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H UBERT G RIMM Die Finanzkrise 2008 und ihre Auswirkungen auf den österreichischen Privatanleger ULG Finanzdienstleistung ALPEN ADRIA UNIVERSITÄT KLAGENFURT Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Institut für Finanzmanagement Abteilung Betriebliche Finanzierung, Geld- und Kreditwesen Begutachter/in: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Nadvornik_ Univ.-Ass. Dr. Sibylle Grechenig_ (ev. Vorbegutachter/in): __________________ Institut:______________________________ März 2009 Hubert Grimm Drahtzuggasse 2 A-9900 Lienz Tel.-Nr. 0676/6307850 E-Mail: [email protected] Matrikel Nr. 0761068

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HUBERT GRIMM

Die Finanzkrise 2008

und ihre Auswirkungen auf den

österreichischen Privatanleger

ULG Finanzdienstleistung

ALPEN – ADRIA UNIVERSITÄT KLAGENFURT

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Institut für Finanzmanagement

Abteilung Betriebliche Finanzierung, Geld- und Kreditwesen

Begutachter/in: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Nadvornik_

Univ.-Ass. Dr. Sibylle Grechenig_

(ev. Vorbegutachter/in): __________________

Institut:______________________________

März 2009

Hubert G

rimm

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A

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Tel.-N

r. 0676/6

307850

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Matrik

el Nr. 0

761068

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 II

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig

angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich

erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle

aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im Wesentlichen Inhalt

übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche

Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekenn-

zeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifi-

kanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben. Die wissenschaftliche Arbeit ist noch

keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und

elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollstän-

dig mit der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Unterschrift Lienz, 02.März 2009

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 III

Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................... IV

1 EINFÜHRUNG ................................................................................................................. 1

1.1 PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT ................................................................................ 1

1.2 CHRONOLOGIE DER KRISE: .......................................................................................... 2

2 URSACHE UND AUSLÖSER DER FINANZKRISE .................................................. 4

2.1 URSACHEN................................................................................................................... 4

2.2 MORAL HAZARD UND SUBPRIME- KREDITE ................................................................ 5

2.3 SPANNENDE KREDITVARIATIONEN .............................................................................. 5

2.4 GEHEIMNISVOLLE RATINGS ......................................................................................... 6

3 DER STURZ ..................................................................................................................... 7

3.1 DIE SUBPRIME-BLASE PLATZT ..................................................................................... 7

3.2 DAS BANKEN-DESASTER ............................................................................................. 9

3.3 BANKENGAU ODER SUPERGAU? ................................................................................ 10

4 AUSWIRKUNGEN AUF ÖSTERREICH ................................................................... 11

4.1 DIE ÖSTERREICHISCHE BANKENWELT ....................................................................... 11

4.2 DIE REALWIRTSCHAFT IN ÖSTERREICH ..................................................................... 12

5 DER ÖSTERREICHISCHE PRIVATANLEGER...................................................... 13

5.1 ANLEGERVERHALTEN ................................................................................................ 13

5.1.1 Einfluss von Immobilienaktien auf Privatanleger ............................................ 14

5.1.2 Investmentfonds ................................................................................................ 16

5.2 AUSWIRKUNGEN DER LEHMAN –PLEITE AUF ÖSTERREICH ........................................ 17

5.2.1 Garantie - Zertifikate ........................................................................................ 17

5.2.2 Gier oder Berechnung? .................................................................................... 19

6 AUSBLICK ..................................................................................................................... 20

LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................. 22

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 IV

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: US-Leitzinssatz 8

Abbildung 2: Abschreibung von Banken 9

Abbildung 3: Kapitalmarktanlagen österreichischer Investoren 14

Abbildung 4: Entwicklung von Immobilienaktien 15

Abbildung 5: Entwicklung von börsennotierten Aktien und Aktienfonds 16

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 1

1 EINFÜHRUNG

1.1 Problemstellung der Arbeit

„Geld ist die Wurzel allen Übels“.

Dieser bekannte Spruch wird heutzutage meistens der Bibel zugeschrieben. Ein Irrtum der

auf der Tatsache beruht, dass verhältnismäßig nur sehr wenige Menschen auch wirklich

nachprüfen, was in der Bibel steht.

Tatsächlich kann man in der Bibel nämlich folgende zutreffende Aussage nachlesen:

„….das Geld macht alles möglich“.1

Dem Leser der Bibel mag unter anderem bekannt sein dass gerade König Salomo, der von

1037 bis 998 v. Chr. als König über Israel herrschte, einer der reichsten Menschen über-

haupt war. Doch anstatt nach Reichtum zu dürsten und darum zu bitten, erbat sich Salomo

von Gott ein weises, verständiges und gehorsames Herz und erhielt als Belohnung für seine

Demut zudem mehr Reichtum als jemals ein Mensch vor und nach ihm besessen hatte.

Salomos jährliches Einkommen an Gold betrug 666 Talente (ca. 256 643 000 US-$),2 außer

dem Silber und dem Gold und den anderen Dingen, die durch Kaufleute eingingen.3

Die Königin von Scheba übergab Salomo anlässlich ihres Besuches ein Geschenk von 120

Talente Gold (46 242 000 US- $).4 An keiner Stelle ist zu lesen dass die Bibel Geld verurteilt.

Zum eingangs zitierten Spruch finden wir hingegen in der Bibel folgende Aussage:

„Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen….“5

Und mit dieser Aussage trifft sie den Kern des Problems punktgenau, nämlich die Moral.

Nun ist die Bibel zwar alles andere als ein Finanzratgeber, in Punkto Moral ist sie jedoch

zweifelsohne die höchste Autorität im Universum, weshalb es auch nicht verwunderlich ist,

dass sie viele praktische Ratschläge enthält, die den Menschen helfen könnten mit dem

weltweit verfügbaren Geld so umzugehen, dass dieses tatsächlich zum Glück der Mensch-

heit beitragen könnte.

Doch seit ab dem Jahr 2270 v. Chr. im alten Babylon die Grundlage für das Wirtschaftssys-

tem gelegt wurde, haben die Menschen im allgemeinen dafür gesorgt, dass sich die oben

zitierte Aussage der Bibel leider immer wieder bewahrheitet hat.

Die unsagbare Gier nach Reichtum – ja die Geldliebe - hat unzähligen Menschen in all den

Jahrhunderten nicht Glück, sondern unbeschreibliches Leid und böses Übel gebracht.

Warum zitiert der Autor zu Beginn seiner Arbeit die Bibel?

1 Kath. Bibelwerk [Pred.10:19 o. J.], o. S.

2 Vgl. WTG e.V.[Einsichten in die Hl. Schrift, Band 2 o. J.], S 1079

3 Elberfeld-Bibel [1.Kö 10:14,15; 2.Chr.9:13,14 o. J.], o. S

4 NW-Übersetzung, [1.Kö 10:10 o. J.], o. S.

5 NW-Übersetzung, [1.Tim.6:10 o. J.], o. S.

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Nun, nicht nur die Ausbeutung von Mensch und Lebensraum, sondern auch viele wirtschaft-

liche Krisen unter denen die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten zu leiden hatten,

sind in erster Linie nicht auf allenfalls marode Finanz- oder Wirtschaftssysteme zurückzufüh-

ren, sondern hatten ihren Ausgang in einer immer maroder werdenden Moral der Gesell-

schaft.

Diese Entwicklung hat sich ab dem 20. Jahrhundert verstärkt und inzwischen ein ungeahntes

Ausmaß erreicht.

Der Gott Mammon hat inzwischen den Gott der Bibel weit ins Abseits gedrängt, und je grö-

ßer die Möglichkeiten Reichtum zu erwerben sind, desto stärker und ausgeprägter wurde die

zügellose Gier nach immer mehr.

Diese traurige Entwicklung unserer Gesellschaft ist einer der Hauptgründe für die Entste-

hung eines Szenarios in unseren Tagen, dem sich kaum ein Mensch weltweit entziehen

konnte und kann:

DIE FINANZKRISE 2008

Wenn der Autor in weiterer Folge auf die Chronologie und einige Hintergründe der Finanzkri-

se eingeht, wird sich diese Aussage mehrmals bestätigen.

Doch der Zweck der Arbeit besteht nicht darin die Moral unserer Gesellschaft zu erörtern,

sondern aufzuzeigen wie die jetzige Finanzkrise entstand, welches Ausmaß sie inzwischen

erreicht hat und wie vor allem Österreich und seine Bürger davon betroffen sind. Im Beson-

deren wird sich die Arbeit auch mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen die Fi-

nanzkrise auf österreichische Privatanleger hat.

Zunächst aber eine kurze Chronologie der Krise.

1.2 Chronologie der Krise:

Im Februar 2007 publiziert die Großbank HSBC die erste Gewinnwarnung ihrer

Geschichte. Grund sind die einbrechenden Immobilienpreise in den USA, der

Subprime – Kreditmarkt ist besonders betroffen.

Im Juli brechen in den USA die Hausverkäufe ein, die Aktienmärkte stürzen welt-

weit ab, in Europa verspüren besonders die Immobiliengesellschaften die negati-

ve Entwicklung aus den USA.6

Am 6. August 2007 meldet eines der größten Eigenheim- Hypothekeninstitute der

USA, American Home Mortage, Insolvenz an, nachdem es die meisten seiner

Angestellten entlassen hatte.

6 Vgl. Profil [39.Jg.], S 13

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Am 9. August froren die Märkte für kurzfristige Kredite ein, nachdem die französi-

sche Großbank BNP Paribas drei ihrer Investmentfonds im Wert von 2 Milliarden

Euro ausgesetzt hat. Die EZB pumpte 95 Milliarden Euro in das Bankensystem

des Euroraums, um die Subprime- Kreditklemme zu entschärfen.7

Am 13.August 2007 pumpte die EZB weitere 47,7, Milliarden Euro in die Geld-

märkte – ihre dritte Liquiditätsspritze innerhalb von drei Arbeitstagen.

Am 13.September wurde bekannt, dass das größte britische Hypothekeninstitut,

Northern Rock, kurz vor der Insolvenz stand; dies löste einen Ansturm auf die

Bank nach alter Manier aus- den ersten seit 100 Jahren in Großbritannien.8

Im Oktober 2007 meldete die größte US- Bank Citigroup einen Gewinneinbruch

von rund 60 Prozent. Merill Lynch und Morgan Stanley verbuchten Milliardenver-

luste. Die Schweizerische UBS veröffentlicht den ersten Quartalsverlust seit fast

einem Jahrzehnt.

Im Dezember 2007 müssen Tausende von US- Bürgern ihre Häuser verlassen,

weil sie die offenen Kredite nicht mehr bezahlen können. Die Investmentbank

Bear Stearns meldet den ersten Quartalsverlust ihrer Geschichte.

Im Jänner 2008 leitet das FBI wegen der Immobilienkrise Ermittlungen gegen 14

Unternehmen wegen Betruges und Insiderhandels ein.

Im März 2008 wird Bear Stearns von der Bank JPMorgan Chase übernommen

und damit vor dem Zusammenbruch gerettet. Doch auch JPMorgan muss faule

Kredite abschreiben.

Im Juli 2008 warnen Analysten vor Kapitalengpässen bei den größten Hypothe-

kenfinanzierern der USA, Fannie Mae und Freddi Mac. Die Hypothekenbank Indy-

Mac wird geschlossen.

Am 6.September übernimmt die US-Regierung die Kontrolle über Fannie Mae

und Freddy Mac.

Am 15.September meldet Lehman Brothers Insolvenz an was zu einer Achter-

bahn der internationalen Aktienmärkte führt. Auch der ATX wird besonders stark

7 G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 11

8 G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 12

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betroffen. Wie wir später noch sehen werden, wird besonders die Insolvenz von

Lehman Brothers für österreichische Privatanleger zu einem finanziellen Desas-

ter.

Am 16.September muss der Versicherungskonzern AIG von der US-Notenbank

mit einer Finanzspritze von 85 Milliarden Dollar gerettet werden.

Am 25.September trifft es mit der nächsten Megapleite die riesige Bausparkasse

Washington Mutual. Sie ist nicht mehr zu retten.

Am 2. Oktober wird, nach langem Tauziehen im US-Repräsentantenhaus, eine

gewaltige Finanzspritze gewährt. Die Regierung will 700 Milliarden Dollar in die

maroden amerikanischen Finanzmärkte pumpen.9

2 Ursache und Auslöser der Finanzkrise

2.1 Ursachen

Unterschiedliche Statements zur Finanzkrise in den gängigen Medien und diversen Fachma-

gazinen deuten zunächst auf eine gemeinsame Ursache:

Faule Hypothekardarlehen die in den USA im großen Stil an Kreditunwürdige Schuldner ver-

geben wurden, in komplizierte Finanzinstrumente gebündelt und weiterverkauft und schluss-

endlich von den Schuldnern nicht mehr bedient werden konnten, führten zur Finanzkrise

2008.

Die Wahrheit liegt jedoch wie immer tiefer und vor allem schon mehrere Jahre zurück:

Die oben angeführte Aussage mag zwar einer der Auslöser der Krise sein, doch der Ur-

sprung lag bereits im Platzen der Internetblase gegen Ende 2000.

Die US-Notenbank hatte daraufhin den Leitzins innerhalb weniger Monate von 6,5 auf 3,5

Prozent gesenkt. Um in weiterer Folge den Einfluss des Terroranschlags vom 11.September

2001 auf die Wirtschaft zu reduzieren, senkte die Notenbank die Zinsen weiter – bis auf

1 Prozent im Juli 2003. Hypothekenkreditfinanzierer lockerten ihre Standards bei der Kredit-

vergabe um neue Abnehmer zu finden.10

Zwar stieg ab 2000 bis 2005 der Marktwert bestehender Wohnimmobilien um über 50 Pro-

zent, das Wachstum des realen Durchschnittseinkommens und damit vermehrter Kreditab-

nehmer, konnte mit der Preisentwicklung jedoch bei weitem nicht mithalten.

9 Vgl. Profil [39.Jg.], S 14,15,16

10 Vgl.G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 12

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2.2 Moral Hazard und Subprime- Kredite

Ein Begriff der ursprünglich in der Versicherungswirtschaft in Gebrauch war, wurde nunmehr

zu einem Synonym in der Finanzwirtschaft: „Moral Hazard“.11

Moral Hazard beschreibt die Gefahr einer Verhaltensänderung nach dem scheinbaren Weg-

fall eines Risikos.

Das überdurchschnittliche Wachstum der Hauspreise, die Gier vieler Investmentbanker nach

immer mehr neuen Geschäftsmöglichkeiten, gepaart mit dem Fehlen jeglichen moralischen

Anstands, führte zu einer ganz besonders perfiden Art der Kreditvergabe.

Kreditinstitute ließen sich eine Menge einfallen, um die im Preis immer stärker steigenden

Immobilien bezahlbar erscheinen zu lassen.

Am beliebtesten waren dabei zinsvariable Hypotheken mit anfänglichen Lockzinsen unter-

halb der marktüblichen Sätze für die ersten zwei Jahre. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die

Hypothek nach zwei Jahren - wenn der höhere Zins zum Tragen käme - refinanziert würde,

sodass man von den höheren Preisen profitieren und neue, höhere Provisionen kassieren

könnte.12

2.3 Spannende Kreditvariationen

Inzwischen waren die Kreditinstitute so weit – oder so tief – dass man bisher übliche Kredit-

Mindeststandards komplett fallen ließ, was zu den so genannten Subprime- Hypotheken

führte.

Nachfolgend eine kleine Auswahl solch eleganter Finanzierungsinstrumente:

Liar Loans = Lügenkredite: Hypotheken die an Kreditnehmer verkauft wurden, ohne

zu prüfen, on die angebotenen Sicherheiten den Kredit tatsächlich sichern und ob der

Kreditnehmer in der Lage ist, Zins und Tilgung zu bedienen.

NINA – Kredite »NINA« = No Income No Assets – kein Einkommen, kein Vermögen

NINJA – Kredite »NINJA« = No Income No Job No Assets – kein Einkommen, kein

Job, kein Vermögen.

Im Grunde genommen nur mehr reine Abzockerei der Kreditmakler und Kreditunternehmen,

die nur auf die eigenen Provisionen und die eingesetzten Sicherheiten spekulierten.13

11

Vgl. Wikipedia [Moral Hazard o. J.], o. S. 12

G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 14 13

G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 14

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Spätestens an dieser Stelle wird einem klar, wie treffend die Bibel die im Anfangs zitierten

Text aus dem »1.Timotheusbrief, Kapitel 6, Vers 10« ausgehende Gefahr voraussah und

davor warnte: „Denn die Geldliebe ist eine Wurzel allen Übels….“

2.4 Geheimnisvolle Ratings

Wer das Wesen der - nicht vorhandenen - Moral in etwa versteht, begreift auch, dass die

Erfinder und Emittenten von solcherart Krediten, zwar die Gewinne und Provisionen gerne

einstreifen, nicht aber bereit sind das daraus resultierende Risiko zu tragen, abgesehen da-

von sie dazu auch niemals in der Lage gewesen wären.

Doch der Erfinderreichtum im 21. Jahrhundert war in dieser Hinsicht wahrlich grenzenlos,

wie die Konstruktion weiterer »explosiver« Finanzinstrumente unter Beweis stellte.

Die finanzierenden Banken verkauften ihre risikoreichsten Hypotheken weiter, indem sie sie

in Wertpapiere mit dem Namen Collateralized Debt Obligations = forderungsbesicherte

Schuldverschreibungen - kurz CDO – einbanden. CDO leiteten die Cashflows aus Tausen-

den von Hypotheken in eine Serie diverser Anleihen mit unterschiedlichen Risiken und Ren-

diten, die auf die verschiedenen Vorlieben der Anleger zugeschnitten waren. Die Tranchen

mit dem höchsten Rang, die vielleicht 80 Prozent der Anleihen ausmachten, hatten ein Erst-

zugriffsrecht auf alle zugrunde liegenden Cashflows und konnten somit mit einem

AAA- Rating, der höchsten aller Bonitätsbewertungen, verkauft werden.

Die rangniedrigen Tranchen boten kaum Rechte, versprachen dafür aber höhere Renditen.14

Ob absichtlich, oder unbewusst wurden dabei die inhärenten Risiken die von NINA und NIN-

JA -Krediten ausgingen, von den Banken und den Rating Agenturen gewaltig unterschätzt.

War man ursprünglich der Meinung, dass durch die Aufteilung in Tranchen und die breite

Streuung die Risiken minimiert werden könnten, geschah jedoch genau das Gegenteil.

Indem die Tranchen an Investmentbanken verkauft wurden, die die von den Rating- Agentu-

ren bewerteten CDO konstruierten und an institutionelle Anleger weiterverkauften,

gerieten Hypotheken nunmehr aus dem Besitz von Banken die ihre Kunden kannten, in den

Besitz von Anleger welche die Kunden nicht mehr kannten.

Und immer floss reichlich Geld. Auf alle Umsätze von der ursprünglichen Akquisition bis hin

zum letzten Finanzkonstrukt gab es Provisionen – je höher das Volumen, desto höher die

Provision.

Doch die Gier kannte nun keine Grenzen mehr. In Ermangelung unbegrenzt vorhandener

Tranchen begann man mit der Konstruktion von synthetischen Wertpapieren. Einfallsreiche

Banker schnitten die CDO in weitere Tranchen und verpackten diese in neue CDO von CDO.

14

G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 14,15

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So entstanden Potenzierungen wie »CDO ² « oder sogar »CDO ³ «. Auf wundersame Weise

erhielten so die obersten Tranchen von CDO mit schlechterem Rating plötzlich

AAA- Ratings. Dadurch wurden unter anderem mehr AAA-Verbindlichkeiten geschaffen, als

es AAA-Vermögenswerte gab. Gegen Ende machten synthetische Produkte über die Hälfte

des Handelsvolumens aus.15

„(Im)mobile Zeitbomben“

das ist wohl die einzige korrekte Bezeichnung, die das Wesen dieser Konstrukte exakt zu

beschreiben vermag.

Immobil: weil Immobilenkredite die Basis dieser Konstrukte sind.

Mobil: weil sie durch die globale Gier aller Beteiligten auf wundersame Weise über

den großen Teich nach Europa und in weiterer Folge über beinahe den gesamten

Globus verteilt, bzw. verkauft wurden.

Zeitbomben: bei der inhärenten Sprengkraft dieser Konstrukte war es wohl nur eine

Frage der Zeit, bis sie in einer gewaltigen Detonation explodieren würden. Die Explo-

sionswellen sind von einem Ende der Erde bis ans andere Ende zu spüren.

3 Der Sturz

3.1 Die Subprime-Blase platzt

Unter Berücksichtung der in Punkt 2.3 aufgezählten laxen Kreditrichtlinien, bzw. auf Kosten

von möglichen Gewinnen überhaupt fallen gelassener Kreditrichtlinien und den damit einge-

gangenen Risiken, musste das Platzen dieser Blase vorhersehbar gewesen sein.

Am besten sichtbar wird dieses Szenario anhand der Entwicklung des US-Leitzinses in den

Jahren ab 2000.

Die graphische Darstellung auf der nächsten Seite bringt das deutlich zum Ausdruck.

15

G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 15

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Konnten die laufenden Kreditraten der Subprime-Kredite bei einem Leitzinsniveau von

1 Prozent kaum regelmäßig bedient werden, so reichte nur ein geringer Anstieg der Zinsen

aus, dass massenweise Kreditnehmer die laufenden Raten überhaupt nicht mehr tilgen

konnten. Wie die Abbildung 1 zeigt, stiegen die Zinsen ab 2004 nicht nur ein wenig, sondern

vollbrachten einen regelrechten Höhenflug. Tausende Kreditnehmer mussten ihre Häuser

verkaufen während die Preise gleichzeitig ins Bodenlose sanken.

Die Todesspirale begann sich zu drehen. Das in der Boom-Phase verniedlichte und in den

CDO´s verpackte Risiko tauchte nun auf wie Schreckgespenst am Horizont und wurde täg-

lich mächtiger. Ausfallende Kreditzahlungen bei gleichzeitig fallenden Immobilienpreisen

führten zu einer Kombination, die der Markt nicht verkraften konnte. Viele der komplizierten

Finanzkonstrukte wurden nicht mehr handelbar, die meisten wurden quasi über Nacht über-

haupt komplett wertlos.

Anfang 2007 begannen sich diese Vorzeichen zu häufen und wurden erstmals in der Öffent-

lichkeit bekannt. Am 9. März gab DR Horton, das größte Bauunternehmen für Eigenheime,

Verluste aus Subprime-Hypotheken bekannt.16

Die Abschreibungsspirale der Banken begann sich immer schneller zu drehen und führte

schussendlich bis zu Bank-Insolvenzen.

In der unter Punkt 1.2 aufgezählten Chronologie der Krise, hat der Autor die markantesten

Ereignisse dieser Entwicklung ausreichend geschildert.

Wie die nachfolgenden Zahlen zeigen, waren die Auswirkungen von einem derartigen Aus-

maß, dass veröffentlichte Ergebnisse von einem Monat auf den anderen revidiert werden

mussten.

16

Vgl.G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 18

Quelle: www.leitzinsen.info [Leitzinsenentwicklung Eurozone]

Abbildung 1: US-Leitzinssatz

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3.2 Das Banken-Desaster

Auf »FILS FinanzBlog« wurde am 2.Jänner 2009 eine Tabelle veröffentlicht, welche die Höhe

der bisherigen Abschreibungen bei Banken ausweist.17

Laut dieser Tabelle in Abbildung 2 mussten somit bis Ende 2008 von den internationalen

Banken 536 Milliarden US-Dollar abgeschrieben werden.

Aber bereits am 13.Jänner 2009 veröffentlichte »heise online« eine APA Meldung des Inter-

nationalen Währungsfonds IWF mit der Titelzeile:

Abschreibungen der Banken werden 1,4 Billionen Dollar weit überschreiten.

Wie IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn angekündigt hatte, würden die Banken für das vierte

Quartal 2008 erneut schlechte Zahlen vorlegen. Er erklärte deshalb, sie müssten deutlich

mehr als die bisher vom IWF geschätzten 1,4 Billionen US-Dollar an Verlusten und Ab-

schreibungen im Rahmen der Finanzkrise hinnehmen.18

Hatten noch im Juni 2007 US-Notenbankpräsident Ben Bernanke und andere hochrangige

Amtsträger der Öffentlichkeit versichert, das Subprime-Problem sei ein isoliertes Phänomen,

so machen die aktuellen Zahlen mehr als deutlich, wie sehr sich die Verantwortlichen der

internationalen Finanzmärkte verschätzt hatten.19

Mit welch schwerer Last im besonderen Europäische Banken in die Finanzkrise verstrickt

sind, zeigt eine weitere Horrormeldung, die am 17.2.2009 auf dem Online-Portal der Presse

und am darauf folgenden Tag auch in diversen Printmedien veröffentlicht wurde.

Unter dem Titel: 18 Billionen Euro faule Vermögenswerte bei EU-Banken,

17

Ljubas Filip [Homepage Fils FinanzBlog, 2. Jänner 2009], o. S. 18

Vgl. Streck Ralf [heise online,13.Jänner 2009], o. S. 19

Vgl. G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 18

Quelle: Bloomberg [Abschreibungen von Banken, 2009], http://www.fils.at/2009/01/02/update-abschreibungen-von-banken/comment-page-

1/#comment-423

Abbildung 2: Abschreibung von Banken

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 10

war in dem Bericht der Presse folgendes zu lesen: Die europäischen Banken sitzen derzeit

angeblich auf 16,3 Billionen Pfund (18,2 Billionen Euro) unverkäuflichen Wertpapieren. Das

soll aus einem Papier der EU-Kommission hervorgehen, auf das sich die britische Tages-

zeitung »Daily Telegraph« beruft. Demnach seien derzeit rund 44 Prozent aller Vermö-

genswerte der europäischen Banken »faul oder unverkäuflich«. Für einige Mitgliedsstaaten

dürften Bankenhilfspakete aufgrund ihrer Budgetprobleme oder auch der hohen Bilanz-

summe der Banken im Verhältnis zum BIP keine Option mehr sein, zitierte die Zeitung aus

dem Bericht.20

Spätestens hier wird überdeutlich, wie umfassend Europa und damit auch Österreich in die

internationale Krise verwickelt ist.

Sind jedoch nur Banken betroffen, oder steckt mehr dahinter?

3.3 Bankengau oder Supergau?

Ab 2007, beginnend mit immer wieder neuen, negativen Nachrichten aus dem internationa-

len Bankensektor, reagierten auch die weltweiten Börsen mit einem entsprechenden Auf und

Ab. Im Juni 2007 stabilisierten sich die Kurse zwar vorübergehend, nachdem Ben Bernanke

das Subprime-Problem als ein isoliertes Phänomen bezeichnete. Doch mit der ansteigenden

Höhe der Verluste die der Bankensektor ausweisen musste, verlor der weltweite Aktienmarkt

endgültig die Nerven und liefen die Kursbewegungen vollständig aus dem Ruder. Einst

marktneutrale Hedge-Fonds, die mit einem sehr hohen Fremdfinanzierungsgrad kleine Dis-

krepanzen der Marktpreise ausnutzten, waren nicht länger marktneutral und erlitten unge-

wöhnliche Verluste. Einige von ihnen wurden vernichtet, was eine Rufschädigung der Betrei-

ber und eine Prozessflut auslöste.21

Mit der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008, erreichte die Unsicherheit der

Anleger endgültig einen Höhepunkt. Deutlich wurde den internationalen Marktteilnehmern

vor Augen geführt, auf welch wackligen Beinen selbst Großbanken mit einstiger Top-Bonität

standen.

Doch die Krise begrenzte sich nicht nur auf den Bankensektor und die Aktienmärkte, immer

deutlicher wurden ihre Auswirkungen auch auf die Realwirtschaft spürbar.

Während die Welt in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von Krisen erlebt und verar-

beitet hat, ist diese Krise völlig anderer Art. Sie breitete sich von einem Marktfeld auf andere

aus. Die Probleme griffen von Wohnimmobilien auf Kreditkartenbelastung, Autokredite und

Gewerbeimmobilien über. Sie erfasste die Finanzversicherer und wurde auch zu einer Stö-

rung am Markt für Kommunalanleihen.22

20

Die Presse.com, [17.2.2009], o. S. 21

Vgl.G. Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 20 22

G.Soros [Ende der Finanzmärkte 2008], S 21

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Nicht nur in den USA sank auf Grund der hohen Verschuldung der Privathaushalte in weite-

rer Folge der Konsum, sondern auch in Europa und national bezogen in Österreich veränder-

te sich mit der immer größer werdenden Angst auch das Verhalten der Menschen sowohl als

Anleger, als auch als Konsumenten. Mit dem sinkenden Konsum und der zurückhaltenden

Kreditvergabe der Banken besonders an Selbstständige, wurden in weiterer Folge auch die

Probleme der Unternehmen immer größer. Teilschließungen, Kurzarbeit , Stellenbau und

Kündigungen waren die Folge. Die enormen Auswirkungen auch auf die Realwirtschaft bes-

tätigen, dass es sich bei dieser Krise um ein bisher nicht gekanntes Niveau handelt.

Fürwahr ein Super-Gau.

4 Auswirkungen auf Österreich

4.1 Die Österreichische Bankenwelt

Wie die Presse in dem unter Punkt 3.2 erwähnten Papier der EU-Kommission aus dem Be-

richt zitiert, seien für einige Mitgliedsstaaten Bankenhilfspakete aufgrund ihrer Budgetprob-

leme, oder auch der hohen Bilanzsumme der Banken im Verhältnis zum BIP, keine Option

mehr. Die Zeitung erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem auch Österreich, die

Niederlande, Belgien, Großbritannien, Irland, Schweden, Luxemburg aber auch das Nicht-

EU-Mitglied Schweiz. Alle diese Länder hätten im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft einen

übergroßen Bankensektor. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF), haben die in-

ternationalen Banken bis Anfang Februar 2009 bereits Abschreibungen in Höhe von 2,2

Billionen Dollar vorgenommen. Demgegenüber stehen allein 1,6 Billionen Dollar an Forde-

rungen der europäischen Banken in Osteuropa gegenüber, was zunehmend als das "EU-

Subprime-Debakel" gewertet wird.23

In diesem EU-Subprime Debakel spielt allerdings die kleine Alpenrepublik Österreich eine

der führenden Rollen. Wohl in keinem anderen Land der gesamten EU haben die Banken

derart umfassende Geschäftsbeziehungen zu Osteuropa aufgebaut wie Österreich.

Während die starke Osteuropa-Präsenz Österreichs in den vergangenen Jahren zweifellos

zu einem außergewöhnlichen Boom beigetragen hat - der ATX stieg von 1.320 Punkten im

Juli 2003 auf einen Höchststand von 4.981 Punkten im Juli 2007 an - so steht Österreich

nunmehr vor der nicht zu leugnenden Gefahr, von den Problemen die die internationale Fi-

nanzkrise in Osteuropa bewirkt hat, zusätzlich überrollt zu werden.24

Die Initiative des österreichischen Finanzministers Josef Pröll, für Osteropa ein eigenes EU-

Hilfspaket zu schnüren ist unter diesem Aspekt zweifellos nicht uneigennützig, für Österreich

aber vielleicht überlebenswichtig. Doch wie das »Wirtschaftsblatt « in seiner Printausgabe

23

Die Presse.com, [17.2.2009], o .S. 24

Wiener Börse [ATX], o. S.

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vom 19. Feber 2009 berichtet, erhielt die Initiative der österreichischen Bundesregierung, ein

EU-Hilfspaket zu schnüren, erneut einen Rückschlag. Der tschechische EU-Ratsvorsitzende

Alexandr Vondra lehnt einen solchen Plan ab, weil er keinen Grund für weitere außerordent-

liche Schritte sieht.25

Alexandr Vondra ist für das starke Osteuropaengagement Österreichs nicht verantwortlich

und kann daher um einiges beruhigter sein als der österreichische Finanzminister.

Indes stehen die Vorstände der österreichischen Top-Banken klar hinter ihrem Osteuropage-

schäft und sind vom weiteren Wachstum in diesen Regionen absolut überzeugt. Bleibt zu

hoffen dass es sich dabei nicht um die inzwischen all zu bekannten Beruhigungspillen han-

delt, die in den vergangen eineinhalb Jahren von den Bankenchefs immer dann verteilt wur-

den, wenn es kurz darauf ordentlich gekracht hatte.

4.2 Die Realwirtschaft in Österreich

Dass eine Bankenkrise von einem derartigen Ausmaß auch auf die Realwirtschaft übergreift

ist eigentlich nur mehr eine logische Abfolge von Ereignissen. Als eine der ersten Branchen

verspürte die Autoindustrie den nachlassenden Konsum. Auf Grund der Verbindung der hei-

mischen Autofirmen zu den großen Mutter- Konzernen wie General Motors und Ford, waren

die Probleme vor denen diese Groß-Konzerne in den USA standen, eindeutige Vorboten

eines aufkommenden Gewitters auch für Österreich. So waren die Autobranche und deren

Zulieferfirmen in Österreich auch eine der Ersten, die sich zu arbeitspolitischen Maßnahmen

gezwungen sahen. Wie die »Kleine Zeitung« am 18.10.208 berichtete, galt mit Oktober 2008

in den Magna- Konzernbetrieben in der Steiermark für fast 3000 Mitarbeiter Kurzarbeit.26

Auch Kosteneinsparungen zu denen sich auch die Banken auf Grund der immer höher wer-

denden Abschreibungen gezwungen sahen, wurden auf Kreditkunden abgewälzt, sowohl auf

Private als auch Gewerbliche.

Die Empfehlung der Finanzmarktaufsicht im Spätherbst 2008 an die Banken, die Vergabe

von Fremdwährungskrediten einzustellen, traf österreichische Kreditnehmer ebenso einiger-

maßen hart, wuchs gerade der Fremdwährungsfinanzierungssektor im letzten Jahrzehnt in

Österreich überproportional.

Die größer werdenden Probleme der Unternehmen auf internationaler Basis, geändertes

Konsumverhalten, Cash-Reserven die teilweise in inzwischen fast wertlosen Wertpapieren

geparkt waren und steigende Finanzierungskosten sind einige der Gründe, die einzelne Fir-

men dazu zwangen, Einsparung vorzunehmen, beginnend bei den großen Positionen - dem

Personalkostensektor.

Fast täglich berichteten die Medien über Kurzarbeit, Stellenabbau bis hin zu Entlassungen.

Einem Bericht des Wirtschaftsblattes zu folge waren laut AMS im Feber 2009

25

Kreuzer Christina [Wirtschaftsblatt 19.2.2009], S1 26

Vgl. Kleine Zeitung [18.10.2008], S 30

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27.500 Menschen auf Kurzarbeit gemeldet, 19.440 davon allein im Auto- und Zuliefersektor.

Bis April 2009 sollte die Zahl auf 40.000 ansteigen.27

Im Jänner 2009 war die Arbeitslosigkeit deutlich angestiegen. 301.529 Personen waren ar-

beitslos gemeldet, um 32.777 Personen bzw. 12,2 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Be-

sonders Jugendliche waren mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 22,9 Prozent stark

betroffen. Stark stieg die Arbeitslosigkeit auch bei den Männern um 15,6 Prozent, bei den

Frauen machte der Zuwachs 6,2 Prozent aus. Ein großer Teil der neu gemeldeten Arbeitslo-

sen sind Leiharbeiter, die den Kürzungen in exportorientierten Industriebetrieben als erste

zum Opfer fielen. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen sank um 21,2 Prozent auf

26.811.28

Mit dieser Ausgangslage startete das Jahr 2009, mit weiteren schweren Monaten wird zu

rechnen sein wird. Wirtschaftsforscher räumen ein, dass sie keinen Anhaltspunkt haben, wie

lange die Krise andauern wird, weil es bisher entweder eine Finanzkrise gab oder eine Wirt-

schaftskrise. Aber seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Situation, in der beide Krisen-

szenarien zeitgleich aktiv waren, daher fehlt der Erfahrungswert, wie lange die schwierige

Situation anhalten wird.29

5 Der österreichische Privatanleger

5.1 Anlegerverhalten

In den Salzburger Nachrichten wurde am 23.Jänner 2008 am Onlineportal ein Interview mit

Dr. Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverbandes für Anleger IVA veröffentlicht.

In diesem Interview meinte Dr. Wilhelm Rasinger, der weltweite Börsenabsturz würde sich

auf die heimischen Kleinanleger nicht besonders stark auswirken. Der Österreicher sei eher

ein Aktienmuffel, er interessiere sich mehr für Kitzbühel und den Operball.30

Unter Berücksichtigung der österreichischen Medienberichterstattung im letzten Quartal

2008 und zu Beginn 2009 würde man sich wünschen dass Herr Dr. Rasinger mit seiner Ein-

schätzung Recht behalten hätte. Doch die ansteigende Flut von angedrohten Schadener-

satzprozessen von VKI, diversen Anwaltskanzleien und Prozessfinanzierern wie Advofin zu

Gunsten geschädigter Kleinanleger, lässt die Vermutung aufkommen, dass Österreichische

Privatpersonen durch den Sturz der internationalen Börsen zum Teil doch sehr erheblich in

Mitleidenschaft gezogen wurden, was damit begründet werden könnte, dass auch der Öster-

reicher vom einstigen Aktienmuffel zu einem Börsenplayer mutierte.

27

Vgl. Wirtschaftsblatt [19.2.2009], S 2 28

Vgl. Kurier online [2.2.2009],15:29 29

Wissenswertes.at, [1.12.2008], o. S. 30

Vgl. Salzburger Nachrichten [23.1.2008], 00:34

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Wie die nachfolgende Grafik erkennen lässt, hat sich das Anlegerverhalten in Österreich in

den letzten Jahren tatsächlich auch dementsprechend geändert.

Die Grafik zeigt, dass die Veranlagungen in Aktiennotierte Wertpapiere ab 2001 nach der

dot.com Blase zurückging, mit den aufstrebenden Börsen ab Ende 2004 bis einschließlich

2007 Veranlagungen in Aktien jedoch stark zunahmen und die Menge im Verhältnis zu fest-

verzinslichen Wertpapieren vor allem 2006 und 2007 beträchtlich überstieg.31

Ohne die nachfolgende Entwicklung ab dem 3.Quartal 2008 vorwegnehmen zu wollen, weist

die Statistik doch stark auf das typische Verhalten vieler Kleinanleger hin, in Boomphasen

einzusteigen selbst wenn die Preise teilweise überteuert sind und nach einer darauffolgen-

den Talfahrt ohne Rücksicht auf Verluste auszusteigen. Allerdings sei auch angemerkt dass

zu einem nicht unbeträchtlichen Teil die Medien an diesem Verhalten mit Schuld sind, man-

che haben eine besondere Begabung darin, gerade in Bust-Phasen die Angst der Anleger

anzuschüren.32

5.1.1 Einfluss von Immobilienaktien auf Privatanleger

Kann man in Abbildung 3 generell ein zunehmendes Anlegerverhalten zu Gunsten von Ak-

tiennotierten Wertpapieren feststellen, so lässt sich dieses Verhalten unter Miteinbeziehung

der bekanntesten österreichischen Immobilentiteln noch weiter eingrenzen. Diese waren die

Immofinanz AG, Immoeast AG, CA Immoblien Anlagen AG, S-Immo AG und Meinl European

Land. Bis auf Meinl European Land waren all diese Aktien im ATX Prime enthalten. Erstaun-

31

Sedlacek Günter [OenB online 18.4.2008], o. S 32

Vgl. Uni Tübingen [Homepage Boom Bust], o. S.

Quelle: Zöllner Peter [Investmentfonds als wichtige Player am Kapitalmarkt im Eurozeitalter, 5.6.2008], OeNB

Abbildung 3: Kapitalmarktanlagen österreichischer Investoren

Bis 2005 endgültige Daten, 2006 revidierte Daten, 2007 provisorische Daten.

2)nichtfinanzielle Unternehmen, private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbs-zweck und Privatisierung

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lich vor allem ist der Umstand, dass die Nettoneuinvestitionen von österreichischen Privat-

anlegern an der Wiener Börse in den Jahren 2002 bis 2006 zu mehr als 80% von Investitio-

nen in Immobilienaktien getragen wurden. Durch teilweise riesige Kapitalerhöhungen

mancher Gesellschaften, wurden derart massive Neuinvestitionen möglich gemacht.33

Quelle: Zöllner Peter [Investmentfonds als wichtige Player am Kapitalmarkt im Eurozeitalter, 5.6.2008], OeNB

Abbildung 4: Entwicklung von Immobilienaktien

Die Grafik macht deutlich, dass Privatinvestoren zwischen 1999 und 2006 mit steigender

Tendenz in an der Wiener Börse notierte Immobilienaktien investiert haben und diese Inves-

titionen mit den steigenden Kursen positiv korrelieren. Der Kurszuwachs von Immobilienakti-

en lag allerdings unter den durchschnittlichen Wertsteigerungen der im ATX enthaltenen

Unternehmen. Durch die zunehmende Konzentration in Immobilienaktien, und die starken

Kursanstiege bis ins erste Quartal 2007, stieg der Wert auf über 6 Milliarden Euro an. Die

Neuinvestitionen gingen allerdings ab 2007 wieder stark zurück.34

Der Kursrückgang der Immobilenaktien setzte jedoch bereits 2007 mit dem Ausbrechen der

Hypothekenkrise in den USA ein. Bis Ende 2007 fiel der Anteil der Immobilienaktien im Akti-

enportefeuille der privaten Haushalte wieder um rund 20% (ca. 3,8 Milliarden EUR).

So hat sich der Vermögensbestand in diesem Segment innerhalb von zehn Monaten – groß-

teils aufgrund von Kursverlusten – beinahe halbiert.35

Das Geschehen zeigt mehr als deutlich, dass auch die österreichischen Privatanleger durch

die internationale Finanzkrise massive Vermögensverluste erlitten hatten.

Während Immobilenaktien in Österreich einstmals als krisensicher galten, haben die nun-

mehr großen Verluste in diesen Segmenten dem Vertrauen der Anleger sehr geschadet. Es

bleibt abzuwarten inwieweit sich die Performance der Immobilienaktien, nicht zuletzt durch

33

Sedlacek Günter [OenB online 18.4.2008], o. S. 34

Sedlacek Günter [OenB online 18.4.2008]. o. S. 35

Vgl. Sedlacek Günter [OenB online 18.4.2008], o. S.

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die Möglichkeit geänderter Bewertungsansätze für den Immobilienbesitz und der anhalten-

den Ausrichtung auf osteuropäische Märkte, in Zukunft entwickeln wird.36

5.1.2 Investmentfonds

Nicht nur Immobilienaktien erfuhren jedoch bei den österreichischen Anlegern eine immer

größer werdende Beliebtheit, auch diverse Investmentfonds konnten mit ihrer durchaus posi-

tiven Performance in den vergangenen Jahren überzeugen und die Herzen, bzw.

Portmonaie´s der Anleger öffnen.

Das bestätigt auch die anschließende Grafik.

Quelle: Zöllner Peter [Investmentfonds als wichtige Player am Kapitalmarkt im Eurozeitalter, 5.6.2008], OeNB

Abbildung 5: Entwicklung von börsennotierten Aktien und Aktienfonds

Hohe Investitionsbereitschaft der Anleger und freundliche Aktienmärkte ließen 2005 das in-

vestierte Kapital mit 24,27 Milliarden Euro bzw. 22,3 Prozent mehr als doppelt so stark ans-

teigen wie 2004. Diese Zunahme resultierte aus Nettoinvestitionen (Käufe minus Verkäufe)

von 13,48 Milliarden Euro und Kursgewinnen in der Höhe von 14,19 Milliarden Euro abzüg-

lich Ausschüttungen von 3,40 Milliarden Euro. Ende 2005 erreichte das in österreichischen

Investmentfonds veranlagte Kapital 132,96 Milliarden Euro.

Bei Fondsmanagern konnten Österreichische Aktien auf Grund der sehr guten Performance

des österreichischen Aktienmarktes 2005 (ATX +50,8%) einen Zuwachs von 71,9 Prozent,

bzw. 1,24 Milliarden EUR erzielen, was allerdings nur einem Anteil am gesamten Vermö-

genswachstum aller Fonds von 3,9 Prozent entsprach.37

36

Vgl. Sedlacek Günter [OenB online 18.4.2008], o. S, 37

OenB [Presseausendung online 24.3.2006], o. S.

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Doch volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Auswirkungen der Finanzkrise auf

immer mehr Segmente ab 2008 haben mittlerweile das Vertrauen der Anleger in Wertpaper-

fonds ebenso geschädigt wie dies bei den einst so beliebten Immobilienaktien der Fall war.

So sehr sich der österreichische Privatinvestor von der erfreulichen Entwicklung in der

Boomphase inspirieren ließ, so stark veränderte sich diese Haltung durch die Finanzkrise ins

Gegenteil. Eine Umfrage die im Oktober 2008 auf OE24.at veröffentlicht wurde, bestätigt

dies:

Demgemäss verloren inzwischen 67 % der Österreicher das Vertrauen in Banken.

Selbst staatliche Garantiezusagen und milliardenschwere Finanzspritzen konnten die Anle-

ger nicht beruhigen, auch das Vertrauen in die Kapitalmärkte fehlt. Fast zwei Drittel der Be-

fragten würde nie mehr Aktien kaufen.38

Sollte es in den nächsten Jahrzehnten doch irgendwann wieder eine nächste Boomphase

geben – und die statistischen Chancen dafür sind nicht schlecht – so ist damit zu rechnen,

dass sich auch die derzeitige Meinung vieler Anleger wieder etwas anpassen wird.

5.2 Auswirkungen der Lehman– Pleite auf Österreich

5.2.1 Garantie - Zertifikate

Während Investmentbanker an der Wallstreet in den vergangenen Jahren auf der Suche

nach endloser Gewinnmaximierung das inhärente Risiko der Subprimekredite in dubiose

Finanzkonstrukte verpackten um sich genau dieses Risikos zu entledigen und an andere

Marktteilnehmer weitergeben zu können, begann in Europa und vornehmlich auch in Öster-

reich in den Produktabteilungen von Banken und Investmenthäuser ein ähnliches geschäfti-

ges und kreatives Treiben, wenngleich mit gänzlich anderem Hintergrund.

Begünstigt durch die Öffnung bzw. Deregulierung der Märkte einerseits und die Möglichkeit

des Zugangs zum globalen Finanzmarkt auch für Privatanleger andererseits, wurden

Banken und Investmentgesellschaften zur Sicherung ihrer Marktanteile dazu inspiriert, neue

Finanzprodukte zu konstruieren und diese dem Markt zugänglich zu machen.

Auf eine Gruppe dieser neuen Finanzinnovationen möchte der Autor an dieser Stelle näher

eingehen, nämlich das Segment der Garantiezertifikate.

Der Grund dafür ist nicht nur die Tatsache dass der österreichische Privatanleger gerade

durch solche Garantiezertifikate erheblich beeinflusst wurde, sondern allein der Name sollte

schon ein ausgesprochenes »Pendant« zu den inzwischen bekannten hochriskanten Finanz-

konstrukten der Wall Street darstellen. Doch gerade dieser Umstand birgt einiges an Brisanz

in sich und macht das Thema daher umso spannender.

38

OE24.at [Online 10.Oktober 2008], o. S.

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Zumindest im Nachhinein ist daher eine gewisse Ähnlichkeit mit den an der Wall Street ent-

wickelten »(im)mobilen Zeitbomben « nicht zu übersehen.

Durch die Vielzahl der Garantiezertifikate mit der der österreichische Markt besonders ab

dem Jahr 2005 überschwemmt wurde, wurden diese Produkte immer mehr zu einem unü-

berschaubareren Marktsegment.

Das größte Risiko dieser Produktgruppen war jedoch subtiler Art!

Wenngleich in der letzten Boomphase das Vertrauen der Anleger in die Aktienmärkte stieg,

wurden die Markteilnehmer durch die Aussicht auf Garantien und Sicherheiten noch zusätz-

lich angeregt.

Im Gegensatz zu den herkömmlichen Aktiemärkten bei denen das Verlustrisiko täglich wie

ein Damoklesschwert über den Depots hing, schienen die Garantiezertifikate endlich die rich-

tige Lösung zu sein um dem Trachten der Anleger nach »überdurchschnittlichen Gewinnen

auch ohne Kapitalverlust « Rechnung zu tragen.

In aufwendigen Prospekten wurden den Anlegern die Produkte schmackhaft gemacht, und

bemühte man sich dabei besonders effektvoll die »Sicherung des Kapitals« in den Forderg-

rund zu stellen.

Anlegerschützer und Anwälte bekritteln inzwischen den Umstand, dass in den Werbepros-

pekten in den meisten Fällen vermieden wurde, neben den in Aussicht gestellten Kapitalga-

rantien, entsprechend deutlich auch auf einen möglichen Totalverlust hinzuweisen.

Rückblickend schienen in dieser Hinsicht jedoch nicht nur die Konstrukteure dieser Zertif ika-

te, sondern auch die Berater im Vertrieb überfordert gewesen zu sein.

Für nicht wenige dieser Garantiezertifikate trat die im Jahr 2006 noch als eine der führenden

Investmentbanken der Welt bekannte »Lehman Gruppe« als Garantiegeber auf. Doch im

Herbst 2008 kam alles anders.

Wie in der einleitenden Chronologie erwähnt, musste Lehman Brothers am 15.September

2008 Insolvenz anmelden, was an den internationalen Aktienmärkten zu einer Talfahrt ohne

gleichen führte.

Zu einem wahren Dilemma wurden jedoch die von Lehman besicherten Garantiezertifikate,

die somit über Nacht praktisch wertlos wurden.

Während in Aktienmärkten investierte Anleger die in der Bärenphase nicht die Nerven verlie-

ren, die Chance haben nach einer allgemeinen Erholung der Börsen ihr investiertes Geld

wieder zu erhalten, sinkt die Chance der Käufer dieser Garantiezertifikate praktisch auf Null.

Im besten Fall besteht die Möglichkeit irgendwann eventuell 5 bis 10 Prozent des investier-

ten Kapitals wiederum zu erhalten - je nach Konkursquote. Eine Unzahl an Prozessen mit

unsicherem Ausgang ist eine der Folgen dieser Geschehnisse.

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Der Autor bezeichnet das als das »Subtile - weil gemein und auf den ersten Blick nicht

durchschaubare und somit zarte Risiko« dieser Finanzkonstrukte. Während den Anlegern

Sicherheiten vorgegaukelt wurden, war im Gegenteil die Gefahr eines möglichen »Totalver-

lustes« jederzeit denkbar, wie das Beispiel der Lehman Pleite unzähligen Anlegern schmerz-

haft vor Augen führte.

Auch das ist eines der Gesichter der Finanzkrise, wie sie sich dem österreichischen Privat-

anleger präsentiert – subtil hinterhältig, schäbig und unbarmherzig.

5.2.2 Gier oder Berechnung?

Werden durch die Geschehnisse der vergangenen achtzehn Monate und besonders durch

das Drama mit Lehman Brothers die einleitenden Bemerkungen des Autors zur maroden

Moral der Gesellschaft und deren Einfluss auf die Finanzkrise bestätigt?

Nun, vier Tage noch vor dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers spendete

»Richard Fuld« der Chef der Investmentbank, drei Spitzenmanagern eine Prämie von

20 Millionen US-Dollar. Er selbst hatte in den letzen sieben Jahren 310 Millionen US-Dollar

kassiert.39

Ein weiteres beschämendes Indiz in dieser Causa erfuhr man aus einem am

20. Dezember 2008 auf dem Portal von »Welt Online« veröffentlichten Bericht des ehemali-

gen Kommunikationschefs von Lehmann Brothers, Andrew Gowers. Gowers berichtet in die-

sem Artikel unter anderem über eine Begebenheit auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im

Jänner 2007. Das dortige Weltwirtschaftsforum war in jenem Jahr eine noch lärmendere Par-

ty als üblich. Die Weltwirtschaft boomte, und die »Masters of the Universe« stießen auf ihre

eigene Macht an.

Doch Lehman Chef Richard Fuld war nicht in Partylaune. Er sei besorgt, sagte er seinen

Gästen mit leiser Stimme beim Mittagessen, dass „dies das Jahr sein könnte, in dem die

Märkte bersten“. Die Probleme könnten vom US-Häusermarkt kommen, sagte er, von den

Exzessen der Schuldenfinanzierung oder dem in die Höhe schießenden Ölpreis –oder von

einer Kombination aller drei Faktoren. Lehman -traditionsgemäß vorsichtig- habe daher „ein

bisschen Geld vom Tisch genommen“. Als sich die Journalisten entfernten, waren sie sicht-

lich beeindruckt von der scheinbaren Besonnenheit des großen Staatsmannes von der Wall

Street.40

Offensichtlich war sowohl Richard Fuld von sich selbst begeistert, wie auch die anwesenden

Journalisten von ihm begeistert waren. Auf alle Fälle haben weder der Erstere noch die Letz-

teren die Öffentlichkeit rechtzeitig vor dem aufkommenden Jahrhundertgewitter gewarnt.

39

Vgl. Kleine Zeitung [11.Oktober 2008], S 12 40

Gowers Andrew [Welt online 20.Dezember 2008] 17:47

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Ja wie treffend doch die Bibel in dem in der Einführung zitierten Text aus dem

1. Timotheusbrief, Kapitel 6, Vers 10 warnt:

„Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen…..“

6 Ausblick

Ein realistischer und seriöser Ausblick ist nicht möglich, da sich die Ereignisse fast täglich

überschlagen.

Weltweit haben diverse Regierungen riesige Rettungspakete beschlossen, sowohl für die

Banken als auch für die Realwirtschaft. Der Umstand dass alle Bemühungen trotz immenser

Geldbeträge jedoch bisher zu keinerlei Erfolgen führten, zeigt aber wiederum deutlich dass

diese Krise zweifellos anders ist als alle bisherigen Krisen.

Auch Österreich hat für die Realwirtschaft bereits Rettungspakete beschlossen und ist lau-

fend dabei weitere Möglichkeiten zu prüfen. Den österreichischen Banken werden aus Steu-

ergeldern Stützungen zur Verfügung gestellt um eine Pleite ähnlich der von Lehman Brothers

zu verhindern. Es bleibt zu hoffen dass sich dieses Bankenpakete nicht eines Tages als

kontraproduktiv erweisen.

So wichtig nämlich die derzeitigen Maßnahmen auch unbestreitbar sind, so stellt sich doch

auch die Frage, wo die österreichischen Banken die Zinsen im Ausmaß von 8 bis 9 Prozent,

die sie an die Republik zurückzahlen müssen, erwirtschaften sollen. Mit Sicherheit wird dies

weder am westeuropäischen Geld – noch am Renten - und Anleihenmarkt der Fall sein kön-

nen, da die Renditen in diesen Segmenten und Regionen von den erforderlichen 8 Prozent

weit entfernt sind. Möglicherweise werden die Banken daher gezwungen sein, ihre Osteuro-

paaktivitäten noch weiter zu intensivieren.

Doch wie in Punkt 4.1. schon erwähnt sind gerade die österreichischen Bankenchefs vom

Engagement in diesen Regionen nach wie vor überzeugt.

Nur gemeinsame weltweite Anstrengungen und einheitliche Regulierungen der globalen Fi-

nanzmärkte könnten zumindest erste Ansätze sein, Krisen wie die aktuelle in Zukunft zu ver-

hindern.

In den einleitenden Sätzen zitiert der Autor aus dem Bibelbuch Prediger, Kapitel 10,

Vers 19 wo es heißt: „…das Geld macht alles möglich“.

Was könnte noch alles möglich sein wenn die Menschheit die guten Ratschläge der Bibel

mehr beherzigen würde?

Wie die UNO einem Bericht zufolge errechnete, wären pro Jahr nur 9 Milliarden Dollar zu-

sätzlich nötig um weltweit für Sanitäranlagen und sauberes Trinkwasser zu sorgen, und nur

13 Milliarden Dollar, um die grundlegende medizinische Versorgung eines jeden Erdbewoh-

ners zu gewährleisten und jeden mit Nahrung zu versorgen. Diese Zahlen hören sich viel-

leicht hoch an, sind aber geradezu verschwindend niedrig, wenn man sie mit dem vergleicht,

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was die Welt für andere Dinge ausgibt. Ein Beispiel: In einem der letzten Jahre gab die Welt

435 Milliarden Dollar für Werbung und 780 Milliarden Dollar für militärische Zwecke aus.

Die Verringerung der Kluft zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen ist daher nicht so

sehr eine Frage der vorhandenen Gelder, als vielmehr eine Frage der richtigen Prioritäten.41

Wenngleich diese unschönen Aspekte auf unserer Welt durch die derzeitige Finanzkrise

überlagert werden, bleiben sie dennoch immer ein mahnender, weil vorhandener Bestandteil

unserer Gesellschaft. Dabei verdienen allerdings die Bemühungen und Anstrengungen vieler

aufrichtiger Menschen und einzelner Gruppen in dieser Hinsicht bestimmt unseren Respekt

und unser aufrichtiges Lob.

Eines wird man allerdings für die Zukunft in jedem Fall voraussagen können:

Es wird keine Massenbekehrungen zum Guten geben und daher werden auch in Zukunft die

Gefahren weiterer, von unsäglicher Gier getriebener Krisen in der Luft hängen.

Gerade ab dem 20. Jahrhundert wird es immer deutlicher, dass die Menschheit offensichtlich

ein besonderes Talent dafür hat, sich selbst und das schönste Juwel im Universum – den

Planeten Erde – an den Rand des Wahnsinns zu treiben.

An jedem Einzelnen wird es daher liegen, ob Anleger, Berater, Emittent oder sonst irgendein

Teilnehmer auf der globalen Bühne, wie er seine Rolle jetzt und auch in Zukunft in diesem

Welt– und Wirtschaftssystem spielt.

Jemand, der auf diesem Gebiet sehr umsichtig handelte, war der in der Einführung erwähnte

König Salomo, der reichste König der jemals gelebt hatte. Durch seine Hände flossen Un-

summen von Geld, Gold und riesige Vermögenswerte.

Doch welche Prioritäten im Leben dieses großen Staatsmannes wirklich wichtig waren, zei-

gen seine im Bibelbuch »Prediger, Kapitel 7, Vers 12« niedergeschriebenen Worte, die viel-

leicht gerade deshalb den Leser zu persönlichen Nachsinnen anregen mögen:

„Denn Weisheit dient zum Schutz, ebenso wie Geld zum Schutz dient;

aber der Vorteil der Erkenntnis ist,

dass die Weisheit ihre Besitzer am Leben erhält“.42

41

Vgl. Erwachet [Kluft zwischen Arm und Reich 8.2.2000], S 31 42

NW-Übersetzung [Pred. 7:12 o. J.], o. S.

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Hubert Grimm Finanzkrise 2008 22

LITERATURVERZEICHNIS

Die Presse.com, [APA 17.2.2009] 15:52;

http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/453401/index.do?from=suche.extern.google.at

Elberfeld, Verlag Brockhaus, [32. Auflage 1961], 1.Kö 10:14,15; 2.Chr.9:13,14

FILS FinanzBlog [Filip Ljubas, 2. Januar 2009], 21:26, http://www.fils.at/2009/01/02/update-

abschreibungen-von-banken/comment-page-1/#comment-423

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Kleine Zeitung Printausgabe, [Hütter Frido, 11.Oktober 2008], S 12, Leitartikel: Wie wir alle

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Österreichische Nationalbank, Mag. Thonabauer Günter- [Abteilung für Öffentlichkeitsar-

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Österreichische Nationalbank, Sedlacek Günter, Mag. Thonabauer Günter- [Abteilung für

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Soros G.: [Das Ende der Finanzmärkte und deren Zukunft, 2008], Chronik der Krise,

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Soros G.: [Das Ende der Finanzmärkte und deren Zukunft, 2008],Chronik der Krise S.11,12,

vgl. BBC News: Timeline: Sub-Prime losses: How Did the Sub-Prime Crisis Unfold ?,

http:// news.bbc.co.uk/1/hi/business/7096845.stm

Page 27: Die Finanzkrise 2008 und ihre Auswirkungen auf den ...hgbs.at/WordPress/wp-content/uploads/Diplomarbeit_Finanzkrise.pdf · elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der

Hubert Grimm Finanzkrise 2008 23

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Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer

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Wiener Börse, Online, [ATX] http://www.wienerborse.at/quote/?ID_NOTATION=92866&TYPE=I

Wikipedia, [Moral Hazard, engl. „sittliche Gefährdung]“, moralische Versuchung oder morali-

sches Risiko.

Wirtschaftsblatt Printausgabe, [19.2.2009], S 2, Im April mehr als 40.000 Kurzarbeiter

Wirtschaftsblatt Printausgabe, [Kreuzer Christina, 19.2.2009], S 1, Plan B für Osteuropa

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Wirtschaft, Arbeitslose 2008