die determinanten der wirtschaftsstruktur versuch einer systematischen darstellung

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Die Determinanten der Wirtschaitsstruktur Versueh einer systematischen Darstellung Von Henner Faehndrieh, Baden-Baden I. Einf~rung Bei der Diskussion aktueller WJirtschaftsfragen, insbesondere anch im Zusammenhang mit den Problemen der sogenannten ,,Entwicklungsl~inder", f~llt immer wieder das Stichwort ,,Wirtschaftsstruktur", ohne dab dann eindeutige Vorstellungen damit verknfipft werden. So scheint es sich dabei um einen jener schwer effai]baren Sachverhalte zu handeln, wie sie uns die Erforschung der menschlichen Lebensverh~ltnisse des 5fteren gezeigt hat. Auch die Tatsache, dab man in den Standardwerken der wirl~sehaftswissenschaftlichen Literatur selten grSBere Ausffihrungen zu diesem Thema findet, spricht flit die obige Annahme 1. Nun handelt es sich bei der Wirtschaftsstruktur tats~dflich urn eine anBer- ordentliche komplexe Erscheinung, die in Mle mensd~lichen Lebensbereiche ein- greift. Dies mag mit ein AnlaB sein, die damit zusaxamenhEngenden Fragen aufzugreifen, um fiber die Untersuchung der strukturbestimmenden Merkmale und Faktoren zu einer K1/irung des Begriffes der Wirtschaftsstruktur zu go. langen 2. Zu ihrer Erkenntnis ist es abet notwendig, von don Grundtatsachen des Wirtschaftens auszugehen. II. Der Grundtatbestand 1. Allgemeines Untersucht man die Eigenschaften natfirlicher Bildungen, so stellt man lest, dab man es zumeist mit Erscheinnngen zu tun hat, die sich in irgendeiner Weise yon /ihnliehen Einriehtungen unterseheiden. Diese Abweichungen sind es auch, die den forschenden Geist anregen, nach ihren Ursachen zu fragen. Die n~mliche Fragestellung finden wir bei der Betrachtung tier menschlichen Kulmr, d.i. ,,die Gesamtheit der Lebens~ui3erungen in allem, was die ~iul]ere Lebensfiihrung, die gesellschaftlichen Einriehtungen und Br~iuche sowie die gei- stigen SchSpfnngen der Viilker betrifft, die yon ihnen gepflegt werden "3, bildet sie doch jenes Merkmal, das den Menschen yon ~en iibrigen Lebewesen unterscheidet. 1 Eine Ausnahme bitdet hier A. Paul sen: Allgemeine Volkswirtschafts- lehre. 1. Band: Grundlegung, Wirtsch~ftskreislauf. 3. Auflage. Berlin: 1959, S. llf. Vgl. hierzu auch K. C. T h a I h e i m : AnfriB einer volkswirtscbaftlichen Strukturlehre. Zeitschrift fiir die gesa~nte Staatswissenschaft 99 (1939), S. 464 ff. 3 H. T r i m b o r n : Von den Aufgaben und Verfahren der VSlkerkunde. In: Lehrbuch der VSlkerkunde. 3. Auflage. Stuttgart: 1958, S. 1.

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Die Determinanten der Wirtschaitsstruktur Versueh einer systematischen Darstellung

Von

Henner Faehndrieh, Baden-Baden

I. Einf~rung Bei der Diskussion aktueller WJirtschaftsfragen, insbesondere anch im

Zusammenhang mit den Problemen der sogenannten ,,Entwicklungsl~inder", f~llt immer wieder das Stichwort ,,Wirtschaftsstruktur", ohne dab dann eindeutige Vorstellungen damit verknfipft werden. So scheint es sich dabei um einen jener schwer effai]baren Sachverhalte zu handeln, wie sie uns die Erforschung der menschlichen Lebensverh~ltnisse des 5fteren gezeigt hat. Auch die Tatsache, dab man in den Standardwerken der wirl~sehaftswissenschaftlichen Literatur selten grSBere Ausffihrungen zu diesem Thema findet, spricht flit die obige Annahme 1.

Nun handelt es sich bei der Wirtschaftsstruktur tats~dflich urn eine anBer- ordentliche komplexe Erscheinung, die in Mle mensd~lichen Lebensbereiche ein- greift. Dies mag mit ein AnlaB sein, die damit zusaxamenhEngenden Fragen aufzugreifen, um fiber die Untersuchung der strukturbestimmenden Merkmale und Faktoren zu einer K1/irung des Begriffes der Wirtschaftsstruktur zu go. langen 2. Zu ihrer Erkenntnis ist es abet notwendig, von don Grundtatsachen des Wirtschaftens auszugehen.

II. Der Grundtatbestand 1. Allgemeines

Untersucht man die Eigenschaften natfirlicher Bildungen, so stellt man lest, dab man es zumeist mit Erscheinnngen zu tun hat, die sich in irgendeiner Weise yon /ihnliehen Einriehtungen unterseheiden. Diese Abweichungen sind es auch, die den forschenden Geist anregen, nach ihren Ursachen zu fragen.

Die n~mliche Fragestellung finden wir bei der Betrachtung tier menschlichen Kulmr, d.i . ,,die Gesamtheit der Lebens~ui3erungen in allem, was die ~iul]ere Lebensfiihrung, die gesellschaftlichen Einriehtungen und Br~iuche sowie die gei- stigen SchSpfnngen der Viilker betrifft, die yon ihnen gepflegt werden "3, bildet sie doch jenes Merkmal, das den Menschen yon ~en iibrigen Lebewesen unterscheidet.

1 Eine Ausnahme bitdet hier A. P a u l s e n : Allgemeine Volkswirtschafts- lehre. 1. Band: Grundlegung, Wirtsch~ftskreislauf. 3. Auflage. Berlin: 1959, S. l l f .

Vgl. hierzu auch K. C. T h a I h e i m : AnfriB einer volkswirtscbaftlichen Strukturlehre. Zeitschrift fiir die gesa~nte Staatswissenschaft 99 (1939), S. 464 ff.

3 H. T r i m b o r n : Von den Aufgaben und Verfahren der VSlkerkunde. In: Lehrbuch der VSlkerkunde. 3. Auflage. Stuttgart: 1958, S. 1.

H. Faehndrich: Die Determinanten der Wirtschaftsstrukmr 201

Wie bei allen anderen Erscheinungen auch, so haben wit die Ursachen fiir die Auspr/igung der menschlichen Kulturen in jenem Grundtatbestand zu sehen, dai~ die menschlichen Lebenserfordernisse mit der ihn umgebenden Umwelt in ihrer spezifischen Eigengesetzlichkeit nicht harmoniert. So erwachsen alle Ein- richtungen des menschlichen Lebens ans dieser Diskrepanz menschlid~er und nati~rlicher Gesetzmtifligkeiten. In ihnen haben wir die Ansatzpunkte ffir unsere Betrachtung zu sehen 4.

2. Der ,,Strukturfaktor" Menseh Der Mensch ist Mittelpnnkt und Endzweck aller yon ibm geschaffenen Ein-

richtungen. Seine Eigenheiten spiegeln sich in diesen seinen SchSpfungen wieder, weshalb ihnen auch unser besonderes Augenmerk gilt:

a) Q u a n t i t a t i v e A s p e k t e ,,Unter den Faktoren, die jede Wirtschaftsgesellschaft pr~gen, nimmt die

Struktur und Entwicklung der BevSlkerung deshalb eine hervorragende Stellung ein, weil dutch sie eine Reihe yon grundlegenden 5konomischen Fragen maB- geblich bestimmt wird. Von der Zusavamensetzung, GrSl3e und Entwicklung der Bev61kerung h~ngt die spezifische Bedarfsstruktur und ihre VerKnderung ab. Ebenso werden davon Arbeitsangebot und Besch~iftigung unmittelbar beeinflul3t. ''~

Das zahlenm~i~ige Auftreten der Menschen bildet deshalb die eine der abso- luten Grenzen 5konomischer Bet~tigung, indem es anf der einen Seite den Faktor- einsatz ,,Arbeit" begrenzt, zum anderen im Zielbereich den Umfang der Mittel- beschaffung zur Bedarfsdeckung beschr~nkt.

b) Q u a l i t a t i v e A s p e k t e Von erheblich grSl3erer Bedeutung sind fiir die sich anschliel3enden Betrach-

tungen abet die qualitativen Aspekte des ,,Strukturfaktors" Mensch. Hierunter sollen die unterschiedlich physischen und psychischen Eigenschaften des Men- sehen verstanden werden.

Deun der Mensch ist nicht in allen Gebieten der Erde gleieh beschaffen, wenn auch nur noch eine Art ,,homo sapiens" existiert. Die unterschiedlichen Eigen- schaften der Menschen beziehen sich primiir auf die Rassen, d.h. die Unter- gruppen der Art homo sapiens mit bestimmten Kombinationen von Merkmalen bestimmter Variabilit~t, die unter einer geographisch verursachten Isolation anftreten und sich dutch eine Anzahl gleieher Erbanlagen von anderen Unter- gruppen unterscheiden s. Diese Unterschiede betreffen nun sowohl physische als auch psychische Eigenschaften 7.

4 DaB es sich hier um eine allgemeingfiltige Aussage handelt, die fiir alle lebendigen Erscheinungen gilt, 1KBt sich leicht nachweisen, denkt man z.B. an das AnpassungsvermSgen der Pflanzen und Tiere an ver~nderte Namrbedin- gungen (z. B. der Jahreszeitenwechsel), da beiden die F~higkeit zur aktiven Umgestaltung der Naturgesetzlichkeit fehlt (z. B. Erzeugung yon W/irme dutch Feuer zur ~berbriickung kalter Perioden), sie also anf die passive Umgestaltung ( = Anpassung) angewiesen sind, w~ihrend der Mensch aufgrund seines gerin- gerem AnpassungsvermSgen zur aktiven Gestaltung (d. i. K lturbildung) schreiten muB, wenn das Leben erhalten werden soil, was als Grundbedingung anzusehen ist.

5 H. S a u e r m a n n : Einfiihrung in die Volkswirtschaftslehre. Die Wirt- schaftswissenschaften, Reihe B, 1 I. Wiesbaden: 1960, S. 73.

6 Vgl. K. S a l l e r : Art- und Rassenlehre des Menschen. Linz: 1949, S. 13; W. H e 11 p a c h : Einfiihrung in die VSlkerpsychologie. 3. Auflage. Stuttgart: 1954, S. 32.

Vgl. R. M i e h e l s : Wirtschaft und Rasse. In: GrundriB der SozialSkono-

202 H. Faehndrich:

Die Rassen selbst zerfallen welter in eine Reihe von V61kern, die ihrerseits unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. ,,Sie sind die wirkliche Dauergemein- schaftsform, in der das MenschengescMecht lebt. "s Dabei h~ngt es yon den Ent- faltungsumst/inden ab, in welchem MaBe die rassisch bedingten Erbanlagen in Erscheinungswirklichkeiten dutch l~bung an und EinfluB yon der Umwelt um- gewandelt werden; so kommt es, dab ,,die wesentlichen Konstitutionseigentiim- lichkeiten vom Standort bestimmt werden. "9 Die Intensit~t der Auspr~igung wird ihrerseits yon der Fi£higkeit des Menschen bestimmt, auf die Umwelt gesta]tend einzuwirken.

Der ,,Strukturfaktor" Mensch ist also in seiner jeweiligen, dutch die vSI- kische ZugehSrigkeit gepr/igten Erscheinungsweise mit seinen spezifischen Eigen- schaften wirksam. So wird nicht nur die Zahl der Menschen, sondern -- und in erster Linie -- die ,Summe" ihrer Qualit~ten zum strnkturbestimmenden Faktor l°.

3. Die Naturgesetzliehkeiten

Ats Naturgesetzlichkeiten sollen alle jene Gesetzm~k6igkeiten bezeichnet wer- den, die die organische und anorganische Welt beherrschen und ihr ihre Aus- pr~igung verleihen. Als Beispiele seien diie Jahreszeiten, chemische Gesetze u./i. m. angeffihrt.

Sie bilden keinen unmittelbaren Strukturfaktor wie der Mensch, gleichwohl sie die andere absolute Grenze 5konomischer Bet£tigung darstellen, indem sie die MSglichkeiten der Giiter- und Leistungserstellung und -verwertung beinhalten.

Ill. Natflrliche und kulturelle Strukturiaktoren

1. Entstehung

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dab sich die Gesamtheit menschlicher Bet~itigungen und Einrichmngen aus dem Spannungsfeld Mensch- Naturgesetz- lichkeit ableitet.

Diesem Sachverhalt muI] man bei der Ableitung der kulturellen und natiir- lichen Strukturfaktoren Rechnung tragen, indem man sie auf die beiden Polo Menseh und Naturgesetzlichkeit bezieht:

Mensch

Natur

Mensch Natur

Mensch

Gesellschaft Wirtschaft

Technik nati irt iche U m w e R Natur

Natur

Mensch

mik. 2. Abt. : Die natfirlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft. 1. Tell: Wirtschaft und Natur. 2. Auflage. Tfibingen: 1923, S. 156ff.; E. O b s t : All- gemeine Wirtschaftsgeoraphie -- Lehrbuch der Allgemeinen Geographie, Bd. 7. Berlin: 1959, S. 239 ft.

s W. H e l l p a c h , a.a.O,, S. 1. 9 Ebenda, S. 51.

lo Vgl. K. C. T h a l h e i m , a,a.O., S, 472ff.

Die Determinanten der Wirtschaftsstruktnr 203

Bezeichnen wit I Ms den prim~ren oder aktiven Bereid~ und tI Ms den sektm- d~ren oder passiven Bereich, so lassen sieh aus dem Schema folgende bemerkens- werte Schlfisse ziehen:

1. Aus dem Zusammenwirken der Menschen entsteht die Gesellschaft. 2. Die (aktive) Nutzung der nattirlichen Gesetze ffihrt zur Entwicklung der

Technik durch den Menschen. 3. Die Anpassung des Menschen (passiv) an die Natur bildet die Grund-

lage der Wirtschaft, in der der Mensch mit den gegebenen M5glichkeiten seine Lebensziele verwirklichen mull und bei der ibm die Natur die Grenzen setzt.

4. Das Zus~mmenwirken der Naturgesetze fiihrt zur Auspr~gung der jewei- ]igen natiirlichen UmweIt.

So entsteht aus der wechselseitigen Verflochtenheit der beiden Ausgangs- punkte die Gruppe der mensehbestimmten Kulturfaktoren (Gesellsehaft, Wirt- sehaft, Teehnik) auf der einen Seite, die natfirliche Umwelt auf der anderen.

2. Nat i i r l iche S t r u k t u r f a k t o r e n

Die nat/h'lichen Struktuffaktoren umfassen alle jene Erscheinungen, die man als Umwelt oder kurz ,,Raum" bezeichnen kann n. Im einzelnen diese Faktoren aufzuz~ihlen, wtirde hier zu welt fiihrenle; es geniigt, die grSl]eren Bereiche anzudeuten:

Das Klima begrenzt die MSglichkeiten 5konomischer Bet~tigung in der natiirtichen Produktion (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei), indem es auf diese unmittelbar einwirkt. Als Strukturfaktor wirkt das Klima aueh auf den Mensehen und hemmt oder fSrdert so seine 5konomische T~tigkeit in allen Bereichen. Auch auf die Sachapparatur kann es Einflu8 nehmen, wie eingehende Untersuchungen gezeigt haben 1~. Im grol]en und ganzen sind die Einflul~mSg- lichkeiten des Menschen auf das Klima gering, so dab es in 5konomJschen Unter- suchungen als fix angenommen werden kaan 14.

Der Boden ist als Strukturfaktor von Ehnlicher Beschaffenheit; neben seinem GrSl~enumfang werden seine qualitativen Eigenschaften als Tr~ger von Boden- schatzen und als Standort von strukturbestimmender Bedeutung. Insbesondere ist es die Oberfl/ichenbesch~ffenheit, die ftir die Wirtschaftsentwicklung yon Bedeutung ist. Auf den Einflul~ des Bodens auf die Qualit~ten der ihn bewohnen- den Menschen wurde bereits hinge~desen, so dab man zu dem Schtul~ kommt, dall auch dem Boden als Strukturfaktor wesentliche Einfliisse zuzuschreiben sind ~5.

SchtieBlich mu$ der Tier- und Pflanzenwelt Erw~ihnung getan werden, die urspriinglich als Strukturfaktor wirksam war nnd es auch heute noch teil- weise ist (insbesondere in den Tropen). Allerdings ist der Einflul] des Men- schen auf diesen Faktor in den gem~il]igten Breiten so weitreiehend, daft er hier seinen Charakter als Wirkungskraft verloren hat 16.

n Vgl. A. P a u l s e n , a.a.O., S. 12; H. S a u e r m a n n , a.a.O., S. 87ff. 12 Vgl. abet K. C. T h a t h e i m , a.a.O., S. 477ff. 1~ Vgl. G. G r u n d k e : Die Bedeutung des Klimas fiir den industriellen

Standort. Gotha: 1955. ~4 Vgl. fiir Einzelheiten: R. L / i t g e n s : Die geographischen Grundlagen

und Problerae des Wirtschaftslebens. Stuttgart: I950, S. 19ft. 15 Vgl. ebenda, S. 71ff.; W. H e l l p a c h : Geopsyehe. 4. Auflage. Leipzig:

1935. ~6 VgI. R. L i i t g e n s , a.a.O., S. t51ff.

204 H. Faehndrich:

3. Die kulturel len Strukturfaktoren

Die kulturellen Strukturfaktoren erwachsen aus der Verbindung der Men- schen miteinander (-----Gesellschaft) und der mit der Natur (--Technik und Wirtschaft). Sie beinhalten die drei Lebensbereiche der Menschen als Ausdruck ihrer materiellen Kultur.

Ihre Ableitung ergibt sich wie folgt: Die unterschiedliche Begabung des einzetnen zwingt die Menschen zur gesellsehaftlichen Kooperation, zur Verwirk- lichung ihrer Lebensaufgaben 17. Diese sind in materielter Hinsicht Technik und Wirtschaft; Technik bedeutet dabei dis aktive Stellungna, hme des Menschen zur Natur, d. h. die eigenst~indige Verwertung der Naturgesetze zur Verfolgung seiner Zwecke. In der Wirtschaft muB sich der Mensch mit den Naturgegebenheiten abfinden und dutch das Wirtschaften seine Gfiterdispositionen in lJbereinstim- mung mit jenen Gegebenheiten bringen.

Diese drei Bereiche werden als Strukturelemente TM erst in ihrer wechselseiti- gen Verknfipfung wirksam, aus der die neun kulturellen Strukturfaktoren er- wachsen 19:

Wirtschaft

Gesellschaft

Teehnik

Wirtschaft

Wirtschafts- ordnung

WirtschaRs- gesinnung

Wirtschafts- form

Wirtschaft

Gesellsehaft

Besitz- und Machtverteilung

Gesellschafts- ordnung

Reehtsordnung

Gesellsehaft

Teehnik

WirtschaRs- stufe

SiRen und Brauchtum

Technisehes Wissen

Technik

WirtsehaR

Gesellschaft

Technik

Diese Darstellung zeigt andeutungsweise auch die wechselseitige Verbun- denheit der einzelnen Strukturfaktoren. Diese sollen ira folgenden n~her beleueh- tet werden:

a) Die W i r t s e h a f t s o r d n u n g

,,Die Gesamtheit aller geltenden Regeln fiir Aufbau und Ablauf des wirt- schaftlichen Gesehehens bezeichnen wit ais Wirtschaftsordnung. Jede Wirtschafts- ordnung begreift in sich eine Anzahl yon speziellen Ordnungen, wie etwa spe- zielle Marktordnungen, Gewerbeordnungen, Geldordnung etc. "2°

Die Wirtschaftsordnung stellt die konkrete Erscheinungsweise eines der beiden Wirtschaftssysteme oder eine Mischfom beider dar, n~mlich der freien Verkehrswirtschaft oder der ZentralverwaJtungswirtschaft 21. Die Bedeumng der Wirtschaftsordnung spiegelt sich dabei !in zwei Fakten wieder: einmal bestimmt

i7 VgL P. M e y e r : Das Gerechtigkeitsproblem im 5konomischen Lebens- bereich des Menschen. Diss. Freiburg: 1952, S. 96f.

is Vgl. die anderen Interpretationen des Begriffes ,,Strukturelement" bei K. C. T h a l h e i m , a. a.O., S. 188ff.

19 Vgl. ffir Einzelheiten K. C. T h a l h e i m , a. a. 0., S. 481 ft. 29 H. S a u e r m a n n , a.a.O., S. 91. 21 Vgl. W. E u e k e n : Die Grundtagen der NationalSkonomie. 7. Auflage.

Bertin--GSttingen--Heidelberg: 1959, S. 78 ft.

Die Determinanten der Wirtschaftsstruktur 205

sis die Richtung des politischen Denkens, zum anderen fiihrt sie zur Auspr~- gung eines angemessenen Wirtschaftsrechts als praktische Manifestation des Ordnungswillens 22.

Auf die Bedeutung der Wirtschaftsordnung als Strukturfaktor braucht bier nicht n~her eingegangen zu werden; die E u c k e n schen Untersuchungen haben den EinfluB der Wirtschaftsorduung auf die wirtschaftliche Entwicklung klar herausgestellt, und praktische Untersuchungen haben seine Forschungsergebnisse best~tigt 2a.

b) Die W i r t s c h a f t s g e s i n n u n g

Die Wirtschaftsgesinnung umfaBt ,,alle geistigen Elemente, wie Wertungen, Zwecksetzungen, ethische Tendenzen, religiSse Einflfisse, die bei den wirtschaf- tenden Menschen Geltung haben "24. Sic bezeichnet so das Verh~ltnis der Men- schen zur Wirtschaft 25. Dabei hat sich gezeigt, dab ,,je starker eine Religion die Jenseitsorientierung betont, desto geringerer Wertsch/£tzung sich natiirlich das Streben nach wirtschaftlicher Entfaltung" erfreut 26.

Gleichzeitig ffihrt die Auspr~gung einer bestirmnten Einstellung zur Wirt- schaft zur Bildung dieser entsprechenden Wirtschaftsordnungen, wie die Ge- schichte gelehrt hat 27.

c) D ie W i r t s e h a f t s f o r m

Als Wirtsehaftsform bezeichnen wir im AnschluB an L i i t g e n s ,,die ver- schiedenen Wege, auf denen der Mensch seinen Wirtschaftszielen nachstrebt ''2s. Dabei findet man meist eine Mischung mehrerer Wirtschaftsformen, wobei zwi- schen den Hauptwirtschaftsformen und den Ergi~nzungsformen unterschieden wird. Die Wirtschaftsform ist jener Strnkturfaktor, der das Zustandekonunen des Sozialproduktes in seinem Aufbau bestimmt.

Die Wirtschaftsformen steIlen die Produktionsweisen dar und sind so mittelbarer Spiegel des technischen Entwicklungsstandes 29. GewShnlich trifft man eine Unterscheidung in: Sammelwirtschaft, Jagd und Fischfang, Pftanzenanbau, Tierhaltung und -zucht, Handwerk, Industrie, Handel und Verkehr a°. Bei wirt- schaftlichen Monokulturen findet man zumeist nur eine Wirtschaftsform, w~h- rend die fibrigen verkfimmert sind. Die Wirtschaftsformen pflegt man in land- l~ufigen Sprachgebrauch auch als Wirtsdsaftszweige zu bezeichnen, und das Ver- h/iltnis dieser zueinander ist eine wesentliche Determinante der Wirtschafts- struktur al.

d) Die B e s i t z - u n d M a e h t v e r t e i l u n g

Besitz- und Machtverteilung stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Wir verstehen unter Besitzverteilung

22 Vgt. R. F r i e k e : Wirtschaftskunde -- eine Grundlegung zur Morphologie der Wirtschaft. Stuttgart--KSln: 1953, S. 17.

23 Vgl. W. E u c k e n , a. a.O., S. 72ff. 24

25

26

27

28

29

schaft 3O

31

A. P a u l s e n , a.a.O., S. 12. Vgl. W. E u c k e n , a. a. 0., S. 205ff. E. Obs t , a.a.O., S. 246f. Vgl. W. E u e k e n , a. a. 0., S. 207f. R. L i i t g e n s , a. a. 0., S. 170. Vgl. W. S c h 111 i d t und W. K o p p e r s : Der Mensch aller Zeiten. Gesell-

und Wirtsehaft der VSlker. Regensburg o.J., S. 38. R. L i i t g e n s , a.a.O., S. 173ff. Vgl. K. C. T h a l h e i m , a.a.O., S. 488ff.

206 H. Faehndricb:

den grSi~enm~Bigen Anteil der einzelnen Wirtschaftssub]ekte am VolksvermSgen; die Machtverteilung spiegelt sich dagegen am Anteil des einzelnen Wirtschafts- subjektcs am Sozialprodukt wieder.

Konkrete Ausdrucksformen der Machtstellung des einzelnen ist die jeweilige Marktfom 82. In der zentralgeleiteten Verwaltungswirtschaft ist daher auch die Machtballung am grSBten, da hier ein umfassendes Monopol des Staates vor- liegt.

e) Die G e s e l l s e h a f t s o r d n u n g

,,Der Begriff ,gesellschaftliche Ordnung' ist sehr welt gefaBt. Ihm kSnnen alle mSglichen speziellen Ordnungen subsumiert werden. ''88 Hier soll jedoeh die Organisationsfom der wirtschaftenden Individuen unter einem Leitprinzip dar- uater verstanden werden. Dieses Leitprinzip kann dabei liberalistisch (indivi- dualistisch), sozialistisch (kollektivistfl,~ch) oder sonstwie ausgestaltet werden. Immer zeigt sich aber die enge wechse][seitige Verbindung mit der Wirtschafts- ordnung 84, denn ,,ein Wirtscbaftssystem ist natfirlich auch ein Gesellschafts- system ''85.

f) Die R e e h t s o r d n u n g

,,Die EntscheidungsmSglichkeiten der Wirtschaftssubjekte fiber Gfiter und Dienste sind in ganz besonderer Weise durch die geltende und bestehende Rechts-und Eigentumsordnung bestimmt und begrenzt. In jedem Staatswesen ist die grundlegende Ordnung konkret dutch die Verfassung charakterisiert. Diese Verfassung enth~lt die Grundrechte und Grundpflichten der Staatsbfirger. ''za

Die Rechtsordnung umfat]t so die Gesamtheit aller rechtlichen Normen, die den Verkehr der Wirtschaftssubjekte untereinander regeln. Dabei sind Rechts- ordnung trod Wirtschaftsordnung nicht identisch, wolff abet mfissen beide dem gleiehen Prinzip entspringen, soll nicht die eine die andere behindern. Unbe- nommen bleibt auch ein gewisser EinfluI3, der sich aus der Stellung des Recbts zur Gesellschaftsordnung herleitet, ffir (lie das Recht technisches Hilfsmittel ist 87.

g) Die W i r t s e h a f t s s t u f e

Die Wirtschaftsstufe zeigt den Entwicklungsstand der Wirtschaft an, indem sie ,,den mehr oder weniger groBen Abstand des wirtschaftenden Menschen vom Naturzwang bezeichnet ''88. Sic ist primer vom Stand der Technik bestimmt und gibt fiber die Produktivit~t der Wirtschaft AufschluB. F r i e d r i e h 89 unter- scheidet zwischen einer reflexiven, instinktiven, traditionellen und rationellen (wissenschafttich-technischen) Wirtsc_haftsstufe. Der Wirtschaftsstufe kommt dabei insofera strukturbildende Kraft zu, als sie die MSglidlkeiten zur wirtschaft- lichen Bet~tigung vom Menschen her determiniert.

8~ Vgl. W. E u e k e n , a.a.O., S. 106ff. 33 H. S a u e r m a n n , a.a.O., S. 93. 34 Vgl. W. E u c k e n : Grunds~tze der Wirtschaftspolitik. Hamburg: 1960,

S. 126. 88 E. H e i m a n n : Wirtschaftssystem und Gesellschaftssystem. Tfibingen:

1954, S. X. 86 H. S a u e r m a n n , a.a.O., S. 98. ~7 Vgl. W. E u c k e n : Die Grundlagen . . . . a.a.O., S. 54ff.; W. G. W a l -

l e n s c h m i d t : Technik und Wirtscbaft der Gegenwart. Berlin~-GSttingen-- Heidelberg: 1952, S. 276 ft.

as R. L f i t g e n s , a. a. O., S. 170. as Nach R. L fit g e n s, ebcnda.

Die Determinanten der Wirtsd~aftsstruktur 207

h) S i t t e n u n d B r a u c h t u m

Sitte und Brauchtum stehen in enger Verwandtschaft zur Religion, deren EinfluI3 wit bereits angedeutet haben. Als Strukturfaktoren bestimmen sie h~ufig Umfang und Richtung des Wirtschaftens, indem sie auf Giitererzeugung, -verteilung und -verwendung Einflui] nehmen 4°.

i) Das t e e h n i s e h e W i s s e n

Als tetzten Strukturfaktor nennen wir das technische Wissen, d.h. das ,,Ausmai] des menschlichen Wissens und KSnnens in bezug auf die Beherrschung und nutzbare Anwendung yon Naturkr/~ften, abet aueh der Gestaltungen des Gesellschaftslebens. "41 Hierzu gehSren ~uc~h die kaufm~nnischen Kenntnisse, ,,also die Gesamtheit aller der Leitung (eines Wirtschaftsgebildes H.F.) be- kannten Methoden der Wirtschaftsrechnung . . . . Marktbeobachtung, Budgetie- rung . . . USW. "42.

Das Ausmai] des technischen Wissens bestimmt die mSgliche 5konomische Beti~tigung, entspricht abet nicht der angewandten Technik, die ein wirtsehaft- liches Problem ist 4a. Es bildet viehnehr eine Art ,,geistiges" Kapital, auf das jederzeit zuriickgegriffen werden kann, wenn nach anderen Verfahren gesucht wird,

Das teehnische Wissen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wirt- schaftsstufe, wobei es die M(iglichkeiten ffir eine HSherentwieklung beinhaltet. Auch ist es Mal]stab ffir die Wirtschaftsstufe, die selbst mehr dutch die ange- wandte Technik charakterisiert wird.

Wie bei allen anderen Strukturfaktoren schon festgestellt wurde, so steht auch das teehnische Wissen in enger Verbindung mit den fibrigen Determinan- ten, insbesondere aber mit der Rechtsordnung (Patentwesen!), die die Entwick- lung des technischen Wissens erheblich beeinflussen kann. Auch die Besitzver- teilung wird dureh das technisehe Wissen beeinfluf~t, indem Patente einen Tell des VolksvemSgens darstellen. Das Patentwesen selbst ist ein Machtfaktor, in- dem es zun~chst Monepole schafft, die aIlerdings ,yon selbst" wieder aufgelSst werden, n~mlich dureh den technisehen Fortschritt, den Zuwaehs des teehnischen Wissens 44.

IV. Zusammenfassung Wit haben im vorangegangenen die drei Gruppen von Strukturfaktoren

kennengelernt, deren Verh~ltnis zueinander wie folgt dargestellt werden kann:

Natur Mensch

Kultur

Gleichzeitig erkennen wir in der Ausgestaltung der einzelnen Determinanten die Daten des Wirtschaftsr)rozesses, d.h. ,,diejenigen Tatsachen, die den 5kono- mischen Kosmos bestimmen, ohne selbst unmittelbar yon 5konomiseben Tat- sachen bestimmt zu sein "45.

40 Vgl. ebenda, S. 193 ff. 4i A. P a u l s e n , a.a.O., S. 12. 42 W. E u e k e n : Die Grundlagen . . . . a.a.O., S. 133. 4a Ebenda. 44 Vgl. ebenda, S. I00 und 157; W. G. W a f f e n s e h m i d t , a. a. 0., S. 68ff. 4~ W. E u e k e n : Die Grundlagen . . . . a. a. 0., S. 156.

208 H. Faehndrich: Die Determi.nanten der Wirtschaftsstruktur

Somit kSnnen wir das Wesen der Wirtschaftsstruktur als das Ergebnis des Zusammenwirkens der Strukturfaktoren wie folgt definieren: Die Wirtschafts- struktur ist der Datenkranz des Wirtschaftens.

Damit ist zugleich gesagt, dab die Wirtschaftstheorie an der Erforschung der Wirtschaftsstruktur endigt; das Zusammenwirken der Strukturfaktoren, ihre wechselseitige Interdependenz ist nicht mehr Gegenstaud wirtschaftswissenschaft- licher Forschungen, wohl abet der EinfluB des Wirtschaftsprozesses auf die Wirtschaftsstruktur. Gleichzeitig sind so auch die Ausgangspunkte einer Wirt- schaftspolitik fixiert, deren Hauptzweck die Einwirkung auf die Daten ist 4e. Mit dieser Erkenntnis wurde auch das Verh~ltnis yon Wirtschaftstheorie zur Wirt- schaftspolitik als ein komplement~res charakterisiert.

4~ Vgl. ebenda, S. 157 f.