast bis zurVilta derGriinderzeit aufste[[en. Die Identifi kation miteinem eigenen Haus istjedoch im VertaufdesWachstums der Stidte grundsiitzlich immerweniger Menschen m69lich gewesen. Derart

zieht sich auch die Umwand[ung des Eigen-

hauses jn das Mietshaus durch die Stadtge-schichte. Sie beginnt, wie gezeigt werden

wird. bereits im antiken Rom.

2) Bei den Wohnvorstetlungen kommt es fernerin zeitticher Fo[ge hdufig zu einer partietlenUbernahme der Leitbitder der oberen Schich-ten durch mittlere und schlieBlich untereSchichten.

3) Nur in den Spitzenprodukten des Wohnbaus

wird die Ebene architektonisch-kiinstterischerLeistung erreicht, wihrend die Masse der Bau-

ten stets in konventionetlen Vorsteltungen

bzw. standardisierten Formen verbleibt.4) Die Ausbreitung von bestimmten Wohnbaufor-

men kann - Shntich wie bei anderen Kutturgii-tern - auf zwei Ebenen erfolgen: a[s regiona-ler Ausbreitungsvorgang und in Abhiingigkei:von der StadtgriiBe. Wiihrend die kteinererStedte von kapitataufwendigen Bauten nich:erreicht werden. besteht in den nach de'StadtgriiBe obersten Riingen stets die grdBteVietfa[t an Formen.

Im fotgenden wird unter dem Begriff,,Eigen-haus" ein Dachbegriffverstanden, der das eigene

Haus bezeichnet, welches sowohIeine Vilta, ei'Bungatow, ein Einfamilienhaus, aber auch ei'Reihenhaus, eine Domus oder ein mittelatterli-ches Bi.irgerhaus sein kann.

Wohnformen sind Etemente der regionalen ur:nationaten Kulturen. Wie im gesamten humar-wissenschaft [ichen Bereich ist die Begrifflichke':nicht be[iebig iiber Sprachgrenzen hinweg trans-portierbar. Aber auch innerhalb des deutsche-Sprachraums sind gewisse Beqriffe fiir Wohnbau-

ten, aber auch fiir Einzeletemente eines Wohr-hauses nicht aLtgemein gebriuch[ich. Die be-

kannten Nord-Siid-lJnterschiede in der Idiomat.der Sprache duBern sich auch auf dem Gebiet ce-Bau- und Wohnkultur.

188

Page 159: Die Stadt - Lichtenberger

Historische Wohnbautypen

Historische Wohnbautypen

0berbtick

Die Frageste[ung des Kapitels ist ambitioniert.Sie lautet: Wetche Grundformen des Wohnenslassen sich in der Stadtentwicktung verfotgen?Gibt es nur einen oder mehrere Stammbdume vonivohnbautypen? We[che Wohnformen haben diemeisten Ableger und Veriste[ungen, welche wei-sen nur eine kurzfristige Existenz auP In we[-chem Zusammenhang stehen die Wohnformenrit der rlumlichen 0rganisation der Gesetlschaft?tVe[che Innovationen erfotgen in Zusammenhangnit den Anderungen von potitischen Systemen?

Die Ausfiihrungen werden durch Grundrisse er-gi nzt, bei denen ein. ein heitlicher P[anmaBstabCen prezisen metrischen Vergteich gestattet. siesind auffo[gende Grundformen des Wohnens undCeren Entwicklungs[inien zentriert:1) Die atteste Wohnform der Stadt ist das Hof-

haus, wetches die Grundform des Wohnens inden alten Hochkulturen bitdet und im 0rientwie auch in China bis in die Gegenwart tradiertworden ist. Das Hofhaus wurde von der grie-chischen Potis iibernommen und im RiimischenReich weiterentwicke[t. Hier ist es einerseitsin soziaI differenzierter Form als Eigenhaus er-richtet und andererseits bereits zum Miets-haus ausgebaut worden.Mit der Kotonisation haben es die Spanier undPodugiesen als sogenanntes Patiohaus nachLateina meri ka exportiert.Ats Innovation erscheint das Hofhaus im deut-schen Sprachraum in der Renaissance a[s arka-den geschmiickte Wohnform gehobener Bev6[-kerungskreise und entwickett sich weiter iibergeistliche Stiftshtife bis heraufzu den kommu-naten Wohnhiifen des Munizipa|,soziatismus.

2) Der zwejte Grundtyp des Wohnens, der Wohn-turm, hat in SHdten nie jene Bedeutung er-[angt wie der Wohnhof. Er kennzeichnet atsfeudales Wohnetement die Friihzeit itatieni-scher Stadtstaaten, die sich damit sehr we-sentlich von den Biirgerst5dten im Norden derAtpen unterschieden.

: ) Das Grundelement der europ;ischen Stadt bi[-

detjedoch das Biirgerhaus, welches ebensowie a[[e anderen Grundformen des Wohnensein soziates Setvon Typen entwickett hat. Vondiesem Biirgerhaus gehen mehrere Entwick-tungsreihen aus:

r Eine Linie fiihrtin Nordwesteuropa zum Townhouse und zum Etagenhaus, in dem gelegent-[ich schon Stockwerkseigentum praktiziertwurde;

I eine weitere fUhrt vom Ackerbiirgerhaus zumVorstadt- und Manufakturhaus und

r eine dritte, ebenfalts im Nordwesten Europas,vom Kleinhaus zum Back-to-back-Haus sowiezum Einfami[ienreihenhaus.

4) Der Adetspatast ist iiberat[ dort ein weiteresGrundelement von Stedten, wo diese Resi-denzfunktjon ertangen konnten. Auf die Be-deutung der Urbanisierung des Adels fiir dieStadtentMcklun g von Kontinenta[europa wur-de bereits hingewiesen.

5) Das kontinentateuropeische Mietshaus ist dasGrundelement der jiin geren Stadtentwicklungund hat mehrere nationale und ebenso archi-tektonische und soziate Auspriigungen erfah-ren. Es bildet das SchtuBgtied in der Reihen-hausverbauung der kompakten Stadt.

In der offenen Verbauung rings um die kompakteStadt sind seit dem 19. Jh. weitere Grundelementedes Wohnens entstanden, die Rei hen haussied[u n-gen und die Wohnantagen sowie die freistehendenEinzelobjekte von der Vitta iiber den Bungatow biszum Cottage. Wiihrend bis herauf ins 19.Jh. imZuge der Vorstadtbildung die Wohnformen derStadt in dje Vorstiidte .,exportiert" worden sind,fi ndet im Gefo[9e von Stadterneuerun g und Stadt-umbau nunmehr ein umgekehrter Vorgang statt,insofern, als Wohnan[agen des Stadtrands 5[um-quartiere der Innenstadt ersetzen und im Zugedes ,,in-fitting" rings um amerikanische Down-towns nunmehr Reihenhausantagen im Vorfetdder Hochhiiuser der Downtown entstehen.

Das Hofhaus der alten Stadtkulturen

Bereits im Rahmen der Behandlung der antikenStadtkulturen wurde auf das Hofhaus hingewie-sen. Es handelt sich dabei um die iilteste Wohn-

189

Page 160: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Geseltschaft

CrossSection

s

form in Stadten. Sie ist bereits in der altorientaLi-schen Stadt betegt (Abb. 6.2), tritt aber auch inder chinesischen Stadt auf (Abb. 6.3). Im fotgen-den wird auf das Hofhaus in den Stiidten des Rii-

mischen Reichs ausflihrlicher eingegangen.

Das fiimische HofhousDas riimische Hofhaus tritt uns in zwei Ausprli-gungen entgegen, ats Eigenhaus und als Miets-

haus. Die ein- und zweigeschossigen Hofhauser

des Mittetmeerraumes sind archiio[ogisch durch

Ausgrabungen, vor a[[em in 0Lynth und Pompeji(Bri,dner 1989, zanker 1995), sehr gut doku-mentiert und in der Entwicktung vom sogenann-ten Postahaus zum Atiumhous mit spaterer Er-

weiterung m PeisAlhaus bestens betegt. Die

Ausgrabungen bieten ein idylisches BiLd der do-

mus, des Stadthauses der rtimischen Patrizier.

Das Potrizierhdus: die DomusBereits im 4. Jh.v. Chr. ist die Gestattung des

Atriumhauses festgelegt, von dem wir mehrere

Beispie[e noch heute in den kampanischen Stiid-

ten besichtigen kiinnen. Das Haus war viitlignach innen gerichtet, fatts sich an der AuBensei-

te Fenster befanden, so waren sie ktein und unre-

getmiiBig angeordnet. Das Atrium war nicht nur

das rdumliche Zentrum, sondern auch die Haupt-

tichtquette fiir die Zimmer. Es war iiberdacht, at-

terdings wies das Dach in der Mitte eine i)ffnung

auf, das sogenannte compluvium, unter dem ein

Bassin. das impluium, [ag, in weLchem das Re-

genwasser gesa mmett wurde. Das Woh nhaus wur-

de von der StraBe her durch ein restrbalum (Vor-

ptatz vor dem Haus), das spiiter in den Baukdrper

einbezogen wurde und zwischen den zur StraBe

h'in gedffneten leden (tobernoe) [ag, betreten.Haustiiren (ranaae) schtossen den Wohnbereich

vom iiffentlichen StraBenraum ab und Fture (fou-

ces) fiihrten in die Ha[[e des Atrium. Zu beiden

Seiten des Umgangs schtossen sich Rdume mit

mehr oder weniger breiten ()ffnungen zum Atrium

hin an, die in den meisten Fiilten wohl mit Vor-

hengen, settener mit Hotztliren, geschlossen

wurden (Schtaf- und spiter auch Wirtschafukam-mern). Die Ftiigetraume (aloe), zur Halle vott-

stiindig geiiffnet, bildeten hier den Absch[uB der

Zjmmerreihe. Gegenilber der Eingangsseite lag

eine Zimmerreihe, deren Riickfront auf einen

kteinen Garten ging (Abb. 6.4).In der Mitte b+fanden sich das toblinum, seitlich davon ein

schmaler Durchgang und je ein bis zwei Rdume,

deren Verwendungszweck nicht immer eindeutig

identifiziert werden konnte (Abb. 6.5). Bemer-

kenswert ist die Ht he der Badekultur, we[che bis

heute nicht errejchtworden ist (Abb. 6.6).Ats der heltenistische EinfluB in der riimischen

Kuttur stiirker wurde, der Reichtum und mit ihm

die Anspriiche an die Lebenshaltung wuchsen,

wurde das Atriumhaus durch den PeristytteiI er-

weitert. Dieses riimische Haus ist- dies ist ein we'

sentlicher Unterschied zum griechischen Haus -in hiichst bewuBter Weise auf Blickachsen ange-

legt. Derart gewihrt es auf der dem Eingang ent-gegengesetzten Seite einen kunstvot[ gestatteten

Ausblick in den Garten, den hortus, bzw' in den

von Siiulen umgebenen Gartenhof, das Peristyl-

Auf den Ubergang vom iiffentlichen zum pri-

vaten Raum im r6mischen Haus wird noch beson-

Ab b. 6 - 2 : ALtoi entolischesHolhous

Abb.6-3: Chinesisches

Hofhous

S.htaf- f,--,-- ---.

190

Page 161: Die Stadt - Lichtenberger

ders eingegangen. Es ist schwierig, mit dem heu-tigen Begriff von Privatheit der Wohnung, ge-schiitzt durch den Gesetzgeber, die Situation derriimischen Geseltschaft zu charakterisieren. Heu-

te besteht nur wenig Raum ftir den. Empfang vonGiisten und die Representation nach auBen hin,wetche zum Wohnen der riimischen oberschichtgeh6rten.

0 d s rdmi sche ltietsho u sWiihrend in Stedten wie Pompeji Hofhduser alsEigenheuser, von Luxusbauten bis zu einfachenFl.achbauten der Kteinbi.irger hin, noch um die Zei-

tenwende in griiBerer Zah[ vorhanden waren,!a/urde mit dem Anwachsen Roms und der i.ibrigenG roBstidte infotge der dadurch bedingten Verteu-erung von Grund und Boden der mehrgeschossi-ge Mietshausbau in der Kaiserzeit die Rege[. Dieneueren Ausgrabungen in ostia und Pompeji zei-gen meist Mietshiuser mit 3 und 4 0bergeschos-sen, vielfach nach der StraBe hin mit Balkonsund Loggien ausgestattet, mit Leden im Erdge-scho& und Grundrissen, die vom GrundriB desheutigen Etagenhauses nicht mehr atlzuweit ent-fernt sind (Abb. 6.2 Abb. 6.8).

Anders war die Situation in Rom. Hier wurdendie insulae nach und nach immer hiiher. EereitsAugustus setzte - nicht zutetzt unter dem E'in-

Historische Wohnbautypen

druck der zahlreichen Einsttirze von Heusern -die Bauhiihe mit 21m fest, was ungefihr sechs

bis sieben Stockwerken entsprach. Trajan redu-zierte die Hiichstgrenze spater wieder auf 18 mund damit auf fUnf bis sechs Stockwerke. Die

oberen Stockwerke waren in einzelne, unter-schiedtich groBe Wohnungen (cenaculo) aufge-teitt, in denen die unteren und mittteren Beviitke-rungsschichten lebten. Die Mauern waren maximaI45 cm stark und das Gebitk aus Holz. Die Herstel[ung des Mietshauses erfolgte vielfach in ausge-mauertem Hotzfachwerk. F[ieBendes Wasser gab

es nur im ErdgeschoB, ebenso Toiletten, in den

Abb. 6-5: Rdnisches Hof-haus: Donus

Abb. 6.4: Durchsicht in denGaftenhofeines Domus

Abb. 6.6: Riimisches Hof-hous in Augst Schweiz

1 Porticus, StraBenlaube2 Fabrica, Gew€rbehalte und

Werkstatt3 Taberna, (auflrden

4 Fauces, Eingang zum Woh nhaus

7 CuLina, Kiiche

8 oe(s, EBzimmer mitTrictinium (8a)

9 Apodyterium, Auskleideraum10 Frigidarium, kattes gad

11 Tepidarium, laues Bad

12 Gladrium, heiBes gad

13/14 Cubicutum, Schtafzimmer

15 Praefurnium, Heizraum

16 Peristytum, Hof und Garten

1 Fauces2 Atrium5 Perisvt6 Exed6

a Imptuviumb Alaec Vestibuhmd Tabtinume Cubiculaf Piscinag Trictinia

h, k l{ebenraumeam Peristyt

j Durchgangsraum

0510m

191

Page 162: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und GeseUschaft

Abb- 6.8: Riinisches l|ieLs-housin qstio, Ansicht

Abb. 6.7: RdnischesMietshaus,

Querschnitt

Abb. 6.9 : Grundil3 einesPatiohousesin Pueblo,Meiko

Stockwerken standen Behalter an den Treppen-absAtzen (dolinum). Zum Kochen wurden kleine,tragbare Kohtepfannen verwendet. Es gab keineGtasfenster, die Fenstertiffn u n gen wurden mitHotztiiden oder Vorhiingen verschlossen. Auchungeniigend betiift ete und betichtete Ketterwoh-nungen fanden sich in erheblichem [Jmfang.

Es ist einsichtig. daB aufgrund der Bevorzu-gung des Erdgeschosses hinsichttich der Infra-struktur eine vertikate Differenzierung der Miets-

DienstmSdchen Knechts.haft

EBzimmer

hiiuser die Regel war, ein Phiinomen, welches bis

heraufzum Aufzugbau am Ende des'l.9.Jh.s das

europeische Mietshauswesen kennzeichnete.Die Errichtung von Mietshdusern entwickette

sich zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweigein Rom und war gekennzeichnet durch eine aus-gedehnte GrundstUcksspekutation und ein aufProfit bedachtes Bauunternehmertum. Sanie-rungsbediirftige StadtvierteI mit schmalen Gas-

sen und stark Uberbelegten Mietsheusern setzten

sich scharf von den weitreumjgen PatrizieMertetn mit komfortabten Palesten und riesigen Park-

antagen ab. Diese Potarisierung in Gesettschaft

und Stadtraum im antiken Rom nimmt die Ent-wicktunq vorweg, welche europeische GroBsted-

te, wie u.a. Paris und Wien, dann im speten18. Jh. durchlaufen haben.

Die Ausbreitung des Holhquses

Die Araber haben die Tradition des Hofhauses imganzen slidtichen Mittelmeerraum und auch irSpanien fortgesetzt. Im Zuge der Ko[onisation

Lateinamerikas durch Spanier und Portugiesen

isl das Potiohaus von der Iberischen Hatbinser

dorthin iibertragen worden.In den Neusiedlungs[dndern Lateinamerikas

hat das Hofhaus - entsprechend dem sozialerStatus seiner Bewohner- als Patiohaus e'ine sehrbreite Ausdifferenzierung erfahren (Abb.6.9.Abb.6.10). Die Patette reichtvon den groBz0gi-gen, palastartigen Patiohiusern der [andbe-sitzenden Hazjenderos bis zu den auf weniger0uadratmetern errichteten, behetfsmiiBigen F+-

tiohdusern am Stadtrand. Die Entwicktung zL

GroBwohnhiifen b[ieb hingegen unbedeutend. Bkam vietmehr zur massenhaften Erstetlung vor'

Statt I Scheune

2. Patio Scheune

792

EG ErdgeschoB 5 10m

Page 163: Die Stadt - Lichtenberger

bescheidenen Patiohiiusern durch kapitatistischeUnternehmer, die aus der Vermietung dieser tra-ditionelten Bauform beachtlichen profi t erzie[-ten. Agrarreformen verschiedener Staaten fi.ihr-ten vietfach zu einem Kapitattransfer der Hazien-deros in einen derartigen spekutativen Hausbau,der nach auBen hin noch die I[lusion des Eigen-hauses wa h rt.

Ebenso wie in Lateinamerika das Hofhaus amStadtrand spontan und gesteuert bei parzettie-rungen weiterverwendet wird, ist dies auch inden orientatischen Stadten der Fatt, wo sich da-mit freilich in erster Linie die noch stirker imTraditione[[en verharrenden Schichten identifi -zieren, wihrend 0berschichten und obere Mitte[-schichten, vor atlem die Bitdungsetiten, bereitsdie europtischen Wohnformen der Vitta und desAppartementhauses iibernommen haben.

Das Hofhaus ist in den einzetnen Kutturkrei-sen durch eine sehr unterschiedtiche Abschir-mung des Privattebens gegen die offenttichkeitder StraBe hin gekennzeichnet. Auf die perfekte,,Privatheit" in der orientatischen Stadt wurdebereits hingewiesen. In der riimischen Stadt be-stand hingegen ein ffieBender Ubergang zwi-schen Offenttichkeit und Privatheit. Auch das pa-

tiohaus in Lateinamerika kehrt die Fenster zurStraBe hin.

Im europdischen Mittelalter blieb das Hofhausim wesentlichen auf den mediterranen Bereichbeschriinkt. In den maurischen Stiidten Spanienswar es die wichtigste Wohnform.

Auf dem Experimentierfetd moderner Archi-tektur ist das Hofhaus nochmats als Eigenhausverwendet worden, konnte sich aber in Europaats Wohnhausform in der offenen Verbauungnicht durchsetzen.

Die europdische Stadt

Die europf,ische Stadt

Die historische Kette der Wohnbautypen

Die europiiische Stadt btickt auf eine mehr atstausendjehrige Geschichte zuriick und hatin die-sem [angen Zeitraum eine iiu Berst vietschichtiqegeseltschaft[iche und bautiche Entwicktung er-fahren. DerVersuch, aus der regionaten und zeit-[ichen Fiitte der Erscheinungsformen einenStammbaum herauszuarbeiten, mag manchenzum Widerspruch auffordern. Es geht hier darum,zu zeigen, wetche Bauformen als immanenteGrunde[emente in jedem neuen gesettschaftti-chen Abschnitt der Stadtentwicktun g fortbeste-hen bzw. welche nur periodenspezifisch sind unddann verschwinden.

In einem eigenen Abschnitt wird noch aufdenNord-Siid-Gegensatz eingegangen. Er bietet auchdie Ptattform fiir die Eriiffnung. In der btirgerti-chen Sichtweise der Interpretation der Stadt stehtdas Biirgerhaus des Mittelatters an erster Stette.Zu Recht, wenn man von einem Stadtbegriffaus-geht, bei dem die Stadt iiber kein Umtand verfiigtund sich einen virtuetlen Lebensraum durch Han-deI und Gewerbe schaffen muB.

Dieser Stadtbegriff ist jedoch durch einenzweiten Stadtbegriff zu ergiinzen, der uns in denStadtstaaten Mittet- und 0berita[iens entgegen-tritt. Hier gehdrt der Contodo m Besitz derstadt, und von dort wurde der Wohnturm als ,,Ge-sch lechtertu rm", ats ein urspr0ngtich [andlicherWohnsitz, in die Stadt importiert und in denBaubliicken der riimischen Stadtreste, in Konkur-renz zur Vertikalen der Kirchen aufgetairmt.

Es handelt sich um eine ebenso imposante wiezeitlich beschriinkte Bauform mit dem Kernraumin Mittetitalien, die Austiiufer auch in die Suidteniirdtich der Atpen entsendet. Sie beendet ihreKarriere zu dem Zeitpunkt, ats die andere in derktassischen Antike wurzetnde Form, das Hofhaus,Platz beanspruchend zur0ckkehrt. Es handettsich hierbei um die wichtigste Form stiidtischerBaukuttur, insofern, als das Hofkonzept immerwieder neue Auflagen erhdtt und sich atter stiidti-schen Funktionen auch auBerhah der Wohnfunk-tion bemiichtigt.Abb. 6. 10: Fdssqde eines Patioho u ses i n puebLo, Mexi ko

193

Page 164: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesetlschaft

Die Ktiister bedienen sich seiner ebenso wieSpitaler und speter die Paliiste des Adets. Im auf-qekliirten Absolutismus wjrd die Patette tiffent-licher Einrichtungen damit versorgt. von den

Spit5tern bis zu Verwa ltu n gsgebii uden und denGefiingnissen. Der Hof ats zentrater Ptatz kann

a[[e stadtischen Funktionen in sich aufnehmen.A[s Wohnhof etabliert sich das Hofhaus zuerst

in der Renaissance und breitet sich von ltaIenaus, wobei im Herkunftstand die Tradition der rii-mischen lnsula bis zur Gegenwart heraufforttebt.N0rdl,ich der Atpen entsteht aus den Meierhtifender Kldster durch Umbau der Wohnhof der geist-tichen Stifte. Aufderselben Grundidee des geriiu-migen Wohnhofes liiBt die Entwicktung in derGrUnderzeit einze[ne Arbeiterwohnhiife entste-hen, bis schtieBtich ein groBer Bauherr, die Mu-nizipatregierung groBer StEdte, diese Wohnhof-idee in der Zwischenkriegszeit zu sozia[, aberauch architektonisch beachtenswerten Rea[isie-rungen bringt.

Nun zur historischen Kette des Birgerhauses.Ein soziates Set von vier Hauptvarianten: das Pa-

trizierhaus, das Handwerkerhaus, das Ackerbiir-gerhaus und das Kteinhaus bteiben in einer durchden Parzettenzuschnitt gteichsam auf Dauer fi-xierten soziaten Schiene.

Das Patrizier- oder Erbbiirgerhaus auf breiterund tiefer Parze[le nimmt im Verlauf der barok-ken Umgestattung der Stadt in KontinentateuropaAn[eihen beim Pa[astbau auf. um schlieB[ich zueinem Mietshaus der 0ber- und Mittetschichtenzu mutieren.

Auf der schmalen Parzelle geht die Entwick-[ung im Nordwesten des Kontinents zum Town

house weiter, dessen Spannweite vom 5tadthausdes Adel,s bis zum Etagenhaus fiir kleine Leutereicht und ebenso wie andere Grundformen stiid-tischen Wohnens in der Neuzeit fiir atte Schich-ten spezifi sche Wohnformen bereithiilt.

Das Ackerbiirgerhaus entwickelt besonders inden Vorstedten drei Aste: einen in Richtung aufdas Manufakturhaus und zur Hinterhofi ndustrie.den zweiten zum Wohnfliigelhaus fiir mitttereund untere Beamte und einen dritten mit offenenGiingen im ersten, spSter im zweiten Stock, dersich zum Mietshaus flir Grundschichten der Be-

viitkerung wandett.

Das Kteinhaus der Blirqerstadt findet sich inder industrietlen Entwicklung a[s Back-to-back-Kteinstreihen haus, fortgef lihrt durch das en gti-sche By-taw-Haus und sch[ieBtich verbessert inden Reihenhiiusern der Gartenstadt.

Der Ade[spatast okkupiert die Residenzstadt

ab dem 16. Jh. Seine die Horizontate beanspru-

chende Form verdndert die Struktur der B0rger-

stadt. Einerseits verdriingt der AdeI das Biirger-tum hinaus in den Vorstadtraum, andererseitsbewirkt er dessen Akkulturierung, welche sich im

Wohnbau und im gesettschaftlichen Leben nie-derschLigt. Der Adetspalast bteibt dabei kein

stadtisches Etement wie das B[irqerhaus, son-

dern er bitdet die Wohnform des Adels in der

Stadt und gteichzeitig in den neuerbauten Schtbs-

sern ,,im Freien". In Frankreich distanziert sicl-

der Adelspatast von der Front der Reihenhduse.

durch den Ehrenhof, im deutschen Sprachraurordnet er sich ebenso wie in Itatien und Spanier

in die Front der Reihenhiiuser ein. Die Adetsge-

settschaft bendtigt die Stadt als barocke,,Kon-sumgese[tschaft" und bereichert deren gewerbtj-

che Produktjon durch die Nachfrage nach Luxus-

giitern. Das Leben des Adels istjedoch abgeho-

ben von der Stadt und vottzieht sich in der Sphii-

re der ersten Gesellschaft zwischen der Residen:

des Fiirsten und denjeweiligen Winter- und Son-merschliissern. Der.,Zug ins Freie" wjrd vom Ade.

eriiffnet und dann vom Biirgertum nach der En:-

festi g un g fo rtgesetzt.Dieses Bi.irgeftum beniitigtjedoch in der Ze':

des Stadtwachstums seit dem'1.6. Jh. Wohnrau-in der Stadt. Das kontinentateuropeische Miets-

haus entsteht und findet im 19. J h. zu nationa le-und schichtspezifischen Auspregungen. Wie d':Schilderungen der Lady Montague belegen, wa-

es ein erstaunliches Ertebnis fiir britische Reise--

de, daB z. B. in Wien verschiedene solate Schic'-ten im gleichen Haus lebten und dieselbe Trep::ben litzten.

Damit sind zwei sozia[e Phiinomene beschrie-

ben, we[che entscheidend fiir die kontinentate--ropaische Stadt waren und bis in die Gegenwa:wichtig gebtieben sind: der saisonate Wechse.

von Wohnsitzen zuerst des Adets, spdter des BL-gertums (eine Bewegung, die zum Zweitwo'-nungswesen der Gegenwart herauffiihrt) und ce'

1,94

Page 165: Die Stadt - Lichtenberger

Die europAische Stadt

soziale Mjx der Wohnbevtitkerung in den Miets-rausstrukturen.

Der ,,Zug ins Freie" ist in den bis ins 19. Jh. be-festigten europiischen Stddten spat erfo[9t, zu-erst in GroBbritannien, welches den ktassischenLandhausstiI von Pa[ladio schon Anfang des

19. Jh.s in den suburbanen VittenstiI umgemtinzthat. Das freistehende Einzelhaus hatjedoch inEuropa nicht die GroBanbieter gefunden, welcheseine weitftichige Verbreitung in einer genorm-ten Form massen haft verma rktet hiitten, wie diesin Nordamerika der Fa[[ war, wo es ab der Zwi-schenkriegszeit und im Laufe des 20.Jh.s alsXonsumartikeI perfektioniert worden ist.

Die groBen Bautreger nach dem Ersten We[t-krieg haben entweder die Einfami lien rei hen hd u-ser der Gartenstadt oder die Wohnantage atsWohnbauform f0r die. Erweiterung der Stadt insFreie verwendet.

Der Wohnturm

Der Wohnturm bestimmte die dritte DimensionderStadtin Mittet- und 0beritatien, dem Kernge-biet seiner Entstehung. In Ftorenz bestanden umdje Plitte des 13. Jh.s ca. 300 Tiirme. GroBartigeBeispiete findet man in mehreren Stadten nochheute, etwa die 15 Tiirme in 5an Gimignano. Aufder Stadtansicht von Siena von Lorenzetti, im Rat-haussaaI der Stadt (vgt. 5. 23, Abb. 1.12), wirddie Bauweise des Wohnturms demonstriert, dienichts mit der Leitertechnik zu tun hat, sondernbei der dasjeweitige Arbeitsgeriist im Mauerwerkfixiert und mit dem Hiiherziehen desse[ben wei-ter nach oben versetzt wurde. Wohnttirme habenin manchen Stedten sehr beachttiche Hiihen er-reicht und standen in der Vertikalen zu den Kir-chen in Konkurrenz.

Wohnttirme sind ihrer Herkunft nach ein Ete-ment einer wehrhaften Einzelsiedlung. 5ie sindein Importprodukt aus dem [andtichen Raum, einSymbot fiir die wehrhafte Unabhingigkeit vonfeudalen Famitien, Als sotche wurden sie aus dem[dndtichen Raum von der Stadt iibernommen undhaben in ganzen Nestern die Baublticke besetzt,deren Grundmauern auf die riimischen Stiidtezuriickgehen, wie z. B. in Ftorenz (Abb. 6.11).

ffiE

Pala.zi

Einhche Massenwohn-hiiuserfiir Handwerker

[||:|!HL$"" ! wehrtiirme

i;lll,1l"**X;"" Et Torbiisen

Diese sehr friihe LJrbanisierung einer [andbe-sitzenden Herrenschicht seit dem 11..Jh. undihre Verschmelzung mit der stiidtischen Hdndter-schicht hat den Stadten in weiterer Konsequenzebenso eine B[Ute gebracht, wie dies in der spd-teren Urbanisierung des Adets in Kontinentateu-ropa niirdtich der Alpen in der Zeit der absoluti-stischen Fiirstentiimer der Fal'[ gewesen ist.

Al's Beispietist der Wohnturm von Petrarca inArezzo abgebildet (Abb.6.12, Abb.6.13), derheute unter Denkmatschutz steht und demon-striert, daB zum Turmbau meist ein weiterer Traktgehtirte, der auch das komfortable Wohnen ge-

stattete. Um den unentwegten Fehden zwischenden Famil'ien ein Ende zu bereiten, haben die im

Abb. 6.11: kntrun von

Florcnz nit rdnischen gou-

b liicken u n d Wo h n tii men

195

Page 166: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesellschaft

Abb. 6. I 2 : Aufril3.des Wohn-

turns von Petrorco, Aftezzo

Abb. 6.13: Ansicht des

Wohnturms von Petrlrco,Arezzo 1997

13. Jh. starker werdenden Stadtregierungen dieNeuerrichtung von Ttirmen verboten und eine (ap-pung der bestehenden angeordnet.Im lJnterge-schoB befestigte Patazzi haben deren Nachfotgeangetreten. Ihre Erbauer waren Fernhendler, Un-ternehmer, Banhers, deren wirtsch aftti ch e Grund-

lage bis ins 19. Jh. die Landwirtschaft der /illo-Fottoio und deren Mezzodna im Stadtumland ge-

btieben ist (SabeLberg 1984).

Das europiische Biirgerhaus

Das europtische Eiirgerhaus stetlt eine Neu-

schiipfung dar, die der neuen politischen und so-ziaten 0rdnun g der Btirgergemeinde entspricht.Der Bezug zwischen Privatheit und ()ffentlichkeit

ist gegeni.iber dem Hofhaus insofern deuttichverschoben, ats symbolhaft in der Fassadenge-staltung das wirtschafttiche PotentiaI und - da-mit zumeist verbunden - das politische Ansehen

des Biirgers zur Darsteltung ge[angt.Ein weiteres kommt hinzu: 0tto Brunner (1930)

hat fiir das mittetatterliche Biirgerhaus den Be-

griff des ,,Ganzen Hauses" gepragt, eine Setbst-versorgungseinheit, in der der Haushatt auch a[[e

Lebensvo ziiqe einschtieBt. Das Ganze Haus ver-einigte unter einem Dach hiufig in denselbenRiiumen Arbeiten, Schtafen, Essen, Beten, Erho-[ung, Mann und Frau, Kinder und Gesinde. Das

europaische Biirgerhaus umschtieBt das gesamte

Tdtigkeitsspektrum der Biirgers, d. h. seine wirt-schaftliche Titigkeit, aber ebenso auch sein Pri-

vatleben, wehrend ersteres im Hofhaus feh[t. Inder orientatischen Stadt wurde diese Funktion an

den Basar delegiert. Das Biirgerhaus hat ebenso

wie das Hofhaus im Hinblick auf die architehoni-sche Ausgestaltung eine beachtliche sozial.e

Spannweite entfa[tet. Beide Formen haben sich

im Zusammenhang mit dem Stadtwachstum zu

Mietshiiusern entwickett.

Dos soziole Set des BiirgerhousesDas europiische B[irgerhaus ist durch ein sozia-

les set von vier Hauptvarianten vertreten: das

Patrizierhaus, das Handwerkerhaus, das Ackerbor-gerhaus und das K[einhaus. Diese unterscheidersich bereits durch die Parze[[engriiBe und -breita1) Das Patrizierhaus besteht aus mehreren ne.

beneinanderstehenden Baukdrpern, welch€gegen die StraBe hin aneinandergereiht sind-wdhrend der nach innen anschlieBende Hof-

raum fiir Wirtschaftszwecke, Statlungen, als

Lagerraum und zur Unterbringung von 0ien$-

196

Page 167: Die Stadt - Lichtenberger

Die europaische Stadt

boten diente. Diese mehrg[iedrigen Patrizier-hiiuser - eine in nur wenigen Stedten vertre-tene Gruppe von Hausern der groBen Kauf-leute und Fern hendler - standen auf sehr ge-rdumigen, wenn auch zumeist unrege[miiBiggeschnittenen Parzelten.

2) Das Handwerkerhaus unterscheidet sich deut-lich vom Patrizierhaus. Es entspricht der Vor-stettun g vom,,Winkelwerk" schma[er, spitzgie-betiger Hduser, welche man mit den mittetat-terlichen Stiidten verbindet, wobei davon aus-gegangen wird, daB jeder derartige Giebetei-ner Grundparzetle entsprochen hat. Auf denschmalen, tiefen Parzellen waren zumeist nurzwei bis drei Fensterachsen zur StraBe hinmiistich (Abb. 6.14).Das zur Ginze 0berwiilbte ErdgeschoB dientea[s Laden oder Werkstatt. An einer Langsseitefiihrte eine geradarmige Stiege ins 0ber- oderWohngescho13, das gewiihn[ich gegen die Gas-se oder den Hof hin je eine groBe Stube auf-wies, wdhrend die dunkte Zwischenzone fiirAlkoven, Ki.iche und Stiegenvorplatz verwen-det wurde. Die Verbindung zum Hoftrakt er-folgte meist durch offene Genge.Alten diesen Bauten war eines gemeinsam,niim[ich die funktione[e Differenzierung inder Langserstreckung des Hauses. Stets warendie Wohnriiume gegen die StraBe, die Wirt-schaftsriume gegen den - hiiufig nur schma-len - Hofraum hin ausgerichtet. Im Zuge desStadtwachstums kam es nun zur Hereinnahmevon Mietparteien, meist auf dem Wege iiberAufstockungen.

3) Von den Handwerkerhiiusern unterscheidensich die Ackerbiirgerhiiuser, die vor allem fiirLandstedte kennzeichnend waren und auf ei-ner breiteren Parze[te errichtet wurden. Die[angen SeitenftiigeI besaBen urspriingtichagrare Funktionen. Es war stets eine Einfahrtvon der StraBe in den Hof vorhanden, worinein grundsatzticher Unterschied gegeniiberden Handwerkerhiiusern bestand. Ackerbiir-qerhduser kennzeichneten die meisten Vor-stedte.

4) Von den zumeist ebenerdigen Kteinheusernmit nur ein bis zwei Riiumen sind nur wenigeBeispiete aus der friihen Neuzeit erhatten ge-

btieben. Die Kteinhduser der mitte[attertichenBiirgerstadt waren Eigen hSuser von entwederwenig angesehenen Gewerben in der charak-teristischen,,Hans an der Mauer'rSituationauf zumeist winzigen Parze[[en bzw. gehiirtenAngehiirigen der nichtbiirgertichen Schich-ten,

oie Umstruktuierung im BarockDer politische SystemwandeI vom mittetalterli-chen Territoriatstaat zum absolutistischen Ftii-chenstaat auBerte sich in einer grundlegendenAnderung der Baugesinnung und Architektur. Die

Renaissancepatiiste und Wohnhdfe wurden zumVorbitd fiir die bi.irgertiche Stadtgesettschaft.S'ichtbar wird dieser Vorgang auf den histori-schen Stadtansichten durch den Wandelvon dergotischen zur barocken Dachlandschaft .

Die barocke Umstrukturierung erfaBte vomMediterranraum ausgehend die Habsburgermon-

1.stockVor lJmbau

Abb. 6.14: Fossoden von

B iirgerh ii usern i n FLq n dem

Abb. 6-15: Borocket Umbou

ei n es g oti sch en H o n dwerker-

houses, Wien

0 10m

Nach lJmbau

(inh. 7imm.r

m-d" 15

797

Page 168: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Geseltschaft

Abb, 6.16: Renaissonce-

B Len dfoss o de n vo n B ii rg er-hai usern, Gmi)nd, Nieder-iisterreich

archie und Frankreich. Die Raume der Hansestiid-te und Nordwesteuropas wurden von dieser Be-

wegung nicht ergriffen (Abb. 6.15).Mit der barocken Umgestattung traten auch

striktere Bauregutierungen in Kraft. Der bis da-hin zutiissige Hotzbau (Holzstiegen und dgt.)wurde durch Stein und Ziegetersetzt.

DerWandetvon der gotischen zur barocken Bau-

weise ist durch zwei Etemente gekennzeichnet:

1) Die Langsgtiederung des mittetalterlichenHauses, wie sie sich im tragenden Mauerwerkin zur StraBe senkrecht stehenden Streifenwiderspiegelt, in denen die Riiumein derTiefeder Parzette hintereinander angeordnet wer-den, wird nunmehrvon einer Quergtiederungabgeltist.

2) Gteichzeitig erfotgt die Dachdrehung vom Gie-

be[- zum Traufhaus, welche den AufriB derStadt entscheidend verendert.

Dieser WandeI des Grundrisses schuf die Voraus-setzung fiir die spatere An[age von doppethiifti-gen StraBentrakten und fiir eine Standardisie-rung von Wohnungstypen.

Um breit zur StraBe bLickende Heuser zuschaffen. war eine Zusammentegung von Parze[-

len erfordertich. Kapitatschwiichere Hausbesitzerbegniigten sich mit dem Vorziehen von B[endfas-saden vor die mittelatter[chen Baukiirper derHiiuser. Derartige Blendfassaden sind bis heuteein Kennzeichen des Altbaubestands in Teilendes siiddeutschen Raumes und in den Inn-Satz-ach-Stedten (Abb. 6. 16).

Diese Umstruldurierung des Hauses war in den

stark wachsenden Residenzstiidten wie Wien miteiner massiven Zunahme der ZahI der Mietpartei-

en verbunden, vor attem in den groBen, gerdumi-

gen Heusern der biirgerlichen 0berschicht der

Stadt. In Wien war bereits um die Mitte des

16. Jh.s das Mietshauswesen in volter Entwick-

lung begriffen. 70 % der Wohnungen in Blirger-h;usern wurden bereits von Mietern eingenom-men (Lichtenberger 1972 S.53), das Verhettnisder Mieter zu den Hausbesitzern betruq bereitszu diesem Zeitpunkt 2: 1 und stieg bis zur Mittedes 17. J h.s auf rund 7 : 1 an. Alterdings muBten

nahezu zwei Drittel der Mieter mit Kleinst- und

Kteinwohnungen vor[iebnehmen.In dieser friihen Entwicklung des Mietshaus-

wesens und der da mit verbunden en Mengung von

verschiedenen soziaten Gruppen in den Wohn-

hausern liegt ein Hauptunterschied zwischen

dem westlichen und dem siidtichen Kontinentat-europa einschlieB[ich des Raumes der ehemati-gen iisterreichischen Monarchie gegeni.iber Nord-

westeuropa. Ats Beleg wird der barocke Umbau

eines groBen, aufdrei Parzellen angetegten, ehe-

ma[igen Erbbiirgerhauses in Wien in ein barockes

Mietshaus vorgefi.ihrt (Abb. 6.12 Abb. 6.18):Ein H1upttrokt von ca. 24 m Tiefe war in drei zurStrol3enJront senkrecht stehende Streifen unter-

teiLt, die jeweik durch ein seplrotes Grabend0ch

i)berdeckt waren u n d jewei ls ei nem sch m alen qoti-

schen Hous entsprachen, dessen R(iume hinterein-

anderLagen. Dls Hinterhous bestond ous einh f-tigen Trokten ings um einen groJ3en Hof (16 x20 m). Im ErdgeschoJ3 logen Stoltungen und Wa-

genremisen, in den 1bergeschossen reihten sich

Stuben und Konnern oneinonder, die durch einen

Aul3engong nit dem Haupttrokt verbunden woren.

Durch den barocken Umbou im Jahre 1749 ent-

stonden otlein im 1. Stock vier V/ohnungen von sehr

u ntersc hi e d li ch er G rdJ3e .

Dos fown houseDas Biirgerhaus auf schmater und tiefer Parzet[e

hat sich in Nordwesteuropa zum sogenannten

Town house entwicke[t. dessen architektonischeAusstitisierung nach dem groBen Brand von Lon-

don im Jahr 1664 die Stadtentwicklung bis zum

Ersten Weltkrieg bestimmt hat (Abb.6.19,Abb.6.20). Im 19. Jh. ist aus dem Town house

das Etagenhaus entstanden, wetches in jedem

Stockwerk eine Wohnung aufi/veist. Allerdings

198

Page 169: Die Stadt - Lichtenberger

Die europeische Stadt

'b+'H,{ z

wurde dabei die Tradition des Stockwerkeigen-tums, we[che sich bereits in vorindustrieller Zeitnicht wirk[ich durchsetzen konnte, nicht aufge-griffen, sondern es entstanden Mietshauser mitteitweise vdttig einheitlicher Fassadengesta[-tung. Damit wurde von privaten GroBunterneh-men eine architektonische Struktur vorwegge-nommen, die auf dem Kontinent den Munizipalbehtjrden in den GroBwohnantagen des 20. J h.svorbehalten btieb. Die festgeschriebene undgleichsam versteinerte, kleinziigige Parzelten-struldur der Town houses und Etagenhiuser um-faBt den Nordwesten des Kontinents, von GroB-britannien iiber Nordfrankreich und Betgien bisnach Norddeutsch [and.

Ebenso wie das Biirgerhaus mehrere soziatevarianten besitzt, so gitt dies auch fiir das Town

house. Von den groBriiumigen, klassizistischenTown houses, in denen der [andsdssige britischeAde[ seine Stadtwohnungen hatte, reicht das Setbis zu den Etagenhiiusern im Ruhrgebiet, in de-nen die einzetnen Etagen in K[einstwohnungena ufgetei [t wu rde n.

Dieses Etagenhaus, aus verschiedenen Mate-riatien - zum TeiI sogar aus Hotz, vorwiegendje-doch aus Ziegetn - errichtet, hat sich in den

nordamerikanischen Stedten im 19. Jh. ats domi-nante Bauform stark ausgebreitet und bestimmtnoch gegenwartig den Raum um den Downtown-Distrikt, wenn dieser nicht inzwischen abgeriumtworden ist, vor atlem in den atten Stedten des

Nordostens, wie Boston und Phitadetphia, aberauch in San Francisco, wo derartige Stadtteiteteitweise unter Denkmalschutz stehen.

Ab b. 6. 1 7 : Besiab ii rye rh o u s

vor borockem Unbau, l/ien

Abb.6-18: Botocke Un-wondLung in ein Mietshous,Wien

199

Page 170: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesettschaft

Abb.6.19: Town house derAistokratie, London, 18. Jh.

Je nach ursprting[icherQuatitiit der Aus-

stattung, des Materia[s

und der Laqe im Stadt-gebiet haben derartigeTown-house-Vierteleine unterschied[icheEntwick[ung genom-

men. Vielfach boten sie

einer zweiten Generati-

on von Mietern, niim-

[ich europiischen Zuwanderern, wie Ita[ienern,Po[en, Deutschen und Skandinaviern, eine ersteHeimstatt. Die Errichtung von Etagenhiusernging in Nordamerika mit dem Einsetzen des

Booms der freistehenden Einfamilienhiuser imwesentlichen in den frlihen 2OerJahren zu Ende.

Wie bereits mehrfach betont, hat sich in GroBbri-

tannien der AdeI nicht urbanisiert. Im Stadtbi[dfehten daher Paleste. Ihre Stelte nehmen d'ie

Stadthauser des eng[ischen Landadets ein, die indie Kategorie der,Zweitheuser" e'inzureihen sind.

Der GrundriB des Stadthauses entstand unter

dem EinftuB des adetigen Landsitzes, des ilanorhouse. Das Kernstlick des adeligen Herrenhau-

ses, ein Haltenhaus, bitdet die Ha[t, die bis zum

First des meist zweigeschossigen Gebiudes rei-chen kann. Hier befinden sich die Feuerstelle und

der Ellplatz der Fami[ie. Eine derart ftechenbea n-

spruchende Bauweise war in London infotge des

Parzeltenzuschnitts nicht mtigtich. Die Wohnform

wird zur,,Gefangenen des AufschlieBungssy-stems", die Breite der Parzetten betrdgt maximaI

8 m, die Tiefe zwischen 25 und 40 m. Es mtissen

daher die Funktionen in den Geschossen iiberein-

andergeschichtet werden. Damit kommt es zum

,,Leben in der Vertikaten" (Abb. 6.21, Abb. 6.22).

FoLgende Merkmole der Stadthiiuser des Adeb ent-

wickelten sich seit derTudor-Zeit: Esistein ousge-

bautes Kellergeschol3 vorhanden, in dem sich

neben der Ki)che und den Vorratsriiumen die Schlaf-

gelegenheiten des Perconob und des Butlers befin-

den sowie die diesem anveftraute Silberkommet

mitdem FomiLiensilber. In der Hdhe des Gehsteigs

schiebt sich zwischen Keller- und ErdgeschoJ3 ein

Lichtgraben ein, tiber wetchen mittels einer Wen-

deltreppe ein Zugang zum KellergeschoJj von der

StrolSe aus mdgLich ist, ohne dos Hous betreten zu

10m

Abb- 6.20: Grundil3 einesfown house der Aistoktotie,London,1772

L Lichtqraben Bibt Bibtiothekzum (etlerqeschoB w l,{escherei

DT Dienstpersonaltreppe fZ ToitettenzimmerAz Ankleidezimmer DZ oienstpersonalzimme.HT H errschaftstreppe

miissen. Der Lichtgroben ist durch ein Gitter von

Gehsteig obgetrennt. Der eigentliche Zugang zum

Haus erfolgt iiber eine den Lichtgraben berbrik-

kendeTreppe. Durch dos Portotgelongt man in die

Entrance hotl, einen schmalen Hausflur, welcher

zurTreppe fihrt. Die paraLlel zum Flur ongeordne-

ten Zimmer beherbergen an der Vorderfront den Di-

ning-room und an der Ri)ckfront die Bibtiothek und

das Ctoset, ein Pivatraum, derin seiner Funl<tion

etwa den mittelaltertichen SoLar entspicht.Der erste Stock ist der ltlittelpunkt des famili'

iiren und gesetlschaftlichen Lebens. Hier befindasich iber dem Dining-room des Erdgeschosses der

IH,iiI;, I

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Heu-boden

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**T* l#0 5 10m

200

Page 171: Die Stadt - Lichtenberger

Die europeische Stadt

0 ro wi ng -roo m, do s o m a ufwendi g sten o usgestot-:ete Zimmer des Hauses, und gegen die Gortensei---e der Ladies' Uawing-room und ein Schtafzim-ner. Weitere Schlof- und Giistezimmer liegen im

eiten Stock. Im Dochgeschol3ist weiteres Perso-

'oL untergebracht.In den besseren Hiiusern verbinden zwei Trep-

cen die Geschosse, wobei die repriisentative Haupt-Jeppe bis zum Drawing+oom reicht.

GrdJ3e und Funktion einzelner Riiume wie Music-'oon, first und second Drowing-roon verweisencuf die 0berschicht, deren Leben von geselkchaft--ichen Ereignissen und Verpflichtungen bestimnt,ror. Reprdsentation war der Leitgedonke bei derGesto ltu n g der Rii u me: Ho lbkreisfdrmige Abschlil*se der Stirnwiinde sowie kreisrunde und elliptischeFormen vermitteln den Eindruck gri;J3erer Roumtie-

fe. Me h rere Ma uerd urch briche unterstreiche n die-se Wirkung-

0er mitttere Teil, der aus einer Ftucht en suiteongeordneter, kleinerer Riiume besteht (Dressing-,oom, Library, Powdeing-room usf.), ist nuretwo5 n breit und spaft domit einen poratlel dozu en-

Abb. 6.21: Viktoiqnkches Reihenhous det 0be6chicht,London, AuftiJi

Abb. 6-22: Wkoionisches Reihenhous det qberschicht,

London, Grundi[3

szAnkl.EZ

ll/zBt.

DE2

Spiilk.

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EBzimmer

Diener-ERzimmerSpiitliich€

DtZ Dien€rt8zimmer

0510m

207

Page 172: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesettschaft

Abb. 6.23: Botockes Seiten-

fliigelhaus, wien 1970denden gepJtosteften Lichthof aus. In den News,

den Statlgebiiuden, sind Stallungen und Kutschen,

Wasch ho us, H eu scho ber, Woh n- u n d \ch lofrii u me

der Kutscher u nd Pferdeknechte u ntergebrocht.Das 19. Jh., d. h. das viktorianische Zeitatter,

brachte mehr Wohtstand und technischen Kom-fort, zugteich jedoch auch einen verstSrktenWunsch nach mehr Privacy. Dies bedeutete, daB

eine relativ groBe Fliiche auf Korridore aufge-wendet wurde, die zusammen mit der Ha[[ bis zu

einem Drittel der GeschoBfliiche betragen konn-te. ,,Such a room pton isoloted the members ofthefamity not onLy from the visitors and servants butone from onother. Porents dwelL seporote fromeach other. The nursery, especiolly, cannot be dis-tont enough from the abode of polite porcnts"(0tson 1986,5. 102). Die komptette Segregationvon Famitie und HauspersonaI spiett eine ent-scheidende Rotte.

So wurde in weit grdl3erem Mane ob im 18. Jh.zwischen Personol- und Herrschlftstreppe unteLschieden. Der Dining-room besitzt zwei Tiiren, eine

f r das Personol, die ondere f rdie Fonilie. Wich-

tig war auch die Lage des Drowing-room zum 0i-ning-room. 1ie iktoionische Familie, die ihrAbendessen einnohm, versommette sich in 0ro-wing-room und zog von hier in den Dining-room.Do dies zum Rituotdes Dinner gehdrte, nuJ3te zwi-

schen beiden Riiumen eine gewisse Distonz beste-

hen. 50 stieg mon z. 8. vom e6ten Stock in dos El3-

zimmer hinab!

Vom Ackerb rgerhous zum SeitentliigelhdusDie Ackerbiirgerhiiuser sonderten sich durch diegrOBere Breite von den Handwerkerhiiusern. Es

war auch stets eine Einfahrt von der StraBe inden Hof vorhanden. Ackerbiirgerhiiuser kenn-

zeichneten die meisten Vorstedte.

Mit dem Verschwinden der agraren Funktion

wurden, vor a[[em in den griiBeren Stiidten, im

18. Jh. die SeitenftiigeI umfunktionied, und zwar

im wesenttichen in drei Richtungen:1) Sie wurden zu Manufakturhiiusern um- und

ausgebaut. Im Vordertrakt richtete sich im er-sten Stock der Manufakturist seine GroBwoh-

nung ein, in den Seitentrakten befanden sich

die Werkstetten bzw. die Quartiere fi.ir die ge-

werb[ichen Hilfskrdfte. Von diesem Manufak-

turhaus fiihrt eine Entwick[ungsreihe zur Hin-terhofindustrie, auf die noch spater einge-gangen werden wird.

2) Eine weitere Zweckwidmung derartiger Seiten-

ftiiqeI bestand in der Auftei[ung in Einraum-

wohnungen fiir Grundschichten der Bevii[-kerung. Bereits im Mittelatter hat es in ein-zetnen Stiidten des Hansebereiches (2.8. irLiibeck oder Hamburg, sogenannte,,Giinge")derartige Entwicklungen gegeben. 5ie weiser

eine Ahntichkeit mit den Patiohdusern La-

teinamerikas auf, bei denen, wenn sie auftie-fer Parzelle errichtet wurden, vielfach auch die

Seitentrakte (Corvenfrllo-Typ) ats Woh nquar-

tiere fiir Unterschichten genutzt wurden unc

dies nach wie vor werden (Abb. 6.23).3) Ats bessere bausoziate Variante geben sich die

mit einem Stiegenhaus ausgestatteten Wohr-ftligel zu erkennen, wetche den Bedarf a-Wohnungen fiir mitttere und niedrige Beamte

befriedigten, wihrend das Arbeiterwohnflu-gethaus offene Giinge aufwies.

Derartige Seitenfliigethiiuser sind seit dem aus-

gehenden 18. Jh. zu kennzeichnenden Merkma-

len der Vorstadtbi[dungen der groBen Stiidtewie Budapest, Wien, Prag und Miinchen, gewo-den, finden sich aber ebenso in Frankreich wie '-Siebenbiirgen und sind iiberdies ein Kennzeiche-

202

Page 173: Die Stadt - Lichtenberger

Die europaische Stadt

des industrialisierten [dndlichen [J mtandes.

Vietfach adaptiert und erneuert bi[den sie mitihrer meist beachttichen Mengung verschiedener

Nutzungen dort, wo sie massiv auftreten, echteProb[emgebiete der Stadtp[anung. Ats Neubau-form werden sie in der Griinderzeit vom Miets-haus abgeliist. A[s Umbauform aus dem diirf-tichen Gehtift entwicketn sie sich in den um-schriebenen Riiumen durch die Verstedterungvon D(irfern jedoch bis in die Gegenwart weiter.

Vo m nittela lterlich en Klei nhd u szu m Ei nla mi li en rei h en h a usKleinhiiuser ats Reihenhauser fiir untere Beviilke-rungsschichten besitzen eine bis in die Antike zu-riickreichende Tradition (Tett et Amarna in Agyp-ten).

Die Klein hduser der mittelalterlichen Biirger-stadt waren Eigenhiiuser von entweder wenig an-gesehenen Gewerben in der charakteristischen

"Hans an der Mauer'rSituation, auf zumeist win-zigen Parzelten bzw. gehiirten Angehiirigen dernichtbiirgertichen Schichten

Von den zumeist ebenerdigen K[einhiiusernmit nur ein bis zwei Raumen sind nur wenige Bei-

spie[e aus der friihen Neuzeit erhalten gebtieben(Abb.6.24).

Im Hanseraum nehmen die winzigen, zweiriiu-migen Gangehauser auf tiefen GrundstUcken diezwei geschossigen Back-to-back-Heuser vorweg,wetche, auf einer Grundfliche von 14 m2, in derersten Hii[fte des 19.Jh.s in den britischen In-dustriegebieten in massenhafter Form auf sehrlangen, schmaten Baubliicken - zumeist im Bau-recht und auf den Griinden der adetigen Landbe-

sitzer - errichtet worden sind.1,4. R. G. Conzen hat die Entwicktungsperioden

der Reihen hluser f0r die Grundschichten der Be-

viitkerung ab der Mitte des 18. Jh.s untersucht(Abb.6.25, Abb. 6.26, Abb. 6.27). Die erste gro-Be Wachstumsphase der Wirtschaftsentwick[ungvon 1750 bis 1840 fettt mit den groBen Kanalund StraBenbauten zusammen und brachtein den

Attstadten die Auffiittung der mittelaltertichenbijrgerlichen Hausstetlen mit kteinsten Arbeiter-hiiusern. Darauffolgt die frUh- und mittetvikto-rianische Periode von 1840 bis 1860, bzw. bis1875 mit den beriichtigten Bock-to-back-Heu-

sern, wetche inzwischen durchgehend im Zuge

der S[umsanierung beseitigt worden sind.Der Public Heatth Act von 1875 enthielt eine

Vorschrift zur Errichtung separater Vorder- und

Hintereingdnge in jedem Haus. Es entstanden die

sogenannten 8y-low-Hauser (benannt nach den

auf das Gesetz ausgerichteten 0rtsstatuten). 0as

Problem des Zugangs zu den Hinterseiten der

Hausreihen wurde in den Midtands durch tunnet-artige Zugiinge im ErdgeschoB jeder Rei he geliist.Dieser Haustyp wird daher auch alsTunnet-bock-house bezeichnet. In anderen Gebieten wurden

HintergdBchen (olleys) angetegt. SchtieBtich fotg-te der Hausryp der Eack-wrng-Rei h en hii user, der

sich nicht nur ftir die Arbeiter, sondern auch fiirAngehdrige der Mittelschichten durchsetzte. Erst

dje Baugesetze der Zwischenkriegszeit schufen

mit den DoppelhSusern der GartenstadtbewegungTenace houses fur Bezieher mittlerer Einkommen.

Das Einfami[ienreihenhaus bildete ein wesent-

[iches Etement des Stadtwachstums im Nordwe-

sten Europas bis zum Ersten Wettkrjeg. Urspriing-tich ats Einfamilienhaus konzipiert, wandelte es

sich durch Einliegerwohnungen und Mansarden-

ausbau vielfach in ein Mehrfamitienhaus (Abb.

6.28).Auf die kontinental.europiiische Ubernahme

dieser Wohnform in der Zwischenkriegszeit durch

Abb.6.24: Kleinhous,Bdgge 1976

203

Page 174: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Geseltschaft

Abb.6.25: Through-

Rei h en h o u s, Grol3bito n nien

Abb. 6.26: Bock-wing-Rei h en h o us, Grol3brito n nien

Abb. 6.27: DoppeLhous derG o tten s to dt, G r oJ3 b ito n n i e n

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HEuserdichte 30/ha

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! ErdgeschoB -i+ l.)rock r

204

Page 175: Die Stadt - Lichtenberger

genossenschafttichen und kommunalen Woh-nungsbau wird noch eingegangen werden. Hier-zu waren Sondergenehmigungen erforderlich, dadie Terrace houses im Hinbtick auf Materiat undtechnische Ausfiihrung wesentlich unter denQualitiitsnormen der stiidtischen Wohnhduser inKontinentaleuropa lagen, nicht unterketlert wa-ren und die Raumhiihe nur 2,20 m betrug.

Ahntich dem Etagenhaus ist auch das Einfami-lienreihenhaus nach Nordamerika transferiert,vorden und kennzeichnete vor attem im Nord-osten, u. a. in Phitadetphia, den Ausbau iltererSuburbs.

Der Adetspalast

Im Verhdttnis des Adets zur Stadt lassen sich inEuropa drei Riiume unterscheiden:1) Im Mediterrangebiet. insbesondere in Itatien,

war der Ade[ vom Mitteta lter an stadtsessig.2) Im kontinentaten West- und Mitteteuropa gab

es wohtbereits im Mittelatterin einzetnen Re-sidenzen Adelshiiuser, doch begann die ei-genttiche Urbanisierung des Adets und derBau von Patisten erst mit dem absotutisti-schen Landesfiirstentum in der Renaissanceund erreichte seinen Hirhepunkt in der Ba-rockzeit. Der Ade[ [ieB sich im AnschtuB andas Sch[oB des Landesfiirsten nieder. Aus der,,Biirgergasse" wurde die,,Herrengasse". Aufdie Bipo[aritdt der Residenzstadte, d. h. von,,Adetsstadt" und

"Biirgerstadt". wurde bereitshingewiesen. Sie wirkt hiiufig bis zur gegen-wertigen Zweitei[ung in Regierungscity undWirtschaftscity nach.

3) In GroBbritannien ist der Ade[ auf dem Land.d. h. aufseinen Scht6ssern, geblieben, die erim Barock umbaute. In den Stiidten besaB erZweithduser als Town houses, die sich in derFassadengestattung nicht von den Stadthiiu-sern des B[irgertums unterschieden. In derZeit der Friihindustrialisierung fehlte in denStedten die Schicht des Adets, die sich aufdem Kontinent im Verein mit dem Biirgertumgegen die An[agerung der Industrie unmitte[-bar an den Stadtkdrper gewehrt hat. Uberdiesfotgte das Blirgertum schon zu Beginn des

Die europaische stadt

19.Jh.s dem Vorbitd des Adets und begannmit der Errichtung von Vitten und CottagesauBerha[b von London.

Dort, wo der Adelspatast in die stiidtische Bau-struktur integriert wurde, hat er zweifellos dasbiirger[iche Bauen entscheidend beeinftuBt(Abb. 6.29). Es bestehen architektonische Quer-verbindungen zu den geisttichen Stifuhiifen undebenso zum groBblirqerlichen Mietshaus der Ma-nufakturperiode.

In der baulichen Gestaltung sind Adetspatdste,,Sotiterpflanzen" und beugen sich keiner Formder Standardisierung. Zur Illustration einige Bei-spiete aus dem reichen barocken Bauerbe Prags(Abb.6.31).

Gemeinsam istihnen a[[en das absotute Uber-wiegen der Reprdsentationsraume, die - von ei-nem zentralen PrunksaaI ausgehend - in Zimmer-ftuchten angeordnet sind, ferner das Zuriick-treten von privaten Riiumen und die strikte Sepa-rierung des Dienstpersonats.

Adetspaliste sind geradezu Modelte fiir diespiitere Umfunktionierung geworden. Die Palettereicht vom Aufkauf durch den Staat und die Um-wandtung in Regierungsbauten bis zur Niedertas-sung von Banken und Versicherungen, ebensoaber auch bis zur Umwandtung in Mietshiiusermit recht vietfittigen Funktionen. AuBerhatbErankreichs wurden Adetspatiiste nicht nur imBarock errichtet, wobei diese Epoche sichertich

Abb. 6.28: Reihenhous, DenHoog 1996

205

Page 176: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesetlschaft

-')-(

Griinderzeitiahren. Am Ran-de sei vermerkt, daB im Zuge der RingstraBen-verbauung in Wien der AdeI einige Pa[iste errich-tete, von denen einer, das Palais Wlirttemberqa[s Hotel Imperia[, zu dem ,,Nobe[hote[" von Wiengeworden ist (Abb. 6.30).

Auf die Vorbitdwirku ng Fran kreichs flir die eu-ropdischen Ftirstenheuser wurde bereits hinge-wiesen. Die Hof- und Adetsgesettschaft hat in

Frankreich ihre hiichste Ausstitisierung erfahren(Etias 1983). Bezeichnend fiir die Wohnweise derHof- und Adetsgesetlschaft war, daB ein bedeu-tender TeiI von ihr zugteich ein Logis im SchtoBvon Versaitles und ein Hotel in der Stadt Paris

hatte und iiberdies zumeist noch Landhiiuser be-saB. Von dort bezogen ihre Mitglieder nicht nurihre Namen, sondern gewiihn[ich auch einen gro-Ben TeiI ihrer EinkUnfte. Die Stadthauser des

Adets warenje nach dem Rang des Besitzers ver-schieden groB.

Im fotgenden eine Beschreibung nach der En-

4rktopddie von 1777 (Genfer Ausgabe,S. 7 2):,,DieTeile des Gebiiudes sind um einen rechteckgen Hofgruppieft, dessen Mittetbau die Geselbchoftsriiu-me beherbergt. In den anschlieJ3ende Teiten derbeiden Fliget liegen einonder die Schlofzimmerder Dame und des Heffen, mit eigenem Besuchs-

zimmer, Gorderobe usf., durch den Hof getrennt,gegeniber."

Soziotogisch wird durch die gleiche Antage derWohn- und Sch lafriiume fiir Mann und Frauin den

5chliissern der hiifischen Aristokratie symboti-siert, daB die soziale Starke der Frau anneherndgteich groB war wie die des Mannes. Es handeltsich iiberdies nicht um eine Ehe und nicht um

eine Fami[ie, sondern um ein,Haus"..Dos Schwergewicht des Lebens liegtin den Ge-

sellschaftstiiumen, die nehr Ftiiche ab beide Ap-poftements pivds einnehmen. Sie sind zueigeteitLIn ihrer Mitte liegt der groJ3e Saton, dos zentrum

der hiifischen Geselbchaft, auJder einen Seite ge-

fotgt von den Appaftenents de soci1td mit kleine-rem Salon, El3saal und Biilettfir die Satongesetlig-

keit des persdnLichen Verkehrskreises om Noch-

nittag, auf det anderen Seite liegt dos Appofte-ment de parade, zu dem kleinere Porodesolons

und Poradeschtofrtiume gehdren. Hier werden,

meist 0m spiiten Vormittag, die offiziellen Visitengteich und hdher stehender l,lenschen empfangenund olle Affoiren des hiifischen Lebens verhondelLDas PoradeschLofzinmer dient zum Empfang von

hohen und besonders zu ehrenden Giisten, hiernimmt, oufdem Lit de parude die Dome ob Repro-

sentantin des Houses offizietle Besuche, z. B. nodtei ner Entbi nd ung, entgegen.

Insgeslmt besteht eine strifl.e Separierung duHerrschaft vom Dienstpersonat. Dieses ist in den

den HOhepun ktdarstettte, sondernAbb. 6.29: Adelspolost nit

Ehrcnhof, Pois

Abb.6.30: Zinmer in HoteL

InpeioL, Wien

auch im Klassizismusund selbst noch in den

206

Page 177: Die Stadt - Lichtenberger

niiher zu SttoJ3e liegenden Teilen unteryebrocht.Hier liegen auch Stiilte, Kiichen und Vorratsriiume,hier spielt sich dos Leben der ,domestiques' ab.Eezeichnend ist dos Vorhandensein von Antichom-bres, doher ouch die Bezeichnung ,ontichambie-ren'. Hierwarten die livierten Lakaien aufdie 8e-

fehle der Henschaft.Kennzeichnend ist die Unbekiimmeftheit der

Herren schicht gegen ii ber der Dienstbotenschichtin bezug aufintime kdrperliche Vorgiinge, ein Aus-

druck der Gleichzeitigkeit von stiindiger rtiumlicherNdhe und stiindiger sozioler Ferne."

Eine VorsteLtung i.iber die ZahI der Personen,wetche in vorindustrielter Zeit in einem Adetspa-last [ebte, bietet das Patais Kinsky in Wien imJahr 1830 (Lichtenberyet 7977, 5. 77 6).

,,Diese Familie des iisterreichischen Hochodebbewohnte den Palost in einem ?reigenerationen-verband von drei Fonilien; einschliel\tich ollein-stehender Verwondter w0ren es insgesomt 26 Pet-

sonen, Vom Dienstpersonal waren 17 Personen

bereits in Wien eingebiiryeft (darunter 3 Ehepoa-

rc), 59 Bedienstete waren auf der sogenanntenFremdenliste verzeichnet, Insgesomt wohnteniber 100 Personen in diesem Palost."

Das Aussehen ihres Hauses ist fti r die seigneu-rate Gesetlschaft ein Symbot fi.ir den Rang eines,,Hauses" in der Zeit, niimtich eines Generationenijberdauernden Geschlechts gewesen. Der Rang

verpflichtet zum Besitz und zum ,,Aufmachen" ei-nes entsprechenden Hauses. Was vom biirgerli-chen Wirtschaftsethos aus gesehen als Ver-

schwendung erscheint (,,Wenn er Schulden ma-

Die europaische Stadt

chen muBte, warum sch riin kte er sich nicht ein?"),ist vom Standpunkt der hiifischen Gesellschaftaus ein TeiI des Standesethos gewesen.

Det Salz .,noblesse obtige" ist in seiner ur-spriing[ichen Bedeutung die Kurzfassung einesEthos, das sich von dem wirtschafttich orientier-ten Ethos berufsbiirgerlicher Schichten unterscheidet. Der Kaufmann muB zur Aufrechterha[-tung seiner soziaten Existenz seine Ausgabennach seinen Einnahmen richten, der Grandsei-gneur des Ancien r6gime muB zur Aufrechterhat-tung seiner soziaten Existenz seine Ausgabennach den Erfordernissen seines Ranges richten.

Eine der wichtigsten Schranken, die die beidenAdelsformationen derfranziisischen Gesellschaft,die des Schwertes und die der Robe, von der Mas-

se des Votkes trennten, war das gesetztiche Ver-

bot, sich an irgendwetchen kommerzielten Unter-nehmen zu beteitigen. Auf diese Weise seinEinkommen zu vermehren ga[t a[s unehrenhaftund hatte den Verlust des Titels und des Ranges

zur Fo[ge.

Die auf soziate Abhebung, auf Prestige undRepriisentation abgesteltte Bauweise der Ade[s-

hiuser btieb zuniichst bereits im Ancien r6gimenicht ohne Wirkung auf die Hausgestattung derunteren Schichten. Transformiert und verein-facht sank diese Weise der Formung und Fassa-

dengestaltung immer weiter von oben nach un-ten. Mit dem Ende des Ancien r6gime haben diebiirgerlichen Schichten das Vertangen nach so-ziater Abhebung, Reprlsentation und Prestigeweitergetragen.

Ab b. 6 -3 1 : Bo tockpoldste: o )Itichno, b) Lobkowiz, Prog

207

Page 178: Die Stadt - Lichtenberger

Abb. 6.i2: Renoissonce-

Arkodenhof,ll/ien

Ab b - 6 - i j : Arkode n h iife,Gronado, Sponien 1978

Wohnraum und Geselkchaft

Hofhaus und GroRwohnhof

Nach einer Zasur im Mittetalter kam in der Re-

naissance aufgrund von dynastischen Beziehun-gen und mit itatienischen Ingenieuren undMaurern, wetche flir den Bastionsbau der Fe-

stungsstadte geholt wurden, die Wohnhofideenach Mitte[- und Westeuropa, in die tjsterreichi-sche Monarchie und nach Frankreich.

Bereits a[s Mietshaus konzipiert, ist der Rena;,s-

so n ce-Arkoden hof ein Abteger des mediterranenHofhauses (Abb. 6.32, Abb. 6.33).

0ie bis dohin unbekonnte Bouidee der Ausich-tung des Hauses aufden HoJ ab orchitektonischen

Mittelpun kt erfordefte die nohezu quodratische

Form der Porzelle und eine allseitige UmschLie-

l3ung des Hofes mit Trakten onndhernd gleicher

Breite, deren oneinandergereihte Riiume von

L0ubengtingen (Arkoden) aus belichtet und zum

Teil ouch betreten werden. Grol3zigige, zumeistzweiarnige Stiegen mit geroden Liiufen woren ein

entscheidender Foftschitt gegen ber den halsbre-

cheischen Wendettreppen der gotischen B rger-

hiiuser. Die groJ3e foreinfohftin den Hof gestltte-te und verweist auf den Besitz von Wogen und

PJerden. Die Bewohner deroftiger Hduser waren

Birger,,,die Rosse vernAgen". Dementsprechend

herrschten bei den zumeist drei- bis viergeschossi-

gen Bauten groJ3e k/ohnungen vor; der Housbesit-

zet wohnte im ersten Stock, die anderen Geschosse

woren vermietet.In besonders groBziigiger Weise wurde die

Hofhausidee dann im 17. und 18.Jh. in den

Woh n h 6Jen der Kldster verwi rkticht (Abb. 6.34).Geisttiche Stifte besaBen in den mittetaltertichenStiidten hiufig grtiBere Besitzungen, welche ats

Meierhiife die stiidtische Beviilkerung mit Mitch

versorgt haben, gteichzeitig aber auch a[s Ab-

steigquartier fi.ir den Abt dienten. Mit dem Auf-treten einer neuen Scharvon Wohnungsinteres-senten. niimtich den Beamten, wetche der Staat

des aufgekliirten Absotutismus beniitigte, erfo[g-

ten ein AbriB der Meierhiife und der Neubau vorgroBen Wohnhdfen, deren Wohnungen auf die

Bediirfnisse des mittleren und oberen Beamten-

tums zugeschnitten waren. Flir Gewerbetreiben-

de war kein Platz vorhanden. Werkstatten, Lagerriume oder Verkaufsriiume waren nicht vorge-sehen.

Die bautiche Form des GroBwohnhofes wurde

ein Jah rh undert spiiter, in den Spekulationsjah-ren der Grtinderzeit, fiir die Arbeiterschaft ver-

wendet. Es entsta n d en Arbeitergrolwoh n hdfe ni:einem,,Zeltensystem" von Kteinstwohnungen-

Italienische und spanische GroBstidte biete'zahlreiche Beispie[e fiir derartige Anlagen m':frei um[aufenden Giingen an der Hofseite. vo'

Zimmer - Kabinett- Zimmer Kabinett

208

Page 179: Die Stadt - Lichtenberger

denen aus die Ein- oder Zweiraumwohnungen be-treten werden. Diese ir,srlae stelten in gewissem

MaB Nachfahren der Wohnhiife dar, welche be-reits im antiken Rom gebaut worden waren.

Der GroBwohnhof der Grlinderzeit in der Formdes AuBenganghauses wurde nicht nur f[ir dieGrundschichten der Bevdlkerung gebaut, son-dern es gab ein komptettes ,soziales Set" vonWohnhiiusern, wetches mit Kteinstwohnungenfiir die Grundschichten der Bev0lkerung iiber dieMittetschichten bis zu den 0berschichten hinreicht.

In diesem Zusammenhang ist ein Einschub iiberdie gut untersuchten AuJ3enganghiiuser in Buda-pest a ngebracht. In Budapest ist die g rtin derzeit-tiche Entwicktung verspetet, dann jedoch - ge-messen an der StadtgriiBe - in um so griiBeremTempo erfotgt (Abb. 6.35). Die gesettschaftticheEntwicktung konnte damit nicht Schritt hatten.Feudale Gesellschafts- und Haushaltsstrukturenmit einer groBen ZahI an famitienfremden Perso-nen, HauspersonaI und gewerbtichen Hitfskrdf-ten hietten sich [enger ats in anderen GroBstid-ten. Andererseits kamen Bauspekutation undprofi torientierte Bautitigkeit, ungebremst durcheine [ange Mietshaustradition (wie in Wien), vottzum Zuge, angeheizt von den explosiv steigen-den Bodenpreisen. ,,Bitlig bauen" tautete die ge-

Die europaische Stadt

nerelte Parole. Sie betraf gteicherweise das Auf-sch[ieBun gssystem wie die GrundriB gestattun g

der neugebauten l''tietshiiuser und Wohnungen.Derart wurde von seiten der Bautrdger grund-siitztich eine komptette [Jmbauung des Hofes,unabhdngig von der GriiBe der Wohnungen, vor-genommen, und zwar in Form der AuBengang-heuser. Zu diesem AuBengang iiffnen sich dieKi.ichen und Nebenreume, von ihm aus betrittman die Wohnungen. Nur die Repr,sentations-reume von Nobelwohnunqen sind fiir die Gdstedirekt vom Treppenhaus aus zugingtich (Abb.6.36, Abb. 6.37).

Die AuBenganghiiuser sind ein Hauptprobtemder Budapester In nenstadterneuerung, da derAu-Bengang bei Wohnungszusammenlegungen nicht

Abb.6.34 (oben links):Gei stli ch er Woh n h of, Wien

Abb. 6.3 5: GrinderzeitLicheN o be lniets h d u se r, B u do pest1980

Ab b. 6. i 6 : Grii n derzeitlichesN ob eLni etsho u s, B u do pest

':il'i !'

Kteinersaal I GroBer saat

?09

Page 180: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesettschaft

Ab b. 6. 3 7 : G rA n de EeitLi ch e

No belwoh n u ng, B udopest

Ab b. 6. 3 I : G ri n de rzeitli c hes

M i tte ls to n d s n i ett h o u s,

Budopest

beseitigbar ist. Seine MiingeI sind beachttich, da

der Zugang zu den Wohnungen und zu den Ge-

mei nschaftstoi letten direkt vom Freien aus er-fotgt und damit im winterkatten Ktima von Buda-pest ein Wetter- und Kiilteschutz fehtt. Dariiberhinaus sind nur die straBenseitigen Wohnungengut belichtet und beliiftet. Beim griiBeren Teilder Hofi,rrohnungen ist Querbeluft ung unmiigIch.Die Beleuchtungsverhiittnisse in den Hofwoh-

nungen sind durch die Enge des Hofes vor altem

in den unteren Etagen schlecht.

Auch die sozialen Konsequenzen des Budape-

ster Griinderzeithauses mit einem offenen AuBen-

gang liegen auf der Hand. Das ,,Sichtbarsein im

AuBengang" bedeutet, daB das Wohnen im Buda-

pester Mietshaus einen eher kotlektiven, das Att-

tagsleben einen intensiveren gemeinschaft [ichen

Charakter hat ats in den westlichen Hauptstiidten.

Das Nobelmietshaus in Budapest weist Gemein-

samkeiten mit dem Wiener Nobelmietshaus auf,

darunter die vertikale Differenzierung der Woh-

nungsgrtiBe, die hiiufige Separierung von Herr-

schafu- und Dienstbotenstiegen, in den Wohnun-gen setbst die Trennung zwischen Repriisenta-

tionssphiire, Privatsphiire der FamiLie und Dienst-

botenbereich. In einem nicht untersuchten Aus-

maB haben Aufteilungen der Wohnungen und die

[Jmwand[ung in Biiros sowie auch die umgekehr-

te Entwick[un g statigefunden.Bemerkenswert an den Budapester Nobelwoh-

nungen ist die an den franziisischen Palastbau

erinnernde gleichwertige Raumzutei[ung an die

Dame des Hauses. Sie besitzt eine Paratlele zum

franzOsischen Palastbau und ist in dieser Form

weder bei den Wiener noch bei den Berliner No-

belwohnungen der Gr0nderzeit zu finden.Auch die Mittelstandswohnungen der Grlinder-

zeit taqen hinsichttich ihrer Gr6Be z. T. noch iiberden Standards kommunistischer Wohnun gszutei-

[un gsnormen (Abb. 6.38). Atte Mittelstandswoh-nungen, setbst die mit nur zwei Zimmern, besa-

Ben ein Dienstbotenkabinett (!), iibera[[ hatte das

Vorzimmer die Funktion, den Dienstbotentei[-sprich Kiiche und Dienstboten ka m m er, von derRdumen der Herrschaft zu separieren. Der Fassa-

denkutt hat iihntich wie in Wien bausoziate Unter-

schiede nicht sofort von der StraBenseite he'sichtbar gemacht.

Die deuttichen Unterschiede in der Wohnungs-

griiBe und GrundriBgestaltung zwischen denStraBentrakt und dem Hoftrakt sind auch bei de'Revitatisierung des Arbeitermietshauses erhaltergeb[ieben (Abb. 6.39).In dieser Hinsicht habersomit die griinderzeittichen Mietshiiuser aU.e

Konzepte vorweggenommen, welche der mode--

ne Wohnungs- und Stiidtebau unter dem SchLag-

wort des ,,sozia[en Mix" ats neue Idee propagie'-

Z Zimmer VR Vorraumkab Kabinett Kii Kiichevz vorzimmer B Bad

WC Toitette

Id Dienstpersona[ * AuBenganq

21,0

Page 181: Die Stadt - Lichtenberger

Die europeische Stadt

lllll AuBengangZ Zimmer

Kiiche Kab KabinettVorzimmer WC Toitett€

In dem gesamten umschriebenen Zeitraum be-fand sich derWohnhof ats i4iethausin derlnter-essensphere von renditesuchenden geistlichenund weltUchen Hausbesitzern. Das Ende des Er-sten Weltkriegs verenderte nicht nur die potitischeLandkarte Europas, sondern auch die Stadtpoti-tik. Das attgemeine Wahtrecht brachte soziatde-mokratische Mehrheiten. Der soziate Wohnungs-bau wurde in vielen Stedten des Kontinents derwichtigste Progra mmpun kt der l,lunizipatregie-rungen. Im AnschluB an Arbeiter-GroBwohnhiifeder Griinderzeit entstanden zuerst in Wien diekommunolen Wohnhdfe der Zwischenkiegszeit-Sie i.ibertreffen in ihren Dimensionen a[[e Vorldu-fer bej weitem (Abb. 6.40, Abb. 6.41). GroBanla-gen, wie der Kar[-Marx-Hof, bjeten rund 6000Bewohnern Platz. Im Inneren der Blticke befin-den sich Grijnfliichen sowie Spiel und Sportptiit-ze. Sie sind mit Wohtfahrtseinrichtungen, wieAmbutatorien, Kindergiirten und Biidern, ausge-stattet. Der Zuschnitt auf die Grundschichten derBeviilkerung ist aus der WohnungsgriiBe ersicht-tich, die zwischen 38 und 57 m2 Lieqt.

In der GIederung der Baumassen spiirt man -bei alter betonten Sachlichke'it - das Strebennach Monumentatitdt ats Ausdruck eines potiti-

Kiiu7

Kart-14arx-Hof, Diibtin g-Heitigenstadt

W WSschereiK l(i n derga rten

ffiVt-c--t\l

-th\,rm#,ffiffiW-%w-c)dz0 200 m

schen MachtbewuBtseins. Nicht a[s Gtieder einesbereits bestehenden Baukiirpers, nicht ats Rei-henmietshiiuser im bisher Ub[ichen Sinne, wottend'ie GroBanlagen aufgefaBt werden, sondern alsEinzetobjekte mit einer jewei [s besonderen Noteder Gestattung. Hinsichttich der Stellung zumStraBennetz und zu den Ftuchttinien werden siein einem MaBe hervorgehoben, wie dies bishernur bei Representativbauten liblich war. Mandurchbrach bewuBt das Rasterschema des Stra-

Sandteitenhol ottakring

Washington-Hof, Favoriten

Abb. 6.39 (oben lin,s):Revito Li si e ftes Arbeite r-n i ets h o us de r GrA n de rzeit,Budapest

Ab b. 6. 40 : Ka rL- M a a- H oJ,

Wien 1997

Abb. 6.41 : Grundi[Sentwick-Lu n g det Ko n n u n alb o ute nin llien

277

Page 182: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesellschaft

Bennetzes und riegelte im Bebauungsplan vor-gesehene Quergassen ab.

In der spiiten Nachkriegszeit ist dje Wohnhof-idee im sozialen Wohnungsbau ,,aus der Modegekommen" und wurde durch GroBblticke er-setzt. Sie separierte sich auch vom kompaktenStadtktirper und mutjerte zu einem BestandteiIder GroBaufsch[iellung am Stadtrand.

Das kontinentateuropeische Mietshaus

Das kontinentaleurop5ische Mietshaus weist einevietschichtige Vergangenheit auf. Es stetlt einer-seits eine Fortentwicklung des Hofhauses dar,bei dem schrittweise der Hofraum reduziert wur-de, und fuBt andererseits auf dem Seitenfliiget-haus. Ab der Mitte des 18.Jh.s riickte vor a[[emdas erstere rasch zu einer standardisierten GroB-form auf, ats aus dem Manufakturwesen groBge-wordene lJnternehmer, Bankiers und GroBhiind-ler den Bau von Mietshiusern ats sichere undeuBerst rentab[e Form der Ge[dantage entdeck-ten. Das Vorbitd hierfiir lieferte Neapet, das an

der Wende des 18. zum 19. Jh. mit rund 350 000Einwohnern nach Paris die zweitgriiBte Stadt des

europiiischen Festtandes war. 0ieser Eautyp brei-

tete sich vor atlem in den groBen Stiidten Frank-

reichs und Osterreichs aus.

Studiert man die aus dieser Periode des klassi-

zistischen Bausti [s erhattenen Wohnbauten gro-

Ber Stiidte (Wien. Paris, Madrid usf.), so ist man

beeindruckt von der Auswirkung der rationa[enGeisteshattung der zeit der Aufktiirung auf die

Grund- und AufriBgestaltung. Der Verzicht aufdie Patastgliederung und die gteichfiirmige Be-

handtung der Geschosse ist weit mehr ats nur ein

neues Sti[merkmaI des Wohnbaus, er ist Ausdruck

einer neuen Baugesinnung. Die bis dahin iibticheindividuette Anordnung der Raume innerha[b ei-ner Woh nung und ebenso der einzetnen Wohnun-gen zueinander wird endg0ltig von einer schema-

tischen Gruppierung abgelijst, die zwangstaufi 9aus dem groBen Bedarf an Wohnraum resultier-te. Der Ursprung des modernen, standardisiertenMassenmietshauses [iegt damit in dieser Zeit und

somit wesenttich friiher, ats im a[[gemeinen an-genommen wird.

Abh. 6.42: Fossade eines

frii h g rii n de rzeitli ch en Mi ets -houses, Wien

Abb. 6.43: Fossode einesh oc hg rti n de rzeitli ch en

Mietshquses, Wien

21,2

Page 183: Die Stadt - Lichtenberger

Die europeische Stadt

Ein ganz wesentticher Vorgang war das Htiher-,vachsen der Verbauung im Verlauf der Griinder-zeit unter dem Druck steigender Bodenpreiseund Mieten info[ge des Beviitkerun gswachstums

der groBen Stddte. Das Wiener BeispieI demon-striert sehr eindrucksvoll das Hiiherziehen von49eschossigen FrUhgriinderzeithausern zu 5ge-schossigen Hochgriinderzeitbauten bis zu den

6geschossigen Mietshausern der Spetgriinderzeit(Abb. 6.42, Abb.6.43, Abb.6.44).

Im Hinbtick auf GrundriBgestaltung und Ge-

samtanlage wurden bereits an der Wende vom18. zum 19. Jh. viele Ltisungen vorweggenom-men, welche in standardisierter Form dann oft um

ein Jahrhundert spiter in den Neubaugebietender Stadte zur Anwendung geLangten:

1) der einfache StraBentrakter.2) der Doppeltra kter.a uf tieferen Parzel[en mit

zentralem Stiegenhaus,3) das rationatisierte Langparzeltenhaus auf den

tiefen Parzetlen mitte [a lte rli c h e r Stadtkernesowie

a) die Fortfiihrung der Hofhiuser bei gteichzeiti-ger Reduzierung des Hofes ats Vorliufer dergriinderzeittichen Nobetmietshiiuser.

Im Hinb[ick auf das Parze[[ierungssystem ist je-doch festzuhalten, daB die Mietshausverbauungkeineswegs - wie man annehmen so[[te - mit ei-ner Revolution in der AufschtieBung einherge-gangen ist. Das Berliner Beispiel belegtvie[mehr,daB man auch weiterhin eine Parzetlierungsformbeibehalten hat, die noch an der AufschtieBungvon Famitienhiiusern orientiert war (Abb. 6.45).

Die Parzelten bebaute man mit schmaten, abertiefen Mietsheusern mit fiinf bis sechs Geschos-

sen und ein bis zwei Htifen aufgrund der 1853endg0ltig verabschiedeten und in Kraft getrete-nen Bauordnung. Das Schema zeigt drei flir Ber-tin charakteristische Mietshausbebauungen.

In a[[ diesen Bauten bestand eine beachtticheDifferenzierung in der Vertikalen, insofern, ab imersten Stock zumeist die Wohnung des Hausbe-sitzers bzw. eine sonstige GroBwohnung lag, inden dariiberliegenden beiden Geschossen wardie Etage dann meist auf zwei Wohnungen aufge-teitt, und in den obersten Geschossen befandensich vier oder noch mehr Wohnungen. Aufgrunddieser ausgepragten vertikaten Gliederung der

c2

A H. usE p mit ei ngeschtossenem Hof (t4indestbreite 5,3 m),Frontseite 15,3 m. attsejts und dreiseitjg umbaut

B StraBentrahe mit [angen Seitenfl,iiqelrc Hintereina ndergestettte ouergeb5 ude, die sich besonders fur ktei ne lll/oh nungen eignen.

Bauten bestand auch eine entsprechende Men- Abb. 6.44: Fossode eines

gung der Soziatschichten. spdtgrindetzeitlichen l|iex-Zu dieser Gtiederung in derVertikaten trat i.iber- houses, wien

dies stets auch die bereits aus dem mittetatterti-chen Biirgerhaus gel5ufige Gliederung in der Abb.6.45:Be inerWohn-

Horizontalen des Hauses, insofern, a[s Hinter- housgrundrisse un die l4itte

traktwohnungen meist kleiner und die Mieten des19'Jh's

Hinterhaus

Hof5,3 m

vorderhaus

Grundstiick

FassadeStraBe

I

0510m

lllll15,3m | | | |A1 lA2 lB1 lB2 Cl

273

Page 184: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Geselkchaft

_ 1.-.. t'

Abb. 6.46: NobeLmiets-

hd us er i n Roth o usierteL,Wien 1970

niedriger waren und daher auch bescheidenereBeviitkerungsgruppen hier wohnen konnten.

Dem grtiBeren Anwert der StraBenseite vonHeusern trug man vielfach schon in der 14anufak-

turzeit durch ein entsprechendes Parzetlierungs-system Rechnung, bei dem anstelte der bisheriib[ichen tiefen Parzetlen nur mehr kurze Parze[-

len verwendet wurden. Eine Kappung der Seiten-fliige[ war die Folge. Es entstand das ,,stutzflii-gethaus", das in weiterer Folge dann mit demGroBmietshaus der Attstiidte in der Gr[inderzeitzur griinderzeitlichen Mietshausserie verbundenwurde.

Wie bereits betont. verbindet sich in der gene-

retlen Auffassung erst mit der Griinderzeit dieKonzeption vom Auftreten des Mietshauses. Die-

se Auffassung istjedoch zu revidieren, denn dieAnfinge des Mietshauses reichen, in Abhiingig-keit von der StadtgrtiBe, bereits an die Wende

vom Mittetalter zur Neuzeit zuriick. Das ettereMietshauswesen diente in erster Linie dazu, den

Wohnungsbedarf von kleinb[irgertichen Schich-ten zu befriedigen.

Ab der Mitte des 19. J h.s reihte sich mit der In-dustrialisierung und der sprunghaft steigenden

Verstadterun g der sogenannte,,vierte Stand" indie Schar der Wohnungssuchenden ein. Die tradi-tione[[en Haushaltsgemeinschaften, in denen der

Gewerbeherr fiir die Unterbringung seiner Gehit-

fen und Lehrtinge verantwortlich war, liisten sich

mehr und mehr auf.

An einem Set von Bautypen, dem Nobel, Mit-tetstands- und Arbeitermietshaus, seien die griin-

derzeitliche Lebensform und die aktuelte Pla-

nungsprob[ematik iltustriert. Von der Traditiondes Seitenfliigethauses her fi.ihrt der Weg zum Arbeiterwohnhaus a[s Gangkiichenhaus mit Zim-

mer-Kiiche- bzw. Zimmer-Kiiche-Kabinett-Woh-nungen sowie mit einem langen Innengang an

der Hofseite, an dem auch der Wasseraustauf und

die Toiletten angelegt sind.Vor atlem im Hinblick auf die Anwendung der

Bauordnungen und damit die Bauquatitat, aber

zum TeiI setbstin der Fassadengestaltung unter-scheidet sich das Arbeitermietshaus in der spd-

ten Grlinderzeit kaum nennenswert vom biirgerti-chen Mietshaus (vg[. Abb. 6.57b). Beide weisen 7

bis 11 Fensterachsen auf, nur hat das b[irgerliche

Mietshaus keine Innengiinge, da in jedem Stock-

werk meist nur zwei Wohnungen und im Hausflur

eine Portier[oge zu finden sind. Der abgebitdeteWohnungstyp der Dreizim merwohnung mit Die-

nerzimmer, Vorzimmer und Kuche entsprichtetwa dem durchschnittlichen Lebensstandard der

biirgertichen Mittelstandsgeseltschaft, die bis

zum Ende des Jh.s imstande war, injedem Haus-

hatt auch einen eigenen Dienstboten zu haben.

Der beachtliche GrtjBensprung zwischen blirger-licher und Arbeiterwohnung belegt die Wohn-

klassen geseltschaft der Erbauungszeit.

Deutlich abgehoben vom b rgerlichen Miets-

haus ist das Nobelmietshaus (Abb. 6.46, Abb.

6.47), das aus der Patasttradition vietfach nocldieTrennung der Herrschafts- und Dienstboten-stiege iibernimmt (Abb. 6.48, Abb. 6.49), ebensc

aber auch die Grb13e seiner der Repriisentatiordienenden Riium[ichkeiten, darunter den Salor

mit AusmaBen bis zu 60 m2. Mit der Flucht vorDurch gangszimmern liings der Stra Benfront unc

der Anordnung der Nebenriiume gegen den Ho:

hin hatten derartige Wohnungen des GroBbrir-

274

Page 185: Die Stadt - Lichtenberger

Die europaische Stadt

S Saton DZ DienstbotenzimmerZ ZimmerK (iich€V Vorzimmer

Ab b. 6. 4 7 : G ru n d iJ3 ei nerNobelwohnung, Wien

Ab b. 6. 4 8: H errschoJts-sti eg e, Ri n g strolSen hq u s,

Wien 1970

Abb. 6. 49 : Dien stboten-sti eg e, Ri n g strqJ3e, Wi en1970

Abb. 6.50: Durchblickin eineq ufg etei lte No beLwo h n u n g,Wien 1970

275

Page 186: Die Stadt - Lichtenberger

Wohnraum und Gesetlschaft

Abb. 6-51: feiLung einerNobeLwohnung, Wien

Ab b. 6. 5 2 : G ri) n de rzeitli ch es

Arbeiter mi ets h o u s, Zu so n -

m en Leg u n g vo n Wo.h n u n g e n,

Wien

gertums im urspriingtichen AusmaB 300 m2 undmehr.

Die aktuette Situation dieser Wohnbautypen istunterschiedtich. Die Nobetwohnungen sind zugroB dimensioniert und zu aufwendig, a[s daB

sie von Mittetschichthaushatten erhatten werden

kbnnten. Sie werden daher geteitt (Abb. 6.50,Abb. 6.51) bzw. in Zentrumsniihe in Citybiirosumgewande[t.

Die biirgertichen Mietwohnungshiiuser befi n-den sich derzeit in einem ProzeB der Wiederin-wertsetzung, der nicht mit dem Vorgang der Gen-

tn_ftahbn zu verwechseln ist.Anders ist die Situation bei den Arbeitermiets-

hausern. Einst in der Zeit der groBen grlinder-zeitlichen Zuwanderun g iiberfiiltt, mit Belags-

dichten von 6 bis 10 Menschen pro Raum, istihreBev6tkerun g heute iiberaltert. Ihre Nachfo[ge

treten ausliindische Zuwanderer an. In giinstigerLage ist eine spontane Revitalisierung, durch Of-

fenttiche Kredite gefiirdert, im Gange. Die Lii-sung [autet: Zusammentegung der Wohnungen(Abb.6.52). Die Berechtigung dafiir ist aufgrundder oben erwdhnten, guten Bauqualitet gege-

ben. Damit ist ein ProzeB im Fortschreiten, der

zeigt, daB nicht nur AbriB oder echte Gentifiko-fion die beiden Auswege darstetten, sondern daB

bei entsprechender Fiirderung in soziaten Woht-

fahrtsstaaten ein dritter Weg der Beseitigung von

Substandardwohnungen besteht, indem gteich-

zeitig auch die Wohnungsnot von jungen, in den

Arbeitsmarkt eintretenden Beviilkerungsgruppen

beseitigt wird.Damit ist das Kteinstwohnungsprobtem ange-

sprochen, wetches atte groBen Mietshausstedte

in Europa, wenn auch in unterschiedLichem Ma-

K Kiiche V VorzimmerC Kabinett B Badezimmer o lom

Be, aus der Griinderzeit geerbt haben' Umfeld-

und Bauqualitat der fiir die Arbeiter errichteten

Bauten sind sehr unterschied[ich.In diesem Zu-

sammenhanq sei aufSchotttand hingewiesen, wo

der (aufgrund der dynastischen Beziehungen)

franziisjsche Einf[uB in einem mehrgeschossigen

Mietshausbau zur Geltung kam. Davon wurden

rund drei VierteI zwar fiir die Grundschichten der

Bevtilkerung, aber ebenfa[[s in so[ider Natur-

steinbauweise errichtet. Von den Wendeltrepper

aus konnten in einem Stockwerk fiinf bis acht

Woh nungen i.iber Passagen erreichtwerden.Die in den groBen Stedten der ehemaliger

Habsburgermonarchie in der Griinderzeit ge-

schaffene Wo h n kLassen geseltschaft der Miets-

hiiuser hat in sehr 5hnlicher Form auch in Frank-

reich bestanden. wo drei Mietshausklasse-

unterschieden wurden.

Wohnan[agen

Das Ende des Ersten Weltkriegs hat mit dem Zu-

sammenbruch des kapita listischen Wohnungs-

marktes private Kapitatgeber fiir den Mietshaus'

bau fiir tange zeit ausgeschaltet. offentticr-iInstitutionen, Stadtgemeinden, Linder und G:nossenschaften iibernahmen die Errichtung vc -

Mietshdusern. Gteichzeiti g damit erfolgte ei -:grundsiitztiche Anderung der stiidtebautiche-

Konzeption. Die traditionelle Reihenhausverba --ung wurde aufgebrochen. Wohnblijcke traten :-die Stelle der Reihenmietshiuser (Abb. 6.::6.54,6.55) die sich zu GroBantagen in den Din-e--

sionen von historischen Stadtteiten gruppiere-.

Worin [iegen nun die Hauptunterschiede de='-tiger moderner Wohn btockverbd nde gege'rL::-

den gri.inderzeittichen l"lietsheusern? HierzL' -fotqenden eini ge Feststeltungen :

K KiicheC KabinettZ Zimmer

D Dienstboten-kammer

B Badezimmer

276

Page 187: Die Stadt - Lichtenberger

Die europdische Stadt

Abb. 6. 53 : Wo h n on Logen,

Frunkreichlrlairl.!

aI

IIa!rI

r Auf das Abgehen von der Parzellenaufsch [ie-Bung und die in einem Zug erfolgende Ver-bauung eines griiBeren Areats wurde bereitshingewiesen.

r Bei derAnordnung derAnlagen wurden unter-schiedtiche Stetlungen und Gruppierungenverwendet, Dassetbe gi[t fiir die Bauhiihe, wo-beiab einer bestimmten GeschoBzahI Aufzi.igeeingebaut werden, so daB Hochbauten als0rientierungsmarken Verwendung finden. Inmittteren Breiten werden nach 5[iden die Log-gien ausgerichtet, nach Norden dagegen dieNebenriiume.

r Wohnanlagen werden fiir Bezieher mittlererund unterer Einkommen errichtet, GroBwoh-nungen mit iiber 150 m2 daher im altgemeinennicht mehr erste[[t. Die Unterschiede beziig-tich der WohnungsgriiBe werden von Uber[e-gungen hinsichtlich Haushaltsgr0Be und Fa-

mi[ienstruktur bestimmt. Derart werden demo-graphische Segregationsprozesse eingeteitetbzw. begi.instigt,

r Einer neuen Wertsch;tzung erfreut sich dasoberste GeschoB, in dem der Ausbau zu einemPenthouse bzw. zur Maisonette erfotgt, bei derWohn- und Schlafriumein zwei Ebenen ange-ordnet sind.

r Das ettere Prinzip der Einheit von Wohnungund Betrieb bzw. Wohnunq und B[iro wird auf-

ffixItrtr

LLffiffi

sy+r!sbY""

gegeben. Erst in allerjiingster Zeit findet es

mit der Ubertegung der Schaffung von EDV-Ar-beitspldtzen wieder Beachtung. Funktionetle[ibertegungen im Hinbtick auf den Bewegungs-abtauf in einem .Normalhaushalt" bestimmenden Zuschnitt der Wohnungen (vgl. unten).

Ab b. 6. 54 : Grd[3enverg teich

der Wohnstodt Stei lshoop,DeuBchland, mit der lttienerRingtuone

217

Page 188: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

l-i.;s"-' .-;ryir..k}*^. l*-;=;.i {

iiberbtickDas Ka piteI thematisiert die Erscheinungen der Wirtschaftim Stadtraum anhand von ideattypischinterpretierten Beispielen. Es wird die Entwicktung fotgender Wirtschaftsbetriebe dargesteltt:r vom Einzethandelsgeschiift zur Shopping-Ma[1,r von der Hinterhofindustrie zum Industriepark,r vom Kteinbiiro zum B[irohochhaus.

Die Sachthematik ist auf der Mikroebene zentriert umr technische und iikonomische Innovationen,r Betriebsformen undI das iuBere Erscheinungsbitd;

aufder Makroebene umr die Unterschiede zwischen den politischen Systemen undr die Effekte der Gtobalisierung.Die rdum[iche Fragestetlung erktart den WechseI des spezifischen Standortmusters im Stadtraum.Das Verhettnis von Staat und Wirtschaft im Stadtraum bitdet den AbschtuB.

Abb.7. 1: Strdl3burg nite u rop iii sch e n Po rLo n e nt

253

Page 189: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

Einteitung

Der Einstieg ist schticht, die Frage [autet: Wet-

chen Stellenwert hatte die Wirtschaftin den Ent-wicktungsperioden der Stadt, wobei dieser Stet-lenwert nicht durch iikonomische Parameter,sondern durch die Erscheinungsformen der Wirt-schaft und ihre Standorte beschrieben werdensott. Auszugehen ist von Max Webers Begriffs-paar: Herrschaft und Markt. im seku[arisiertenDenken des 21.Jh.s ist es als Dichotomie vonStaat und Wirtschaft zu interpretieren. Nun hatim Laufe der Stadtentwick[ung das Verhiiltnis vonwett[cher Herrschaft und Markt mehrfach ge-

wechselt. Im Riimischen Reich unterlagen a[[eTeite der Wirtschaft der staatlichen Reg[ementie-rung. Dabei profitierte jedoch die Wirtschaftenorm von den staatlichen Leistungen in dem

hierarchischen Aufbau von Siedlung und Verkehrdes Wettreiches, das sich um die Kiisten des Mit-telmeeres auf der Grundlage der Schiffahrt ent-wicke[t hatte.

Ein Jahrtausend speter entstand an der Peri-pherie der Machtkiimpfe zwischen retigitiser undweLtticher Herrschaft in Zentrateuropa rings um

die niirdl,ichen Meere des Kontinents ebenfa[[sauf der Grundlage des Schiffsverkehrs der Stiidte-bund der Hanse. In seiner otigarchischen 0rgani-sation bitdeten Markt und Herrschaft eine Ein-heit. Ahntiches qatt fiir die Stadtstaaten Ital.iens.Diese .,informe[e Herrschaft der Stadt" konntesich jedoch gegeniiber den absotutistischenFtiichenstaaten nicht behaupten, welche dieStadt in ihre hierarchische 0rganisation eingtie-derten. Wieder gewann die potitische Herrschaftdie Dominanz iiber den Markt.

Erst der Liberalismus brachte eine gewisse

Emanzipation der Wirtschaft vom Staat, a[ter-dings nicht in Europa, sondern im Neusied[ungs-raum von Nordamerika. Aufdie Symbotik derver-tikaten baulichen Dimension in der 5tadt wurdehingewiesen. Nurin Nordamerika haben die Wirt-schafuunternehmen die Stadtmitte erobert unddie ,,Kathedralen Gottes" durch die ,,Kathed ra len

des Kapitals" ersetzt. Damit hat ein neues Zeita[-ter begonnen, das, nur gestdrt und unterbrochendurch die beiden Wettkriege, durch die Gtobati-sierung der Wirtschaft gekennzeichnet wird und

die bisherigen Strukturen der Stadt jn Frag€

stettt.Die Wirtschaft hat sich im Liberatismus mit der:

technischen Fortschritt gepaart. 5ie braucht die

Stadt nicht mehr, so [autet die These. Ihre ein-zelnen Bereiche, das Geschdftsleben, die Indu-strie, se[bst der Biirosektor konnten sich von de-

Stadt separieren. Nordamerika bietet die 5zene.

Europa folgt zdgertich und partietl dieser En:-

wicktu ng.Damit ist die Aufgabe des Kapitets angeschni:-

ten. Anatog zum Kapitel.,Wohnen und GeseL.-

schaft" besteht seine Aufgabe darin, auf de-

Mikroebene Entwicktungsreihen fiir einzetne Ete

mente der Wirtschaft - das Geschiift, die Fabr.und das Biiro - in Hinblick auf SuBere Ersche'-

nungs- und Betriebsformen vorzuflihren, dje Fr;-ge der riiumtichen Verortung in der Stadt und C:-

mit nach den riiumtichen Mustern und der€-

Anderungen zu beantworten und die Geme'--

samkeiten und Unterschiede in den potitische-

Systemen aufzuzeigen. Hierbei ist eine Stettur:-nahme zur G[obalisierung und zur Konverger:-theorie erforderlich.

In Europa haben sich die Aufgaben des Staa:=in der Stadtin den abgelaufenen Jahrhunder::-gewandett. Der aufgektiirte Absolutismus er;c-.tete in Atlianz mit der Aufkliirung Sozialeinric--tungen, Spitiiter. Armen- und Waisenhiiuser s:-wie Schulen, Universitiiten und Gefiingnisse. !:-Nationatstaat baute Rathiiuser und Verwaltur g:-

einrichtungen und erweiterte das Spektrum s:--ner Aufqaben entsprechend dem technisc':-Fortschritt bei Einrichtungen der Ver- und E-:-sorgung und des Verkehrs.

In jiingster Zeit hat sich die Aufgabenstell-- ;unter dem Druck der Gtobatisierung entsc-:-dend qewandett. und zwar nach zwei Richtur:?-hin: Einerseits wird ftir die Freizeitgesettsc-:-:die Stadt zur Biihne ausgebaut, wovon erneu: riMrtschaft profitiert, und andererseits wird ir- :=gtoba[en Konkurrenz die Stadt a[s Unternel-:'vermarktet. Es sind die groBen Metropoten. :.:-ren Regierungen nunmehr auf der potitisc-:-Biihne der Europdischen Union neben den fia::-nalstaaten und den internationalen Konze-:-ats dritte potitische Kraftwirksam werden.

254

Page 190: Die Stadt - Lichtenberger

Vom ltlohnladen zur Mega-Ma1[

Einleitung

Der a[[tagssprach[iche Begriff des,,Geschifts[e-bens" wird ats Dachbegriffverwendet, da er mehrumfaBt a[s nur den Einzelhandet, ndmlich auchdas Gastgewerbe, bestimmte Dienstleistungenpersiinlicher Art, Einrichtungen der Unterhat-tun g und Freizeit, Verkaufsniederlassungen vonIndustriebetrieben sowie Fitialen von Banken.

Das Geschifuleben einer Stadt ist abhiingigI vom sozialriiumtichen Bauptan und den darin

abtaufenden Prozessen,I von der soziaten Differenzierung der Gesetl-

schaft,r von der Wirtschaftskraft eines Staates und sei-

ner Beviilkerung,I von den Regtementierungen des jeweitigen

politischen Systems und damit von der Wirt-schafupotitik.

Im Laufe der Perioden der Stadtentwickl.unghat sich das Geschdftsleben hinsichttich derBetriebsformen und der Speziatisierung der Kon-sumbereiche, Branchen und Sortimente mehr-fach grundtegend verdndert, wobei diese Verin-derungen jeweils Interdependenzen mit derEntwicklung der anderen Wirtschafu bereiche so-wie der Produktion, mit dem Finanzkapitat unddem Verkehr aufweisen.

An folgenden Erscheinungen werden diese Ver-iinderungen des Geschiifu lebens in Stadtrdumensichtbar:1) an den rtumtichen Standortmustern, wetche

durch die historischen Perioden der Stadtent-wicktung Gi.ittigkeit besitzen.

2) den historischen Verinderungen der Betriebs-formen aufgrund der Kommerzia[isierung derGewerbe und den aktuetten Veriinderungenaufgrund des Auftretens von Kaufhaus und Fi-[ia tsystem,

3) den iuBeren Erscheinungsformen der Betrie-be, vom einfachen Laden bis zur Mega-Ma[[ und

4) in jiingster Zeit an den Effekten der Gtobalisie-rung unter Bezug auf die systematische undrdumtiche Entwicklung des Geschifulebens inder westlichen Wett.

Vom Wohnladen zur Mega-Ma[[

Reumliche Standortmuster

Auf die Persistenz reum[icher Muster in der Stadt-entwicklung wurde wiederhott hingewiesen. Sietrifft auch aufdie rdum[ichen Standoftmuster desGeschiftslebens zu. Drei Grundmuster sind zuunterscheiden: [ineare Mustervon StraBenziigen,Vie rtetsbi td u n ge n, hierarchische Strukturen.1. Das [ineare Muster von verkehrsorientiertenStraBenziigen reicht in Form von LadenstraBenbis ins Mittetalter zuriick. Die Standortkontinui-tiit ist erstau n lich. Trotz der Veranderung von Be-triebsformen und Branchen haben sich die riium-[ichen Grundziige des Geschiftslebens in vieteneuropaischen Stedten bis in die Gegenwart erhal-ten. Bereits in der Neuzeit entstanden mit demStadtwachstum in den grolien Stedten Vorstedteliinqs der AusfaltstraBen. Ve rke h rso rie nti e rteGewerbe und Gasthi,fe siedetten sich an. der Ein-ze[hande[ folgte. Vie[e dieser AusfattstraBen ent-wicketten sich im 19. Jh. aufgrund der Kom-merzialisierung der Gewerbe und der Errichtungvon innerstddtischen Massenverkehrsmittetn zuHauptgescheftsstraBen und iibernahmen dort,wo sie zu ,,BahnhofsstraBen" wurden, diejeweitsffihrende Rotle im Geschiiftsteben.

In der Zwischenkriegszeit begann in Nordame-rika die Ausbitdung von ki[ometerlangen ,,high-way-oriented ribbon deve[opments", wel,chezunlichst der Su burba nisieru n g fotgten und ihrnunmehr vorangehen. Mit Fast-food-Restaurants,Motets, Tankste[[en, Reparaturwerkstatten sowieausgedehnten Ftdchen fiir den Verkaufvon Att-und Neuwagen ausgestattet, hat diese ,,Bandent-wick[ung" liings der AusfattstraBen inzwischenauch Europa erreicht.2. Die Viertetsbitdung ist ein wichtiges Etementder Soaierung der Bevtilkerung im Stadtraum.Sie ist gleicherweise ein wichtiges Prinzip fiir dieAssoziation und Sukzession von Wirtschaftsbe-trieben. Spezialisierte Geschdftsviertel gab esschon in der mitteLattertichen Bi.irgerstadt. Nahe-zu geschlossene VierteI entstanden i.iberatt dort,wo sich fremde Kaufleute ansiedelten. Dies gittfiir die fremden

"Niederteger" in Fernhandels-stedten wie Wien und gi[t ebenso fiir die Gegen-wart, wie die Chinatowns in den USA betegen.3. Die hierarchische Strukturierung des Einze[-

255

Page 191: Die Stadt - Lichtenberger

Ab b. 7. 2 : Ge n i s c htwo re n -

hondlung im fr|hen 20-Jh-

Die Wirtschaft im Stadtraum

handels nach dem Grad der Speziatisierung der

Konsumbereiche, Branchen und Sortimente istein attgemeingi.ittiges riiumtiches 0rdnungsprin-zip. Diesem entspricht in den orientalischenStidten die Abfotge vom Hauptbazar bis zu den

[okalen Bazaren und in den europiiischen GroB-

stiidten die Abstufung von den CitystraBen (mitexk[usivem Sortiment) [iber BezirksstraBen

(StadtteitstraBen) bis zu den ViertelstraBen und

Ladengruppen. In Nordamerika besteht eine

Hierarchie der Einkaufszentren vom Regional

Center ibet das Community Center bis zum Neigh-

borhood Center und Convenience Center.

Historische Abfotge der Betriebsformen

In der historischen Abfotge der Betriebsformensind zwei Vorgenge von Bedeutung: erstens dieKommerziatisierung des Gewerbes und zweitensdas Auft reten groBbetriebticher 0rganisations-formen.

Die Kommerziolisierung des Gewerbes

Die Kom merzia [isieru n g des Gewerbes hat in Eu-

ropa entscheidend zur Ausbitdung des Einzelhan-

dets beigetragen. Sie hat sich in zwei Etappen

abgespiett. Die erste Etappe voLtzog sich in der

l4anufakturperiode, in der neue Produkte aufdem Bekleidungs- und Haushattssektor erzeugt

wurden und gteichzeitig die Gewerbetreibenden

die Erlaubnis erhielten, ihre Waren im Laden zur

Schau zu stellen. Die Kom merzia [schem ata aus

der 2. Hiitfte des 18. Jh.s belegen, daB in einer

soziaten Top-down-Bewegung die Nachfrage der

oberen und mittteren Beviitkerungsschichtennach Luxusgiitern, von Seidenwaren, Juwelen

und Kunstgegenstiinden bis hin zu Biichern, das

Entstehen zahlreicher neuer Geschdftsarten be-

stimmt hat.Die zweite Etappe der Kommerzia[isierung be-

ruht auf der Industriatisierung des t9. Jh.s. Sie

erfotgte in der Donaumonarchie und in SUdeuro-

pa aufgrund der verspateten Industrialisierungund der andererseits umfangreichen, hochspe-

zial.isierten gewerb[ichen Produktion, der die In-dustrieproduktion [ange zeit unterlegen war,

sehr verzdgert und verlief insgesamt unter-

schiedtich. Einzetne Gewerbe, wie die Erzeuger

von Hiiten, Handschuhen, Schirmen und Pe[zwa-

ren, konnten noch die Kommerzialisierung mit-machen und sind erst speter von den neuen

groBbetrieblichen 0rganisationsformen des Ein-

zethandets und neuen Modetrends vom Marhverdrenqt worden. Andere verloren ohne nen-

nenswerte Kommerzialisierung durch das Auftre-

ten der Industrie nahezu schlagartig ihre Exi-

stenz, wie die Tischter, oder sanken, wie die

Schuster, zum Reparaturgewerbe ab.

Die fri.ihe Entwick[ung der Leben smitteti nd u-

strie in der Griinderzeit [jeB auf der anderen Sei-

te spezifische Geschaftsarten entstehen, wie die

Gemischtwarenhand[un g - in Wien der,,GreiB[e-

- und die Mitchgeschdfte. Die Gemischtware'-handtung wurde zum wichtigsten Element de-

Nahversorgung (Abb. 7.2) und behiett dies=

Funktion bis in die 60er Jahre des 20' Jh's be'.

Dann muBte sie gegeniiber den Supermdrkte-

den Riickzug antreten.In Siideuropa, vor atle-in ltatien, konnte sie sich, vie[teicht aufgru-:des hiiheren Soziatprestiges eines Padrone g-genliber dem Lohnempfenger, besser behauptr-Im deutschen Sprachraum ist die Gemischtr-ren handtung weitgehend verschwunden.

256

Page 192: Die Stadt - Lichtenberger

Vom Wohntaden zur Mega-Ma[[

Dos Auftreten yon Koulhaus und FiliokystemIn der Gr[inderzeit entstanden die groBbetrieb[i-chen, vom FinanzkapitaI getragenen Formen desEinzethandets, niimlich das Kaufhaus und das Fi-Liatsystem. 5ie ertangten in Europa atlerdings biszum Zweiten Weltkrieg nicht die Bedeutung wiein Nordamerika. Das Kaufhaus erreichte nur dieoberste GriiBenktasse von Stadten, dagegenbreitete sich das Fitialsystem industrietler Unter-nehmen (in der Donaumonarchie auf dem Le-bensmittel- und Schuhsektor) bis zur Stufe derKleinstadt aus.

Die Wirtschaftskrise der Zwischen kriegszeit,die EinfUhrung einer Warenhaussteuer und diestaattiche Gewerbepolitik zum Schutz der kteinenGewerbe- und Handeltreibenden schrinkten ihreAusbreitung [iber ganz Europa hin ein.

Au Bere Erscheinungsformendes Geschlftslebens

Drei Grundformen stehen zur Beschreibung an:das EinzelgeschSft, das Kaufhaus und das Shop-ping-Center.

Das Einzelgeschiift: Soziolhistoische TypenDie Griinderzeit war durch eine Klassengese[[-schaft gekennzeichnet, deren Spannweite in derWohnungsstruktur dokumentiert wird. Diese[beDifferenzierung spiege[t sich auch in der Ausstat-tung der Geschifte wider.

Als Pendant zu den Arbeiterwohnunqen standan der untersten Ste[[e der Stufenteiter der einfu-che lllohnladen (Abb. 7.3). Er war in seiner ur-sprtingtichen Funktion meist ein Wohntokal, d. h.eine gegen die Gasse hin getiffnete Zimmer-Kiiche- oder Zim mer-K0che-Kabinett-Wohnun g.Bis in die Gri.inderzeit hinein wahrten die Ktein-gewerbetreibenden die atte Einheit von Wohnungund Geschiift. Noch um 1890 dienten in Wien21 000 ebenerdige Geschiiftsbetriebe gteichzei-tig ats Wohnungen (Lichtenberger 1963). ImZuge des Rtickganges der Kteinbetriebe fie[ derGassentaden schon ab der Zwischenkriegszeit z.T.wieder der Wohnfunktion anheim, in jlingererZeit traten Privatgaragen seine Nachfotge an.Nur noch ats Geschiift genutzt, bildet er nach wie

vor, teits noch in griinderzeittichem Gewand,teits in bi[[iger Adaptierung, die Masse der in Sei-tengassen verstreuten Loka[e.

Das einfache Portalgeschiift entsprach demKteinbiirgertum der Griinderzeit (Abb. 7.4). Dervor das Mauerwerk des Hauses gesetzte, meistschma[e Holzportalbau mit seinen charakteristi-schen, hochgezogenen Proportionen schimmertnoch unter den oberflachtichen Renovierungenvieter Geschiifte durch. Man hobelte den reichenZierat des Hotzrahmens ab, verkleidete den Por-talsockeI mit modernen Materia[ien und erneuer-te das Firmenschild. Im Raum der ehemaligenDonaumonarchie in 0stmitteleuropa, aber auchin Italien und setbst in Frankreich haben sichzahtreiche Beispiele erhalten.

Abb. 7.3: Wohnloden derGri)nderzeit

Abb. 7.4: Gut qusgestatte-

tes, neues Gesch tifi flo n k e ftvo n PottaLgesch dfien de rG ndezeit

257

Page 193: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

Abb. 7, 5 : Housherrenge-schiift

Abb. 7.6: Das NobelgeschiiftderGrinderzeit

Durch eine groBzi.igigere Gestattung des meistbreiteren Portals und die qediegene Innenaus-stattung der Schaufenster hob sich das gute Por-tatgeschSft vom einfachen Typus ab. Nur derwoh[habende Gewerbetreibende mit mehrerenAngestettten konnte es sich leisten. Es war zu-dem hiiufig das,,Hausherrengeschift'. Man er-kennt es noch heute daran, daB seine meistziemtich groBztigige Portatfront auch das Haus-tor mit einschtieBt (Abb. 7.5).

Das repriisentotive Poftalgeschrift war ein Kenn-zeichen fiir die Noblesse des Wohnmitieus undauf die Anspriiche der 0berschicht zugeschnitten(Abb.7.6). Es war typisch fiir den Citybereich inden Metropo[en, verfligte meist iiber einen diffe-renzierten Angestetltenstab und war durch die

personette Trennung von Gescheftseigentum und-teitung gekennzeichnet, die etwa um die Jahr-hundertwende in breiter Front einsetzte. Wo sich

das Nobelgeschift erhatten hat, bestimmen

wertvotle Materialien, in erster Linie Marmor,

speter Bronze und Messing, die iiuBere Aufma-

chung. Kunstvolte schmiedeeiserne Gitter, kost-

bare Intarsienarbeiten in den Schaufenstern und

eine wappenartige Gestaltung der Firmenauf-

schriften gehiiren zu den Detaits kiinstterischerGestaltung. Die Gescheftsraume gleichen oftEmpfangssa[ons und sind hiiufig durch Innenga-lerien in zwei Geschosse gegtiedert. Die Bauart

der palaisartigen Hduser kommt dem entgegen.Die tiefen Hausgrundrisse bringen auch eine er-hebtiche Tiefenentwicklung der Geschafte mitsich, die nicht setten nur eine schma[e Schaufen-sterfront zur StraBe aufweisen. Um diese zu ver-grtiBern, wurden in der Zeit des Jugendstits erst-mats auch Hausflurpassagen verwendet.

Die Zwischenkriegszeit war in vielen euro-pdischen Stiidten von Wohnungsnot und Arbeits-

tosigkeit iiberschattet. Die extremen Ausstat-tungsunterschiede wurden abgeschwHcht. Die

Funktion von Nobelgeschiiften wurde z. T. durctFi[ialbetriebe von GroBunternehmen 0bernorn-men.

In StiI und MateriaI brach die zwischenkrieqs-zeit mit alteren Traditionen. Es anderten sich di€

Proportionen der Geschiifte. Die Hiihe des Schau-

fensters wurde reduziert und dafiir die Firmer-aufschrift vergrdBert. Der Holzrahmen wurce

z.T. bereits durch einen Meta[[rahmen ersetr--Rottbatken verdrlngten auch bei bescheidene-Geschiiften die Hotztaden. Die neue Stahtbeto--bautechnik ermtig[ichte eine AustagenvergriiBe-rung durch Entfernung der Mauerpfeiter, wovc-a[[e besseren Geschiifte Gebrauch machten. v.'attem bei Modegeschiiften wurde der Hause'--gang zurlickgesetzt und dadurch ein Tei[ ceHausflurs fi.ir Ausstettungszwecke gewon re-(Hausfturpassage).

Die Gegenwart stehtim Zeichen einer genere--

len Aufwertung der Ausstattung, von der in e--ster Linie die HauptgeschSfustraBen erfaBt nr-den, wiihrend die NebengeschaftsstraBen rete:,zuriickbleiben. Nobelgeschiifte sind vielfach r:ninternationalen Ketten iibernommen worcr.

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258

Page 194: Die Stadt - Lichtenberger

Damit ist das Auftreten von Nobetgeschdften zueinem Indikator flir die Ausbreitung des Fitiatsy-stems von Firmen mit Luxusgiitern geworden.

Der rege Neu- und Umbau begiinstigt das Auf-treten portalloser Loka[e. GroBe Gtasftiichenspannen sich zwischen teilweise dezent verktei-deten Betonpfeitern und bestimmen selbst denEindruck des einfachen Geschiifts. Darin iiuBertsich das attgemeine Streben nach VergriiBerungder Schaufenster. Es findet bei den hiiherrangi-gen Gescheften sehr vietEttige architektonischeLiisungen, von denen der Passagenbau am getiu-figsten ist. Meta[[rahmen haben endgiittig dieHotzrahmen abgeltist. Ein ziertiches Etoxalgitter-werk ersetzte zunachst den schweren Rottbatken.In j iingerer Zeit trat Spezia [g [as a n sei n e Stette.Manche der alten GroBfirmen bewahrten bei Um-und Neubauten aus traditionellen Erwiigungenihren konservativen Sti[, wdhrend andere alsAvantgardisten des modernen Portalbaus auftra-ten (Abb. 7.4).

Der Fu n ktiona lism us, der das portatlose Ge-scheft begiinstigte, kam teilweise schon in derZwischenkriegszeit, durch greifend jedoch erst inder Nachkriegszeit zur Geltung. Nichtsdestowe-niger bleiben durch die entsprechende Materiat-verwendung auch bei funktionetler Schtichtheitdie Quatitiitsstufen sichtbar.

Die Filiaten von Ladenketten heben sich vomEinzetgeschift durch das Prinzip der CorporateIdentityab, d. h., sie haben 0berat[dassetbe De-sign der Portatgestaltung und dassetbe Logo so-wie eine spezifische Innenraumgestaltung. Siewerden in der RegeIats eigene Rechtspersiintich-keiten gefiihrt, auch wenn das Filiatsystem desbetreffenden U nternehmens sehr verschachtelteKonstruktionen aufiryeist.

Hierzu ein Beispiel: Der Ouette AG hat dieFusionierung mit dem Karstadt-Konzern 901 Ge-settschaften in 16 Liindern mit rund 9OOO Be-triebsstdtten eingebracht. Diese rechtlichenStrukturen sind freitich fiir den Kunden von ge-ringem Interesse. Er orientiert sich an den Mar-kennamen und eventuet[ am Logo.

Sehr bekannt war das Logo der 1862 gegrijn-dete Famitien AG Meint, wetche in 0sterreich vorihrem Verkauf 341 Filiaten besaB und nunmehrauf dem Banken- und Immobitiensektor tiitig ist.

Vom Wohntaden zur Mega-[4a[t

In Osterreich ist das Logo des Meint-Mohrs weitgehend verschwunden, in0stmitteteuropa, wohin das Unterneh-men. an alte Traditionen ansch[ieBend,nach 1989 expandiert ist, kann man esnoch finden (Abb. 7.7).

Dos KaufhausDas Kaufhaus symbo[isiert den ProzeB derKapitatkonzentration im HandeI in Verbin-dung mit dem Bankensektor. Die durch dasKaufhaus bedingten Innovationen bestanden inder Zusammentegung von Branchen und Sorti-menten und in der Zusa m menfii h rung von Lager-haltung und Verkauf.

Das Kaufhaus hat einen beriihmten histori-schen Vorteufer. namlich die Markthatle, wetcheKaiserTrajan in Rom errichten tieB. Ihre Gewiit-bekonstruktion taucht im Basar wieder auf undsteigert sich zur mehrgeschossigen Monumenta-litiit in den GroBkaufhlusern der 2. Hilfte des19. Jh.s.

Det erste Depaftmentstore von Roland H. Macyentstand 1858 in NewYork; mehrfach renoviert,besteht er noch heute. Nur knapp speter, 1863,wurde in Paris La Belte JardiniEre von HenriBlondeI als erstes Kaufhaus in Europa errichtet.Der sogenannte Lichthof wird in a|,l,en Etagen vonVerbindungsbriicken [iberquert, wie bei GUM inMoskau und der Arcade in Providence, IJSA, denbeiden gr0Bten Warenhiusern ihrer Zeit, dienoch heute votlin Betrieb sind.

Das GUM (= Staattiches Warenhaus; Abb. 7.8)wurde von Zar Atexander III. 1889-93 auf demRoten Ptatz in Moskau an der Stelle Stterer La-denzeiten errichtet (Karger 1997, S.136).

Der 252 x 90 m groBe Gebiiudekomptex um-faBt auf 4 Verkehrsetagen etwa 1O0O Leden odergrtiBere Abteilungen. Die [uxuriiise Innenaus-stattung spiege[t noch immer den imperia[en Stitdes russischen Zarenreiches wider. Viete Riiumesind mit Kronleuchtern, Spiegetwiinden undStuck ausgestattet, Treppen und Briickchenftihren iiber die Passagen und werden durchnostalgische Laternen beteuchtet. Noch heutebeeindruckt die G [asdach ko nstru ktion. Nach derRevotution wurde das nunmehr staattiche LJni-

versalkaufhaus zum vietbestaunten Mekka der

Abb- 7.7: Logo Meinl-l"lohr

259

Page 195: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaftim Stadtraum

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Besucher aus der Weite der ehematigen UdSSR.

Seit der Privatisierung 1992 kamen zu der tradi-tionelten Mischun g von [okaten Verkaufsstiindenauch amerikanische und europiiische Hande[sun-ternehmen. Das Kaufhaus verwandette sich in einEinkaufszentrum. Ein amerikanisches Architek-turbiiro, RTKI, fiihrte die Renovierung durch, bei

der ein ,,Laden im Laden"-Konzept Anwendunggefunden hat.

Die qroBe l"lehrzahI der Kaufhauser gehdrt ver-

hattnismillig wenigen Konzernen. Der bis 1993

gr(iBte Konzern in den IJSA, Sears, ziihlt zu den

traditionsreichen Betrieben, auf dessen frlihesEngagement im Ferlighausbau hingewiesen wu-de und dessen Innovation der VersandhandeI ge-

wesen ist.Der von 1893 bis 1993 jiihrtich erscheinende

lJ niversa lkata log umfaBte zutetzt 1566 Seitermit rund 150 000 Artikeln und war nach der Bibe.

das zweitwichtigste Buch in amerikanischerHaushalten. Nach 100 Jahren VersandgeschSf:

sch[oB Sears 113 Fitiaten, entlieB 50 000 i\4itar-

beiter und verkaufte den 1974 errichteten Sears

Tower in Chicago. Die fordistische Periode des

Versandhandets war zu Ende. In restrukturierte-Form betrieb Sears 1997 noch 833 Kaufhiiuer'-regionaten Shopping-Center und weitere 132:Geschiifte.

Sho p pi n g - Ce nter u n d M e g o- 14 a llBeim ,,Shopping-Center" handelt es sich nach oe'Definjtion des LJrban Land Institute, Washingto-

um eine Gruppevon Einzelhandets- und andere-

kommerzie[[en Betrieben, wetche durch einen E'gentiimer geplant, entwickelt, gemanagt !--vermietet werden. GriiBe und Ausstattunq s'-:abhiingig vom Einzugsgebiet. Dje bejden Hau::'

Wpen sind Matts und ,,open-air strip centers". i :erste gesch[ossene Mat[ gestattete der Archit..:Victor Gruen 1956 ats ,,Gegenmittet" zum ,,sub -'-ban spraw[" und ats Instrument flir die 5chaffu -:von Community Centers.

Jede Matt ist eine definierte Mischung .:-Geschiiften, Unterhattungseinrichtungen, BL':,und Wohnungen. Die soziate Palette reicht ': -

den luxuridsen Ausf0hrungen iiber sotche '-Mitte lschichtfa mi tie n bis zu den Discount 1",.:flir die Grundschichten. 1997 wurden in den -: -53% des Einzethande[sumsatzes in Shopp'-=Matts getitigt.

Die derzeit grdBte,,Mega-Matt" derVere'- :-ten Staaten, die ,,l,4at[ ofAmerica", wurde 1992

Mi nneapotis-St. Pau I ertiffnet. Auf einem ha -: : -

km2 iiberdachter Ft;che sind mehr ats 5 Ka u'-: --ser, Dutzende von Restaurants, Nachtktubs , -

nos und Unterhaltungseinrichtungen u -::.-qebracht. Darunter befindet sich der 3 ha g-: .

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4I .tlr,,,

Abb. 7.8: GUI'1, Moskou

260

Page 196: Die Stadt - Lichtenberger

Camp Snoopy, mit iiber 30 000 Pflanzen und ei-nem yier Stockwerke hohen Wasserfa[t. Jiihrtichwerden rund 40 Mio. Besucher geziihtt, etwa dasVierfache der Disneywortd bei Paris (Abb. 7.9).

Die Shopping-Center-Bewegung hat in derNachkriegszeit Europa erreicht. Nach Pariser Mo-detl entstand die Shopping-City-Stid in Wien,welche 1976 erirffnet wurde und mit 130 000 m2

Gesamtftiiche und 8500 Parkptetzen zu den griiB-ten randst5ndigen Geschiiftszentren der europii-schen Stedte gehdrt und stdndig erweitert wird(Abb.7.10).

Die Effekte der Globalisierung

Kon vergen z u n d Dive rg en zDas Schlagwort von der Gtobatisierung liiBt atsmediate Vision die globat einheitliche Konsum-landschaft entstehen, die sich in immer ki.irzerwerdenden Zykten der Mode erneuert. Diese Visi-on bedarfjedoch einer Korrektur.1) Es ist richtig, daB bestimmte international

agierende Fjrmen, wie McDonatd's oder Be-netton, weltweit Niederlassungen errichten.Internationate Marktsegmente werden sichausbreiten.

2) Es ist ebenfa tts richtig, da B sich das Profi [ derKonsumg0terwirtschaft auch in Deutsch[andin den letzten beiden Jahrzehnten tiefgrei-fend veriindert hat. Der traditionette, kleintei-tige Fachhandet hat sejne relative Mehrheitam lvlarkt von 55 % ( 1.980) vertoren und ist aufetwas mehr a[s ein Viertel zurlickgegangen(Fatk 1998). Neuankiimmtinge, wie die Fach-miirkte, werden in Kiirze gleichziehen. Sicherist die Talsohte in der Reduzierung des Anteilsselbstandiger Geschiifuinhaber noch nicht er-reicht.

3) Es istjedoch nicht zu erwarten, daB durch denzunehmenden EinfluB des internationaten Fi-nanzkapita [s nationale Unterschiede viittigverschwinden werden. Mehrere Argumentesind ins Treffen zu fiihren:

r Ein ganz wichtiges Hindernis flir eine derarti-ge gtobaL-egatitdre Konzeption bitden die gra-vierenden Verschiedenheiten der sozialenBauptiine nationater Stadtsysteme, von denen

Vom Wohnl'aden zur i\.lega-Ma[[

die Bauptiine des Geschiifutebens abhangigsind. Konkret bedeutet dies, daB eine McDo-natd's-Niederlassung in einem soziaI hoch-wertigen Stadtzentrum zum Ftair beitragenkann, wiihrend in einem soziaI abgewertetenStadtzentrum sich Firmen mit teurer Warenicht niedertassen werden.

r Zu beachten sind ferner die Auswirkungen dersoziatpotitischen Systeme auf die Einkaufsge-setlschaft. In egatiter organisierten Woht-fahrtsstaaten, wie Schweden, feh[t eine Ein-kaufsktassengesellschaft , die andererseits in

Abb.7.9: I'loU of Ameico,MinneopoLis

267

Page 197: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

Abb. 7. 10: Shopping-City-Siid bei tlien 2000

den USA voltstandig ausgebitdet ist, wo einerigide Preisklassendifferenzierung des Ge-

schiifutebens zur Norm gehiirt.r Dazu kommen weitere Unterschiede der natio-

naten Lebens- und Einrichtunqssti[e, welche

sich in Branchen und Sortimenten reftektieren

und von den internationa[en Firmen aus iiko-nomischen Gri.inden respeldiert werden.

4) Aufgrund der unterschiedtichen Qualitdt von

baulichem Erbe, soziaLer Umwett und betrieb-Licher Vielfa[t wird der Erlebniswert der Innen-stiidte weiterh'in unterschiedlich bteiben. Dort,

wo historische Traditionen den Standort derStadtmitte a[s soziate llitte intakt qehalten

haben, wird s'ich diese gegeniiber den ktinstti-chen Umwetten der Themencenter und Festi-

valCenterin der Konkurrenz um die Konsum-

und Freizeitgeseltschaft behaupten kiinnen.

Die rii u m li ch e Entwi c klu ngWeitere Argumente gegen die Globalisierung [ie-fert die riumtiche Entwicktung des Geschiiftsl'e-

bens:Die exzessive, ptanmiiBige Anlage von Ein-

kaufszentren in hierarchischer Abfotge und zu-geschnitten auf spezifische Sozialschichtenbestimmte die nahezu voLtstindige Suburbani-sierung des Einzelhandels in den USA. Zu diesem

Vorgang gibt es in Europa kein Gegenstiick, wie

der zahlenmiiBige Vergleich zwischen den IJSA

und Deutschland beLegt.

Es bestehen niimlich einschneidende Unter-

schiede in der Verkehrsbedienung des GeschSfu-

lebens und im Verkehrsverhalten. Das amerikani-

sche Leben ist autoorientiert und der US-B[irger

ist, wie Untersuchungen belegen, nicht bereit,

mehr als 200 m zu FuB zu gehen. Auf die unter-

schiedtiche Akzeptanz von FuBgiin gerein kaufs-

straBen in Europa und Nordamerika wurde be-

reits hingewiesen, ebenso darauf, daB europiii-

sche Stddte ein duales System von iiffentlichemVerkehr und Individualverkehr aufweisen. In die-

sem Zusammenhang verdient die Umgestattung

von Bahnhiifen in Europa Beachtung, welche mit

dem Stogan ,,Einkaufs- und Erlebniswelt mit

GteisanschtuB" erfolgt. Das groBartigste Beispiel

hat Frankreich mit dem Einkaufszentrum Eurotitte

am Schnittpunkt des TGV Paris-London mit dem

TGV Litte-F[andern mit 2 Biirohochhiusern, Kon-

greBgebiiude und Wohnungen gesetzt (Abb.

7.11). Weitere BeispieLe in der Schweiz (Ziirich,

Bern, Basel) und in Deutschtand (Leipzig, Frei-

burg/8r., weitere in P[anung) wiiren anzufiihren.Eine autoorientierte Suburbanisierung des Ge-

schiiftstebens in amerikanischem AusmaB ist irEuropa schlecht vorstetlbar.

Es bestehen nicht nur Unterschiede in der Ver-

kehrsbedienung, sondern ebenso gravierende

Unterschiede zwischen Europa und Nordamerika

hinsichtfich der Immobitieniikonomie. In den eu-

roplischen Stadtriiumen ist der Boden knapp

und keine ubiquitdre Ressource. Bei Aufschtie

Bunqen werden die Bodenpreise daher nichtvorsehr niedrigen, sondern von relativ hohen Wer-

ten hochgefahren. Zu diesen iikonomischen kom-

men rechtliche Unterschiede. Die,,Parze[[en-

schiirfe" der europiiischen Planung steht irGegensatz zu dem amerikanischen Prinzip de-

,,Unit-Area-Devetopment". Nur wenn einzelne

private GroBgrundbesitzer oder die tiffentlich€Hand. wie in den Transformationsstaaten, iibe'groBe, unverbaute Fliichen verfiigen, sind aucgroBziigi ge Aufsch[ieBungen miigtich.

Die Fitia[isierung des Einze[handels in Verbin-

dung mit der Internationatisierung hat dagegrsehr wohI das traditione[[e Geschiftsteben dreuropiischen Stidte transformiert und dazu ge-

262

Page 198: Die Stadt - Lichtenberger

fiih rt, daB das Vorhandensein der Fitiaten be-stimmter Firmen zum Indikator fiir die Rangord-nung einer in nerstedtischen GeschaftsstraBebzw. eines Zentraten 0rtes geworden ist. Das tra-ditionetle Kriterium des Vorhandenseins einesbestimmten Geschiiftstyps mit einem spezifi-schen Sortiment und einer definierten Preisktas-se der Waren wurde dadurch teilweise ersetzt.Aufgrund der besseren Anpassungsfdhigkeit anlokate, regiona[e und nationate Markte und dergeringeren iirttichen Investitionen konnte sichdas Filialsystem sehr viel rascher ausbreiten atsdas Kaufhaus, welches inzwischen den H6he-punkt seiner Entwicktung iiberschritten hat.

Allerdings bestehen in Europa noch immer be-achttiche Unterschiede von Staat zu Staat hin-sichttich der Kapitatkonzentration im Kaufhaus-sektor und im Fitiatsystem, d. h. beziigtich derEigentu msverhii ltnisse und BetriebsgrtiBen imEi nze[ha n deI sowie der EinkommensverhSltnisseund des Konsumverhaltens der Beviilkerung.

Ats akzessorische Elemente sind auch in Euro-pa von ethnischen Subkulturen getragene Ge-schSftsvierteI und Markte entstanden. Atlerdin gshaben die Chinatowns amerikanischer Stiidte inKontinenta[europa kein Gegenstiick gefunden. Es

erfotgte ganz im Gegenteil in den letzten zweiJahrzehnten eine auffii[ig intensive und gteich-zeitig gut positionierte Neu griindun gswetle vonChinarestaurants in Streulage in innerstadti-schen GescheftsstraBen bis hin zu den unterenRangen der Zentraten 0rte.

Ein Vergleich der Shopping-Centerin den USA und DeutschlondEin Vergleich zwischen Deutschtand und den U5Abetegt die zahlenmiiBigen Unterschiede in derriumtichen Verteitung des Einzethandets und derShopping-Center.In den Downtowns der Metro-politan Areas in den IJSA wurden bereits zu Be-ginn der 90er Jahre nur noch 2 bis 3 % des ge-samten Einzethandetsumsatzes getatigt. Kon kretbedeutete dies eine nahezu perfekte Suburbani-sierung des Einzethandets. Auf die Suburbs ent-fielen niimlich zu diesem Zeitpunkt bereits 97 %(Hartshorn 1992).

Anders vertief die Entwicklung in Deutsch[and.bei der vier Phasen unterschieden werden. Nur

Vom Wohntaden zur ltlega-Mat[

in der ersten Phase (1964-73) entstanden dieShopping-Center auf der,,gr0nen Wiese", in derzweiten Phase (1974-83) wurden sie ebenso wiein der dritten wieder in der Innenstadt, freitich inkleinerem Zuschnitt und mit mehrfunktionaterNutzung (Liiden, Bijros, Wohnungen, Schulen,Bibtiotheken), angelegt. Seit den 90er Jahrenwurde das Kaufangebot durch das Erlebnisange-

Ab b. 7. 1 1 : B o h n h ofs- lvl o llEuroLille, Frankreich

t

263

Page 199: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

bot von Multiptex-Kinos, FamiLy-Entertainment,

Themenqastronomie usw. komplettiert und eben-

so die Standorte wieder diversifiziert.1997 befanden sich in Deutschland nur 26,7 %

alter Shopping-Center auf der griinen Wiese,

36,2 % Lagen in der ,,Innenstadt" und 37,1% ineinem anderen Stadtteit (Fatk 1998). Nur imOsten sind groBe Shopping-Center auf der grii-nen Wiese errichtet worden, wehrend im Westen

die Revita[isierung der Objekte der ersten und

zweiten Generation inzwischen begonnen hat.

Wesentliche Unterschiede bestehen hinsicht-lich der GrdBenordnung und Marktposition derShopping-Center. Auf die insgesamt 240 Shop-ping-Center (ab 15 000 m2) in Deutschtand (1999:

82 Mio. Einw.) entfatl.en nur rund 8 Mio. m2, d. h.

rund 8% der Einzelhandetsftiiche. Verwendet

man die Untergrenze von 150oom2 bei den

Shopping-Center der U5A (2000: 281 Mio. Einw'),

so getangt man zum gteichen Zeitpunkt aufins-gesamt 15226 Shopping-Center. Davon waren

648 Super-Regiona[-Center, 1308 Regiona[-Cen-

ter, 13 918 Community-Center. lJnterhatb dieser

MeBlatte befanden sich noch 27 010 Neighbor-hood-Center.

Zieht man die Bev6tkerungsprognosen heran,

so ist in den USA beachttiches Beviitkerungs-wachstum, in Deutsch[and Stagnation zu erwar-ten. Die Vorschau der Betriebswirte fiir Deutsch-

[and geht davon aus, daB bei weitgehendstagnierender Nachfrage und gteichzeitig unge-brochener FLdchenexpansion des Geschiifts-

Lebens ein AusleseprozeB bei sinkender Produk-

tivitat stattfinden wird. Einerseits driingengriiBere Shopping-Center in kteinere GroB- und

l,4ittelstedte vor und se[bst in Kteinst5dten ent-stehen Einkaufszentren und Passagen. Die Dis-

countorientierung ni mmt zu. Hypermiirkte, Ver-

brauchermdrkte und Fachmerkte entstehenweiterhin dort, wo sie Grundstiicke und Geneh-

migungen der Behijrden erha[ten. Andererseits

werden sich auch zahlreiche Betriebe sowohIinperipherer ats auch in integrierter Lage nicht aufdem Markt haLten ktinnen. CommerciaI blight,nicht in ftiichenhafter Form wie in den USA rings

um die Downtown und in den iitteren Suburbs,

sondern kteinziigig, ist zu erwarten. Insgesamtist die riiumtiche Entwicklung diversifi ziert.

Von der Hinterhofi ndustriezum IndustriePark

Einteitung

Die Industrie a[s arbeitsteilige Produktion vo-

Giitern unter Einsatz von Maschinen ist,,kein:Kreation der Stadt". Sie ist nicht in der Stadt en:-

standen, auch wenn sie einen eigenen Stadttyrdie Industriestadt, begriindet und sich in die vo-handene Stadtstruktur ein- und angelagert ha:.

Nur auf diesen bauLich-strukturetten Vorgang d€-

Industriatisierung wird im folgenden Bezug -ci-no m men.

Djese Ein- und Anlagerung der Industrie we'::im interkontinentaten, aber auch im intrakor:-nentaten Vergleich sehr groBe Unterschiede a-'welche den sozialen Bauplan der Stiidte bis he-::nachhaltig bestimmen.

Engtand war das Mutterland der Industriatis'-rung. Seine politiikonomische Entwick[ung in ::Neuzeit unterschied sich vom Kontinent gru-:-siitztich dadurch, daB das Wirtschaftsleben s::dem 17. Jh. vom Zugriff des Staates freigebtie::-ist. In den wirtschaftstibera[en Gedan ken gdr" ;:-von Adam Smith fand das eng[ische Biirger:--die ideotogische Rechtfertigung fiir das r-:,-sichtstose iikonomische Gewinnstreben unc : :radika[e Ausbeutung von Menschen und \:turschetzen, wetche zur Manch esterdo ktrir ::-fiihrthaben. Technische Erfindungen - die 5:'---maschine, die Entk6rnungsmaschine fiir B: - -wotle und die Dampfmaschine - verschal:-GroBbritannien vor dem Hintergrund des Kc-: -aLhandels das absotute Monopol in der B:---wotlspinnerei und -weberei. Industrierevre-: :iTexti[industrie wuchsen abseits der Stadte 3:- : -

an der Wende vom 18. zum 19. Jh. auf u-: : .unbefestigten Altstiidte umgiirteten sich b:-:--zu einem Zeitpunkt mit Industrie, ats a-' ::-Kontinent noch nicht einmaI der Vorga-; ::Entfestigung begonnen hatte. Dort integ-:--.die l"1a n ufa ktu rperiode i hre Werkstiitten -': ::Erzeugung von Schafwot[e, Leinen und Se':: -

den vorstiidtischen Raum und truq sozum ,l::--tum der Stiidte bei. Die Ereignisse der Fr:-::.schen RevoLution [ieBen die Regierunge- :: :.

264

Page 200: Die Stadt - Lichtenberger

Von der Hinterhofindustrie zum lndustriepark

brikindustrie mit Vorbehatt betrachten, so dalS

bis zu den [iberaten Gewerbegesetzgebungen inder Mitte des 19. Jh.s die Niederlassung von Fa-

briken im Stadtraum vielfach unterbunden wor-den ist. Dazu kam ein weiteres Paradoxon, ndm-[ich, daB gerade die Liberatisierung der Gewerbezu einem enormen Boom derselben gefiihrt hat,der bis zur Hochgriinderzeit anhie[t.

Die riiumtiche Eingtiederung der Industrie inden kontinenta[europdischen Stedten erfolgtedaher verziigert, erst in der zweiten Hdlfte des19. Jh.s, und zwar in zwei Entwi cktu n gsrei hen:Die erste fiihrte vom Manufakturhaus in den Vor-stedten zur Hinterhofindustrie und die zweite zurStadtrandindustrie.

Nordamerika [ibernahm das britische Modettdes Industrieg0rtets um die Downtown und be-gann wesenttich starker ats Kontinentateuropabereits am Ende des 19. Jh.s mit der Aussied[ungder Industrie aus den Kernstddten hinaus in dieSuburbs. Die Entindustriatisierung in den Kern-stedten setzte bereits in der Zwischenkriegszeitein. Die Bauten der iitteren Industrieperiodenwurden Zug um Zug wie die Zeugnisse einer un-tergehenden Zivi[isation vertassen, teitweisewurden sie seit den 60er Jahren des 20. Jh.s fte-chenhaft weggeriumt. Trotzdem stehen nochheute meh rere hunderttausend Industrieruinen

JDaG6,I*]\

a[s leere Hiilsen des einstigen Produktionspro-zesses im Stadtraum, werden von ,,Ruinenfor-schern" entdeckt und neuerdings sogarim Inter-net prasentiert.

Die Suburbanisierung der Industrie in derzweiten Halfte des 20.Jh.s bediente sich sehrrasch des Modelts von planmaBig angelegten,,Industrieparks" mittets einer den Shopping-Center vergteichbaren 0rganisation.

Die Idee der Industrieparks ist auch in Europaaufgegriffen worden, sie wurdejedoch nicht demMarkt iiberlassen, sondern die Behtirden habensich um die Aufgabe der Errichtung derartiger In-dustrieparks angenommen. Auch hier ist wiederGroBbritannien vorausgeei[t und hat fiir die indie Krise geratenen Textitindustriegebiete groBestaatliche Industrieansiedtun gsprogramme ent-wicke[t.

In GroBbritannien, einem Land mit einer be-deutenden archdol'ogischen Wissenschaftstradi-tion, hat man ebenfatts zuerst begonnen, dieAnfiinge der Industrie zu erforschen. Auch dieVereinigten Staaten sind diesem Beispiet gefotgt(Abb. 7.12).In weiterer Folge hat die Denkma[-schutzbewegung Industriebauten in ihr Pro-gramm eingeschtossen. GroBe Objekte, wie Ga-

someter, erfreuen sich besonderer Betiebtheitbei der Stadtptanung und werden zu Ausstet-

Abb.7.12: New Hornony,Indiono Architecture

265

Page 201: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wi rtsch aft i m Sta dtra um

-.ir!

A!!lr

Abb. 7.13: Klossische Fa-

bri ko n Loge n it Fobi khoch-ba uten, VerwaLtungs gebd u -

de und vier Kesselhdusem

Abb. 7. 1 4 : Ki stollpalost,WeLtoussteLLung 1851,London

lungsobjekten, wie in oberhausen im Ruhrge-

biet, oder zu Anlagen mit gemischter Nutzung

durch Wohnungen und Biiros, wie in Wien, um-fun ktioniert. Das Recycling von Industriebautenund -f[dchen wird die europdische Stadtplanungim 21. Jh. zunehmend bescheftigen.

!!l!rl"l? il

Die technischen Etappen im Industriebau

Die Kontinentatsperre von Napoteon brachte d'iersten Fabriken auf den Kontinent.

In mehreren Reumen entstanden in rasche-

Folge Spinnfabriken. Diese ersten Fabriken'-modernen Wortsinn waren drei- bis sechs-ce-

schossige Bauten auf einem standardisierte-GrundriB von 20 x 60 m. Sie waren an die Wasse=

kraft der Biiche und Ftiisse gebunden, zu de'e-Gewinnung Werkskana[e gebaut wurden. Von c=.hohen Wasserridern erfotgte die Kraftiiben:-gung iiber einfache Transmissionswetten in r":iibereinandergeschichteten groBen Spinnsi-:.Hier waren reihenweise die urspr0ngIch hiil2.'-nen Spinnmaschinen aufgestet[t.

Mit der Einfiihrung der Dampfmaschine ab :-40er Jahren des 19. Jh.s veriinderte sich die ba--liche Gestatt der Fabriken. Hohe Kessethi-samit gemauerten Schornsteinen entstanden --rgaben dem Industriebau bis in das 20. Jh. sarGepriige. Durch die unverputzten, sch[ichter I+getwiinde hob sich der Fabrikbau nunmehr ce-r:-

lich vom Wohnhaus ab und machte dessen S:-wandel nur in sehr abgeschwachtem MaBe -r-Um die Schwingungen der Dampfmaschiner:r-zufangen, wurden oft zwei bis drei Meter a:reZiegetmauern errichtet, die den Fabrikbaute- .-nen besonders massigen Eindruck verliehen- I'r:-se Bauten fiigten sich mit ihren Schornstg-'=bereits in die Rasterverbauung der gro8e- &-

266

Page 202: Die Stadt - Lichtenberger

Von der Hinterhofindustrie zum Industriepark

gtomerationen ein. 5ie durften sich jedoch ba[d,infolge der gegen Ende des 19.Jh.s nach undnach ertassenen F[iichenwidmungspHne, nichtmehr in atten Stadtteiten ansiedetn (Abb. 7.13).

Stiirker am Rande der Verbauung btieben zweineue Grundformen des Industriebaus: die GroB-halte und der F[achbau. Der bautechnische Fort-schritt zur GroBhatle vottzog sich unter Verwen-dung von Walzeisen und G[as. Ats Eisenfach-werkkonstruktion mit verglastem Tonnendachfund die Gro13hatte zuerst fiir Ausstettungszwecke(Londoner Krista[tpatast von 1851; Abb.7.74;Rotunde an liiBlich der Wiener Wettaussteltung1873). dann bei Bahnhijfen und schtieBtich inder Schwerindustrie Verwendun g.

Der F[achbau mit den nordbeleuchteten Shed-D;chern trat schon seit den 80erJahren des '19.

J h.s in der Texti ti nd ustrie auf, gewann aber erstspater weitere Verbreitung.

Die Stahtsketett- und Sta htbetonbauweisesteltte seit der Ja hrh undertwende die Konstru ldi-on von Industriehatlen auf ganz neue Grundla-gen. Es sind nicht mehr die Wiinde, die das Dach

bzw. etwaige Geschosse tragen, sie verkleidenvietmehr als diinne Haute unter Verwendung vonneuen Baustoffen wie Glasbausteinen, Leichtme-ta[t, Kunststoffen atter Art die tragenden Kon-stru kti o n stei [e.

Die Erfindung des Elektromotors bot derLeichtindustrie die Mtigtichkeit. zur besseren Aus-

nutzung von Fii h lu ngsvortei [en im dichtverbau-ten Stadtkiirper zu bleiben. Dadurch konnte sichauch die Hinterhofindustrie weiter behaupten.

Die zunehmende Automatisierung des Produk-tionsprozesses im FtieBbandsystem vertangtegroBfliichige Industriebauten. So trat ein weit-riiumiger Ftachbau mehr und mehr an die Stellevon Werksantagen mit einer groBen Zahlvon 0b-

Abb. 7. 1 5 : Skodo-Volkswo-genwerk in Mloda Boleslov,Tschechien 2000

267

Page 203: Die Stadt - Lichtenberger

Abb- 7-16: RaffineieSrhwechot 2000

Die Wirtschaft im Stadtraum

jekten. Shed-. Tonnen- und Flachdiicher gelang-ten nun zu atlgemeiner Verwendung. Atlerdingswurde der Industrieflachbau von den hohen Bo-denpreisen immer weiter in periphere Riiume

verdrengt (Abb. 7.15).In der Grundstoffproduktion, vor attem in der

chemischen Industrie, setzte sich schon friih einapparatehaftes Bauen durch, al,s dessen ersteVortiiufer schon seit den 60er Jahren des 19. J h.s

Gasbehiilter im Stadtraum errichtet wurden.Diese Unterschiede zwischen den Werkshalten

fiir beliebige mechanische Fertigungen und denAnlagen der chemischen und der Grundstoffpro-duktion verstiirkten sich im 20.Jh. Die apparate-

hafte Bauweise der letzteren [eBt den Arbeitspro-zeB in seinen verschiedenen Stufen gteichsan'

sichtbar werden (Abb. 7.16).Die hohen, gemauerten Schornsteine, die der

Industriebetrieb friiher weithin ken nttich mach-

ten, sind heute weitgehend verschwunden.Bezog der Industriebau zu Beginn der Entwick-

[ung sein Vorbild aus dem Wohnbau, so hat er ir20.Jh. seine eigenen Formen gefunden. Di€

Stahl, Beton- und Glasbauweise brachte neue

statische Miigtichkeiten. die genutzt wurden. De-

Verzicht auf Reprasentation und die vorher-schende funktionetle Baugesinnung wirkten auc-auf den Wohnbau zurlick.

Vom Manufakturhaus zur Hinterhoffabrik

Das Nlanufakturzeitatter hat dank staatticher Fc'-

derung und zusammen mit dem Aufbau c:;Bankwesens die betriebtiche GroBorganisaf: -

von manueller Arbeit gebracht. Es ist bezeic--nend, da13 man sich ebenso wie in den Anfiing:-anderer Innovationen bereits bestehender Ba --ten bediente und Schtiisser, Landsitze, Sti---:-

und Gutshiife in Manufakturgebiiude umfunk: :-nierte. Erst ab der Mitte des 18. J h.s entstanr:-GroBmanufakturheuser im representativen C:-wand. das man im GrundriB von den gro3:-Wirtschaftshdfen der Ktiister und in der Fas:.=-

den- und Portatgestaltung vom Palastbau e-:-[ehnte.

Neben GroBmanufakturen entstanden zah --:-che kleine Manufakturen in den Vorstadten. :-.:Manufa kturwerkstatten wurden, ebenso wie::Betriebsriiume der Gewerbeb[irger, in den 5e;:----ftiigetn der tiefen Vorstadthiiuser untergebra:--Der lJnternehmer bewohnte den StraBent=r--Arbeiterwohnungen fanden in den Seitenfli.i;:--Platz. Dieser Typus des,,Kleinmanufakturha:;=-beherrschte das Wachstum der Gewerbevors=:-Jin den griiBeren Stiidten und warAusgangsp--.:einer Hinterhofindustrie, die meist nicht:- :-nem Zug, sondern in mehreren Umbaueta::=-entstand. Das folgende Beispie[ aus der ll'=-e'Vorstadt Schottenfeld betegt wesenttiche a-:r-meine Etemente der lJmwand[ung des Mar--,turhauses zur Hinterhofindustrie: den ne--:-

26A

Page 204: Die Stadt - Lichtenberger

Von der Hinterhofindustrie zum Industriepark

0III unrernehmeMohnung

@ *te;teuorntns

Elw"*,,;,t"

20m

-

Unternehmetuohnuno(z2l t. sroclMieiwohnung 2.stock

FY, vve,lstatieund

Hof 2

m

,"t( ],

Zustand vor 1880 Zustand um 1880 Umbau der Spiitq riinderzejt

trEirilxgniiESffiHTE&EEE

Ab b. 7. 1 7 : Entwicklu ngs-

rei h e vo n ltl o n ufa ktu rh o u szur Hinterhofindustrie

Ab b. 7. 1 8: H i nterh ofi n d u sti emit d rei Vorstadthiiuse rn, F0-

b i kg e sch oJ3b o u o uf e h e n.Gortengrund, 1898, Wien

269

Page 205: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

Abb. 7.19: ViLLo HiigeLvonKrupp,1873

chen BetriebswechseI und Umbau an einem Stand-ort, die Umwandtung der U nterneh merwoh n ungin ein Verwaltungsbiiro und schtielJtich die Um-wandlung des massiv gebauten Fabrikgebiiudesin ein Wohnhaus (Abb.7.17 und Abb.7.18).

Der erste Bauplan aus der ersten Hatfte des

19. Jh.s weist ein aus vier einstiickigen Traktenbestehendes Gebaude aus. An der StraBenfrontlagen die Wohnriiume des Seidenfubrikanten, diebeiden Hofftiiget nahmen Arbeiterwoh nungen

und Magazine ein, im Hofquertrakt war die Werk-stette untergebracht. 1883 kaufte ein Kabeler-zeuger das Gebiiude. Er [ieB den Gassentrakt nie-derreiBen und zweistiickig neu aufbauen. Imersten Stock dessetben lag seine aus 10 Riiumen

bestehende Wohnung. Den zweiten Stock ver-mietete er an Wohnparteien, in den Seitentrak-ten brachte er in Zimmer-K[iche-Wohnungen Ar-beiter unter. 1914 erfolgte nach einem weiterenBesitzerwechseI ein kompletter Neubau. Es ent-stand ein Doppeltrakter mit biirgertichen Miet-wohnungen zur StraBe hin und ein gleich hohesFabrikgebiiude im Hinterhof. Die Krise der Zwi-schenkriegszeit brachte dessen Aufteitung aufdrei Betriebe. Am Ende des 20.Jh.s wurde das

Fabrikgebdude in ein Wohnhaus mit Eigentums-wohnungen umgebaut.

Im VergLeich zu GroBbritannien ist zu beto-nen, daB die Hinterhofindustrie nicht gleichsam

automatisch eine Dektassierun g der Mietshiuseran der StraBenfront zur Fo[9e hatte. Hierftir warder soziate Bauptan der Stadt entscheidend.Ubera[tdort, wo die Stadtmitte die soziate Mitte

geblieben war und die NShe zum Stadtzentrunfiir Mittetschichten attraktiv btieb, wurden an

den StraBenfronten Mittelschichthiiuser errich-tet. erstaunIch unbeeinftuBt davon, ob im Hin-

terhof industrielte Produkte erzeugt wurden oder

Miettrakte mit Kleinwohnungen fiir die Grund-

schichten der Beviilkerung [agen.

Die klassische randstendige Industrie

Die klassische randstiindige Industrie hat ihreWurzeln in den Anfiingen der Eisenindustrie in18. Jh., ats Hammerherrenhiuser, Werkshalte'und Arbeiterwohnhiiuser einen Siedtungsver-band bitdeten. Die Dreiheitvon UnternehmeMr[a, Fabrikgebiiude und Arbeiterwoh n hii usern asein funktione[[ zusammengehiiriger Kompte]

kennzeichnete den unverbauten Siedtungsrau-auBerhalb und am Rand der Stedte im 19. J h.

Ein beriihmtes BeispieI einer UnternehmeMEmit dazugehtirigen Werkssiedlungen bitdet d'eVitta Hiiget, wetche von Alfred Krupp 1873 bezo-

gen worden ist (Abb. 7.19). Mit dem Betrag, de-er dafiir aufwendete, hiitte man eine Eisenhiittrerrichten kiinnen. Dem Typus des ,,aufgektiirter'Unternehmers entsprechend, hat Krupp mit de'Errichtung der Vi[[a gleichzeitig den Bau vc-3000 Werkswohnungen fii r Arbeiter angeordne:

Auf die Krupp-Siedtung Berndorf in Niede-tjsterreich (vgt. 5. 46 und Abb. 1.34) sei in die-

sem Zusammenhang ebenso hingewiesen wie a-'das BeispieI der Fabrikstadt Sattaire, welche vc -1859 bis 1872 bei Leeds vom gteichnamigen U--ternehmer mit 820 Reihenhiiuschen in engrZeilen angelegt wurde.

Uberatt dort, wo derartige funktione[[e Ei--heiten spater von der stiidtischen Verbauun:erreicht wurden, liisten sich die dtteren Arbeit-bindungen auf, und es erfotgte eine Vergr+Berung der Fabriken auf Kosten der umliegendrWohnhiiuser. Das Wohnpalais des Industrielle.wurde in den Fabrikkomptex einbezogen, in e-Biirogebiiude oder zu einem Mietshaus umoe-

wandelt.In der Hochgrlinderzeit traten mehr und me'r

Aktiengesetlschaften an die Stetle der Familie--unternehmen. Der Unternehmerwohnbau fe'l

270

Page 206: Die Stadt - Lichtenberger

Von der Hinterhofindustrie zum Industriepark

daher meist bei der randstdndigen, z. T. bereitsvon anonymen Gesettschaften getragenen GroB-industrie der Hoch- und Spiitgriinderzeit. Dafiirgehdrten gelegentlich Werkswohnungen zum Fa-brikkomp[ex. Doch btieb in den GroBstddten imU nterschied zu den Industrierevieren der Werks-wohnungsbau eher unbedeutend. Hierin bi[detenur Berlin eine Ausnahme.

Die rdumtiche Verbindung von Unternehmer-wohnhaus und Fabrikfindetman heute nurnochbei Mittetbetrieben im Stadtraum.

Industrieparks

Den LJSA ist die Innovation der Industrieparks zuverdanken. Die ersten Prototypen entstanden inden USA schon gegen.Ende des 19.Jh.s in derNdhe von Chicago. In griiBerer ZahI wurden In-dustrieparks aber erst nach dem Zweiten We[t-krieg angelegt. Bis 1940 gab es insgesamt 35gepLante industial estafes auBerha|,b von Kern-stedten. Heute sind es nach Schetzungen minde-stens 4000 (Hotzner 1996).

Industrieparks sind geplante, von devetopersfinanzierte Distrikte (Hartshorn 1992). Der Be-bauungsptan wird von den betroffenen lokatenBehtirden geprtift und muB Zufa h rtsstra Ben,Parkp[5tze und Griinftiichen sowie genUgendgroBe Parzetten f0r die einzelnen Betriebe um-fassen und geltenden umweltschonenden Richt-linien entsprechen. F[achbau ist in der RegeIver-bindtich (Abb. 7.20).

Diese neuen Fabriken in den Industrieparks mitden oft dazugehiirigen (komplementdren) GroB-handets- und Lagerhauskomplexen gteichenduBerlich den Shopping-Matls und anderen kom-merzietlen Ftachbauten von Suburbia. 5ie habendas traditione[[e Image von Fabriken abgestreift.

Die Industrieparks ste[[en einen wesenttichenBestandteiI im ProzeB der Dezentralisierung atterstiidtischen Funktionen in dem vom Individualverkehr bestimmten Wachstum von Suburbia dar.

Die neuen Industrien rekrutieren ihre Beteg-schaft aus 5uburbia und nicht mehr aus denKernstadten. Es handett sich nicht mehr um Ar-beiter im herktimmlichen Wortsinn, sondern umz. T. hochqualifizierte Personen. Diese erwarten

addquate Liihne und gute Schulen fiir ihre Kin-der. aber auch einen kurzen Arbeitsweg mit demeigenen Auto. Auf die Normvorstellung einesmitt[eren Pendetaufwands von 15 Minuten wurdebereits hingewiesen.

Vie[e Industrieparks in den AuBenstidten sindheute multifunktionale Arbeitszentren. Sie ent-hatten neben Betrieben des verarbeitenden Ge-werbes auch GroBhandets-. Lagerungs- und Ver-teitun gsbetriebe, Dienstteistun gsunternehmensowie Forschungs-, Marketing- und Datenverar-beitungsfirmen und eine Reihe von Erholungsein-richtungen verschiedener Art, die den gehobenenBedUrfnissen der in den modernen IndustrieparksBeschaftigten entsprechen, wie z. B. Ha[[enbdder,Racquetbat[ Courts, FitneBcenter und Tennis-pEtze. Fiir die Erholung in der Mittagspause bie-tet der Great Southwest IndustriaI Park bei Dallas-Fort Worth, der bisher griiBte Industrie- undoffice-Park Amerikas, z. B. sogar einen Golfptatz.

Im Verlauf des Suburbanisierungsprozessessind die Industrieparks immer weiter von denKernstedten in den peripheren suburbanen Raum

vorgestoBen. Ats Beispie[ sei der Raum von Chi-cago angefijhrt, wo sich in den Jahren von 1970bis 1990 die Arbeitsstatten im Einze[handeI n ochin einer Entfernung von etwa 50 km vom Stadt-zentrum von Chicago angesiedelt haben, wiih-rend das verarbeitende Gewerbe den Hauptzu-wachs an Arbeitsstatten in einer Entfernung vonungefiihr 150 km in den neuen Industrieparks immittleren I[inois und siidtichen Wisconsin zu ver-zeichnen hatte.

Ab b - 7- 2 0 : In d u sti epo rk i nden USA

277

Page 207: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

Vom Kleinbiirozum Biirohochhaus

Die Entwicklung des Biirosektors

Die Informationsgese[schaft hat das Btiro zurwichtigsten Arbeitsstdtte gemacht und bishernicht, wie vjetfuch angenommen, die Berufsarbeitzuriick in die Wohnung gebracht. Biirogebiiudedominieren in wachsendem AusmaB die stadt-l,andschaft und haben als Symbol in der gegen-

werHgen stedtischen Entwicktung die Fabrik er-setzt. Noch ausgepriigter als das Geschiift iiber-greift das Biiro Wirtschaftssektoren und -klassen.Details iiber die riiumliche Entwicklung des Biiro-selrtors sind in den Kapitetn iiber die Citybitdungund die dritte Dimension im Stadtraum nachzute-

5en.

Drei Etemente bilden bis heute den Grundstockdes B[irosektors: Industriebi.iros, Banken undBiiros der Angehiirigen der freien Berufe. Der

Textitsektor kann fiir sich in Anspruch nehmen,von den mittetatterlichen Fernhandetsstadten bis

zu den staattichen GroBmanufakturen der Sei-denproduktion und der Baumwotlindustrie diefiihrende Ro[[e im Niederlags- und spiiter im Kon-

torwesen bis weit in das 19. Jh. innegehabt undbereits in vorindustrie[[er Zeit die Trennung vonB[iro und Wohn ung votlzogen zu haben.

Ebenfatts ins Mittetalter zuriick reichen die An-fiinge des Bankwesens. Es entstand aus einemBedarf an Mi.inzwechset, und in groBen Stadtenhatten die Miinzwechsler die besten Verkehrs-

standorte in der Stadt, hiiufig am RoBmarkt, wiein Wien und Prag. Lombardische Stadte begriin-deten das Bankwesen bereits im Hochmittetatter.Am Ende des Mittelatters kamen Giro- und Depo-

sitenbanken auf. Hafenstedte gingen mit derGriindung von Banken voraus (Venedig 1587,

Amsterdam 1609, Hamburg 1619). Der Merkanti-[ismus brachte unter staatlicher Fiirderunq einestarke Entfaltung des Bankwesens. ZahlreicheBankiers haben aber noch bis zur industrieltenPeriode zur Abwicktunq der Geschiifte i hre Woh-nungen benutzt.

Ebenfa[[s weit zuriick reicht die Bedeutung derfreien Berufe. Schon zu Beginn der Neuzeit wa-

ren Universitit und Regierung die beiden Pote ih-rer Existenz.

Die architektonische Versetbstiindigung von

Wirtschafu funktionen des quartiiren Sektors be-

gann in London bereits um die Mitte des '1.8. Jh.s,

auf dem Kontinent in der ersten Hiilfte des

19.Jh.s. Insgesamt ging der Aufschwung des

Bankwesens der Steigerung und Rationa[isierun,c

der industrietlen Produktion voran.

Die Etappen der Industriatisjerung im 19. Jh.

spiegetten sich im Auftreten von entsprechende'Niederlagen und Kontoren wider. Retativ spi:vottzog sich die Trennung von Biiro und Lager-

ha ltung.Die zweite Industriatisierun gsperiode mit Koi -

le. Staht und Bahnbau brachte in den Griinde'-jahren die Zentraten der groBen lvlontan- ur.:Hiittenwerke in die City. Im groBen und ganze-

btieben im Verhiiltnis zu den zahlreichen diffe-renzjerten Niedertagen der Konsumgliterind--strie die Blirozentra len der Produktionsgiiten--dustrie bis zum Ausbruch des Ersten Wettkriegt:von geringerer Bedeutung.

Ansonsten haben die Griinderjahre wesent[':-zur Differenzierung des B[irosektors bei getrage-

Der Finanzsektor fiicherte sich durch das Auft':-ten von Versicherungen, Krankenkassen u-:Pensionsansta lten auf. Die Pressef reiheit c::Jahres 1848 gab den AnstoB fiir den Aufstieg ;=Zeitungs- und Vertagswesens. Das Eisenbahnze-:-

atter brachte die Ansiedtung der Generatdirek::-nen der verschiedenen Ba h n gesettschaften. 3-:kapitalistischen 0rganisationsformen der B=--tetiqkeit liisten eine Grilndungswelte von 8:--und Entwicktungsgeseltschaft en aus.

Eine verhiiltnismdBig sp5te Entwicktung ke---zeichnet den GroB handet. Die Aufgabe des G': : -

handets, Sortimente von verschiedenen Fab-.:-zusammenzustelten und auf den 14arkt zu brin::-wurde - von der Textitsparte und dem Kolonja-":-renhandel abgesehen - im wesenttichen ==nach dem Ersten Wettkrieg in Angriffgenorr-:-

Seit der Zwischen kriegszeit trat a uch vers= 1:die Gruppe der ,,ha lboffizietten ]nstitutione" :--den Ptan. Sie iibernahm eine Vermitttungsfu-.:on zwischen den monotithisch nebeneina-::--stehenden organisationssystemen von P-'::-wirtschaft, staatlicher Blirokratie und - : ---'

272

Page 208: Die Stadt - Lichtenberger

Schulen. Zu ihren Vor[dufern in der Griinderzeitziih[en verschiedene Kiirperschaften, Vereine undVerbiinde. In der Zwj schen kriegszeit gesetltensich diverse Parteizentraten und Gewerkschaft en

hinzu. Der ji.ingste Trend wird in hohem MaBevon Institutionen bestimmt, die sich im Grenzbe-reich zwischen Forschung, Potitik und Wirtschaftbewegen und der sehr stark gestiegenen Nach-frage nach Grundta genforschung entsprechen.

Das Informationszeitatter hat neue Entwick-[ungen gebracht. Eine sehr rasche Umschichtungund Erweiterung des Biirosektors ist im Gange.Hatbiiffentliche Institutionen, Export- und Im-portunternehmen, Bi.iros der Angehiirigen derfreien Berufe und hochspeziatisierte Dienstlej-stungsbetriebe i n Management, Marketing, Wer-bung und EDV expandieren.

Betriebs- und Erscheinungsformen

Von der Wohnung zum BiiroIn Kontinentaleuropa ist bis heute die Masse derzaht[osen Ktein- und Kleinstbiiros nicht imstan-de, sich vom Standortin Wohnhiusern zu eman-zipieren. Daraus ergibt sich der charakteristischeProzeB der,,Zweckentfremdung von Woh n hiiu-sern", der bereits mit den Anfdngen der Citybit-dung in den GroBstedten der Friihen Neuzeiteinsetzte und ats Zwischenetappe zur Doppetnut-zung fiihrt (Abb. 7.21).

Grundsiitzlich kam es wohI im Zuge der Indu-striatisierung zu einer riium[ichen Sonderung derurspriinglich im Gewerbebiirgerhaus atter Art zu-sammengefaBten Titigkeiten. Diese erlangtenein neues bauliches Gehiiuse in Form von Fabri-ken, Werkstdtten ha lten, Biirohiiusern usw. und

Vom Kteinbiiro zum Biirohochhaus

suchten sich liberdies einen neuen glinstigenStandort im Stadtraum. Eine derartige Entflech-tung und Vereinzetung der verschiedenen Akti-viteten trat iiberatl dort ein, wo eine entspre-chende BetriebsvergrdBerun g erfotgte.

In zahlreichen Fiitten btieben die Unternehmenzu klein, um sich mit hohen Neubaukosten bela-sten zu ktinnen, und nisteten sich an der Stettevon ehema[igen Wohnungen ein. Geschifte be-setzten das ErdgeschoB der StraBenfront. Biirosmieteten sich im ersten und zweiten Stock desStraBentrakts ein. Citygewerbe, wie graphischeBetriebe oder Bekteidun gswerkstiitten, nutztendie Hintertrakte und Ketterrii um lich keiten. Das

aus der gedr;ngten Enge der umwaltten mittelaltertichen Stadt vor attem im 19.Jh. in die neueingemeindeten Vorstedte hinausgreifendeMietshaus wurde zum Schrittmacher dieser Ent-wicklung in weiten Teilen des geschlossen ver-bauten Stadtkiirpers.

Es entstand daraus ein ko ntin uierlicher, bis indie Gegenwart reichender ProzeB der Dezentra-lisierung von verschiedenen, urspriingtich in-nenstiidtischen Funktionen auf der Grundtagezweckentfremdeter Mietsheuser. Dieser reichtentsprechend der StadtgrtiBe verschieden weit indie Geschichte zuruck. In Mi ttion en stiidten bit-den die sich etappenweise abtdsenden und iiber-lagernden zentrifugaten Bewegun gen des Gewer-bes, des Einzelhande[s, der Dienstleistungen,des GroBhandels und sch[ieBtich der Hauptquar-tiere von Ind ustrieu ntern eh men die Stadien indiesem AussiedlungsprozeB aus dem Stadtkern;ein Vorgang, der in den anders strukturiertenMetropolen Nordamerikas a[s Suburbanisierungbezeich net wird.

Abb. 7.21: Nutzung einetGro$wohnung ab BAro,

BerLin5a%:eewethet 42'k

273

Page 209: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaftim Stadtraum

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,ffi:-RD, # -trMy'#r ffiffiil, 'K.# - - ffi#fl ".gsl

--'..--

:*+" *rf* dfforl 11

Wt*-;l1 Treppenhaus2 Garderobe3 Waschraum4WC5 Direktoren-WC6 Auftug7 Aktenauftug8 ZwischenwandI Hauptbiiro10 Notausgang

Es ist kaum bekannt, daB z. B. die Wiener Ring-

straBe, bei der die P[anung keine Wirtschafts-funktionen vorgesehen hatte, durch diesen Vor-

gang zum Standort der Industriebiiros (mitanniihernd 10 000 Bescheftigten in 370 Zentralb0ros; 1991) und zum wichtigsten Biirostandortin Wien geworden ist.

In unterschied[ichem AusmaB hat sich, wenn

auch stark reduziert, die Einheit von Wohnung

und Bi.iro bei Angehiirigen der freien Berufe (Arz-

te, Rechtsanwette, Notare, Architekten usw.)

selbst in GroBstadten erhalten.

Vo m B ii roge b ii u d e zu m B ii ro h och h a u s

Die ersten ,,Biirogebiiude" entstanden in London:

1726 das Gebaude der East India Company und

1732 die Bank von Eng[and. Versicherungsbauten

folgten zwischen 1830 bis 1850, ebenso Bbrsen.

Die umstlirzende Entwicklung zum Hochhaus

erfotgte in Amerika, zuerst in der sogenannterArchitekturschu[e von Chicago, wetche ihreFiihrungsro[[e dann an NewYork abgeben muBte.

Die technische Entwicktung hatte einige we-

sentfiche Vora ussetzungen: ats erstes die Stah[-

konstruktion mit seitlicher Stabititit sowie die

Trennung der tragenden Konstruktion von de-

Ummantelung in Form von Vorhangswinden.I-dieser Sta h [ske[ett-Ba uweise, auf deren BedeL,-

tung f0r den Fabrikbau bereits eingegangen wu=de, entstand 1885 als erster Biirobau das Hon'eInsurance-Building in Chicago.

Der erste Aufzug wurde 1857 in N ew York du rrdie 0tis Elevator Company in einem Kaufhaus e=richtet. Jedoch waren diese dampfgetriebene-Aufziige noch sehr [angsam und behinderten c:-her die Hdhenentwicktung des Biirobaus. Ei-:Verbesserung brachten die hydrau[ischen Aufu--ge. Auch sie waren njcht sehr schne[[ und beni--tigten nur 50 FuB in der Minute. Sie konnten c--her nur Gebiiude mit einer maximalen Hdhe r:-2o Geschossen bedienen. 1873 erhiett t=l0stiickige Western Union Buitding in New Y:rats erster Biirobau einen hydrautisch betriebe-e-Aufzug. Elektrisch gesteuerte Aufzlige wu':-1887 eingefiihrt. 5ie beseitigten die Restrik: :-nen hinsichtlich der Gebiiudehbhe. Bis zun, 5-ginn des 20.Jh.s hatte dieser Aufzugstyp be.e=seine Leistungsfiihigkeit bewiesen. 1908 n-'-

11 Geptante EMeiterung

Abb. 7. 2 2 : G rol3ro u m b il roder 60er Jqhre

Abb- 7-23: Fleibles BAro

I Trs.hlysteme ll2 Mobit-Contairer3Infotainer4 Caddy

5 EDv-Tdgersysteme6 Abschirmungsmijbet7 Kommunikationsmobitiar8 Aufbewahrungsmobitiar

274

Page 210: Die Stadt - Lichtenberger

Vom Kteinbiiro zum Biirohochhaus

in New York das Singer-Gebaude mit 48 Geschos-sen errichtet. 1910 entstand der MetropolitanLife InsuranceTower mit 5O Geschossen nach demarchitektonischen Vorbild des Campanite von SanMarco in Venedig. 1913 fotgte das WoolworthBuitding mit 57 Geschossen. 0er Wettlauf um dieHiihe begann. Die Kriinung des ,,gotdenen Zeitat-ters" des amerikanischen Wolkenkratzers in derZwischen kriegszeit brachte 1931 das EmpireState Buitding mit 102 Geschossen. Nach demZweiten Wettkrieg wurde diese Hdhe nur mehrunwesenttich [iberschritten. Die Begrenzung liegterneutim Aufzugsbau. 1971 entstand das WortdTrade Center mit 110 Stockwerken, einer Biiro-f[iiche von 230 acres, einer Kapazitet fiir 50 OO0

Bescheftigte und 80000 BesucherGg[ich. DiesesWahrzeichen von New York wurde 2OO1 von derStadt fiir 99 Jahre an ejnen Immobi[ienmagnatenvermietet und durch den terroristischen Akt vom11. September 2001 viiltig zerstiirt.

Aus diesem Detaitist der Zusammenhang desBiirohausbaus mit dem Immobitienmarkt ersicht-tich. Banken und Versicherungsgesettschaftenbeteitigen sich an der Vorfinanzierung. Entwick-[ungsgesettschaften haben sich in Nordamerikaauf den Wolkenkratzerbau spezia[isiert und kon-trottieren ihn, wie die Rockefetler-Gruppe in NewYork. In Europa sind Allianzen mit den Stadtver-waltungen im StiI der Private-pubtic-Partnershipdie Reget.

BiiroroumtypenDie 0rqanisation der B[iroa rbeit findet i h ren Nie-dersch[ag in den riiumtichen Strukturen derB[iros. Drei Biiroraumtypen unterscheiden sichgrundsetztich voneinander: die hierarchischeBiiroraumstruktur, die im a[[gemeinen iiffentli-che Bi.irobauten kennzeichnet, das fordistischeGroBraumb[iro und das flexibte Atlroundbi.iro.

Die hierarchische BiirostrukturDie Ubertragung hierarchischer 0rdnungsstruk-turen auf die Anordnung, GrijBe und Ausstattungvon Biirogebauden entspricht den hierarchi-schen Weisun gsvollziigen der staatlichen Admi-nistration und ist daher in den Verwaltungsbau-ten der iiffentlichen Handje nach deren Steltunginnerhatb der staatlichen und stidtischen Biiro-

kratie breiter oder schmdler aufgefiichert. Nachdem Dienstgrad festgeschriebene GrtiBe und Aus-stattung der Rdume wurden schon im Verwaltunqsaufbau der Staaten im 19.Jh. durch Ver-ordnungen festgelegt, zu einer Zeit, ats dieMinister setbst noch komfortabte Wohnungen inden Ministerien innehatten. Neuere Bauten wei-sen stets eine iiber Giinge erschtossene Ze[[en-struktur auf. Die Eckposition von Zimmern leiten-der Beamter oder Angesteltter und das Vorhan-densein von Vor- und Durchgangszimmern beiFiihrungspositionen sind noch aus dem reprdsen-tativen Repertoire des Barockbaus iibernommen.Nur in den letzten Jahrzehnten neu errichteteObjekte haben ebenso wie im Wohnungsbaufunktionetlen Prinzipien die Dominanz gegeben,so daB - anatog zum ,,[ean manaqement" - dieAbstufungen bei der GriiBe und Ausstattung derRdume reduziert worden sind.

Das fordistische G roB ra um biiroDer Fordismus ist das Organisationsprinzip derindustrietten Massenproduktion. Die danachstrukturierten GroBbiiros sind arbeitsteilig grup-piert und mit symbo[ischen Trennwinden ausge-stattet. welche die Gesamtlibersicht [iber den Ar-beitsprozeB jedoch nicht behindern (Abb. 7.22).Die Arbeitspletze sind ein heittich ausgestattet.Das mitttere Management ist gruppiert, jedochreum[ich nicht getrennt, untergebracht.

Das flexibte AtlroundbiiroAnalog zur Wohnraumschachtet ist das flexibleAttroundbtiro (Abb.7.23) gestattet, bei dem mitftexiblen Raumg[iederungsetementen aus Gtas

und M6beln auf den organisatorischen Wandelrasch reagiert werden kann. Es entspricht demWandelder Arbeitswelt. Das Biiro wird als Kom-munikationsort und Basisstlitzpu n kt f0 r ,,noma-disierende Mitarbeiter" aufgefaBt. Neue Arbeits-formen wie Projektarbeit und Desk-sharing set-zen sich im ,neuen Arbeitsmodet[" durch, ebensonicht-territoria[e Zonen. Sie [6sen auch das Pro-btem von immer tifter leerstehenden persiinli-chen Arbeitsplatzen, die unndtige Kosten verur-sachen. Wichtig ist die Schaffung neuer infor-metter Kommunikationsbereiche mit einem An-teitvon rund 30%, welche a[s Elemente des Un-

275

Page 211: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

! oo*"ton"

O Edse citis

I rmrrsins Edse

0 8 16km

Abb.7.24: Edge Cities in der Metropoliton Areq von Woshington

Abb. 7.25: Stondotte der B rosin Wien 1993

l!.utto86.lD6[6chc in qnE bi! 1.000

E r.ml - 5.000

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B.znklEnr(Bcri c l-23)

ternehmens zur Setbstdarstetlung und zur Gewin-

nung einer ,,Corporate ldentity" auftufassen sind.

Der B0rosektorin den USA und in Europa

Der B0rosektor ist in Nordamerika ein Produkt

der Wirtschaft. Einrichtungen der Regierung und

der iiffentlichen Verwattung haben entsprechend

dem [iberalen Wirtschafu stiI wesentlich geringe-

re Bedeutung als in Europa.

Im Unterschied zu Nordamerika steht der Bii-rosektorin den europ5ischen Stadten aufdrei hi-storischen ffei[ern: den Einrichtungen der Regie

rung und Verwaltung, den Betrieben der Wirt-schaft und den hatboffentlichen Institutionen. Er

weist eine breitere Palette auf und umfaBt in ein-ze[nen soziaten Wohtfahrtsstaaten partiet[ sehstBanken und Versicherungen, Krankenkassen und

Pensionsanstalten, Fernsehen, Rundfunk und

Printmedien, Universitiiten sowie Forschungsein-

richtungen und sch[ieBt ebenso Teite des tertia-ren Sektors, darunter den Bi[dungs-, Sozial und

Rechtsbereich sowie den iiffentlichen Verkehr.

ei n.

Beztig[ich der rium[ichen Einbindung des Biiro-sektors in die gebaute Kubatur der Stiidte beste.

hen gravierende lJnterschiede zwischen Amerilzund Europa (Abb.1.24, Abb 7.25). Amerika is:der Trendsetter in der Gtobalisierung der Wirt-schaft, in seinen Metropoten entstand in de'Nachkriegszeit in den Downtowns die Wolken-

kratzersi [houette.Nahezu synchron mit der Errichtung des Sean

Tower 1974 in Chicago begann 1975 in Detro,:

mit der Eriiffnung des ersten Burozentrums 2!km auBerhatb des Stadtzentrums in Southfierrdurch die American Motors Corporation die sub.urbanisierung des B[irosektors in den Metroporitan Areas ats letztes Glied in der Kette der Subu-banisierung des Wohnens, der Industrie und d€s

Geschdfts[ebens. Nach den IndustriaI Parks en'--

standen die lfice Park und die Edge Cities. (a'-reau dokumentierte 1991 die Neugrlindung rorBUrostadten (Edge Cities) in den MetropoEEAreas. Das Beispiel von Washington betegt c:Errichtung von L6 groBen AuBenstadt2entrErin der amerikanischen Kapitate, von denen das

276

Page 212: Die Stadt - Lichtenberger

griiBte, Tysons Corner, mit 2,3 Mio. m2 Biiro-fliiche nahezu doppettso groB istwie La Def6nsein Paris. Unter der Voraussetzung anatoger Ent-wicktungstendenzen miiBte demnach Paris ne-ben La Def6nse ebenfalts noch weitere 15 ehnti-che Sub-Cities au{weisen, BerUn zumindest 4 undMiinchen 3.

In Washington befanden sich 1990 nur noch20 o/o der privatwirtschaft [ich vermjeteten Ge-

samtbiiroflliche in der Kernstadt, dagegen 80 %in den 16 groBen Au B enstadtzentren. Bereits1990 lagen fast 60 % der privaten Biiroftiiche inden Metropotitan Areas in den AuBenstadtzen-tren. Die Auswirkungen der Suburbanisierung aufdie Downtowns waren katastrophat. Kontinent-weit waren zu diesem Zeitpunkt iiber 25 % derBiirofldchen in den Wotkenkratzern der Down-town nicht vermietet. . Se lbst im Nordosten undMittelwesten, in den,,corporate headquartercities", betrug der Leerstand z. B. in Chicago22 %, in Boston 20 %, in Phitadetphia 17 % undin New York (Abb. 7.26) ebenfatts 17 % (Hotzner1996). Der Sears Tower wurde bereits 1988 ver-kauft und stand 1993 zu 30% [eer. Zu diesemZeitpunkt hatte die Entstehung von neuen Down-towns am Rande der Metropolitan Areas bereitsdie Stufe der Ha[bmiltionenmetropolen erreicht.

Die riiumliche Verortung des Biirosektors inden europiischen GroBstedten unterscheidetsich ganz wesenttich von Nordamerika. Drei Vor-giinge laufen synchron ab:1) Die Mobitisierung von BUroraumftechen im

Atthausbestand mjttets Umwandl,ung vonWohnungen in Biiros ist in allen kompakt ge-bauten Stedten des Kontinents nach wie vorbetrachtlich, und zwar trotz alter Restriktio-nen der Ptanung, welche bestrebt ist, dieWohnbeviitkerung im Stadtkern zu erha[ten.Sie betrug z. B. in Wien Mitte der 90er Jahrerund eine halbe Mio. m2. lJnter Zugrunde[e-gung des LJs-Richtwerts von 18 m2 pro B0roar-beitsplatz entspricht dies ca. 30 000 Arbeits-pliitzen.

2) Die von der staatlichen Planung initiierte Errichtung von Sub-Cities, wie La Defdnse in Pa-

ris, der City Nord in Hamburg oder der UN0-City in Wien, hat nur einen Bruchteil desneuen Biirobedarfs decken kiinnen.

4bb.7.26: HollowingofNewYork

4bb.7.27: LLoyd, neuerRiirobou, London

277

Page 213: Die Stadt - Lichtenberger

Die Wirtschaft im Stadtraum

3) Die Errichtung von Biirobauten durch GroB-konzerne, u. a. der Computerbranche, bildetnur ein relativ besche'idenes Segment des

Biironeubaus (Abb. 7.27).Bis zum Beginn der 70er Jahre galt fiir die eu-

ropdischen Stddte die Aussage von der ruhigen,horizontaten Skytine. 5ie trifft heute nicht mehrzu. Mit der Aufhebung der Bauhiihenrestriktionhat eine spekulative Errichtung von Wotkenkrat-zern begonnen, allerdings nicht wie in Nordame-rika im Stadtzentrum, d. h. inmitten der Altstadt,sondern stets auBerha[b, vielfach sogar in Ab-stand von dieser. London hat ats erste Metropotein Europa B0rohochhluser ats Mietobjekte er-richtet und hatte daher auch ats erste das Pro-blem der hohen Leerstande zu verzeichnen. An-dere europiische Metropoten sind erst retativspet gefotgt.

Die ji.ingste Entwicktung auf dem Wiener Biiro-sektor sei ats Beispie[ geboten.

Drei Vorgdnge laufen synchron ab:r Die Mobilisierung von Biiroraumflichen im

Althausbestand betragt a[[ein iiber die Print-medien mehr ats eine hatbe Miltion m2 imJahr, Dies entspricht unter Zugrundelegungdes Richtwertes von 18 m2 fiir einen Arbeits-ptatz der rium[ichen Unterbringung von rund30 000 Arbeitnehmern.

r Die Errichtung von Biirobauten durch nahezua[[e GroBkonzerne des Computersektors, wieIBM, Hewlett Packard, ABB, Epson, aber auchFirmen wie GeneraI Motors dokumentiert, daB

von Wjen aus die neuen Miirkte in osteuropabetreut werden.

r Der spekulative Bi.irohochhausbau (darunterMi[[ennium-Tower mit 202 m am Handelskai,derzeit vierthiichstes Gebiude Europas) ent-spricht der Internationalisierung des Immobi-[ienmarktes und wird i.iberdies durch die Muni-zipalregierung in Form der Einbringung einersozialen Infrastruktur mit Schulen, Kindergdr-ten und Subventionierunq der Wohnunqsmie-ten unterstiitzt.

Im Zeitraum von 1992 bis 1995 hat Wien mitrund 345 oo0 m2 das Jahresmittetdes B[irobau-volumens von Frankfurt in den 80er Jahren er-reicht.

Bei einer Biirofl.iiche von 6,5 Mio. m2 unter-scheidet sich Wien im riiumlichen Muster des

Biironeubaus von den deutschen Stidten, atten

voran Frankfurt, deuttich. Der Biironeubau hatinWien zu keiner Akzentuierung des Citybereichesgefiihrt. Vie[mehr verteilen sich die neuen Biiro-bauten im AnschluB an U-Bahn-Stationen und

Knoten des StraBensystems mehr oder mindergteichmiiBig i.iber den gesamten gesch[ossenen

Stadtraum der Grtinderzeit. ALterdings werden

durch diejtingsten Bi.irotiirme Akzente am Rande

desse[ben gesetzt.

In den Metropolen der Transformationsstaatenist, getragen von aus[dndischem FinanzkapitaLein Bi.ironeubau sehr rasch in Gang gekommen.

In Budapest wurden atlein im Zeitraum von 1990

bis 1993 insgesamt 63 Biiroheuser mit einer Ge.

samtfliche von 300 000 m2 im Bereich des gr0n-

derzeittichen Stadtraumes in Eckpositionen des

HauptstraBennetzes errichtet. Ungarische Un-

ternehmer vollziehen die zUgige Umwandlung

von Wohnungen in BUros, ein Vorgang, der inBudapest, anders a[s in Paris oder Wien, nictrtdurch P[anunqsrestriktionen behindert wird-Gteichzeitig kommt ihm die anhaltende staatli-che Subventionierung der Privatisierung von

Wohnun gen zugute (Lichtenberger, Cs6fatvay u-

PaaL 7994).In mitteLfristiger zukunft schwierig abzuschit-

zen sind die Konsequenzen, welche sich durch

die Privatisierung des staatlichen Biirosektorsiiber Europa hinweg ergeben werden. Eine weite.re Suburbanisierung des Biirosektors ist jeden-.

futts angesagt.Im Hinbtick auf die Suburbanisierung d6

Biirosekto rs ist derzeit i n Kontinenta leuropa dieAus[agerung bis zu den Trade Center bei intema-tionaten F[ughiifen fortgeschritten. Die Entwid-[unq von Edge Cities ist bisher nicht in Sicht.

278

Page 214: Die Stadt - Lichtenberger

Wozu braucht

,,Die GroRstadt solt der Individuatitateine Umgebung sein."Karl Kraus in ,,Die Fackel" (333, 5. 9)

Zu Beginn des 21. Jh.s lebt mit 3 Mrd. Menschendie H5lfte der Erdbeviilkerung in Stedten. ]n die-sem globalen VerstedterungsprozeB nehmenStadt und Gesellschaft in der westlichen Wetteine Sonderstetlung ein. Nur hiervotlziehen sichVorgdnge der Verstidterung und der Entstiidte-rung synchron. Nur hier ist daher auch die Frageberechtigt: Wozu braucht die Gesettschaft dieStadt?

Mit der Beantwortung dieser Frage wi rd auf einGrundthema des Buches zuri.ickgegriffen, niim-lich auf die Abhiingigkeit der Gesettschaft undderStadtvon den potitischen Systemen. Es wirdzum AbschtuB nochmats die zentrale Leitfragegestet[t: Wird die Entwicktung von Geseltschaftund Stadt in Europa - wenn auch mit Abstand -der nordamerikanischen folgen?

Die Frage besitzt aktue[[e Brisanz: Amerika istder Trendsetter in der Gtobatisierung der 0kono-mie. Amerika erzeugtimmer neue innovative E[e-mente, welche sich im SHdtesystem wettweit aus-breiten: Wolkenkratzer, Mega- Mo Lls, Event-Cities,Goted Communities. Amerika ist der Trendsetterim Vorgang der Entstidterung, der Suburbanisie-rung und des Ur6on Sprawl, der Exurbanisierung.Seine Metropolen wurden durch das Entstehenvon ethnischen Ghettoaggtomerationen und zen-tralen Stadtwiisten, weiters durch die AusschLie-Bung der ,,underctass" aus der Arbeitsgeselt-schaft und eine breite Palette von Erscheinun-gen der sozialen 0esorganisation, von obdachto-sigkeit. Drogensucht, Kriminalit;t bis zu einemneuen Ana[phabetismus a[s jiingstem Phenomen,zu Probtemfetdern ersten Ranges.

Die Beantwortung der Frage bedient sich derKonvergenztheorie. Das Aussagenspektrum derVertreter einer Konvergenz der Entwicklung istbreit a ufgeflichert. Es verweist ei nerse.its a uf dieGtoba[isierun g der Technotogien des Bauens, derProduktion, der Kommunikation und der Infor-mation, andererseits auf die anscheinend in ei-

die Gesellschaft die Stadt?nem iikonomischen Wachstumsmode[[ vorpro-grammierte Abfo[ge der Gese[[schaftssysteme inder weitgehend sakutarisierten westlichen Wett:von der arbeitstei[igen Gesellschaft i.iber die Kon-sumgesetlschaft bis zur Freizeit- und Erlebnisge-seltschaft hin.

Wetche Argumente stehen den Verfechtern ei-ner eigenstandigen europeischen Entwick[ungzur Verfi.igung? Es handett sich im wesentlichenum drei Argumentationsstrenge:

An erster Ste[[e stehen die potitischen Effektedes soziaten Wohlfahrtsstaats und des Munizipat-soziatismus, insbesondere die Basisideotogie dessozialen Disparitiitenausgteichs, die in Antisegre-gationsstrategien bei der Eingtiederung von sozio-iikonomisch marginaten Gruppen und neuerdingsvon Migranten ihren Niedersch[ag findet. Hierbeibedient sie sich kommunaler Leistungen im tif-fenttichen Verkehr, im Spitats- und Schulwesen,im Wohnungsbau und in der Griinftichenpotitik.

An zweiter Stetle steht das ebenso schlichtewie schltissige Argument, daB der Raum in Euro-pa eine knappe Ressource darstetlt, die im Ver-tauf des 21. J h.s mit steigendem Ftdchenbedarfund steigenden Bodenpreisen zu einer nochknapperen Ressource werden wird. Ein Reryctingder physischen Kubatur - im 20. Jh. bereits be-gonnen - wird im 21. Jh. zu einer sehstverstiind-tichen Aufgabe werden. Ein ,,Wegwerfen vonRaum als ubiquitdre Ressource" bei gteichzeitigenormer Energie- und Umwettvergeudung, wiedies im amerikanischen,,Stadtland" praktiziertwird, ist nicht miigtich.

An dritter Stelte steht das Bi.indel von Argu-menten, wetches sich mit den Persistenzen in derbaulichen Gestalt der europaischen Stadt be-scheftigt, mit der Zentrate-Mitte-Konzeption, mitden institutionetlen 0rganisationen sowie dentradierten Normen und Verhattensweisen der Be-vtitkerung, mit den Querbeziigen zur Urbanitatund zur Funktion iiffentlicher Reume.

Festzuhalten sind ferner drei Faldoren, durchdie sich in mittetfristiger Zukunft die Metropotenin den ,,Vereinigten Staaten von Europa" von de-nen der Vereinigten Staaten von Nordamerikaunterscheiden werden:

279

Page 215: Die Stadt - Lichtenberger

Wozu braucht die Gesettschaft die Stadt?

1. Das legistisch abgesicherte historische Primatvon Hauptstedten der Nationatstaaten bewirktden Fortbestand ktarer hierarchischer Struktu-ren im 0rganisationsaufbau des 6ffentlichenSektors in der Stadt und in den jeweitigen na-tionalen stiidtischen Systemen.

2. Gteichzeitig wirdjedoch dietradierte und be-wehde Potitik des Munizipalsoziatismus zurReduzierung soziater Konftikte und Problemein Koexistenz mit der iikonomischen G[oba[i-sierung ihre Bewihrungsprobe bestehen.

3. Darliber hinaus werden die europiiischen Me-

tropolen ats dritte Kraft bei den Entschei-dungsgremien der EU in Briissel neben denNationatstaaten und internationaten Konzer-nen zunehmend in Erscheinung treten undsich im gtobaten Wettbewerb profitieren.

Die Ausfiihrungen sind um zwei Gesichtspunktezentriert:r das politische Leitbitd von Stadt und stidti-

scher Geseltschaft sowieI dje neue Zuwanderung von Austdndern, deren

potentietle Akkutturation und Integration.

Das politische Leitbildvon Stadt und stedtischer Gesellschaft

Die Skytine von New York ist durch die Tragiidiedes 11. September 2001 f0r tange Zeit in jeder-manns Gedachtnis eingebrannt. Le Corbusier hatvon dieser Skytine von New York gesagt, daB sie

,,eine Katastrophe" sei, aber,,eine wunderbareKatastrophe". Amerika hat den Wolken kratzer er-funden, die Setbstdarstettung von privatkapitati-stischen Unternehmen in der Stadt, wetche inKonkurrenz zueinander stehen und sich in derH(ihe [iberbieten wotlen. Eine Gesamtkonzeptionder dritten Dimension fiir die Stadt fehtt. Die 5it-houette der groBen amerikanischen Metropo[enwird durch die Ansammlung von ,,Kathedralendes Kommerzes" bestimmt.

Blenden wir nach Europa hiniiber, so ist an dieWohntlirme in Italien zu erinnern. von denensich in San Gimignano noch 15 an der ZahI erhalten haben. Sie sind Artefakte der Urbanisierungder feudaten Landbesitzer. die ihre Wohnform,das Turmhaus, bereits im 10. Jh. in die Stiidte ge-

bracht haben, nachdem sie hier zu Handetsher-ren und Bankiers geworden waren.Ihnen gehiir-te - anatog zur griechischen Potis - das agrare Um-

[and. In Ftorenz und Bologna hatten im 14. Jh.die Patrizier dieser Stadte etwa 300 Wohntiirmeerrichtet, die ebenfa[ts ohne i.ibergeordnete Kon-

zeption und iihntich dicht nebeneinanderstan-den wie die Wotkenkratzer amerikanischer Stiidteund von denen eine Anzahlnahezu 100 m Htihe

erreichte. Die erstarkenden Stadtrepubtiken er-zwangen dann die Abtragung derTi.irme, um den

inneren Frieden der Stadt herzustelten. Ein eu-ropiischer profaner Hochhausbau war damit zu

Ende. Die dritte Dimension bestimmten weiterhin

,,die Wolkenkratzer Gottes", wie sie Le Corbusiergenannt hat, nimtich die gotischen Kathedraten

in der Stadtmitte.Selbst der Absolutismus wagte es nicht, die

vertikale Dimension der Stadt fiir sich zu bean-

spruchen. Er wiihlte die horizonta[e Breite als

representative Form. Frankreichs Stedtebauentwarf den Stil des grand design. Zwar hat derEiffetturm an tiiBtich der Pa riser Welta usstetlungden ersten Akzent fiir die technischen Miiq[ich-keiten des 19.Jh.s in der Vertikalen gesetzt.

doch hat sich bis heraufin die Nachkriegszeit an

der ruhigen 5kyline der europaischen Stadt nichtsgeandert. Zwei Wettkriege auf kontinenta[euro-piiischem Boden haben Okonomische Potentialezerstiirt.

Erst in den 60er Jahren des 20. Jh.s hat wie-derum Paris unter strikter Beibehattung von kom-pakter Stadt und groBem StiI mit peripher posi-

tionierten Wotkenkratzern - einschtieB [ich des

Cityaustiegers von La D6fense - europaische MaB-

stiibe fiir Stidtebau und Stadtp[anung gesetzt

und die Tradition der Stadtmitte a[s sozia[e Mittebewa h rt.

Nun ist New York nicht der Prototyp der ameri-kanischen Metropolen. Nichtsdestoweniger hatdiese kosmopotitische Kapitate fiir die ,,Potarisie-rungstheorie" der metropo[itanen GeseltschaftModetl gestanden. Dieser Theorie gemiB muB

sich die Schere zwischen dem vom Privatkapita-lismus profitierenden Jet-set und der armenGrundschicht der Beviitkerung, wetche im Woh-

nungs- und Schutwesen, im Verkehr und selbstin Sicherheitsfragen auf den 6ffenttichen Sektor

280

Page 216: Die Stadt - Lichtenberger

Das potitische Leitbitd von Stadt und suidtischer Gesel.tschaft

angewiesen ist, zunehmend weiter iiffnen. Dieses

,,sozialdarwinistische Gesetz" der Potarisierungs-theorie setztfreitich voraus, daB der iiffentlicheSektorin seinen sozialen Einrichtungen die Stan-dards der Privatwirtschaft nicht halten kann,sondern niedrigere anbietet, wie dies a uf das so-ciol housing und vor a[Lem a uf die publrc schoolsin den USA durchaus zutrifft, da sozioiikonomi-scher Disparitetenausgteich ats staatliche Aufga-be ideotogisch unbekannt ist. Das Faktum des

,,neuen Ana[phabetismus" belegt die enormenU nterschiede zwischen iiffentlichem und priva-tem Schulwesen in erschreckender Weisel

Die extensiven Schatteneffekte der nordameri-kanischen Skytines lassen sich statistisch bele-gen: Die Ausdehnung von ethnischen Ghettosnim mt mit der Za h I der Wolken kratzer in den [JSA

signifikant zu.Die Skyline von New York verbirgt dariiber hin-

aus auch das antiurbane Leitbi[d der nordameri-kanischen Gesettschaft. Dieses beruhtauf der hi-storisch-politischen Tatsache, daB das Vehiket der

,,bUrgertichen Stadtgemeinde" und des .Stadt-biirgers" sowie die Prinzipien des aufgekldrtenAbsotutismus nicht aus Europa importiert" wur-den. Seit President Jefferson hatdaher eine anti-urbane Ideologie die politischen Entscheidungengepriigt. A[s Indiz daf0r miige die staattiche Ga-

rantie fiir die Hypothekarkredite von Einfami[ien-hiiusern wlihrend der Wettwirtschaftskrise der30er Jahre dienen. Diese gab den StartschuB flirden Produktionszyklus von Suburbia mit Einfami-[ienhdusern im Verein mit der Autoindustrie unddem Autobahnbau. Politischer Libera[ismus, ubiquitere Bodenressourcen und der durch keineRestriktionen eingeschriinkte Individuatverkehrbildeten und bilden weitere Voraussetzungen.

Lutz Hotzner hat mit Recht auf die potitisch-ideotogischen Unterschiede im Demokratiever-stiindnis zwischen den USA und der BRD hinge-wiesen. Das Demokratieverstiindnis der U5A wirdgetragen von der Selbstverantwortung des Biir-gers, der das Recht auf Leben und Freiheit, aufpersdn[iches Gtiick, Besitz und Privatsphare flirsich beansprucht. ,,Der gute Mann steht altein"ist eine Basisphilosophie fiir die Person, ,,dasgute Haus steht altein" [5Bt sich ats Libertragungdieses Slogans in die Siedtungstandschaft von

Suburbia formu[ieren. Anders ats in Europa wur-de die Stadt nicht zur sozialen Mitte der Gesett-

schaft.Der Auszug der weiBen 0ber- und Mittetschich-

ten aus der Kernstadt begann schon vor dem Er-

sten Weltkrieg, ab der Zwischenkriegszeit fotgtedie Industrie. Die Nachkriegszeit hat den Exo-

dus des Geschiifutebens und der Bi.iros gese-

hen. Zuriickgebtieben sind urbane Wtisten undMegaghettos im Raum der einstigen Kernstedte.Stadterneuerung, seit den 60er Jahren immerwieder in Schiiben mit neuen Programmen begin-nend, hat nur die groBen Metropolen erreicht,jedoch keine Breitenwirkung erzie[t. Ausnahmenbestehen, sie bestiitigen die Regel.

Der staattiche Zensus des Jahres 2000 untermauert die folgende Feststettung: Die amerikani-sche Mittetschicht braucht die Stadt nicht mehr.Sie lebt in Suburbia. Getragen von der enormenMobititit der Beviilkerung bewegt sich die subur-bane AufschlieBungsmaschine hinein in den ex-urbanen Raum. Sie fiihrt alte beniitigten Einrich-tungen, Arbeitsstetten, Schulen, Krankenhduser,Sportpletze. Einkaufszentren und Vergniigungs-statten, mit sich bzw. schiebt diese sogar vor sich

her und vernetzt sie weiter.Dem Zensus ist zu entnehmen, daB die Ent-

wicktung nunmehr bereits von der Exurbanisie-rung getragen wird, d. h., daB der auBermetro-politane Raum mit 27 Mio. Wohneinheiten dabeiist, die Kernstddte einzuhoten, auf welche nurmehr 32 Mio, Einheiten entfatten, was wenig mehrats einem Viertel des Wohnungsbestands ent-spricht, wShrend 53 Mio. Wohneinheiten in denSuburbs registriert sind.

Der Begriffder Suburbanisierung wird auch fUrdie europdisch e Stadtentwicklung verwendet. Ei ne

Gleichsetzung des Vorgangs wiirde an grundsitz-[ichen Unterschieden vorbeigehen. Die amerika-nische Suburbanisierung ist niimlich ein perfektkapitatistischer, vom Immobitienmarkt, vom Ren-

ditedenken und von der Mobititiit der amerikani-schen Geseltschaft getragener Vorgang.

Das Einfamitienhaus ist der am besten ver-marltete KonsumartikeI der USA in einem ebensoperfekt vermarkteten SeMceumfetd. Es ist alsgute KapitatanLage im 6konomischen Denken fi-xiert und hat keine Funktion im Generationen-

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Page 217: Die Stadt - Lichtenberger

Wozu braucht die Gesettschaft die Stadt?

transfer. Seine jeweitige Waht entspricht demStatus im Lebenszyk[us, dem beruflichen Presti-ge, dem LebensstiI und bei Famitien der Quatitiitdes Schutstandorts. Verglichen mit dem konti-nentaleuropaischen, bisher iiberwiegend massivgebauten Einfami[ienhaus entspricht das ameri-kanische Einfamitienhaus mit seiner inzwischenauf 170 m2 angestiegenen Durchschnittsftdcheder Leichtestbauweise einer industrie[[en Mas-senproduktion. Es ist daher mit einem Durch-schnittspreis von 108000 US-$, das entsprichtzwei bis zweieinhatb Jahreseinkommen, von denInteressenten sehr bi[[ig zu erwerben: Dies ver-gtichen mit Europa, wo dafiir zwischen flinf undzehn Jahreseinkommen erforderlich sind.

Zum Bedingungsrahmen des amerikan'ischenEinfamilienhauses gehiirt iiberdies die extremhohe Mobititdt der Beviilkerun9. 1999 wechsetteein Sechstel der amerikanischen Beviilkerungden Wohnstandort, der bei den Berufstetigenvom Arbeitsstandort bestimmt wird. Die Pendet-wanderung zwischen beiden Standorten wirdvom Auto dominiert. Dabeiist es zu dem fiir Eu-ropiier auBerordenttich iiberraschenden Pheno-men gekommen, daB in den letzten zwei Jahr-zehnten der zeitliche Pendelaufwand von rundeiner hatben Stunde auf 20 Minuten abgenom-men hat! Hierzu hat die Einbeziehung a[[er Ar-beitsstiitten in den Suburbanisierungsvorgang inWechselwirkung mit dem starken Vordringen derFrauen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich beige-tragen.

Staat und Wirtschaft wirken zusammen, um diesuburbane AufschlieBungsmaschine im Interesseder amerikanischen Wirtschaftin Gang zu halten.Einerseits ist das Einfamitienhaus mit einer An-zahtung von nur 5% auch fiir untere Mittet-schichten erschwing[ich geworden, andererseitsftirdern die Steuernachliisse auf Hypotheken, wet-che mitderen Hiihezunehmen, die besserverdie-nenden Mittelschichten. Diese, den soziaten Woh[-fahrtsstaaten Europas e ntg eg e n g es etzte Strate-gie tdBt sich statistisch belegen. So betrug 1999das jiihrtiche Durchschnittseinkommen der Haus-besitzer mit Hypotheken rund 60 000,- U5-$, dasder Hausbesitzer ohne Hypotheken nur 28 0OO,-US-$. AtsjUngste Fdrderung ist die Kreditkarten-aktion auf Hausbesitz anzusehen, wetche auf den

in den 90er Ja h ren im Durchsch nitt um 777 o/o ge-

stiegenen Hauspreisen beruht. Die hiichste Wert-steigerung hatte mit 260 % Exurbia zu verzeich-nen. Damit war eine Extensivierung der Auf-schlieBung an der Peripherie des stidtischen Fe[-

des verbunden, insofern als die Durchschnitts-g16Be der Grundstiicke von 0,33 acre (1 acre =4047 m2)in den Suburbs aufo,75 acres in Exur-

bia angestiegen ist.Der vom Immobitienmarkt und vom Rendite-

denken der Gesettschaft getragene Vorgang derSuburbanisierung und Exurbanisierung weisteine klare Logistik auf.

Das Einfami[ienhaus ist nicht nur der wichtig-ste HandelsartikeLdes Binnenmarktes, sondernauch der Triiger des [okalen Steuersystems. Wah-

rend in Europa die Haus- und Grundsteuern nach

dem Ersten Weltkrieg in den meisten Staaten aufbessere AnerkennungsgebUhren gesunken sindund die Steuern die Arbeitsleistung und den Kon-

sum belasten, betragt die real estate tax rund60% des Budgets der amerikanischen Lokalbe-hbrden. Ihre Hdhe wird in Abhingigkeit vom

Marktwert der Hduserjiihrlich festgetegt und be-trdgtim Durchschnitt 1,5 % desselben.

Je hiiher der durchschnittliche Wert der Eigen-

heime ist, desto mehr Aufwand kann in Hinbtickauf die Qualitiit der Schulen bzw. des Potizei-schutzes betrieben werden. Die Verkniipfung vonHauswert, Lokatsteuer und Schu[- sowie Potizei-qualitet entspricht dem gese[schaft [ichen Leit-bitd von miigtichst homogenen Nachbarschaften.Um den Kindern eine mdgtichst gute Ausbitdungzu sichern, wird daherjede Famitie denjenigenSuburb aufsuchen, den sie sich finanziel[ gerade

noch leisten kann.Mit der Im mobi[ientikonomie ist iiber Fonds

ferner die private Pens'ionsversicherung ver-kniipft. Dies erkliirt auch das ,,immobi[ienmarkt-konforme Verhalten" der Mittelschichten, das Ei-

gentumsdenken ebenso wie das ,Mitwandern-mit steigenden Boden- und Immobitienpreisen,wlh rend andererseits die.immobi[en" unterenBevtilkerungsteile in den abgewohnten 6ebietenzuriickbleiben, dort, wo die Bodenpreise auf Nutlgefatlen sind und es keinen Markt mehr gibt.

Seit Ende der 80er Jahre wird aus Angst vor derRattengefahr die verfa[[ene Bausubstanz im An-

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Page 218: Die Stadt - Lichtenberger

schtuB an die Downtown der Wotkenkratzer f[ii-chenhaft gereumt. Es sind riesige. ungenutzteFreiftilchen entstanden, welche getegentlich -wie in 5t. Louis - dem sozialen Wohnungsbau zu-gewiesen werden. Die physische Beseitigung desSlums wurde somit aus hygienischen Gr[indenEnde des 20. Jh.s zu einer staatlich finanziertenNotwendigkeit. Die Beseitigung des gesettschaft-[ichen Stums ist ungetdst.

Im selben Zeitraum hat sich auch der Bedin-gungsrahmen an der urbanen Siedtungsfrontierverandert. Die schte'ichende Reduzierung der ZahIder Familien auf nur wenig mehr ats die Hiitfteder Haushatte - bei einer komptementeren Zu-nahme der K[einhaushalte - hat das Nachfrage-profiL geendert. Die Bauwirtschaft reagierte miteiner Anderung der Bauformen, darunter GotedConmunities, und den als new urbanisn vermark-teten Condominiums in niedrigen, an kteinstidti-schen Vorbi[dern orientierten Reihenhausanta-gen und GeschoBbauten. Es handelt sich nichtum eine Rlickkehr zur ,Stadt". sondern um eineneue Variante von ,,Suburbia".

Privatka pita [ism us und Staatskapitatismus bie-ten ein Kontrastprogramm fi.ir das Leitbi[d derStadt und fiir die stidtische ceselschaft. Kontrarzu Nordamerika beniitzte der ehema[ige Staats-kapitalismus die Stadt ats Kontroll- und Steue-rungsorgan seiner zentra[istisch-hierarchischen0rganisation, mit dem Argument, daB nurin derStadt der ,,Fortschritt" zur k[assenlosen soziati-stischen Gese[[schaft verwirkticht werden kann.Die zentratistische P[anwirtschaft reg[ementiertedie Bodenpolitik, die Wohnungspolitik und dieWirtschaftspotitik. Durch die Verstaatlichun g vonGrund und Boden wurde einerseits das Hinder-nis, welches Privateigentum fi.ir eine umfassendePlanung darsteltt, ausgeschaltet und anderer-seits auf eines der machtigsten Instrumente derBi[dung von Kapita[, niimtich Bodenspekulationund steigende Bodenpreise, verzichtet. Gteich-zeitig wurde den Munizipalbehtirden das Danaer-geschenk des verstaattichten MietshausbesitzesUbergeben, fiir den aufgrund der vieL zu niedrigbemessenen ,,sozia[en Mieten" die Mittet fiir dieErhattung fehtten. Dem groBziigigen Umgang mitdem suburbanen Raum im nordamerikanischenLiberalismus entsprach ein groBztigiger lJmgang

Das politische Leitbi td von Stadt und stiidtischer Gesetlschaft

mit dem Stadtraum im Staatska pita lism us. So-wohI bei der Gesamtfliche einer Stadt als auch

bei der Ausgrenzung von Nutzungen wurden stetsReserven einkatku[iert. Mittels extensiver Einge-meindungen betrieb man eine Vorsorgepotitik fiirki.inftiges Stadtwachstum. Diesem groBztigigenUmgang mit StadtflSche f0r staattiche und ge-settschafttiche Einrichtungen stand jedoch ande-rerseits eine iiuBerst sparsame Zuweisung vonWohnftdche an den einzelnen Haushalt gegen-i.iber. Der private Raum untertaq insgesamt einemMinimierungsprinzip. Auch diese Aussage [eBtsich im Privatkapitatismus umkehren. wo dem iif-fentlichen Raum, wenn man vom Verkehrsraumabsieht, geringe Bedeutung zugemessen wird.

Zentra[istische Zuteilungsstrategien und ko[-lektive Denkschemata erzeugten eine rigoros ar-beitende Stadtplanun g, welche von staatlichenFinanzzutei[un gen und gesamtstaattichen Pta-nungsnormen abhingig war. Die Vorgaben ftir diesoziatistische Stadt waren: Ein gemeindu n gen,die Errichtung von PrachtstraBen und Denkmat-schutz im Stadtzentrum, U-Bahn-Bau, die Anlagevon hierarchisch organisierten GroBwohnan[a-gen und ftiichigen Industriearea[en. Dem politi-schen System entsprachen massive Antisegrega-tionsstrategien.

Eine Suburbanisierung im westlichen 5inne,nimlich in Form der Privatisierung des Wohnens,feh lte (von Poten und Ungarn abgesehen) bzw.wurde n u r in Form des Zweitwohn un gswesens to-leriert, welches freitich eine fliichenbeherrschen-de Bedeutung im Stadtumtand erlangen konnte.Nur in den GroBstiidten war der Aufstieg i.iber

Bi[dung und der Zugang zum Kader der Funk-tiondre miigtich. Dementsprechend besaB dieGroBstadtwanderung absolute Dominanz.

Grundsitzlich hat sich im Postsozia['ismus an

der Stadtwanderung nichts geendert, doch hatdie Transformation vom Ptan zum Markt aufgrundder Liberalisierung des Immobi[ienmarktes unddes Riickbaus des geschtitzten Wohnungs- undArbeitsmarktes eine Bottom-up-Destabilisierungder Gesetlschaft gebracht; dies nicht nur dort, wo

die schLagarti ge Entindustria[isierung eine sehrhohe Arbeitslosigkeit bewirkt, sondern beson-ders in den Metropoten selbst, wenn diese alsneue Zentren des internationa[en Finanzkapitals

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Page 219: Die Stadt - Lichtenberger

Wozu braucht die Gesel.tschaft die Stadt?

und aus[endischer Unternehmen den Verlust an

Arbeitsptatzen kompensieren kiinnen.Es ist erschreckend, festste[[en zu miissen, daB

sich die Potarisierungstheorje der amerikanischen

Stadtforschung a[s zutreffend erweist. Sehr rasch

ist eine neue plutokratische 0berschicht entstan-den. Sie wiichst zligig weiter, wihrend anderer-seits die Hdlfte der Geseltschaft, aus der kargen

Sicherheit der Existenz entlassen. mit einer neu-

en Armut konfrontiert wird, aber auch mit einemKriminalitatssyndrom, vor dem sich die,,Besit-zenden" durch Gating - ebenfa[[s ana[og zu Ame-rika - zu schiitzen versuchen.

Das Leitbitd der europeischen Stadtin den so-ziaten Wohtfahrtsstaaten Europas [aBt sich nichtauf derart einfache Aussaqensysteme reduzieren,

wie sie fiir die Vereinigten Staaten und die post-soziatistischen Gnder gemacht wurden. Das,,Ent-

weder-0der" von Stadt und Suburbia, von Stadt-erneuerung und Stadterweiterung, istin ein ,,5o-woh[-A[s auch" zu erweitern. Es umgreift siimtli-che Bereiche. In kurzfristigem Wechsel, aber

auch synchron wurden - entweder/oder bzw. und

- tiffentliche Verkehrsmittel und Autobahnen.FuBgangerzonen und Parkhiiuser, GroBwohn-

anLagen und Reihenhiiuser gebaut sowie Stadter-neuerung und Stadterweiterung betrieben; diesfreitich mit sehr beachtlichen, historisch begr0n-deten Nord-5tid- und West-ost-Unterschieden.

Der Denkmatschutz hat iiber Europa hinweg dieErhaltung des historischen Kulturerbes legistischverankert und e'ine Erneuerung der historischenBausubstanz von Stddten bewirkt.

Die kommerzielte groBflechige Suburbanjsie-rung nach dem nordamerikanischen Muster fehttim Nach kriegseu ropa. In weiten Teiten Europas,

darunterin Frankreich, in 0stmitte[- und Siidost-europa, erfotgte vie[mehr eine chaotische Urba-nisierung in Form von spontanen K[einaufschtie-

Bungen mit Einzetparzellen und vietfach unterEinsatz einer Selbstbauweise von Einfamitien-hiiusern. Beide Phiinomene sind in Nordamerika

unbekannt. Die kteinziigige territoriate Landkar-

te der Gemeindeautonomie fiirdert die kteinziigi-ge Aufsch[ieBung und Verbauung. Phanomene

der unternutzung, der Extensivierung und des

Brachfatlens von Fliichen sowie des Leerstehensvon 0bjekten werden sehr rasch wahrgenommen

und flihren zu GegenmaBnahmen von seiten der

Behiirden und der Bevii[kerung.

Eine Besonderheit Europas bildet das Zweit-

wohnungswesen. Von der Vitla des Riimischen

Reichs fiihrt die Entwick[ung herauf zur tos ka ni-schen Vi[La der Renaissance i.iber die Sommer-

schlijsser des kontinenta[europa'ischen Adels inder Barockzeit bis zu den LandhEusern der biir-gerlichen Gese[[schaft im l9.Jahrhundert. In der

Nachkriegszeit wurde durch den [ange Zeit inmehreren Staaten praktizierten Mieterschutz, die

Niedrigmietenpotitik und den staatlichen Woh-

nungsbau in den sozialistischen Liindern dieDoppetung der Wohnstandorte mit der Arbeits-wohnung im stadtischen Mietshaus und dem

Freizeitwohnsitz im [5ndIchen Raum (Datscha)

mitsubventioniert.Inzwischen hat sich das schichtentibergreifen-

de Massenphiinomen des ,,Lebens in zwei Gesellschaften" als neuer LebensstiI vom politischen

Bedingungsrahmen emanzipiert und istim Sozi-

a[prestiqe und in den individuetten Bed[irfnissen

breiter Beviitkerun gsschichten veran kert wor-

den. Die Zweitwohnsitzperipherie um die groBen

Stadte kann ats das europiiische Pendant zur

Exurbanisierung in Nordamerika aufgefaBt wer-

den. Westdeutschtand bezieht eine i.ibergangs-position. Die Suburbanisierung der Wirtschafts-betriebe ist iiber eine partietle Suburbanisierung

bisher nicht hinausgekommen.

Die neue Zuwanderung vonAuslendern und die ethnische Segregation

Die Zukunft von Gesettschaft und Stadt in der

westlichen We[t ist einerseits vorprogrammiertdurch den AlterungsprozeB und die fehtende Re-

produktionskraft der jeweitigen,,in[indischen"

Beviilkerung, und sie ist andererseits ungewiB

hinsichtlich des AusmaBes und der Herkunft der

kontinentalen und interkontinentaten Zuwande-

rung von aus[dndischer Bev6lkerung sowie deren

Akkulturation und Integration.Nordamerika ist der Modeltfatt fi.ir ein Einwan-

derungstand. Dort hatten die Stiidte bis heraufins 20. Jh. die Funktion, die Zuwanderer in den

,,American way of [ife" einzufiihren und zu inte-

284

Page 220: Die Stadt - Lichtenberger

grieren. Dies ist ihnen im Hinbtick auf die euro-piischen Zuwanderer auch zum Guttei I getungen.Nicht qelunqen ist es ihnen bei der Binnenwan-derung der ursprUngtich als 5ktaven in den Ptan-tagen des Stidens arbeitenden Afroamerikaner.

Die heutigen Megaghettos der Afroamerikaner,wetche flir die andersfarbige Beviilkerung eineTerra incognita darste[[en, gehen in ihren Anfdn-gen auf staattiche Fltchenausweisungen zurlick,wetche bis 1917 in Kraft waren. Bis 1948 war beimVerkauf von Land eine Erkldrung erforderlich,daB dieserVerkaufan WeiBe erfo[gen wtirde. Bis1949 hat auch die Zentralregierung die Wohnse-gregation unterstutzt. Erst 1964 verlangte dasCivit-Rights-Gesetz eine,,EquaI Emptoyment 0p-portunity Commission". 5ie konnte sich jedochnur auf den iiffentlichen Arbeitsmarkt auswirken,so z. B. auf State Universities, State Hospitatsusf. In diesem dffentlichen Sektor besteht bisheute die beste Aufstiegsschiene f0r Afroameri-kaner. Die Para[[ete zu den 0ber Bildung vermit-tetten Aufstiegschancen in der stendischen Ge-

se[tschaft des aufgekldrten Absolutismus Europas[iegt nahe.

F[ir den Fortbestand und die Ausweitung derheutigen Megaghettos sind zwei Faktoren ver-antwortlich zu machen: erstens die Ablehnungdes Konubiums, durch welche sich die weiBe Be-viilkerung der USA von derjenigen Lateinameri-kas unterscheidet, und zweitens die ethnischenDiskriminierungsmechanismen des Immobi[ien-marktes. Die Verschlechterung der Verhaltnissebegann mit der Suburbanisierung der afroameri-kanischen Mittetschicht in den 6Oer Jahren. Diein der Kernstadt Zuriickgeb[iebenen vertoren ihreEliten und Vorbi[der. Die Spirate drehte sich seit-her kontinuierlich abwerts. Im August 2001 warauf der Webpage des WeiBen Hauses ein nationa-les Programm zur Verbesserung des staattichenVolksschutwesens angeki.indigt. Dieses war dasErgebnis einer Enquete, wonach 70 % der Kinderin der 4. Volksschutklasse der iiffentlichen Schu-[en nicht lesen ktinnen. Damitwurde der Hinter-grund der Entstehung ein er ,,underclass", derenMitglieder keine Chance haben, aufdem Arbeits-markt FUB zu fassen, offengelegt. Zwei Drittetder afroamerikanischen Jugendlichen in denKernstadtghettos kennen niemanden in ihrer Fa-

Die neue Zuwanderung von Auslindern und dje ethnische Segreqation

mitie oder in der Nachbarschaft, derjemats einerArbeit nachgegangen ist.

Neue ZuwanderungsweLten nach dem ZweitenWeltkrieg haben Asiaten, vor a[[em Vietnamesen,aber auch Inder und Fi[ipinos in die Kernstedtegebracht. Es sind Ghettokongtomerate entstan-den, deren GrtiBe mit der Wotkenkratzersilhouet-te der Metropolen korrespondiert.

Von entscheidender Bedeutung ist a[erdingsdie Zuwanderung aus Lateinamerika geworden.Der Zensus 2000 registrierte in den USA 38 Mio.

"Hispanics". Diese Zuwanderer bringen ihreSprache und Kultur mit und haben in unglaubtichrascher Zeit eine Zweiteilung der Verein'igtenStaaten bewirkt, insofern a[s im Westen und ineinem Siidstreifen die Hispanics nach der,,whitepoputation" bereits die zweitstiirkste Gruppe bilden. In den Counties [ings der mexikanischenGrenze und in einzelnen Counties von Ftorida be-sitzen sie bereits die Mehrheit. Auf der Home-page des WeiBen Hauses kann inzwischen eineVersion in spanischer Sprache angeklickt werden.

In kurzer Zeit ist es den zumeist in griiBerenFami[ien lebenden Hispanics gelungen, sich einewesenttich bessere Position auf dem Immobitien-und Arbeitsmarkt zu verschaffen a [s die Afroa me-rikaner. Ersteren giLt - zum TeiI zumindest - das

Wohtwotlen der weiBen Mittetschicht, die den

einstigen Stogan, der zundchst auf mittel- undwesteuropeische Immigranten an gewendet wor-den war, ndmtich ,they are more [ike us", nun-mehr auf lateinamerikanische Zuwanderer i.iber-tragen. Die Hispanics fii[en die Lticken des

Geburtendefizits der weiBen Beviitkerung und siebedeuten ein Bevdlkerungswachstum. Ihre Zu-wanderung richtet sich vor atlem auf die Metro-polen und bewirkt eine Betebung des Geschiifts-lebens der groBen Stiidte. Los Angeles ist hierfiirein eindrucksvolles Beispiel, wo von den katholi-schen Hispanics kiirztich der Grundstein zu einerneuen, groBen Kathedra[e getegt wurde und dieDowntown ats Einkaufszentrum wiederbetebtworden ist. Es ist zu erwarten, daB diese hispani-sche Bevtilkerung auch'in anderen Metropotenneue, ganz wesentlich urbane Akzente setzenwird.

Derzeit ist es schwierig abzuschetzen, ob es

den Hispanics in mittelfristiger Zukunft bei wei-

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Page 221: Die Stadt - Lichtenberger

Wozu brauchtdie Gesetbchaft die Stadt?

ter anhattender Zuwanderung und Kinderfreund-lichkeit getingen wird, Spanisch ats Zweitsprachezu etablieren und damit eine neue Form eines bi-kulturelten Nebeneinanders zu schaffen.In derWeite des Raumes bewirkt diese hispanische Zu-

wanderung in die Metropolen bereits jetzt einweiteres extensives Ausgreifen "weiBe/'

Bevii[ke-

rung hinaus in den ruralen Bereich, nach Exurbia.

In den europiiischen Stddten gab es vor einemVierte[jahrhundert noch kaum ethnische Vierte[.Diese Aussage bedarfzu Beginn des 21.Jh.s ei-ner Revision. Eine neue Wanderungswelte hatauch Europa erreicht. Die europaische zuwande-rung hat freilich ein anderes ProfiL und andereVoraussetzungen ats die Einwanderung in dieUSA. Sie erfotgt zu einem Zeitpunkt, zu dem eineeuropiiische Identitdt fehtt und es kein ,we area[[ Europeans" gibt. Uberdies mangelt es an ei-ner einheitlichen Immigrationspolitik der EU-

Staaten, und sch[ieBtich gewinnt eine Festungs-mentalitet immer wieder die oberhand, wobei dieeinze[nen Nationalstaaten eine unterschiedtichePolitik mit kurzfristig sich indernden Zie[en be-treiben.

Andererseits ist festzustelten, daB durch dieMigration aus ehematigen Kolonien und die Zu-gehdrigkeit der Tiirkei zur NATO ungefdhr dieHitfte der rund 20 Mio. Austiinder in der EU be-reits dem Is[am angehtirt, dessen Mitglieder imUnterschied zur ersten Gastarbeitergenerationund anders ats die Zuwanderer aus den postso-zial'istischen Staaten sehr rasch kutturetle Sym-

bole und Einrichtungen in den aufnehmendenStedten errichten und hiihere Segregationsindi-zes erreichen a[s [oka[e Oberschichten. Eine brei-

tere Akkomodation der muslimischen Zuwande-

rer ist derzeit nicht absehbar.

Der europaische Munizipalsoziatismus hat stets

Antisegregationsstrategien auf seine Fahnen ge-

schrieben und auBerordentlich viet in die Chan-

cengleichheit der Ausbi[dung und der Wohnver-

haltnisse von Migranten investiert. In Hinbtickauf die riium[iche Verortung von istamischen Mi-

granten s'ind derzeit zwei Strategien sichtbar,niimtich ein Hinausschieben in den suburbanen

Raum, wie im Falte von Paris, bzw. eine Aufsplit-terung in zahlreiche Standortein Verbindung mitbesonders massiven ethnischen Antisegregati-onsstrategien, wie in Wien.

Es ist keine Frage, daB die Akzeptanz von ver-muttich mittelfristig nur sehr miihsam zu akkulturierenden Ethnien zum Prtifstein der europii-schen Demokratien werden wird. Erschwert wirddiese,,Priifung" dadurch, daB sich die neue in-ternationa[e Migration aus anderen Kutturrdu-men zu einer Zeit vottzieht, in der ein Rlickbau

des umfangreichen ,,sociaI overhead" in Sicht istund sich die Biirger der sozia[en Wohlfahrtsstaa-

ten mit Sorge fragen, ob sie die knapper werden-

den Offentlichen Gliter und Dienste mit immermehr austiindischen Zuwanderern werden tei [en

mUssen. Die AustdnderfeindLichkeit hat in dieser

Sorge eine wesenttiche Wurzel und ist in alten

europiiischen Staaten zu finden.Entsprechend der unterschiedlichen zahten-

miiBigen Bedeutung der spezifischen Ethnien

und der Individualitit der europdischen Metro-polen sind keine europaischen, sondern nurindi-viduelte, stadtspezifi sche demokratische Liisun-gen mOgtich.

286

Page 222: Die Stadt - Lichtenberger

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