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S.I.G.N.A.L. Fachveranstaltung Medizinische Intervention bei Häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdung Die Frage nach Gewalt – unverzichtbar in der Anamnese?! Bielefeld 19.3.2014 Hildegard Hellbernd, MPH SIGNAL e.V. Berlin

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.L.Fachveranstaltung

Medizinische Intervention bei Häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdung

Die Frage nach Gewalt –unverzichtbar in der Anamnese?!

Bielefeld 19.3.2014

Hildegard Hellbernd, MPHSIGNAL e.V. Berlin

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Übersicht

Nach Gewalt fragen - Bedeutung

Fachdiskussion: Verdachts- oder Routinebefragung

Umsetzung - Frageinstrumente

Wo liegt der Gewinn ?

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Europaweite Erkenntnisse zu Gewalt gegen Frauen (n=42.000)

33% der befragten Frauen haben seit 15. Lebensjahr körperliche und /oder sexuelle Gewalt erfahren 22% der Frauen - körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der

Paarbeziehung

43% der Frauen - psychische Gewalt in der Paarbeziehung

Betroffene Frauen berichten von Gewalt während der Schwangerschaft: 20% durch aktuelle_n, 42% durch früher_n Partner_in.

Gesundheitsfachkräfte sind wichtige Ansprechpersonen für gewaltbetroffene Frauen: 87% der befragten Frauen befürworten, dass Ärzte/Ärztinnen

routinemäßig nach Gewalt fragen, soweit gesundheitliche Anzeichen vorliegen.

Agentur für Europäische Grundrechte (2014): Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung.

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Gesundheitliche Folgen –Evidenzbasierte Erkenntnisse zu Risiken bei

Häuslicher Gewalt

Sexuelle, reproduktive/perinatale Gesundheit:

Geringes Geburtsgewicht (< 2500g)

Frühgeburt

2 x häufiger Schwangerschaftsabbruch

1,5 x häufigeres HIV Risiko und sex. übertragbarer Krankheiten

Psychische Gesundheit Fast doppelt so häufig Depression

1,8 x häufiger Alkoholproblematik

Suizidversuche

Körperliche Verletzungen

42% der Frauen in gewalttätigen Beziehungen werden körperlich verletzt (v.a. Kopf, Nacken, Gesicht)

WHO 2013: Global and regional estimates of violence against women. Prevalence and health effects of intimate partner violence and non-partner sexual violence.

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.L.Häusliche Gewalt bleibt oft unerkannt

Nach polizeilichem Einsatz wg. häuslicher Gewalt suchten 80% der Frauen im Anschluss eine Rettungsstelle auf und nannten gesundheitliche Beschwerden, die nicht in direktem Zusammenhang mit der erlittenen Gewalt standen.

3 von 4 Frauen , die eine Rettungsstelle aufsuchten, wurden nichtals Betroffene von häuslicher Gewalt erkannt.

Rhodes et al. „Intimate Partner Violence Identification and response: Time for a Change in Strategy.“ Journal of General Internal Medicine 3/2011)

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.L.Intervention gegen Gewalt in der

Gesundheitsversorgung

Handlungsempfehlungenliegen vor –zu wenig bekannt in Gesundheitsversorgung

Interventionsstandards

Erkennen und Ansprechen auf Gewalthintergrund

Rechtssichere Dokumentation

Aufklären, Sicherheit, Gefährdung berücksichtigen, Gezielte Vermittlung

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S.I.G.N.A.L. – Handlungsleitfaden(erprobt seit 2000)

S Sprechen Sie die Patientin an

I Interview mit konkreten Fragen

G Gründliche Untersuchung alter und neuer Verletzungen

N Notieren und dokumentieren Sie alle Befunde in einer gerichtsverwertbaren Form

A Abklären des aktuellen Schutzbedürfnisses

L Leitfaden mit Notrufnummern und Unterstützungsangeboten anbieten

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BarrierenErstbefragung innerhalb des Modellprojekts MIGG

(Bln, EN, Dü, Mü) n=70

Was hindert Ärztinnen und Ärzte am Ansprechen von Gewalterfahrungen …

1. Kein festes Regime: Weiterverweisung, Dokumentation, Gesprächsführung

2. Weiß nicht, was ich auslöse

3. Sorge, eine Retraumatisierung auszulösen

4. Fehlende Zeit

5. Sprachliche Barrieren

6. Möchte Patientin nicht in Verlegenheit bringen

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Sprechen über GewaltHemmnisse

Viele Frauen sprechen nicht über Gewalt: 40-50% der befragten gewaltbetroffenen Frauen gaben an, noch nie über erlittene Gewalt gesprochen zu haben. (Müller/Schröttle 2004)

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Thematisierung von Gewalt

Berliner Patientinnenstudie in allgemeinärztl./gynäkol.

Arztpraxen (Mark/Bitzker/Rauchfuß 2005)

Fragen nach Gewalterfahrungen: Angaben der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben (n = 99)

0

10

20

30

40

50

60

70

würde von mir aus erzählen würde auf Nachfrage erzählen

ja

nein

weiss nicht

Pro

ze

nt

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Subjektive Einstellung zu Routinefrage nach Gewalterfahrung

SIGNAL-Patientinnen-Befragung CBF (n=775)

unnötig

11,2%

unangenehm

4,9%

unangenehm

doch wichtig

37,9%

wichtig

38,3%

keine Meinung

6,0%

Brzank/Hellbernd/Maschewsky-Schneider 2004

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Internationale Diskussion zur Frage nach Gewalterfahrungen bei

häuslicher Gewalt

Variante 1

Fragen im Verdachtsfall (Case Finding / Fall-Befund)

Aktives Nachfragen bei Warnhinweisen

Checklisten typische Verletzungsfolgen

Beschwerdebilder, psychische Störungen

Gesundheitsverhalten

Situative Anzeichen

(WHO 2013, clinical and policy Guidelines)

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Internationale Diskussion zur Frage nach Gewalterfahrungen bei

häuslicher Gewalt

Variante 2

Routinemäßiges Fragen nach Gewalt in

Paarbeziehung (Universal Screening)

Frauen im Alter von 16 – 65 Jahren

Settings:

Notfallmedizin/Rettungsstellen

Gynäkologie/Geburtshilfe

Hausärztl. Praxen

Psychiatr. Versorgung (v.a. Sucht)

(Nelson et al. 2012)

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Bewertung von Routinebefagung (Screening)

bei häuslicher Gewalt Screening-Instrumente sind geeignet und ermöglichen das

Erkennen von Gewaltbetroffenheit.

Positive EffekteWirkung der Intervention bei Beratung für Frauen und ihre Kinder v.a. im Kontext von Schwangerschaft und Geburt (Abnahme von Gewalt, positive Auswirkungen auf Geburt, weniger Gefährdung in Beziehungen).

Empfehlungen

Alle Frauen und Mädchen im reproduktiven Alter routinemäßig nach interpersoneller und häuslicher Gewalt zu fragen, Vermittlung an spezialisierte Beratungsstellen (IOM 2011, USPSTF 2012).(Nelson/Bougatsos/Blazina „Screening Women for Intimate Partner Violence. A Systematic Review to Update the 2004 U.S. Preventive Services Task Force Recommendation” - Annals of Internal Medicine on May 8, 2012)

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.L.Unerwünschte Folgen vermeiden bei

Routinebefragung

Hinweise auf negative Folgen bei unangemessenem Handeln. In Einzelfällen nannten Frauen:

Verletzung der Privatsphäre (Mitteilung an Familie)

Angst vor weiterer Gewalt (Ansprechen des Partners)

Emotionale Belastung (Gefühle wie Traurigkeit, Depression)

Eindruck, von Gesundheitsfachkräften verurteilt zu werden

Enttäuschung über die Antwort/Reaktion der Gesundheitsfachkraft

(Nelson et al. 2012)

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.L.Bedeutung des Ansprechens von Gewalt in

Paarbeziehung ist unbestritten

Aktives Fragen erhöht das Erkennen von

gewaltbedingten Verletzungen und Beschwerden

(standardisierte Intervention)(McMillan 2009, Periaccante et al. 2010, Choo/Nicolaidis et al. 2012)

Fragen nach Gewalterfahrungen und gezielte

Unterstützung bieten Schutz vor Gewalt(Nelson/Blazina, An. int. Med.6/2012)

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Eckpunkte für das Ansprechen von Gewalterfahrungen

Geschützte Umgebung (Gespräch unter 4 Augen; Hinweis auf Vertraulichkeit …)

Vermitteln, warum nach Gewalterfahrungen gefragt wird„Wir erleben oft, dass Verletzungen durch andere Personen verursacht wurden.“

Konkrete Fragen stellen „Kann es sein, dass Sie von einer anderen Person geschlagen, getreten, geschubst, verletzt wurden…?“

Zuhören, nicht werten, beurteilen

Empathische Grundhaltung

Gesprächsangebot - Entscheidungen der Patientin respektieren

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Erprobte Frageinstrumente liegen vor(Anwendbarkeit, Vorhersagekraft)

Fragen nach unterschiedlichen Formen von Gewalt beachten (körperl, psych., sex.) sowie Fragen nach Bedrohung, Sicherheit.

Partner Violence Screen (PVS) (Feldhaus 1997, Nyberg 2008)

Sind Sie im Laufe der letzten 12 Monate von jemandem geschlagen, getreten, geboxt oder auf andere Art körperlich angegriffen worden?

Sind Sie im Laufe der letzten 12 Monate von jemandem bedroht, zu etwas gezwungen worden oder wurde Ihnen Angst gemacht?

Wenn ja: Ist dies der Grund für Ihren Besuch hier in der Notaufnahme?

(Grundel/Blättner et al. 2012)

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Beispiele: Screening-Fragen I(Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe)

Offene Fragen zu Beginn

Emotionale und praktische Unterstützung durch eine nahe stehende Person ist während der Schwangerschaft für Sie und Ihr Kind wichtig.

Wie geht es Ihnen zuhause?

Erhalten Sie zuhause die Unterstützung, die Sie benötigen? Wer unterstützt Sie?

Bacchus et al. 2007: A theory-based evaluation of a multi-agency domestic violence service based in maternity and genitourinary service at Guy's & St Thomas' NHS Foundation Trust. King's College London

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Beispiele: Screening-Fragen II(Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe)

Fragen Sie direkt

Paare kennen gute und schlechte Zeiten. Einige Frauen werden nicht gut von ihrem Partner behandelt. Dies kann Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben. Einige finden es schwer darüber zu sprechen, daher fragen wir routinemäßig alle Frauen und bieten Informationen über Beratungsstellen an. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?

Fragebeispiele:

Haben Sie Angst vor ihrem jetzigen oder einem früheren Partner ?

Fühlen Sie sich gedemütigt, kontrolliert, isoliert durch einen jetzigen oder früheren Partner?

(Bacchus et al. 2007)

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Frageinstrumente –HITS (Hurt-Insult-Threaten-Scream)

Wie häufig wurden Sie von einem Partner bzw. Partnerin

Nie

(1)

Selten

(2)

Manch-mal(3)

Ziemlich oft (4)

Häufig

(5)

… Körperlich verletzt?

… Beschimpft, beleidigt od. erniedrigt?

… Bedroht, dass Ihnen etwas getan wir?

… Angeschrieen oder wüst beschimpft/verflucht?

Sherin et a. (1998) score > 10, Shakil et al 2005, score >11

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Gespräch führen

Eine klare Haltung gegenüber häuslicher / sexualisierter Gewalt vermitteln („therapeutische Botschaft“) Niemand „verdient es“ geschlagen zu werden

Die Verantwortung für die Gewalt liegt bei der gewaltausübenden Person

Recht auf Respekt, Wertschätzung, Hilfe und Unterstützung

Insistierende Fragen vermeiden, tiefergehende Berichte stoppen Gefahr einer Retraumatisierung vermeiden

Bedenken: Flucht/Angriff/Erstarren sind mögliche Traumafolgereaktionen

Sicherheit und Unterstützungsbedarf stehen im Mittelpunkt Trennung ist ein langer Prozess

Ressourcenstärkung („Was ist ein realistischer Schritt?“)

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Kenntnis und Inanspruchnahme voninstitutioneller Hilfe und Unterstützung

Frauen mit Migrationshintergrund

Körperliche oder sexuelle Gewalt durch aktuellen Partner:

Befragte Frauen dt. Herkunft (13%), türk. Herkunft (29%), ehem. Sowjetunion (17%). (Schröttle/Khelaifat 2008)

Inanspruchnahme Viele Migrantinnen nehmen erst bei sehr schwerer körperlicher

und/oder sexueller Gewalt Angebote wahr. (Schröttle 2008)

Schwere der Partnergewalt ein Indikator für die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung. (Brzank 2012)

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Mehrsprachige Informationsmaterialien

Bundesweites Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“

Telefonische Beratung in 15 Sprachen - rund um die Uhr

Erstberatung, Weitervermittlung an Unterstützungseinrichtungen vor Ort (Lotsenfunktion)

für betroffene Frauen, Personen aus sozialem Umfeld, Fachleuten (www.hilfetelefon.de)

Ansätze zu interkultureller Öffnung: Das kultursensible Krankenhaus - Praxisratgeber (Beauftragte der Bundesregierung f. Migration, Flüchtlinge und Integration 2013)

Sprachbarrieren – Unterstützung

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Was Frauen hilft sich mitzuteilen

Direktes Fragen („das Gespräch initiieren“)

Mehrmals d.h. in verschiedenen Situationen fragen („es ist wie häufiger an die Tür klopfen, irgendwann wird sie geöffnet“)

Person, die Vertrauen vermittelt („wir wollen Ihnen helfen“)

Entscheidungsfreiheit (ob und wie viel mitgeteilt wird)

Sich sicher fühlen vor dem Täter angesichts der Scham, die eine gewaltbetroffene Frau

empfindet (ggf. erst nach Beendigung der Beziehung) vor Verlust der Kontrolle (was passiert mit

Informationen ?)

(Spangaro/Zwi 2010: After the Questions: Impact of Routine Screening for Domestic Violence in NSW Health Services)

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.L.Wann fragen Sie nach Gewalterfahrungen?

(Abschlussbefragung Modellprojekts MIGG/Bln)(N=18)

Etablierung der Frage nach Gewalt ist ein Prozess

0 20 40 60 80 100

Check up (nur HÄ, n=10)

Schwangerenvorsorge (nur Gyn, n=8)

Routinefrage

Frage im Anamnesebogen

bei der Erstanamnese

bei Suchterkrankungen

bei psychosomatischen Symptomen

bei psychischen Störungen

bei körperlichen Verletzungen

ja

teilweise

Prozent

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.L.Studie in hausärztlichen Praxen zum Umgang

mit Partnergewalt (Niederlande) (Sylvie Lo Fo Wong: The doctor and the women "who fell

down the stairs“. 2006)

Viele Ärzte unterschätzen ihren Einfluss und die Wirkung eines empathischen Zuhörens.

„… am Anfang war es schwer, ich hatte diese Panikattacken … Die wichtigste Änderung ist, dass ich mehr Ich selbst bin. Ich traue mir wieder was zu, das Auto zu nehmen, aufs Fahrrad zu steigen und überall hinzukommen.“

(Interviewte Frau 1 Jahr nach der Intervention)

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Häusliche Gewalt -Kindeswohlgefährdung

Kinder erleben die Gewalt direkt mit(BMFSFJ 2004)

Gesundheitliche und soziale Folgen

Traumatische Auswirkungen, Entwicklungsstörungen, Depression, Angststörung, Aggressivität

Auswirkung auf Lebensqualität: Weniger konstruktive Konfliktlösungsmuster in Beziehungen (Kindler 2006, Seith/Kavemann 2007, Kavemann 2008)

Risiko von Gewalterfahrung im Erwachsenenalter(Schröttle et al. 2004)

Hohes Risiko für Misshandlung von Kindern bei Gewalt in Partnerschaft : Überschneidung 30 - 60% (DHHS 2003)

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Warum gehört die Frage nach Gewalt in die Anamnese?

Versorgungsqualität verbessern (Vermeidung von Fehlversorgung, gezielte Unterstützung)

Patientinnen wünschen eine Berücksichtigung der Folgen von Gewalt

Enttabuisierung von Gewalt

Effektive Intervention ist möglich:

Abnahme der Gewalt

Verbesserung der Lebensqualität

Prävention: Intergenerativen Kreislauf von Gewalt frühzeitig durchbrechen

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„Das Wichtigste: fragen, ansprechen, thematisieren.

Man kann nichts falsch machen, wenn man nach

Gewalterfahrungen fragt, man kann nur etwas falsch

machen, wenn man NICHT fragt! „

(Gynäkologin Dr. Biener, Vortrag im MIGG Projekt Berlin)

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RettungsRettungs- dienst

Kliniken

Psycho-therapie

Justiz

Entlastung durch Interdisziplinarität –Intervention bei häuslicher Gewalt

ÖGD

UnterstützungPrävention

Intervention

Polizei

Täter-arbeit

Schule / Kita

Kinder-/Jugend-

hilfe

Zufluchts-einrichtung

Beratungs-stellen

Gesundheitsversorgung

Arzt-praxen

Hebam-men

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SIGNAL e.V.

Koordinierungsstelle

Sprengelstr. 15

13353 BerlinTel. 030 / 246 30 579

www.signal-intervention.de

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!