die einlagenversorgung des rheumatischen fußes

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Orthopäde 2006 · 35:1176–1182 DOI 10.1007/s00132-006-1018-7 Online publiziert: 13. Oktober 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 H.-D. Carl 1 · C. Putz 1 · G. Weseloh 2 · R. Forst 1 · B. Swoboda 2 1 Orthopädische Universitätsklinik mit Poliklinik, Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen 2 Abteilung für Orthopädische Rheumatologie, Friedrich- Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes Eine klinische und pedobarographische Analyse Leitthema Der Rheumatische Fuß Im Rahmen der Rheumatoiden Arthritis (RA) kommt es in Abhängigkeit von der Erkrankungsdauer bei nahezu 100% der Betroffenen zu pathologischen Verände- rungen des Fußes, die i. Allg. als rheu- matische Fußdeformität bezeichnet wer- den. Ätiologisch bedeutsam ist die Schwä- chung ligamentärer, kapsulärer und tendi- nöser Strukturen durch die Artikulo- oder Tenosynovitis im Rahmen der Grunder- krankung. Der Rückfuß scheint hierbei mit einer Häufigkeit zwischen 10% und 60% weniger oft betroffen zu sein als der Vorfuß [10, 13], für den in Studien patho- logische Veränderungen in einer Häufig- keit zwischen 80% und 100% beschrieben werden [1]. Typische rheumatische Rückfußdefor- mität ist der Pes planovalgus mit fixierter Valgusfehlstellung des Rückfußes und Ab- flachung des Längsgewölbes, welche kon- sekutiv zu einer supinatorischen Aufdre- hung des Vorfußes führen kann. Im kli- nischen Alltag häufiger und vom Pati- enten stärker beklagt findet sich die rheu- matische Vorfußdeformität mit Spreiz- fußbildung und schmerzhafter Fehlbe- schwielung unter den Metatarsaleköpf- chen II, III und IV. Insbesondere die Ar- thritis in den Tarsometatarsalgelenken II– IV scheint für die Progredienz des rheu- matischen Spreizfußes von Bedeutung zu sein [21]. Neben der Hallux-valgus-Fehl- stellung der Großzehe ist bei zahlreichen Patienten eine fibulare Drift der Zehen II– IV mit Krallen- oder Klauenzehenbildung vorhanden, verbunden mit Klavusbildung dorsal der proximalen Interphalangealge- lenke. Da die Kleinzehe meist in Varus- stellung verbleibt, entsteht somit das klas- sische Bild eines „pied rond rhumatis- male“. Therapie des Rheumatischen Fußes Generell erfordert die Behandlung von Patienten mit entzündlich-rheuma- tischen Erkrankungen eine enge Koope- ration zwischen internistischem Rheu- matologen und Orthopäden. Eine suffizi- ente medikamentöse Therapie ist essenti- ell zur Reduktion der serologischen Ent- zündungsaktivität, um eine fortschrei- tende Gelenkdestruktion zu vermeiden. Eine Möglichkeit zur integrativen Pati- entenversorgung stellt die Zusammen- arbeit mit den bundesweit verbreiteten Rheumazentren dar, innerhalb derer ver- schiedene medizinische und nicht-medi- zinische Einrichtungen kooperieren, die an der Versorgung von Patienten mit ent- zündlich-rheumatischen Erkrankungen beteiligt sind. Wichtigster Bestandteil der konserva- tiven Therapie des rheumatischen Fußes ist die individuell angepasste orthopädie- technische Versorgung. Neben diversen Schuhzurichtungen und der Anfertigung eines orthopädischen Maßschuhs wer- den zu diesem Zweck orthopädische Ein- lagen verwendet. Empfohlen werden lang- sohlige Einlagen nach Abdruck mit inte- grierter retrokapitaler Pelotte. Allerdings ist die Einlagenversorgung des rheuma- tischen Fußes bislang überwiegend erfah- rungsbasiert, denn klinische Studien zur Effektivität einer derartigen Versorgung oder Versuche zur Qualitätskontrolle der Einlagenversorgung beim rheumatischen Fuß finden sich in der Literatur kaum. Material und Methoden Patientengut Für unsere Untersuchungen wurden 20 Patienten mit gemäß den ACR-Krite- rien [2] gesicherter RA und schmerzhafter rheumatischer Fußdeformität rekrutiert. Das Durchschnittsalter betrug 50 (22–75) Jahre. Die durchschnittliche Krankheits- dauer betrug 13±7,3 Jahre [Mittelwert ± Standardabweichung (SD)]. 1176 | Der Orthopäde 11 · 2006 Diese Studie wurde finanziell unterstützt im Rahmen der Projektförderung durch die Arbeits- gemeinschaft Regionaler kooperativer Rheuma- zentren in der Deutschen Gesellschaft für Rheu- matologie (DGRh). Dieser Beitrag wurde als Originalpublikation erstellt und begutachtet und ist aus formalen Gründen in das Leitthema dieser Ausgabe ein- geordnet.

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Page 1: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

Orthopäde 2006 · 35:1176–1182

DOI 10.1007/s00132-006-1018-7

Online publiziert: 13. Oktober 2006

© Springer Medizin Verlag 2006

H.-D. Carl1 · C. Putz1 · G. Weseloh2 · R. Forst1 · B. Swoboda2

1 Orthopädische Universitätsklinik mit Poliklinik, Friedrich-

Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen2 Abteilung für Orthopädische Rheumatologie, Friedrich-

Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg

Die Einlagenversorgung des rheumatischen FußesEine klinische und pedobarographische Analyse

Leitthema

Der Rheumatische Fuß

Im Rahmen der Rheumatoiden Arthritis

(RA) kommt es in Abhängigkeit von der

Erkrankungsdauer bei nahezu 100% der

Betroffenen zu pathologischen Verände-

rungen des Fußes, die i. Allg. als rheu-

matische Fußdeformität bezeichnet wer-

den. Ätiologisch bedeutsam ist die Schwä-

chung ligamentärer, kapsulärer und tendi-

nöser Strukturen durch die Artikulo- oder

Tenosynovitis im Rahmen der Grunder-

krankung. Der Rückfuß scheint hierbei

mit einer Häufigkeit zwischen 10% und

60% weniger oft betroffen zu sein als der

Vorfuß [10, 13], für den in Studien patho-

logische Veränderungen in einer Häufig-

keit zwischen 80% und 100% beschrieben

werden [1].

Typische rheumatische Rückfußdefor-

mität ist der Pes planovalgus mit fixierter

Valgusfehlstellung des Rückfußes und Ab-

flachung des Längsgewölbes, welche kon-

sekutiv zu einer supinatorischen Aufdre-

hung des Vorfußes führen kann. Im kli-

nischen Alltag häufiger und vom Pati-

enten stärker beklagt findet sich die rheu-

matische Vorfußdeformität mit Spreiz-

fußbildung und schmerzhafter Fehlbe-

schwielung unter den Metatarsaleköpf-

chen II, III und IV. Insbesondere die Ar-

thritis in den Tarsometatarsalgelenken II–

IV scheint für die Progredienz des rheu-

matischen Spreizfußes von Bedeutung zu

sein [21]. Neben der Hallux-valgus-Fehl-

stellung der Großzehe ist bei zahlreichen

Patienten eine fibulare Drift der Zehen II–

IV mit Krallen- oder Klauenzehenbildung

vorhanden, verbunden mit Klavusbildung

dorsal der proximalen Interphalangealge-

lenke. Da die Kleinzehe meist in Varus-

stellung verbleibt, entsteht somit das klas-

sische Bild eines „pied rond rhumatis-

male“.

Therapie des Rheumatischen Fußes

Generell erfordert die Behandlung von

Patienten mit entzündlich-rheuma-

tischen Erkrankungen eine enge Koope-

ration zwischen internistischem Rheu-

matologen und Orthopäden. Eine suffizi-

ente medikamentöse Therapie ist essenti-

ell zur Reduktion der serologischen Ent-

zündungsaktivität, um eine fortschrei-

tende Gelenkdestruktion zu vermeiden.

Eine Möglichkeit zur integrativen Pati-

entenversorgung stellt die Zusammen-

arbeit mit den bundesweit verbreiteten

Rheumazentren dar, innerhalb derer ver-

schiedene medizinische und nicht-medi-

zinische Einrichtungen kooperieren, die

an der Versorgung von Patienten mit ent-

zündlich-rheumatischen Erkrankungen

beteiligt sind.

Wichtigster Bestandteil der konserva-

tiven Therapie des rheumatischen Fußes

ist die individuell angepasste orthopädie-

technische Versorgung. Neben diversen

Schuhzurichtungen und der Anfertigung

eines orthopädischen Maßschuhs wer-

den zu diesem Zweck orthopädische Ein-

lagen verwendet. Empfohlen werden lang-

sohlige Einlagen nach Abdruck mit inte-

grierter retrokapitaler Pelotte. Allerdings

ist die Einlagenversorgung des rheuma-

tischen Fußes bislang überwiegend erfah-

rungsbasiert, denn klinische Studien zur

Effektivität einer derartigen Versorgung

oder Versuche zur Qualitätskontrolle der

Einlagenversorgung beim rheumatischen

Fuß finden sich in der Literatur kaum.

Material und Methoden

Patientengut

Für unsere Untersuchungen wurden

20 Patienten mit gemäß den ACR-Krite-

rien [2] gesicherter RA und schmerzhafter

rheumatischer Fußdeformität rekrutiert.

Das Durchschnittsalter betrug 50 (22–75)

Jahre. Die durchschnittliche Krankheits-

dauer betrug 13±7,3 Jahre [Mittelwert ±

Standardabweichung (SD)].

1176 | Der Orthopäde 11 · 2006

Diese Studie wurde finanziell unterstützt im Rahmen der Projektförderung durch die Arbeits-gemeinschaft Regionaler kooperativer Rheuma-zentren in der Deutschen Gesellschaft für Rheu-matologie (DGRh). Dieser Beitrag wurde als Originalpublikation erstellt und begutachtet und ist aus formalen Gründen in das Leitthema dieser Ausgabe ein-geordnet.

Page 2: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

Einschlusskriterien waren neben der

Einwilligung zur Studienteilnahme die

Fähigkeit zum freien Gang auf einem

Laufband bei einer Mindestgeschwindig-

keit von 1 km/h. Ausschlusskriterien wa-

ren neurologische Begleiterkrankungen

(Hemiparese, Polyneuropathie), eine re-

levante periphere arterielle Verschluss-

krankheit und geplante operative Ein-

griffe an den unteren Extremitäten in-

nerhalb von 6 Monaten nach Studienbe-

ginn. Voroperationen stellten kein Aus-

schlusskriterium dar. Ebenso stellte eine

bereits vorhandene Einlagenversorgung

kein Ausschlusskriterium dar, in diesen

Fällen war Bedingung, dass die Einlagen

eine insuffiziente Ausarbeitung aufwei-

sen, oder von den Patienten innerhalb der

letzten 3 Monate vor Studienbeginn nicht

getragen werden. Eine orthopädieschuh-

technische Zurichtung war erlaubt, aller-

dings sollte über den Studienzeitraum kei-

ne Modifikation erfolgen.

Gestaltung der Einlagen

Die Verordnung der orthopädischen Ein-

lagen erfolgte nach definierter Vorgabe:

„1 Paar orthopädische Einlagen nach Ab-

druck, stützend-bettend, Rückfuß halb-

schalenförmig, halbstarr, Vorfuß elas-

tisch, Quergewölbepelotte“. In 2 Fällen

wurden die Einlagen nach Vakuumtech-

nik gefertigt und dementsprechend wei-

ter bearbeitet. Bei den restlichen 18 Pati-

enten erfolgte die Anfertigung der Ein-

lagen über spezielle Einlagenhölzer nach

Gipsabdruck. Als Trägermaterial wurde

hartelastisches Korkgemisch (90 Shore

Härte) verwendet. Die 1. durchgehende

Schicht bestand aus geschlossenem Zell-

polstermaterial in 5 mm Stärke (44 Shore

Härte), die 2. durchgehende Schicht aus

offenem Zellpolstermaterial der Stär-

ke 2,5 mm (32 Shore Härte). Die Pelotte

wurde aus geschlossenem Moosgummi

(35 Shore Härte) individuell ausgearbei-

tet und positioniert (. Abb. 1). Die Ein-

lagen wurden nach Anfertigung auf ihre

korrekte Ausführung und Passform hin

kontrolliert.

Klinische Untersuchung

Vor der Erstmessung (T0) und bei Nach-

untersuchung (T2) erfolgte eine detaillier-

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2006 · 35:1176–1182 DOI 10.1007/s00132-006-1018-7

© Springer Medizin Verlag 2006

H.-D. Carl · C. Putz · G. Weseloh · R. Forst · B. Swoboda

Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes. Eine klinische und pedobarographische Analyse

Zusammenfassung

Hintergrund. Bei der konservativen Thera-

pie rheumatischer Fußdeformitäten spielt die

Versorgung mit orthopädischen Einlagen ei-

ne essentielle Rolle. Studien zur Qualitäts-

kontrolle der Einlagenversorgung beim rheu-

matischen Fuß existieren bislang nicht.

Material und Methode. 20 Patienten mit

Rheumatoider Arthritis und schmerzhafter

rheumatischer Fußdeformität wurden mit or-

thopädischen Einlagen nach definierter Bau-

art versorgt. Der Belastungsschmerz vor und

nach Einlagenversorgung wurde über ei-

ne 100 mm visuelle Analogskala (VAS) ermit-

telt. Zur Pedobarographie wurde ein mobi-

les Im-Schuh-Messsystem (pedar cable®, No-

vel GmbH, München) angewendet, wobei 3

Messreihen (vor Einlagenversorgung, unmit-

telbar nach Versorgung, 6 Monate nach Ver-

sorgung) durchgeführt wurden. Die Parame-

ter Maximalkraft, Maximaldruck, Kraft-Zeit-

Integral und mittlerer Druck wurden analy-

siert innerhalb verschiedener anatomischer

Regionen (Rückfuß, Mittelfuß, Mittelfußköpf-

chen I, Mittelfußköpfchen II–IV, Mittelfuß-

köpfchen V, Zehen) und einer individuell defi-

nierten Hauptbelastungszone.

Ergebnisse. Trotz eines heterogenen Pati-

entenkollektivs mit unterschiedlich schwer

ausgeprägter rheumatischer Fußdeformi-

tät zeigte sich im Beobachtungszeitraum ei-

ne signifikante Verbesserung der Schmerzsi-

tuation. Durch Pedobarographie konnten für

die gewählten Parameter jedoch nur in Ein-

zelfällen signifikante Veränderungen nachge-

wiesen werden, sowohl innerhalb der anato-

mischen Regionen als auch innerhalb der in-

dividuellen Hauptbelastungszone.

Schlussfolgerung. Um dieses Verfahren als

Instrument zur Qualitätskontrolle der Einla-

genversorgung beim rheumatischen Fuß zu

etablieren, sind weiterführende Studien er-

forderlich.

Schlüsselwörter

Fußdeformität · Einlagen · Pedobarographie ·

Rheumatoide Arthritis

Insoles for the rheumatic foot. A clinical and pedobarographic analysis

Abstract

Background. Insoles are regarded as an ap-

propriate tool for the management of rheu-

matic foot disorders. However, a quality con-

trol for this purpose has not been estab-

lished. In our study, the clinical effectiveness

of insoles used in patients with rheumat-

ic foot disorders was addressed. In addition,

we sought to establish pedobarography as

a means of quality control for orthotic man-

agement of the rheumatic foot.

Material and methods. Our study included

20 rheumatoid arthritis patients with painful

rheumatic foot deformities who were provid-

ed with insoles. Clinical data were obtained

by physical examination and a 100-mm pain

scale. Pedobarography was performed us-

ing the novel pedar cable system with new

and individually designed insoles and after a

6-month follow-up. A shoe-only trial served

as control. The parameters maximum force,

peak pressure, force-time integral, and aver-

age pressure were analyzed in anatomical re-

gions and an individually defined overloaded

forefoot region.

Results. Clinical improvement was signifi-

cant after a 6-month follow-up in spite of a

heterogeneous group of patients. Howev-

er, our results could not confirm consistent

changes in plantar pressure distribution.

Conclusion. As a conclusion, further efforts

are necessary to establish a quality control for

orthotic management of the rheumatic foot.

Keywords

Foot disorder · Insoles · Pedobarography ·

Rheumatoid arthritis

1177Der Orthopäde 11 · 2006 |

Page 3: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

te klinische Untersuchung mit ausführ-

licher körperlicher Befunderhebung. Zur

Erfassung der Krankheitsaktivität wurde

der „Ritchie Articular Index“ (RAI) [20]

erhoben. Durch die Patienten wurde an-

hand einer 100 mm visuellen Analogskala

(VAS) eine Einschätzung der belastungs-

abhängigen Fußschmerzen bei durch-

schnittlicher Belastung über 24 h vorge-

nommen, im Falle einer Wiederversor-

gung auf gleiche Weise eine Einschätzung

der Zufriedenheit mit der bisherigen Ein-

lagenversorgung. Die maximale Gehstre-

cke wurde semiquantitativ über eine 4-

Punkte-Skala ermittelt:

1 >1000 m,

2 500–1000 m,

3 <500 m,

4 häusliche Umgebung.

Pedobarographische Messung

Die pedobarographischen Messungen er-

folgten zu 3 Zeitpunkten: vor Einlagenver-

sorgung (T0), innerhalb von 2 Wochen

nach Versorgung (T1) sowie im Rahmen

einer Nachuntersuchung nach 6 Monaten

(T2). Zu diesem Zweck wurde das „pedar®

cable system“ der Fa. Novel (München)

angewandt. Hierbei handelt es sich um

ein mobiles Im-Schuh-Messsystem, beste-

hend aus Einlegesohlen, in welche 99 ka-

pazitive Sensoren integriert sind. Die ma-

ximale Messfrequenz beträgt 50 Hz. Die

Sohlengröße wurde individuell aus 5 un-

terschiedlich großen Sohlenpaaren ausge-

wählt.

Datenerhebung und Auswertung

Die pedobarographischen Messungen er-

folgten auf einem Laufband. Die Lauf-

bandgeschwindigkeit wurde intraindivi-

duell variiert, sodass jeder Patient sein in-

dividuelles Gangbild wiedergeben konnte,

jedoch pro Patient über die 3 Messungen

konstant gehalten, um geschwindigkeits-

abhängige Veränderungen der Druck-

messung zu vermeiden. Die Messungen

erfolgten jeweils im gleichen Schuhwerk.

Nach Erreichen eines sicheren Gangbilds

erfolgte die pedobarographische Messung

von 20 Doppelschritten (20 rechte und 20

linke Schritte).

Zur Auswertung der pedobarogra-

phischen Daten wurden mithilfe der Soft-

ware „novel multimask 10.30“ (Fa. Novel)

sog. Masken angefertigt, die eine diffe-

renzierte Betrachtung verschiedener Re-

gionen der Fußsohle erlauben. Zum ei-

nen erfolgte eine Unterteilung in verschie-

dene anatomische Regionen der Fußsohle

[Rückfuß, Mittelfuß, Mittelfußköpfchen

(MH) I, MH II–IV, MH V, Zehen], zum

anderen wurden nach Erstmessung (T0)

individuelle Hauptbelastungszonen unter

dem Vorfuß definiert (. Abb. 2).

Die Parameter Maximaldruck, Maxi-

malkraft, Kraft-Zeit-Integral als Summa-

tion aller Kraftmesswerte während der

Standphase und mittlerer Druck als Quo-

tient aus dem Druck-Zeit-Integral und

der Kontaktzeit wurden ausgewertet. Die

statistische Analyse erfolgte mithilfe der

Software-Pakete „novel projects“ sowie

der Datenbank „novel database pro M®“.

Zur statistischen Auswertung wurde über

die Software „novel database pro M“ eine

einseitige ANOVA-Analyse durchgeführt.

Die Analyse der Werte für den mittleren

Druck erfolgte mittels t-Test für verbun-

dene Stichproben nach Datentransfer in

Abb. 1 8 Orthopädische Einlage zur Behandlung des rheumatischen Fußes – langsohlige Ausführung nach Gipsabdruck: Der Rückfuß ist halbschalen-förmig und halbstarr gefertigt, im Vorfußbereich elastische Materialwahl, individuell anzupassende Quergewölbepelotte, ausreichende Abstützung des Längsgewölbes unter Sustentaculum tali

Abb. 2 8 Farbkodierte Darstellung der plantaren Druckverteilung mittels des Messsystems „pedar cable“. Links Definition einer individuellen Maske für die Hauptbelastungszone unter dem Vorfuß. Mitte Definition der ana-tomischen Regionen unter der Fußsohle. Rechts Zuordnung der Farbcodie-rung zu den Druckmesswerten

1178 | Der Orthopäde 11 · 2006

Leitthema

Page 4: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

SPSS 11.5®. Das Signifikanzniveau wurde

auf p<0,05 festgesetzt.

Ergebnisse

Zum Zeitpunkt der Datenauswertung

konnten 2 Untergruppen mit jeweils

10 Patienten gebildet werden, die entwe-

der bislang keinerlei Einlagenversorgung

erhalten hatten (Erstversorgung) oder ei-

ne nicht akzeptierte oder insuffiziente

Einlagenversorgung aufwiesen (Wieder-

versorgung).

Körperlicher Befund

Die Mittelwerte für den Bewegungsum-

fang von Hüftgelenken, Kniegelenken

und Sprunggelenken zeigten zwischen

T0 und T2 keine signifikante Änderung,

sowohl für das gesamte Kollektiv, als auch

für beide Untergruppen. Ebenso zeigten

sich zwischen T0 und T2 keine signifi-

kanten Unterschiede für den RAI als Maß

für die Krankheitsaktivität.

Die fußspezifischen Befunde vor Erst-

messung (T0) sind in . Tab. 1 dargestellt.

In beiden Subgruppen fand sich eine ver-

gleichbare Häufigkeit an Zehenfehlstellun-

gen, plantarer Fehlbeschwielung und Bur-

sitiden. Die im Rahmen der Nachunter-

suchung (T2) erhobenen Befunde zeigten

ein nahezu identisches Bild, mit einer ten-

denziellen Zunahme der Krallenzehende-

formität (von insgesamt 27 auf 43) und ei-

ner ebenfalls tendenziellen Abnahme der

Bursitiden (von insgesamt 12 auf 6).

Tab. 1 Dargestellt sind die klinischen Ausgangsbefunde der für die Studie rekrutierten Patienten zum Zeitpunkt T0 in Bezug auf plan-

tare Schwielenbildung, Zehendeformitäten und Bursitiden, getrennt in rechten und linken Fuß. In der 2. Spalte ist die Unterteilung in die

Subgruppen von Patienten genannt, für die im Rahmen der Studie eine Erstversorgung bzw. Wiederversorgung stattfand

ID Subgruppe Plantare Schwielenbildung Zehendeformitäten Bursitiden

Metatarsaleköpfchen Zehenkuppe Krallenzehe Hammerzehe Hallux valgus

Rechts Links Rechts Links Rechts Links Rechts Links Rechts Links Rechts Links

1 E I, II, III I, II, III 0 I IV II, IV II, III III, V I I 0 0

2 E 0 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 V

3 E I, II, III,

IV, V

I, II, III, IV, V V 0 II, III 0 0 0 I I IV 0

4 E I, IV I, IV, V 0 I II, V IV IV, V I, II, III 0 0 0 0 I

5 E I, II, III,

IV, V

I, II, III, IV III I, V 0 0 II, IV, V II, III,

IV, V

0 I III I

7 E III, IV, V I, II, III, IV, V I I 0 0 II, III,

IV, V

0 0 0 0 0

8 E I, II, III,

IV, V

I, II, IV 0 I I I, II, III,

IV, V

II, III, IV I I 0 0 0

16 E V V I, IV I 0 II, III III II, III 0 0 0 0

17 E II II I, IV I, V III IV II, IV II, III 0 0 0 0

19 E I, III III I I 0 0 II, IV II 0 0 0 0

9 W 0 I, II, IV, V I, II, V I, II, III 0 0 II I I I 0 0

6 W 0 III, IV, V I, II, III I, II, III 0 0 II, IV III, IV 0 1 V V

10 W I, II, III III 0 0 0 0 II, III II, III 0 0 0 0

11 W I, II, V I, II, III, V I, II, V I, II, III 0 0 II, III, IV 0 0 0 I I

12 W I II, III II I 0 0 III III, IV 0 0 I 0

13 W I, IV, V I 0 0 V II, IV, V II, III, IV II, III I I I I

14 W I, II, III, IV II I I 0 0 II 0 I I 0 0

15 W 0 0 0 I 0 III V II, III 0 0 0 0

18 W I I, II, III 0 I V V II II 0 0 0 0

20 W I, II, III,

IV, V

I, II, III, IV, V I, II, III,

IV, V

I, II, III,

IV, V

0 IV, V 0 0 I I 0 0

I–V jeweiliger Stahl bzw. die betroffene Zehe, 0 Merkmal nicht vorhanden, E Erstversorgung, W Wiederversorgung.

Tab. 2 Schmerzverbesserung durch Einlagenversorgung. Dargestellt sind die Mittel-

werte mit Standardabweichung für die Einschätzung des durchschnittlichen Belastungs-

schmerzes der Füße über 24 h, gemessen anhand einer 100-mm-VAS

T0 (vor Einlagenversorgung) T2 (6 Monate Follow-up)

Schmerz [mm] 73±27 38±25

Tab. 3 Signifikante Veränderung des Messwerts „durchschnittlicher Druck“ (Quotient

Druck-Zeit-Integral und Kontaktzeit) zwischen den Messungen vor Einlagenversorgung

(T0) und unmittelbar nach Einlagenversorgung (T1)

Rückfuß Mittelfuß MH 1 MH 2–4 MH 5 Zehen Hauptbe-

lastung

Erhöht (p<0,05) 0 5 2 0 0 0 1

Vermindert (p<0,05) 2 0 1 1 0 1 4

n.s. 18 15 17 19 20 19 15

n.s. nicht signifikant.

1179Der Orthopäde 11 · 2006 |

Page 5: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

Schmerzverbesserung durch Einlagenversorgung

Im Patientenkollektiv zeigte sich über

den Beobachtungszeitraum von 6 Mo-

naten eine signifikante Verbesserung des

Belastungsschmerzes beider Füße auf der

100 mm VAS von 73±27 mm zum Zeit-

punkt T0 auf 38±25 mm zum Zeitpunkt

T2 (p<0,05). Zwischen den Subgruppen

der erstversorgten und wiederversorgten

Patienten war kein signifikanter Unter-

schied nachweisbar, sodass die Schmerz-

verbesserung unabhängig von einem statt-

gehabten Versuch der Einlagenversorgung

zu erreichen war (. Tab. 2).

Kein pedobarograpisches Korrelat

Bei der pedobarographischen Datenana-

lyse zeigten sich über den anatomischen

Regionen und den individuellen Haupt-

belastungszone nur in Einzelfällen signi-

fikante Unterschiede. Zwischen den Zeit-

punkten T0 (vor Einlagenversorgung),

T1 (nach Versorgung) und T2 (6 Monate

nach Versorgung) konnten für keine der

Masken signifikante Umverteilungen von

Maximaldruck und Maximalkraft nach-

gewiesen werden. Ebenfalls war für das

Kraft-Zeit-Integral keine signifikante Än-

derung durch Einlagenversorgung zu er-

reichen, weder bei Betrachtung der ana-

tomischen Regionen, noch für die jewei-

lige individuelle Hauptbelastungszone. In

. Abb. 3 sind die Ergebnisse der Aus-

wertung von Maximalkraft, Maximal-

druck und Kraft-Zeit-Integral für den

linken Fuß gesamt und über den anato-

mischen Regionen für die Messungen T0

(vor Einlagenversorgung) und T1 (inner-

halb von 14 Tagen nach Einlagenversor-

gung) aufgeführt. Die Auswertung der

rechten Schritte zeigte analoge Ergebnisse,

ebenso der Vergleich der Zeitpunkte T0

und T2 bzw. T1 und T2 (Daten nicht ge-

zeigt). Für den durchschnittlichen Druck

(Quotient von Druck-Zeit-Integral und

Kontaktzeit) konnten bei Vergleich der 3

Messzeitpunkte ebenfalls nur in Einzelfäl-

len signifikante Änderungen erfasst wer-

den. In . Tab. 3 ist exemplarisch die Ge-

genüberstellung T0 zu T1 aufgeführt.

Diskussion

Das Im-Schuh-Messsystem

Für die Erhebung dynamischer pedobaro-

graphischer Daten können verschiedene

Messverfahren eingesetzt werden. Eine

Kraftmessplatte eignet sich für Druck-

und Kraftmessungen an der Kontaktflä-

che Fußsohle – Boden oder Schuhsohle

– Boden. Dieses Verfahren wurde in wis-

senschaftlichen Studien eingesetzt, um

die Veränderungen der Kraftverteilungs-

muster zu beschreiben nach Vorfußkor-

rekturen [7, 11, 17, 18, 22] und Fußosteoto-

mien [5, 14], sowie zur Beschreibung der

Instabilität des oberen Sprunggelenks [4].

Ferner wurde pedobarographische Mes-

sungen mittels Druckplatte durchgeführt

im Rahmen der Rehabilitation nach vor-

derer Kreuzbandersatzplastik [16] und zur

Beurteilung des Heilungsergebnisses nach

Kalkaneusfrakturen [12, 15].

Für unsere Zwecke erschien eine Mess-

plattform nicht geeignet, da der Fokus un-

serer Studie auf der möglichen Änderung

der plantaren Druckverteilung im Schuh-

werk durch orthopädische Einlagen ge-

richtet war. Das im Rahmen unserer Stu-

die angewendete Im-Schuh-Messsystem

ist gut geeignet zur Erfassung der Kon-

taktkräfte zwischen Fußsohle und Schuh

oder Fußsohle und Einlagen und hat-

te sich bereits in vorangegangenen Stu-

dien bewährt bei pedobarographischen

Tota

l ob

ject

hin

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1

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2–4

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5

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800

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0

632,1149,3

260,592,7 214,2

74,3115,6 125

39,557,7 89,749,3

145,588,8

Tota

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1

MH

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5

Toes

45,123,5 29,5

17,4

42,729,6

340,9104,8

108,455,2 81,5

32,833,725,0

500

450

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Tota

l ob

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1

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5

Toes

352124,6

97,963,4 91,1

45,939,424,8

45,118,6

31,820,0

46,736,0

550500450400350300250200150100

500

Kra

ft-Z

eit-

Inte

gra

l

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

25,413,8

17,410,1

19,311,5

122,8

1914,5

11,83,4

14,26,4

Tota

l ob

ject

hin

dfo

ot

mid

foo

t

MH

1

MH

2–4

MH

5

Toes

Pm

axErstmessung (T0)

Tota

l ob

ject

hin

dfo

ot

mid

foo

t

MH

1

MH

2–4

MH

5

Toes

35

30

25

20

15

10

5

0

248,4

10,83,3

11,72,5

18,69,4

16,15,9

14,67,3

18,78,5

Zweitmessung (T1)

Tota

l ob

ject

hin

dfo

ot

mid

foo

t

MH

1

MH

2–4

MH

5

Toes

800

700

600

500

400

300

200

100

0

613,7130,7

294,774,2

205,962,4

108,5 133,154,6

46,291,9

15496,4

67,6

F max

Abb. 3 8 Säulendiagramme für die Mittelwerte von Maximaldruck (Pmax), Maximalkraft (Fmax) und das Kraft-Zeit-Integral, erhoben zu den Zeitpunkten T0 (vor Einlagenversorgung) und T1 (unmittel-bar nach Einlagenversorgung). Dargestellt sind die jeweiligen Mittelwerte unter der gesamten Sohle (total) sowie für die anatomischen Regionen unter der Fußsohle (hindfoot Rückfuß, midfoot Mittelfuß, MH 1 Mittelfußköpfchen I, MH 2–4 Mittelfußköpfchen II–IV, MH 5 Mittelfußköpfchen V, Toes Zehen)

1180 | Der Orthopäde 11 · 2006

Leitthema

Page 6: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

Messungen nach Weil-Osteotomie [22]

und nach Einlagenversorgung des diabe-

tischen Fußes [3].

Schmerzverbesserung in jedem Stadium

Die in unserer Arbeit dargestellte Ver-

besserung des Belastungsschmerzes beim

rheumatischen Fuß steht im Einklang

mit der täglichen Erfahrung und wurde

bereits durch die Untersuchungen von

Hodge et al. beschrieben [8]. In der hier

vorgelegten Arbeit findet sich jedoch auch

ein Hinweis darauf, dass die Einlagenver-

sorgung sowohl in frühen Stadien rheu-

matischer Fußveränderungen als auch bei

komplexer Fußdeformität eine Schmerz-

besserung erreichen kann. Diese Aussage

kann als Argument dienen, die Einlagen-

versorgung des Rheumatikers gegen den

zunehmenden Druck der Kostenträger zu

verteidigen. Bislang nicht wissenschaft-

lich geklärt ist die Frage, ob durch adä-

quate Einlagenversorgung die Progressi-

on der rheumatischen Fußdeformität ge-

hemmt werden kann. Hierzu sind mittel-

fristige Studien erforderlich, die klinische

und radiologische Parameter erheben und

die Aktivität der RA berücksichtigen.

Komplexität der Einflussgrößen

Generell sind die Einflussgrößen auf die

Pedobarographie beim rheumatischen

Fuß sehr vielseitig. Über die Auswirkung

von Zehendeformitäten auf die Messergeb-

nisse liegen bislang keine Untersuchungen

vor. Die Bedeutung plantarer Schwielen-

bildung für pedobarographische Mes-

sungen wird in der Literatur unterschied-

lich beurteilt [19, 23, 24]. Beim rheuma-

tischen Fuß wird zudem eine gesteigerte

Druckempfindlichkeit chronisch überlas-

teter Regionen diskutiert [6], sodass eine

Schmerzverbesserung paradoxerweise zu

einer Zunahme der Vorfußbelastung füh-

ren könnte, indem die schmerzbedingte

Druckvermeidung entfällt.

Die Ergebnisse aus Studien zur Pedo-

barographie beim diabetischen Fuß sind

nicht ohne weiteres auf den rheuma-

tischen Fuß übertragbar zu sein, da im

Rahmen der diabetischen Polyneuropa-

thie der Schmerz als limitierender Faktor

für die Druckbelastung entfällt. Zudem

zielt die Einlagenversorgung beim diabe-

tischen Fuß zur Ulkusprophylaxe alleine

auf Druckentlastung, sodass zu diesem

Zweck bettende Einlagen zur Anwendung

kommen. Demgegenüber ist die Ausfüh-

rung der Einlagen für den rheumatischen

Fuß stützend-bettend, um die Fußanato-

mie zu erhalten.

Im Rahmen der Pedobarographie

muss, um den methodischen Anforde-

rungen gerecht zu werden, die Laufge-

schwindigkeit individuell konstant gehal-

ten werden, um geschwindigkeitsbedingte

Änderungen der Druckwerte zu mei-

den. Somit entfällt der Parameter „Lauf-

geschwindigkeit“ bei der pedobarogra-

phischen Erfolgskontrolle der Einlagen-

versorgung, obwohl ein schnelleres „be-

quemes Gehen“ durchaus ein derartiges

Kriterium darstellen kann.

Pedobarographische Daten

Die klinische Verbesserung durch ortho-

pädische Einlagen fand in unserer Studie

kein pedobarographisches Korrelat. Unser

Ergebnis steht somit in Widerspruch zu

Arbeiten, die durch Einlagenversorgung

beim rheumatischen Fuß eine Reduktion

des mittleren Druckes [8] oder des Ma-

ximaldruckes [9] demonstrierten. In der

Studie von Hodge et al. [8] wird eine si-

gnifikante Reduktion des mittleren Druck

unter dem MH II beschrieben. Zur Ana-

lyse der Messwerte wurden in dieser Stu-

die Druckmasken gewählt, die sich von

den hier angewandten unterscheiden. Aus

diesem Grund ist eine Vergleichbarkeit

der Ergebnisse nur eingeschränkt gege-

ben. Auch fehlen in der genannten Publi-

kation detaillierte Aussagen über den kli-

nischen Befund. In unserer Studie waren

Patienten mit unterschiedlich stark ausge-

prägten Fußpathologien eingeschlossen,

von isolierter Senk-Spreizfußbildung bis

hin zur komplexen rheumatischen Fuß-

deformität.

Voroperationen im Bereich der Füße

stellten, im Gegensatz zur Studie von Jack-

son et al. [9] kein Ausschlusskriterium dar.

Möglicherweise wurde durch die Hetero-

genität unseres Kollektivs und die damit

verbundene Streubreite der Messwerte die

Aussagekraft der pedobarographischen

Daten limitiert. Wir empfehlen daher für

kommende Studien eine differenzierte Be-

trachtung verschiedener Stadien der rheu-

matischen Fußdeformität mit einem klar

definierten Patientenkollektiv.

Jackson et al. [9] fanden eine Reduk-

tion des Maximaldrucks unter den Meta-

tarsaleköpfchen durch Verwendung einer

retrokapitalen Pelotte sowie einer retroka-

pitalen Rampe. Ein Kritikpunkt am me-

thodischen Ansatz dieser Studie besteht

darin, dass lediglich 3 Schritte zur Daten-

analyse ausgewählt und gemittelt wurden,

während die Patienten eine schleifenför-

mige Wegstrecke zurücklegten. Bei die-

sem Ansatz werden die Scherkräfte beim

Gehen einer Kurve unzureichend berück-

sichtigt. Ferner werden die verwendeten

Masken zur Auswertung der Druckmes-

sungen nicht wiedergegeben.

Kombination mit Druckmessplatte

Wie bereits erwähnt, stellt die Versor-

gung mit orthopädischen Einlagen nur

einen Teil der gesamten orthopädietech-

nischen Versorgung des rheumatischen

Fußes dar. Mittels sensorbeladener Soh-

len sind pedobarographische Messungen

an der Kontaktfläche Fußsohle – Einlage

möglich. Mit dieser Technik kann aller-

dings nur ein Teil der komplexen Kräfte

gemessen werden, die unter der Fußsohle

auftreten. Möglicherweise kann durch die

Kombination von pedobarographischen

Messungen im Schuh (durch sensorbela-

dene Sohlen) und unter dem Schuh (mit-

tels Plattform) eine Qualitätskontrolle für

die Versorgung des rheumatischen Fußes

erreicht werden, die der Komplexität der

Messgrößen gerecht wird.

Fazit für die Praxis

Die Verordnung von orthopädischen Ein-

lagen stellt eine effektive Maßnahme

zur orthopädietechnischen Versorgung

schmerzhafter rheumatischer Fußdefor-

mitäten dar. Der klinische Erfolg ist hier-

bei unabhängig vom Ausprägungsgrad

der Fußdeformität. Nach unseren Unter-

suchungen kann die Pedobarographie

bislang nicht als Instrument zur Quali-

tätskontrolle der Einlagenversorgung des

rheumatischen Fußes genutzt werden.

1181Der Orthopäde 11 · 2006 |

Page 7: Die Einlagenversorgung des rheumatischen Fußes

Korrespondierender AutorDr. H.-D. CarlOrthopädische Universitätsklinik mitPoliklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergRathsberger Straße 57, 91054 [email protected]

Danksagung. Herrn OSM Reinhard Ignor, Fa. Ignor

Orthopädie-Schuh und Technik, Erlangen, danken wir

für die technische Beratung.

Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkon-

flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-

ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in

dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-

kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation

des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-

halte produktneutral.

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Aufgerichteter Wirbel befreit von Schmerzen und macht mobil

Patienten mit schmerzhaften Einbrüchen

von Wirbelkörpern aufgrund von Osteopo-

rose steht seit einigen Jahren ein effektives

Verfahren zur Verfügung, das sie von ihren

Schmerzen erlösen und ihnen die verlorene

Mobilität zurückgeben kann. Bei der so ge-

nannten Kyphoplastie wir der Wirbel durch

einen Ballon und nachfolgende Einspritzung

von Biozement aufgerichtet.

Eine Studie der Medizinischen Univer-

sitätsklinik Heidelberg bestätigt nun den

Therapieerfolg dieses Verfahrens. 30%

der knapp 400 behandelten Heidelberger

Patienten sind völlig schmerzfrei, bei 60%

wurden die Schmerzen erheblich gelin-

dert. Belastende Schmerzmedikamente

konnten abgesetzt oder drastisch reduziert

werden. Zudem treten neue Wirbelkörper-

brüche um 50% weniger häufig auf als bei

den nicht behandelten Kontrollpatienten.

Offenbar können erhöhte Beweglichkeit

und kräftigere Knochen den Patienten vor

neuen Brüchen bewahren.

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg,

www.klinikum.uni-heidelberg.de

Fachnachrichten

1182 | Der Orthopäde 11 · 2006